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Forum<br />
zum Projekt Europa, <strong>de</strong>m Werk Konrad<br />
A<strong>de</strong>nauers, Hans-Dietrich Genschers und<br />
Helmut Kohls, ist so niedrig wie noch nie<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Nachkriegsgeschichte.<br />
Man muss das <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung nicht<br />
vorwerfen – sie war bei Beginn <strong>de</strong>r Krise<br />
mit einer noch nie dagewesenen Situation<br />
konfrontiert und musste erst einmal<br />
Zeit kaufen. Doch <strong>de</strong>r Preis dieser Politik<br />
misst sich nicht nur in Euro und Cents, er<br />
misst sich auch in <strong>de</strong>r abnehmen<strong>de</strong>n Bereitschaft,<br />
Deutschland als Teil Europas<br />
zu <strong>de</strong>nken und Politik daran auszurichten.<br />
Der Boulevard tut ein Übriges, <strong>de</strong>n<br />
Überdruss zu för<strong>de</strong>rn, doch auch Teile<br />
<strong>de</strong>r seriösen Presse sind längst auf einen<br />
euroskeptischen Kurs eingeschwenkt.<br />
Das weist bereits auf die dritte <strong>de</strong>nkbare<br />
Alternative hin, nämlich das Auseinan<strong>de</strong>rbrechen<br />
<strong>de</strong>r Währungsunion und die<br />
Rückkehr zu nationalen Währungen, wie<br />
Thilo Sarrazin es vorschlägt. Die Kosten<br />
dieser Alternative sind unvorhersehbar,<br />
doch mit Sicherheit weit höher als alle<br />
bisher zur Stabilisierung ergriffenen<br />
Maßnahmen. Am Anfang stün<strong>de</strong> die<br />
sofortige massive Aufwertung <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />
eingeführten D-Mark, die unsere Exporte<br />
in weiten Teilen <strong>de</strong>s Binnenmarktes unerschwinglich<br />
machen wür<strong>de</strong>, aber auch auf<br />
außereuropäischen Märkten. Wer diesen<br />
Weg vorschlägt, nimmt billigend <strong>de</strong>n Zusammenbruch<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Volkswirtschaft<br />
in Kauf, mit völlig unabsehbaren<br />
Folgen. Keine <strong>de</strong>r bisher genannten Alternativen<br />
vermag daher zu überzeugen.<br />
Daher wird zurzeit eine vierte Alternative<br />
praktiziert: Während offiziell ein strenger<br />
Sparkurs verlangt wird, flutet die EZB die<br />
Märkte mit Geld, eine Billion Euro hat<br />
sie in kürzester Zeit in das europäische<br />
Bankensystem gepumpt. Auch diese Politik<br />
för<strong>de</strong>rt die Inflationsgefahr, sie wird<br />
jedoch stillschweigend hingenommen,<br />
weil je<strong>de</strong>rmann klar ist, dass es ohne diese<br />
Erleichterungen ein Zusammenbruch<br />
<strong>de</strong>s Interbankenmarktes unausweichlich<br />
gewor<strong>de</strong>n wäre.<br />
Es überrascht, dass angesichts eines<br />
schlechten Vorschlags, dreier untauglicher<br />
Alternativen und einer in sich nicht<br />
konsistenten und auf mittlere Sicht ohne<br />
Inflation nicht durchzuhalten<strong>de</strong>n Realpolitik<br />
ein Vorschlag nicht erheblich mehr<br />
Aufmerksamkeit bekommen hat, <strong>de</strong>r zu<strong>de</strong>m<br />
noch aus Deutschland kommt: <strong>de</strong>r<br />
Vorschlag <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaftsweisen<br />
für einen Schul<strong>de</strong>ntilgungspakt.<br />
Tilgungspakt mit einem Volumen<br />
von 2,3 Billionen Euro<br />
Bald existieren <strong>de</strong>r Europäische Stabilitätsmechanismus<br />
(ESM) und die Europäische<br />
Finanzstabilisierungsfazilität<br />
(EFSF) parallel, was so nie vorgesehen<br />
war. Damit stehen 750 Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />
zur Finanzierung von Staaten zur Verfügung,<br />
die sich auf <strong>de</strong>m Kapitalmarkt<br />
nicht mehr zu bezahlbaren Zinsen Geld<br />
leihen können. Eigentlich sollte das die<br />
Spekulation auf einen Zahlungsausfall<br />
been<strong>de</strong>n. Dennoch stehen die Renditen<br />
für spanische langlaufen<strong>de</strong> Anleihen bei<br />
über sechs, für italienische bei über fünf<br />
Prozent. Deutschland bezahlt nicht einmal<br />
ein Viertel <strong>de</strong>ssen. Die Anleger trauen<br />
<strong>de</strong>m nachhaltigen Erfolg <strong>de</strong>r bisher zur<br />
Eurorettung ergriffenen Maßnahmen also<br />
nicht. Während Eurobonds die Bekämpfung<br />
von Schul<strong>de</strong>n mit neuen Schul<strong>de</strong>n<br />
wären, durchbricht <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>ntilgungspakt<br />
diese Logik und schafft einen europäischen<br />
Anleihemarkt ohne moralische<br />
Gefahr, weil er sich nur auf die Abzahlung<br />
bestehen<strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n konzentriert.<br />
Die Funktionsweise eines solchen Pakts<br />
ist vergleichsweise simpel:<br />
Alle Staatsschul<strong>de</strong>n, die jenseits <strong>de</strong>r im<br />
Maastricht-Vertrag festgelegten Grenze<br />
von sechzig Prozent <strong>de</strong>s Bruttoinlandsprodukts<br />
liegen, wer<strong>de</strong>n in einem Fonds<br />
gebün<strong>de</strong>lt - <strong>de</strong>ssen Volumen wür<strong>de</strong> damit<br />
circa 2,3 Billionen Euro umfassen und<br />
wäre groß genug, um auch Italien und<br />
Spanien vor spekulativen Angriffen zu<br />
schützen. Um diese bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r geht es<br />
vorrangig, keines <strong>de</strong>r <strong>aktuell</strong>en Problemlän<strong>de</strong>r<br />
dürfte an <strong>de</strong>m Pakt teilnehmen,<br />
um <strong>de</strong>ssen Bonität nicht zu gefähr<strong>de</strong>n.<br />
Außer<strong>de</strong>m gibt es für die Problemlän<strong>de</strong>r<br />
nach wie vor <strong>de</strong>n ESM, <strong>de</strong>r damit auch<br />
groß genug für seine Aufgabe ist. Die am<br />
Pakt teilnehmen<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r verpflichten<br />
sich dazu, die eigenen ausgelagerten<br />
Schul<strong>de</strong>n innerhalb eines verbindlichen<br />
Zeitrahmens zu tilgen. Dabei kommt es<br />
nicht zu Transferzahlungen von Land zu<br />
Land – <strong>de</strong>nn die Zahlungen an <strong>de</strong>n Fonds<br />
dienen ausschließlich dazu, die jeweils von<br />
einem Land ausgelagerten eigenen Schul<strong>de</strong>n<br />
zu tilgen und die darauf anfallen<strong>de</strong>n<br />
Refinanzierungskosten zu zahlen. Je<strong>de</strong>s<br />
Land <strong>de</strong>finiert einen Konsolidierungspfad<br />
in Form einer nationalen Schul<strong>de</strong>nbremse,<br />
<strong>de</strong>n es einhalten muss, wenn es dabei<br />
bleiben möchte. In <strong>de</strong>n ersten fünf Jahren<br />
begibt <strong>de</strong>r Pakt gemeinsame Anleihen <strong>de</strong>r<br />
Teilnehmer bis zur maximalen Höhe <strong>de</strong>s<br />
Volumens <strong>de</strong>s Pakts, die von vornherein<br />
durch Parlamentsbeschlüsse begrenzt<br />
wird. Für die gemeinsamen Anleihen gibt<br />
es bei einem Zahlungsausfall eines <strong>de</strong>r<br />
Teilnehmer eine vorrangige gemeinsame<br />
Haftung, was die Zinsen für Italien und<br />
Spanien senken dürfte. Damit bekommen<br />
diese Län<strong>de</strong>r einen starken Anreiz, ihren<br />
jeweiligen Konsolidierungskurs fortzusetzen.<br />
Wichen sie davon ab, wür<strong>de</strong> ihre<br />
Teilnahme ausgesetzt o<strong>de</strong>r been<strong>de</strong>t und<br />
sie wären wie<strong>de</strong>r allein <strong>de</strong>n Mechanismen<br />
<strong>de</strong>s Finanzmarkts ausgesetzt.<br />
Warum <strong>de</strong>r Tilgungspakt<br />
effektiver wäre<br />
Die Vorteile eines solchen Pakts liegen<br />
auf <strong>de</strong>r Hand: An<strong>de</strong>rs als bei Eurobonds<br />
wer<strong>de</strong>n keine neuen Schul<strong>de</strong>n gemacht,<br />
son<strong>de</strong>rn alte getilgt. Er wäre mit <strong>de</strong>m<br />
Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts zur<br />
Euro-Stabilisierung vereinbar – <strong>de</strong>nn die<br />
gemeinsame Haftung ist zeitlich und <strong>de</strong>m<br />
Umfang nach begrenzt und unterliegt<br />
parlamentarischer Zustimmung. Europapolitisch<br />
tritt Verlässlichkeit an die Stelle<br />
kurzatmiger Politik mit immer neuen<br />
Rettungsschirmen und immer neuer<br />
Frustration. Die Anleger hätten eine<br />
Möglichkeit, in ein vertrauenswürdiges<br />
Papier zu investieren, bei angemessenen<br />
Zinsen für bei<strong>de</strong> Seiten. Mit einem solchen<br />
Vorschlag wür<strong>de</strong> Deutschland sich<br />
auch wie<strong>de</strong>r als Partner für eine Lösung<br />
in <strong>de</strong>r internationalen Politik positionieren,<br />
anstatt wie <strong>de</strong>rzeit als Teil <strong>de</strong>s<br />
Problems gesehen zu wer<strong>de</strong>n. Und was<br />
wür<strong>de</strong> Monti sagen? Mit einem solchen<br />
Vorschlag bekäme Premierminister Monti<br />
<strong>de</strong>n Spielraum, <strong>de</strong>n er für nachhaltige<br />
Reformen in Italien braucht und doch<br />
müsste Professor Monti seine These vom<br />
<strong>de</strong>utschen Wirtschaftsverständnis nicht<br />
än<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>ntilgungspakt<br />
ist auch moralisch einwandfrei.<br />
Autor<br />
Alexan<strong>de</strong>r Graf Lambsdorff (45) erwarb<br />
<strong>de</strong>n Master <strong>de</strong>r School of Foreign Service<br />
<strong>de</strong>r Georgetown University in Washington<br />
D.C. mit einem Schwerpunkt in<br />
Han<strong>de</strong>ls- und Finanzfragen. Im europäischen<br />
Parlament ist Graf Lambsdorff<br />
erster stellvertreten<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Fraktion <strong>de</strong>r Allianz <strong>de</strong>r Liberalen und<br />
Demokraten für Europa (ALDE). Zu<strong>de</strong>m<br />
ist er Mitglied im Ausschuss für auswärtige<br />
Angelegenheiten und Mitglied <strong>de</strong>r<br />
Delegation <strong>de</strong>s europäischen Parlaments<br />
für die Beziehungen zu China.<br />
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