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Moralisches Urteilen und soziale Umwelt - Universität Konstanz

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kennzeichnend für den Jakobinismus der Adoleszenz (Lipset 1965). Nach Perry ist<br />

das die Phase der “basalen Dualität”, in der die Welt in dualistischen Kategorien<br />

gesehen wird: gut versus schlecht, richtig versus falsch. Sie wird durch die Phase<br />

des relativistisches Denken <strong>und</strong> schließlich durch das Bewußtsein der “kontextuellen<br />

Relativität” ethischer Prinzipien abgelöst. Dies bringt die Fähigkeit zu sicherem<br />

<strong>Urteilen</strong> zurück, aber nun bei vollem Bewußtsein von Unsicherheit <strong>und</strong> Relativität<br />

– “ein Handeln in einem reflektierten, nicht in einem unreflektierten Leben” (Perry<br />

1970, 136). Diesen Prozeß der Integration der Persönlichkeit zeigt sehr gut die Studie<br />

von Adelson <strong>und</strong> O'Neill (1966) über politische Sozialisation auf. Danach sind<br />

bei jüngeren Kindern Felder strukturell organisierter Verhaltensweisen noch wie<br />

Inseln im Handlungsstrom verstreut. Erst mit höherem Alter entwickelt eine Person<br />

konsistente Beziehungen zwischen verschiedenen Orientierungen, Werten <strong>und</strong> Zielen.<br />

In diesem Entwicklungsprozess erfährt die Person Phasen der beschleunigten<br />

Veränderung ihres Denkens <strong>und</strong> Handelns, die, soweit die Ich-Organisation nicht<br />

ausreichend entwickelt ist, von Krisen begleitet werden. In solchen Krisenphasen,<br />

insbesondere wenn sich der ökologische Kontext ('Lebensraum' i.S. von K. Lewin)<br />

des Individuums verengt oder erweitert, wird sich das Individuum konfligierender<br />

Werte <strong>und</strong> Intentionen bewusst. Neue Kriterien sind zu finden, um Wertprioritäten<br />

zu entscheiden, <strong>und</strong> neue Verhaltensweisen müssen erworben werden, um solche<br />

Konfliktsituationen bewältigen zu können.<br />

2. Hypothesen<br />

Der vorstehende Versuch einer Integration von strukturellen Modellen der demokratischen<br />

Persönlichkeit impliziert eine Reihe empirischer Annahmen, an deren<br />

Bestätigung sich ihre Fruchtbarkeit zu erweisen hat. Wir wollen uns auf die Prüfung<br />

von vier Hypothesen beschränken, welche im Sinne einer Vorbereitung der<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für weitere Forschungen zur Natur <strong>und</strong> Entwicklung der demokratischen<br />

Persönlichkeit f<strong>und</strong>amental erscheinen.<br />

Hypothese 1: Den Methoden, die bei der Messung der Persönlichkeit <strong>und</strong> von Einstellungen<br />

überwiegend angewendet werden, liegt die Annahme zugr<strong>und</strong>e, dass<br />

Personen nur hinsichtlich des Ausmaßes eines Persönlichkeitsmerkmals sich unterscheiden,<br />

aber nicht hinsichtlich der Struktur dieser Merkmale. Inkonsistenz im Urteilsverhalten<br />

wird folglich allein Fehlern beim Messen zugeschrieben. Diese Position<br />

der klassischen Testtheorie (Spearman, Gulliksen, Guilford; vgl. Lienert 1967)<br />

ist mit strukturalen Theorien unvereinbar, denn für diese ist die Konsistenz im <strong>Urteilen</strong><br />

in bezug auf eine bestimmte, organisierender Perspektive abhängig von der<br />

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