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musicals – Das Musicalmagazin

Heft 166 (April / Mai 2014)

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hildesheim<br />

Jens Krause (Albin/Zaza)<br />

Fotos: Andreas Hartmann<br />

Fotos unten links und Mitte: Jens Krause (Albin/Zaza) und Oliver Jaksch (Georges); Foto unten rechts: Alexander Prosek (Jacob) und Jens Krause (Albin/Zaza)<br />

Jede Produktion steht und fällt mit der Besetzung<br />

von Albin alias Zaza, dem Travestie-Star<br />

im Nachtclub von St. Tropez. <strong>Das</strong><br />

TfN kann damit aufwarten: Jens Krause, bewährter<br />

Darsteller der Company, nun in<br />

seiner Paraderolle zu bestaunen, exakt im<br />

richtigen Alter. Er besitzt alles, was die Figur<br />

hergibt, präsentiert sich schrullig und<br />

schwülstig, verletzbar und verliebt, mütterlich<br />

und mondän, frivol und feinsinnig. Er<br />

ist in jedem Moment alternde Diva oder<br />

sorgsamer Partner, zieht das gesamte Stimmungsbarometer<br />

in Windeseile von zu Tode<br />

betrübt bis euphorisch. Genüsslich zelebriert<br />

er vulgäre Witze beim Show-Auftritt<br />

und fällt hinter der Bühne jäh zusammen.<br />

Krause kann alles, bürstet das Tuntige heraus<br />

und ebenso die leisen, fragilen Augenblicke.<br />

Nichts überzieht er, setzt Gesten<br />

und Szenen famos ins Lot.<br />

So viel Professionalität steckt an. Als sein<br />

langjähriger Lebensgefährte Georges bleibt<br />

Oliver Jaksch hochpräsent und eher das leisere,<br />

ausgleichende Pendant. Anders als Albin<br />

wirkt sein Seelenstriptease verhaltener.<br />

Kontraste, die sich anziehen und damit<br />

ausgleichen. Seine Vergangenheit heißt<br />

Jean-Michel und wird von Albin gern als<br />

Betriebsunfall zelebriert. Der Filius will<br />

nun auch noch heiraten und gar eine Frau.<br />

<strong>Das</strong> bringt manche Gewohnheiten durcheinander,<br />

denn die Schwiegerfamilie stammt<br />

aus streng bürgerlichen Kreisen mit massiver<br />

Rechtslastigkeit. Jens Plewinski bewahrt<br />

in diesen unheilträchtigen Verstrickungen<br />

die Ruhe, zersägt mit schöner Stimme und<br />

jugendlichem Charme die Konfusionen und<br />

bewahrt dort Anstand, wo Contenance ansonsten<br />

Fehlanzeige ist. Annika Dickel als<br />

auserkorene Anne steht ihm mit gleichen<br />

Qualitäten zur Seite. Herrlich ist Wojciech<br />

Mastalerz-Eggers als polterndes Schwergewicht<br />

Eduard Dindon, Annes resoluter<br />

Vater mit Hang zum dröhnenden Überschwang.<br />

Wenn er bei der Flucht widerwillig<br />

zur grell geschminkten Transe mutiert,<br />

wünscht sich wohl manch aufgeklärter<br />

Zuschauer einschlägig schwadronierenden<br />

Politikern ein ähnliches Schicksal. Madame<br />

Dindon verkörpert Agnes Buliga-Contras<br />

glaubhaft. Alexander Prosek als Jacob stakst<br />

und stapft mit Wonne in jedes Fettnäpfchen<br />

und beweist überraschenden Mut zur Hässlichkeit.<br />

Neben Michaela Linck als kolportagesüchtiger<br />

Jaqueline gefallen besonders die<br />

Cagelles: Jonas Hein, Magdalene Orzol, Annika<br />

Dickel, Tim Müller, Caroline Zins und Jarred<br />

Ramon Bailey stürzen sich mit wildem<br />

Spieltrieb in die Rollen. Da wird es schwül<br />

und lasziv bis ordinär, vor allem gibt es<br />

Flitter, Glitter und Glamour, die Zickigkeit<br />

agieren sie hinter den Kulissen mit gleicher<br />

Wollust aus.<br />

Katja Buhl führt das ambitionierte Ensemble<br />

mit Finesse durch die Untiefen des Musicals,<br />

gönnt Emotionen genügend Raum,<br />

drückt mächtig aufs Tempo, wenn Showtime<br />

angesagt ist. Ihre Choreografie passt<br />

zum Milieu, begeistert durch zündende<br />

Einfälle. Herz und Schmerz kommen immer<br />

prächtig zur Geltung und die feschen<br />

Beine auf High Heels sorgen stets für<br />

Schwung und gute Laune. Der bereitet Leif<br />

Klinkhardt mit seinem straff geleiteten Orchester<br />

den entsprechenden Boden. Es<br />

swingt aus dem Graben, flotte Songs und<br />

anrührende Balladen ergeben eine glückliche<br />

Mischung. Die Ausstattung von Dirk<br />

Immich kann zwar nicht ausladend spektakuläres<br />

Interieur auf die Bühne stellen,<br />

doch sind die sparsamen Requisiten punktgenaue<br />

Möblierungen der Schauplätze.<br />

Peitschen und Pailletten, Bildschirme und<br />

Boas oder rosa Riesenpumps sowie Vorhänge<br />

als Markierungen sorgen für optische<br />

Reize.<br />

‘La Cage aux Folles’ in Hildesheim dürfte<br />

zum Saison-Renner werden. Der ganze Apparat<br />

steppt, singt und dialogisiert sich<br />

durch die heiß laufenden Aggregatzustände<br />

dieser aufgedrehten Komödie mit Musik<br />

und Hintersinn.<br />

Philip M. Pankow<br />

34 www.<strong>musicals</strong>-magazin.de<br />

<strong>musicals</strong> 04.14

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