Moralisches Urteilen und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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Meß-Situation<br />
Personen: A B C D<br />
1 e e e e<br />
2 e e e e<br />
3 e e u u<br />
4 e e u u<br />
‘e’ =<br />
‘u’ =<br />
ehrliches<br />
Verhalten<br />
unehrliches<br />
Verhalten<br />
Ohne die Situationen A <strong>und</strong> B, zwischen denen (wegen der fehlenden Varianz) keine<br />
Korrelation besteht <strong>und</strong> die der Konvention nach daher als ‘unreliabel’ bezeichnet<br />
werden, bleibt ein Bef<strong>und</strong>muster übrig, das die Position des ‘Personalismus’ bestätigt.<br />
Ohne die Personen 1 <strong>und</strong> 2, zwischen denen ebenfalls keine Korrelation besteht,<br />
bleibt ein Bef<strong>und</strong>muster, das die Gegenposition des Situationismus bestätigt. 5<br />
Aber lassen sich Person <strong>und</strong> Situation in dieser Weise überhaupt einander gegenüber<br />
stellen? Sind nicht immer ‘beide’ involviert? Das zentrale Problem dieser <strong>und</strong><br />
ähnlicher Ansätze resultiert “aus einer ungenügenden Anstrengung bezüglich der<br />
Konzeptualisierung der Natur moralischer Werte <strong>und</strong> ihrer Beziehung zum Verhalten<br />
[. . .] unabhängig von konventionellen Normen” (Pittel & Mendelsohn 1966,<br />
34). 6 Die Kritik an solchen Untersuchungen hebt zu Recht hervor, dass das Verhalten<br />
“erst gut <strong>und</strong> böse wird durch ihre Motivation” (Moers 1930, 441),– denn “die<br />
Handlung, die ohne wirkliche Einsicht zufällig oder vielleicht durch Erziehung<br />
oder Anpassung den sittlichen Richtlinien entspricht, ist keine wahrhaft gute Handlung”<br />
(440), – <strong>und</strong> dass die Beziehung von moralischen Werten <strong>und</strong> Verhalten<br />
durch Kognitionen vermittelt ist. Man kann nicht annehmen, dass ‘dieselbe’ Situation<br />
für jeden die gleiche Bedeutung hat, oder dass ‘dasselbe’ Verhalten in jeder Situation<br />
psychologisch identisch ist. Das Individuum muß im Hinblick auf jede moralische<br />
Maxime neu lernen, sie in konkreten Situationen anzuwenden <strong>und</strong> sie mit<br />
anderen Erfordernissen zu koordinieren. Erst wenn diese Regeln für das Individuum<br />
eine eigene, von der äußeren Autorität unabhängige Bedeutung erlangen, wird<br />
es bestimmte Situationen als ‘moralische’ definieren <strong>und</strong> demgemäß handeln. 7<br />
Die Berücksichtigung des kognitiven Aspekts des moralischen Verhaltens bringt<br />
ein differenzierteres Bild hervor. Kinder sind anfänglich wenig konsistent in Bezug<br />
auf konventionelle Normen <strong>und</strong> erst mit dem Alter nimmt das konsistent ‘ehrliche’<br />
Verhalten zu, bei einigen auch ein konsistent ‘unehrliches’ Verhalten (Hartshorne<br />
u.a. 1930), das wir aber nicht ohne Kenntnis der Gründe verstehen können. Das<br />
Verhalten orientiert sich nicht an einer Regel allein, sondern wird noch mit anderen<br />
Regeln koordiniert <strong>und</strong> dadurch differenziert. In dem Maße, in dem das Kind<br />
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