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Moralisches Urteilen und soziale Umwelt - Universität Konstanz

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Wir wollen uns hier analog zu Kohlbergs Ansatz (vgl. u.a. Kohlberg 1978) auf die<br />

Erfassung des moralischen Urteilsverhaltens in situ konzentrieren <strong>und</strong> im folgenden<br />

nur Verfahren diskutieren, in denen urteilendes Verhalten direkt in einem experimentell<br />

angelegten Kontext erfaßt wird. Um den Unterschied zu Fragebogen<br />

deutlich zu machen, in denen die Person berichten muß, wie sie sich “üblicherweise”<br />

verhält oder sich “möglicherweise” verhalten würde, bezeichnen wir diese Verfahren<br />

als Experimentelle Fragebogen (Lind 1982b, c) oder der Einfachheit halber<br />

als Tests. Im Rahmen dieser Betrachtungsweise wird das Antwortverhalten der befragten<br />

Personen nicht als bloßer Indikator für eine hypothetische moralische Disposition<br />

gewertet, sondern das Muster des Urteilsverhaltens selbst wird in Übereinstimmung<br />

mit Kohlberg (1979a) als Manifestation der moralischen Einstellung <strong>und</strong><br />

Kompetenz begriffen, sofern diese wirklich gegeben sind. Ohne Zweifel können dadurch<br />

eine ganze Reihe von Problemen von introspektiven Selbstberichtsfragebogen<br />

vermieden werden, die aus einer Interferenz von angezieltem Merkmal <strong>und</strong> von aktueller<br />

Befindlichkeit der untersuchten Persönlichkeit resultieren (response set etc.;<br />

vgl. Eckensberger u.a. 1980; Lempert 1982).<br />

2. Interviewmethoden <strong>und</strong> Tests<br />

Wir gehen wie Schuhler (1978) davon aus, dass eine rein äußerliche Annäherung<br />

von Tests an Kohlbergs Interviewmethode, die die zentralen Elemente der Theorie<br />

Kohlbergs unreflektiert läßt, nicht die wesentlichen Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede<br />

zwischen beiden Methoden zur Erfassung der moralischen Urteilskompetenz<br />

2 erkennbar werden läßt. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass die kognitive<br />

Theorie der moralischen Entwicklung in zentralen Aussagen den “verborgenen anthropologischen<br />

Voraussetzungen” der klassischen Test- <strong>und</strong> Fragebogentheorie 3<br />

widerspricht. Während jene die Voraussetzung implizieren, dass sich die Merkmale<br />

der Persönlichkeit in einzelne Komponenten dinglich separieren lassen, postuliert<br />

die kognitive Entwicklungstheorie, dass die affektive <strong>und</strong> die kognitive Komponente<br />

der moralischen Urteilskompetenz eng aufeinander bezogen sind <strong>und</strong> daher nur<br />

gemeinsam erfaßt werden können. Mit welcher Methode diese beiden Komponenten<br />

besser gemessen werden können, läßt sich am besten erkennen, wenn man sich<br />

die je verschiedenen Operationen der Befragung <strong>und</strong> Auswertung vor Augen führt.<br />

Beide Verfahren sind systematisch variierte Tests des moralischen Urteilsverhaltens<br />

<strong>und</strong> hinsichtlich Durchführung <strong>und</strong> Auswertung weitgehend standardisiert. In beiden<br />

werden mehrere Dilemmata als kurze Geschichten dargeboten. Hier enden die<br />

Gemeinsamkeiten. In Kohlbergs Interview folgen jeweils eine Reihe von Nachfra-<br />

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