PDF-Dokument - ORNIS
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Jugendblick und der Polytechnischen Universität in Tomsk und herausgegeben von<br />
der Doktorandin und Spezialistin für russlanddeutsche Geschichte in Tomsk, Alla<br />
Balovneva. Die Tatsache, dass sie es geschafft hat, so viele Russlanddeutsche in<br />
Tomsk zu animieren, ihre Familiengeschichte gemeinsam in einem Buch zu<br />
veröffentlichen, spiegelt den Wunsch und den Willen nach Identifikation mit der<br />
eigenen Geschichte anschaulich wieder. Es zeugt von der Bereitschaft, sich mit der<br />
eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und dies auch nach außen kundzutun,<br />
sich somit mit seiner Geschichte in der Welt zu positionieren. Die Suche nach<br />
Vergangenheit und Zukunft, nach persönlicher und kollektiver Identität findet in<br />
diesem Buch ihren Ausdruck.<br />
Die Tatsache, dass es sich dabei um persönliche Biographien handelt und diese in<br />
einem gemeinsamen Band veröffentlicht wurden, zeichnet auch die<br />
Berührungspunkte von persönlicher und kollektiver Identität nach. In diesem Sinne<br />
kann man sogar von einem Versuch sprechen, das kulturelle Gedächtnis aufzufüllen<br />
bzw. aufzufrischen.<br />
6.3 Identität und Literatur<br />
An dieser Stelle soll auf die Literatur und ihre Rolle für die Entwicklung von<br />
Identität eingegangen werden. Wie Elisabeth Herrmann bemerkt, kann Literatur als<br />
Vermittler zwischen kollektiver und persönlicher Identität fungieren. Gleichzeitig<br />
betont sie den Konstruktcharakter von Literatur:<br />
„Die Nation, die Region oder die Interkulturalität, die in der Literatur<br />
vorgeblich repräsentiert werden, sind Konstruktionen einer<br />
Gemeinschaft. Sie existieren nicht als solche, vielmehr werden sie von<br />
den Lesern, Rezipienten, Institutionen, aber auch von den Autoren erst<br />
gegründet. […] Literatur richtet tendenziell ihre Aufmerksamkeit vom<br />
Wir auf das Ich, vom Kollektiv auf das Individuum.“ 46<br />
Auch für die Russlanddeutschen war die Literatur für die Konstruktion einer<br />
kollektiven Identität nicht unwichtig. So prägte beispielsweise der Dichter Josef<br />
Ponten den Begriff ‚Volk auf dem Weg’, dem Hans Werner Retterath einen ganzen<br />
46 Herrmann, Elisabeth: Erschriebene Identitäten, in: Retterath, Hans Werner (Hrsg.):<br />
Russlanddeutsche Kultur: Eine Fiktion?, Freiburg 2006, S. 163.<br />
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