musicals – Das Musicalmagazin
Heft 166 (April / Mai 2014)
Heft 166 (April / Mai 2014)
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ausbildung<br />
1999 in Los Angeles, das groteske<br />
Werk schaffte u.a. 2001<br />
eine Off-Broadway-Produktion<br />
(siehe »<strong>musicals</strong>« Heft 92,<br />
Seite 61) und sogar eine Verfilmung,<br />
die 2005 in die Kinos<br />
kam. Auch ein Soundtrack existiert.<br />
Erzählt wird uns die Geschichte<br />
von Jimmy Harper. Eine amerikanische<br />
Kleinstadt-Highschool<br />
hat zum Vortrag einge -<br />
laden, bei dem uns ein Erzähler<br />
als warnendes Beispiel den tragischen<br />
Absturz und moralischen<br />
Verfall des ehemals adretten<br />
und sittsamen Musterschülers<br />
vor Augen führt <strong>–</strong> verursacht<br />
durchs Kiffen. <strong>Das</strong> führe<br />
unweigerlich zu Kriminalität<br />
und Unmoral, mache den Konsumenten<br />
zu einer Marionette<br />
seiner Triebe. Karrieren würden<br />
für immer ruiniert. Alles das<br />
dürfen wir miterleben. Dabei<br />
fängt es ganz harmlos an. Weil<br />
Jimmy seiner angebeteten Mary<br />
Lane mit Tanzkünsten imponieren<br />
will, lässt er sich von Jack,<br />
einem gewieften Dealer, zu einer<br />
“Tanzstunde” im Apartment<br />
von dessen Freundin Mae überreden.<br />
Ein erster Zug am Joint<br />
lässt nicht lange auf sich warten.<br />
Nach und nach folgen u.a.<br />
Beschaffungskriminalität (ein<br />
Foto oben links: in der Mitte Nico Schweers (Erzähler); Foto oben rechts: Antonia Welke (Mary) und Manuel Dengler (Ralph)<br />
Foto unten: in der Mitte Laura Joeken (Mae), Benjamin A. Merkl (Jimmy) und Veronika Hörmann (Sally)<br />
Opferstock in einer Kirche wird geknackt), das Heranmachen an<br />
die freizügige Sally (verkauft mal eben ihr Baby, um Kohle für<br />
neuen Stoff zu bekommen) und ein Unfall mit Todesfolge. Letzterer<br />
rüttelt Jimmy kurz auf <strong>–</strong> um seine Mary zu schützen, verlässt<br />
er sie <strong>–</strong>, doch er wird von Jack hinterhältig mit “besonderen Brownies”<br />
erneut geködert, und als dieser Mary mit einem Schuss tödlich<br />
verletzt, hängt Jack Jimmy die Tat an. Der landet auf dem<br />
elektrischen Stuhl. Wie schon einmal zuvor erscheint Jesus persönlich,<br />
aber er will Jimmy gar nicht mehr retten, sondern “nur gaffen”<br />
… Was für ein abschreckendes Beispiel!<br />
Vom Zombie-Aufmarsch (eine Mischung aus Michael Jacksons<br />
‘Thriller’ und ‘Tanz der Vampire’) bis hin zum rasanten Stepp-<br />
Finale sind es immer wieder die Tanzszenen, die mitreißen. Hier<br />
hat Ricarda Regina Ludigkeit als Choreografin Hervorragendes geleistet,<br />
zumal sich die jungen Leute mit geradezu ansteckender<br />
Energie ins Zeug legen. Flott lautet die Devise auch für die Regisseurin<br />
Ludigkeit; für eine subtile Zeichnung der Charaktere eignet<br />
sich ‘Kifferwahn’ ohnehin nicht, wobei manches, zum Beispiel der<br />
Erzähler, sogar noch etwas überzeichneter hätte ausfallen dürfen.<br />
Bei aller Skurrilität und Komik <strong>–</strong> ein Abend zum richtig<br />
Schlapplachen war's nicht.<br />
Alles in allem boten die Studierenden des Musicalstudiengangs eine<br />
runde Ensembleleistung. Sie können sicher nur ansatzweise zeigen,<br />
was in ihnen steckt, denn so richtig viel geben die Rollen<br />
nicht her, wobei die Voraussetzungen unterschiedlich sind: So hatte<br />
Laura Joeken mit der Mae, deren gutes Herz und Gewissen gewaltig<br />
unter ihrer Kifferei leidet, aber doch gelegentlich aufblitzt,<br />
nicht das große Los gezogen, Veronika Hörmann als Sally hatte es da<br />
etwas leichter und Antonia Welke als Mary Lane, die gegen Ende<br />
auch mal kräftig eine Tüte reinziehen und sexuell zügellos sein<br />
darf, erst recht.<br />
So sehr sich Nico Schweers auch ereiferte, er hatte es als Erzähler<br />
deutlich schwerer, beim Publikum zu punkten, als Manuel Dengler<br />
in der Rolle des dauerbekifften, ehemals hoffnungsvollen Studenten<br />
Ralph, bei dem man fürchtete, in den Wahnsinn abgedriftet<br />
zu sein. <strong>Das</strong>s sich Dengler offenbar aufs Abnorme bestens zu verstehen<br />
scheint, hat er im vergangenen<br />
Jahr bereits als Renfield<br />
in Wildhorns ‘Dracula’ gezeigt.<br />
Wenn der Dealer Jake und Jesus<br />
von ein und demselben Darsteller<br />
gespielt werden wie in der<br />
Off-Broaway-Produktion, kann<br />
der Betreffende natürlich unterschiedlichere<br />
Facetten zeigen,<br />
hier spielte Pascal Höwing den<br />
aalglatten Dealer im ‘Guys And<br />
Dolls’-Ganovenanzug (Ausstattung:<br />
Rainer Sinell) und Philipp<br />
Büttner zeigte <strong>–</strong> immerhin zusätzlich<br />
zum Milchbar-Besitzer<br />
Mr. Poppy und einem Satyr <strong>–</strong><br />
als Jesus viel nackte Haut.<br />
Stimmlich hatten beide ihre eindrucksvollen<br />
Momente. Als abschreckendes<br />
Beispiel Jimmy<br />
Harper gefiel Benjamin A. Merkl.<br />
Im Zusammenspiel mit Welke<br />
gelangen sogar in diesem Rahmen<br />
ein paar schöne Momente<br />
“echter” Emotionen.<br />
Aus dem 3. Jahrgang seien noch<br />
Peter Schmid als Jimmys Mom<br />
und Victor Petersen als Sallys<br />
Baby hervorgehoben sowie Katrin<br />
A. Paasch, die als Nummern-Girl<br />
immer wieder charmant<br />
in die Aufführung stolzierte<br />
und Tafeln mit Warnhinweisen<br />
präsentierte wie “Kiffen<br />
lässt dich Lachen ohne Grund”<br />
und “Kiffer verkaufen ihre<br />
Babys für Drogen”.<br />
In der besuchten Aufführung<br />
saß Dean Wilmington am Keyboard<br />
und leitete die knackige<br />
Band, die mit Drive rockte und<br />
swingte.<br />
‘Kifferwahn’ ist kein großartiges<br />
Musical, aber zweckdienlich und<br />
es bietet immerhin einen kurzweiligen<br />
Abend. Vielleicht wäre<br />
es in den Theater-AGs der Schulen<br />
gut aufgehoben, wo es als<br />
Diskussionsgrundlage zum Thema<br />
Drogenkonsum dienen<br />
könnte. Der spielt bei Jugendlichen<br />
ja leider eine nicht unerhebliche<br />
Rolle und ist nicht so<br />
albern, wie ‘Reefer Madness’ daherkommt<br />
<strong>–</strong> Verharmlosung wäre<br />
fehl am Platz. Auf das groteske<br />
‘Kifferwahn’ können sich die<br />
Teenager jedoch vermutlich eher<br />
einlassen als auf mit erhobenem<br />
Zeigefinger geführte Aufklä -<br />
rungsvorträge. <strong>Das</strong> jugendliche<br />
Publikum im Akademietheater<br />
jedenfalls jubelte heftig, was sicher<br />
nicht am gefakten Gras-<br />
Geruch lag.<br />
Gerhard Knopf<br />
<strong>musicals</strong> 04.14<br />
www.<strong>musicals</strong>-magazin.de<br />
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