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Moralisches Urteilen und soziale Umwelt - Universität Konstanz

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Verständnis des ‘Klienten’, der gewohnheitsmäßig gehorcht angesichts erwarteter<br />

Belohnungen <strong>und</strong> Bestrafungen, des ‘Nutznießers’, der sich konformistisch verhält,<br />

um durch Verlässlichkeit gegenüber Vorgesetzten Anerkennung <strong>und</strong> <strong>soziale</strong>n Aufstieg<br />

zu erreichen, des ‘Administrators’, der Verfahrensregeln <strong>und</strong> Verordnungen<br />

erlässt, um institutionelle Stabilität <strong>und</strong> störungsfreien Ablauf zu sichern, <strong>und</strong> des<br />

‘Initiators’, der ethische Prinzipien, Ziele oder Werte frei wählt, um sie universell<br />

<strong>und</strong> konsistent im Urteil über bestehende <strong>und</strong> zukünftige <strong>soziale</strong> Institutionen anzuwenden.<br />

Die naheliegende Annahme einer entwicklungslogischen Parallele zwischen<br />

der Moralgenese <strong>und</strong> dem Gesellschaftsverständnis – mit den Perspektiven<br />

des Klienten (Stufe I-II), des Nutznießers (Stufe III-IV), des Administrators (Stufe<br />

V) <strong>und</strong> des Initiators (Stufe VI) bietet sich als Gr<strong>und</strong>lage für eine eingehende Forschung<br />

an (vgl. Lavoi & Culbert 1978; Spence 1981; Portele in diesem Band). Es<br />

wird deutlich, dass diese Entwicklungsfolge die von Kohlberg <strong>und</strong> Power<br />

genannten Phasen der ‘Institutionalisierung’ über die Phase 10 (“völlige<br />

Einwilligung in die kollektiven Normen”) hinaus verlängern – durchaus im Sinne<br />

größerer moralischer Autonomie gegenüber der Gruppe <strong>und</strong> damit mehr im Sinne<br />

Piagets als im Sinne Durkheims.<br />

4.2 Soziale Selektion<br />

Eine Reihe von Bef<strong>und</strong>en der Moralpsychologie lassen sie Deutung zu, dass die<br />

Entwicklung des moralischen Urteils auch mit Prozessen der <strong>soziale</strong>n Selektion<br />

verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> dass die <strong>Umwelt</strong> durch Auswahl bestimmt, welche Urteilsformen<br />

sich darin finden lassen. So zeigt sich in einer Studie, dass die Kinder mit höherem<br />

moralischem Urteilsniveau von ihren Kameraden bevorzugt wurden (Kohlberg<br />

1958, 75). Zwar gilt dies als Beleg für die ursächliche Bedeutung der <strong>soziale</strong>n Partizipation<br />

im Prozeß der moralischen Entwicklung. Dieser Zusammenhang kann aber<br />

auch anzeigen, dass umgekehrt die Möglichkeit der Partizipation von der moralischen<br />

Entwicklung abhängt, dass also die am individuellen Entwicklungsstand<br />

sich ausrichtende (Fremd- oder Selbst-)Selektion weitreichende Konsequenzen für<br />

den Aufbau <strong>und</strong> den Wandel der Gesellschaft hat. Die Vermutung, dass Selektionsprozesse<br />

eine beachtenswerte Rolle in der individuellen wie der <strong>soziale</strong> Entwicklung<br />

spielen, wird durch weitere Beobachtungen gestützt. Der moralische Entwicklungsstand<br />

eines Kindes hat kaum Einfluß auf die reine Teilnahme an <strong>soziale</strong>n Aktivitäten,<br />

seine Bedeutung beschränkt sich auf das <strong>soziale</strong> Prestige in den Augen der<br />

Mitschüler <strong>und</strong> Lehrer (Keasey 1971). Über Lehrer wissen wir, dass sie das Moralniveau<br />

ihrer Schüler recht gut einschätzen können (Kohlberg 1974, 94; Peck &<br />

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