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die wir in sozialer Interaktion erwerben und mit denen wir die Wirklichkeit formen,<br />

bündeln und konkretisieren. 17<br />

2.3.1 Identität der jungen Generation der Russlanddeutschen<br />

Die Erforschung einer russlanddeutschen Identität schöpft ihren Wert besonders aus<br />

der Historie und den Brüchen und Krisen, die dieser Gruppe widerfahren sind (Olga<br />

Kurilo spricht von drei Brüchen: Oktoberrevolution, Zweiter Weltkrieg und<br />

Perestrojka).<br />

Nimmt man die Sowjetzeit nach 1945 mit ihren politischen Schikanen und sozialen<br />

Ächtungen hinzu, kann man diese Liste sicherlich um einen vierten, fortlaufenden<br />

‚Bruch’ ergänzen, der durch einen Assimilierungsdruck der Russlanddeutschen<br />

gekennzeichnet ist. Wer deutsche Wurzeln hatte und einen deutschen Namen trug,<br />

wurde oft bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein mit ‚dem’<br />

Deutschen, also dem Feind aus dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht und<br />

als Faschist beschimpft. 18<br />

Dass russlanddeutsche Jugendliche, deren Eltern in einer solchen Atmosphäre lebten,<br />

in Russland heute noch als Faschisten betitelt werden, ist natürlich nicht<br />

auszuschließen. Dennoch ist die Generation jener Russlanddeutschen, die Ende der<br />

80er, Anfang der 90er Jahre geboren wurde, in politisch relativ stabilen<br />

Verhältnissen aufgewachsen (hat diese bewusst erlebt) und hatte tendenziell nicht<br />

unter gesellschaftlichen Diskriminierungen zu leiden. Unter Brüchen in ihren<br />

Lebensläufen, im Ausmaße von Deportation, Revolution oder Krieg, hatte diese<br />

Generation nicht zu leiden. Für jene russlanddeutschen Jugendlichen allerdings, die<br />

zumeist mit ihren Eltern als Spätaussiedler nach Deutschland übergesiedelt sind, mag<br />

das Verlassen des russischen Kulturraumes und der Neuanfang in Deutschland<br />

durchaus mit einer möglicherweise bis dato andauernden Identitätskrise<br />

einhergegangen sein. Doch dies war und ist Thema anderer Forschungsarbeiten. In<br />

dieser Arbeit geht es um diejenigen Jugendlichen, die in Russland geblieben sind,<br />

deren Eltern sich dafür entschieden haben, nicht auszuwandern. Sind sie aufgrund<br />

der bis zum jetzigen Zeitpunkt vermeintlichen Kontinuität ihrer Biographien,<br />

krisenresistent gegenüber den russlanddeutschen Identitätskrisen, aus denen sich die<br />

17 Vgl. Hannerz, S. 68.<br />

18 Vgl. Баловнева, Алла: Помни имя своё, Томск 2008, c. 3.<br />

18

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