PDF-Dokument - ORNIS
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Fremdheit, Hybridität beleuchtet und gleichzeitig deren Veränderung und<br />
Entwicklung nachvollzieht und problematisiert. Ähnliches soll eben auch in dieser<br />
Arbeit geschehen, nur in einem für eine Masterarbeit entsprechend angepasstem<br />
Umfang.<br />
2. Theoretischer Rahmen – Identitätsdiskurs<br />
2.1 Was meine ich mit ‚erlernter Identität’?<br />
Der Titel meiner Arbeit spielt mit dem darin enthaltenen Begriff der ‚erlernten<br />
Identität’ auf eine bestimmte Facette dieses Terminus’ an. In einem Interview mit der<br />
Leiterin des Goethe-Zentrums in Tomsk, Lidija Kasperovna Šubina, machte diese<br />
auf die Tatsache aufmerksam, dass der größte Teil der russlanddeutschen<br />
Jugendlichen, die in ihrem Zentrum Deutsch lernen, von zu hause aus diese Sprache<br />
nicht mehr sprechen. Die deutsche Sprache sei somit nicht mehr ihre Muttersprache,<br />
sondern lediglich die erlernte Sprache. 2 Diese scheinbar triviale Feststellung brachte<br />
in mir die Frage hervor, ob sich eine solche Feststellung nicht auch auf den Begriff<br />
der Identität übertragen ließe. Denn wenn eine Sprache erlernt werden kann, kann<br />
möglicherweise auch Identität erlernt werden. Gibt es vielleicht sogar, analog zur<br />
Muttersprache, so etwas wie eine ‚Mutteridentität’, die durch Tradierung in der<br />
Familie von einer Generation an die nächste weitergegeben wird? Was bedeutet es<br />
für die russlanddeutschen Jugendlichen, dass ihnen durch die Repressionen, die ihre<br />
Eltern und Großeltern erfahren mussten, die Möglichkeit genommen wurde, in ihrer<br />
Familie die deutsche Sprache zu lernen? Ist dies gleichzusetzen mit einem Bruch<br />
oder gar Verlust von Identität? Sicherlich nicht, denn ebenso wie der Verlust der<br />
deutschen Sprache nicht bedeutet, dass man allgemein seine Fähigkeit zu sprechen<br />
verloren hat, bedeutet ein Verlust oder Bruch von Identität nicht, dass nicht etwas<br />
anderes oder neues an deren Stelle tritt. Und wenn im Laufe der Jahre der Wunsch<br />
entsteht – aus welchen Gründen auch immer –, eine neue Sprache zu lernen,<br />
erscheint es dann nicht ebenso möglich, dass – wenn man sich dazu entschließt –<br />
auch Identität neu oder wieder erlernbar ist? Dabei möchte ich darauf aufmerksam<br />
machen, dass hier nicht von der Homogenität eines Lernprozesses ausgegangen wird,<br />
der Sprache und Identität vergleicht, sondern von einem Prinzip, nach dem Sprache<br />
2 Interview mit Lidija Kasperovna Šubina vom 22.05.2010.<br />
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