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Nyikos-Geschichte

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des genetischen Programms – 22 gestaltet oder umgeformt werden kann – direkt als<br />

Instrument im weitesten Sinn 23 (also als "Verlängerung" der Hand und später des Kopfes),<br />

indirekt über die Handhabung dieser Instrumente. 24 Und da das Denken permanent ist, da<br />

jede Generation die Dinge – auf der Grundlage der überlieferten Denkresultate – von<br />

neuem durchdenkt (oder durchdenken könnte), so kennt dieser Prozeß der Umgestaltung<br />

der Umwelt im Prinzip auch kein Ende, auch wenn er Pausen und sogar Rückschritte<br />

kennt: Ameisen, Bienen, Schwalben oder Bieber greifen zwar auch in ihre Umwelt ein,<br />

gestalten sie um, allein, sie tun dies nicht bewußt, sondern in Abhängigkeit von einem<br />

genetisch codierten Programm, 25 und sie tun es ebendeswegen von Generation zu<br />

Generation immer auf dieselbe Weise. 26 – Schließlich verwandelt das Handeln nicht nur<br />

die äußere Umwelt, die "Umgebung" des Gesellschaftssystems, sondern auch die<br />

gesellschaftlichen Relationen, das System der Gesellschaft selbst: die Art und Weise<br />

22<br />

"Bei der Geburt bringen wir nicht mehr mit als eine ähnliche Organisation, wie andere Lebewesen sie<br />

besitzen, die gleichen Bedürfnisse, den Hang zu den gleichen Freuden, die gemeinsame Abneigung<br />

gegen die gleichen Qualen: das allein macht den Menschen aus, wie er ist, und muß die Moral<br />

begründen, die ihm entspricht." (D. Diderot, Nachtrag zu Bougainvilles Reise, in: D. Diderot, Das<br />

erzählerische Werk, Bd. 4, Rütten & Loening (1984), S. 324) – Zu den genetisch tradierten Impulsen<br />

("Wirkkräften" im Sinne Spinozas), die fest vorgegeben und seit dem Abschluß der Anthropogenese<br />

weitgehend unveränderlich sind, zählen: Stillen von Hunger und Durst, Schutz vor Hitze und Kälte, vor<br />

den Unbilden des Wetters und vor äußeren Bedrohungen ganz allgemeiner Natur, Ruhe und Schlaf –<br />

also Selbsterhaltung im weitesten Sinn –, dann die Erhaltung der Art (Vermehrung inklusive<br />

Kinderaufzucht), Sexualität (als Vergnügen), freie Betätigung (Kreativität), Denken und Kommunikation<br />

und vielleicht noch einiges andere mehr. Diese Impulse, die an sich amorph sind, sind von den<br />

"Bedürfnissen", die konkret sind, strikt zu unterscheiden: Das genetische Programm setzt den Hunger,<br />

die <strong>Geschichte</strong> setzt den Hunger nach etwas. "It is a plain fact that human beings, in virtue of their<br />

intrinsic make-up, need food and water, sleep, shelter against the elements, sexual gratification; or, in<br />

case this is regarded by some as to vulgarly physical, not 'human' enough, that they possess also<br />

linguistic, reasoning and productive capacities which between them make possible a purposeful<br />

transformation of the environment such as no other earthly species is capable of. Again, there is a<br />

general human capacity to make and enjoy music." (N. Geras, Marx and Human Nature: Refutation of a<br />

Legend, Verso (1983), S. 99) – Für Marx ist die Menschennatur ein "Ganzes von Bedürfnissen und<br />

Trieben" (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Dietz (1953), S. 157). Im Grunde<br />

handelt es sich dabei um Anlagen, die zu ihrer Realisierung der Gesellschaft bedürfen: Die Sprache etwa<br />

ist genetisch gegeben (ob als "Universalgrammatik" im Sinne Chomskys bleibe dahingestellt), als<br />

langage oder als Sprachfähigkeit, nicht jedoch als konkrete Sprache (langue), welche historischen<br />

Ursprungs ist. Dasselbe gilt für alle anderen Aspekte des genetischen Programms. In diesem Sinne<br />

könnte man mit Marx sagen, daß die menschliche Natur im allgemeinen stets überlagert ist von einer<br />

"historisch modifizierten Menschennatur" (K. Marx, Das Kapital I, in: MEW 23, S. 637).<br />

23<br />

Unter "Instrument" ist zu verstehen: einerseits Werkzeuge, Geräte, Maschinen, Apparaturen,<br />

Baulichkeiten, Werkstätten, Fabriken, Kraftwerke, Kanäle, Dämme, Aquädukte, Straßen usw.,<br />

andererseits Schreibgerät, Bücher, Musikinstrumente, Waffen, liturgische oder kultische Gegenstände,<br />

Galgen und Guillotinen usw.<br />

24<br />

Wenn Wildbeutergesellschaften ihren Lebensraum nicht bewußt umgestalten (unbewußt gelegentlich<br />

aber schon, indem sie durch Überjagung ganze Arten auszurotten vermögen), d.h. sich nur extraktiv zu<br />

ihrer Umgebung (Flora und Fauna) verhalten (so wie andere Tierarten auch), dann bedeutet dies<br />

keineswegs, daß sie sich dieser Umwelt so wie die Tiere anpassen würden: Indem sie nämlich<br />

Werkzeuge, Waffen, Geräte fabrizieren, passen sie sich ihre Umwelt durchaus an.<br />

25<br />

"Die bewußte Lebenstätigkeit unterscheidet den Menschen unmittelbar von der tierischen<br />

Lebenstätigkeit." (K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, in: MEW EB<br />

1, S. 516) "Das Tier formiert nur nach dem Maß und dem Bedürfnis der species, der es angehört,<br />

während der Mensch nach dem Maß jeder species zu produzieren weiß ..." (S. 516) Das Tier "produziert<br />

nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei<br />

vom physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben ..." (S.<br />

516)<br />

26<br />

"... die angeborene Ausrüstung eines Tieres ist darauf eingerichtet, eine beschränkte Anzahl von<br />

Verrichtungen in einer bestimmten Umgebung auszuüben. Die selbständige Ausrüstung des Menschen<br />

kann einer nahezu unbegrenzten Zahl von Verrichtungen in nahezu jeder Umgebung angepaßt werden –<br />

'kann' angepaßt werden, nicht 'ist' angepaßt." (V. G. Childe, Stufen der Kultur, Kohlhammer (1952), S.<br />

11) Das hat schon Protagoras bei Platon gewußt, als er den Mythos der Verteilung der "Gaben" an die<br />

Tierwelt erzählte.

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