musicals – Das Musicalmagazin
Heft 166 (April / Mai 2014)
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st.gallen<br />
Fotos: Theater St.Gallen / Andreas J. Etter<br />
Diese scheint Koen Schoots ohnehin immer<br />
mitzubringen, wenn es darum geht, ein<br />
Wildhorn-Stück aus der Taufe zu heben.<br />
Auch diesmal sind seine Arrangements sehr<br />
schön gearbeitet und von großer Wirkung.<br />
Für dieses Stück geht er an einigen Stellen<br />
sogar sehr reduziert zu Werke, was für intensive<br />
und bewegende Momente sorgt.<br />
Seine Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester<br />
St.Gallen funktioniert auch diesmal<br />
wieder prächtig und der Chor singt tadellos<br />
<strong>–</strong> in musikalischer Hinsicht also eine Produktion<br />
von hervorstechender Qualität.<br />
Dies gilt auch für das Tondesign von Stephan<br />
Linde und Christian Scholl, die am<br />
Theater St.Gallen immer wieder beeindruckend<br />
zur Schau stellen, was an einer<br />
Repertoirebühne möglich ist und woran<br />
leider immer noch die allermeisten Repertoirebühnen<br />
in ärgerlicher Regelmäßigkeit<br />
scheitern.<br />
‘Artus <strong>–</strong> Excalibur’<br />
Ein Ausstattungsstück ist diese Artus-Produktion<br />
gewiss nicht, und doch gefällt Peter<br />
J. Davisons Bühne mit ihrer stückadäquaten<br />
Holz-Optik, die sich auf einige wenige<br />
Einheitsbilder beschränkt, die durch<br />
Requisiten jeweils ergänzt werden. Hierzu<br />
gehört auch der berühmte “Round Table”,<br />
der mittels Hydraulik im Bühnenboden<br />
versenkbar ist. Ein wenig enttäuschend<br />
hingegen mutet die Wald-Szenerie an, die<br />
auch durch die ergänzenden Projektionen<br />
von S. Katy Tucker nicht besser wird. Überhaupt<br />
hat man voriges Jahr bei ‘Moses <strong>–</strong><br />
Die 10 Gebote’ weitaus eindrucksvollere<br />
Projektionslandschaften gesehen. Rick Sordelet,<br />
der für die Fechtszenen verantwortlich<br />
zeichnet, hat diese mit großem Erfolg mit<br />
den Darstellern einstudiert, denn Schwerterkampf<br />
und Schlachtgetümmel sind furios<br />
und verfügen über große Verve.<br />
Die Besetzung ist durchweg vorzüglich. In<br />
der Titelrolle präsentiert sich Patrick Stanke<br />
idealbesetzt <strong>–</strong> mit schöner und kräftiger<br />
Stimme ist er Sympathieträger und positive<br />
Identifikationsfigur des Stückes. Seine Rolle<br />
muss den Abend tragen und die Geschichte<br />
zusammenhalten <strong>–</strong> dies gelingt<br />
ihm außerordentlich gut, vor allem was den<br />
darstellerischen Bogen anbelangt: Egal ob<br />
aufrechter Bauernbursche, Hoffnungsträger<br />
wider Willen, menschlich zutiefst verletzt<br />
oder zu königlicher Größe herangereift <strong>–</strong><br />
Stanke vermittelt sämtliche Facetten glaubhaft<br />
und überzeugend. Die daneben komplexeste<br />
Rolle des Stückes ist die der Morgana,<br />
die bei Sabrina Weckerlin und ihrem<br />
fulminant großen Stimmvermögen bestens<br />
aufgehoben ist. Songs wie “Sünden der Väter”<br />
oder “Morgen triffst Du den Tod” gehören<br />
zu den gesanglichen Höhepunkten<br />
dieser Aufführung. Leider erhält ihre dem<br />
Grunde nach tragisch angelegte Rolle keine<br />
dramaturgische Auflösung: Im Verlauf des<br />
Stückes erfährt man viel über Morganas<br />
leid- und schmerzvolle Kindheit, über ihren<br />
Wissensdurst nach schwarzer Magie, die ihr<br />
schließlich zur Emanzipation verhilft, sowie<br />
über ihren ungestillten Rachedurst. Ihr Tod<br />
hingegen gerät überraschend unspektakulär<br />
und fast beiläufig. Es ist immer ein Problem,<br />
wenn dem Bösewicht des Stückes<br />
zwar ein großes Solo nach dem anderen eingeräumt<br />
wird, sein Ende jedoch nahezu unvermittelt<br />
eintritt <strong>–</strong> leider vergönnt nicht<br />
jedes Buch seinem Antagonisten einen<br />
Bühnentod, wie ihn etwa Javert hat. Auch<br />
die Figur des Merlin hinterlässt einen noch<br />
unausgereiften Eindruck, wenngleich Thomas<br />
Borchert aufgrund der Strahlkraft seiner<br />
Stimme große Auftritte hat wie etwa bei<br />
dem Song “Der Kreis der Menschheit”. In<br />
ihrer jetzigen Form ist die Rolle zu statisch<br />
angelegt, zu wenig definiert, was Merlins<br />
Persönlichkeit betrifft. Obwohl er massiv in<br />
das Schicksal der Menschen eingreift, hadert<br />
er nie, er hat keinerlei Zweifel an der<br />
Richtigkeit seines Tuns <strong>–</strong> wer so gefestigt<br />
ist, müsste Morgana eigentlich gewachsen<br />
sein. In vielen Adaptionen des Artus-Stoffes<br />
wird Guinevere nur die Rolle der zwischen<br />
zwei Männern hin- und hergerissenen Frau<br />
zugestanden <strong>–</strong> im Großen und Ganzen gilt<br />
dies auch hier. Annemieke van Dam gelingt<br />
es jedoch, ihren Part mit großer Präsenz<br />
auszufüllen, und sie überzeugt mit einer<br />
einfühlsamen Interpretation der Ballade<br />
“Ein neuer Tag”. Mark Seibert ist nicht nur<br />
optisch ein prächtiger Lancelot, auch gesanglich<br />
vermag er, Akzente zu setzen: Mit<br />
dem Song “Sogar der Regen schweigt still”,<br />
der unmittelbar nach der Hochzeit von Artus<br />
und Guinevere angesiedelt ist, schafft er<br />
mit einer überaus gefühlvollen Intonation<br />
einen bewegenden und packenden Moment,<br />
der das Publikum begeistert.<br />
Es war vor allem Theaterdirektor Werner<br />
Signer, der sich nach der Show über die positive<br />
Zuschauerresonanz hocherfreut zeigte.<br />
In der Schweiz ohnehin schon in Sachen<br />
Musicals führend, wird sein Haus inzwischen<br />
auch international sehr wohl wahrgenommen,<br />
was wiederum weitere Möglichkeiten<br />
für die Zukunft eröffnet <strong>–</strong> man darf<br />
gespannt sein.<br />
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<strong>musicals</strong> 04.14