Intersubjektivität im Tango Argentino - transcript Verlag
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40 |ABSTIMMUNG IN BEWEGUNG<br />
Sequenzialität ist das grundsätzliche Prinzip der meisten qualitativen Videoanalyseverfahren<br />
in der Sozialwissenschaft (Knoblauch 2006). Die Sequenzialität<br />
des Materials liegt <strong>im</strong> Bezug zur Analyse von Videos vor allem daran, dass diese<br />
als „auswertungsextensiv“ (Knoblauch/Schnettler 2007: 591) gelten können.<br />
Diese bereits in der Analyse von Texten genutzte Vorgehensweise ermöglicht<br />
die Zergliederung des Materials in kleine zu untersuchende Einheiten. Dabei bedient<br />
sich dieses methodische Vorgehen daran, dass <strong>im</strong> Prinzip sowohl soziale<br />
Situationen, als auch Videos in ihrer zeitlichen Einteilung aus sequentiellen Einheiten<br />
bestehen. Die Selektion von Sequenzen kann an der zeitlichen Struktur<br />
der Szenerien, der Chronologie, dem Ablaufcharakter oder auch der technischen<br />
Manipulationsmöglichkeiten (wie slow motion, Standbild, Rücklauf, Wiederholung)<br />
ausgerichtet werden. Sequenzialität wird auf zwei Ebenen festgestellt:<br />
Erstens in der Sequenzialität des Mediums selbst – also der zeitlichen Aufeinanderfolge<br />
von Einstellungen in einem Video. Inkludiert sind dabei die Reflexion<br />
der Ausschnitthaftigkeit und der Produktionsbedingungen eines Videos –<br />
unabhängig davon ob die Videos vom ForscherInnen selbst oder anderen Personen<br />
gedreht und geschnitten wurden.<br />
Zweitens die Sequenzialität von sozialen Handlungen überhaupt. Wie Ullrich<br />
Oevermann hervorhebt – der Sozialwissenschaftler der in Deutschland die Methode<br />
der Sequenzanalyse für Texte entwickelt hat – ist ein Aufeinanderfolgen<br />
von Handlungen „für das menschliche Handeln konstitutiv“ (Oevermann 2004:<br />
6). Diese beiden Ebenen der Sequenzialität sind ebenso fundamental und konstitutiv<br />
für die Video-Analyse und müssen mitbedacht werden.<br />
In Untersuchungen von Bewegungen bietet Sequenzialität sich an, da vor allem<br />
in Bewegungskulturen oder Sportarten meist (oder vermutet) eine Gleichzeitigkeit<br />
von Bewegungen stattfindet. Durch Videos und deren Bearbeitung in einem<br />
Videobearbeitungsprogramm ergibt sich beispielsweise die Möglichkeit einer<br />
Verlangsamung der empirischen, sonst kaum wahrnehmbaren Vorgänge. Auf<br />
diese Weise lassen sich mit der Videoanalyse auch Bewegungsabläufe <strong>im</strong> Detail<br />
untersuchen, etwa be<strong>im</strong> Beispiel <strong>Tango</strong> <strong>Argentino</strong> die Reihenfolge der Einnahme<br />
der Tanzhaltung, die nicht zwangsläufig den Tanzrollen von Führen und Folgen<br />
entspricht (siehe Kap. II. 1). Nach Knoblauch ist die „handhabbare Reproduzierbarkeit<br />
und Detailliertheit“ (Knoblauch 2004a: 131) von Videos, eine gute<br />
Möglichkeit Zusammenhänge in der Empirie zu erkennen, die sich nicht auf den<br />
ersten Blick erschließen. Funktionen von Videobearbeitungsprogrammen wie<br />
Zeitlupe, Aufhellung und Standbilder ermöglichen dabei kleinste Einheiten<br />
exemplarisch zu analysieren. In einer solchen Analyse steht aus sozialwissenschaftlicher<br />
Perspektive die Untersuchung von Handlung, bzw. Praktiken (siehe<br />
Kap. II) <strong>im</strong> Mittelpunkt und damit die genaue Beschreibung eines „wie“ von