Moralisches Urteilen und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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chen) Validität als auch der Bemühung entgegenkommt, das moralische Urteilsverhalten<br />
<strong>und</strong> seine Determinanten differenziert zu analysieren; sie erlauben weiterhin,<br />
dass die Intensität der Präferenz für eine bestimmte moralische Orientierung nicht<br />
wie im Kohlberg-Interview aus der Anzahl von Nennungen erschlossen zu werden<br />
braucht, sondern durch entsprechende Antwortskalen direkt erhoben werden kann;<br />
<strong>und</strong> Tests ermöglichen die Erfassung moralischer Urteilskompetenz unabhängig<br />
von der individuellen Artikulationsfähigkeit. Diese vier Eigenschaften lassen Tests<br />
in Bezug auf eine Reihe von Forschungsfragen vorteilhafter erscheinen als<br />
Interviews, ohne dass man Tests deshalb absolut als die bessere Methode ansehen<br />
darf. Das klinische Interview, wie es von Freud, Piaget, Kohlberg <strong>und</strong> anderen<br />
entwickelt wurde, hat nicht nur historische Verdienste aufzuweisen. Von erfahrenen<br />
<strong>und</strong> mit der jeweiligen Theorie gut vertrauten Psychologen durchgeführt, ist<br />
diese Methode für manche Fragestellungen nicht durch Tests zu ersetzen (vgl. neben<br />
den Arbeiten von Kohlberg die wichtigen Studien von Döbert <strong>und</strong> Nunner-Winkler,<br />
Oser, Power u.a.m.).<br />
3. Tests zur Erfassung von moralischer Urteilskompetenz (TMU)<br />
Bei den TMUs gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen, die sich durch die<br />
Anlage des Verfahrens <strong>und</strong> die Strategie der Auswertung unterscheiden. Die erste,<br />
der “Defining-Issues-Test” (DIT) von Rest (1979) hat sich gut bewährt als psychometrische<br />
“Technik” (im Sinne von Coombs u.a. 1975, 45); als “Kriterium” für die<br />
psychologische Forschung ist er jedoch problematisch. Der DIT gründet sich auf<br />
zwei, wie wir meinen, nicht miteinander verträglichen Paradigmen. Er orientiert<br />
sich einerseits eng an Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung; andererseits bedient<br />
er sich der Kriterien der klassischen Fragebogenkonstruktion, die, so wendet<br />
Kohlberg zu Recht ein, mit der kognitiven Entwicklungstheorie im Gr<strong>und</strong>e nicht<br />
vereinbar ist. Rest hat die Dissonanz zwischen Theorie <strong>und</strong> Empirie teilweise auf<br />
Kosten der kognitiven Entwicklungstheorie aufgelöst. Das hieraus resultierende<br />
“komplexere Entwicklungsmodell” (Rest 1979, 63) ist u.E. keine gehaltvolle Alternative<br />
zur Kohlberg-Theorie. Von den beiden Komponenten der moralischen Urteilskompetenz<br />
erfaßt der DIT explizit die inhaltlichaffektive. Die strukturell-kognitive<br />
Komponente wird allerdings implizit durch das P-Maß ausgedrückt,<br />
das ein Maß der Konsistenz der Antworten in Bezug auf postkonventionelle Moralität<br />
ist. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass die Studien mit dem DIT eine Fülle<br />
interessanter <strong>und</strong> für die Validität der KohlbergTheorie unentbehrlicher Bef<strong>und</strong>e<br />
vorzuweisen haben.<br />
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