29.08.2014 Aufrufe

Nyikos-Geschichte

Nyikos-Geschichte

Nyikos-Geschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

niederschlagen: 32 als Landschaft, d.h. als veränderte Topographie respektive als äußere<br />

Umwelt, die durch menschliche Arbeit moduliert worden ist, als Produktiv- und<br />

Konsumtivkräfte, als Produktions- und Konsumtionsverhältnisse, als genealogische<br />

Verhältnisse vertikaler und horizontaler Natur, als Sprache, als Mentalitäten und<br />

schließlich auch als objektiviertes, von einer Generation auf die nächste übertragenes<br />

Wissen, das als Ensemble von Methoden und Einsichten in den Zusammenhang im<br />

Hinblick auf die Natur, die Gesellschaft und das Denken erscheint. 33<br />

Aktuelle Handlungen schlagen sich also als geronnene nieder, einerseits objektiviert als<br />

manifeste Objekte, die in Raum und Zeit verortet sind, ohne daß sie sofort wieder<br />

reproduziert werden müßten – wie Landschaften, Bauwerke, Dämme, Kanäle, Straßen<br />

und Brücken, und, last, but not least, Instrumente (Geräte, Apparaturen, Maschinen) –,<br />

andererseits aber als gesellschaftliche Relationen (Beziehungen zwischen Subjekten),<br />

Relationen, die durch die Gesellschaft sanktioniert sind, weil sie in einer bestimmten<br />

historischen Lage (im Kontext eines bestimmten Produktivkraftniveaus) die Reproduktion<br />

der Gesellschaft verbürgen, und die man als Norm akzeptiert, weil die Subjekte aus ihnen<br />

nicht so ohne weiteres "aussteigen" können, ohne daß dies unmittelbare Konsequenzen<br />

für ihren Lebensstil nach sich ziehen würde. Die Umstände besitzen demnach, so könnte<br />

man sagen, eine Objekt- wie auch eine Strukturdimension.<br />

Wir können weiter spezifizieren, indem wir sagen, daß die Umstände alles dasjenige<br />

umfassen, das sich persönlichen Manipulationen entzieht und nur im Rahmen kollektiver<br />

Praxis, im Zusammenspiel vieler – bewußt oder spontan – transformiert werden kann.<br />

Umstände sind präexistent, vor allem aktuellen Handeln gegeben. Sie determinieren die<br />

Handlungen, wenn auch nicht "positiv" oder "direkt", sondern, wenn man so will, auf<br />

negative Weise, 34 d.h. indem sie den Spielraum, die Bandbreite möglicher Praxis<br />

begrenzen. 35 Dabei bilden sich im Laufe der Zeit bestimmte, den Umständen<br />

32<br />

Schon in der "Deutschen Ideologie" schreiben Marx und Engels, daß jede Generation "ein materielles<br />

Resultat, eine Summe von Produktionskräften, ein historisch geschaffenes Verhältnis zur Natur und der<br />

Individuen zueinander ... vorfindet, die jeder Generation von ihrer Vorgängerin überliefert wird, eine<br />

Masse von Produktivkräften, Kapitalien und Umständen, die zwar einerseits von der neuen Generation<br />

modifiziert wird, ihr aber auch andrerseits ihre eigenen Lebensbedingungen vorschreibt und ihr eine<br />

bestimmte Entwicklung, einen speziellen Charakter gibt – daß also die Umstände ebensosehr die<br />

Menschen, wie die Menschen die Umstände machen." (K. Marx/ F. Engels, Die deutsche Ideologie, in:<br />

MEW 3, S. 38)<br />

33<br />

Nach Herders Ideen zur Philosophie der <strong>Geschichte</strong> der Menschheit ist die Menschheit der Gegenwart<br />

Erbe alles dessen, was von den vorangegangenen Generationen erarbeitet worden ist. Vgl. J. G. Herder,<br />

Ideen zur Philosophie der <strong>Geschichte</strong> der Menschheit, Aufbau (1965), S. 336.<br />

Und auch Fichte spricht von einer "großen Kette", die die Generationen aneinanderbindet. "… diejenigen<br />

Wohltäter des Menschengeschlechts, deren Namen ich in der Weltgeschichte aufgezeichnet lese, und<br />

die mehreren, deren Verdienste ohne ihre Namen vorhanden sind – sie alle haben für mich gearbeitet; –<br />

ich bin in ihre Ernte gekommen; – ich betrete auf der Erde, die sie bewohnten, ihre segenverbreitenden<br />

Fußtapfen." (J. G. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, in: J. G. Fichte, Von<br />

den Pflichten der Gelehrten, Akademie-Verlag (1972), S. 31)<br />

Schließlich sagt Hegel über den historischen Zusammenhang: "Der Besitz von selbstbewußter Vernünftigkeit<br />

ist nicht unmittelbar entstanden, sondern es ist dies wesentlich in ihm, eine Erbschaft und näher das<br />

Resultat der Arbeit, und zwar der Arbeit aller vorhergegangenen Generationen des<br />

Menschengeschlechts zu sein." (Hegel, Vorlesungen über die <strong>Geschichte</strong> der Philosophie …, S. 21)<br />

"<strong>Geschichte</strong> ist überhaupt nur deshalb möglich, weil der Mensch nicht immer neu und von Anfang an<br />

beginnt, sondern an die Arbeit und die Ergebnisse der vergangenen Generationen anknüpft." (Kosík, Die<br />

Dialektik …, S. 235)<br />

34<br />

"Determinatio est negatio." (Spinoza) Das heißt: Die Bestimmung ist Eingrenzung durch Ausschluß.<br />

Bateson " is concerned with the fact that logically simple explanations of the type 'if A then B, and therefore B<br />

is caused by A' are insufficient for the analysis of complex system processes, and therefore one has to<br />

describe the system's causality (which is in fact presupposed) differently – that is, in a 'negative' way." (J.<br />

Klüver, The Dynamics and Evolution of Social Systems, Kluwer (2000), S. 68f.)<br />

Vgl. G. Bateson, Steps to an Ecology of Mind, Chandler (1972), S. 399f.<br />

35<br />

Die Umstände bilden die historische Matrix der Praxis der Subjekte, welche Matrix das Handeln jedoch<br />

nicht positiv (im Sinne eines S-R-Schemas) festlegt, sondern lediglich den Handlungsraum eingrenzt,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!