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174 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2007<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Umzug wegen Hartz IV–kostenlose Beratung<br />
Eine Rechtsberatung für Hartz-IV-Bezieher bietet <strong>de</strong>r X-Verein<br />
am nächsten Mittwoch von 10 bis 15Uhr an. Im…beantworten<br />
Fachanwälte Fragen zur Angemessenheit von Wohnraum<br />
und zum Umzug bei Hartz IV. Betroffene können ihre Unterlagen<br />
mitbringen und sich kostenlos beraten lassen.<br />
Die Astin. hat sich als RAin an<strong>de</strong>n angebotenen kostenlosen<br />
Rechtsberatungsaktionen in<strong>de</strong>r Vergangenheit beteiligt, in<strong>de</strong>m<br />
sie Betroffene beraten hat.<br />
Mit Schr. v. 12.1.2006 hat die Agin. die Astin. gem. §73 Abs. 2<br />
Ziff. 1<strong>de</strong>r BRAO auf ihre Berufspflichten nach <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit gültigen<br />
Rechtslage hingewiesen und sie angehalten, diese künftig<br />
zu beachten, weil nach ihrer Auffassung die kostenlose Rechtsberatung<br />
u.a. wegen Verstoßes gegen §49b BRAO rechtswidrig<br />
sei. Gegen diese missbilligen<strong>de</strong> Belehrung hat die Astin. mit<br />
Schriftsatz v. 9.2.2006, eingegangen am 11.2.2006, einen<br />
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.<br />
Die Astin. vertritt die Auffassung, dass die missbilligen<strong>de</strong><br />
Belehrung einen rechtserheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit<br />
<strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1GGo<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st indie allgemeine Handlungsfreiheit<br />
<strong>de</strong>s Art. 2Abs. 1GG darstelle. Ein Verstoß gegen<br />
§49b BRAO schei<strong>de</strong> aus, weil kein Beratungsvertrag zwischen<br />
<strong>de</strong>m RA und <strong>de</strong>n Rechtsuchen<strong>de</strong>n zustan<strong>de</strong> komme und <strong>de</strong>r X-<br />
Verein sich seiner Vereinsmitglie<strong>de</strong>r als Erfüllungsgehilfen<br />
bediene.Ein Verstoßgegen dasRBerG liege ebenfallsnicht vor.<br />
Die Agin. beantragt, <strong>de</strong>n Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />
zurückzuweisen. Sie nimmt Bezug auf die Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s angefochtenen<br />
Bescheids und macht geltend, dass durch die missbilligen<strong>de</strong><br />
Belehrung ein Verstoß gegen Art. 2Abs. 1 o<strong>de</strong>r 12<br />
Abs. 1GGnicht vorliege.<br />
Die Agin. hat auf die Durchführung <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />
verzichtet, die Astin. nicht.<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
II. Der gem. §223 Abs. 1BRAO zulässige Antrag auf gerichtliche<br />
Entscheidung richtet sich gegen <strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r Agin. v.<br />
12.1.2006, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Astin. eine Belehrung gem. §73Abs. 2<br />
Nr. 1BRAO erteilt wor<strong>de</strong>n ist. Der Antrag hat Erfolg, weil die<br />
missbilligen<strong>de</strong> Belehrung <strong>de</strong>r Agin. nicht gerechtfertigt ist.<br />
1. Die missbilligen<strong>de</strong> Belehrung stellt we<strong>de</strong>r einen rechtserheblichen<br />
Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1GG) noch in<br />
die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2Abs. 1GG) <strong>de</strong>r Astin.<br />
dar. Bei<strong>de</strong> Grundrechte gelten nicht uneingeschränkt und wer<strong>de</strong>n<br />
durch eine –<strong>de</strong>n Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren<strong>de</strong><br />
–Ahndung <strong>de</strong>s Rechtsverstoßes nicht verletzt.<br />
2. Das Verhalten <strong>de</strong>r Astin. ist jedoch kein Verstoß gegen §49b<br />
Abs. 1 Satz 1 BRAO, auf <strong>de</strong>n die Agin. ihre missbilligen<strong>de</strong><br />
Belehrung stützen könnte.<br />
a) Zwar geht die Agin. zu Recht davon aus, dass ein Beratungsvertrag<br />
zwischen <strong>de</strong>n RAen –und nicht <strong>de</strong>m X-Verein –und<br />
<strong>de</strong>n Ratsuchen<strong>de</strong>n zustan<strong>de</strong> kommt. Die Frage, mit wem <strong>de</strong>r<br />
Beratungsvertrag geschlossen wird, knüpft an eine Auslegung<br />
<strong>de</strong>r Erklärungen <strong>de</strong>r Vertragsparteien an. Zu <strong>de</strong>n allgemein<br />
anerkannten Auslegungsregeln gehört <strong>de</strong>r Grundsatz einer<br />
nach bei<strong>de</strong>n Seiten interessengerechten Auslegung.<br />
Mit wem <strong>de</strong>r Beratungsvertrag zustan<strong>de</strong> kommt, hängt in erster<br />
Linie davon ab, an wen <strong>de</strong>r Ratsuchen<strong>de</strong> die auf <strong>de</strong>n Abschluss<br />
eines Beratungsvertrags zielen<strong>de</strong> Willenserklärung richtet<br />
(§§ 133, 157 BGB). Die objektiven Umstän<strong>de</strong> erlauben zwar<br />
keine ein<strong>de</strong>utige Aussage, sprechen aber für ein Angebot<br />
gegenüber <strong>de</strong>m RA, <strong>de</strong>r die „Hartz-IV-Bezieher“ anhand ihrer<br />
Unterlagen kostenlos beraten soll. Zwar stammt die Anzeige in<br />
<strong>de</strong>r Berliner Zeitung von <strong>de</strong>m X-Verein und er preist die Beratung<br />
wie eine eigene Leistung an. Der Text <strong>de</strong>r Anzeige ist<br />
jedoch nicht ein<strong>de</strong>utig. Erkann auch soverstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />
dass <strong>de</strong>rX-Verein <strong>de</strong>n Kontaktzu<strong>de</strong>n RAen lediglich vermittelt.<br />
Denn er kündigt in<strong>de</strong>r Anzeige an, dass Fachanwälte Fragen<br />
zur Angemessenheit von Wohnraum und zum Umzug bei<br />
Hartz IVbeantworten. Ererweckt damit nicht <strong>de</strong>n Eindruck, als<br />
seien die Fachanwälte als seine Erfüllungsgehilfen tätig und<br />
erbrächten eine von ihm geschul<strong>de</strong>te Beratungsleistung. Wenn<br />
die Rechtsberatung jedoch nicht ein<strong>de</strong>utig als alleinige Veranstaltung<br />
<strong>de</strong>s X-Vereins gekennzeichnet ist, ist imZweifel davon<br />
auszugehen, dass <strong>de</strong>r Vertrag mit <strong>de</strong>m jeweils beraten<strong>de</strong>n RA<br />
zustan<strong>de</strong> kommt (vgl. auch KG, NJW-RR 2002, 1497).<br />
Kein Verstoß gegen<br />
§49b l1BRAO<br />
b) Entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r<br />
Agin. verstößt die von <strong>de</strong>r Astin.<br />
angebotene unentgeltliche Beratung<br />
nicht gegen die ihr gem.<br />
§49b Abs. 1BRAO auferlegte Beschränkung hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Bemessung <strong>de</strong>s für ihre Tätigkeit in Ansatz zu bringen<strong>de</strong>n<br />
Honorars.<br />
aa) Gem. §49b Abs. 1Satz 1BRAO ist esunzulässig, geringere<br />
Gebühren und Auslagen zuvereinbaren o<strong>de</strong>r zu for<strong>de</strong>rn als das<br />
RVG vorsieht, soweit dieses nichts an<strong>de</strong>res bestimmt.<br />
bb) Für einen mündlichen, schriftlichen Rat o<strong>de</strong>r eine Auskunft<br />
(Beratung) –also für Leistungen, die die Astin. angeboten hat –<br />
sah das RVG in<strong>de</strong>r bis zum 30.6.2006 gültigen Fassung gem.<br />
Nr. 2100 VV-RVG grundsätzlich eine 0,1- bis 1,0-Beratungsgebühr<br />
vor. Bei <strong>de</strong>m in<strong>de</strong>r Werbung <strong>de</strong>s X-Vereins angesprochenen<br />
Personenkreis han<strong>de</strong>lt es sich jedoch um Hartz-IV-Empfänger,<br />
umMenschen also, die ohne weiteres Beratungshilfe hätten<br />
inAnspruch nehmen können, so dass gegenüber <strong>de</strong>m Auftraggeber<br />
gem. Nr. 2600 VV-RVG lediglich eine Beratungshilfegebühr<br />
i.H.v. 10Euro entstan<strong>de</strong>n wäre, die zu<strong>de</strong>m hätte erlassen<br />
wer<strong>de</strong>n können (Nr. 2600 Satz 2VV-RVG).<br />
cc) Es kann jedoch offen bleiben, obbereits zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r missbilligen<strong>de</strong>n Belehrung diese nicht<br />
gerechtfertigt war, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>nfalls zu<strong>de</strong>m hier maßgeblichen<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entscheidung ist sie es nicht mehr. Die in<strong>de</strong>r bis<br />
zum 30.6.2006 gültigen Fassung <strong>de</strong>s RVG vorgesehenen<br />
gesetzlichen Gebühren sind inFolge <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s VV-<br />
RVG und <strong>de</strong>s §34 RVG durch Art. 5KostRMoG mit Wirkung<br />
zum 1.7.2006 ersatzlos weggefallen.<br />
Keine gesetzliche<br />
Gebühr für die außergerichtliche<br />
Beratung<br />
Damit sieht das RVG für die<br />
außergerichtliche Beratung seit<br />
diesem Zeitpunkt keine konkret<br />
bestimmte gesetzliche Gebühr<br />
mehr vor (vgl. Hartung/Römermann/Schons<br />
,RVG, 2.Aufl., §34Rdnr. 8ff.; Rie<strong>de</strong>l/Sußbauer/<br />
Schmahl ,RVG, 9.Aufl., §34Rdnr. 27). Vielmehr soll <strong>de</strong>r RA<br />
gem. §34 Abs. 1Satz 1RVG n.F. hinsichtlich dieser Leistungen<br />
nunmehr auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken, die Festlegung<br />
<strong>de</strong>r Vergütung also <strong>de</strong>n Parteien <strong>de</strong>s Beratungsvertrags<br />
überlassen bleiben. Lediglich wenn eine solche Vereinbarung<br />
nicht getroffen wor<strong>de</strong>n ist, erhält <strong>de</strong>r RA gem. § 34 Abs. 1<br />
Satz 2 n.F. Gebühren nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s bürgerlichen<br />
Rechts, für die Beratung als Dienstleistung also gem. §612<br />
Abs. 2BGB.<br />
Neben <strong>de</strong>m ein<strong>de</strong>utigen Wortlaut <strong>de</strong>r gesetzlichen Bestimmungen<br />
ergibt sich ebenfalls aus <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Gesetzesentwurfs,<br />
dass <strong>de</strong>r Gesetzgeber durch die zum 1.7.2006 wirksam<br />
gewor<strong>de</strong>ne Neuregelung <strong>de</strong>s §34RVG und <strong>de</strong>s VV-RVG die<br />
bis dahin in <strong>de</strong>m RVG für die außergerichtliche Beratung vorgesehenen<br />
gesetzlichen Gebühren ersatzlos wegfallen lassen<br />
wollte. Denn in<strong>de</strong>r Begründung wird hierzu ausgeführt (BT-<br />
Drucks. 15/1971, 238): „Die vorgeschlagene Neufassung <strong>de</strong>s<br />
§34RVG-E betrifft die Beratung, die Erstattung von Rechtsgutachten<br />
und die Tätigkeit als Mediator. Für die Beratung und für