Sozialisation - Fachsymposium-Empowerment
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Die „neuen Alten" - neue Freuden, neue Fragen<br />
Fröhlich, optimistisch, gesund, interessiert und konsumfreudig. Vor gar nicht langer Zeit wäre<br />
niemand auf die Idee gekommen, "die Alten" so zu charakterisieren. Unterdessen charakterisieren<br />
sich "die Alten" selbst so. Abwegig finden sie bloß, dass man sie als aalt" bezeichnet.<br />
Womit wir auch schon bei einem Paradoxon sind: Wer aus dem Berufsleben ausscheidet, wird sofort<br />
in die Schublade mit der Aufschrift „alt` gesteckt (manche stecken sich freilich kokett selbst hinein).<br />
Die Einteilung eines Lebens in bloß drei Phasen - Jugend, Erwerbszeit, Alter - mag vor gut 1V0<br />
Jahren gestimmt haben, als die Kindheit abrupt in Fabriken endete und die staatliche<br />
Altersversorgung für die Abgearbeiteten erst im Aufbau war. Anfang des 21. Jahrhunderts ist es aber<br />
höchste Zeit, sich eine neue Etikettierung für einen Lebensabschnitt auszudenken. der von der Lage<br />
am Arbeitsmarkt und den Regeln der Pensionsversicherung bestimmt wird. aber so gut wie nie von<br />
den körperlichen und geistigen Kräften der Betroffenen. Weshalb wir es eben längst nicht mehr mit<br />
„den Alten' zu tun haben, sondern mit mehreren Generationen von nicht mehr Jungen: Da sind die<br />
"neuen Alten" (viele von ihnen noch keine 60), dann sind da die "Älteren" (65 bis 70 und aufwärts),<br />
und erst viel später kommen wir zu jenen, die man vielleicht wirklich alt nennen kann.<br />
Bleiben wir kurz bei Letztgenannten: Die Zahl der 80- bis 90-jährigen hat sich seit den 50er Jahren<br />
verfünffacht, die Zahl der 90-Jährigen und Älteren hat sich verneunfacht. Dass der medizinische<br />
Fortschritt (an dem in Europa dankenswerterweise alle, unabhängig von ihrer Brieftasche, teilhaben<br />
können) seine Wirkung tat. ist hoch erfreulich. Gleichzeitig kündigt sich ein Engpass bei der<br />
Altenpflege an. Derzeit werden noch fast alle Alten (mehr als 90 Prozent) in der Familie - also in<br />
Wahrheit: von den Töchtern und Schwiegertöchtern gepflegt. Da anzunehmen ist, dass die Töchter<br />
und Schwiegertöchter demnächst selbst bis 65 berufstätig sein werden und noch mehr anzunehmen<br />
ist, dass die Söhne und Schwiegersöhne auch weiterhin kaum Bereitschaft zur Altenpflege innerhalb<br />
der Familie zeigen, wird es mit "Gratis"- Pflegern knapp.<br />
Das ist aber nur eines der Probleme, die sich beim Thema Alter auftun. Zwar bemüht sich die Politik<br />
oft redlich, Lösungen anzubieten (hochlöblich etwa die Einführung des Pflegegeldes: lobenswert<br />
auch die Karenz zur Sterbebegleitung, die demnächst kommen wird) - oft geht ihr aber auch der Mut<br />
aus. Und: So notwendig die nächste Pensionsreform ist allein mit ihr wird man die Fragen der neuen<br />
Generation nicht lösen können. Ihren Beitrag müssen auch die jungen Alten selbst leisten und wenn<br />
es bloß der ist, Körper und Geist so lange wie möglich fit zu erhalten und sich nicht in die<br />
Zuschauerloge zurückzuziehen.<br />
Inge Baldinger<br />
Otto Stoik / Skriptum / <strong>Sozialisation</strong> / Akademienverbund Pädagogische Hochschule Diözese Linz / 2006 1 45