Armut grenzt aus ... - Der PARITÄTISCHE Hessen
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Thema<br />
Appetitauf Kunstgemacht<br />
Paritätische Aktion in Wiesbaden brachte „Kultur für alle“<br />
VomBallettabend biszum Kindertheater: Eine Aktion derRegionalgeschäftsstelleWiesbaden<br />
des Paritätischen hat einkommensschwachen Menschen kostenlose Kulturerlebnisse<br />
beschert.Das Programm warein großer Erfolg.DochFreikartenalleingarantieren<br />
noch keinen großen Zuspruch,wie Regionalgeschäftsführerin Heike Langeerfuhr.<br />
Wiesbaden ist hessische Landeshauptstadt<br />
und zugleich<br />
ein ebenso traditionsreicher<br />
wie eleganter Kurort. Sein kulturelles<br />
Angebot fällt entsprechend hochkarätig<br />
und vielschichtig <strong>aus</strong>. Doch diese Fülle<br />
bleibt nach Angaben des Paritätischen<br />
mehr als 20Prozent der Wiesbadener<br />
H<strong>aus</strong>halteverschlossen:Sie sind aufLeistungen<br />
zur Existenzsicherung angewiesen,<br />
die üblichen Theater- oder Konzertticketssind<br />
danicht mehr drin.<br />
Erste Gedanken zur Änderung der Situation<br />
gab es schon vor der Initiative des<br />
Paritätischen. HeikeLangeberichtet von<br />
derörtlichen Arbeitsgemeinschaft gegen<br />
<strong>Armut</strong> und Ausgrenzung, gebildet <strong>aus</strong><br />
RepräsentantenderörtlichenWohlfahrtspflege<br />
und der Stadt Wiesbaden. Dieses<br />
Gremium diskutierte zum Beispiel die<br />
Einführung einer „Wiesbaden-Karte“.<br />
Als Vorbild diente der „Frankfurt-Pass“<br />
der Stadt Frankfurt am Main, der unter<br />
anderem zufreiem oder stark ermäßigtem<br />
Eintritt inbestimmte Kulturstätten<br />
Heike Lange mit dem Werbeplakat für die<br />
Aktion „Mittendrin –Kultur entdecken“.<br />
Foto: Bernd Kleiner<br />
berechtigt.„Dochdas warpolitisch nicht<br />
durchsetzbar“, so Heike Lange. Aber die<br />
Regionalgeschäftsstelledes Paritätischen<br />
ließ nicht locker. Gemeinsam mit fünf<br />
Mitstreitenden <strong>aus</strong> Mitgliedsorganisationen<br />
bildete Heike Lange eine Projektgruppe,<br />
die nach einem Weg zu mehr<br />
kultureller Teilhabe für Menschen mit<br />
geringem Einkommen suchte. Nach<br />
manch„verrückter Idee“(Lange) gelangte<br />
das Team zudem Konzept, <strong>aus</strong> dem<br />
bestehenden Veranstaltungsangebot in<br />
Wiesbaden ein Programm zusammenzustellen<br />
und dazu Freikarten für die<br />
Zielgruppe zu bekommen. „Das hieß<br />
Klinkenputzen“,sagtHeike Lange.<br />
„Mittendrin –Kultur entdecken“<br />
Das Werben hatte Erfolg. Die Projektgruppe<br />
gewann 18 Partner, darunter<br />
Theater, Museen, ein Kino, das Kulturamt<br />
derStadt,eineLokalzeitung, aber<br />
auch paritätische Mitgliedsorganisationenmit<br />
kulturellemAngebot.Aus dieser<br />
Kooperation erwuchs ein buntes Programm<br />
unter dem Motto „Mittendrin –<br />
Kultur entdecken“.Esumfasste26Veranstaltungen,<br />
verteilt über sechs Wochen:<br />
Konzerte,Theateraufführungen, Zirkusshows,<br />
Ausstellungen, Stadtführungen.<br />
Eine Vielfalt, die nach dem Wunsch<br />
des Paritätischen für alle Generationen<br />
attraktivwar.<strong>Der</strong> Plan ging auf. Voninsgesamt<br />
492 Freikarten gingen 357 weg.<br />
Siewurdenvor allemüberdie beteiligten<br />
Organisationen im Verbandverteilt. „Die<br />
Kinderveranstaltungen warensofort<strong>aus</strong>gebucht“,<br />
sagtHeike Lange.<br />
Doch die Gratisbilletts allein hätten diesenErfolgnicht<br />
bewirkt, stellt dieRegionalgeschäftsführerin<br />
rückblickend fest:<br />
„Man muss denLeutenMut machen,zu<br />
denVeranstaltungen zu gehen.“Weildie<br />
gewohntenAnsprechpartner dersozialen<br />
Einrichtungen meist mit von der Partie<br />
waren, haben sich laut Heike Lange die<br />
Teilnehmenden dann auch in die für sie<br />
so fremde Umgebung getraut. „Etliche<br />
haben sich gefragt, obsie überhaupt die<br />
richtige Kleidung fürs TheateroderKonzert<br />
haben“, soLange. Solche Befürchtungen<br />
müssten erst einmal abgebaut<br />
werden. Für viele der Angesprochenen<br />
sei schon der Weg zu den Kulturstätten<br />
ein Hindernis, „sie verlassen ihren Kiez<br />
normalerweise nicht“. Um ihnen Kultur<br />
„schmackhaft zu machen“, sollten sich<br />
zudem die Ankündigungen im Programmheft<br />
„an der Zielgruppe orientieren“,bemerkt<br />
HeikeLangeselbstkritisch<br />
mitBlick aufden eher feuilletonistischen<br />
Stil ihrerBroschüre.<br />
VieleBesucherinnen und BesucherhoffennachAngaben<br />
derRegionalgeschäftsstelle<br />
nunauf einneuerliches Angebotin<br />
diesem Jahr. Beteiligte Kulturtreibende<br />
haben ebenfalls Interesse signalisiert.<br />
DieGeschäftsführerin würdedas „Baby“<br />
gern am Lebenhalten. Aber ohne personelle<br />
Verstärkung sei esschwierig, <strong>aus</strong><br />
dem Projekt eine dauerhafte Institution<br />
zu machen, soHeike Lange. Für einen<br />
uneingeschränkten Zugang zur Kultur<br />
wäre nach ihrer Meinung eher eine<br />
„Wiesbaden-Karte“ für Menschen mit<br />
Existenzminimum das ideale Instrument:<br />
„Das würde die Schwelle absenken“<br />
– und Kultur für alle zu etwas<br />
Selbstverständlichem machen.<br />
Bernd Kleiner<br />
Kontakt<br />
<strong>Der</strong>Paritätische (LV<strong>Hessen</strong>)<br />
Regionalgeschäftsstelle Wiesbaden<br />
und Rheingau-Taunus-Kreis<br />
Heike Lange,Tel.: 0611/3085664<br />
E-Mail:paritaet.wiesbaden@<br />
paritaet-hessen.org<br />
www.paritaet-hessen.org<br />
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