musicals – Das Musicalmagazin
Heft 166 (April / Mai 2014)
Heft 166 (April / Mai 2014)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
undblick<br />
Foto: Dan Schneider<br />
Foto: Dan Schneider<br />
Foto: Matthias Stutte<br />
Foto: Hagen König<br />
‘Die letzten 5 Jahre’ in Hamburg:<br />
Linda Stark (Cathy)<br />
‘Die letzten 5 Jahre’ in Hamburg:<br />
Sascha Kurth (Jamie)<br />
‘The Black Rider’ in Krefeld: vorne v.l.n.r. Henrike Hahn (Käthchen),<br />
Adrian Linke (Stelzfuß) und Daniel Minetti (Bertram)<br />
‘Annie Get Your Gun’ in Radebeul: vorne Michael<br />
König (Frank Butler) und Susanne Engelhardt (Annie)<br />
Krefeld<br />
Radebeul<br />
Matberg sich hiervon abwendet, bleibt fraglich.<br />
<strong>Das</strong>s sich das Paar in der Mitte der<br />
Handlung in einem Boot zur Hochzeit trifft<br />
<strong>–</strong> Jamie kommt allein, Cathy steigt dazu,<br />
nach dem Duett steigt Jamie aus und Cathy<br />
fährt allein weiter <strong>–</strong>, ist hingegen szenisch<br />
sehr gelungen.<br />
Sascha Kurth bringt von der ersten Sekunde<br />
an die volle Lebensenergie von Jamie über<br />
die Rampe. Man glaubt ihm, wie sehr er<br />
Cathy liebt, kauft im die Leidenschaft für<br />
seinen Traum, ein erfolgreicher Buchautor<br />
zu werden, ab und kann sogar verstehen,<br />
warum er sich sukzessive aus der Beziehung<br />
zurückzieht. Stimmlich und auch in seiner<br />
Gestik erinnert er anfänglich stark an Patrick<br />
Stanke, der dieselbe Rolle 2005 in<br />
Wuppertal gespielt hat. Im Laufe des<br />
Abends gelingt es ihm aber, der Figur eine<br />
eigene Facette zu geben.<br />
Linda Stark hat eine wunderschöne, warme<br />
Stimmfarbe. Leider erreicht sie die hohen<br />
Partien der Rolle kaum und überspielt dieses<br />
Manko mit Lautstärke. Dadurch wirkt<br />
Cathy wesentlich weniger verletzlich. Ihre<br />
Lebensfreude zum Ende des Stücks wirkt etwas<br />
aufgesetzt. Durch die klare Abmischung<br />
von Starks Gesang wirkt Cathy um<br />
ein Vielfaches härter als notwendig. Bei<br />
Kurth hingegen hat die Tontechnik hervorragende<br />
Arbeit geleistet. Er muss nicht gegen<br />
die Band ansingen und überzeugt auch<br />
in den leisen, gefühlvollen Stücken.<br />
Die Band spielt Jason Robert Browns<br />
schwungvolle Kompositionen sehr akkurat.<br />
Die Streicher erzeugen in den richtigen Momenten<br />
Gänsehaut, während Gitarre und<br />
Keyboard für Energie und Druck sorgen.<br />
Insgesamt ist ‘Die letzten 5 Jahre’ im<br />
Sprechwerk eine gelungene Inszenierung,<br />
die es dem Publikum jedoch zu leicht<br />
macht. Dadurch verliert das Stück das gewisse<br />
Etwas, egal wie sehr die Protagonisten<br />
auch überzeugen mögen.<br />
Michaela Flint<br />
The Black Rider<br />
Theater<br />
Stattliche 24 Jahre nach der Hamburger<br />
Uraufführung von Tom Waits', Robert<br />
Wilsons und William S. Burroughs' ‘The<br />
Black Rider’ ist es gar nicht mehr so einfach,<br />
diesem postmodernen Klassiker neue<br />
Seiten abzugewinnen. Regisseur Frank<br />
Matthus geht die Aufgabe betont entspannt<br />
an <strong>–</strong> und gewinnt vielleicht gerade deshalb.<br />
Man hat den Neuzeit-‘Freischütz’ auf deutschen<br />
Stadttheaterbühnen sicher schon<br />
schriller, absurder und ausgelassener gesehen<br />
als in Krefeld. Doch sich auf dieses<br />
Rennen einzulassen, hätte vermutlich in<br />
die Irre geführt. Stattdessen gelingt es Matthus,<br />
mit einem vor Spielfreude sprühenden<br />
Ensemble das Wesen des ‘Black Riders’<br />
freizulegen. Alles ist Jahrmarkt, alles ist<br />
Geisterbahn <strong>–</strong> aber allzu ernst sollte man<br />
des Lebens Tragik dann doch nicht nehmen.<br />
<strong>Das</strong> wird perfekt unterstützt vom<br />
grellen Rummel, den Johanna Maria Burkharts<br />
Bühne auffährt, und auch von Maske<br />
und Kostüm, für die sie ebenfalls verantwortlich<br />
zeichnet. Weiß geschminkt mit<br />
überbetonten Augen, erscheinen die Handelnden<br />
wie irre Clowns, denen die Choreografie<br />
von Ralph Frey dazu noch permanent<br />
linkische Bewegungen verordnet. Auf diesem<br />
Silbertablett holen die Hauptdarsteller<br />
den Triumph grandios nach Hause. Adrian<br />
Linke findet als Stelzfuß den rechten Mix<br />
aus etwas Bedrohlichkeit und viel Revuequalität.<br />
Henrike Hahn als Käthchen und<br />
Paul Steinbach als Wilhelm schaffen hinreißend<br />
komisch-romantische Duett-<br />
Momente. Daniel Minettis Bertram und<br />
Esther Keils Anne begeistern als hart am<br />
Wahnsinn rotierendes Försterehepaar. Alle<br />
miteinander überzeugen auch gesanglich<br />
und kosten so gemeinsam mit der erstklassigen<br />
Kill Young Devil Band unter Leitung<br />
von Jochen Kilian Waits' schaurig-schönen<br />
Vaudeville-Rock aus. Dieser ‘Black Rider’<br />
lohnt sich für Einsteiger und Wiederholungstäter.<br />
Torsten Zarges<br />
Annie Get Your Gun<br />
Landesbühnen Sachsen<br />
<strong>Das</strong>s auf mich eine Zeitreise warten würde,<br />
damit hatte ich nicht gerechnet, als ich<br />
nach Radebeul aufbrach, um mir Irving<br />
Berlins Klassiker ‘Annie Get Your Gun’ aus<br />
dem Jahr 1946 anzusehen. Doch bei den<br />
Landesbühnen Sachsen scheint die Zeit<br />
stillzustehen. Wer sich also ansehen möchte,<br />
wie man Musicals an deutschen Stadttheatern<br />
vor <strong>–</strong> sagen wir einmal <strong>–</strong> 50 Jahren<br />
aufführte (Musicals als Operette nämlich),<br />
der mache sich auf. Sehr interessant,<br />
sehr desillusionierend.<br />
‘Annie Get Your Gun’ ist jenes Stück mit<br />
der strahlenden Hymne auf das amerikanische<br />
Show-Biz “There's no business like<br />
show-business …”. Doch mit Show-Business<br />
hatte die Inszenierung des Intendanten Manuel<br />
Schöbel nichts zu tun. Der lange Abend<br />
war weder lustig noch anrührend noch<br />
sonst wie packend. Er war schlichte deutsche<br />
Stadttheater-Routine der alten Art, ohne<br />
Idee und Grund. Bei der Fülle bekannter<br />
Melodien scheint es unwichtig gewesen zu<br />
sein, dass die Geschichte die typische<br />
Nachkriegsbotschaft bereithält: Frau, mach<br />
dich dümmer, als du bist, wenn du geheiratet<br />
werden willst. Ohnehin hat der Regisseur<br />
sich offenbar nicht entscheiden können,<br />
ob er die Handlung über die Kommerzialisierung<br />
des Wilden Westens mit seinen<br />
Cowboys und Indianern, den Colts und Federhauben,<br />
der Kriegsbemalung und dem<br />
Tamtam ernst nehmen oder vielleicht doch<br />
lieber parodieren sollte. Schwamm drüber,<br />
nicht wichtig, ist doch nur ein Musical, inszeniert,<br />
um das regionale Publikum zu unterhalten.<br />
Zur dramaturgischen Wurstigkeit passte<br />
die Besetzung. Als Interpreten standen für<br />
die Hauptpartien vorwiegend die Sänger<br />
und Sängerinnen aus dem Opernensemble<br />
zur Verfügung, angereichert durch den<br />
Opernchor (Bürger, Showgäste, Indianer)<br />
und das Ballett. Musicaldarsteller sucht<br />
man auf der Bühne vergeblich. Und so<br />
war's dann leider auch. Von dem Berühren-<br />
<strong>musicals</strong> 04.14<br />
www.<strong>musicals</strong>-magazin.de<br />
39