Figurationen von Armut und Fremdheit. Eine Zwischenbilanz ...

Figurationen von Armut und Fremdheit
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dann territorialstaatlicher Ordnungsbestrebungen wurden Nichtsesshafte
zu ›herrenlosem Gesindel‹ und ›Unruhestiftern‹. ›Landstreicher‹
wurde der üblichste Begriff für mittellos Umherziehende, deren Kriminalisierung
weiter fortschritt. Das Spektrum der ihnen zugeschriebenen
Gefährdungen erweiterte sich fortlaufend bis ins 19. Jahrhundert,
und dieser Prozess der Verdichtung von Exklusionssemantiken mitsamt
der dazugehörenden kameralistischen, später nationalökonomischen,
medizinischen, pädagogischen und sozialpolitischen Argumentationsmuster
steht im Mittelpunkt der laufenden Arbeit. Im weiteren Verlauf
des 19. Jahrhunderts gewannen dann sozialpathologische und soziobiologische
Argumente zunehmend an Gewicht. 34
Viertens wirft der SFB 600 seit Beginn seiner Tätigkeit einen besonders
scharfen Blick auf die ›politische‹ Dimension von Fremdheit und
Armut, fragt also mit besonderem Nachdruck nach den spezifischen
Beziehungen zwischen ›Herrschaft‹ und Fürsorge / Armenversorgung
und Umgang mit Fremden. Gerade der Umgang mit Fremden, Migranten,
Ausländern, fremden Herrschern provoziert die Frage nach
dem Wechselbeziehungen zwischen Außen- und Innenbeziehungen,
zwischen aktueller Außen- oder Außenwirtschaftspolitik der Europäischen
Union einerseits, der Sozialpolitik ihrer Mitglieder andererseits
oder zwischen Roms republikanischer Elite und fremden Herrschern
am Rande bzw. im Einzugsbereich römischer Außenbeziehungen. 35
Die Organisation politischer Einheiten und Gemeinschaften produzierte
seit der Gründung der antiken Stadtstaaten ganz spezifische Kategorien
von Fremden und Armen, bestimmte also in wesentlichem
Maße die Chancen für Teilhabe und Zugehörigkeit, von Schutz und
Sicherheit für Arme und Fremde innerhalb des eigenen Territoriums.
Hierzu liegt eine erste Skizze vor, welche in Anknüpfung an die Weberschen
Kategorien die Wahlverwandtschaften monarchischer, kommunaler
und schließlich nationalstaatlicher Herrschaft zur Inklusion von Armen
und Fremden untersucht. 36 Diese Diskussion wird in den folgenden
34 Vgl. den Beitrag von Althammer / Gestrich, S. 379–406, in diesem Band, weitere
Teilergebnisse sind in den Beiträgen in Althammer, Bettler (wie Anm. 27) sowie
Gestrich /King /Raphael, Being Poor (wie Anm. 27) und King, Narratives
(wie Anm. 27), zu entnehmen.
35 Vgl. Coskun, Roms Freunde (wie Anm. 22); Folz / Musekamp / Schieder, S. 521–
548, in diesem Band.
36 Raphael, Lutz: Königschutz, Armenordnung und Ausweisung – Typen der Herr-