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Nyikos-Geschichte

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Praxis, die sich als Angel- und Drehpunkt des Imaginären erweist. 164 Und insofern sie es<br />

ist, steckt sie die Grenzen ab, innerhalb deren sich dieses Imaginäre bewegt, setzt sie<br />

fest, was denkbar ist und was nicht. Man könnte auch sagen, daß in die Praxis die<br />

Konturen des Denkens (auf negative Weise) bereits eingeschrieben sind: Indem man<br />

handelt, antizipiert man das Denken. 165 Man tut das Imaginäre, bevor man es denkt. 166<br />

Insofern nun aber die "Umstände", die "geronnenen" Handlungen vergangener Zeiten, den<br />

Rahmen der "flüssigen" Handlungen bilden, das Gravitationsfeld, innerhalb dessen sich<br />

das aktuelle Handeln bewegt, und insofern das imaginäre Bewußtsein durch das Verhalten<br />

umrissen, also abgegrenzt oder – in der Form impliziter Gedanken – 167 antizipiert wird,<br />

könnte man sagen, daß sich das Denken bereits in den Dingen, in den Umständen negativ<br />

vorbestimmt findet, 168 also skizziert, ohne daß es dort freilich schon ausgeführt wäre. In<br />

diesem Sinne geht es nicht weit an der Wahrheit vorbei, wenn man sagt, daß das Subjekt<br />

in seinem imaginären Bewußtsein nur das historische Handeln, die <strong>Geschichte</strong> der<br />

Gattung, des Menschengeschlechts reflektiert: Was heute "gedacht" wird, hat die Vorwelt<br />

"gemacht". Und ebenso: Was heute "gemacht" wird, wird später "gedacht". Indem wir<br />

handeln, "machen" wir das Imaginäre der Nachwelt.<br />

47.<br />

Es sind, um es nochmals zu sagen, die Lebensumstände, die die Verhaltensweisen<br />

bedingen, welche ihrerseits dann als Rahmen fungieren, innerhalb dessen sich das<br />

imaginäre Denken bewegt. Demgegenüber hat die Althusser-Schule behauptet, daß es die<br />

"Rituale" in den "ideologischen Staatsapparaten" (Kirchen, Schulen, Medien) sind, die den<br />

imaginären Effekt generieren. Überspitzt formuliert: Durch das Absingen der Hymne glaubt<br />

man schließlich an die Nation und zieht für diese daher wohlgemut in den Krieg. 169<br />

Nun, das ist nicht nur insofern falsch, als der konkrete Gedankeninhalt nicht durch das<br />

Handeln, welches es immer auch sei, präfiguriert werden kann, sondern auch deswegen,<br />

weil der imaginäre Effekt im Prinzip die Gesamtheit aller Handlungsweisen – ob es sich<br />

nun um diejenigen der "Arbeitswelt" oder um die der "Freizeitwelt" handelt – zur<br />

Voraussetzung hat: Der gesamte Komplex des Verhaltens, das Alltagsleben als solches,<br />

"orientiert" das Bewußtsein, indem das Denken auf das "Denkbare" eingrenzt wird.<br />

48.<br />

Das "Bild von der Welt" bildet sich gänzlich spontan; es ist autonom, Funktion des<br />

"philosophischen" Räsonnements der Subjekte. Es kann daher gar nicht "von außen" oder<br />

genauer: "von oben" aufoktroyiert oder "eingeimpft" werden. Die "ideologischen<br />

Staatsapparate" sind machtlos; sie sind gar nicht fähig zu manipulieren. 170<br />

Jede Theorie der "ideologischen Sphäre" krankte bisher daran, daß man das "Bild von der<br />

164<br />

In diesem Sinne stimmt, was Althusser sagt: "Die Ideologie hat keine <strong>Geschichte</strong>." (Althusser, Ideologie<br />

und ideologische Staatsapparate …, S. 131)<br />

165<br />

Hier ist natürlich vom imaginären Denken die Rede, nicht vom praktischen.<br />

166<br />

Das imaginäre Denken ist, in gewisser Weise, das Symptom des Handelns. Ebensowenig wie man<br />

daher ein Symptom beseitigen kann, indem man das Zugrundeliegende ignoriert und sich darauf<br />

beschränkt, das Symptom zu bekämpfen, ebensowenig kann man das Imaginäre durch Argumente<br />

umstürzen oder modifizieren.<br />

167<br />

Diese impliziten Gedanken macht dann die "philosophische Überlegung" im Endeffekt explizit.<br />

168<br />

Das Denken ist in den Dingen (in den "Umständen") "wie im trockenen Holz das Feuer wohnt, bevor es<br />

brennt, ... wie die Asche schon im Holz liegt, das man anzünden will." (A. Carpentier, Hetzjagd, Reclam<br />

Leipzig (1966), S. 16)<br />

169<br />

Wenn die subalternen Klassen im Rahmen nationaler Kategorien denken, dann deshalb, weil der Staat<br />

als Nation in der Tat als Rahmen für ihr Leben fungiert.<br />

170<br />

Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, daß die Theorie der "ideologischen Staatsapparate", der<br />

"Hegemonieapparate" usw. einfach der Selbstüberschätzung der Intellektuellen entspringt.

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