Intersubjektivität im Tango Argentino - transcript Verlag
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EINLEITUNG | 27<br />
wickelt werden (wie <strong>im</strong> letzten Abschnitt skizziert), welche <strong>im</strong> Anschluss mit<br />
theoretischen Konzepten und Begrifflichkeiten in ein Spannungsverhältnis gesetzt<br />
werden. Die theoretischen Konzepte werden dahingehend überprüft, inwieweit<br />
sie die empirisch beschriebenen Phänomene ausreichend erfassen oder<br />
sich ihnen annähern. Theorien und ihre Begriffe werden also nach ihren Reichweiten<br />
und Grenzen befragt – daher die durchgehende Formulierung der empirischen<br />
Herausforderungen.<br />
Im Mittelpunkt dieser empirischen Herausforderungen steht die theoretische<br />
Frage nach einem Verhältnis von Subjekten, Körpern und Bewegungen, die <strong>im</strong><br />
<strong>Tango</strong> als einer transkulturellen Praktik vor ein spezifisches Problem gestellt ist.<br />
Subjekttheorien stehen aktuell in der Soziologie <strong>im</strong>mer mehr zur Diskussion<br />
(Keupp/Hohl 2006; Reckwitz 2006; siehe auch Kap. II), obwohl der Begriff des<br />
Subjektes in der Soziologie bis dato eher ein Schattendasein fristete. In der aktuellen<br />
Debatte kristallisiert sich heraus, dass die Konstitution von Subjekten an<br />
Kulturen gebunden wird, wie es Andreas Reckwitz formuliert: Subjektkulturen.<br />
Nach Reckwitz entstehen Subjektkulturen in einem Spannungsverhältnis zwischen<br />
Praktiken und Diskursen, bzw. zwischen „diskursiven und nichtdiskursiven<br />
Praktiken“ (Reckwitz 2010: 192). Dabei stehen aber wesentlich<br />
westliche Kulturen <strong>im</strong> Mittelpunkt der Analyse: „Die wichtigste Einschränkung<br />
besteht <strong>im</strong> Fokus auf den ‚Westen‘, das heißt auf die europäisch-nordamerikanische<br />
Kultur, auf Praktiken und Diskurse, die sich in Großbritannien,<br />
Frankreich, Deutschland sowie den Vereinigten Staaten ausbilden.“ (Reckwitz<br />
2006: 30)<br />
Die folgende Arbeit fragt danach, wie sich eine Subjektkultur untersuchen<br />
lässt, die zwar auch <strong>im</strong> ‚Westen‘ zu finden ist, aber mit Praktiken verbunden ist,<br />
die keine territoriale abgrenzbare westliche Geschichte hat – wie <strong>im</strong> Fall des<br />
<strong>Tango</strong> <strong>Argentino</strong>. Dies stellt die über diese Arbeit weit hinausgehende Frage,<br />
welches Verhältnis zwischen transkulturellen Praktiken und Subjektkulturen besteht<br />
und inwieweit Subjektkulturen überhaupt als territorial begrenzt, <strong>im</strong> Sinne<br />
eines Kulturbegriffes zu verstehen sind. Eine Beantwortung dieser Frage kann<br />
<strong>im</strong> Rahmen dieser Arbeit nur zum Teil skizziert werden.<br />
Ein häufig zitierter Gewährsmann in der Körpersoziologie ist Marcel Mauss,<br />
der mit seiner Aussage Körpertechniken seien <strong>im</strong>mer auch Kulturtechniken, die<br />
Körpersoziologie maßgeblich beeinflusst hat (Mauss 1975). Doch was geschieht,<br />
wenn eine Kulturtechnik global existiert? Wie kann es sein, dass <strong>Tango</strong> <strong>Argentino</strong><br />
in New York, Hamburg, Istanbul, Tokyo, Seoul, Moskau, Beirut und Buenos<br />
Aires getanzt wird? Welche Subjektkultur, bzw. welche Subjektkulturen lassen<br />
sich darin ausmachen?