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160 Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts BRAK-Mitt. 4/2007<br />

Rechtsprechungsleitsätze<br />

Der Rechtsanwalt kann sich scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig machen,<br />

wenn er das Ehescheidungsverfahren so zögernd betreibt, dass<br />

<strong>de</strong>m scheidungswilligen Ehegatten, <strong>de</strong>r alsbald eine neue Ehe eingehen<br />

will, daraus resultieren<strong>de</strong> steuerliche Vorteile entgehen.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v.22.2.2007 –I-24 U133/06<br />

Anmerkung:<br />

Der bekl. RA war mit <strong>de</strong>r Vertretung <strong>de</strong>r Mandantin im Scheidungsverfahren<br />

beauftragt. Im Rahmen <strong>de</strong>ssen versäumte er<br />

<strong>de</strong>n Verhandlungstermin am 10.10.2003 und kümmerte sich<br />

auch imAnschluss nicht zeitnah um die Anberaumung eines<br />

neuen Termins, so dass die Ehe erst am 6.2.2004 rechtskräftig<br />

geschie<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />

Interessanterweise klagte hier nicht die Mandantin gegen <strong>de</strong>n<br />

Anwalt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>ren späterer Ehemann. Dieser machte nämlich<br />

geltend, bei Rechtskraft <strong>de</strong>r Scheidung und unmittelbar<br />

neuer Eheschließung noch im Jahr 2003 hätte erdas Ehegattensplitting<br />

ebenfalls noch für das Jahr 2003 inAnspruch nehmen<br />

können.<br />

Abgesehen davon, dass er eine Scha<strong>de</strong>nskausalität ohnehin<br />

verneint, stellt <strong>de</strong>r Senat klipp und klar fest, dass ein Scheidungsverfahren<br />

nur die jeweiligen Ehepartner betrifft, nicht<br />

aber etwaige künftige Aspiranten. Die Absicht, <strong>de</strong>n noch verheirateten<br />

Partner nicht zuletzt wegen <strong>de</strong>r steuerlichen Vorteile<br />

frühzeitig zuehelichen, stehe unter keinem rechtlichen Schutz.<br />

Nach<strong>de</strong>m die Frau in<strong>de</strong>m fraglichen Verhandlungstermin, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Anwalt versäumt hatte, laut Sitzungsprotokoll ihre Meinung<br />

zwischenzeitlich wohl sogar noch mal revidiert und geäußert<br />

hatte, sie wolle <strong>de</strong>n Scheidungsantrag nicht aufrechterhalten<br />

(wovon sie imNachhinein dann allerdings wie<strong>de</strong>r nichts mehr<br />

wissen wollte), bleibt zu hoffen, dass esauch an<strong>de</strong>re als steuerliche<br />

Grün<strong>de</strong> für die neue Ehe gab ...<br />

Vortrag alternativer Sachverhalte<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Trägt <strong>de</strong>r Mandant eine Mehrzahl von Möglichkeiten vor, wie er<br />

sich bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, somuss er<br />

grundsätzlich <strong>de</strong>n Weg bezeichnen, für <strong>de</strong>n er sich konkret entschie<strong>de</strong>n<br />

hätte. Auch im Rahmen einer Feststellungsklage kann<br />

von weiterem Vortrag nur abgesehen wer<strong>de</strong>n, wenn nach je<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Vorgehensweisen die zur Zulässigkeit und<br />

Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s Anspruchs notwendige Scha<strong>de</strong>nswahrscheinlichkeit<br />

–nicht notwendig in gleicher Weise –besteht. (eigener<br />

Leitsatz)<br />

BGH, Beschl. v.10.5.2007 –IXZR42/04<br />

Anmerkung:<br />

Es kommt gar nicht so selten vor, dass inAnwaltshaftungsfällen<br />

alternative Sachverhalte vorgetragen wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Regel geht<br />

es um hypothetische Kausalverläufe und häufig um die Frage,<br />

wie sich <strong>de</strong>r Mandant bei korrekter Beratung <strong>de</strong>s Anwalts verhalten<br />

hätte. Will ersich hier nicht auf eine einzige Variante<br />

festlegen, son<strong>de</strong>rn auf die Behauptung stützen, alle (vernünftigen)<br />

Reaktionen hätten zu einem Scha<strong>de</strong>n geführt, muss er<br />

dabei aber bestimmte Regeln beachten. Wenn tatsächlich alle<br />

vorgetragenen Möglichkeiten letztlich zum gleichen Scha<strong>de</strong>n<br />

führen, ist <strong>de</strong>r alternative Vortrag ein gangbarer Weg, allerdings<br />

auch nur dann. Der BGH betont inseinem Nichtannahmebeschluss,<br />

dass es dabei nicht etwa nur auf die gleiche Scha<strong>de</strong>nshöhe<br />

ankommt. Vielmehr müssen sich beim Gesamtvermögensvergleich<br />

jeweils „i<strong>de</strong>ntische Scha<strong>de</strong>nsbil<strong>de</strong>r“ ergeben.<br />

Wenn <strong>de</strong>m nicht so ist, bleibt es beim Grundsatz, dass konkret<br />

<strong>de</strong>r (eine) Weg bezeichnet wer<strong>de</strong>n muss, für <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Mandant<br />

entschie<strong>de</strong>n hätte. Das gilt auch, wenn eine Feststellungsklage<br />

erhoben wird. Das begehrte Feststellungsurteil kann nur<br />

dann ergehen, wenn <strong>de</strong>r Kläger in allen Sachverhaltsvarianten<br />

die notwendige Scha<strong>de</strong>nswahrscheinlichkeit darlegt und<br />

beweist. Wenn Entschlüsse Dritter für die kausale Verknüpfung<br />

zwischen Pflichtverletzung und Scha<strong>de</strong>n eine Rolle spielen<br />

können, ist auch das entsprechend vorzutragen.<br />

Vertrauen auf Fortbestand <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

Rechtsanwalt Bertin Chab<br />

Der Rechtsberater darf auf <strong>de</strong>n Fortbestand höchstrichterlicher<br />

Rechtsprechung vertrauen, solange sich nicht aus <strong>de</strong>r Rechtsprechung,<br />

Literatur o<strong>de</strong>r auch aus Informationen imInternet konkrete<br />

Anhaltspunkte für eine Än<strong>de</strong>rung ergeben. Ohne solche<br />

konkreten Hinweise ist <strong>de</strong>r Rechtsberater auch unter <strong>de</strong>m Aspekt<br />

<strong>de</strong>s Gebots <strong>de</strong>s sichersten Weges nicht verpflichtet, <strong>de</strong>m Mandanten<br />

zur Einlegung von Rechtsbehelfen zu raten.<br />

OLG Karlsruhe, Urt. v.18.12.2006 –1U77/06, DB2007, 1299<br />

Anmerkung:<br />

Die Kläger nehmen ihren Steuerberater in Regress, weil er<br />

ihnen nicht dazu geraten habe, die zeitliche Begrenzung für<br />

die Geltendmachung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung<br />

auf zwei Jahre in§9Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3<br />

EStG in <strong>de</strong>r Fassung vom 11.10.1995 anzugreifen. An<strong>de</strong>re<br />

Steuerpflichtige hatten die Regelung als verfassungswidrig<br />

angegriffen. Der BFH entschied am 5.12.1997 (NJW-RR 1998,<br />

649) und 7.6.2000 (BFH/NV 2000, 1465), dass die Regelung<br />

verfassungsgemäß sei. Dagegen wur<strong>de</strong>n Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>n<br />

eingelegt. Eine dieser Beschwer<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> am 18.10.2001<br />

aus formalen Grün<strong>de</strong>n nicht angenommen. Anfang 2002<br />

wur<strong>de</strong> imInternet verschie<strong>de</strong>ntlich über die anhängigen Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>n<br />

berichtet. Dabei wur<strong>de</strong> (u.a. von einem<br />

BFH-Richter) empfohlen, Einspruch einzulegen und offene<br />

Fälle weiter offen zu halten. Mit Beschluss vom 4.12.2002<br />

(BVerfGE 107, 27), veröffentlicht durch Pressemitteilung vom<br />

7.4.2003, erklärte das BVerfG die Regelung imhier relevanten<br />

Zusammenhang für verfassungswidrig. Die Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

gegen die Kläger waren jedoch bereits weitgehend bestandskräftig.<br />

Das OLG wies die Klage gegen <strong>de</strong>n Steuerberater ab. Ersei<br />

nicht verpflichtet gewesen, gegen die Steuerbeschei<strong>de</strong> vorsorglich<br />

Einspruch einzulegen. Zwar sei <strong>de</strong>r Steuerberater wie <strong>de</strong>r<br />

Anwalt zur umfassen<strong>de</strong>n Beratung verpflichtet. Die mandatsbezogenen<br />

Gesetzes- und Rechtskenntnisse müsse ersich „ungesäumt“<br />

verschaffen. Dabei könne er auch gehalten sein, sich<br />

aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren (BGH,<br />

NJW 2004, 3487), und dürfe nicht blind auf <strong>de</strong>n Fortbestand<br />

einer bestehen<strong>de</strong>n Rechtsprechung vertrauen, wenn es<br />

Anhaltspunkte für eine bevorstehen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung gebe (BGH,<br />

NJW 1993, 3323).<br />

Im Streitfall hätten jedoch keine hinreichend <strong>de</strong>utlichen<br />

Anhaltspunkte für eine bevorstehen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung vorgelegen.<br />

Der BFH habe die Regelung ausdrücklich als verfassungsgemäß<br />

angesehen. Essei nicht unüblich, dass steuerrechtliche<br />

Regelungen als verfassungswidrig angegriffen wür<strong>de</strong>n. Dauer<br />

und Ausgang solcher Verfahren seien jedoch in <strong>de</strong>r Regel ungewiss,<br />

sodass ein allein darauf gestützter Einspruch rein spekulativen<br />

Charakter gehabt hätte. Konkrete Anhaltspunkte, <strong>de</strong>nen<br />

<strong>de</strong>r StB schon vor <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG eine Verfassungswidrigkeit<br />

hätte entnehmen können, hätten die Kläger<br />

nicht aufgezeigt.<br />

Angesichts dieser Ausgangslage müsse <strong>de</strong>r Berater einen Einspruch<br />

auch nicht unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s sichersten Weges vorschlagen.<br />

Ohne <strong>de</strong>utliche Erfolgsaussichten imkonkreten Fall

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