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152 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2007<br />

Purrucker, Der frem<strong>de</strong> §3Abs. 2Satz 2BORA<br />

eng auszulegen. Enge Auslegung be<strong>de</strong>utet „schonen<strong>de</strong>“ Auslegung,<br />

also Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r statusbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Normen anwaltlichen<br />

Berufsrechtes. Der über die Durchbrechung <strong>de</strong>r Regel<br />

nach<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Anwalt muss sich selbstkritisch darüber im<br />

Klaren wer<strong>de</strong>n, obBelange <strong>de</strong>r Rechtspflege <strong>de</strong>r Weiterführung<br />

eines Mandates nunmehr als wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>s Mandat entgegenstehen.<br />

Ist dies <strong>de</strong>r Fall, verbietet sich je<strong>de</strong> weitere Diskussion.<br />

Erweiterung <strong>de</strong>r Textform<br />

a) Die Überlegungen führen zueiner weiteren Erkenntnis: §3<br />

Abs. 2Satz 3BORA verlangt Textform an sich nur für die „Informationen“<br />

und die „Einverständniserklärung“. Diesseitigen<br />

Erachtens müssen die Reflexionen <strong>de</strong>s Rechtsanwaltes über die<br />

Frage, ob <strong>de</strong>r Weiterführung wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r Mandate „Belange<br />

<strong>de</strong>r Rechtspflege“ entgegenstehen, schriftlich festgehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies ergibt sich zum einen aus <strong>de</strong>m hohen Stellenwert<br />

<strong>de</strong>s Tatbestandsmerkmals„Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege“. Es hat je<strong>de</strong>nfalls<br />

keinen geringeren Stellenwert als die Tatbestandsmerkmale<br />

„Information“ und „Einverständniserklärung“ <strong>de</strong>r Mandanten.<br />

Aber auch eine weitere Überlegung stützt dies: Ein<br />

Mandant, <strong>de</strong>r bei Weiterführung eines Mandates gleichsam<br />

zum Gehilfen einer Verletzung von Belangen <strong>de</strong>r Rechtspflege<br />

wer<strong>de</strong>n soll, wird dies von sich aus nicht unbedingt erkennen,<br />

aber in je<strong>de</strong>m Falle erkennen wollen (und müssen). Daraus<br />

folgt zweierlei: erstens ist die Reflexion über entgegenstehen<strong>de</strong><br />

Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege integraler Bestandteil <strong>de</strong>r Information<br />

<strong>de</strong>s Mandanten gem. §3Abs. 2Satz 2BORA und zweitens ist<br />

allein <strong>de</strong>shalb dieses „Teilgedankengebäu<strong>de</strong>“ schriftlich zuerrichten.<br />

b) Soweit andieser Stelle eingewandt wer<strong>de</strong>n mag, die Formvorschrift<br />

<strong>de</strong>s §3Abs. 2Satz 2sei als „Soll-Vorschrift“ ausgestaltet<br />

wor<strong>de</strong>n, ist darauf hinzuweisen, dass gute Argumente<br />

dafür sprechen, sie als „Muss-Vorschrift“ zu interpretieren: Von<br />

<strong>de</strong>r Führung wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r Mandate ist <strong>de</strong>r Kernbereich anwaltlichen<br />

Berufsrechtes betroffen. Bei einem Eingriff in <strong>de</strong>n<br />

Kernbereich muss imInteresse <strong>de</strong>s hohen Wertes <strong>de</strong>r zuschützen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsgüter eine sorgfältige Dokumentation <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Prüfungsschritte verlangt wer<strong>de</strong>n. Kommt es im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Berufsaufsicht zur Feststellung einer Verletzung berufsrechtlicher<br />

Vorschriften, ist <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n immerhin schon längst<br />

eingetreten; vielleicht hätte ervermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können.<br />

Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege<br />

a) Ausgehend von einem bloßen „Korrektiv“ wird <strong>de</strong>m Tatbestandsmerkmal<br />

„Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege“ in <strong>de</strong>r Literatur (folgerichtig)<br />

nur eine geringe Be<strong>de</strong>utung beigemessen. Bei richtigem<br />

Verständniswird <strong>de</strong>n „Belangen <strong>de</strong>r Rechtspflege“ zukünftig<br />

ein viel größeres Gewicht beigemessen wer<strong>de</strong>n müssen. Die<br />

Kanzlei, die sich über §3Abs. 2Satz 2BORA mit <strong>de</strong>m Gedanken<br />

trägt, zukünftig wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Mandate zuführen, wird<br />

bereits an diesem ersten Prüfungspunkt sowohl <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstreit<br />

<strong>de</strong>r Interessen als auch die „Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege“ klar<br />

(und schriftlich) herausarbeiten müssen –und dies nicht erst<br />

auf <strong>de</strong>r Stufe <strong>de</strong>rInformation <strong>de</strong>r Mandanten. Der bloße Wi<strong>de</strong>rstreit<br />

von Interessen wird als solcher nach <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

BVerfG noch keine ausschlaggeben<strong>de</strong> Rolle spielen können,<br />

wohl aber weitere Umstän<strong>de</strong>: Einer ist oben benannt wor<strong>de</strong>n:<br />

die Offenlegung einer bislang ver<strong>de</strong>ckten anwaltlichen Vertretung<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Gegner. Bereits an dieser Stelle <strong>de</strong>r Prüfung<br />

ist aber auch zum ersten Mal eine Mandantensicht zuantezipieren:<br />

Geht die anwaltliche Einschätzung sicher dahin,<br />

dass <strong>de</strong>r Mandant seine Interessenwahrnehmung nicht mehr als<br />

gesichert ansehen wird, ist tatsächlich auch ein „Belang <strong>de</strong>r<br />

Rechtspflege“ tangiert. Und nur dann, wenn erwartet wer<strong>de</strong>n<br />

kann, dass <strong>de</strong>r Mandant –legt man ihm offen, dass Angehörige<br />

„seiner“ Kanzlei nunmehr <strong>de</strong>r gegnerischen Kanzlei angehören<br />

– gleichmütig reagieren wird, kann überhaupt weitergeprüft<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

b) Der Rechtsanwalt ist und bleibt ein „Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege“<br />

–sostatuiert es §1BRAO und so erwacht diese Norm vielleicht<br />

ganz plötzlich aus ihrem Dornröschenschlaf. Konflikte<br />

zu vermei<strong>de</strong>n, Recht zu fin<strong>de</strong>n, Streit entschei<strong>de</strong>n zu lassen,<br />

Recht zu entwickeln –das sind nur wenige Beispiele für das,<br />

was unter „Rechtspflege“ zu verstehen ist. 12 In diesem System<br />

hat <strong>de</strong>r Rechtsanwalt seine ganz eigene Rolle. Verlässt erdiese,<br />

so gerät das System Rechtspflege in Gefahr. Der Rechtsanwalt,<br />

<strong>de</strong>r mit Rechtsargumenten für seinen Mandanten vehement gegen<br />

eine diesen benachteiligen<strong>de</strong> Vergabeentscheidung<br />

kämpft, plötzlich aber auch <strong>de</strong>n (mittelbar) Begünstigten inseiner<br />

Kanzlei hat, wird seinen Beitrag zur Klärung <strong>de</strong>r vielleicht<br />

offenen Rechtsfragen nicht mehr leisten –und die Rechtspflege<br />

ist unmittelbar tangiert, ob<strong>de</strong>r benachteiligte Mandant einwilligt<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Der Rechtsanwalt, <strong>de</strong>r sich mit Nachdruck um<br />

eine außergerichtliche Lösung eines Konfliktes bemüht, wird –<br />

ist plötzlich auch <strong>de</strong>r Gegner Mandant seiner Kanzlei –inseinen<br />

Bemühungen vielleicht nachlassen o<strong>de</strong>r dort, wo <strong>de</strong>r gerichtliche<br />

Konflikt unausweichlich ist, doch weiterhin auf eine<br />

außergerichtliche Klärung drängen –auch hier ist die Pflege<br />

<strong>de</strong>s Rechts unmittelbar berührt.<br />

c) Als erfreulich dürfen die Überlegungen <strong>de</strong>s Vorprüfungsausschusses<br />

(Kammer) <strong>de</strong>s ersten Senats <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtes<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n; mit Beschluss vom 20.6.2006 13 hat<br />

das Gericht bestätigt, es sei mit Art. 12 Abs. 2GGvereinbar,<br />

die Nie<strong>de</strong>rlegung eines Mandates zu verlangen, wenn innerhalb<br />

einer Sozietät wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Interessen vertreten wer<strong>de</strong>n.<br />

Das BVerfG sieht keine Veranlassung, die aus seiner Sicht<br />

geklärten Fragen inZusammenhang mit <strong>de</strong>m Verbot wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r<br />

Interessen erneut einer verfassungsrechtlichen Prüfung<br />

zuzuführen. Die Begründung für diese klare Haltung liegt in<br />

<strong>de</strong>m hohen Stellenwert <strong>de</strong>s „Gemeinwohls in Gestalt <strong>de</strong>r<br />

Rechtspflege“. 14 Dass in <strong>de</strong>m zuentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fall die Mandanten<br />

<strong>de</strong>r Weiterführung von Mandaten wi<strong>de</strong>rsprochen hatten,<br />

hatte übrigens keinen Einfluss auf die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

Gerichts. Esverlangt die Nie<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>s Mandates bei Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

<strong>de</strong>r Interessen selbst dann, wenn die Mandanten ihr<br />

Einverständnis zur Fortführung eines o<strong>de</strong>r mehrerer Mandate<br />

erteilt haben. 15 Dies weist indie richtige Richtung: die Interessen<br />

<strong>de</strong>r Rechtspflege gehen <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r Mandanten vor.<br />

In<strong>de</strong>s mag die Prognose gewagt wer<strong>de</strong>n, dass sich das BVerfG<br />

eben wegen <strong>de</strong>s (neuen) §3 Abs. 2Satz 2 BORA mit <strong>de</strong>n als<br />

„erledigt“ betrachteten Fragen erneut wird befassen müssen.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Verpflichtung zur anwaltlichen Verschwiegenheit kommt<br />

auch unter <strong>de</strong>m neuen §3Abs. 2Satz 2BORA eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung zu. Die Verschwiegenheit ist ausnahmslos zu<br />

beachten. Die Frage, ob„Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege“ <strong>de</strong>r wegen<br />

eines „Sozietätswechslers“ evtl. notwendig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vertretung<br />

wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r Interessen entgegenstehen, ist zuvör<strong>de</strong>rst<br />

zu prüfen und nicht etwa zuletzt als „Korrektiv“. Sie ist zu prüfen,<br />

bevor erwogen wird, die Mandanten zuunterrichten. Reflexionen<br />

zu dieser Frage sind schriftlich festzuhalten. Sie sind<br />

darüber hinaus integraler Bestandteil <strong>de</strong>r Mandanteninformation.<br />

12 Vgl. im Einzelnen Koch in Henssler/Prütting, BRAO,2.Aufl., §1Rdnr.71.<br />

13 BVerfG, Beschl. v. 20.6.2006 –1BvR 594/06 –BRAK-Mitt. 2006, 170 ff.<br />

14 BVerfG, Beschl. v. 20.6.2006, a.a.O., S.171.<br />

15 BVerfG, Beschl. v. 20.6.2006, a.a.O., S.172.

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