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Dass es beim Schaffen von Identität auch dazu kommen kann, sich an bestehenden
Identitätsmustern zu orientieren, ist nicht nur vorstellbar, sondern in manchen
Situationen wahrscheinlich. Mit der Einsicht, dass die Suche nach der eigenen
Identität ergebnislos bleibt, der Drang nach Selbstdefinition aber weiter besteht,
sollen Selbstentwürfe die Lücke schließen.
Solche Selbst- und dazu analog gedachte Fremdentwürfe scheinen bei
Russlanddeutschen häufig vorzukommen. Sie erleichtern das Konstrukt eines
Selbstbildes und fügen es in vorgefertigte Muster ein. So berichtet z.B. Andrej:
„[…] у нас в семье все всегда делают все дела в срок,
обязательные честные и никогда не бывает каких-те проблем,
все всегда есть план, все запланировано, все делается четко, и
просчитуются все возможные варианты, если есть какое-то
дело, какая-та проблема мы всегда смотрим какие есть
варианты, пытаемся вариант решит, посмотреть что будет и
потом действовать вот так вот уже более разумно, более
практично. […] у немцев это всегда так. То есть вот именно
пунктуальность, именно вот педантичность, это часто
такое.“ 59
Um sich seiner selbst bewusst zu werden, greift er hier auf klassische,
klischeebehaftete Stereotypen des Deutschen zurück. Demnach kann man hier auch
eher von einer Selbstkonstruktion, denn von einem Prozess der Selbstfindung
sprechen. Das Resultat, nämlich die genannten ‚deutschen’ Eigenschaften, sind ja
bereits bekannt und vorgegeben. Man muss sie nun bloß noch für sich geltend
machen.
Es geht praktisch darum, sich in den von sich selbst gemachten Entwurf hinein zu
‚zwängen’. Ob er passt, kann nebensächlich sein und sich davon wieder zu lösen sehr
schwierig.
Dass eine derartige Konstruktion der eigenen Identität möglich ist, hat Straub somit
gezeigt.
6.7 Identität und Symbolik
Jede Nation, jede ethnische Gruppe präsentiert sich nach außen. Dabei spielen
Selbst- und Fremdwahrnehmung eine große Rolle. Die Identifikation mit der eigenen
59 Interview mit Andrej Baitinger.
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