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Nyikos-Geschichte

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sinken, 155 auf dem zu leben ihm, so wie die Dinge jetzt liegen, im Prinzip offensteht. Dies<br />

ist also wenig wahrscheinlich.<br />

42.<br />

Althusser zitiert den Jansenisten Pascal: "Pascal sagt ungefähr folgendes: 'Knie nieder,<br />

bewege die Lippen zum Gebet und Du wirst glauben.' Damit stößt er in skandalöser Weise<br />

die Ordnung der Dinge um ..." 156 Hier haben wir eine Ahnung des imaginären Effekts (in<br />

nuce) vor uns: 157 die Praxis als Angelpunkt des imaginären Modus des Denkens.<br />

Allerdings nur in nuce: Denn die Determination ist keine direkte, sie ist nicht positiv,<br />

sondern negativ, sie schreibt nicht vor, sondern schließt aus. Es kann nichts gedacht<br />

werden, was dem Verhalten ins Gesicht schlagen würde, indessen alles, was mit dem<br />

Handeln konform geht.<br />

43.<br />

Es ist das aktive Verhältnis zu den Lebensbedingungen, gehören diese nun der<br />

Produktions- oder der Konsumtionssphäre an, das den Rahmen festlegt, innerhalb dessen<br />

das "Weltbild" konstruiert werden kann: Das "Bild von der Welt" ist die Vorstellung, die<br />

Ansicht der Welt, wie sie sein muß, damit sie mit dem Verhalten nicht kollidiert. "Ich<br />

verhalte mich so und nicht anders, also ist die Welt so und nicht anders beschaffen."<br />

Dieser Satz gilt allerdings nur, sobald der Denkakt ausgeführt ist; im Hinblick auf den<br />

Denkprozeß selbst gilt demgegenüber, daß nur das gedacht werden kann, was dem<br />

Verhalten nicht widerspricht. Was dies dann im Endeffekt sein mag, fällt ganz dem Zufall<br />

anheim. Man könnte es auch (mit den "einst so geistreichen Franzosen") wie folgt<br />

formulieren: Ce que je fais définie (dévoile) ce que je ne pense pas.<br />

Das konkrete Imaginäre wird sich aus diesem Grund nie aus dem Handeln ableiten<br />

lassen. Die Konkretion ist stets Resultat des (innerhalb der gegebenen Grenzen) frei<br />

flanierenden Geistes. 158<br />

155<br />

Das heißt, es wäre ihm verwehrt, ein Dach über dem Kopf zu haben (auch wenn dies nur eine Hütte<br />

wäre), sich kontinuierlich zu ernähren, Kinder aufzuziehen usw.<br />

156<br />

L. Althusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate, in: L. Althusser, Ideologie und ideologische<br />

Staatsapparate, VSA (1977), S. 138. Bei Pascal heißt es: "Das heißt, sie handelten in allem so, als<br />

glaubten sie, sie gebrauchten Weihwasser, ließen Messen lesen usw. Ganz natürlich wird Euch eben das<br />

gleiche zum Glauben führen und Euren Verstand demütigen." (B. Pascal, Gedanken, Reclam (1987), S.<br />

171) Oder Evans-Pritchard: "Wenn man sich so verhalten muß, als glaubte man, dann glaubt man zum<br />

Schluß ganz oder teilweise an das, wonach man sich verhält." (E. E. Evans-Pritchard, Hexerei, Orakel<br />

und Magie bei den Zande, Suhrkamp (1988), S. 332) Ähnlich auch Montesquieu: "Ich opfere ihr (d.h. der<br />

Religion, N.E.) so viel auf, daß ich notgedrungen an sie glauben muß." (M. de Montesquieu,<br />

Perserbriefe, Insel (1988), S. 123) Und Diderot: "Man verbringt sein Leben damit, sich den Kopf über<br />

Albernheiten zu zerbrechen; die Zeit und die Notwendigkeit geben ihnen Bedeutung; man kommt von<br />

ihnen nicht mehr los. Wenn ich die zwölf Folianten des Augustin über die göttliche Gnade geschrieben<br />

hätte, so würde ich von diesem System das Glück der Welt abhängig machen. Wäre ich gezwungen,<br />

jede Nacht Metten zu singen, so würde ich mir – glaube ich – ebenfalls einbilden, mein nächtlicher<br />

Gesang lösche den Blitz in den Händen des Ewigen aus, der den schlafenden Sünder zu zerschmettern<br />

droht. So entgeht man dem Verdruß nur durch die Bedeutung, die man nichtigen Pflichten beimißt." (D.<br />

Diderot, Fortlaufende Widerlegung von Helvétius' Werk "Vom Menschen", in: D. Diderot, Philosophische<br />

Schriften II, Verlag das europäische Buch (1984), S. 82)<br />

157<br />

Nach Lucien Goldmann gibt es nicht nur eine Wirkung vom Bewußtsein auf das Verhalten, sondern<br />

auch eine Wirkung vom Verhalten auf das Bewußtsein. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das<br />

"bete und die wirst glauben" Pascals (also noch vor Althusser: Goldmann hat das 1947 geschrieben!)<br />

und auf Jean Piaget (vgl. L. Goldmann, Dialektische Untersuchungen, Luchterhand (1966), S. 57).<br />

158<br />

Der Aufbau des "Bildes der Welt" könnte mit Lévi-Strauss als "bricolage" aufgefaßt werden. Man könnte<br />

auch sagen, daß dieser Aufbau auf einem "Regelsystem" analog zu dem einer Grammatik basiert,<br />

welche keine Sätze vorschreibt, sondern diejenigen Sätze ausschließt, die "ungrammatisch" sind.

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