Intersubjektivität im Tango Argentino - transcript Verlag
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EINLEITUNG | 45<br />
Spätestens hier wird deutlich, „dass es sich bei der VIA um ein hermeneutisches<br />
53 Verfahren handelt“ (Knoblauch 2004a: 133), es also nicht nur um Beschreibungen<br />
von Verhalten geht. Ausschlaggebend ist vielmehr ein Wie von<br />
Handlungen, <strong>im</strong> Sinne der Wechselseitigkeit und der Kontextualisierung von<br />
Handlungen.<br />
Aus dem intrinsischen Zusammenhang einer Interaktion lassen sich nach<br />
Knoblauch die Ordnungen erschließen, die erst in den Handlungssituationen entstehen,<br />
was sich gut an der beweglichen Ordnung von <strong>Tango</strong> ablesen lässt. Erst<br />
<strong>im</strong> späteren Verlauf der Analyse wird der Kontext der Situation zur Interpretation<br />
hinzugenommen. Es ist das Ziel der Analyse diese beiden Ebenen aus dem<br />
empirischen Material zu erschließen.<br />
Dabei wurden in den ausgewählten <strong>Tango</strong>sequenzen (s.o.) kleinteilige Bewegungen<br />
der Arme, Hände, Finger, des Kopfes und des Rumpfes beschrieben<br />
und mit Hilfe des qualitativen Datenanalyseprogrammes atlas.ti transkribiert.<br />
Die sequenzierten, transkribierten und codierten Frames der Videos wurden in<br />
atlas.ti ähnlich einer in der Filmwissenschaft üblichen Frame-by-Frame Analyse<br />
in Form von Storyboards (Moritz 2011: 76) analysiert. Das methodische Problem<br />
in der Transkription liegt in der notwendigen Rückübersetzung von Bewegungen<br />
in Sprache und damit letztendlich auch <strong>im</strong>mer in einen diskursiven Kontext.<br />
Die daran anschließende Codierung der einzelnen Sequenzen erschwert diese<br />
methodische Problematik insofern, als Codierungen von Bewegungssequenzen<br />
<strong>im</strong>mer auch eine Verortung in Diskursen sind, da Sprache <strong>im</strong>mer eine diskursive<br />
Verortung ist. So ist es von erheblicher Differenz ob eine Bewegungssequenz<br />
codiert wird als körperliche Nähe, Int<strong>im</strong>ität, Verschmelzung oder etwa als<br />
Auflösung von Körperdistanzen.<br />
Im Anschluss wurden aus diesen transkribierten Bewegungsdetails und Codierungen<br />
wiederum detaillierte ethnographische Berichte verfasst. Diese ethnographischen<br />
Berichte, die auf den Transkriptionen in atlas.ti beruhen, lassen sich<br />
als „kleinteilige Darstellung der sozialen Prozesse“ (Schindler 2011: 23) verstehen,<br />
die aufgrund der Schnelligkeit ihres Geschehens in der empirischen Praxis<br />
so nie möglich gewesen wären. Um zu den zentralen Analyseergebnissen zu<br />
kommen wurden die ethnographischen Berichte wiederum mit dem Kontextwissen<br />
der Tanzkultur zusammengeführt. Diese methodischen Einzelschritte werden<br />
in der Darstellung der Arbeit in der Dreiteilung der empirischen Einleitungsteile<br />
der Kapitel I.-III., als deskriptive, diskursive und analytische Annäherungen repräsentiert.<br />
53 Hermeneutik ist ein wissenschaftliches Verfahren der Auslegung, Deutung und Interpretation<br />
von Texten, welches in der Soziologie in den letzten Jahrzehnten auf Interviews,<br />
Bilder oder auch Videos erweitert wurde.