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Constanze Kurz / Harald Wolf 44<br />

heiten des jeweiligen Forschungsgebiets verschärfen oder abschwächen können. Die<br />

ungleiche Verteilung von Transferchancen spiegelt – gebrochen durch die stofflichen Eigenheiten<br />

und Kontingenzen – die sozialen Hierarchien und die Kapitalverteilung im biowissenschaftlichen<br />

Feld wider; für die Aspiranten sind sie am geringsten.<br />

Die Arrivierten sind die treibende, erhebliche Mittel akquirierende und dirigierende Kraft an<br />

der Spitze kleiner Forschungsbetriebe, die mit ihren spezialisierten Arbeitsgruppen in einer<br />

ausdifferenzierten Organisation und mit komplexen Technologien ausgestattet neues biowissenschaftliches<br />

Wissen produzieren. Der betriebsförmige, kleinindustrielle Charakter<br />

dieser wissenschaftlichen Produktionsgemeinschaft ist offenkundig (vgl. auch Gläser 2006).<br />

Diesen Forschungsbetrieb (und darin integriert den Ausbildungsbetrieb) müssen die<br />

Arrivierten in vielem wie industrielle Manager organisieren und leiten – und das verlangt<br />

ihnen Fähigkeiten ab, die landläufig gerade nicht mit einem im Humboldt’schen Geist<br />

sozialisierten Wissenschaftler assoziiert wurden. Dass die Aufgaben und Tätigkeiten<br />

arrivierter Wissenschaftler, zumal in den experimentellen Naturwissenschaften, vor allem<br />

auch die von Forschungs- oder Wissenschaftsmanagern sind, ist dabei zunächst natürlich<br />

noch kein so überraschender Befund. Ähnliches hat Hans-Paul Bahrdt etwa am Beispiel von<br />

Institutsdirektoren bereits in den sechziger Jahren diagnostiziert (Bahrdt 1971).<br />

Im Unterschied zu früher zeichnen sich ihre Funktionen heute allerdings durch einen noch<br />

höheren Anteil an manageriellen Elementen aus, und zwar unter anderem, aber nicht nur, weil<br />

die Anforderungen an das „Grenzmanagement“ im Austausch mit der Wirtschaft gewachsen<br />

sind. Der beschriebene kleine Grenzverkehr zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hat seine<br />

eigenen Regeln und Routinen und stellt wachsende Anforderungen an eine entsprechende<br />

"Boundary Work" (Gieryn 1983) der WissenschaftlerInnen. Und diese manageriellen<br />

Elemente – wie Abstimmen, Durchsetzen, Verhandeln, Organisieren, Kontrollieren,<br />

Motivieren, Abwehren, Überzeugen – sind auch nicht mehr so sehr auf die Spitzen<br />

konzentriert: auch die Arbeit der Aspiranten ist stark von ihnen geprägt. Für sie stehen solche<br />

Prägungen aber gänzlich im Zeichen der überaus prekären Laufbahnperspektive, des<br />

Wettlaufs um Reputation und Stellen im biowissenschaftlichen Feld, der nach Maßgabe der<br />

Akkumulation von sozialen (Netwerke) und kulturellem Kapital (Publikationen) entschieden<br />

wird. Vor diesem Hintergrund ist die eindeutige „Binnenorientierung“ des Wissenstransfers<br />

der Aspiranten nicht verwunderlich. Publikationen sind für sie mit Abstand das wichtigste<br />

Kommunikations- und Transfermedium. Die Schranken einer Ausrichtung am<br />

erwerbsorientierten, „unternehmerischen“ Transfer des von ihr erzeugten Wissens sind damit<br />

für diese Gruppe überdeutlich.<br />

Das eigentlich Neue scheint damit einerseits heute zu sein, dass diese Elemente <strong>als</strong> Anforderungen<br />

auf breiter Front und wie selbstverständlich sowohl in den Erwartungshaltungen<br />

und Handlungsorientierungen der BiowissenschaftlerInnen verankert sind <strong>als</strong> auch durch das<br />

Anreiz-, Bewertungs- und Reputationssystem der Wissenschaft begünstigt und reproduziert<br />

werden. Es kann ihnen keine(r) und es darf ihnen keine(r) mehr entgehen, der oder die es im<br />

biowissenschaftlichen Feld zu etwas bringen bzw. dort bestehen will. Wissenschaftliche<br />

Neugier, die uneigennützige Mühe um originelle Forschungsergebnisse, ein hohes Publikationsaufkommen<br />

und Engagement in der Lehre, all dies, so andererseits zugleich der Befund,<br />

sind auf dem klassischen wissenschaftlichen Ethos beruhende Verhaltensnormen, die ebenfalls<br />

weiterhin eine zentrale Orientierungsfunktion für das Arbeitshandeln und das berufliche<br />

Selbstverständnis der Biowissenschaftler haben. Sie verbinden sich in neuer Weise mit<br />

Kompetenzstandards, die für die Führung eines quasi-selbständigen Forschungsgeschäfts, das<br />

immer mehr im Grenzbereich von Wissenschaft und Wirtschaft agieren muss, von essentieller<br />

Bedeutung sind. Auch bei ausgesprochen transferaktiven BiowissenschaftlerInnen dominieren<br />

die wissenschaftlichen Interessen und Orientierungen. Ihr übergreifendes Bezugssystem bleibt<br />

dezidiert akademisch, nicht wirtschaftlich, ihr berufliches Selbstverständnis trägt

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