Sozialisation - Fachsymposium-Empowerment
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Beispiel<br />
„Sanktionsverhalten“<br />
Mangelnde<br />
Handlungskompetenz<br />
Illustration mangelnder<br />
Handlungskompetenz<br />
des Bezugs sei noch einmal erwähnt, dass der generalisierte: Andere das<br />
unmittelbare Produkt des <strong>Sozialisation</strong>sprozesses, gewissermaßen die<br />
„Sammelstelle der Vergesellschaftungserfahrungen" ist und zudem der „Ort",<br />
an dem diese Erfahrungen zugeordnet, abstrahiert und verknüpft werden. Der<br />
generalisierte Andere ist für das Individuum der „Partner" eines inneren<br />
„Dialogs", der als „Kenner der Gesellschaft" hilft, Situationen, Handlungen<br />
und Handlungspläne vom Standpunkt der Welt außerhalb des Ichs zu<br />
beurteilen und zu bewerten.<br />
Lassen Sie sich bitte durch der Gebrauch der Metaphern nicht täuschen: In<br />
,Wirklichkeit" ist der generalisier Andere natürlich nur die Bezeichnung für eine<br />
bestimmte Art von Denkprozessen.<br />
Theoretisch einleuchtend und empirisch nachweisbar ist nun, dass die<br />
Generalisierungsfähigkeit unter den Gesellschaftsmitgliedern sehr<br />
unterschiedlich ausgeprägt ist. Wie weit diese Fähigkeit entwickelt ist, hängt<br />
wesentlich ab von der Struktur der angesammelten sozialen Erfahrungen,<br />
kaum dagegen von deren Inhalt.<br />
Als Beispiel für den Unterschied von Struktur und Inhalt kann das Sanktionsverhalten der<br />
Eltern gegenüber Kindern genannt werden. Die Struktur der Sanktionserfahrung beträfe die<br />
Ar und Weise und die Konsequenz bzw. Dauerhaftigkeit der Sanktionen, der Inhalt wären<br />
beliebige Situationen des Alltagslebens, die in der Verhaltensstruktur der Eltern<br />
„sanktionsreif' sind. Es ist offen kundig, dass die Struktur der angesammelten sozialen<br />
Erfahrungen eines Kindes anders ist, wenn die Eltern z.B. nicht nur auf Fehlverhalten<br />
negativ, sondern auch auf „richtiges" Verhalten positiv reagieren. Das Kind verarbeitet die<br />
Reaktionen der Eltern anders, wenn Sanktionen begründet und einsehbar gemacht werden<br />
oder wenn das Sanktionsverhalten i= der Grundstruktur gleich bleibt und damit für das<br />
Kind , ,berechenbar" wird, als wenn es fast nur Strafen, aber kaum Belohnungen gibt und<br />
das Sanktionsverhalten starken Schwankungen unterliegt.<br />
Die unterschiedlich ausgeprägte Generalisierungsfähigkeit ist nicht nur von<br />
theoretischer Relevanz, sondern ha: Bedeutung für das konkrete Handeln<br />
von Individuen. Mangelnde Handlungskompetenz bezeichnet<br />
dementsprechend strukturelle Schwächen im Handlungspotential eines<br />
Individuums. Das bedeutet konkret, dass ein Individuum nur unzureichend in<br />
der Lage ist, Situationen anlassgemäß zu definieren, und als Folge davon<br />
häufig „falsche", „unvernünftige" Handlungsentscheidungen trifft<br />
Konsequenzen von Handlungen werden falsch eingeschätzt,<br />
Handlungsalternativen und strukturelle Ähnlichkeiten zu bereits früher<br />
erlebten Situationen werden nicht erkannt. Umgekehrt werden die<br />
Erfahrungen einer Situation zu schnell verallgemeinert oder Einzelmerkmale<br />
(Halo-Effekt) überbewertet.<br />
Auf der Ebene interpersonaler Interaktionen drückt sich mangelnde<br />
Handlungskompetenz in besonderen Schwierigkeiten der Rollenübernahme<br />
aus, d. h. Erwartungen und Absichten des Interaktionspartners werden nicht<br />
angemessen anerkannt und folglich auch nicht in das eigene Handeln<br />
einbezogen. Der Akteur mit mangelnder Handlungskompetenz „klebt"<br />
gewissermaßen an einer sozialen Situation, er „verliert" sich in ihr, weil er<br />
die Erscheinungen einer Situation für die einzige, die „ganze" Realität hält<br />
und die Bedingtheit durch andere, abstraktere Wirklichkeitsebenen nicht<br />
erkennt.<br />
Nehmen Sie als einfaches Beispiel. einen Jugendlichen, der die Freundlichkeit und<br />
Herzlichkeit eines Buchklubwerbers in der Fußgängerzone nicht als professionelle,<br />
zielorientierte Handlungsstrategien erkennt, die ihre Quellen außerhalb der konkreten<br />
Situation hat, Sonde - der in der Situation „aufgeht" und die Freundlichkeit des Werbers<br />
ganz situationsbezogenen als spontanes Interesse an seiner Person interpretiert und sich<br />
Otto Stoik / Skriptum / <strong>Sozialisation</strong> / Akademienverbund Pädagogische Hochschule Diözese Linz / 2006 1 24