neurologisch - Ãsterreichische Gesellschaft für Neurologie
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GESELLSCHAFTS-<br />
NACHRICHTEN<br />
SCHWERPUNKT<br />
NEUROLOGIE IN<br />
ÖSTERREICH<br />
KONGRESS-<br />
HIGHLIGHTS<br />
FÜR DIE PRAXIS<br />
Tab. 9: Pragmatische Therapie von Schlafstörungen bei Morbus Parkinson<br />
RBD: Clonazepam 0,5 mg/Tag<br />
RLS: abendlicher Dopaminagonist<br />
Nykturie: neurourologische Abklärung, evtl. Detrusordämpfung, Oxybutinin, Tolterodin,<br />
Trospiumchlorid, evtl. Desmopressinspray<br />
Nächtliche Verwirrtheit: Quetiapin oder Clozapin zur Nacht<br />
Nächtliche Parkinson-Symptome (Tremor, Akinese, Dystonie): Retard-Präparate<br />
(L-Dopa, DA-Agonisten) zur Nacht, evtl. MAO-B-Hemmer, evtl. COMT-Hemmer<br />
Störungen der<br />
Schlaf-wach-Regulation<br />
Störungen der Schlaf-wach-Regulation bei<br />
der Parkinson-Krankheit umfassen Ein- und<br />
Durchschlafstörungen mit Schlaffragmentation<br />
und reduzierter Schlafeffizienz ebenso wie<br />
pathologische Tagesmüdigkeit. Ein besonderes<br />
Charakteristikum gestörter Schlafarchitektur<br />
bei Morbus Parkinson ist die REM-Schlafassoziierte<br />
Verhaltensstörung (RBD) mit fehlender<br />
Muskelatonie im REM-Schlaf, sodass<br />
es zu traumassoziierten Bewegungsabläufen<br />
mit Verletzungsgefahr für PatientInnen oder<br />
BettpartnerInnen kommt. Neben den intrinsischen<br />
Störungen der Schlaf-wach-Regulation<br />
des Morbus Parkinson beinhalten die<br />
Schlafstörungen dieser Erkrankung auch Effekte<br />
nächtlicher motorischer und nichtmotorischer<br />
Symptome auf den Schlaf sowie<br />
Medikationseffekte auf Wachheit untertags<br />
(Tab. 8). Schließlich wird der Schlaf von Parkinson-PatientInnen<br />
auch durch Komorbiditäten<br />
wie schlafbezogene Atemregulationsstörung<br />
oder komorbides RLS beeinträchtigt.<br />
Verschiedene Formen gestörter Schlaf-wach-<br />
Regulation sind nahezu obligate Symptome<br />
der Parkinson-Krankheit und wurden in einer<br />
Fragebogenumfrage in nahezu 90 % der<br />
Fälle gefunden 29 sowie in einer weiteren, bevölkerungsbasierten<br />
Untersuchung in 70 %<br />
aller Parkinson-PatientInnen. 30 REM-Schlaf-<br />
Verhaltensstörung (RBD) und exzessive Tagesmüdigkeit<br />
31, 32 wurden bei bis zu 50 % der<br />
Parkinson-PatientInnen gefunden, und verschiedene<br />
Studien fanden eine erhöhte Prävalenz<br />
von RLS um 20 %. 33<br />
Auch für die Therapie von Schlaf-wach-Regulationsstörungen<br />
bei Morbus Parkinson<br />
gibt es nur wenige Daten aus kontrollierten<br />
Therapiestudien. Das pragmatische Management<br />
von Schlafstörungen und pathologischer<br />
Tagesmüdigkeit bei Morbus Parkinson<br />
erfordert eine sorgfältige anamnestische (gegebenenfalls<br />
auch polysomnographische) Abklärung<br />
möglicher zugrunde liegender Ursachen.<br />
Tabelle 9 gibt einen Überblick über die<br />
wichtigsten therapeutischen Szenarien.<br />
Sensorische<br />
Funktionsstörungen<br />
Hyposmie: Zahlreiche Untersuchungen<br />
haben mit bemerkenswerter Konsistenz bei<br />
ca. 90 % der Parkinson-PatientInnen eine<br />
Hyp osmie mit verminderter Geruchswahrnehmung<br />
und -identifikation gefunden. 34 Ursächlich<br />
sind Alpha-Synuklein-Pathologie und<br />
Neurodegeneration im olfaktorischen Sys -<br />
tem, insbesondere im Bulbus und Tractus olfactorius<br />
und piriformen Kortex. Viele PatientInnen<br />
beklagen diese Störung nicht spontan,<br />
und sie ist selten mit Leidensdruck verbunden;<br />
Therapien stehen nicht zur Verfügung.<br />
Visuelle Funktionsstörungen in Form von<br />
verminderter Sehschärfe und Kontrastsensitivität<br />
sowie gestörter Farbdiskrimination lassen<br />
sich bei der Mehrzahl der Parkinson-PatientInnen<br />
mit gezielter und aufwendiger ophthalmologischer<br />
Untersuchung nachweisen,<br />
sind aber selten mit subjektiven Beschwerden<br />
verbunden. Ursächlich sind neurodegenerative<br />
Veränderung der Retina, unter anderem<br />
mit morphologischen Veränderungen von dopaminergen<br />
amakrinen Zellen der Netzhaut.<br />
Schmerzen: Im Gegensatz zu Hyposmie und<br />
visuellen Funktionsstörungen sind Schmerzen<br />
eine häufige subjektive Beschwerde von<br />
Parkinson-PatientInnen. Rezente Untersuchungen<br />
haben bei über 60 % der PatientInnen<br />
chronische Schmerzen identifiziert,<br />
wobei bei mehr als der Hälfte keine von der<br />
Parkinson-Krankheit unabhängige Ursache<br />
bestand. 35 Parkinson-Schmerzen sind multifaktoriell<br />
und umfassen unter anderem muskuloskelettale<br />
Schmerzen durch Rigidität,<br />
Dystonie oder chronische Fehlhaltung ebenso<br />
wie Veränderungen der zentralen<br />
Schmerzverarbeitung.<br />
Nichtmotorische Symptome:<br />
erste klinische Zeichen einer<br />
Parkinson-Krankheit?<br />
Viele Parkinson-PatientInnen berichten auf<br />
gezieltes Befragen, dass verschiedene nichtmotorische<br />
Symptome bereits lange vor Beginn<br />
der ersten wahrnehmbaren Störungen<br />
ihrer Motorik bestanden hätten. Hierzu gehören<br />
neben einer gestörten Geruchswahrnehmung<br />
vor allem chronische Obstipation<br />
und Depressivität, Angst oder Antriebsstörung<br />
sowie die meist von BettpartnerInnen<br />
erfragbaren Hinweise auf eine REM-Schlaf-<br />
Verhaltensstörung. Hyposmie oder RBD würden<br />
sich auch aus dem von Braak entwickelten<br />
stadienhaften Modell der zerebralen Ausbreitung<br />
der Parkinson-Pathologie als<br />
mögliche erste Manifestationen der Parkinson-Krankheit<br />
ableiten lassen, da hiernach<br />
die ersten Parkinson-typischen neuropathologischen<br />
Veränderungen im Bulbus und Tractus<br />
olfactorius sowie in der Medulla oblongata<br />
auftreten.<br />
Prämotorische Phase: Tatsächlich unterstützen<br />
zahlreiche Untersuchungen die Existenz<br />
einer „prämotorischen Phase“ der Parkinson-<br />
Krankheit: Hyposmie bei sonst <strong>neurologisch</strong><br />
unauffälligen Menschen ist mit einem 4-fach<br />
erhöhten Parkinson-Risiko innerhalb von nur<br />
4 Jahren verbunden. 36–38 Chronische Obsti-<br />
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