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Sozialisation - Fachsymposium-Empowerment

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Persönlichkeit ein Spiegelbild der sozial-kulturellen<br />

Verhältnisse dar, die sie geprägt haben. Später wird<br />

allerdings noch zu zeigen sein, dass die sozialkulturelle<br />

Persönlichkeit nicht einfach als ein Ergebnis der<br />

passiven Anpassung des Individuums an die<br />

Gesellschaft zu verstehen ist.<br />

Zur vertiefenden und ergänzenden Lektüre<br />

Hans Paul Bahrdt, Zur Frage des Menschenbildes in<br />

der Soziologie. In: Europäisches Archiv für Soziologie,<br />

1, 1961.<br />

Alfred Bellebaum, Soziologische Grundbegriffe. Eine<br />

Einführung für Soziale Berufe. (Darin Kapitel 3:<br />

„Instinktverhalten und soziales Handeln", S. 22 29).<br />

Kohlhammer: Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1972.<br />

Es sind jedoch gerade diese Lernvorgänge, die den<br />

Soziologen besonders interessieren. Denn dass der<br />

Mensch durch seine Umwelt geformt werden kann, ist<br />

zunächst keine exklusive Erkenntnis der<br />

Sozialwissenschaft: alle Erziehung fußt auf dieser<br />

Voraussetzung. Unser Alltagswissen verbucht erst dann<br />

durch die soziologische Perspektive einen Zugewinn an<br />

„Weltverständnis", wenn prägende Einflüsse dort<br />

entdeckt werden, wo man zunächst keine vermutet,<br />

oder wenn wir als Soziologen zeigen können, dass die<br />

intendierte Erziehung oder die geplante Ausbildung<br />

noch andere als die beabsichtigten Effekte hat: eben die<br />

Vermittlung jener sozialen Regeln und Gepflogenheiten<br />

menschlichen Zusammenlebens und konkreter<br />

Lebenswirklichkeit, die kein Erziehungsprogramm und<br />

kein Curriculum thematisieren.<br />

2.4 <strong>Sozialisation</strong> und soziale Rolle: <strong>Sozialisation</strong> begegnet uns damit als ein relativ weit<br />

Wir alle spielen Theater<br />

(ebendort, S 66 – 75)<br />

2.4.1 Die Mitgliedschaft in der<br />

Gesellschaft: <strong>Sozialisation</strong><br />

Die Vermittlung sozialer Normen und<br />

Wertvorstellungen erfolgt in einem Prozess, den die<br />

Soziologie als <strong>Sozialisation</strong> bezeichnet. Der Begriff<br />

<strong>Sozialisation</strong> (engl.: socialisation) stammt aus den<br />

angelsächsischen Sozialwissenschaften. Gelegentlich<br />

wird er auch mit „Sozialisierung" (z.B. Seger 1970,<br />

Fend 1972) übersetzt, was jedoch leicht zu<br />

Missverständnissen führt, da dieses. Wort durch seine<br />

wirtschaftspolitische Bedeutung (= Verstaatlichung der<br />

Privatwirtschaft) bereits belegt" ist.<br />

<strong>Sozialisation</strong> meint mehr als der klassische<br />

pädagogische Begriff der „Erziehung", der sich ja vor<br />

allem auf jene in der Regel absichtsvollen und bewusst<br />

geplanten Bemühungen und Handlungsschritte von<br />

Eltern oder Lehrern bezieht, die zum Ziel haben, die<br />

Persönlichkeitsentwicklung des Kindes pädagogisch<br />

positiv zu beeinflussen, d.h. bestimmte<br />

Verhaltensdispositionen zu entwickeln oder vorhandene<br />

zu verändern (vgl. hierzu Kob 1976: 9, Hurrelmann<br />

1976: 19 f.).<br />

Vielmehr schließt <strong>Sozialisation</strong> den Vorgang der<br />

Erziehung mit ein und umfasst darüber hinaus auch jene<br />

ungeplanten, aber persönlichkeitsprägenden<br />

Lernvorgänge, die sowohl das Kleinkind wie auch<br />

später noch der Erwachsene durch eigene Erfahrungen<br />

machen kann. Hierzu zählen jene unspezifischen<br />

Lernvorgänge, für die auch in Gesellschaften mit breit<br />

entwickeltem Erziehungswesen keine erziehende<br />

Instanz und keine erzieherischen Maßnahmen als<br />

explizite Einwirkungen auszumachen sind. Überhaupt<br />

lassen sich solche Einflüsse - denkt man beispielsweise<br />

an die prägenden Wirkungen von jugendlichen<br />

Freundschaftsgruppen, Fan-Clubs, Reklame,<br />

Massenmedien, Interessenorganisationen, politische<br />

Öffentlichkeit usw. - nach pädagogischem<br />

Selbstverständnis schwerlich alle sinnvoll als Erziehung<br />

oder Ausbildung charakterisieren, während sie faktisch<br />

indessen zweifellos sozialisierende Prozesse darstellen.<br />

gefasster Begriff, der alle sozialen Geschehensverläufe<br />

abbildet, durch die das Individuum, das mit<br />

rudimentären Instinkten, aber mit dispositionell großer<br />

Plastizität und Lernfähigkeit, also „mit einer enormen<br />

Variationsbreite von Verhaltensmöglichkeiten geboren<br />

wird, zur Ausbildung seines faktischen, weit enger<br />

begrenzten Verhaltens geführt wird wobei die Grenzen<br />

(Im Üblichen und akzeptablen Verhaltens durch die<br />

Normen der Gruppe, der es angehört; bestimmt<br />

werden" (Child 1959: 665). In anderen Worten: der<br />

Begriff <strong>Sozialisation</strong> bezeichnet einen Vorgang, der aus<br />

unendlich vielen Einzelereignissen zusammengesetzt<br />

ist, die sich unmöglich nur einem einzigen, z.B. dem<br />

„pädagogischen" Handlungssystem und -Feld zuordnen<br />

lassen. <strong>Sozialisation</strong> ist vielmehr allgegenwärtig und<br />

beinhaltet alle prozessualen Zusammenhänge, durch die<br />

der zunächst nur „biologisch" geborene Mensch<br />

allmählich zu einem Mitglied seiner ihn umgebenden<br />

Gruppe und Gesellschaft wird, eben zur<br />

sozial-kulturellen Person. Von daher lässt sich<br />

<strong>Sozialisation</strong> auch mit „Vergesellschaftung der<br />

menschlichen Natur" (Hurrelmann 1976: 15)<br />

umschreiben.<br />

Die - biologisch gesehen - „defizitäre" Ausstattung des<br />

„Mängelwesens" Mensch (Gehlen 1961 ) erweist sich<br />

damit gerade aufgrund ihres „Nicht- festgelegt- Seins"<br />

als eine positive, den Menschen auszeichnende<br />

Voraussetzung zu einer fast unendlichen Lernfähigkeit<br />

und sozial-kulturellen Variabilität. So ist der Mensch<br />

,,Nesthocker" und „Nestflüchter" zugleich, -ein<br />

„hilfloser Nestflüchter" (Portmann 1969)', der zunächst<br />

auf intensive Pflege und ständige Zuwendung durch<br />

seine soziale Umwelt angewiesen .ist, aber andererseits<br />

infolge seiner entwickelten Sinnesorgane und der damit<br />

korrespondierenden Weltoffenheit und<br />

Entscheidungsfreiheit sich verschiedenen kulturellen<br />

Umgebungen und gesellschaftlichen Alternativen<br />

anpassen kann bzw. dieselben auch nach seinen<br />

Wünschen und Bedürfnissen umzugestalten in der Lage<br />

ist, um in ihnen leben zu können. In diesem Sinne kann<br />

der Mensch als zugleich Schöpfer und Geschöpf der<br />

Kultur bezeichnet werden (Landmann 1961, Mühlmann<br />

1962).<br />

Otto Stoik / Skriptum / <strong>Sozialisation</strong> / Akademienverbund Pädagogische Hochschule Diözese Linz / 2006 1 7

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