Nyikos-Geschichte
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der Tabus (der tradierten Hemmungen), 111 die solche Tendenzen blockieren –, oder aber,<br />
wenn die Konsequenzen unterschwellig sind und nicht sofort realisiert werden können,<br />
dann verengt sich, in dem Maße, wie die produktive Basis schwindet, auch der Spielraum<br />
für die konsumtiven Prozesse, die zu dieser Schmälerung führten. Man wird dann, nolens,<br />
volens, die bestimmten Modi der Konsumtion aufgeben müssen, die dafür verantwortlich<br />
sind, ja es kann sogar sein, daß, wenn dies nicht rechtzeitig geschieht, die Zerrüttung<br />
überhaupt zu einem Kollaps der Gesellschaft führt. Und dann geht diese Konsumtionsform<br />
ganz bestimmt unter.<br />
24.<br />
Eine "Überbeanspruchung" der Produktionssphäre durch Konsumtionsprozesse tritt ein,<br />
wenn infolge der Umschichtungen, die durch diese Prozesse innerhalb der Produktion<br />
(zwischen ihren Sektoren) induziert worden sind, infolge der Verschwendung von<br />
Arbeitskräften (Arbeitszeit) oder Ressourcen, die sie nach sich ziehen mögen, oder infolge<br />
der ökologischen Deteriorierung, die eine ihrer Konsequenzen sein kann, die<br />
Produktionsmaschinerie ins Stottern oder sogar aus den Fugen gerät, so daß die<br />
jeweiligen Produktionsprozesse ihrer Funktion nicht mehr nachkommen können, d.h. sich<br />
(kurzfristig oder langfristig) als unfähig erweisen, sämtliche Gebrauchswertkategorien in<br />
der erforderten Quantität und Qualität den Konsumtionsprozessen zu liefern.<br />
Hier kann unterschieden werden zwischen<br />
1. dem Abzug von Arbeitskräften aus der Produktionssphäre respektive der Schmälerung<br />
(Reduktion) der Gesamtarbeitszeit der Gesellschaft:<br />
a. Beeinträchtigung der Subsistenz der Basishaushalte infolge übermäßiger<br />
Surplusabschöpfung (so daß sich die Arbeitsleistung pro Zeiteinheit infolge einer lediglich<br />
partiellen Wiederherstellung des Arbeitsvermögens verringert);<br />
b. Abundanz von Fest- und Feiertagen aus kultischen Gründen, was zu einer<br />
Beschneidung der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit führt;<br />
c. exzessive Menschenopfer aus kultischen Gründen, die zu einer Schrumpfung des<br />
Arbeitskräftereservoirs beitragen können;<br />
d. Fasten und Muße aus kultischen Gründen, wodurch einerseits die Arbeitskräfte<br />
geschwächt, andererseits zur Untätigkeit verurteilt werden;<br />
e. die ungleichmäßige Verteilung der Konsumtion (der Völlerei anläßlich von Festen der<br />
verschiedensten Art folgt ein Zwangsfasten mit ungünstigen Folgen für die Arbeitsfähigkeit<br />
der Arbeitskräfte);<br />
f. Verbot des Anbaus bestimmter Pflanzen respektive der Haltung bestimmter Tiere aus<br />
kultischen Gründen (Speisetabus, die nicht mehr zeitgemäß sind, d.h. ihre rationale<br />
Funktion eingebüßt haben), 112 wodurch die Ernährungsbasis der Basishaushalte<br />
geschmälert oder verengt wird (und damit auch die Arbeitskapazität);<br />
g. sexuelle Tabus und Reinheitsvorschriften aus kultischen Gründen, die das normale<br />
Alltagsleben (und damit indirekt auch den Produktionsprozeß) beeinträchtigen können;<br />
h. eine entfesselte Justiz (à la Hexenprozesse), die ungezügelt Todesurteile verhängt und<br />
so das Arbeitskräfteheer lichtet;<br />
i. exzessiver Einsatz von Arbeitskräften in Konsumtionsbereichen wie etwa Bürokratie,<br />
Krieg, Repression, Unterhaltung, Kult, persönliche Dienste usw., der zu einem<br />
Arbeitskräftemangel im produktiven Sektor führt;<br />
2. der Kanalisierung von Gütern, die für andere Zwecke genutzt werden könnten, in den<br />
Kapitalsystem. Denn hier wird nicht im Hinblick auf die Konsumtion produziert, sondern man konsumiert,<br />
umgekehrt, im Hinblick auf die Produktion.<br />
111<br />
Dazu zählen auch Kleider- und Luxusvorschriften usw.<br />
112<br />
Die Lächerlichkeit von Sitten und Gebräuchen besteht nach Helvétius darin, daß die Ursachen für ihre<br />
Einführung verschwunden sind, während jene weiterbestehen (vgl. C.-A. Helvétius, Vom Geist, Aufbau<br />
(1973), S. 170).