Nyikos-Geschichte
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eine bestimmte objektive Sachlage aus (die Eigentumslosigkeit der Lohnarbeitskraft), und<br />
indem man im Sinne dieser Sachlage handelt, reproduziert man das objektive Verhältnis,<br />
dessen praktische "Realisierung" die Handlungsweise dann eben ist. Kurz: Die<br />
Verhaltensweisen sind die (aktive) Kehrseite der gesellschaftlichen Strukturen (der<br />
Produktions- und Konsumtionsweise einer bestimmten Gesellschaft).<br />
Es ergibt sich somit, daß Mikro- und Makroanalyse (Handlung versus System) zirkulär<br />
sind: Aus Handlungen ergeben sich Gesellschaftsstrukturen, die ihrerseits wieder das<br />
Handeln bestimmen. 49 Freilich sind die Umstände (Strukturen) in dem Sinne primär, daß<br />
es keine Handlungen jenseits der Umstände gibt, d.h. im luftleeren Raum vor jeder<br />
<strong>Geschichte</strong>.<br />
Das heißt mit anderen Worten, daß Handlungen niemals voraussetzungslos<br />
Gesellschaftsstrukturen hervorbringen können: Strukturen "emergieren" nicht aus den<br />
Handlungen, sondern sind immer schon da oder historisch gegeben (und werden daher<br />
immer nur mehr oder weniger modifiziert). Damit Handlungen also nicht als solche<br />
"verpuffen" oder, was auf dasselbe hinausläuft, das Gegebene, so wie es ist, untermauern,<br />
damit sie noch nie Dagewesenes hervorrufen können, müssen die Umstände, wie wir<br />
schon wissen, in bestimmter Weise konstituiert sein, d.h. disponiert, als "Material" für<br />
Neues zu dienen, da Handlungen sich immer nur vor dem Hintergrund des Vorhandenen<br />
zu objektivieren vermögen: Nichts kann eine Kreation aus dem Nichts sein.<br />
10.<br />
Der Lebensprozeß der Gesellschaft – einer jeden bisherigen Gesellschaft – stellt sich dar<br />
als ein ewiger Kreislauf aus Tätigkeiten produktiver und konsumtiver Natur, 50 als ein<br />
Geflecht aus Produktion und Konsumtion, den beiden fundamentalen Formen der Praxis,<br />
deren causa finalis jeweils in der Realisierung der genetisch fixierten Impulse besteht,<br />
obgleich es evident ist, daß die Produktion dabei eine ganz andere Rolle als die<br />
Konsumtion übernimmt.<br />
Unter "Produktion" in einem elementaren Sinn ist in diesem Zusammenhang zu verstehen:<br />
die Hervorbringung von expliziten oder impliziten Gütern, 51 von Gebrauchswerten der<br />
verschiedensten Art, mithilfe anderer (schon produzierter) Güter (von<br />
Produktionsinstrumenten im weitesten Sinn) auf der Basis von "Material", das sich in der<br />
Umgebung des Systems, in seiner Umwelt findet (die Atmosphäre, Erde und Wasser<br />
mitsamt den Bodenschätzen, Flora und Fauna und den Kräften der Natur [Wasser-, Wind-,<br />
Sonnen- oder Atomkraft]) – welche zusammen die objektiven Produktionsbedingungen<br />
bilden –, in Arbeitsprozessen, 52 in denen das menschliche Arbeitsvermögen – das als die<br />
subjektive Produktionsbedingung erscheint –, betätigt oder auf je verschiedene Weise in<br />
Gang gesetzt wird. Neben der Hervorbringung muß man hier dann aber auch noch die<br />
49<br />
Etwas nebulös, aber im Prinzip richtig, drückt dies Sewell jr. aus: "Schemas not empowered or<br />
regenerated by resources would eventually be abandoned and forgotten, just as resources without<br />
cultural schemas to direct their use would eventually dissipate and decay. Sets of schemas and<br />
resources may properly be said to constitute structures only when they mutually imply and sustain each<br />
other over time." (W. H. Sewell jr., Logics of History. Social Theory and Social Transformations, The<br />
University of Chicago Press (2005), S. 137)<br />
50<br />
Wir sagen: einer jeden bisherigen Gesellschaft, da es denkbar ist, die Produktion vollständig zu<br />
automatisieren, was dazu führen würde, zwar nicht die Produktion, jedoch die produktiven Tätigkeiten<br />
aus dem Stoffwechsel der Gesellschaft mit der Natur zu eliminieren. Das heißt natürlich nicht, daß<br />
Tätigkeiten überhaupt verschwänden; sie wären dann aber privat (wie in dem Fall, wo man auf der Basis<br />
eines eigenen Entwurfs für sich eine Hose, ein Kleid oder eine Bluse schneidert oder in einem<br />
Gemüsegarten Karotten, Gurken oder Kürbisse zieht).<br />
51<br />
"Explizite Güter" sind Güter, die eine aparte Existenz fristen können (so wie eine Coca-Cola-Dose oder<br />
ein Staudamm); "implizite Güter" sind Güter, die nur am konsumierenden Subjekt eine Existenz finden<br />
können (so wie ein Haarschnitt).<br />
52<br />
Wie schon gesagt, fallen diese bei Vollautomatisierung des Produktionsprozesses weg.