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Metamorphose

Ausgabe 2011

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Werk VI . <strong>Metamorphose</strong><br />

Rien ne va plus<br />

Wie die Würfel fallen, im Spiel um<br />

Image und Verkaufszahlen<br />

von Manuel Almeida Vergara Fotos: Stefan Korte<br />

ode ist Wandel. Für wohl kaum eine andere Kultursparte<br />

spielt Veränderung eine so tragende Rolle. Nicht<br />

nur Ästhetiken und Trends unterliegen der ständigen<br />

Weiterentwicklung, auch die Köpfe hinter den Kollektionen<br />

wechseln sich stetig ab. Und das in diesem<br />

Jahr besonders eindrucksvoll. Ledermagnat Trussardi<br />

trennte sich von Kreativchef Milan Vukmirovic, genauso<br />

Issey Miyake von Dai Fujiwara. Paul Helber<br />

darf sich künftig nicht mehr Direktor der Herrenlinie<br />

von Louis Vuitton nennen, Dior entlässt John Galliano.<br />

Und die Liste geht weiter. Bei der Wahl des neuen<br />

Chefdesigners ist von geschäftsführenden Seiten der<br />

prestigeträchtigen Luxusmarken größtes Geschick<br />

verlangt. Doch was zahlt sich am Ende aus − der sichere Weg<br />

oder das kreative Risiko? Wie wichtig ist eigentlich Taktik in<br />

diesem Spiel um Image und Verkaufszahlen? Und welche Rolle<br />

spielt das Glück? Mesdames et Messieurs der Pariser Chefetagen,<br />

Ihre Einsätze bitte!<br />

In der Modehistorie lassen sich zahlreiche Beispiele für das<br />

Gelingen und Scheitern solcher Spielpartien finden. Während<br />

die Negativbeispiele alsbald in Vergessenheit geraten, gingen<br />

einige sensationelle Erfolge in die Geschichte ein. So war es<br />

zum Beispiel der erst 21-jährige Yves Saint Laurent, der mit<br />

seiner ersten Kollektion Ligne Trapèze Ende der 1950er-Jahre<br />

für Dior Schlagzeilen machte. Die Silhouette Yves Saint Laurents<br />

in ihrer neuartigen, freieren und trotzdem eleganten<br />

Form machte ihn zum gefeierten Genie seines Handwerks.<br />

Ebenso legendär sind die Erfolge Karl Lagerfelds, die er bereits<br />

seit 1984 für das Haus Chanel verzeichnet, das zuvor als so gut<br />

wie Tod galt. Er war es zweifelsohne, der die Hysterie um die<br />

beiden ineinander verschlungenen Cs neu entfachte. Zwei eindrucksvolle<br />

Beispiele, deren nachhaltiger Einfluss auf die gesamte<br />

Modewelt verdeutlicht, wie entscheidend und unwiderruflich<br />

ein Designer nicht nur seine eigene, sondern auch die<br />

Positionierung seines Arbeitgebers maßgeblich bestimmen,<br />

neugestalten und festigen kann. Beide hatten aber bereits zuvor<br />

ihr Können unter Beweis gestellt, Laurent als Assistent Christian<br />

Diors höchstpersönlich und Lagerfeld an der Spitze von<br />

Chloé. Ihr folgender Triumph mag also nicht unbedingt sicher<br />

gewesen sein, er war aber gewissermaßen abzusehen. Dior und<br />

Chanel gaben sich nur wenig wagemutig.<br />

Ganz anders wird momentan Balmain wahre Risikofreude<br />

zugeschrieben. Das französische Label, das auf eine über<br />

60-jährige, durchaus turbulente Erfolgsgeschichte zurückblicken<br />

kann, legt seine kreative Zukunft in die zarten Hände des<br />

erst 25-jährigen Pariser Designers Olivier Rousteing. Zuvor<br />

hatte sich das Label im April nach sechs Jahren von Christophe<br />

Decarnin getrennt, der mit seiner Glamrock-Ästhetik<br />

eine wahre „Balmania“ ausgelöst hatte. Trotz nachweisbarer<br />

wirtschaftlicher Erfolge scheinen die Differenzen zwischen<br />

Decarnin und Balmain-CEO Alain Hivelin zuletzt unüberbrückbare<br />

Ausmaße angenommen zu haben. Es folgte die<br />

Trennung samt Nervenzusammenbruch des Kreativchefs.<br />

Von einem derartigen Erfolgsgarant zu einem so jungen und<br />

noch weitgehend unbekannten Designer zu wechseln, zeugt<br />

auf den ersten Blick von wahrer Tollkühnheit. Rousteings<br />

Biografie allerdings macht schnell deutlich, dass Balmains<br />

Wagnis bei dieser Wahl nicht allzu groß ist. Dieser arbeitete<br />

nämlich bereits seit 2009 eng an Christophe Decarnins Seite<br />

für Balmain, nachdem er Erfahrungen bei Roberto Cavalli<br />

gesammelt hatte. Beide haben an der gleichen Modeschule<br />

absolviert, beide teilen eine gewisse Vorliebe für zerschlissene<br />

Jeans und vergoldete Sicherheitsnadeln. Mit Olivier Rousteing<br />

geht Balmain also auf Nummer sicher.<br />

Das fundierte Spiel mit den internen Wechsellösungen wird<br />

nur noch drastischer vollzogen, wenn die Führung des guten<br />

Namens gleich ganz in Familienhand gelassen wird. So beispielsweise<br />

bei Prada. Das italienische Haus gehört zu den<br />

renommiertesten der internationalen Modeszene. Seine fast<br />

100-jährige Geschichte hindurch pflegte Prada ein elitäres<br />

Image, die Designs werden häufig als „intellektuell“ bezeichnet<br />

(ein Adjektiv, mit dem sich nur wenige Modemarken adeln dürfen).<br />

Diese beispiellose Firmengeschichte hat ihren Erfolg sicher<br />

nicht ausschließlich der strikten Familienpolitik zu verdanken.<br />

Fest steht allerdings, dass sowohl Gründer Mario Prada sowie<br />

Tochter und Haupterbin Miuccia eine klare Linie der Geschäftsführung<br />

teilen, die den italienischen Modekonzern zu einem<br />

der bis dato einflussreichsten Häuser gemacht hat. Andere Safe<br />

Player belegen den Triumph der Erbpolitik. Zum Beispiel die<br />

erfolgreiche Weiterführung Gianni Versaces Vision durch seine<br />

Schwester Donatella. Oder auch das Mailänder Modeimperium<br />

Missoni. 1953 von Ottavio und Rosita Missoni gegründet, gelang<br />

es dem Label dank sportlicher Designs und dem charakteristisch<br />

buntem Zickzackmuster das spießige Image von Strickwaren<br />

radikal zu verändern. Über die Salonfähigkeit hinaus machte<br />

Missoni Strick wieder zum Trendthema. Tochter Angela, die<br />

ihrer Mutter bereits seit ihrem 18. Lebensjahr bei der Konzeption<br />

der Linien assistierte, ist mittlerweile Chefdesignerin. Ihre<br />

Brüder Vittorio und Luca sind für Marketing und Menswear<br />

verantwortlich. Angela wurde von Beginn an ganz klar der traditionelle<br />

Missoni-Look vermittelt, den sie in ihren Kollektionen<br />

erfolgreich fortführt. Und auch in der nächsten Generation<br />

kommt die Nachfolge höchstwahrscheinlich aus den eigenen<br />

familiären Reihen. Angela Missonis Tochter Margherita, modemärchenhafterweise<br />

zur Mailänder Fashion Week 1983 geboren,<br />

ist bislang zwar nur als Model für das Haus tätig, trotzdem<br />

wird ihr bereits jetzt eine gewisse Teilhabe an der Entstehung<br />

der aktuellen Kollektionen zugesprochen. Mutter und Tochter<br />

sollen in einem wechselseitigen Kreativaustausch stehen, bei<br />

dem gleichwertig die Erfahrung der einen und die unbedarften,<br />

frischen Ideen der anderen fantastische Linien entstehen lassen.<br />

Die Erziehung des eigenen Nachfolgers hat Missoni also gleich<br />

das nächste Designass in den Ärmel gelegt.<br />

><br />

Auch wenn sich das Blatt mittlerweile dramatisch gewandelt hat, so<br />

war es John Galliano, der Dior zu einem Gewinnerhaus gemacht hat<br />

Werk VI . <strong>Metamorphose</strong><br />

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