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Zentrum Zürich Nord Stadt im Aufbruch - ETH Zurich - Natural and ...

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Fallstudie '96<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />

<strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong><br />

-<br />

Bausteine für eine nachhaltige<br />

.<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Herausgegeben von:<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Harald A. Mieg, Jürg Stünzi<br />

Die vorliegende Untersuchung und der Druck des B<strong>and</strong>es wurden<br />

finanziell unterstützt von:<br />

• ABB Immobilien AG und ABB Schweiz<br />

• <strong>Stadt</strong> Zürich, Bauamt 11<br />

Hochschulverlag AG an der <strong>ETH</strong> Zürich


Impressum ~ _<br />

Herausgeber<br />

Gesamtredaktion<br />

Luftbild Titelseite<br />

Illustrationen<br />

Fachliche Beratung<br />

Satz und Layout<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, s<strong>and</strong>ro Bösch, Harald A.Mieg,<br />

jürg Stünzi<br />

Unter Mitarbeit von Katharina Zwicker<br />

Dieter Kaufmann<br />

© Vermessungsamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />

Bewilligung vom 16.10.1996<br />

Debra Bühlmann·Drenten<br />

Otto Erb, Andreas Hofer<br />

Peter Nadler<br />

Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (UNS)<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Fallstudienbüro<br />

<strong>ETH</strong> <strong>Zentrum</strong> VOD<br />

Voltastrasse 65<br />

CH-8044 Zürich<br />

Tel.: 01-6326446<br />

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> - <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>: Fallstudie '96; Bausteine<br />

für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung / hrsg. von: Rol<strong>and</strong> W. Scholz ... ­<br />

Zürich: vdf Hochschulverl. an der <strong>ETH</strong>, 1997<br />

ISBN 3728123196<br />

NE: Scholz, Rol<strong>and</strong> W. (Hrsg.)<br />

© 1997<br />

vdf Hochschulverlag AG an der <strong>ETH</strong> Zürich<br />

ISBN 3728123196<br />

Der vdf auf Internet: http://vdf.ethz.ch


_---,- -'-_-'- ----'-__Inhaltsverzeichnis<br />

1Vor1Vorte 6<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />

1Versuch einer 1Virtschaftlichen Ökostadt 15<br />

Kommunikation in der Fallstudie 43<br />

Fallstudien-Organisation 65<br />

Der Fall: <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) 81<br />

<strong>Stadt</strong>ent1Vicklung 99<br />

1Verkehr <strong>im</strong> ZZN 139<br />

Grünraum 179<br />

Altlastenbearbeitung <strong>im</strong> ZZN 207<br />

Wasserhaushalt 247<br />

Gebäude:<br />

Um1Veltmanagement in der Bauplanung 279<br />

Anhänge 317<br />

Index 329<br />

Studierende und Tutorinnen 332<br />

Vorworte ,............................ 6<br />

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />

Versuch einer wirtschaftlichen Ökostadt 15<br />

1. Einführung.. . .. . .. . .. .. .. . .. .. .. . . .. . .. . .. 17<br />

U <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN): Eine gesellschaftliche<br />

und wissenschaftliche Herausforderung. . . . . . . . . . 17<br />

LU ZZN: Das grösste <strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekt<br />

der Schweiz 17<br />

1.1.2 <strong>Stadt</strong> als «Kulmination» menschlicher Entwicklung:<br />

Gefahr und/oder Chance ,............ 18<br />

1.1.3 Die Rolle von (ehemaligen) Industriearealen 19<br />

1.1.4 ZZN: Konkurrenzobjekt, wirtschaftlicher Motor und<br />

Schlüssel für eine ökologische Opt<strong>im</strong>ierung 22<br />

1.1.5 Die wirtschaftliche Ökostadt «ZZN» als Vision. . . . . . 24<br />

1.2 <strong>Stadt</strong>entwicklung als Gegenst<strong>and</strong> der Umweltnaturwissenschaften:<br />

Ein Missverständnis? 24<br />

1.3 Wissensintegration: Theorie, Methodik, Organisation<br />

und Architektur 26<br />

104 In welchem Sinne ist die Fallstudienarbeit<br />

wissenschaftlich? , ,............ 28<br />

2. Ergebnisse , , . . 29<br />

2.1 Für den Fall: Von Orientierungen zum<br />

Net Present Value 29<br />

UNS-Fallstudie '96


Inhaltsverzeichnis__--: ~ _<br />

2.1.1 Thesen zur <strong>Stadt</strong>entwicklung 29<br />

2.1.2 Verkehrsopt<strong>im</strong>ierung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive '...................... 30<br />

2.2.3 Leitbilder für die Grünraumgestaltung 30<br />

2.1.4 Ist Sicherung eine nachhaltige Strategie der<br />

Altlastenbearbeitung? 31<br />

2.1.5 Gebäude, Überlegungen zur einer Verbesserung des<br />

Umweltmanagements 32<br />

2.1.6 Wirtschaftlichkeitsrechnungen und falsche Signale<br />

des Marktes zum Wasserhaushalt 33<br />

2.2 Für die Lernenden : ,.... . . . . . . 33<br />

2.3 Für die (Umweltnatur- und Umweltsozial-)Wissenschaften<br />

36<br />

2.3.1 Fallstudienmethodik 36<br />

2.3.2 «Mode 2»-Forschung 37<br />

2.3.3 Prozessforschung 38<br />

3. Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Komm~nikation in der Fallstudie :...... 43<br />

1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

, 2. Wissenschaftliche Zugänge zum Kommunikationsbegriff<br />

46<br />

2.1 Philosophisch-geisteswissenschaftliche Zugänge 46<br />

2.2 Philosophisch-soziologische Zugä~ge ;...... 46<br />

2.3 Pädagogisch-soziolinguistischer Zugang 47<br />

,2.4 Sprachwissenschaftlich-psycholinguistischer Zugang. 47<br />

2.5 Sozialpsychologische Zugänge . . . . 48<br />

2.6 Medien- und Publikationswissenschaftliche Zugänge . 48<br />

2.7 Mathematisch-technischer Kommunikaiionsbegriff ... 48<br />

2.8 Kommunikation und Kooperation mit dem<br />

Computer ;.. 49<br />

2.9 Biologisch-naturwissenschaftliche Zugänge 49<br />

2.10 Das Schnittstellenparadoxon 50<br />

3. Medienarbeit in der Fallstudie 51<br />

3.1 Zum Begriff der Zeitung 51<br />

3.2 Charakter der Fallstudienzeitung . 51<br />

3.3 Aufgaben der Fallstudienzeitung in der Fallstudie 52<br />

3.4 Medienarbeit als umweltnaturwissenschaftliche<br />

Arbeit '. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.5 «Fallstricke» der Medienarbeit 53<br />

3.6 Mediengruppe '96: Konzept 54<br />

3.7 Inhaltliche Ausrichtung der <strong>Nord</strong>Seiten ;... 55<br />

3.8 Mediengruppe '96: Arbeitsmethode ;....... 56<br />

3.9 Fazit der Mediengruppe '96 57<br />

4. Computereinsatz und Kommunikation 58<br />

4.1 Grundlagen .. :............................ 58<br />

4.2 Computereinsatz in der Fallstudie 59<br />

4.3 Schwächen, Grenzen und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

63<br />

Fallstudien-Organisation ;. 65<br />

1. Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

2. Aufbau und Ablauf der Fallstudie 1996 . . . . . . . . . . . . 69<br />

2.1 Synthese als Prinzip ,.......... 69<br />

2.2 Phasen, Produkte und Prozesse ...............•. 71,<br />

2.3 Fallstudien-Pröjektarbeit (April bis Juli 1996) 72<br />

3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der Fallstudienorganisation 74<br />

3.1 Die Herausforderung ,'............. 74<br />

3.2 Von den Disziplinen zur Synthese - vom Individuum<br />

zum Team 75<br />

3.3 Organisationsinstrumente 76<br />

4. Die Zukunft der Fallstudienorganisation 78<br />

4.1 Entwicklung der UNS-Fallstudien 1994-1998 . . . . . . . . 78<br />

4.2 Ausblick.................................. 78<br />

Der Fall: <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) 81<br />

1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

2. Industrialisierung in der Grossregion Zürich 84<br />

2.1 Frühe Industrie in der Schweiz 84<br />

2.2 Eisenbahnschlachten 84<br />

2.3 Oerlikon wird zum Industriezentrum 85<br />

2.4, Vergrossstädterung und soziale Probleme 86<br />

2.5 Eingemeindung Oerlikons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

3. . Zürich <strong>Nord</strong> in den «Goldenen Fünfzigern» 88<br />

3.1 Schlafstädte entstehen ........•.............. 88<br />

3.2 Segen für das moderne Leben: Das Auto 89<br />

3.3 City of Oerlikon .....,....................... 90<br />

4. Die Finanzmetropole und ihre Satellitenstädte 91<br />

4.1 Zürich wird Finanzmetropole ' 91<br />

4.2 Satellitenstädte in Zürich <strong>Nord</strong> . 92<br />

4.3 Streit um die städtische Bau- und Zonenordnung<br />

(BZO) 93<br />

5. Von der «Chance» zum «<strong>Zentrum</strong>» 94<br />

5.1 Chance Oerlikon 20II 94<br />

5.2 Ideen für einen neuen <strong>Stadt</strong>teil 95<br />

5.3 Das Leitbild 95<br />

6. zürifüfzg! und die Zukunft 97<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung 99<br />

1. Gegenst<strong>and</strong> und Fragestellung , 101<br />

1.1 Ein <strong>Stadt</strong>teil eigener Prägung und mit gemischter<br />

Nutzung ...............................•.. 101<br />

1.2 Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung :....... 102<br />

1.2.1 Planungsprozess . . . . . . . . . . . . . .. 102<br />

1.2.2 Das soziale Umfeld , .. , . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103<br />

1.2.3 St<strong>and</strong>ortqualität 103<br />

1.2.4 Nachhaltigkeitsindikatoren 103<br />

1.2.5 Zukunftsperspektiven 104<br />

1.2.6 Entwicklungsvarianten ZZN 104<br />

2. Vorgehen und Methoden 104<br />

2.1 Synthesephase I 104<br />

2.2 Teilprojektphase 105<br />

2.3 Synthesephase 11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106<br />

3. Analyse Ist-Zust<strong>and</strong> 107<br />

2<br />

UNS-Fallstudie '96


__---.,<br />

3.1 Zum Planungsprozess des ZZN 107<br />

3.1.1 Aktueller St<strong>and</strong> der Planung 107<br />

3.1.2 Spielraum der Planung ,'...................... 109<br />

3.1.3 Fazit 109<br />

3.2 Das soziale Umfeld des ZZN II0<br />

3.2.1 Sozioökonomische Struktur der benachbarten<br />

<strong>Stadt</strong>quartiere und Agglomerationsgemeinden II0<br />

3.2.2 Wissen und Einstellungen bei der Bevölkerung der,<br />

umliegenden Quartiere 113<br />

, 3.2.3 Fazit ,.............. 114<br />

3.3 Die St<strong>and</strong>ortqualität des ZZN 115<br />

3.3.1 St<strong>and</strong>ortfaktoren 115<br />

3.3.2 Ergebnisse zum ZZN 115<br />

3.3.3 Fazit 117<br />

4. Szenarien und zukünftige Entwicklungen ,..... 118<br />

4.1 Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong> 121<br />

4.1.1Szenario «Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» 121<br />

4.1.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />

«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» 122<br />

4.1.3 Fazit .....'............................... 124<br />

4.2 Orientierungslosigkeit und Krise 124<br />

4.2.1 Szenario «Orientierungslosigkeit und Krise» 124<br />

4.2.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />

«Orientierungslosigkeit und Krise» 125<br />

4.2.3 Fazit '.' .• 126<br />

4.3 Polarisierung 126<br />

4.3.1 Szenario «Polarisierung» 126<br />

4.3.2 ZZN.Entwicklungsvariante zum Szenario<br />

«Polarisierung» 127<br />

4.3.3 Fazit ,'........ 128<br />

4.4 Neue gesellschaftliche Werte 128<br />

4.4.1 Szenario «Neue gesellschaftliche Werte» 128<br />

4.4.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />

«Neue gesellschaftliche Werte» 129<br />

4.4.3 Fazit 130<br />

5. Thesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131<br />

Verkehr <strong>im</strong> ZZN 139<br />

1. Die Synthesegruppe Verkehr 141<br />

l.l Einführung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141<br />

1.2 Fragestellung und Ziele 141<br />

2. Ausgangslage 142<br />

2.1 Der Verkehr in Oerlikon heute 142<br />

2.1.1 Pendlerverkehr von und nachaussenstehenden<br />

Gemeinden 142<br />

2.1.2 Pendlerverkehr von und nach der <strong>Stadt</strong> Zürich 143<br />

2.1.3 Heutiger Modal-Split ................•........ 143<br />

2.1.4 Verkehrsbelastung <strong>im</strong> ZZN heute 143<br />

2.2 Verkehr <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild des ZZN:<br />

Planung und Prognosen ' 144<br />

2:2.1 Sonderbauvorschriften 144<br />

2.2.2 Entwicklungsleitbild 144<br />

2.2.3 Gesamtverkehr 146<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

2.3 Widersprüche und Konflikte des Entwicklungs.<br />

leitbilds 146<br />

2.3.1 Modal-Split, Anzahl Parkplätze nach<br />

Entwicklungsleitbild 146<br />

2.3.2 Bedürfnisse der Akteure 148<br />

2.3.3 Strassenverkehrsnetz nach Entwicklungsleitbild,<br />

zusätzlicher motorisierter Individualverkehr 148<br />

3. Vorgehen, Methode 149<br />

3.1 Bildung der Verkehrsmodelle mit formativer<br />

Szenarioanalyse 149<br />

3.2 Quantitative Verkehrsabschätzungen '" 1'50<br />

3.2:1 Personenverkehrsabschätzungen 150<br />

, 3.2.2 Güterverkehrabschätzungen 151<br />

3.3 Bewertung 151<br />

3.3.1 Vorgehen 151<br />

3.3.2 Indikatorenset 152<br />

3.3.3 Systemgtenzen 153<br />

3.3.4. Definition der Nutzenfunktionen 153<br />

3.3.5 Gewichtung der Indikatoren .. ,................ 154<br />

3.3.6 Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwerte 155<br />

3.3.7 Diskussion der Methoden 155<br />

4. Ergebnisse 156<br />

4.1 Massnahmen 156<br />

4.1.1 Car-Sharing und autofreies Wohnen 156<br />

4.1.2 St\assengestaltung 158<br />

4.1.3 Citylogistik 160<br />

4.2 Verkehrsmodelle .........•.................. 162<br />

4.2.1 Modell Entwicklungsleitbild 162<br />

4.2.2 Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert 163<br />

4.2.3 Modell öffentlicher Verkehr-Langsamverkehr max<br />

(ÖV-LV max) 164<br />

4.2.4 Modell motorisierter Individualverkehr max<br />

(MIV max) 165<br />

4.3 Resultate der Verkehrsabschätzung für die einzelnen<br />

Modelle 166<br />

4.3.1 Resultate der Personenverkehrsabschätzungen 166<br />

4.3.2 Resultate der Güterverkehrabschätzungen •........ 166<br />

4.4 Bewertung der Modelle 167<br />

5. Schlussfolgerungen 169<br />

5.1 Lösungsansätze für den Verkehr <strong>im</strong> ZZN ..•...•... 169<br />

5.2 Sind die Modelle nachhaltig? 170<br />

5.3 Bewertung der wirtschaftlichen Folgen 171<br />

6. Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen 171<br />

6.1 Einflussfaktoren 171<br />

6.2 Beschreibung der Indikatoren und deren Gewichtung . 174<br />

6.3 Skalierung der Nutzenfunktionen 175<br />

6.4 Emissionsfaktoren 176<br />

6.5lndikatorwerte 177<br />

Grünraum 179<br />

1. Fragestellung der SynthesegriJppe Grünraum 181<br />

l.l Ausgangslage 181<br />

1.2 Grundlagen und Ziele der Synthesegruppe 181<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

1.3 Ziele :................ 182<br />

1.4 Normative Grundlagen 182<br />

1.4 Die Organisation der Fallstudienarbeit der<br />

Synthesegruppe Grünraum 183<br />

2. Erhebung der Ansprüche der Interessengruppen 184<br />

2.1 Best<strong>im</strong>mung der Interessengruppen 184<br />

2.2 DerExplorationsparcours 185<br />

3. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189<br />

J.l Kriterien- und Massnahmenkatalog für die<br />

Grünraumgestaltung 189<br />

3.2 Ergebnisse des Explorationsparcours 194<br />

3.2.1 Station 1: Einführung in die Thematik -.. 194<br />

3.2.2 Varianten Natur, Mensch, Gesundheit :... 194<br />

3.2.3 (omputergestützte Kriterienbewertung MAUD 195<br />

3.2.4 Fragebogen 198<br />

4. Leitbilder für den Grünraum <strong>im</strong> Teilgebiet 0 199<br />

4.1 Leitidee 199<br />

4.2 Der <strong>Stadt</strong>park '. .. 199<br />

4.3 Die Pocket Parks 200<br />

4.4 Die verschiedenen Verkehrsflächen 200<br />

4.5 Die Flachdächer ..•......................... 201<br />

4.6 Auf den Plattformen 202<br />

5. fazit '. . . . . . . . .. 203<br />

5.1 Zum normativen St<strong>and</strong>punkt der Synthese 203<br />

5.2 Methodendiskussion 1. . • •• 203<br />

5.3 Ergebnisdiskussion 204<br />

5.4 Nutzen der Arbeit der Synthesegruppe Grünraum 205<br />

Altlastenbearbeitung <strong>im</strong> ZZN 207<br />

1.. Einführung.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 209<br />

1.1 Ausgangslage 209<br />

1.2 Fragestellungen und Zielsetzung 209<br />

1.3 Synthesekonzept und Vorgehensweise 210<br />

2. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212<br />

2.1 Altlastenbezogene Arealgeschichte 212<br />

2.2 Die Altlast, eine Übersicht 213<br />

2.2.1 Inventar der Deponie 213<br />

2.2.2 Hydrogeologie 213<br />

2.2.3 Belastung von Sickerwasser, Grundwasser und<br />

Bodengas 215<br />

2.2.4 Risikoabschätzung 216<br />

2.3 Übersicht Gesetzesgrundlagen .....•........... 217<br />

2.3.1 Gesetzeund Regelungen auf Bundesebene 217<br />

2.3.2 Gesetze und Regelungen auf Kantonsebene 220<br />

2.3.3 Ausblick in die weitere Zukunft .........•...... 220<br />

2.4 Sanierungsmöglichkeiten 221<br />

2.4.1 Auswahl von Sanierungsverfahren - allgemein 221<br />

2.4.2 Vorauswahl und prinzipiell geeignete Verfahren .223<br />

2.4.3 Sanierungsvarianten 223<br />

2.5 Die Akteure 225<br />

2.5.1 Das Akteurnetz 226<br />

2.5.2 Auftragsverhältnisse zwischen den Akteuren· . . . . . . . 22<br />

------__<br />

3. Die Synthese 228<br />

3.1 Beurteilung verschiedener Sanierungsverfahren 228<br />

3.1.1 Kriterien ,'...................... 288<br />

3.1.2 Ausprägungen 228<br />

3.2 Altlasten in einem sich ändernden Umfeld 230<br />

3.3 Bewertung der Sanierungsvarianten 231<br />

3.3.1 Grundlagen ~ . . . . . . . . . . . . . . . .. 231<br />

3.3.2 Bewertung mit Hilfe von Logical Decisions 232<br />

3.3.3 Resultate der Bewertungen :;....... 233<br />

3.3.4 Diskussion der Ergebnisse und Methoden 235<br />

3.4, Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung 236<br />

3.4.1 Ziele 236<br />

3.4.2 Die Anfänge- der Verlauf 237<br />

3.4.3 Auswertung der Interviews mit den Entscheidungsträgerinnen<br />

239<br />

·3.4.4 Konflikte zwischen den Entscheidungsträgerinnen 239<br />

3.4.5 Schlussfolgerungen 240<br />

3.4.6 Planspiel 241<br />

4. Schlussbemerkungen 242<br />

4.1 Beurteilung verschiedener Sanierungsmassnahmen .. 242<br />

4.1.1 Vergleich der vier Varianten 242<br />

4.1.2 Nachhaltigkeit 242<br />

4.2 Altlasten in einem sich ändernden Umfeld 244<br />

4.2.1 Prognosen (Politik, Technik, Recht, Wirtschaft). . . . .. 244<br />

4.2.2 Bewertung der Sanierungsvarianten 244<br />

4.3 Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung 244<br />

Wasserhaushalt ...................•............... 247<br />

1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249<br />

1.1 Allgemein ; .. 249<br />

1.2 Ziel - '.' .. . . . . . .. 249<br />

1.3 Fallbezug 250<br />

2. Vorgehen und Methoden 250<br />

2.1 Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250<br />

2.2 Systemabgrenzung 252<br />

2.3 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252<br />

2.3.1 Systemeigenschaften 252<br />

2.3.2 Szenarioanalyse 252<br />

2.3.3 Sets und Varianten 252<br />

2.4 Wasserhaushaltsmodell 255<br />

2.5 Bewertung 255<br />

2.6 Ökonomische Untersuchungen 255<br />

3. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. 256<br />

3.1 Rahmenbedingungen 256<br />

3.1.1 Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256<br />

3.1.2 Wirkmodell Rahmenbedingungen 257<br />

3.2 ,Der Wasserhaushalt des Areals :........ 257<br />

3.3 Wasserbauliehe Massnahmen 259<br />

3.3.1 Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete : 259<br />

3.3.2 Begrünte Dachflächen 259<br />

3.3.3 Rückhalt in der Kanalisation 260<br />

4<br />

UNS-Fallstudie '96


_________~<br />

3.3.4 Rückhalt auf Parkplätzen 260<br />

3.3.5 Retentionsbecken 260<br />

3.3.6 Schmutzwasserspeicher 260<br />

3.3.7 Grundwasserförderung 260<br />

3.4 Gebäude.................................. 261<br />

3.4.1 Übersicht 261<br />

3.4.2 Wohnhaus 261<br />

3.4.3Dienstleistungsgebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262<br />

3.4.4 Weitergehende Massnahmen 262<br />

3.5 Die ModelIierung der Wasserflüsse 264<br />

3.5.1 Übersicht 264<br />

3.5.2 Speicher 264<br />

3.5.3 Die Ergebnisse 266<br />

3.6 Umweltbezogene Bewertung :..... 267<br />

3.6.1 Das hierarchische Kriteriensystem 267<br />

3.6.2 Gewichtung der Kriterien 268<br />

3.6.3 Messgrössen 268<br />

3.6.4 Ergebnisse 270<br />

3.7 Betriebswirtschaftliehe Betrachtungen 270<br />

3.7.1 Kosten 270<br />

3. 7.2 Einsparungen ;..... 271<br />

3.7.3 Rentabilitätsrechnung 272<br />

4. Interpretation und Schlus~folgerungen 273<br />

4.1 Erkenntnisse zum Trinkwasserverbrauch 273<br />

4.2 Erkenntnisse aus dem Wasserhaushaltsmodell 273<br />

4.3 Erkenntnisse aus der Rentabilitätsrechnung 274<br />

4.4 Schlussfolgerungen: Ökologie,Wirtschaftlichkeit<br />

und Nachhaltigkeit 274<br />

4.5 Anregungen an die H<strong>and</strong>lungsträgerinnen :........ 275<br />

4.6 Anregungen zur Fallstudie 275<br />

4.6.1 Anmerkungen zum Vorgehen 275<br />

4.6.2 Kritische Stellungnahme zu den Resultaten und<br />

weiterführende Untersuchungen ',' . .. 276<br />

Gebäude: Umweltmanagement in der Bauplanung 279<br />

1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 281<br />

1.1 ISO 14001 281<br />

1.2 Umweltspezifische Aspekte in der Bauplanung und<br />

die Fragestellung der Synthesegruppe Gebäude ..... 282<br />

2. Der Fall: «Ententeich», TORO I und die<br />

ABB-Umweltpolitik 284<br />

2.1 Der «Ententeich» und der Umnutzungsentscheid 284<br />

2.2 Die Baustelle TORO I 286<br />

2.3 Die Umweltpolitik der ABB i 287<br />

3. Grundlagen: Ökologie und Umweltmanagement<br />

<strong>im</strong> Bauprozess 288<br />

3.1 Die (planerische) Perspektive des Umweltmanagements<br />

...............•.............. 288<br />

3.2 Die umweltnaturwissenschaftliche Perspektive:<br />

Umweltziele und ökologische Kriterien 289<br />

3.3 Auf dem Weg zu einer Perspektiven-Synthese:<br />

Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung und das Ökologie-<br />

Planungs-Problem 291<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

4. Von den Umweltzielen zur Information: Daten zur<br />

Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN . . .. 293<br />

4.1 Ausführung: Ökologie ,in der Bauausführung 293<br />

4.2 Rückbau: Stoffflussanalyse der Varianten «Neubau»<br />

und «Umbau» 296<br />

4.2.1 Fragestellung 297<br />

4.2:2 Die Methode der Stoffflussanalyse ,......... 297<br />

4.2.3 Die zwei Szenarien: Umbau und Neubau 297<br />

4.2.4 Durchführung 298<br />

4.2.5 Ergebnisse ,.......... 299<br />

. 4.2.6 Bewertung 301<br />

4.3 Nutzung: Nutzungsvarianten des «Ententeichs» 301<br />

4.3:1 Zur Umnutzung des «Ententeichs» -<br />

Die Ausgangslage .;......................... 301<br />

4.3.2 Bewertung von Nutzungsalternativen des<br />

«Ententeichs» ~02<br />

4.3.3 Weitere Umnutzungen? 303<br />

5. Implementation von Umweltmanagement: Von der<br />

Information zur Entscheidung 304<br />

5.1 Planung: Bauplanung und Umweltmanagement 304<br />

5.LI Ökologische Kriterien als Grundlagefür das<br />

Umweltmanagement 304<br />

5.1.2 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> «Ententeich» ,......... 304<br />

5.1.3 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> Bauträgerwettbewerb<br />

der <strong>Stadt</strong> Wien 306<br />

5.1.4 Das Wiener Modell und die Planung «Ententeich». . .. 308<br />

5.1.5 Bauplanungs-Umweltmanagement in der ABB 312<br />

5.2 Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong> Umweltmanagement<br />

durch umweltnaturwissenschaftliche Methoden 313<br />

Anhänge 317<br />

Formative Szenarioanalyse 317<br />

Nachhaltigkeit 321<br />

Planspiel ,.................... 324<br />

Index . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. 329<br />

Studierende der einzelnen Synthesegruppen<br />

und Teilprojekte 332<br />

Tatorlnnen der einzelnen Synthesegruppen 333<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

5


Vorwort ~ _<br />

Die fallstudie als Lernchance<br />

Dr. Ursulll Koch<br />

Stlldträtin<br />

Die Resultate eines achtjährigen Planungsprozesses<br />

für das grösste Planungsareal der Schweiz, das <strong>Zentrum</strong><br />

Zürich <strong>Nord</strong>, liegen vor. Die Planung wurde<br />

mit einer umweltnaturwissenschaftlichen Fallstudie<br />

auf ihre Nachhaltigkeit untersucht. Welche Bedeutung<br />

hat eine solche Fallstudie für die planende<br />

Behörde? Die Siedlungsplanung .ist wahrscheinlich<br />

die wichtigste präventive Umweltschutzmassnahme.<br />

Was nützt es, 'die Bevölkerung mit getrenntem Abfallsammeln,<br />

Verzicht auf Autokilometer und sparsamem<br />

Energieverbrauch auf Trab zu halten, wenn<br />

aufgrund einer unsorgfältigen Siedlungsplanung die<br />

Voraussetzungen für die Zunahme: von Umweltverschmutzung<br />

und L<strong>and</strong>verschleiss geschaffen werden,<br />

wenn dabei die Chance für ausreichende<br />

Erholungsflächen verspielt und die Zunahme des<br />

Autoverkehrs die absehbare Folge ist?<br />

Die nachhaltige, wirtschaftliche Ökostadt war<br />

eine der Zielsetzungen, die dem Planungsprozess<br />

in Zürich <strong>Nord</strong> zugrunde lagen. Gleichzeitig sollte<br />

ein sowohl funktional wie auch sozial gut durchmischtes<br />

neues <strong>Stadt</strong>quartier entstehen. Komplexe<br />

Zielsysteme mussten auf diesem grossenPlanungsgebiet<br />

integriert werden. Heute, nach Abschluss der<br />

aufwendigen Arbeiten, stellt sich die Frage, ob die<br />

ökologischen Ziele für diesen neuen <strong>Stadt</strong>teil ausreichend<br />

berücksichtigtsind, ob die gesetzten Ziele<br />

auch erreicht wurden, ob die Grundlagen für eine<br />

nachhaltige Entwicklung dieses <strong>Stadt</strong>teiles vorh<strong>and</strong>en<br />

sind, ob gravierende Planungsfehler gemacht<br />

wurden, ob einzelne Bereiche vernachlässigt wurden<br />

und welche Vorkehrungen getroffen werden müssen,<br />

um bei der Realisierung desneuen <strong>Stadt</strong>teiles die<br />

Nachhaltigkeit zu fördern. Kurz, die Nachhaltigkeitsprüfung<br />

zeigt auf, was gut gemacht wurde und<br />

wo man besser, <strong>and</strong>ers hätte vorgehen müssen.<br />

Die vorliegende Fallstudie ist nicht nur wichtig<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf Zürich <strong>Nord</strong>. Sie soll auch dazu beitragen,<br />

bei künftigen Arealplanungen Fehler zu vermeiden,<br />

die Überlegungen und Voruntersuchungen<br />

zu präzisieren und den Planungsprozess entspre-<br />

chend zu modifizieren. In diesem Sinne begrüssen<br />

wir diese Fallstudie, weil sie uns die Chance gibt,<br />

Neues zu lernen, eingespielte Denkweisen und Verfahren<br />

zu hinterfragen und die neuen Erkenntnisse<br />

in kommenden Arbeiten anzuwenden. .<br />

Eine solche Fallstudie ist ein hochkomplexes<br />

Forschungsprojekt, welches von allen Akteuren und<br />

Akteurinnen ein hohes Mass an KooperationswiIIen<br />

abverlangt. Bereits zum zweiten·Mal konnte ich<br />

miterleben, mit welchem Engagement sich die<br />

Studierenden daran beteiligt haben. Damit haben<br />

sie für unsere <strong>Stadt</strong> eine wichtige Zukunftsfrage bearbeitet.<br />

Ihre Erkenntnisse sollen in unsere Arb.eit<br />

einfliessen.<br />

Ich möchte allen Beteiligten, den Studentinnen,<br />

den Professoren und den Assistentlnnen für ihre<br />

grosse Arbeit ganz herzlich danken.<br />

Was hat die Industrie mit <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

zu tun? .<br />

Edwin Somm<br />

Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />

der ABB Schweiz<br />

Aus der Sicht der ABB h<strong>and</strong>elt es sich bei der Fallstudie<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> um ein äusserst bemerkenswertes,<br />

wegweisendes Projekt, an dem wir uns<br />

sehr gerne beteiligt haben. Dies nicht nur, weil es<br />

eine willkommene Möglichkeit war, den. Austausch<br />

zwischen Wirtschaft und universitärer' Forschung,<br />

den wir seit. jeher als sehr wichtig erachten, zu<br />

fördern, sondern auch weil sich die ABB bereits seit<br />

längerer Zeit Gedanken macht, wie ihre grossen<br />

Industrieareale in Zukunft für alle Beteiligten sinnvoll<br />

genutzt werden können. Der industrielle W<strong>and</strong>el<br />

hat ja zu grossen Veränderungen <strong>im</strong> Gebäudeflächenbedarf<br />

der Industrieunternehmen geführt, da einerseits<br />

eine Verlagerung von der Werkstatt· in das<br />

Engineering stattgefunden hat und <strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong>mer<br />

weniger Menschen auf <strong>im</strong>mer kleinerer Fläche<br />

in <strong>im</strong>mer kürzerer Zeit <strong>im</strong>mer mehr produzieren.<br />

Als Grundeigentümerin von je rund 30 Hektaren<br />

überblJutem und infrastrukturell bestens erschlossenem<br />

Industriel<strong>and</strong> in absoluter <strong>Zentrum</strong>slage in<br />

6<br />

UNS-Fallstudie '96


__________-'- --,- --,- Vorwort<br />

Oerlikon und in Baden, ist die Variante «Industriebrache»<br />

als einfachste Lösung aus unternehmerischen,<br />

städtebaulichen und sozialpolitischen Überlegungen<br />

bei ABB Schweiz zu keinem Zeitpunkt<br />

ernsthaft diskutiert worden. Wir wollten unsere Verantwortung<br />

be~usstwahrnehmen. Denn heute ist in<br />

der flächenmässig kleinen und in den Ballungszentrendicht<br />

besiedelten Schweiz die Nutzung des<br />

Raumes. in seiner Gesamtheit von überragender<br />

Bedeutung. Die verschiedenen Interessen an den<br />

Raum, wie Ökologie, Wohnen, industrielle und<br />

gewerbliche Nutzung, Verkehr und Freizeit müssen<br />

für den Städtebau der Zukunft unter einen Hut<br />

gebracht werden. Bereits 1991 hatABB die Visiqn der<br />

«wirtschaftlichen Ökostadt» formuliert. Darunter<br />

verstehen wir eine <strong>Stadt</strong>, in der sich Ökologie und<br />

Ökonomie ergänzen, in der Hightech-Firmen in der<br />

Partnerschaft von Ökologie und Ökonomie eine<br />

Chance sehen. Hier soll mit bestens ausgebildeten<br />

MitarbeiterInnen gearbeitet; gewohnt und gelernt<br />

werden undIndustrie, Dienstleistung, Wohnen, Ausbildung<br />

und Kultur Piatz haben. Heute sind wir vor<br />

allem in Baden mit der Realisierung unserer Vision<br />

schon sehr weit fortgeschritten, <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong> bestehen ebenfalls entsprechende Projekte.<br />

Die Teilnahme an der Fallstudie und die Zusammenarbeit<br />

mit den beteiligten Studentinnen war<br />

gleichzeitig ein Testlauf für unser Projekt aus der<br />

Optik Umweltrelevanz. Unternehmen, die auch in<br />

Zukunft Erfolg haben wollen, muss es gelingen,<br />

einerseits die Forderung nach <strong>im</strong>mer neuen, innovativen<br />

und konkurrenzfähigen Produkten und<br />

<strong>and</strong>ererseits die Forderung nach einem sparsamen,<br />

bewussten Umgang mit unseren Ressourcen unter<br />

einen Hut zu bringen. Ökoeffizienz, die Fähigkeit<br />

des Unternehmens, Produkte oder Dienstleistungen<br />

mit einem min<strong>im</strong>alen Verbrauch an Ressourcen herzustellen,<br />

ist der wichtigste Wettbewerbsfaktor der<br />

nächsten Jahre. Auch wenn wir uns als Unternehmen<br />

betrachten, das seine ökologische Veran~ortung<br />

sehr ernst n<strong>im</strong>mt: Bei all unseren Überlegungen ging<br />

und geht' es <strong>im</strong>mer und in erster Linie darum,<br />

dieWettbewerbsfähigkeit als Voraussetzung für die<br />

Zukunft des Unternehmens am St<strong>and</strong>ort Schweiz<br />

zu sichern. Aus unserer Sicht stehen deshalb bei<br />

unsereh Bauprojekten die Wirtschaftlichkeit und die<br />

Investorentauglichkeit <strong>im</strong> Vordergrund. Dass der<br />

Schwerpunkt bei den TeilnehmerInnen der Fallstudie<br />

bei den ökologischen Aspekten lag, war die<br />

Grundlage für einen interessantenAustausch.<br />

Dank der offenen, transparenten Information auf<br />

beiden .Seiten konnte in den ausführlichen Gesprächen<br />

mit den StudentInnen das Verständnis zwischen<br />

Wirtschaft und Ökologie gefördert werden.<br />

Der Lernprozess f<strong>and</strong> aufbeiden Seiten statt. Einerseits<br />

konnten die Studentinnen realitätsbezogen<br />

arbeiten· und wurden mit praktischen Beispielen<br />

. konfrontiert, <strong>and</strong>ererseits haben wir gelernt, ein noch<br />

aktiveres Bewusstsein <strong>im</strong> Zusammenhang mit den<br />

beh<strong>and</strong>elten Themenkreisen zu entwickeln und<br />

werden die erarbeiteten Grundlagen in unsere Projekte<br />

einfliessen lassen.<br />

Anstoss ZU einem städtebaulichen<br />

Innovationsschub<br />

Marlin Waser<br />

Vorst<strong>and</strong>smitglied von<br />

ziirifiifzg!<br />

Die wirtschaftliche Lage ist gegenwärtig in verschiedener<br />

Hinsicht schwierig. Sie lässt manche an der<br />

Realisierung des <strong>Zentrum</strong>s Zürich <strong>Nord</strong> zweifeln. In<br />

der Konkurrenz mit <strong>and</strong>eren St<strong>and</strong>orten werden deshalb<br />

die sogenannten weichen Faktoren <strong>im</strong>mer bedeutender:<br />

Umwelt,' soziales Umfeld,ökologische<br />

Erschliessung und Versorgung, Naherholung, Kultur<br />

und Freizeit usw. Die Fallstudie leistet hier einen<br />

wichtigen Beitrag. Sie liefert seriöse, praktikable<br />

Grundlagen und Anregungen für eine zukunftsträch- .<br />

tige und nachhaltige Entwicklung. Die bisher häufig<br />

inhaltslose Floskel «qualitatives statt quantitatives<br />

Wachstum» erhälthier Substanz. Die Umsetzung der<br />

wirtschaJtlichen Ökostadt bedeutet einen städtebaulichen<br />

Innovationsschub. Die Fallstudie liefert<br />

dazu einen ernstzunehmenden Grundstein und kann<br />

einen entscheidenden Anstoss geben. Es liegt nun an<br />

den Grundeigentümerlnnen und Investorlnnen, den<br />

<strong>Stadt</strong>behörden und der Bevölkerung diese Chance<br />

gemeinsam'zu packen und umzusetzen. Die umliegenden<br />

Quartiere unterstützen ohne Zweifel eine<br />

solche Entwicklung. Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> wird<br />

dann nicht zu einer Bedrohung, sondern zu einer<br />

Bereicherung von Zürich <strong>Nord</strong>.<br />

Als Vertreter einer aktiven Anwohnergruppe nahm<br />

ich das Angebot von Professor Scholz gerne an, an<br />

der Fallstudie ~itzuwirken. Gleich von Beginn an<br />

war ich positiv überrascht, mit welcher Dynamik die<br />

Fallstudie in Angriff genommen wurde. Schon in<br />

der ersten Woche kamen Gespräche mit Gruppen<br />

von Studentinnen und Studenten zust<strong>and</strong>e. Immer<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

7


Vorwort ,....- ----,,- _<br />

f<strong>and</strong>en die Treffen zur abgemachten Zeit statt und<br />

ich war beeindruckt von der gründlichen Vorbereitung<br />

der Studierenden. Dies lässt auch auf eine<br />

vorzügliche Einst<strong>im</strong>mung durch. die Leitung der<br />

Fallstudie schliessen. An regelmässigen Treffen<br />

wurden Resultate ausgetauscht und offene Fragen<br />

diskutiert. Die unterschiedlichen Sichtweisen gaben<br />

neue Impulse, die den weiteren Verlauf der Fallstudie<br />

mitprägten.<br />

Die Fallstudie hat viele Menschen zusammengebracht.<br />

Dies hat konkrete Folgen. AufQuartierebene<br />

sind Kontakte vertieft worden, und die Zusammenarbeit<br />

geht auf einer neuen, qualitativ höheren<br />

Ebene weiter. VertreterInnen der Grundeigentümer,<br />

der <strong>Stadt</strong>behörden und der aktiven Bevölkerung<br />

konnten ihre Positionen und Ziele <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Fallstudie darlegen. Das dadurch entst<strong>and</strong>ene Vertrauen<br />

lässt hoffen für die Zukunft, einer Zukunft,<br />

deren Gedeihen von einer intensiven Zusammenarbeit<br />

aller abhängt.<br />

Nachhaltigkeit in kooperativen Prozessen<br />

verwirklichen<br />

Prof. Dr. Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />

Verantwortlicher·<br />

Hochschullehrer<br />

für die UNS-Fallstudie<br />

Die <strong>ETH</strong> Zürich hat sich in ihrem gerade erschienenen<br />

Leitbild dazu bekannt, «ihre Aktivitäten konsequent<br />

auf die Bedürfnisse von Mensch, Natur und<br />

Gesellschaft» auszurichten und den «Blick auf die<br />

Erhaltung des Zukunftspotentials des Ökosystems<br />

Erde für die kommenden Generationen» zu richten.<br />

Die Fallstudien der Abteilung für Umweltriaturwissenschaften<br />

(UNS-Fallstudien) sind ein Beitrag<br />

zur Verwirklichung dieses Leitbildes. Im diesjährigen<br />

Grossprojekt Fallstudie haben sich, nach mehr<br />

als zwei Jahren Vorbereitung, 126 Studierende und<br />

25 wissenschaftliche 'rutorInnen aus Hochschule<br />

und Praxis während des ganzen S,ommersemesters<br />

(14 Wochen a2.5 Tage) intensiv mit der Zukunft des<br />

<strong>Zentrum</strong>s Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN), des grössten schweizerischen<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekts, beschäftigt.<br />

Entscheidend für die Konzeption und das Gelingen<br />

der Fallstudie war die Kooperation mit weit über<br />

100 ExpertInnen und Personen aus der Praxis, die<br />

als Triigerlnnen der Fallstudie am Prozess des gegenseitigen<br />

Austausches, Lernens und der gemeinsamen<br />

Zielfindung mitwirkten.<br />

Im vorliegendet:t Schlussbericht werden wesentliche<br />

Fragen zur nachhaltigen Gestaltung des ZZN,<br />

eines dllfch seine industrielle Vorgeschichte geprägten<br />

<strong>Stadt</strong>teils, beh<strong>and</strong>elt. In allen Kapiteln wird<br />

eine integrale Bewertung erarbeitet. Um Nachhaltigkeit<br />

in einem umfassenden Sinne zu sichern, wird<br />

ökologisch Notwendiges und Wünschenswertes mit<br />

wirtschaftlich Machbarem sowie sozial Erstrebenswert~m<br />

in Bezug gesetzt und in verschiedenen<br />

Raum-Zeit-Bezügen diskutiert. Entscheidend ist in<br />

allen Kapiteln das Wechselspiel zwischen systematisch-methodischem<br />

(und damit in eigentlichem Sinne<br />

klassischem), wissenschaftlichem Vorgehen und qualitativen,<br />

aus einem ganzheitlichen Problemverstiindnis abgeleiteten<br />

Erkenntnissen. Während für das wissenschaftliche<br />

Vorgehen geeignete Methoden entscheidend<br />

sind, hängt die Güte der qualitativen Erkenntnisse<br />

davon ab, inwieweit es gelingt, die eigentlichen KennerInnen<br />

und EntscheidungsträgerInnen des Falls<br />

einzubeziehen. Beides ist weitestgehend geglückt.<br />

Drei Faktoren waren für den Erfolg massgeblich:<br />

An erster Stelle sind die Studierenden und die TutorInnen,<br />

ihre Qualifikation, Motivation und Einstellung<br />

zu benennen. In diesem Jahr haben wir von einem<br />

erfreulich hohen Anteil von Studierenden profitiert,<br />

die sich in dem über zwei Jahre dauernden Prozess<br />

der Vorbereitung; an der Leitung während der Fallstudie<br />

und in den Synthesegruppen initiativ an der<br />

Ausgestaltung be{eiligten. Besonders danken möchte<br />

ich den 18 Studierenden und den acht TutorInnen,<br />

welche in vier Monaten intensiver Arbeit aus den<br />

.Papieren der Synthesegruppen die vorliegenden<br />

Berichte erstellten und sich einem scharfen internen<br />

und externen Review-Prozess aussetzten. Der Erfolg<br />

einer UNS-Fallstudie hängt stark von denjenigen<br />

Studierenden ab, die über das gewohnte «Sachbearbeiter-Menue»<br />

hinausgehen und sich kreativ am<br />

Prozess der Ausarbeitung der ökologischen Problemlösefähigkeit<br />

beteiligen. Dieser Weg ist auch als Zielsetzung<br />

<strong>im</strong> <strong>ETH</strong>-Leitbild angesprochen, welches<br />

die Studierenden «nach Abschluss des Studiums<br />

nicht nur als hochqualifizierte Fachleute, sondern<br />

auch als Verantwortung tragende Mitglieder der<br />

Gesellschaft» aus der Hochschule entlassen möchte.<br />

Eine zweite Voraussetzung für den Erfolg der Fallstudienarbeit<br />

sind die Fallstudienmethoden. Die in den<br />

letzten Jahren entwIckelten Methoden (z.B. Formative<br />

Szenarioanalyse, Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen,<br />

etc.,vgl.Kap. EINLEITUNG) sind zugleich Mittel<br />

der Wissensintegration und der Projektorganisation.<br />

Eine Fallstudie setzt an Studierende und TutorInnen<br />

8<br />

UNS-Fallstudie '96


-------- --'-- ~ Vorwort<br />

die Anforderung, neben den natur- und sozialwissenschaftlichen<br />

Methoden gleichermassen Methoden<br />

der Wissensintegration zu verstehen und anzuwenden.<br />

Hier sind nach meiner Überzeugung Modelle<br />

und.Wissen entst<strong>and</strong>en, aus denen die Praxis lernen<br />

kann.<br />

Das wichtigste an der Fallstudie ist jedoch die<br />

neue Form der Zusammenarbeit von Hochsch.ule<br />

und Praxis. Die KoopeFation mit <strong>Stadt</strong> und Kanton<br />

ZÜrich konnte auf die Erfahrungen der letztjährigen<br />

Fallstudie zum Sulzer-Escher Wyss-Areal aufbauen<br />

und verlief vorbildlich. Mit der Bevölkerung konnte<br />

durch den Verein zürifüfzg! und <strong>and</strong>eren VertreterInnen<br />

ein fÜr beide Seiten fruchtbarer Austausch<br />

gestaltet werden. Etwas- schwieriger gestaltete sich<br />

erwartungsgemäss der Beginn der Zusammenarbeit<br />

mit den grossen privaten GrundbesitzerInnen. Zu<br />

Überwinden war hier eine natÜrliche Skepsis Über<br />

Chancen und Risiken eines gemeinsamen Projekts<br />

mit Über einhundert «grÜnen Studierenden». Während<br />

einige GrundbesitzerInnen in einer konservativen<br />

Grundhaltung verblieben sind, hat sich die<br />

Zusammenarbeit mit der ABB Immobilien AG in einer<br />

verblüffenden Weise entfaltet, die sich letztlich nur<br />

auf dem Hintergrund der konzernspezifischen Konzeption<br />

der Ecoefficient Leadership verstehen lässt. Es<br />

entwickelte sich ein Überaus vertrauensvoller und<br />

offener Prozess mit der ABB. Ich darfan dieser Stelle<br />

Herrn Somm (ABB Schweiz) und insbesondere<br />

Herrn Fagetti (ABB Immobilien AG) und seinen<br />

MitarbeiterInnen unsere Anerkennung für das überaus<br />

organisierte, professionelle und effiziente Projektmanagement,<br />

in dem Umweltaspekte ihren Platz<br />

finden, aussprechen. Davon kann auch die Hochschule<br />

einiges lernen.<br />

Die Fallstudie als Herausforderung<br />

Für uns Studierende war es eine grosseHerausforderung,<br />

an einem der grössten <strong>Stadt</strong>planungsprojekte<br />

der Schweiz anwendungsorientiert mitarbeiten zu<br />

können.<br />

•<br />

Unsere Motivation war gross, weil die Fallstudie<br />

ein Stück <strong>Stadt</strong>entwicklung in unserer unmittelbaren<br />

Umgebung beh<strong>and</strong>elte: Die in der Fallstudie<br />

gestellten Fragen betrafen unser Leben in der <strong>Stadt</strong><br />

direkt. Durch die aktuelle gesellschaftliche Relevanz<br />

dieses Themas bekamen für uns auch die Sozialwissenschaften<br />

grösseres Gewicht in einem Projekt.<br />

Wir wussten auch, dass es schwer werden würde, in<br />

Vorlesungen theoretisch vermittelte Inhalte praktisch<br />

umzusetzen. Dazu kam das Unbehagen, ein so<br />

vielschichtiges Thema in dieser kurzen Zeit bearbei-<br />

Bettina Baumgartner<br />

Monilca Kurath<br />

Studentische Teilnehmerinnen der Fallstudie<br />

ten zu müssen. Dem Reiz, sich mit einem realen Fall<br />

von gesellschaftlicher Bedeutung und politischer<br />

Brisanz zu befassen, st<strong>and</strong> der erhöhte Druck auf<br />

uns Studierende gegenüber: Es belastete uns, zu wissen,<br />

dass unsere Resultate externen Erwartungen<br />

genügen sollten und dass wir unsere Berichte und<br />

Schlussfolgerungen gegenÜber den Agierenden und<br />

Betroffenen vertreten mussten.<br />

Zeit- und Erwartungsdruck boten uns in erster<br />

Linie die Möglichkeit, uns neue Fähigkeiten anzueignen:<br />

Es galt, sich einen schnellen Überblick Über<br />

die Thematik zu verschaffen, Wissensintegration<br />

und Synthesearbeit zu leisten und kompromissfahige<br />

Lösungen zu finden. Um das zu erreichen, arbeiteten<br />

und diskutierten wir in Gruppen und Übten die Gesprächsleitung<br />

in Sitzungen. Es wurde uns bewusst,<br />

mit wieviel Sensibilität und Vorurteilsfreiheit komplexe,<br />

praktische Fragen von umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Relevanz angegangen· werden müssen.<br />

Zentral war fÜr uns, Kompetenzen zu erwerben,'die<br />

zu unserem Berufsbild als UmweltnaturwissenschafterInnen<br />

gehören.<br />

Neulich, an einem kalten Spätherbstabend, fuhren<br />

wir mit den Velos am ZZN vorbei. Es war dunkel, ein<br />

leichter Herbstnebel hing Über dem Areal. Der Ort<br />

wirkte auf uns fremd und derart verlassen, dass wir<br />

uns kaum vorstellen konnten, dass es sich um dasselbe<br />

Areal h<strong>and</strong>elt, auf welchem wir <strong>im</strong> letzten<br />

FrÜhjahr mit soviel Enthusiasmus unsere Fallstudie<br />

bearbeitet hatten.<br />

Wir fragten uns, was aus den Ideen wird, an welchen<br />

126 Studierende drei Monate intensiv gearbeitet<br />

hatten und die sich nun <strong>im</strong> vorliegenden B<strong>and</strong><br />

finden. Es wäre schön, wenn die eine oder <strong>and</strong>ere<br />

Idee, von der wir Überzeugt sind, dass sie für das<br />

Areal von Nutzen ist, in die Planung aufgenommen<br />

wird.<br />

UNHalIstudie '96 9


D.ank__~~ ~ .,.-- .,.--__~ _<br />

Dank<br />

Ein so umfangreiches Projekt wie unsere Fallstudie<br />

wäre ohne die zusätzliche Hilfe vieler Personen nicht<br />

durchführbar. Untenstehende Personen und Institutionen<br />

waren an der UNS-Fallstudie 1996 beteiligt.<br />

Sie haben Vorträge gehalten, Dokumentationsmaterial<br />

oder Daten zur Verfügung gestellt, die Arbeitsgruppen<br />

bei fachlichen Fragen tatkräftig unterstützt<br />

oder sind bei der Durchführung von Interviews Rede<br />

und Antwort gest<strong>and</strong>en.<br />

Die Vielzahl der Kontakte führt dazu, dass es<br />

kaum möglich ist, alle Hilfestellungen zu erfassen. In<br />

diesem Sinne möchten wir uns bei all denen entschuldigen,<br />

die uns geholfen haben, aber auf der<br />

Dankesliste fehlen. Allen Personen, mit denen wir<br />

in Kontakt gest<strong>and</strong>en sind, möchten wir noch einmal<br />

ganz herzlich für ihren Einsatz danken.<br />

Christian Aeschl<strong>im</strong>ann<br />

Basel City Logistic<br />

Priska Ammann<br />

<strong>Stadt</strong>verwaltung Zürich/Bauamt<br />

Peter Baccini<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Rudolf Bätscher<br />

Werksicherheit ABB Oerlikon<br />

Heribert Bauer<br />

Merkur Immobilien AG Zürich<br />

Peter Baur .<br />

Merkur Immobilien AG Zürich<br />

Alex Beck<br />

ABB Immobilien AG Baden<br />

Roger Biedermann<br />

Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />

Thomas Bieri<br />

Toma Design Thalwil<br />

Fritz Blocher<br />

GZ Oerlikon<br />

RolfBlumer<br />

Schlittler AG Niederurnen<br />

Guido Bodmer<br />

SBG Zürich<br />

Guy Bollag<br />

Oerlikon<br />

jürg Bolliger<br />

Eberhard Recycling AG<br />

Markus BoIler<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Alex Borer<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Züricp<br />

Lukas Br<strong>and</strong>l<br />

CargonetAG<br />

Heinrich Brändli<br />

<strong>ETH</strong>Zürich<br />

Bernhard Brechbühl<br />

Amt für techische Anlagen und Lufthygiene des<br />

Kantons Zürich<br />

Martina Brennecke<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Walter Brunner<br />

Elektro Meyer<br />

Linda Brunner<br />

ABB Immobilien AG Baden<br />

Thomas Brunner<br />

SV Service<br />

Herr Büsser<br />

Schoop Bauspenglerei und Gartenbal)<br />

jürg Burkard<br />

Win'terthur Versicherungen<br />

Patrick Burri<br />

SKA<br />

jürg Caflisch<br />

Sozialamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Hansruedi Christen<br />

SKA<br />

Helmut Crott<br />

Universität Freiburg i.Br.<br />

Hans U1rich Dambach<br />

Oerlikon-Bührle Immobilien AG<br />

Frank Dammann<br />

Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />

RolfDeck<br />

ABB Consulting AG Baden<br />

Marco Denicola<br />

Zürich<br />

Thomas Eberli<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

Lukas Eckert<br />

City Bank Schweiz<br />

Daniel Eiermann<br />

EbioxAG<br />

Frau Barbara E<strong>im</strong>er<br />

Reformhaus am Marktplatz Oerlikon<br />

Klaus Erni<br />

Uni Bern/geogr. Inst.<br />

Renzo Fagetti<br />

ABB Immobilien AG Baden<br />

Klaus Fischli<br />

SIA Zürich<br />

Hans-Uirich Frei<br />

Ingenieurbüro Hans Frei & Co. AG<br />

Marcel Frey<br />

Velofachstelle <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Katja Furrer<br />

Atelier 51<br />

10<br />

UNS-Fallstudie '96


_____---:-<br />

Dank<br />

Fulvio Gamba<br />

Katholische Kirchengemeinde Oerlikon<br />

Heinz German<br />

Oerlikon-Contraves<br />

Susanne Gfeller<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Claudio Gianesi<br />

Generalunternehmung Gianesi und Hofmann<br />

Mario Giesel<br />

Universität Freiburg LBr.<br />

Beat Grossmann<br />

AGW Zürich<br />

Herrmann Guetg<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Peter Güller<br />

Raumplanungsbüro<br />

Anita Gunzenhauser<br />

Müze Affoltern<br />

Lucia Habermacher<br />

Zürich<br />

PatrickHächler<br />

SMA<br />

Theodor Häfeli<br />

SBG,Pensionskasse<br />

Rene Haller<br />

Technopark<br />

Ralf Hansmann.<br />

Universität Freiburg LBr.<br />

Hans Hasler<br />

Büro Hasler Meilen<br />

Monika Heer<br />

Brunnschweiler & Heer Zürich<br />

Richard He<strong>im</strong><br />

Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Peter Herrmann<br />

SKA Uetlihof<br />

Eduard Hoehn<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Barbara Hoffmann<br />

ABB Baden/public Relations<br />

Kurt Hoffmann<br />

Quartierverein.oerlikon<br />

Walter Honegger<br />

ADtranz<br />

Rolf Huggenberger<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

Ursula !sler<br />

Bauamt 11 <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Erwin Jampen<br />

Heer & Tailer Zürich<br />

Frank Jost<br />

Coop Schweiz<br />

Andreas Kallen<br />

Oerlikon<br />

Urs Kaufmann<br />

Büro Spring Thun<br />

Walter Kiechl<br />

Schweizerischer Verein Eltern von blindenund<br />

sehschwachen Kindern<br />

Wolfgang Kinzelbach<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Jürgen Klaus<br />

ABB Hochspannungstechnik AG<br />

Matthias Knecht<br />

Oerlikon<br />

Hans Koch<br />

ADtranz<br />

Ursula Koch<br />

Bauamt 11 der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Robert Korab<br />

Österreichisches Ökologie-Institut Wien<br />

Fritz Krähenbühl<br />

Oerlikon<br />

Peter Krebs<br />

E.AWAG Dübendorf<br />

Erwin Kreidler<br />

AGWZürich<br />

Bertil Krüsi<br />

WSL Birmensdorf<br />

Chris Kühni<br />

ABB Immobilien AG<br />

Rudolf Kündig<br />

SKA<br />

Micheie Kunz<br />

Oerlikon<br />

Rene Lagler<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Elias L<strong>and</strong>olt<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Herbert Lang<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Fredy Leutert<br />

Stetten<br />

Margrit Leuthold<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Alfred Lienhard<br />

Naturfreunde Sektion Zürich<br />

B. Lindenmann<br />

Gewerbeverein OerlikOIi<br />

Markus Maibach<br />

Infras<br />

Lorenzo Martignoni<br />

ShareCom<br />

Eugen Meier<br />

Abay&Meier<br />

Matthias Meier<br />

vormals ABB Baden/public Relations<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

11


Dank. ~ ____,_---------------____,_----_,_<br />

Klara Mielebacher<br />

Oerlikon<br />

Pete Mijnssen<br />

IG Velo<br />

Flavio Mozetti<br />

Architekturbüro Max Schönenberg u. Partner<br />

RolfMüller<br />

Coop/Beschaffung und Logistik<br />

Roman Müller<br />

H.U. Peter AG<br />

Urs Müller<br />

<strong>Stadt</strong>pensionskasse Basel<br />

Pauline Nameehe<br />

Ref. Kirchgemeinde<br />

Horst Niedermann<br />

Amt für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Frauenfeld<br />

Ruedi Ott<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

WolfPabst<br />

Gewässerdirektion Rhein<br />

Hansjörg Pedrett<br />

ABB Immobilien AG<br />

Ernst Peterharis<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich Kanalnetzbetreuung<br />

Gabi Petri,<br />

VCS Zürich<br />

Kurt Pfefferkorn<br />

Kantonsschule Oerlikon<br />

Riet Pfister<br />

Mövenpick <strong>Zurich</strong> Airport<br />

Dorothe Pujol<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich/Jugendsekretariat Glattal<br />

Sibylle Reinfried<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/Geographisches Institut<br />

Hanspeter Ricklin .<br />

Ecodrive AG<br />

Reto R<strong>im</strong>athe<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/Geographisches Institut<br />

Klaus Peter Rippe<br />

Ethikzentrum<br />

Angelo Rossi<br />

ORL <strong>ETH</strong> Zürich<br />

Ueli Roth<br />

Büro ur<br />

Bernhard Rüdisüli Ruegg<br />

Bauamt Zürich<br />

Thomas Ryffel<br />

Uster<br />

Silva Ruoss<br />

Architektin Zürich<br />

Giancarlo Salvagni<br />

Bata Oer!ikon<br />

Alfred Schäppi<br />

Lärminspektorat <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

RetoSchleiniger<br />

Universität Zürich<br />

Peter Schmid<br />

ABZ Baugenossenschaft<br />

Samuel Schmid<br />

Coop Schweiz<br />

Eva Schmidt<br />

Fachstelle für behindertengerechtes Bauen<br />

Schneider<br />

Büro Jud<br />

Franz Schriber<br />

Technische Berufsschule Zürich<br />

Renate Schubert<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Patrick Schüepp<br />

Gossau ZH<br />

Raiher Schulin<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/ITÖ<br />

Ursula Schwager<br />

Elternverein<br />

Rene Schwarzenbach<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Werner <strong>Stadt</strong>mann<br />

<strong>Stadt</strong>poli~eiZürich<br />

Andreas Steiner<br />

Geschäftsleitung ABB Schweiz<br />

Christian Stern<br />

Technikum Rapperswil<br />

Michael Stocker<br />

Atelier Stern und Partner Zürich<br />

Peter Stirnemann<br />

<strong>Stadt</strong> ZürichNBZ<br />

Josef Studhalter<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Stefan Süess<br />

SKA/LGO<br />

Gerhard Suter<br />

LB Logistik Betriebe AG<br />

Hermann Suter<br />

Winterthur Versicherung<br />

J.L. Tardent<br />

Sondermülldeponie Kölliken<br />

Ralph Tiltscher<br />

Forum Vauban Freiburg i.Br.<br />

Hans Trachsel<br />

Merkur Immobilien Zürich<br />

Roger Trachsler<br />

Zürich<br />

Rol<strong>and</strong> Tremp<br />

STWAGChur<br />

Kar! Tschanz<br />

Umweltschutzfachstelle<br />

12<br />

UNS-Fallstudie '96


________________----,------- ----, Dank<br />

Markus U1rich<br />

EAWAG DUbendorf<br />

Walter Vetsch<br />

L<strong>and</strong>schaftsarchitekt BSLA Zürich<br />

Thomas von 8tokar<br />

Infras<br />

Charles Wägeli<br />

SchiittIer AG<br />

Bruno Walti<br />

Strasseninspektorat Zürich<br />

Hans-Urs Wanner<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Martin Waser<br />

Verein zürifüfzg!<br />

Jakob Weber<br />

BDS Safety Management Baden<br />

Esther Weibel Waser<br />

Verein zürifüfzg!<br />

Anita Wenger<br />

Danzas<br />

Hans Widmer<br />

Oerlikon-Bührle Holding AG<br />

Dietrich Willi<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Erich Will.i<br />

VCS/Metron<br />

Doris Würsch<br />

Atelier 51<br />

ChristophWyss<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

.Herr Z<strong>im</strong>mermann<br />

Gewerbeverein Oerlikon<br />

Werner Zingg<br />

Örlike Cargo<br />

Richard Züger<br />

Katholische Kirchgemeinde/kirchliche Sozialarbeit<br />

Rainer Züst<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/BWI<br />

Klaus Zweibrücken<br />

Metron<br />

Unser besonderer Dank gilt den Gutachtern und der<br />

Gutachterin der Berichte der Synthesegruppen. Dieses<br />

Jahr haben wir vor Drucklegung die einzelnen<br />

Kapitel von externen Fachleuten evaluieren lassen.<br />

Die Gutachter und die Gutachterin haben mit viel<br />

Sachverst<strong>and</strong> und mitunter grossem Zeitaufw<strong>and</strong><br />

die Texte kommentiert und fachlich bewertet. Noch<br />

einmal herzlichen Dank!<br />

Peter Baur<br />

Merkur Immobilien AG Zürich<br />

Alex Beck<br />

ABB Immobilien AG Baden<br />

Heinrich Brändli<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Martina Brennecke<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Thomas Eberli<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

Klaus Fischli<br />

SIA Zürich<br />

Beat Grossmann<br />

AGW<br />

Peter Güller<br />

Raumplanungsbüro<br />

Richard He<strong>im</strong><br />

Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Eduard Hoehn<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Andreas Hofer<br />

Architekt Zürich<br />

Peter Krebs<br />

EAWAG Dübendorf<br />

Herbert Lang<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Rene Lagler<br />

Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Fredy Leutert<br />

Stetten<br />

Ruedi Ott<br />

Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Hansjörg Pedrett<br />

ABB Immobilien AG<br />

Ueli Roth<br />

Büro ur<br />

Jürg Stäuble<br />

Heinrich Jäckli AG<br />

Christian Stern<br />

Technikum Rapperswil<br />

Richard Wolff<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/Geografisches Institut<br />

Rainer Züst<br />

<strong>ETH</strong> Zürich/BWI<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

13


<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />

Versuch· einer<br />

wirtschaftlichen Ökostadt<br />

Nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung als Gegenst<strong>and</strong> der Umweltnatllrwissenschaften<br />

Inhalt<br />

1. Einführung<br />

2. Ergebnisse<br />

3. Perspektiven<br />

17<br />

29<br />

38<br />

Autor<br />

Rol<strong>and</strong> W. Sellolz


Einleitung_-:... ---,- _<br />

16 UNS-Fallstudie '96


_______________________'-- '-- Einleitung<br />

1. Einführung<br />

1.1 <strong>Zentrum</strong>·Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN):<br />

Eine gesellschaftliche und<br />

wissenschaftliche Herausforderung<br />

1.1.1 ZZN: Das grösste <strong>Stadt</strong>elltwicklullgsprojekt der<br />

Schweiz<br />

Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) stellt mit geplanten<br />

12'000 Arbeitsplätzen und Wohnungen für 5000 Personen<br />

gegenwärtig das grösste Industrie-Umnutzungsvorhaben<br />

der Schweiz dar. Das 63 Hektaren<br />

umfassende Gebiet liegt in verkehrsstrategisch günstiger<br />

Lage, zwischen Innenstadtkern und Flughafen<br />

Kloten mit Anschluss an den Wirtschaftsraum Glattal<br />

(siehe Abb. 1.1.1.1 und 1.1.1.2). Das Areal grenzt<br />

an den Bahnhof Oerlikon, der mit sechs S-Bahnlinien<br />

und 450 täglichen Zughalten (vgI. Röth, 1996,<br />

S. 2l)eine opt<strong>im</strong>ale Anbindung darstellt. Das Planungsgebiet<br />

in der Grössenordnung eines eigenen<br />

<strong>Stadt</strong>teils ist neben der City und dem Gebiet Hauptbahnhof-Hardbrücke-Altstetten<br />

zu einem von drei·<br />

<strong>Zentrum</strong>sgebieten der <strong>Stadt</strong> Zürich erklärt worden<br />

(Interessengemeinschaft Zürcher Unternehmen<br />

(IZU), 1996, S. 12).<br />

.Im Endausbau ist eine Geschossfläche von<br />

850'000 m 2 vorgesehen, wobei 29% für Wohnen, 33%<br />

für Industrie- und Gewerbe und 38% für Dienstleistungen<br />

geplant sind. Die Investitionskosten bis<br />

zum Endausbau belaufen sich auf eine Grössenordnung<br />

von 2 Milliarden Schweizer Franken (Roth,<br />

1996, S. 24). Den Zielvorstellungen des Entwicklungsleitbildes<br />

der Eigentümergemeinschaft . (vgI.<br />

Ruoss& Siress, 1994, S. 3), des Planers (Roth, 1996)<br />

und des Leitbildes des Vereins zürijüjzg! (1994)<br />

Abb. 1.1.1.1 Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> istein 63 Hektaren grossesAreal zwischen der Zürcher City unddem Flughafen Kloten. Die Fläche istgrijsscr als<br />

der Innenstadtkern undliegt in verkehrstechnischgünstigerLage. Es stellt die grösste von mehreren geplanten Umnutzungen von Industnearealen dar. *,itere<br />

Projekte sinddas Sulzer-Escher Wyss-Areal (1), das Steinfels-Areal (2), das Schöller-Areal(3) sowie der HauptbahnhofSüdwest (Eurogate (4)), wc/­<br />

chervorwiegend eine Überbauungvon Gleisarealen darstellt (Luftbild: Photoswissair).<br />

UNS-Fallstudie '96 17


Einleitung, --'-__-,- _<br />

Abb. 1.1.1.2 Zentrom <strong>Zurich</strong> Area als Baustein der .Gentral European<br />

Business Location Greater <strong>Zurich</strong> Area» (aus ABB, 1996).<br />

folgend, wird <strong>im</strong> .ZZN ein «neuer, lebendiger, der<br />

Öffentlichkeit .allgemein. zugänglicher, weitgehend vom<br />

Privatverkehr befreiter, gemischt genutzter Innenstadtteil<br />

mit intensiver Park- und Alleendurchgrünung» (Roth,<br />

1996,. S. 24) angestrebt. Es h<strong>and</strong>elt sich somit, auch<br />

<strong>im</strong> europäischen Massstab um ein gigantisches Objekt<br />

mit ambitiösen Qualitätszielen, dessen Realisation eine<br />

gesellschaftliche Herausforderung und eine städte­<br />

.bauliche Chance darstellt.<br />

Als gleichermassen ambitiös und umfassend können<br />

die Ziele der UNS-Fallstudie '96 betrachtet werden.<br />

Ihr Ziel ist es, <strong>im</strong> Rahmen der Entwicklung einer<br />

umfassenden ökologische,! Problemlösefähigkeit (siehe<br />

Kap. 1.2 STADTENTWIGKLUNG ALS GEGENSTAND DER<br />

UMWELTNATURWISSENSGHAFTEN;vgl. auch Scholz,1996)<br />

zu einer besseren und umweltgerechteren Gestaltung<br />

des Falls «ZZN» beizutragen. Bevor näher<br />

erläutert wird, was das genauer bedeutet, möchte ich<br />

den allgemeinen Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudie '96,<br />

das Problem/eid <strong>Stadt</strong>entwicklung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Sicht umreissen.<br />

1.1.2 <strong>Stadt</strong> als «Kulmination» menschlicher<br />

Entwicklung: Gefahr und/oder Chance<br />

Im Zusammenhang mit der UNS-Fallstudie '95<br />

«Industrieareal Sulzer-Escher Wyss: Umwelt und<br />

Bauen» (Scholz et al., 1996) haben wir Bauen als<br />

Hauptschlagader menschlicher Energie- und Stoffflüsse<br />

.bezeichnet. Bleibt man bei dieser Metapher,<br />

so ist die <strong>Stadt</strong> als <strong>Zentrum</strong> des stofflichen- und<br />

energetischen anthropogenen Kreislaufsystems ~ als<br />

Herz und Hirn ~ zu betrachten. Sie rückt damit<br />

zwangsläufig in den Mittelpu'nkt der ökologischen<br />

Betrachtung, der Frage nach einer integralen Prozesssteuerung<br />

und der Nachhaltigkeitskonzeption.<br />

Seit Gründung der ersten Städte ca. 7000 Jahre<br />

vor Christus hat sich die Zahl der Menschen in den<br />

letzten 10'000 Jahren um den Faktor 500 vervielfacht<br />

(Hotzan, 1994). Dabei leben über 80 Prozent<br />

der WesteuropäerInnen in städtischen Agglomerationen,<br />

von denen 150 mehr als 1 Million EinwohnerInnen<br />

haben (Cheshire & Hay, 1989; Deelstra, 1992).<br />

In der Schweiz sind heute über fünf Millionen<br />

Menschen in Städten oder Ballungsgebieten und<br />

nur knapp zwei Millionen in ländlichen Gebieten<br />

angesiedelt (Frey, 1996). Die Städte in den hochentwickelten<br />

Ländern sind für den «Löwenanteil» des<br />

Ressourcen- und Energieverbrauchs, der Stoff- und<br />

Abfallawine sowie des Schadstoffausstosses verantwortlich<br />

(vgl. v. Weizsäcker et. al., 1995; Meadows &<br />

Meadows, 1992). Das «Bewusstsein über die Krise<br />

der Städte» ist heute weit verbreitet. «Literatur und<br />

Film betonen vor allem die negativen Aspekte von<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklungund urbanem Leben: Marginalisierung,<br />

Einsamkeit, Zerstörung, Aggression» (Frey,<br />

1996, S. 10). Hierfür gibt es eine Vielzahl von Gründen.<br />

Jedoch zeigen genauere Analysen <strong>im</strong> europäischen<br />

und <strong>im</strong> lokalen Rahmen qualitativ grosse<br />

Unterschiede in den Problemlagen (vgL Stren et al.,<br />

1992; Rossi & Steiger, 1996). Was für Neapel oder<br />

Saloniki wichtig ist (Deelstra, 1992, S.63) braucht<br />

für -ZÜrich und <strong>and</strong>ere Städte keine Bedeutung zu<br />

besitzen. Und die Entwicklungsprobleme sind in<br />

«Villenvierteln» <strong>and</strong>ers gelagert als in ehemaligen<br />

Indtistriequartieren.<br />

In Diskussionen über die Probleme der <strong>Stadt</strong> wird<br />

gelegentlich vergessen, dass eine gesellschaftliche<br />

Reproduktion und Weiterentwicklung ohne Städte<br />

und Agglomerationen undenkbar geworden ist. Um<br />

die Chancen der <strong>Stadt</strong>, ihre wirtschaftlichen, kulturellen<br />

und sozialen Potentiale zu nutzen, müssen<br />

jedoch die ökologischen Grundlagen und R<strong>and</strong>bedingungen<br />

berücksichtigt werden. Dies ist heute<br />

unbestritten und wird unabhängig von gesellschaftlichen<br />

Positionen vertreten. Erkannt wird auch, dass<br />

eine bessere Nutzung der <strong>Stadt</strong> zu einer ökologischen<br />

Opt<strong>im</strong>ierung bzgl. Ressourcenverbrauch beitragen<br />

kann und dass es hier gewisser Regelungen<br />

bedarf. So st<strong>and</strong> auf der lJNO-Konferenz Habit;t<br />

in diesem Jahr neben dem Thema «angemessene<br />

Unterkunft für alle» die Frage der «nachhaltigen<br />

Siedlungsentwicklung in einer urbanisierten Welt»<br />

(Jäggi, 1996, S. 73)<strong>im</strong> Mittelpunkt.<br />

Dort wo der Raum eng wird, bedarf es ordnender<br />

Strukturen. Dort wo die Ressource Erde knapp wird,<br />

ist es wichtig, an best<strong>im</strong>mten Stellen zu opfern und<br />

an <strong>and</strong>eren Stellen zu erhalten. Dies hat Lendi<br />

(1996) in einer Rede über «Das Recht des Lebens-<br />

18<br />

UNS-Fallstudie '96


__-'-_....,- ....,- Einleitung<br />

raumes und die gesellschaftlich-politische Verantwortung<br />

des Bauingenieurs» unter Bezug auf Worte<br />

Albert Schweizers wie folgt beschrieben: Von ihm<br />

(Schweizer) stammt «das liebliche und gleichzeitig<br />

unerhört starke Bild eines Bauern, der seine Wiese<br />

mit ihrer Blumenpracht mähen muss, um seine Tiere<br />

nähren zu können, aber auf dem He<strong>im</strong>weg keine<br />

einzige Blume achtlos zertreten darf...».<br />

Der Weg zu einer ökologisch nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

ist aber keineswegs trivial. In seiner<br />

Schrift «Die Gestalt der postmodernen <strong>Stadt</strong>» stellt<br />

Fingerhuth(l996) fest, dass wir die Kriterien zur<br />

Bewertung der ökologischen Qualitäten von grossen<br />

Städten noch keineswegs kennen. «Auf der Ebene<br />

des Einzelnen, be<strong>im</strong> Bau seines Hauses oder bei<br />

seinem individuellen Verhalten» hingygen «ist die<br />

Suche einfacher. So erscheinen dort viel einfachere<br />

Bilder als bei der <strong>Stadt</strong>entwicklung» (Fingerhuth,<br />

1996, S. XI). Obwohl es schon bei grössere~ Gebäudekomplexen<br />

sehr schwierig wird, Beurteilungsmassstäbe<br />

für Umweltauswirkungen zu definieren,<br />

können hier analytische Instrumente und Synth,esewerkzeuge<br />

wie Ökobilailzen oder Stoffflussanalysen<br />

wertvolle Hilfe bieten. Dies konnte etwa in den<br />

Kapiteln Ökobilanzen oder Biotopfliichenindex des Berichts<br />

zur UNS-Fallstudie '95 «Industrieareal Sulzer­<br />

Escher Wyss: Umwelt und Bauen» (Scholz et al.,<br />

1996) gezeigt werden.<br />

Bei einem Blick aufgrössere bauliche Systeme, wie<br />

etwa den <strong>Stadt</strong>teil <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> oder eine<br />

städtische Agglomeration, sind jedoch Bewertungsmassstäbe<br />

oder gar Instrumente zur Messung von<br />

Nachhaltigkeit (vgl. IDARio, 1995) ungleich schwieriger<br />

zu finden. Hier sind nicht nur «technische<br />

Fertigkeiten» sondern auch <strong>and</strong>ere Aspekte der<br />

ökologischen Problemlösefahigkeit gefordert: das<br />

«ganzheitliche Erkennen von guten bzw. schlechten<br />

Gestalten und Schieflagen».<br />

Das Erkennen von «Gestalten»<br />

ist selbst für das aus<br />

spieltheoretischer Sicht einfach<br />

strukturierte und wohldefinierte<br />

Spiel Schach (vgl. Burger, 1959)<br />

72 Tage<br />

von grundlegender Bedeutung.<br />

Gute SchachspielerInnen gewinnen<br />

ihre Spielstärke bekanntlich<br />

nicht dadurch, dass<br />

sie schneller und mehr rechnen<br />

als ihre GegnerInnen (oder der<br />

Computer). Wichtig ist für sie,<br />

dass Harmonie, Struktur und die 1991<br />

Koordination der Figuren st<strong>im</strong>men<br />

(Karpow, 1996, S. 50).<br />

Der strukturelle ganzheitliche<br />

Aspekt ist für einen sinnhaften<br />

Beitrag der Umweltnaturwissen-<br />

(a)<br />

Durchlaufzeit (Beispiel Transformer)<br />

schaftenzum Fall «ZZN» notwendig. Für eine qualitativ<br />

hochstehende, zukunftsfahige <strong>Stadt</strong> sind neue<br />

Konzepte notwendig. Dies gilt auch· für Zürich,<br />

welches nach Maurer (1996) in der <strong>Stadt</strong>planung<br />

in den 70er Jahren aufgehört habe, neue Ideen zu<br />

entwickeln. Eine neue Idee ist sicher die oben angeführte<br />

Bildung von drei urbanen Zentren in Zürich.<br />

Um zu verhindern, dass Zürich zu einem «unregierbaren<br />

~onster» verkommt, ist eine geplante Untergliederung<br />

in «kleine Städte» sinnvoll, die zum<br />

Beispiel bezogen auf Verkehrserschliessung zu opt<strong>im</strong>ieren<br />

sind. Dies bedarf ~ wie von verschiedener<br />

Seite betont wird (vgl. etwa Koch, 1993) - einer<br />

gewissen Zeit.<br />

1.1.3 Die Rolle von (ehemaligen) Indllstriearealen<br />

Dem richtigen und verantwortungsvollen Umgang<br />

mit Industriebrachen kommt <strong>im</strong> Prozess ökologischer<br />

Problemlösung eine grosse Rolle zu. Nach Schätzungen<br />

(vgl. Schweizer et al., 1994) können in der<br />

Schweiz in den nächsten Jahren 20-40 km 2 einer<br />

neuen Nutzung übergeben werden. Allein <strong>im</strong> Kanton<br />

Zürich gibt es gegenwärtig 36 Areale mit einer<br />

Grundstücksfläche von jeweils über einer Hektare,<br />

die brach liegen oder sich in Uinnutzung befinden.<br />

Zusammen ergeben sie eine Fläche von 1,8 km 2<br />

(Cash, 1996). Grund dafür ist, dass sich heute die<br />

Industriegesellschaft in, den westlichen Ländern<br />

nach knapp zwei Jahrhunderten in einem ähnlich<br />

tiefgreifenden W<strong>and</strong>el befindet, wie er die Industrialisierung<br />

selbst darstellte. Die Miniaturisierung der<br />

.Produktion, schnellere Durchlaufzeiten, Auslagerung<br />

der Produktion in Billiglohnländer, «Outsourcing»,<br />

«Desk-Sharing» usw. haben auch <strong>im</strong> Falle<br />

der Asea Brown Boweri AG (ABB) und der <strong>and</strong>eren<br />

auf dem ZZN ansässigen Industrieunternehmen<br />

zur Freisetzung der Fläehen geführt (Fagetti, 1996;<br />

48 Tage<br />

1996<br />

. (b)<br />

Fertigungstiefe<br />

1960<br />

1996<br />

(c)<br />

Beschäftigte<br />

D .White Collar.<br />

[3 «Blu& Collar»<br />

1960<br />

Abb. 1.1.3.1 Ursachen und Folgen des Freiwerdens von Industriearealen auf dem Gebiet .ZZN».<br />

Verkürzte Durchlaufzeiten (a) und geringere Fertigungstiefe (b) sind zwei wesentliche Faktoren für<br />

weniger Beschäftigte in der industriellen Produktion für die ABB am St<strong>and</strong>ort Zürich (c). Durch neue<br />

Technologien resultieren auch aufder Produktionsseite z.T. Raumeinsparongen um ein bis zwei Zehnerpotenzen<br />

(Quelle: ABB Immobilien AG).<br />

1996<br />

UNS-Fallstudie '96 19.


Eiilleitung --<br />

um 1850<br />

<strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong><br />

Bodennutzung<br />

um 1900<br />

Per<strong>im</strong>eter UNS-Fallstudie<br />

um 1940<br />

um 1970<br />

um 1990<br />

Abb. 1.1.3.2 Bodenverbrauch und Bodennutzung in Zürich <strong>Nord</strong><br />

(Aus Reinfried & R<strong>im</strong>atht, 1995, Geographische Fallstudie der<br />

<strong>ETH</strong>). Dos Areal ZZN war ursprünglich ein Feuchtgebiet. Mit<br />

fortschreitender Industrialisierung wurde es drainiert und mit<br />

Industrieabföllen aufgefüllt. Deutlich erkennbar. ist der rapide<br />

Flöchenverorauch zwischen 1940 und 1970. Eine Umnutzung der<br />

Industrieflöchen ermöglicht eine Reduktion weiteren L<strong>and</strong>verbrauchs.<br />

20<br />

UNS-Fallstudie '96


_____~<br />

Einleitung<br />

Pedrett & Kühni, 1996; vgl. Abb. 1.1.3.1). Nach<br />

Schätzungen können «bis ins Jahr 2005 umgenutzte<br />

Industrieflächen bis zu 50% des geschätzten Neubaubedarfs<br />

von Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen<br />

und Wohnen abdecken.» (IZU; 1996, S. 22). Damit<br />

kann potentiell ein wichtiger Beitrag geleistet<br />

werden, um den seit Anfang der 50er Jahre <strong>and</strong>auernden<br />

Prozess der Bodenversiegelung durch<br />

Bauen zu reduzieren. Berücksichtigt man, dass in der<br />

Schweiz bis Anfang der 90er Jahre jährlich 26 km z<br />

gewachsener Boden der L<strong>and</strong>wirtschaft entzogen<br />

und versiegelt wurde (Heeb et. al., 1990; vgl. Abb.<br />

1.1.3.2) und dass sich dieser Prozess durch die<br />

gegenwärtige Rezession etwas verlangsamt hat, so<br />

bieten die freiwerdenden Industrieflächen auch<br />

mittelfristig eine gute Chance. Gefragt ist hier eine<br />

haushälterische Bodennutzung, bei welcher einem<br />

Flächenrecycling eine zentrale Rolle zukommt (vgl.<br />

Abb. 1.1.3.3).<br />

Der Umgang mit ehemaligen Industriearealen ist<br />

ein Gradmesser für das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein<br />

einer Gesellschaft. Industrieflächen<br />

wie das ZZN-Areal sind seit jeher Senken<br />

für Schadstoffe gewesen.' Teils aus Unwissen,<br />

Unachtsamkeit und Bequemlichkeit oder aber um<br />

Kosten zu sparen, wurden Abfälle aus der Produktion<br />

unkontrolliert auf dem ehemaligen Feuchtbiotop<br />

Stierenried abgelagert (siehe Kap. ALTLASTEN), die<br />

Abb.l.l.3.3 Das Flächenrecyclingvon Industriearealen bietet<br />

eine gute Chance für eine Reduktion des Bodenverbrauchs.<br />

Leider wird diese Möglichkeit häufig vergeben. Die Abb. zeigt<br />

ein typisches negatives Beispiel aus Bitterfeld (Sachsen­<br />

Anhalt). Ein neues Chemiewerk wurdehier1991 aufökologisch<br />

we11Volle Flächen in die Wiesen undAuenl<strong>and</strong>schaftderMulde<br />

.gesetzt. In unmittelbarer Nähe befinden sich mehrere Dutzend<br />

Hektaren Industriebrachen, die nun vermutlich grösstenteils<br />

langfristig ungenutzt bleiben werden (Luftbild: L<strong>and</strong>esamtf<br />

L<strong>and</strong>esvermessung u. Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt).<br />

UNS-Fcillstudie '96<br />

21


Einleitung_~ ....:... .........;. _<br />

Abb.l.l.3.4 EinzusätzlicherRaumverbrauch<br />

konnte bei der Errichtung<br />

der neuen Büro- und Produktionsanlagen<br />

TORO I und II pemindert<br />

werden. Als «Preis. musste dafür eine<br />

Altlastensanierung bzw. -sicherung<br />

«bezahlt. werden. Trotz der Altlastenproblematik<br />

konnte TORO I in<br />

der Rekordbauzeit von 18 Monaten<br />

erstellt werden (Bild: Michael Meier).<br />

heute als Altlasten zu beseitigen sind. Hinzu kommen<br />

Emissionen von Kohlenwasserstoffen, Schmierund<br />

Lösungsmitteln usw. an den St<strong>and</strong>orten der<br />

Anlagen. Im <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> umfasst das<br />

Altlasrendepot eine bis zu sechs Meter mächtige<br />

Schicht mit etwa 350'000 m3.<br />

Die Flächenentwicklung der Städte führte vieler~<br />

orts dazu, dass ehemals an den Siedlungsrändern<br />

erstellte Industrieanlagen heute in zentrumsnahen<br />

<strong>Stadt</strong>bereichen liegen. Sie besitzen Gleisanschlüsse<br />

und liegen in relativer Nähe zu den grossen Bahnhöfen.<br />

Deshalh ist es kein Zufall, dass heute in<br />

vielen Grossstädten «hi'mer dem Bahnhof aufgeräumt<br />

wird».<br />

Be~in<br />

Zürich<br />

Hamburg<br />

Düsseldarfliii~:=J~~~l~~j~~J<br />

München<br />

Frankfurta. M.<br />

Vancoulier<br />

Mantraal·<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />

Leerst<strong>and</strong>squole<br />

Abb. 1.1.4 Leerst<strong>and</strong>squoten von Büroflächen in ausgewählten Städten,<br />

1994. Die Leerst<strong>and</strong>squote in der <strong>Stadt</strong> Zürich befindet sich international<br />

aufleicht unterdurchschnittlichem Niveau. Jedoch zeigen sich in der <strong>Stadt</strong><br />

und <strong>im</strong> Kanton lokal unterschiedliche Schwankungen. Der <strong>Stadt</strong>teil Oerlikon<br />

liegt gegenwärtig <strong>im</strong> Durchschnitt (vgl. IZU, 1996, S.ll). Interessant<br />

sindauch die Schwankungen der Immobilienpreise <strong>im</strong> internationalen Wirgleich.<br />

Währendetwa die Geböudewerte in Luxemburg undParis in der Zeit<br />

von Juni 95 bis Juni 96 <strong>im</strong> Durchschnitt zwischen 10 bis 15 Prozent<br />

gesunken sind, finden sich in Amsterdam und Stockholm <strong>im</strong> gleichen Zeitabschnitt<br />

Steigerungen um über 10 Prozent (Jones et al., 1996).<br />

Durch ihre Lage Und Erschliessung ermöglichen<br />

. diese Areale die Umsetzung neuer, umweltverträglicher<br />

Verkehrskonzepte (vgl. Brändli & Bollinger,<br />

1996)~ Eine Senkung der mobilitätsbedingten Emissionen<br />

wird jedoch besser durch eine geeignete<br />

räumliche Struktur, durch «Kon-jigur-ation» von Arbeiten,<br />

Wohnen und entsprechenderInfrastruktur erreicht,<br />

d.h. durch avai/abi/ty instead of mobi/ity. Schliesslich<br />

erlaubt die Neugestaltung von Industrieflächen<br />

stellenweise eine Revitalisierung von versiegeltem<br />

L<strong>and</strong>.<br />

1.1.4 ZZN: Konlnrrrenzobjekt, wirtschaftlicher Motor<br />

und Schlüssel für eine ökologische Opt<strong>im</strong>ierung<br />

Die Entwicklung des ZZN steht lokal und global<br />

in einem Konkurrenzkampf um NutzerInnen und<br />

Investorlnnen.. Der fundamentale Strukturwa'ndel<br />

in Produktion und Wirtschaft hat zu einem Überangebot<br />

an Nutzflächen geführt. In allen westlichen<br />

Industrieländern sind erhebliche Überkapazitäten an<br />

Werkhallen, Fabrikhallen und insbesond~rean Büros<br />

vorh<strong>and</strong>en (vgl. Abb. 1.1.4).<br />

In der <strong>Stadt</strong> Zürich liegen weit über die Hälfte der<br />

leerstehenden Flächen in den sogenannten Industriezonen.<br />

Hinzu kommen· Grossprojekte in Warteposition<br />

(vgl. auch Abb.1.1.L1): Gegenwärtig befinden<br />

sich neben dem ZZN ein Teil des Sulzer-Escher<br />

Wyss-Areals mit einer Bruttogeschossfläche (BGF)<br />

von rund 180'000 m Z und der HauptbahnhofSüdwest<br />

(Eurogate) mit 242'000 m Z BGF in der Planung. In<br />

dem <strong>im</strong> Jahre 1990fertiggesteUten Technopark konnte<br />

erst etwas mehr als die Hälfte der über 50'000 m Z<br />

vermietet werden. Andere Grossprojekte, wie die<br />

22 UNS-Fallstudie '96


______________________________....,... --'-_....,... Einleitung<br />

Abb. 1.1.5 Die Riege der traditionellen <strong>Stadt</strong>entwicklung hoben sich bis anhin in grondsiitzlichen Fragen des Mitein<strong>and</strong>ers von Natur, sozialen Bedürfnissen<br />

undbaulicher Verdichtung als wenig nachhaltigerwiesen. Das «Zentrom Zürich <strong>Nord</strong>» als Versuch einer wirtschaftlichen Ökostadthathier die Chance,<br />

als Modellfür neue Vorstellungen und Visionen entwickelt zu werden (Bild: veriindert nach Horst Haitzinger).<br />

UNS-Fallstudie '96 23


Einleitung -.,..__-'- _<br />

Überbauung des Schöller-Areals befinden sich in<br />

teilweise fortgeschrittenen Phasen der Planung.<br />

Bei, diesem Marktangebot kÖ,nnte der Schluss<br />

naheliegen, dass ökologische Anliegen auf der<br />

Strecke bleiben müssen. Wie die Ausführungen in<br />

diesem B<strong>and</strong> zeigen, h<strong>and</strong>elt es sich dabei um einen<br />

Fehlschluss. So kommt die von der Interessengemeinschaft<br />

Zürcher Unternehmen durchgeführte<br />

Marktanalyse über Leerst<strong>and</strong>srisikenzu der These:<br />

«Die härteren Marktbedingungen <strong>im</strong> Immobiliensektor<br />

führen zu höheren Anforderungen an die<br />

angebotenen Objekte...» (IZU, 1996, S. 25). Wie bereits<br />

in der Fallstudie '95 zum «Industrieareal Sulzer­<br />

Escher Wyss» abgeleitet wurde und durch Markterfahrungen<br />

mit diesem Objekt bestätigt werden<br />

konnte, besitzen Objekte nur dann eine gute unddauerhafte<br />

Marktchance, wenn sie ökologische Gesichtspunkte<br />

. beachten undeine gewisse ökologische Qualität nachweisen<br />

können.<br />

1.1.5 Die wirtschaftliche Ökostadt «ZZN» als Vision<br />

Die ABB-Schweiz hat sich bereits vor einigen Jahren<br />

(Badener Tagblatt, 1993) zur systematischen Einbeziehung<br />

ökoiogischer Aspekte bei der Umgestaltung<br />

ihrer Industrieareale bekannt. Im Zusammenhang<br />

mit Überlegungen zur Neugestaltung der Industrieareale<br />

in Baden wurde die Vision der wirtschaftlichen<br />

Ökostadt geprägt. Unter der wirtschaftlichen Ökostadt<br />

ist eine neue Qualität von <strong>Stadt</strong> und gesellschaftlicher<br />

Praxis zu verstehen. In ihr gibt es, neben<br />

gewissen Fixpunkten für Wohnen, Arbeiten und<br />

Öffentlichkeit, Platz für alle Bedürfnisse einer'<br />

«neuen, eigentlich wiederentdeckten Einheit von<br />

Arbeits-, Wohn- und Lebensraum» (vgI. auch Abb.<br />

1.1.5). «In der Ökostadt drücken die Umweltbewussten<br />

der <strong>Stadt</strong> den Stempel auf. Ziel ist die konsequente'<br />

und effiziente Erhöhung der urbanen<br />

Lebensqualität mit technischen, organisatorischen<br />

und wirtschaftlichen Massnahmen. Über unkonventionelle<br />

Verkehrslösurigen wird nicht nur geredet; sie<br />

werden auch auf breiter Front verwirklicht.» (Frey,<br />

1996, S. 19).<br />

Um diese Einheiten auf die Zielsetzung der<br />

Nachhaltigkeit auszurichten und' die Vision der<br />

wirtschaftlichen Ökostadt zu realisieren, «braucht es<br />

Unternehmen, die sich zu einem umwelt- und ressourcengerechten<br />

Wachstum verpflichten» (Sornm,<br />

1996) und die wirtschaftlichen Vorteile nut'zen, die<br />

sich aus einer umweltverträglichen Produktions- und<br />

Lebensweise ergeben können. Dies ist von der ABB<br />

auch auf internationaler und nationaler Ebene durch<br />

einschlägige Erklärungen erfolgt: «Eco-efficiency<br />

combines ecology <strong>and</strong> economy <strong>and</strong> translates the<br />

vision of, sustainable development into a process of<br />

continually <strong>im</strong>proving both environmental perfor-<br />

mance <strong>and</strong> business performance...» (ABB, 1996,<br />

S.5). Aus diesen Aussagen wird klar, dass Umweltqualität<br />

wirtschaftlich genutzt werden kann, und<br />

Eco-efficiency als ein zukunftsweisendes dynamisches<br />

«Marketingkonzept» dienen kann. Bezüglich der<br />

Umsetzung dieses visionären Ansatzes hat sich in<br />

der. Fallstudienarbeit bestätigt, was von Somm (in<br />

Pfister, 1992) schon früh erkannt worden war: nämlich,<br />

dass der Prozess in Zürich-Oerlikon insofern<br />

'erschwert wird, als die ABB hier nur rund 50%<br />

der Grundfläche besitzt und nicht von allen <strong>and</strong>eren<br />

Eigentümerlnnen der gleiche Typ von zeitgemässer<br />

Unternehmenspolitik betrieben wird.<br />

1.2 ' <strong>Stadt</strong>entwicklllng als Gegenst<strong>and</strong><br />

der Umweltnatllrwissenschaften:<br />

Ein Missverständnis?<br />

Bei der Vorstellung der Themen der UNS-Fallstudie<br />

'95 «Umwelt und Bauen» des Vorjahrs sowie der<br />

diesjährigen Fallstudie bin ich wiederholt auf deutlich<br />

sichtbare Reaktionen gestossen, die von leichter<br />

Überraschung bis zu konsterniertem Unverständnis<br />

reichten. Deshäufigeren bin ich ~odann mit der<br />

Bemerkungen konfrontiert worden: «Bauen und<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklungseien ja wohl nicht die typischen<br />

Gegenstände der Umweltnaturwissenschaften... ».<br />

Solche Aussagen signalisieren einigen Klärungsbedarf.<br />

Ich habe einige Zeit gebraucht, um plausible<br />

Erklärungen für die zu beobachtende Überraschung<br />

zu finden. Heute bin ich überzeugt, dass dem in<br />

der Aussage sichtbar werdenden Unverständnis eine<br />

unglückliche Verkürzung oder gar Torsion des Wortes<br />

«Umweltnaturwissenschaften» zugrunde liegt.<br />

«Umweltnaturwissenschaften» wird offenbar zur<br />

«Wissenschaft von Umwelt und Natur» uminterpretiert,<br />

wobei es wahrscheinlich erscheint, das die<br />

Interpretation mit einem verengten Begriff von<br />

Umwelt und einem verklärten Naturverständnis einhergeht.<br />

Dabei müssen sich die Umweltwissenschafterlnnen<br />

gleichermassen wie UmweltschützerInnen<br />

(Walljasper, 1995) «an die eigene Nase packen». Es<br />

ist bezeichnend, dass in dem umfangreichsten H<strong>and</strong>buch<br />

der interdisziplinären «Umweltwissenschaften<br />

und Umweltmanagement» (O'Riordan, 1994/1995)<br />

<strong>Stadt</strong> und urbane Entwicklung nicht beh<strong>and</strong>elt werden<br />

oder in der letztjährigen Fallstudie zum «Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss» keine lJmweltschutzverbände<br />

ausfindig gemacht werden konnten, die sich<br />

der Revitalisierung von Industriebrachen widmeten.<br />

Wie lassen sich nun aber Ziel und Gegenst<strong>and</strong><br />

der Umweltnaturwissenschaften und der UNS-Fallstudie<br />

beschreiben und was bedeuten sie für die<br />

Fallstudie «ZZN: <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>»?<br />

24<br />

UNS·Fallstudie '96


__,--- ---.,..._--'--'- .,..- --'- ---'- Einleitung<br />

-Ein Hauptziel der Umweltnaturwissenschaften in<br />

Forschung und Lehre bildet die ökologische Problemlösejähigkeit<br />

(vgl. Frischknecht, 1994; Imboden, 1995,<br />

S; 5). Diese wird wie folgt umschrieben:<br />

«Die Ausbildung vermittelt die Fähigkeit, ausgehend<br />

von einer naturwissenscbaftlichen Analyse<br />

der Systeme Wasser, Boden und Luft, die Wechselwirkungen<br />

zwischen diesen Systemen und<br />

der Biosphäre und Anthroposphäre zu verstehen.<br />

Dabei werden die ökologischen Nebenfolgen<br />

menschlicher Aktivitäten und Technologien mitbedacht.<br />

Dies erfordert eine jnterdisziplinäre<br />

Arbeitsweise, die neben den Naturwissenschaften<br />

auch Sozial- und Geisteswissenschaften<br />

sowie die Umwelttechnik einschliesst. Eine besondere<br />

Qualifikation besteht in der Kommunikationsfähigkeit,<br />

die sich vor allem <strong>im</strong> Umgang<br />

. mit Betroffenen <strong>im</strong> Falle von Zielkonflikten bewährt.»<br />

Die umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliche<br />

Fallstudie ist der Kern des Hauptstudiums.<br />

Zentral für die Ausrichtung und Themenwahl der<br />

Fallstudie ist die Zielvorgabe:<br />

«Die UNS-Fallstudie beschäftigt sich mit einem<br />

realen, komplexen Problem, bei dem Umweltfragen<br />

zentral sind. Wichtig ist, dass sich die<br />

Problemstellung der Fallstudie nicht mit einem<br />

einfachen Ja oder Nein beantworten oder mit<br />

einem bekannten Lösungsalgorithmus bearbeiten<br />

lässt. Fallstudien beh<strong>and</strong>eln somit sogenannte<br />

«ill-defined problems» (siehe Abb. 1.2).<br />

Aufgabe<br />

Ausgangs- und Zielzust<strong>and</strong> be­<br />

_kannt, Anwendung bekannter<br />

Problemlösemechanismen.<br />

Problem<br />

Bekannter bzw. eindeutig<br />

definierter Ausgangs- und<br />

Zielzust<strong>and</strong>, zur Problemlösung<br />

müssen teilweise neue<br />

Methoden entwickelt werden.<br />

III-defined Problem<br />

Der Ausgangszust<strong>and</strong> kann nur<br />

vage beschrieben werden, das<br />

Ziel ist nicht vollständig bzw. eindeutig<br />

beschreibbar, und es ist<br />

häufig nicht klar, welcher Typ<br />

von Barriere zu überwinden ist.<br />

Anwendung bekannter<br />

Lösungsmechanismen<br />

/\/\<br />

/L\~<br />

• '/ V'"<br />

J J-<br />

, Barriere}<br />

Abb. 1.2 Wesentlich für die ökologische Problemlösefähigkeit ist der Umgang mit .ill-defined<br />

Problems». Das Problem .<strong>Stadt</strong>entwicklung» istein typisches Beispieldafür. Wir wissen nichtgenau,<br />

was unterdem Zielzust<strong>and</strong>, d.h. einer.nachhaltigen <strong>Stadt</strong>» zu verstehen ist, wirkennen den Typ von<br />

Barriere, der zu überwinden ist, um eine.nachhaltige Siadt» zu erreichen, nicht genau. Schliesslich<br />

isthäufig schon der Ausgangszust<strong>and</strong> nicht schaifeifassbar, d.h. wir wissen nicht genau, wie.nachhaltig»<br />

oder.unnachhaltig». eine best<strong>im</strong>mte <strong>Stadt</strong> ist.<br />

<strong>Stadt</strong>en'twicklung ist als idealer Gegenst<strong>and</strong> für<br />

eineUNS~Fal1studiezu betrachten. Die <strong>Stadt</strong> steht<br />

als anthropogenes System mitden Umweltsystemen<br />

Wasser, Boden und Luft in kritischen Wechselbeziehungen<br />

(s.o.). Durch die Art und Weise der <strong>Stadt</strong>gestaltung<br />

werden Flächenversiegelung, Mobilität und<br />

Lebensräum:e von Tieren und Pflanzen best<strong>im</strong>mt.<br />

Die Zielgrösse sustainable city umfasst die Konzeption<br />

der healthy city (vgl. Oe Weerdt et al., 1996, S. 299ff;<br />

WHO, 1988) und damit Fragen zu Mensch-Umwelt­<br />

Beziehungen, wie sie in der Umwe!thygiene beh<strong>and</strong>elt<br />

werden. Die Auswirkungen der <strong>Stadt</strong> auf Umwelt<br />

und Mensch sind jedoch nicht nur absolut, sondern<br />

relativ zu betrachten. Die Frage, wieviel <strong>Stadt</strong>unsere<br />

Umwelt verträgt, um ihre Zukunftsfähigkeit zu bewahren<br />

(oder wiederzuerlangen) ist nicht neu (vgl.<br />

Vester, 1988), jedoch nach wie vor von wachsender<br />

Bedeutung. Die Zukunft von hochverdichteten Räumen,<br />

etwa dem Schweizer Mittell<strong>and</strong>, ist entscheidend<br />

von der Planung des menschlichen Lebensraums<br />

in den Städten abhängig. Umweltnaturwissenschaftliche<br />

Fragestellungen betreffen hier sowohl<br />

die Erfassung, die Bewertung und die Steuerung von<br />

Umwe!tsystemen. Durch Fragen wie:<br />

«Was müssen wir wissen und welche Daten müssen wir<br />

erheben, um eine Aussage darüber machen zu können, wie<br />

unnachhaltig oder nachhaltig ein System ist?» oder «Wieviel<br />

Natur verträgt oder benötigt eine <strong>Stadt</strong>?» werden<br />

typische umweltnaturwissenschaftliche Forschungsfragen<br />

definiert.<br />

Die in dieser Fallstudie <strong>im</strong> Mittelpunkt stehenden<br />

Fragen der Bewertung von Umwe!tqualitäten erfordern<br />

die Verbindung von sozial- und naturwissenschaftlichen<br />

Methoden,<br />

wie sie für die UNS-Fallstudien<br />

typisch sind (vgl. Scholz & Tietje,<br />

1996). Ein besonders schwieriges<br />

und mit der Bewertungsfrage verknüpftes<br />

«ill-defined problem» ist<br />

durch die Zie!dejinitiQn und Zie!­<br />

erreichung gegeben (siehe Abb. 1.2).<br />

So wissen wir heute nicht genau,<br />

wie eine nachhaltige <strong>Stadt</strong> aussieht.<br />

Auch wissen wir nicht, aufweichen<br />

Typ von Barriere wir treffen, um<br />

eine nachhaltige'<strong>Stadt</strong> zurealisieren.<br />

Bedarf es zusätzlichen naturwissenschaftlichen<br />

.Wissens oder<br />

neuer Technologien um Nachhaltigkeit<br />

zu erreichen, oder liegt der<br />

Schlüssel zu einer Zukunftsfähigkeit<br />

in den Sozialen Systemen?<br />

Die UmweltnaturwissenschafterInnen<br />

werden in Ihrem Studium<br />

auf den Umgang mit «ill-defined<br />

problems» vorbereitet. Im Mittel-<br />

UNS-Fallstudie '96 25


Einleitung -'--- _<br />

Theorie der fallstudie<br />

Kosten'l.2 Die TrägerInnen der Follstut/.ie.<br />

punkt der Ausbildung steht der Umgang mit komplexen<br />

Umweltsystemen. Die Ausbildung beinhaltet<br />

neben naturwissenschaftlichen Grundlagen und der<br />

Ausbiidung <strong>im</strong> Umgang mit komplexen Systemen<br />

schon ab dem ersten Semester sozialwissenschaftliche<br />

Inhalte und Methoden; Darüber hinaus sind<br />

UmweltnaturwissenschafterInnen als Spezialisten<br />

für Stoff- und Energieflüsse und deren Bewertung<br />

sowie für bioökologische Qualität zu .betrachten<br />

(genauere Angaben zum Studiengang finden sich <strong>im</strong><br />

Kap. ORGANISATION und in Frischknecht, 1996).<br />

Das Thema «ZZN: <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>, Bausteine<br />

für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung» wurde für<br />

die Zielsetzungen der Fallstudie und die Entwicklung<br />

der ökologischen Problemlösefähigkeit als geeignet<br />

befunden (vgI. Unterkap. 1 ZIELSETZUNG <strong>im</strong><br />

Kap. ORGANISATION). Mitausschlaggebend war das<br />

Interesse und die Bereitschaft von einigen Hauptakteuren<br />

des Falls, in einen kooperativen Prozess<br />

zu treten. So wurde von einigen EigentümerInnen<br />

(insbesondere derABB), der,<strong>Stadt</strong> Zürich sowie dem<br />

Vereinzürifüfzg! schon früh signalisiert, dass sie an<br />

dem in der Fallstudie angestrebten Typ der Kooperation<br />

von Wissenschaft und Praxis interessiert seien<br />

und sich durch die Zusammenarbeit eine gegenseitige<br />

Kompetenzerweiterung versprechen.<br />

1.3 Wissensintegration: Theorie, Methodik,<br />

Organisation und Architektur<br />

. ,<br />

Die UNS-Fallstudie ist zugleich Gegenst<strong>and</strong> und<br />

Instrument der Entwicklung der ökologischen Problemlösefähigkeit.<br />

Als Instrument besitzt sie eine<br />

• Theorie,<br />

• Methodik und<br />

• Organisation.<br />

Die Theorie der Fallstudie wurde zu Beginn derNeugestaltung<br />

der Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften<br />

<strong>im</strong> Jahre 1993 zunächst in Form<br />

von allgemeinen Prinzipien formuliert. Diese Prinzipien<br />

stellen Grundsätze der- Erkenntnisgewinnung,<br />

der Methodik und der Arbeitsweise dar, die in den<br />

UNS-Fallstudien angew<strong>and</strong>t werden sollen. Die wichtigsten<br />

lauten:<br />

PI Erhaltung der Komplexität und Ganzheitlichkeit des<br />

Falls,<br />

P2 Erkenntnisgewinnung durch Rekonstruktion der Veränderung,<br />

P3 Integration von Wissen aller Beteiligten an der Fallstudie.<br />

Eine ausführliche Beschreibung dieser und weiterer<br />

Prinzipien findet sich in Scholz (1995) sowie Scholz<br />

& Frischknecht (1995).<br />

Methoden der fallstudie<br />

Die Methoden der Fallstudie 'stellen Verfahren der<br />

Wissensintegration dar, welche in den sogenannten<br />

Synthesegruppen angew<strong>and</strong>t wurden (vgI. Kap. ORGANI­<br />

·SATION). Wir unterscheiden vier verschiedene Typen<br />

von Wissensintegration:<br />

a)Integration von Wissen verschiedener wissenschaftlicher<br />

Disziplinen (d.h. Interdisziplinarität),<br />

b)Wissen über verschiedene Umweltsysteme(d.h.<br />

systemische Ganzheitlichkeit),<br />

c)Wissen aus verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen,<br />

d)verschiedene Qualitäten von Wissen, die in einem<br />

Individuum oder in Gruppen der Gesellschaft<br />

vorh<strong>and</strong>en sind (z.B. Integration von intuitivem<br />

und analytis~hemWissen).<br />

Die Methoden wurden teils eigens für die Fallstudie<br />

entwickelt oder weiterentwick~lt, teils aus dem<br />

Best<strong>and</strong> interdisziplinärer umweltwissenschaftlicher<br />

Methoden adaptiert, teils übernommen aus dem<br />

Reservoir natur- und ingenieurwissenschaftlicher<br />

Methoden sowie aus den Sozialwissenschaften und'<br />

dem Projektmanagement. Das Inventar umfasst,<br />

ausgehend von der naturwissenschaftlichen beobachtenden<br />

und exper<strong>im</strong>entellen Datenanalyse, die<br />

Modellentwicklung (Systemdynamische Modelle,<br />

Stoffflussanalyse, Ökobilanzierung), die Statistik,<br />

Sensitivitäts- und Fehleranalyse, etc. bis zu den<br />

sozialwissenschaftlichen Umfragetechniken. Als spezifische<br />

Fallstudienmethoden betrachtet werden die<br />

• Formative Szenarioanalyse<br />

• Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

• Multiattributive oder Multikriterielle Entscheidungstheorie<br />

(MAUT)<br />

• Risiko-H<strong>and</strong>lungs-Modell<br />

26<br />

UNS-Fallstudie '96


------- ~----------------_----~-Einleitung<br />

• Ideenwerkstatt<br />

• Synthese-Moderations-Techniken.<br />

Eine ausführliche Darstellung der Methoden findet<br />

sich in Scholz & Tietje (1996).<br />

Das Methodenspektrum wird fortlaufend erweitert<br />

und verändert, einzelne Methoden werden auf ganz<br />

verschiedenen Ebenen genutzt (z.B. Systemdynami­<br />

, sche Modellierung als Hard Modelzur Wasserhaushaltsmodellierung<br />

sowie als Soft Model zur Quantifizierung<br />

von Einflussgrössen einer Szenarioanalyse).<br />

Nach meinem Ermessen besteht die Errungenschaft<br />

und Chance der Fallstudienarbeit gerade in<br />

der Fokussierung auf die methodengeleitete Syntheseleistung.<br />

Arbeitseinheit in der Fallstudie ist die<br />

Synthesegruppe, die aus ca. 20 Studierenden und fünf<br />

, FachtutorInnen besteht. Da jede Synthesegruppe<br />

sich auf einen eigenen thematischen Schwerpunkt<br />

(z.B. Altlasteri) bezieht, wird ihre Aufgabe als fallbezogene<br />

Teilsynthese unter gesamtheitlichem Aspekt bezeichnet.<br />

Organisation der fallstudie<br />

Die Organisation der, Fallstudie besteht aus einer<br />

Aufbauorganisation (siehe Abb. 1.2 <strong>im</strong> Kap. ORGANI­<br />

SATION) und einer Ablauforganisation der Fallstudie.<br />

An dieser Stelle beziehe ich mich nur auf die Untergliederung<br />

von Synthesegruppen und Teilprojekten.<br />

Um die Studierenden inhaltlich nicht zu überfordern<br />

und da eine Teamarbeit mit 126 Studierenden und<br />

28 TutorInnen den Beteiligten keine genügende<br />

Gruppenidentifikation (


Einleitung__~<br />

_<br />

/~aChhalt;gkelt~<br />

Bewertungen<br />

(Soziale)<br />

Prozesse<br />

Abb. 1.3.2 Das Konzept Nachhaltigkeit diente in der UNS-Fallstudie '96<br />

als «Leitste17l». Um Nachhaltigkeit zu erreichen, bedarf es geeigneter<br />

Bewertungen und der Opt<strong>im</strong>ierung von (sozialen) Prozessen. Dies waren<br />

zentrale Gegenstände der Fallstudienarbeit.<br />

realisiert werden, wenn das gegenwärtig für komplexeSysteme<br />

- wie das System <strong>Stadt</strong> - bestehende<br />

Bewertungsdilemma gelöst wird. Die UNS-Fallstudie<br />

soll, bezogen auf den Fall «ZZN», Grundlagen und<br />

Ergebnisse zu einer besseren Bewertung von nachha/tiger<strong>Stadt</strong>qualität<br />

liefern.<br />

Ein zweiter Hebel der UNS-Fallstudie sind die<br />

sozialen Prozesse. Es wird davon ausgegangen, dass<br />

subopt<strong>im</strong>ale Konfliktlöseprozesse schlechte .Entscheidungen<br />

mit ungünstigen Auswirkungen auf die<br />

Umwelt zur Folge haben.<br />

1.4 In welchem Sinne ist die Fallstudienarbeit<br />

wissenschaftlich?<br />

Als vor drei Jahren einige Kollegen und ich mit der<br />

Neugestaltung der umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Fallstudie begannen, war klar, dass die Arbeitsweise<br />

der klassischen Natur- und Sozialwissenschaften für<br />

ein Verständnis und die Lösung komplexer Umweltprobleme<br />

nicht ausreicht. Die Suche nach neuen<br />

Wegen führte zur Fallstudienmethodik (den Metho-<br />

.den der Wissensintegration), welche. eine wirkliche .<br />

interdisziplinäre Arbeit erlaubt. Gleichermassen<br />

wichtig für eine erfolgreiche Fallstudienarbeit ist<br />

jedoch ein gutes und tiefes Verständnis des' Falls<br />

in seiner Gesamtheit. Nun ist es eine Illusion zu<br />

glauben, einE ProfessorIn oder einE FallstudienstudentIn<br />

könnte dieses Wissen <strong>im</strong> Eilverfahren<br />

erwerben. Sieben Jahre Planungsgeschichte (vgl.<br />

ABB, 1996) oder eine Lebenserfahrung <strong>im</strong> Gebiet<br />

Oerlikon lassen sich nicht <strong>im</strong> «Crashkurs» vermitteln.<br />

Dies verlangt neue Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen Theorie und Praxis; wie es mit der «Träger­<br />

Metapher» zum Ausdruck kommt. Wichtig ist, dass<br />

die TrägerInnen aus Wissenschaft und Praxis sich mit<br />

demselben Fall beschäftigen. Dies bedeutet jedoch<br />

nicht, dass der Gegen~t<strong>and</strong> der Tätigkeit identisch<br />

ist. .<br />

• Die wissenschaftliche Tätigkeit ist auf den Gegenst<strong>and</strong><br />

Nachhaltigkeit oder ökologische Problemlösung<br />

ausgerichtet, diese gilt es fallbezogen zu definieren<br />

und Wege zu formulieren, wie man diese erreichen<br />

kann. Eine erfolgreiche Wissensproduktion<br />

. ist demnach/«hochkontextualisiert» (vgl. Gibbons<br />

et al., 1994). Der/die Umwe!tnaturwissensch4terIn ist<br />

somit <strong>im</strong> Bearbeitungsprozess eng mit dem Fall<br />

verbunden, ohne (<strong>im</strong> engeren Sinne) Entscheidungen<br />

zu fällen, die für den Fall von Bedeutung sind.<br />

Dies ist Aufgabe der rechtlich und demokratisch<br />

dafür legit<strong>im</strong>ierten Personen.<br />

• Die Tätigkeit der Akteure des Falls ist auf die Realisation<br />

von Entscheidungen ausgerichtet. Entscheidungen<br />

und Vorschläge werden danach bewertet,<br />

inwieweit sie eigene Interessen erfüllen. Dabei<br />

besitzen die Akteure des Falls unterschiedliche<br />

Raum-Zeit-Bezüge. Während das Interesse der<br />

Eigentümerlnnen auf die eigenen Parzellen ausgerichtet<br />

ist und beendet ist, wenn das Grundstück<br />

verkauft worden ist, haben <strong>and</strong>ere Akteure<br />

(z.B. Ämter der <strong>Stadt</strong>) grössere Zeit..: und Raumhorizonte<br />

<strong>im</strong> Auge zu haben.<br />

Indem akademische FallstudienträgerInnen und die<br />

AkteUre des Falls auf allgemeiner Ebene unterschiedliche<br />

Gegenstände definieren werden, wird<br />

forschungsmethodologisch ein wichtiger Unterschied<br />

zur Aktionsforschung der frühen siebziger Jahre definiert<br />

(vgl. auch Fuchs-Heinritz et al., 1994).<br />

Die" umweltnaturwissenschaftliche Arbeit unterscheidet<br />

sich grundsätzlich von der traditionellen<br />

disziplinären und insbesondere von der naturwissenschaftlichen<br />

Arbeit; für sie gibt es nur wenige Vorbilder<br />

bzw. Anhaltspunkte. Erkenntnistheoretisch<br />

zeigt die UNS-Fallstudieriarbeit Ähnlichkeiten mit<br />

der Bedeutung der Fallstudie in der Medizin (Sacks,<br />

1991) und der «nichtformalistischen» Rechtswissensch4t<br />

(vgl. Muntjewerff, 1994; Scholz, 1995). .<br />

Arbeitsweisen, wie sie in der Theorie, Methodik und<br />

Organisation der Fallstudie umrissen werden und mit<br />

der UNS-Fallstudie verwirklicht worden. sind, be-<br />

28<br />

UNS-Fallstudie '96


__~<br />

sitzen aper aus wissenschaftssoziologischer Sicht<br />

(Gibbons et aI., 1994) nicht nur ihre Berechtigung,<br />

sondern werden als Typ der Forschung der Zukunft<br />

beschrieben. Gibbons et aI. (1994) bezeichnen in<br />

ihrem Buch The new production of knowledge diesen<br />

Typ von Wissenschaften als Mode 2. Dieser Mode<br />

soll die klassische, disziplinäre Forschung (den sog.<br />

Mode 1) nicht ablösen, sondern ergänzen. Mode 2­<br />

Forschung stellt einen neuen Typ' der Kommunikation<br />

und Interaktion zwischen Theorie und Praxis<br />

dar, die sich durch die Problemlagen der Gesellschaft<br />

best<strong>im</strong>men, bei der Aspekte wie «Social Accountability<br />

<strong>and</strong>. Reflexivity» eine grosse Bedeutung<br />

bekommen und bei der <strong>and</strong>ere Gütekriterien als in<br />

der traditionellen Forschung existieren (Gibbons et<br />

aI., 1994, S. 8).<br />

2. Ergebnisse<br />

2.1 Für den Fall: Von Orientierungen<br />

zum Net Present Value<br />

Einleitung<br />

Die Ergebnisse der Fallstudie liegen auf verschiedenen<br />

Ebenen. Zu unterscheiden sind etwa die schriftlichen<br />

Produkte, z.B. das vorliegende Buch und der<br />

Prozess der Fallstudie. In unzähligen Sitzungen und<br />

Gesprächen zwischen den verschiedenen TrägerInnen<br />

sind Informationen ausgetauscht worden, Per-­<br />

spektiven eröffnet und Fragen beh<strong>and</strong>elt worden,<br />

die sich die Beteiligten ohne die Fallstudie nicht<br />

gestellt hätten. In vielen persönlichen Gesprächen<br />

ist zum Ausdruck gebracht worden, dass dies von den<br />

beteiligten Personen nicht nur als interessant beurteilt<br />

wurde, sondern auch als nützlich.<br />

Bei den schriftlichen Produkten können wir verschiedene<br />

Arten von Aussagen finden. Sie reichen<br />

von Orientierungen über Bewertungen bis zur Konstruktion<br />

von Leitbildern. Nieht fündig wird der/die LeserIn<br />

bezüglich ingenieurmässiger und technischer<br />

Detailentwürfe.<br />

2.1.1 Thesell zur Stildtelltwicklullg<br />

Den allgemeinsten, umfänglichsten und schwierigsten<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Fallstudie bildete das Thema<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung. .Das Gebilde <strong>Stadt</strong> gilt heute wegen<br />

seiner Komplexität als vermeintlich unplanbar. Die<br />

Synthesegruppe STADTENTWICKLUNG hat sich den<br />

Kriterien und Chancen einer langfristigen Planung<br />

gewidmet und sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit<br />

das Projekt «ZZN» Modellfunktion für die<br />

<strong>Stadt</strong>teilplanung erhalten kann. Als zentrales Ergebnis<br />

sind hier fünf Thesen zu betrachten. Die Thesen<br />

wurden auf der Grundlage einer «schulmässig ausgeführten»<br />

Formativen Szenarioanalyse erarbeitet,<br />

die wiederum auf soziologischen Analysen zum<br />

Sozialen Umfeld, regionalökonomischen Betrachtungen<br />

zur Sf<strong>and</strong>ortqualität,raumplanerischen Untersuchungen<br />

des Planungsprozesses und umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Überlegungen ztJr Nachhaltigkeit basierte.<br />

Die Thesen (für Details siehe Unterkap. 5 THESEN<br />

<strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNG) definieren Defizite und<br />

zeigen Wege der Problemlösung auf. Sie stellen<br />

somit Orientierungen dar. Es' wird herausgearbeitet,<br />

bzw: aufgezeigt, dass<br />

• bei den AnwohnerInnen in Oerlikon mehr Befürchtungen<br />

vorherrschen, als bei den Meinungsund<br />

EntscheidungsträgerInnen. Wünschenswert<br />

wäre hier ein passendes St<strong>and</strong>ortmarketing und<br />

eine sichtbarere Einbeziehung der Bevölkerungsinteressen<br />

durch partizipative Prozesse (These 6),<br />

• eine soziale Durchmischung für das Entstehen<br />

eines lebendigen <strong>Stadt</strong>teils entscheidend ist, wo-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

29


Einleitung<br />

_<br />

Abb. 2.1.2 Durch neue Technologien und Produkte hat sich auch Art und Umfang des Frachtverkehrs<br />

geändert. Im Vordergrund stehen Stückgüter, der Güterverkehraufder Schiene hat an Bedeutungverloren<br />

(Bild: Michtiel Meier).<br />

bei für eine urbane Nutzungsdurchmischung die<br />

Vorgabe von «einfachen Prozentanteilen» nicht<br />

hinreichend i~t (Thesen 3 und 4).<br />

Provozierend erscheint die These, dass<br />

• aufdem Gebiet kein <strong>Zentrum</strong> mit übergreifender Funktion<br />

entsteht{These 5). Hinter dieser plausibel begründeten<br />

These verstecken sich jedoch meines<br />

Erachtens eine Reihe von strukturellen Problemen,<br />

zu denen neben den <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICK­<br />

LUNG genannten Argumenten die räumliche Abtrennung<br />

des ZZN durch Bahnhof bzw. Bahngleise<br />

vom «alten Ortskern von Oerlikon» gehören. Hier<br />

gilt es Konzepte zu entwickeln, welc:;he etwa durch<br />

Feinverteiler eine Isolierung vom angrenzenden,<br />

gewachsenen <strong>Stadt</strong>teil Oerlikon verhindern.<br />

2.1.2 Verkehrsopt<strong>im</strong>ierung aus umweltnaturwissen·<br />

schaftlicher Perspektive<br />

Im Kap. VERKEHR finden sich Überlegungen zur Verl


______________----- --- -Einleitung<br />

loge wurden in Zusammenarbeit mit dem Gartenbauamtder<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich vorbereitet und daraufhin ausgelegt,<br />

für zukünftige Ausschreibungen als Gnllldlage<br />

zu dienen.<br />

Im <strong>Zentrum</strong> der Arbeit der Synthesegruppe GRÜN­<br />

RAUM st<strong>and</strong> ein sogenannter. Explorationsparcours. In<br />

diesem Parcours wurden VertreterInnen verschiedener<br />

Bevölkerungsgruppen <strong>im</strong> Rahmen einer Diaschau<br />

auf einen virtuellen Rundgang durch drei<br />

verschiedene Grünrauminszenierungen der Freiflächen<br />

<strong>im</strong> ZZN geführt. Eine Variante stellte die sozialen<br />

Funktionen der Freiflächen in den Vordergrund, eine<br />

Variante die umwelthygienische Funktion und eine<br />

dritte Variante die ökologiseie Funktion. Es zeigte sich,<br />

dass ökologische Gesichtspunkte bei einer Visualisierung<br />

stärker in den Vordergrund treten als in<br />

der freien Meinungsäusserung. Insgesamt vertreten<br />

die Beurteilenden eine starke anthropozentrische<br />

Perspektive und bevorzugen die Sozialvariante. Eine<br />

naturnahe Gestaltung wird jedoch von allen Gruppen<br />

begrüsst. Bemerkenswert ist, dass die TeilnehmerInnen<br />

am Explorationsparcours eine Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

bei der Grünraumgestaltung wünschen.<br />

Die InvestorInnen unterschieden sich in ihren<br />

Bewertungen erwartungsgemäss von den <strong>and</strong>eren<br />

Gruppen. Für sie sind die Unterhaltskosten, die der<br />

Grünraum verursacht, ein wesentliches Kriterium.<br />

Die Nutzung des Grünraums ist für diese Gruppe<br />

weniger von Interesse. Insgesamt zeigen die Interessengruppen<br />

jedoch hinsichtlich der Bewertung der<br />

verschiedenen Grünraumvarianten eine hohe Übereinst<strong>im</strong>mung.<br />

Grössere Konflikte sind hier nicht zu<br />

erwarten.<br />

Das abschliessend erarbeitete Leitbild für die<br />

Grünräume <strong>im</strong> ZZN lässt sich durch sieben Punkte<br />

charakterisieren:<br />

1. Das Wohlbefinden der Menschen steht bei der<br />

Freiraumgestaltung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

2. Die Struktur der Grünräume soll vielfältige<br />

Nutzungen zulassen und für eventuelle spätere<br />

Veränderungen offen sein.<br />

3.Naturnahe Freirä.ume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />

individuelle und soziale Wohlbefinden durch' ihre<br />

ErholUligsfunktion, ihren Naturerlebniswert sowie<br />

durch die ausgleichende Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />

4. Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge<br />

sollte einen Anteil an weniger intensiv genutzten<br />

Räumen aufweisen.<br />

S. Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />

Nutzen für den Menschen soll die naturnähere<br />

Variante bevorzugt werden.<br />

6. Die Grünräume sollen nicht für sich isoliert geplant<br />

werden, sondern in die integrale Struktur<br />

einbezogen werden, dazu gehört auch die auf die<br />

Funktion abgest<strong>im</strong>mte Erreichbarkeit. .<br />

7. Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />

sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert sein.<br />

2.1.4 Ist Sicherung eine nachhaltige Strategie der<br />

Altlastenbearbeitung?<br />

Auf dem Areal des neuen Gebäudes der Geschäftsleitung<br />

der ABB (TaRO D (siehe Abb. 2.1.4.1) befinden<br />

sich 180'000 m 3 heterogenen Materials mit<br />

hohen Schwermetallkontaminationen und organi-<br />

Abb. 2.1.4.1 Das BUrogebäude<br />

TORO I soll für<br />

die ABB-Finnen ADtranz<br />

und ABB-Hochspannungstechnik<br />

AG erstellt werden.<br />

Trotz der knappen ZeitVfJrgabe<br />

von 18 Monaten für<br />

den Bau ist (1uf eine Tria- .<br />

gierung des unterschiedlich<br />

stark verschmutzten Bodens<br />

geachtet worden. Schnelle<br />

Bauzeiten sind auch mit<br />

Altlasten möglich (Bild:<br />

Peter Morf).<br />

UNS-Fallstudie '96 31


Einleitung-,-, --'- _<br />

schen Belastungen. Bereits Ende 1994 verfügte das<br />

<strong>im</strong> Kanton Zürich für dieAltlaste~bearbeitung<br />

zuständige Amt für Gewiisserschutzund Wasserbau<br />

(AGW), dass die Altlast <strong>im</strong> Stierenried nicht gesamthaft<br />

saniert, sondern lediglich gesichert werden solle.<br />

Das Kap. ALTLASTEN rekonstruiert die damalige Entscheidungsfindung.<br />

Es werden vier Sanierungsvarianten<br />

betrachtet, die für die Altlast auf dem<br />

TaRO-Gelände diskutiert wurden: Sicherung/Konservierung,<br />

Nullvariante, Totalsanierung durch Wasch- und<br />

Extraktionsverfahren und eine Hydraulische Sanierung.<br />

Um zu einer Beurteilung von Sanierungsvarianten<br />

zu kommen, müssen die Unsicherheiten, die sich<br />

für die Arealeignerin in der Zukunft durch geänderte<br />

Bewertungsmassstäbe und Umweltanforderungen<br />

ergeben, geeignet berücksichtigt werden. Die<br />

Synthesegruppe ALTLASTEN hat drei verschiedene<br />

Zukunftsbilder konstruiert, die unterschiedliche Anforderungen<br />

an Altlasten <strong>im</strong> Vollzug beschreiben.<br />

Die Vorgehensweise wird in Abb. 2.1.4.2 illustriert. .<br />

Eine Bewertung der Varianten erfolgte nun unter<br />

Einbeziehung der Kriteriengruppen Kosten, Sanierungserfolg,<br />

Umweltvertriiglichkeit der Sanierungsmassnahmen<br />

und Rechtssicherheit. Die Bewertung wurde<br />

mithilfe eines Programms der Multikriteriellen Nutzenbewertung<br />

(Logical Decisions, siehe Kasten 2.2 <strong>im</strong><br />

Kap. GRÜNRAUM) durchgeführt. Diese Verfahren erlauben<br />

es, verschiedene Bewertungsgesichtspunkte<br />

zu gewichten und zu einer Gesamtnutzenbewertung<br />

zu integrieren. Eine Bewertung wurde für jedes<br />

Zukunftsszenario von eiIwrGruppe von Studierenden<br />

und ExpertInnen durchgeführt. Die Ergebnisse<br />

zeigen, dass die Hydraulische Sanierung und dieNullvariante<br />

für eine Altlastenbeh<strong>and</strong>lung des Stierenrieds<br />

nicht in Frage kommen. Sie werden in allen<br />

Z.ukunftsbildern schlechter eingeschätzt als die<br />

Zukunftsszenarien:<br />

Z1<br />

«Business as usual»<br />

Z2 = «Strenger Vollzug»<br />

Z3 = «Lascher Vollzug»<br />

Z1!Z2iZ3<br />

VO . 1<br />

....~.n. -.n••n-.i-~....n ••f."••" .•<br />

Sanierungs- ~::::=.-_--.., V1'<br />

varianten n<br />

V2<br />

i i<br />

n ••• "tP22··1...·<br />

·<br />

··VS.. ·..· r ......·rn<br />

Varianten:<br />

VO Sicherung/Konservierung<br />

V1 = Nullvariante<br />

V2 Totalsanierung durch. Wasch- und Extraktionsverfahren<br />

V3 = Hydraulische Sanierung<br />

AM. 2.1.4.2 Variantenbildung ist ein wesentlicher Kunstgriffder Planung.<br />

In der UNS-Fallstudie hatsich als Grundmuster für zukunftsbezogene<br />

Bewertungen folgendes Vo'Xehen herausgebildet: verschiedene Varianten für<br />

eine Realisierung werden mitverschiedenen Zukunftsszenariengekreuzt. Die<br />

Zukunftsszenarien undteilweise auch die Varianten werden systematisch mit<br />

Methoden wie z.B. derSzenarioanalyse konstruiert.<br />

..<br />

Sicherung oder die Totalsanierung (BiJdenwiische). Die<br />

Sicherung erweist sich in der Gesamtbewertung in<br />

den Szenarien «Business as usual» und «Lascher Vollzug»<br />

als überlegen. Dabei wurden von den Beurteilenden<br />

auch Gesichtspunkte über die Verhältnismässigkeit<br />

einbezogen. So wurden die negativen<br />

Umweltauswirkungen berücksichtigt, welche die<br />

energieaufwendige und bei dem Schadstoffmix <strong>im</strong><br />

Stierenned nicht in allen Bereichen erfolgsversprechende<br />

Hydraulische Sanierung mit sich bringt. Wachsen<br />

jedoch in der Zukunft die Anforderungen an<br />

den Umgang mit Altlasten, etwa durch verschärfte<br />

gesetzliche Auflagen (Zukunftsbild «Strenger Vollzug»),<br />

so erweist sich die Totalsanierungals die beste<br />

,Lösung. Für Amt und Eignerin verbleiben somit<br />

einige Unsicherheiten, die sich nicht nur durch unerwartete<br />

Prozesse in der Altlast (z.B. überraschend<br />

freiwerdende Schadstoffe), sondern auch durch<br />

wechselnde Anforderungen ergeben, die UIlsere<br />

Gesellschaft .an die Qualität von Umweltsystemen<br />

stellt.<br />

Z.1.5 Gebäude, Überlegungen zur einer Verbesserung<br />

des Umwelfmanagements<br />

Das Thema «Umwelt und Bauen» war Gegenst<strong>and</strong><br />

der UNS-Fallstudie '95 (Scholz et aI., 1996). Im Mittelpunkt<br />

des Berichts der Synthesegruppe GEBÄUDE<br />

steht die Frage, wie sich umweltspezifische Aspekte<br />

<strong>im</strong> Lebenszyklus eines Gebäudes verbessern lassen.<br />

Leider konnten in dem vorliegenden Kapitel nicht<br />

alle hochgesteckten Ziele der Synthesegruppeerreicht<br />

werden. Wertvolle Ergebnisse sind jedoch<br />

für das Ententeich-Gebiiudeerarbeitet worden. Be<strong>im</strong><br />

Ententeich h<strong>and</strong>elt es sich um einen nur 45-jährigen,<br />

fünfstöckigen, gut erhaltenen Industriebau mit insgesamt<br />

38'000 m 3 Rauminhalt, für den die an vielen<br />

Orten gestellte Frage Rückbau/Neubau oder Umbau/<br />

Umnutzung zu beantworten ist. Eine mithilfe der<br />

ökologischen Buchhaltung durchgeführte Stoffflussanalyse<br />

und eine auswirkungsbezogene Ökobilanzierung<br />

zeigte erwartungsgemäss eine Überlegenheit der<br />

von der ABB Immobilien AG in Auftrag gegebenen<br />

Umnutzungspläne. Jedoch erweist sich ein Neubau<br />

hinsichtlich einzelner Kriterien als überlegen (Energie-<br />

und Schadstoftbilanz der Fassadengestaltung).<br />

Umweltaspekte sind in einer integralen Bewertung<br />

nur ein - wenn auch aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Sicht wesentlicher - Gesichtspunkt für eine<br />

Gesamtentscheidung über Umbau oder Neubau.<br />

Grosse Raumhöhen besitzen ihren Reiz, führen jedoch<br />

zu höherem Energieverbrauch. Alte Fassaden<br />

zeugen von vorlaufenden Nutzungen und helfen die<br />

Identität des Raumes und ihrer Nutzung bewusst zu<br />

machen. So wurde <strong>im</strong> Bericht der Gruppe GEBÄUDE<br />

berechtigt vermerkt, dass <strong>im</strong> Umfeld des Ententeichs<br />

32 UNs-Falistudie '96


------------------ -'-- --,...Einleitung<br />

fünf weitere Gebäude für eine Umnutzung in Frage<br />

kämen. Die Aussage, dass eine punktuelle Erhaltung<br />

der industriegeschichtlichen Tradition mit der Erhaltung<br />

eines einzigen Gebäudes für eine umfassende nachhaltige<br />

Eniwicklung als nicht genug erscheint, sollte<br />

in der weiteren baulichen Planung berücksichtigt<br />

werden.<br />

2.1.6 Wirtschaftlichkeitsrechnungenund falsche<br />

Signale .des Marktes zum Wasserhaushalt<br />

Der Umgang und die Nutzung von Trinkwasser und<br />

Abwässern ist selbst <strong>im</strong> «Wasserschloss Schweiz" zu<br />

überdenken. Die Gruppe WASSERHAUSHALT untersuchte<br />

Varianten für das Wassermanagement <strong>im</strong> 12<br />

Hektaren grossen ZZN-Teilge.biet D (siehe Abb. 5.3<br />

<strong>im</strong> Kap. DER FALL). Wasserhaushalt und -nutzungen<br />

stellen ein typisches Thema der Umweltnaturwissenschaften<br />

<strong>im</strong> engeren Sinne dar. Die Arbeit<br />

der Synthesegruppe zeichnete sich jedoch dadurch<br />

aus, dass in richtungsweisender Art (vgI. Abb. 2.1 <strong>im</strong><br />

Kap. WASSERHAUSHALT)<br />

• eine naturwissenschaftliche Modellierung von Wasserkreisläufen<br />

erfolgte, die in Zukunftsszenarien hineingedacht<br />

und einer Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />

unterzogen wurde und .<br />

• die Methoden der Fallstudie umfänglich angewendet<br />

und in innovativer Weise verknüpft wurden.<br />

So reichte der Methodeneinsatz von der Formativen<br />

Szenarioanalyse (für die Modellierung von Kontextbzw.<br />

Zukunftsszenarien) über die Methode der<br />

Dynamischen Systemanalyse (System Dynamics) bis zur<br />

Multikriteriellen Entscheidungstheorie. Zusätzlich wurde<br />

die Methqde des Net Present Value, eine dynamische,<br />

betriebswirtschaftliche Methode zur Rentabilitlitsberechnung<br />

eingesetzt (vgI. Kap. 2.6 ÖKONOMISCHE<br />

UNTERSUCHUNGEN der Synthesegruppe WASSERHAUS­<br />

HALT). Mit der differenzierten Beschreibung der<br />

Komponenten des Wasserhaushaltes wird in solider<br />

Form auf umweltingenieurwissenschaftliches Wissen zurückgegriffen<br />

und die Steuerungselemente des Wasserhaushaltes<br />

werden in ein Gesamtmodell integriert.<br />

Dabei reichen die betracbteten Elemente von<br />

Rückhaltebecken bis zu möglicherweise exotisch erscheinenden<br />

Massnahmen zur Urinseparietung. Aus<br />

diesen Betrachtungen resultieren mittels derdifferentialgleichungsbasierten<br />

Methode der Dynamischen<br />

Systemanalyse reliabel und valide erscheinende quan- .<br />

titative Aussagen. Die vierVarianten werden mittels<br />

eines hierarchischen Kriteriensystems bezüglich der<br />

umweltbezogenen Wirkungen und der Wirtschaftlichkeit<br />

bewertet.<br />

Als wesen~liche<br />

Resultate sind festzuhalten:<br />

• Gewisse Massnahmenbündel, wie z.B. Grauwassernutzung<br />

sind niCht nur ökologisch sinnvoll,<br />

sondern auch heute schon wirtschaftlich lohnend.<br />

• Einrichtungen wie Gründächer sind zwar ökologisch<br />

wirksam, jedoch wirtschaftlich noch nicht<br />

attraktiv. .<br />

• Die Verrechnung der Abwassergebühren anh<strong>and</strong><br />

des Trinkwasserbezugs sowie die pauschale Berechnung<br />

des Meteorwassers bilden unangemessene<br />

Voraussetzungen für eine ökologisch wirksame<br />

Wassernutzung.<br />

Insgesamt sind schon erfreuliche Korrelationen zwischen<br />

wirtschaftlichen und umweltbezogenen Bewertungen<br />

festzustellen, bei geeigneter Korrektur<br />

durch den Gesetzgeber könnte die ökologische Wirksamkeit<br />

noch wesentlich verstärkt werden.<br />

2.2 für die Lernenden<br />

, Die Fallstudie ist in erster Linie eine Lehrveranstaltung,<br />

die sich in Vielem von dem an Hochschulen<br />

gewohnten Lehrbetrieb unterscheidet, Die Lernenden<br />

sind hier mit einem für sie neuen Typ akademischen<br />

Arbeitens konfrontiert, bei dem sie innerhalb<br />

eines Rahmens Inhalt sowie A~t und Weise der Bear~<br />

beitungweitgehend selbst best<strong>im</strong>men. Der Rahmen<br />

beinhaltet die Vorgabe, dass<br />

a)die Arbeit für den Fall und seine Akteure .von<br />

Nutzen sein soll und dass<br />

b)die Arbeit dazu beitragen möge, ihre ökologische<br />

Problemlösefähigkeit zu entwickeln.<br />

Die Tätigkeit der Studierenden unterscheidet sich<br />

somit von der klassischen Projektbearbeitung (etwa<br />

<strong>im</strong> beruflichen Praktikum), bei der Gegenst<strong>and</strong> und<br />

Produkt vorgegeben sindl Die' den Studierenden<br />

gestellte Aufgabe entspricht eher der Tätigkeit in<br />

einem innovativen Kleinbetrieb, der darauf angewiesen<br />

ist, durch neue Produkte Marktnischen zu finden<br />

und Marktpotentiale zu nutzen. Die Verantwortung<br />

der Studierenden ist real, da sie sowohl in der Vorbereitung<br />

als auch während der Fallstudie <strong>im</strong> Leitungsorgan<br />

der Fallstudie, der Fallstudienkommission, die<br />

st<strong>im</strong>mliche Mehrheit besitzen (vgI. Kap. ORGANISA­<br />

TION). Damit ist die Fallstudie unter dem Gesichtspunkt<br />

der Berufsvorbereitung vongrosser Bedeutung.<br />

Eine derart ungewohnte und anspruchsvolle Bearbeitung<br />

wird nicht von allen Studierenden vorbehaltlos<br />

gewünscht und der Prozess der Fallstudie,<br />

an eiern in diesem Jahr 126 Studierende beteiligt<br />

waren, verläuft kaum ohne Reibungen. So finden<br />

sich unter den Studierenden bezüglich der Fallstu~<br />

die sehr unterschiedliche Erwartungen, Leistungsbereitschaften<br />

und Fähigkeiten. Diese führten in<br />

den letzten Jahren zu dynamischen Prozessen, in<br />

welchen sich das Verhältnis der Studierenden zur<br />

Fallstudie laufend veränderte. Da sich best<strong>im</strong>mte<br />

Zyklen in der Beziehungsdynamik der Studierenden<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

33


Einleitung -:-:- -'--'- _<br />

Euphorisch<br />

Gut FS '95<br />

MässigFS '96<br />

Schlecht<br />

St<strong>im</strong>mung<br />

,~----l---_+_----t___=__-_+~<br />

Vorlauf<br />

1:: 1. 2. werden dann<br />

die Berichte und <strong>and</strong>ere Produkte (z.B. Veranstaltungen)<br />

der Synthesegruppen erzeugt.<br />

Die Schwingungsdynamikzeichnet die Nöte und<br />

Befindlichkeiten, so wie sie in den Fallstudien der<br />

vergangenen Jahre sichtbar wurden: Phase 1: Die<br />

Fallstudie wird mit falschen oder zu hohen Erwartungen<br />

begonnen. Die Studierenden erkennen, dass<br />

sich die Fallstudienarbeit sowohl von der Tätigkeit<br />

<strong>im</strong> beruflichen Praktikum als auch vom normalen<br />

Lehrbetrieb unterscheidet. Die Erwartungen und<br />

persönlichen Ziele müssen in den ersten Tagen teilweise<br />

erheblich korrigiert werden. Die Studierenden<br />

müssen unter <strong>and</strong>erem erfahren, dass<br />

• <strong>im</strong> Gegensatz zum Praktikum keine klare Aufgabe<br />

in Form eines «$achbearbeitermenues» vorgegeben<br />

ist; ,<br />

• naturwissenschaftliche Kenntnisse und Inhalte nur<br />

einen Teil des Arbeitsinhaltes darstellen;<br />

• bei der Definition eines offen zu bearbeitenden<br />

Problems sowohl inhaltlich (z.B. durch Fallbezug)<br />

als auch methodisch (z.B. durch Wissensintegration)<br />

nicht beliebige Freiheiten gegeben sind;<br />

• eine,erfolgreiche Arbeit 'nur unter hohem EinSatz<br />

möglich ist und sich nicht gut mit weiteren Tätig~<br />

keiten während der Fallstudienzeit (Mittwoch bis<br />

Freitag) verträgt;<br />

• die Fallstudienarbeit keine Individualtätigkeit ist,<br />

sondern die eigenen Vorstellungen mit den <strong>and</strong>eren<br />

Studierenden in einem argumentativen Aush<strong>and</strong>lungsprozess<br />

gefunden werden müssen.<br />

Dies führte, in den ersten Wochen zu einem Abfallen<br />

der subjektiven Befindlichkeit. Dies war bei jenen<br />

Personen am stärksten, die es' nicht gewohnt waren<br />

oder es nicht für sinnvoll hielten, Arbeitsgegenst<strong>and</strong><br />

und Arbeitsprozess in einem offenen, nur schwach<br />

gerahmten Gruppenprozess zu gestalten.<br />

Aufgefangen wurde der St<strong>im</strong>mungsabfall in der<br />

Vergangenheit durch den Übergang in die zweite<br />

Phase, die Arbeit in den Teilprojekten. In kleineren<br />

Gruppen mit vier bis fünf Personen und engeren,<br />

fachlich determinierten «Spezialfragestellungen»,<br />

Abb. 2.2.2 In den Erfahrungstagen sollte ein .Seitenwechsel. vorgenommen<br />

werden. Die Studierenden bekommen einen zusätzlichen Einblick in<br />

das zu untersuchende System/eld aus einer meist eher ungewöhnlichen Perspektive.<br />

Die Reinigung von Griinanlagen' und Spielplätzen lieferte vertieften<br />

EInblick in die multiple Nutzung der Flächen (Bild: Michael Meier).<br />

34 UNS-Fallstudie '96


---~---------------'--~----------,-- ---: Einleitung<br />

werden gewohntere Lernumgebungen<br />

vorgefunden,<br />

welche Freiräume für eigene<br />

Interessen und Neigungen<br />

lassen. Dies führte dann <strong>im</strong><br />

Mittel zu einem Ansteigen<br />

von St<strong>im</strong>mungen und Hoffnung<br />

auf einen «individuellen<br />

Erfolg» <strong>im</strong> Teilprojekt.<br />

Phase 3: Ist in der ersten<br />

Synthesephase jedoch keine<br />

gute Fallstudienarbeit geleistet<br />

worden, so ist es wahrscheinlich,<br />

dass in der zwei-<br />

. ten Synthesephase nicht alles<br />

rechtzeitig verfügbar ist, was<br />

zum Erreichen des Syntheseziels<br />

wünschenswert und notwendig<br />

ist. Dies kann zu<br />

weiteren «Erschütterungen»<br />

führen. Unter Rückgriff auf<br />

die Synthesemethoden und<br />

mit leichter Nach(t)arbdt<br />

lassen sich aber bei gegebenenfalls<br />

notwendiger Zielkorrektur<br />

Wege finden, die<br />

zu ein~m erfolgreichen Ergebnis führen. So konnten<br />

in den letzten J?hren ca. vier von fünf Synthesegruppen<br />

das gesetzte Ziel erreichen.<br />

Für einzelne Studierende ist es am Ende des<br />

Semesters schwierig, einen Überblick Über den<br />

Gesamtprozess der Arbeit in der Synthesegruppe<br />

oder gar in der gesamten Fallstudie zu erhalten. Dies<br />

kann durch eine gute Schlussveranstaltung am Projektende<br />

gelingen und das «fallstudienspezifische<br />

subjektive Wohlbefinden» wesentlich verbessern.<br />

Obwohl noch keine validen Daten erhoben wurden<br />

und die folgenden Äusserungen vornehmlich auf.<br />

mündlichen Ge·sprächen basieren, vermuten wir,<br />

dass sich die Wertschätzung der Fallstudie retrospektiv<br />

verbessert. Dies gilt insbesondere für die 20 bis<br />

30 Studierenden, die aktiv in den Prozess der Gestaltung<br />

des Schlussb<strong>and</strong>es und der Schlussveranstaltung<br />

eingebunden sind.<br />

Die Fallstudie ist in diesem Jahr mit gedämpften<br />

Schwingungen verlaufen. Auch wurde sichtbar, dass<br />

sich die St<strong>im</strong>mungskurve .<strong>im</strong> Vergleich zur letztjährigen<br />

Fallstudie auf höherem Niveau bewegte.<br />

Versucht man die Bedingungen zu reflektieren, die<br />

für eine erfolgreiche Fallstudienarbeit massgeblich<br />

waren, so sind folgende Komponenten entscheidend:<br />

1. Es müssen Methoden zur Verfügung stehen (siehe<br />

Kap.. 2.3.1 FALLSTUDIENM<strong>ETH</strong>ODIK), die gleiehermassen<br />

für eine Wissensintegration <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

fallbezogenen Problemlösung wie auch für eine<br />

Organisation derProjektarbeit geeignet sirid.<br />

Abb. 2.2.3 Die Annäherong von Hochschule und Praxis ist Best<strong>and</strong>teil der Fallstudienarbeit. Vor dem<br />

Ententeich-Gebäudeerklären Planer ihr Vorgehen, Studierende und Tutoren versuchen zu verstehen unddie<br />

Planung zu hinterfragen (Bild: Michael Meier).<br />

2. Die Studierenden müssen eine grosse Fallnähe<br />

gewinnen. Eine Bearbeitung darf nicht (ausschliesslich)<br />

aus der Distanz erfolgen. Die Studierenden<br />

und TutorInnen sollten sich intensiv mit<br />

den örtlichen Gegebenheiten und den für das Areal<br />

und seine Entwicklung einschlägigen Tätigkeiten<br />

vertraut machen. Eine wichtige Funktion besitzen<br />

hier die sogenannten Erfahrungstage. Es erfolgt ein<br />

«Seitenwechsel», indem durch enaktive Tätigkeiten<br />

zusätzliche Systemqualitäten erfahren werden<br />

(vgI. Abb. 2.2.2).<br />

3.Als Resultate der Fallstudie dürfen nicht ausschliesslich<br />

die schriftlichen Produkte betrachtet<br />

werden. Die Prozesse, insbesondere das kooperative<br />

Bearbeiten von Fragen mit den verschiedenen<br />

TrägerInnen der Fallstudie, den Gesprächen und<br />

Gruppendiskussionen (siehe Abb. 2.2.3) kommt<br />

eine gleichermassen grosse Bedeutung zu.<br />

4.Die Projektorganisation darf die sozialen Fähigkeiten<br />

des Menschen nicht überfordern. Gruppen mit<br />

mehr als fünf bis sieben Personen sind zu unterteilen<br />

und eignen sich (ohne Strukturierung) nicht<br />

für längere Arbeitsprozesse. In diesem Bereich<br />

sollte durch die Synthese-Moderation (vgI. Scholz et<br />

aI., 1996, S. 66) gesichert werden, dass eine den<br />

(sozialen) Bedürfnissen und Fähigkeiten der Beteiligten<br />

gerecht werdende Organisationsstruktur<br />

geschaffen wird.<br />

s. Die Fallstudie sollte von allen wichtigen Akteuren<br />

«begrüsst» werden. Dazu sind von Seiten der<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

35


Einleitung --- -'- _<br />

Studierenden und Lehrenden der Fallstudie geeignete<br />

Massnahmen zu ergreifen, dass die Interessen<br />

des Falls und seiner Akteure respektiert und nicht<br />

geschädigt werden.<br />

2.3 Für die (Umweltnatur· und<br />

Umweltsozial·)Wissenschaften<br />

Am Departement Umweltnaturwissenschaften wird<br />

zwischen umweltbezogener naturwissenschaftlicher<br />

Forschung und Lehre und eigentlicher umwelt(-natur-)wissenschaftlicher<br />

Arbeit unterschieden. Letztere<br />

kann als eine in Entstehung begriffene, neue<br />

Wissenschaftsdisziplin aufgefasst werden. Ihr Ziel<br />

ist die Entwicklung einer ökologischen Problemlösefahigkeit,<br />

eines ihrer konstituierenden Elemente ist<br />

die Fallstudie. Essentiell für sie ist<br />

• die durch die Fallstudienmethodik geleistete Synthese,<br />

• der Fallbezug, d.h. das Ausgehen von einem realen,<br />

gesellschaftlich relevanten Probiem<br />

und<br />

• die anwendungsorientierte Kooperotivitöt, d.h. das<br />

Zusammenwirken von Hochschule und Praxis,<br />

welches <strong>im</strong> Prozess der Fallstudie gesichert wird.<br />

2.3.1. fllllst"dienmethodik<br />

Die Fallstudienmethodik wurde bereits in Kap. 1.3<br />

WISSENSINTEGRATION beschrieben. Für eine erfolgreiche<br />

Fallstudienarbeitsind somit drei verschiedene<br />

Typen von Methoden zu beherrschen:<br />

• naturwissenschaftliche Methoden,<br />

• sozialwissenschaftliche Methoden und'<br />

• die Fallstudienmethoden.<br />

Fallstudienmethoden<br />

Die vier Integrationsebenen<br />

D~r1Sie ii n il~<br />

Synthesegruppen, in<br />

denen die Methode<br />

eingesetzt wurde<br />

f---~-____,---t-.::.....>:....:::..--;----:::===:...--;-----+---'=:...--t----'-----__l<br />

Eine gute Fallstudien-<br />

.~~~;~~----.. --~--+-~---+--~--i-------. _~;g~~~L_ metho:rblndet,<br />

Raum-Nutzungs-!<br />

Verh<strong>and</strong>lung (einseh!. X' X! XX Grünraum<br />

Explorationspareours) i . ,<br />

......................................................................... .. ·••· •·•·•·..·•·•..·..··•..····.1 · ' .<br />

ODO<br />

verschiedene' sozial- und<br />

naturwissenschaftliche<br />

Disziplinen.<br />

Sie ist interdisziplinär.<br />

ÖkOO'anz X I XX i ' Gebäude<br />

·~:~~~::-----------l----T-----T---- -=~~~~-- -~<br />

Entseheidungstheorie X X! X Wasserhaushalt verschiedene Systeme<br />

~~~~;;~~~~-~~~=r=;=;~==[=~~~~.~~~:~:~==~~~~:n,u*,<br />

·:~::h~::~:9~~c:,·--;---I--;--T----r------~:~:::;-----~~€<br />

·;d~:::.:a~-----------l---~-T-;;--r-~--------------- -SM;&...., in~g"_<br />

::,~:~:~~~~:~------r---~l-~----l---;-- -~;~=r~- ~~t~~<br />

Abb. 2.3.1 Die Störken der Synthesemethoden in den vier D<strong>im</strong>ensionen der Verknüpjung. X bedeutet geeignet, XX bedeutet sehr geeignet. Eine gute Fallstudienmethode<br />

vermittelt mehrere Integrationsebenen: Disziplinen, Systeme, Wissen undInteressen (nach Baeriswylet al., 1996). In der letzten Spaltefinden<br />

sich die Synthesegroppen, in denen entsprechende Methoden in elaborierter Form oder in Ansötzen (in Klammern) eingesetzt wurden.<br />

36 UNS-Fallstudie '96


-..:. Einleitung<br />

Darüber hinaus wird der Zugriff auf den Bereich<br />

Umwelttechnik oder (wie z:B. bei der Synthesegruppe<br />

VERKEHR) ingenieurmässiges Arbeiten gefordert.<br />

Mit dem vorliegenden B<strong>and</strong> ist ein wesentlicher<br />

Durchbruch erzielt worden. In der UNScFallstudie '94<br />

sind mit der Szenarioanalyse (Scholz et al., 1995,<br />

S. 153ft), der Ideenwerkstiltt sowie mit den Synthese­<br />

Moderations-Methoden erste Bausteine gefunden worden.<br />

In der ONS-Fal/studie '95 waren Raum-Nutzungs­<br />

Verh<strong>and</strong>lungen mit dem Methodenbaustein Explorationsparcours<br />

sowie die Multiattributive Nutzentheorie<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Modellentwicklung (Scholz et al.,<br />

1996, S. 253ft). Der Beitrag zur Fallstudienmethodik<br />

in der diesjährigen Fallstudie lag in der innovativen,<br />

variantenreichen Verknüpfung von Methoden. Alle<br />

Synthesegruppen haben eine oder mehrere der<br />

spezifischen Fallstudienmethoden mit unterschiedlichem<br />

Schwerpunkt angew<strong>and</strong>t, wie dies aus Abb.<br />

2.3.1 ersichtlich ist. Da der Gesichtspunkt der integralen<br />

Bewertung (siehe Abb. 1.3.2) in der diesjährigen<br />

Fallstudie <strong>im</strong> Vordergrund st<strong>and</strong>,'wurden<br />

Methoden der Multikriteriellen Entscheidungstheorie in<br />

allen Synthesegruppen verwendet.<br />

2.3.2 «Mode 2,,·Forschung<br />

Die Fallstudienarbeit setzt an einem realen gesellschaftlichen<br />

Problem an, sie ist genuin interdisziplinär<br />

und sie wird durch einen<br />

kooperativen Prozess von<br />

Hochschule und Praxis reali-'<br />

siert. Damit unterscheidet<br />

sich die <strong>im</strong> Rahmen der Fallstudie<br />

b.etriebene Forschung<br />

von der traditionellen disziplinären<br />

Forschung. Wie bereits<br />

erwähnt, haben die Wissenschaftsforscher<br />

Gibbons<br />

et al. (1994) den in der Fallstlldie<br />

geprägten Typ von<br />

Wissenschaftsarbeit «Mode 2»<br />

genannt, während die traditionelle<br />

wissenschaftliche Tätigkeit<br />

mit «Mode i»-Forschung<br />

bezeichnet wurde.<br />

Mode 2-Forschung ist hochkontextualisiert;<br />

dynamisch,<br />

abhängig von sozialen und<br />

ökonomischen· Realitäten, besitzt<br />

eigene Methoden und<br />

ist gezeichnet durch einen<br />

neuen Typ von Verantwortlichkeit<br />

und Reflexivität (i.e.,<br />

accountability <strong>and</strong> reflexivity,<br />

Gibbons et al., 1994, S. 7).<br />

Mode 2-Forschung besitzt eigene St<strong>and</strong>ards und<br />

<strong>and</strong>ere Qualitätskriterien als traditionelle Forschung<br />

und wird auch transdisziplinäre Forschung benannt.<br />

'Wenn unter Transdisziplinarität der in der UNS­<br />

Fallstudie realisierte spezifische Typ falldefinierter<br />

und gesellschaftlich relevanter interdisziplinärer<br />

Forschung gemeint ist, so wäre gegen eine solche<br />

Kennzeichnung prinzipiell nichts einzuwenden.<br />

Ich möchte aber an dieser Stelle festhalten, dass<br />

ich einige Bedenken gegen den teilweise inflationären<br />

Gebrauch des Begriffs Transdisziplinariiät<br />

habe. Ich erlaube mir einige Gesichtspunkte 'anzuführen,<br />

die gegen eine Verwendung dieses Begriffs<br />

. sprechen.<br />

• Transdisziplinarität wird häufig verwendet, um<br />

darüber hinwegzutäuschen, dass eine gegenst<strong>and</strong>sund<br />

problemangemessene Integration von Wissen<br />

aus verschiedenen Disziplinen erfolgen müsste,<br />

dafür jedoch keine geeignete Methodik vorh<strong>and</strong>en<br />

ist. In der Fallstudie wird dieses Problem durch die<br />

problemorientierte Synthese und die disziplinäre<br />

Teilprojektarbeit unter Einsatz der Fallstudienmethoden<br />

gezielt angegangen.<br />

• Unter Transdisziplinarität wird häufig eine Art von<br />

«Totalwissenschaft» verst<strong>and</strong>en. Es besteht dabei<br />

die grosse Gefahr, dass eine wissenschaftliche Beliebigkeit<br />

zugelassen wird.<br />

• Transdisziplinarität lässt das Problem der Verbindung<br />

von Mode 1- zu Mode 2-Forschungungelöst.<br />

Abb.2.3.3 Die «Aufrichte» als ein Teil des sozialen Prozesses ZZN: «Am 18.9.95f<strong>and</strong>en sich Vertreter des<br />

Bauamts Zürich, der ABB-Schweiz, des ABB-Konzems, Investoren, .Medienvertreter sowie der Architekt<br />

und verschiedene am Projekt beteiligte Personen aufdem Stierenried-Areal ein.» (V.I.n.r.: F. Hugentobler,<br />

SBC; J.A. Dün; ABB; U. Koch, <strong>Stadt</strong>rätin; E. Somm, ABB; T. Hotz, Architekt; Bild: Peter Mori);<br />

UNS-Fallstudie '96 \<br />

37


Einleitung -'- _<br />

Eine nachhaltige umweltnaturwissenschaftliche<br />

Forschung bedarf aber beider Typen von Wissenschaft,<br />

sowie eines Konzeptes und geeigneter<br />

Methoden, um eine Verbindung zwischen ihnen<br />

herzustellen.<br />

2.3.3 Prozessforschullg<br />

Die gegenwärtige gesellschaftliche Wissensorganisation<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass sich dasWissen<br />

<strong>im</strong>mer stärker differenziert ,und beispielsweise<br />

Wissenschaftsdisziplinen und Lehrstühle mit horizontal<br />

geradezu mikroskopischen Aussagebereichen<br />

entstehen. Dem versucht die Fallstudie mit entsprechenden<br />

Methoden zu begegnen. Nun ist aber<br />

die Integration von Wissen aus verschiedenen Disziplinen<br />

oder Kreisen der Gesellschaft ohne einen<br />

sozialen Prozess nicht möglich.<br />

Wie man jedoch einen solchen Prozess organisiert,<br />

wie etwa in dem «Grossprojekt» Gruppenarbeit,<br />

Recherche oder kooperatives Projektmanagement<br />

für eine Wissensintegration opt<strong>im</strong>al zu gestalten ist,<br />

ist weitgehend unbekannt. Wissenschaften, die für<br />

dieses Problem Hilfe leistenkö<strong>im</strong>ten, wären grundsätzlich<br />

Wissenschajtssoziologie, Mikrosoziologie, Sozialpsychologie<br />

und WissenschaJtsdidaktik, Aus verschiedenen<br />

Gründen können sie aber keine unmittelbare'<br />

Problemlösung liefern. Somit ist die UNS-Fallstudie<br />

gezwungen, ihre eigene Prozessforschung zu entwickeln.<br />

Sie wird sich dabei best<strong>im</strong>mter Erkenntnisse<br />

aus der Wissenssoziologie (z.B. zur Gestaltung<br />

von Interdisziplinarität, Gibbons et al., 1994), der<br />

Mikrosoziologie (zur Gestaltung der Schnittstelle zwischen<br />

Hochschule und Praxis, vgl. Warnecke, 1995;<br />

Mieg et al., 1996; Mieg, 1996), der Sozialpsychologie<br />

(zur Gestaltung von Gruppenprozessen und Moderation,<br />

vgl. Beck & Diehl, 1996; Forgas, 1995) sowie<br />

der Wissenschajtsdidaktik und Epistemologie (zum Verständnis<br />

des Aussagegehaltes des neuen Typs von<br />

Wissenschaft, vgl. Nowotny, 1990) bedienen.<br />

3. Perspektiven<br />

Die UNS-Fallstudie '96 konnte einen Beitrag zur .<br />

Regionalentwicklung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive leisten. Als bisherige Stärken<br />

lassen sich die Integration verschiedener Typen von<br />

Wissen sowie .die Gestaltung des Prozesses identifizieren.<br />

Hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit<br />

TrägerInnen der Fallstudie aus der Praxis, insbesondere<br />

der ABB Immobilien AG und den Departemetiten<br />

der <strong>Stadt</strong> Zürich, die sich in allen Phasen der Fallstudie<br />

als wirkliche, effiziente und vertrauensvolle<br />

Kooperation gestaltete.<br />

Fragt man nach den nächsten Schritten der Fallstudienkonzeption,<br />

so sehen wir drei Schwerpunkte:<br />

a) Evaluatioll der Wirkullg der fallstudie<br />

Ein Kriterium für den Erfolgder Fallstudie ist der<br />

Nutzen für den Fall. Die UNSc.Fallstudie soll, <strong>im</strong><br />

Sinne einer umfassenden Definition von Nachhaltigkeit,<br />

eine likologische Opt<strong>im</strong>ierung unterstützen und<br />

zu einer verstärkten ZukunJtsJähigkeit des Falls beitragen.Subjektive<br />

qualitative Eindrücke und eine<br />

Reihe von mündlichen und schriftlichen Stelhingnahmen<br />

von Akteuren des Falls haben in den letzten<br />

drei Jahren wiederholt einschlägig positive Rückmeldung<br />

ergeben. Auch lässt sich zeigen, dass die in<br />

der Fallstudie entwickelten Ideen, Konzepte und<br />

Produkte bei den TrägerInnen des Falls langfristig<br />

«präsent» sind und sich «offenbar» in' Argumenten<br />

und H<strong>and</strong>lungen wiederfinden lassen.<br />

Zu führen ist hier jedoch zunächst ein genauerer<br />

Wirkungsnachweis. Um.Wirkung und Wert der Fallstudie<br />

zuverlässig abschätzen zu können, bedarf<br />

es einer fundierten, spezifischen Evaluation. Diese<br />

stellt besondere methodische Anforderungen, kann<br />

doch aufgrund der «Einmaligkeit des Falls» nur<br />

bedingt auf statistische Untersuchungen zurückgegriffen<br />

werden.<br />

b) Op~<strong>im</strong>ierullg de"r Kooperatiolls·, Kommullikatiolls·<br />

ulld Koordillatiollsprozesse<br />

Kooperation, Kommunikation und Koordination sind<br />

Schlüssel für den Erfolg einer systemorientierten,<br />

angew<strong>and</strong>ten wissenschaftlichen Tätigkeit. Eine<br />

UNS-Fallstudie kann nur dann gelingen, wenn die<br />

TrägerInnen in zusammenhängenden Arbeitsprozessen<br />

neben- und mitein<strong>and</strong>er tätig sind und die Einzelnen<br />

ihr H<strong>and</strong>eln auf die kooperative Aufgabe<br />

ausrichten. Zur Gestaltung der Kooperation bedarf<br />

es neben einer geeigneten Zielsetzung u.a. eines<br />

Gefüges und best<strong>im</strong>mter Strukturen, in denen die<br />

Arbeit vollzogen wird. Eine wichtige Struktur in<br />

der Fallstudie ist die Teamarbeit. Sie besitzt viele<br />

38<br />

UNS-Fallstudie '96


____________--'-- ~ ~----~-------------Einleitung<br />

r<br />

Stärken, ohne sie wären best<strong>im</strong>mte fallstudienspezifische<br />

Prozesse und Produkte nicht denkbar.<br />

Nun hab,en wir in den letzten Jahren die Erfahrung<br />

gemacht, dass die Prozesse der Teamarbeit zu verbessern<br />

sind. Dabei vermuten wir, dass die an einigen<br />

SteIlen zu beobachtende begrenzte Effektivität<br />

und Effizienz von Gruppenarbeit nicht nur auf<br />

die (vielfach anzutreffende) mangelnde Gruppenerfahrung<br />

und Teamunfähigkeit des/der Einzelnen<br />

zurückzuführen sind. Vielmehr können, wie aus der<br />

Psychologie und den Arbeitswissenschaften seit langem<br />

bekannt ist, Gruppen bei best<strong>im</strong>mten Aufgaben<br />

weniger effizient sein als Einzelpersonen. In diesem<br />

Falle übersteigt eine Summe von Einzelleistungen<br />

diejenige einer Gruppe.<br />

Es gilt afso, die UNS~Fallstudie zu opt<strong>im</strong>ieren,<br />

indem der Prozess so gestaltet wird, dass für jede<br />

Aufgabe die richtige Form der Bearbeitung gefunden<br />

wird. Dies ist ein wichtiges Entwicklungsanliegen<br />

der UNS-Fallstudie in den nächsten Jahren. Eine<br />

besondere Rolle kommt hier der Kommunikation und<br />

der Synthese-Moderation zu. Der/die Leserin findet<br />

hierzu Beiträge <strong>im</strong> Kap. KOMMUNIKATION, welche die<br />

Bedeutung der Fallstudienzeitung sowie die Rolle der<br />

EDV-Systeme diskutieren. Bei der Synthese-Moderation<br />

sind zwei Richtungen zu unterscheiden, einerseits<br />

die aufgabenspezifische Moderation der studentischen<br />

Gruppen, <strong>and</strong>ererseits die Gestaltung des<br />

Austausches mit den TrägerInnen aus Wissenschaft<br />

und Praxis.<br />

Schliesslich sei noch die Koordination angesprochen.<br />

Aus didaktischen Gründen und um die Stu-<br />

Abb. 3 Dos Richtfestfür TORO I ging om 5.7.96 mit Pomp über die Bühne. Der hiergezeigte<br />

Gleichschritt dorf nicht dOrfiber hinwegtäuschen, dass sich dos Votgehen der Reihe der Grundeigentümerlnnen<br />

<strong>im</strong> ZZN nur noch begrenzt <strong>im</strong> Gleichtakt befindet (Bild: Peter Morf).<br />

dierenden nicht in ihrer Kommunikationsfähigkeit<br />

zu überfordern, ist die Fallstudienarbeit modularisiert<br />

worden. Die vier bis sechs Arbeitseinheiten,<br />

welche als Synthesegruppen bezeichnet werden,<br />

bestehen je aus 15-20 Studierenden und 4-5 TutorInnen.<br />

An die Koordination, d.h. an. das sinnvolle,.<br />

ökonomische und harmonische Abst<strong>im</strong>men, Bei- und<br />

Zusammenfügen der Arbeitsprozesse und Ergeb-<br />

. nisse, sind hier höchste Anforderungen gestellt. Die<br />

Fallstudienkommission (vgl. Kap. ORGANISATION) und<br />

die Fallstudienzeitung(vgl. Kap. KOMMUNIKATION)<br />

spielen eine grosse Rolle. Es soll hier eine koordinierende<br />

Funktion auch zur Unterstützung einer<br />

Gesamtsynthese ausgebaut werden.<br />

c) Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudie<br />

Die UNS-Fallstudien haben ihre Leistungsfähigkeit<br />

bezogen auf die Entwicklung ökologischer Problemlösung<br />

bei komplexen realen Fällen zeigen können<br />

an den Beispielen<br />

• l<strong>and</strong>wirtschaftliche Regionalsysteme (siehe UNS-Fallstudie<br />

'94 «Perspektive Grosses Moos»),<br />

• Umnutzung ehemaliger Industrjeareale (siehe UNS­<br />

Fallstudie '95 «Industrieare~l Sulzer-Escher Wyss»)<br />

sowie<br />

• <strong>Stadt</strong>entwicklutJg <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. Als wesentlicher<br />

Gegenst<strong>and</strong> und Grundlage der Ergebnisse<br />

sind die <strong>im</strong> diesem B<strong>and</strong> vorliegenden Syntheseberichte<br />

und die Prozesse anzusehen.<br />

Eiß interessanter Vorschlag wurde <strong>im</strong> Vorfeld der<br />

Fallstudie '96 vom Programmleiter des Schwerpunktprogramms<br />

Umwelt (SPPU) des<br />

Schweizerischen Nationalfonds eingebracht.<br />

Eine Fallstudie über die hier<br />

geförderten rund 50 umweltbezogenen<br />

Forschungsprojekte hätte zwar in<br />

erster Linie ein soziales System zum<br />

Gegenst<strong>and</strong> gehabt. Ihre Legit<strong>im</strong>ation<br />

wäre jedoch insofern gegeben, als<br />

dass die Beziehungen dieses sozialen<br />

Systems zu Wissen und H<strong>and</strong>eln in<br />

bezug auf natürliche Systeme, d.h. auf<br />

die Lebensgrundlagen von Mensch,<br />

Tier und Pflanzen, ein zentral umweltnaturwissenschaftliches<br />

Themenfeld<br />

darstellt.<br />

Wir vermuten, dass sich .der entwickelte<br />

Typ von Lehrforschung und<br />

Interaktion auch für <strong>and</strong>ere Systeme<br />

bzw. Falltypen. fruchtbar anwenden<br />

lässt. Es wäre reizvoll, das nachhaltige<br />

H<strong>and</strong>eln von und in Firmen, Verbänden,<br />

Administrationen oder Institutionen<br />

zum «Gegenst<strong>and</strong>» einer Fallstudie<br />

zu machen.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

39


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40<br />

UNS-Fallstudie '96


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UNS·Fallstudie '96 41


Kommunikation<br />

in der Fallstudie<br />

Inhalt<br />

1. Einführung 45<br />

2. Wissenschaftliche Zugänge<br />

zum Kommunikationsbegriff 46<br />

3. Medienarbeit in der Fallstudie 51<br />

4•. Computereinsatz und<br />

Kommunikation 58<br />

AlItorInnen<br />

S<strong>and</strong>ro lösch (Fallstudienbüro)<br />

Jennifer Oswald (Medien)<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz


Kommunikation ---' ---' _<br />

44 UNS-Fallstudie '96


____________~ '__ Kommunikation<br />

1. Einführung<br />

Neue Inhalte und Gegenstände wissenschaftlicher Tätigkeit<br />

werden von neuen theoretischen Annahmen und<br />

Methoden, aber auch von veränderten Formen der<br />

Problembearbeitung und des Informationsaustausches<br />

begleitet. Dies gilt in besonderer Weise für die<br />

ökologische Problemlösefähigkeit in den UNS-Fallstudi-en.<br />

Eine ökologische Problemlösung wird in<br />

diesen Fallstudien in einem kooperativen Prozess<br />

zwischen Hochschule und Praxis realisiert. Benötigt<br />

werden Kommunikationsformen und Kommunikationsinstrumente,<br />

die eine Zielerreichung für ca. 100 Studierende,<br />

25 Lehrende, 50 ExpertInnen und eine<br />

dreisteIlige Zahl von «Akteuren des Falls» stützen,<br />

koordinieren und organisieren. Kooperation, Kommunikation<br />

und .Koordination. Wir ergänzen nun die<br />

Beiträge zur<br />

• Theorie der Fal/studie (Scholz, 1995) und·zu den<br />

• Methoden der Fallstudie (Scholz & Tietje, 1996)<br />

mit einem Kapitel zur<br />

• Kommunikation in der Fallstudie.<br />

unterschiedlichen gedanklichen und sozialen Welten<br />

für die Synthesearbeit grundlegend ist.<br />

Somit lässt sich eine Betrachtung und eine Opti- .<br />

mierung von Kommunikation nie aufeine technische<br />

Seite verkürzen, sondern ist <strong>im</strong>mer begleitet von<br />

begrifflichen und ontologischen (d.h. Kategorien des<br />

Seins betreffende) Komplementaritäten. Somit verwundert<br />

es nicht, dass der Kommunikationsbegriff<br />

in vielen Wissenschaften von fundamentaler Bedeutung<br />

ist und ~ine Analyse der Kommunikation einen<br />

Schlüssel darstellt, um technische, natürliche und<br />

soziale Systeme zu verstehen.<br />

«Die EI~mente<br />

eines Systems müssen mitein<strong>and</strong>er<br />

kommunizieren, sie müssen gesetzmässige<br />

Bezi~hungenzuein<strong>and</strong>er entwickeln - und diese<br />

Notwendigkeit der Kommunikation ist' eine<br />

fundamentale, gleich wichtig für physikalische,<br />

qiologische oder soziologische Systeme. Ohne<br />

Kommunikation keine Ordnung, ohne Ordnung<br />

keine Ganzheit.» (Brön<strong>im</strong>ann, 1970, S. 26).<br />

Dabei beschäftigen wir uns vornehmlich mit zwei<br />

Instrumenten, die den Arbeitsprozess und insbesondere<br />

die Wissensintegration und Synthesearbeit unterstützen,<br />

der Fallstudienzeitung und Computersystemen<br />

als Kommunikationsmittel.<br />

Diejenigen LeserInnen, die sich nur für die «technischen»<br />

Aspekte interessieren, können die Lektüre<br />

direkt mit dem entsprechenden Kapitel fortführen.<br />

Kommunikation ist jedoch für die Fallstudie ein<br />

essentieller Begriff, da die Verständigung zwischen<br />

Abb. 1 Die «Experten-Round-Table. oder «Expertenpanel. ist eine Form der Kommunikation, um Positionen und<br />

St<strong>and</strong>punkte zu formulieren undzu diskutieren. Diese Methode kann <strong>im</strong> kooperativen Prozess zwischen Hochschule<br />

und Praxis gezielt eingesetzt werden (Bild: Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie'96 45


Kommunikation ~ ~------------------<br />

2. Wissenschaftliche Zugiinge zum<br />

Kommunikationsbegriffl<br />

Die Basis für ein Verständnis der Bedeutung von<br />

Kommunikation liefert, wie bei vielen wissenschaftlichen<br />

Fragen, die Philosophie, die Mutter der<br />

Wissenschaften. Als eigenständiger Begriff wurde<br />

der Kommunikationsbegriff von Nikolaus von Kues<br />

(1514, vgl. Schnelle, 1976, S. 898) definiert: Er unterschied<br />

zwischen einer. communicatio idiomatum, mit<br />

der er die ontologischen Gemeinsamkeiten der<br />

beiden Naturen Christi bezeichnete unddetr com-<br />

. municatio in sancris. Mit letzterer wird die «Grenzüberschreitung»<br />

in Form der Teilnahme an den<br />

gottesdienstlichen H<strong>and</strong>lungen Andersgläubiger benannt.<br />

Auch wenn der Kommunikationsbegriff <strong>im</strong><br />

Rahmen der Fallstudie in wahrlich profaneren Konnotationen<br />

verwendet wird, ist der Austausch von<br />

Informationen zwischen Personen und Gruppen<br />

mit unterschiedlichen Meinungen (bzw. qualitativ<br />

verschiedellern Wissen) für die Fallstudie von zentraler<br />

Bedeutung. Im Sinne des sakralen Wortursprungs<br />

exkommunizieren sich somit diejenigen<br />

innerhalb der Fallstudie, die sich aus dem Prozess<br />

des Informationsaustauschs und der Verständigung<br />

ausschliessen.<br />

Der Kommunikationsbegriff wird heute nahezu<br />

inflationär und in sehr verschiedenen Bedeutungen<br />

benutzt. Um einer BegrijJsverwilderung entgegenzuwirken<br />

und um aufzuzeigen, auf welche Aspekte bei<br />

einer Opt<strong>im</strong>ierung der kooperativen Problemlösung<br />

in Fallstudien rekurriert werden kann, möchten wir<br />

<strong>im</strong> folgenden die verschiedene Interpretationen und<br />

Zugänge skizzieren. Die Darstellung ist grobentlang<br />

disziplinärer Bezüge organisiert. Dabei ist es<br />

bezeichnend für den Kommunikationsbegriff, dass<br />

es geistes-, sozial-, natur- und technikwissensckaJtliche<br />

Zugänge zum Kommunikationsbegriff gibt, der Begriff<br />

kaum monodisziplinär beh<strong>and</strong>elt wird. In allen<br />

Abschnitten werden nur exemplarische Bezüge<br />

hergestellt, um den LeserInnen den Einstieg zu ermöglichen.<br />

Um den LeserInnen den Zugang zur erleichtern,<br />

wurde jeder Passage eine sog. W-Frage (in den Kästchen)<br />

vorangestellt, mit der beleuchtet wird, was<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Beh<strong>and</strong>lung ist. In den Text eingestellt<br />

wird jeweils eine Aussage. Mit ihr wird ein<br />

spezifischer Aspekt angesprochen~der für die Entwicklung<br />

der Theorie und Meth


_____________________---,-<br />

Kommunikation<br />

Gleic~ermassen, wenn auch aus einer <strong>and</strong>eren<br />

Grundhaltung, wird die gesellschaftliche Bedeutung<br />

der Kommunikation von Habermas hervorgehoben<br />

(z.B. Habermas, 1988). In dem in den Umwelt­<br />

(natur)wissenschaften vielgenutzten Konzept der<br />

Kommunikativen Kompetenz<br />

.......................................................<br />

Durch eine verbesserte werden eine kooperative<br />

Kommunikation lässt sich Konfliktlösung und der kooperative<br />

Diskurs als ein<br />

eine ökologische Problem- Zeichen einer entwickelten<br />

lösung verbessern.<br />

....................................................... (d.h. kommunikationsfähigen)<br />

Gesellschaft und Kultur<br />

betrachtet. In den Fallstudien greifen die<br />

Mediationskonzepte, insbesondere die' Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

(vgI. Scholz et aI., 1996, S. 253ff)<br />

an dieser Konzeption an.<br />

2.3 Piidagogisch-soziolinguistischer<br />

Zugang<br />

De'r englische Pädagoge und Soziologe Bernstein<br />

(1965; 1977) widmete sich den Verständigungsgrenzen,<br />

die zwischen Individuen oder kulturellen<br />

Systemen bestehen. Für einen Theorie-Praxis Aus-,<br />

tausch erachten wir' insbeson-<br />

...............................................<br />

dere Bernsteins Theorien der<br />

Die Sprachbarrieren<br />

zwischen Wissenschaft sprachlichen und der pädagogischen<br />

Codes als bedeutungsvoll.<br />

und Praxis sind zu In der Fallstudie treffen Periiberwinden.<br />

.........................................,..... sonen und Erfahrungshorizonte<br />

aufein<strong>and</strong>er, die in unterschiedlicher<br />

Form Beschränkungen aufweisen. Damit können<br />

Probleme undProblembezug in unterschiedlicher<br />

Form zu Ausdrllck gebracht<br />

werden. Wesentlich ist hier der<br />

Übergang von der Mundatt zur<br />

Schriftsprache, sowie die Nutzung<br />

vollkommen unterschiedlicher Begriffssysteme<br />

(Theorie der sprachlichen<br />

Codes; vgI. Bernstein,<br />

1965). Die pädagogischen Codes<br />

hingegen, unterscheiden zwei verschiedene<br />

Typen wissenschaftlicher<br />

Arbeit, den sog. additiven<br />

Code, der die disziplipäre Arbeitsweise<br />

bezeichnet und innerwissenschaftliche<br />

Erfolgskriterien besitzt<br />

und dem integrativen Gode, welcher<br />

ein Verständnis des Problems<br />

und eine Verständigung zwischen<br />

den Disziplinen erfordert.<br />

Sender<br />

Bedeutungsvorrat<br />

Bedeutungsvorrat<br />

~ I~ ßedeutungs ßedeutungs 11\ ~<br />

::><br />

c.<br />

c: sequenz<br />

sequenz<br />

CD<br />

"E c:<br />

0 2"<br />

::> , ::><br />

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11\<br />

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CD<br />

Zeichen- .... INachrichtl .... Zeichen-<br />

::><br />

c:<br />

~ \11<br />

,. I' '1 .,.<br />

. sequenz<br />

sequenz \11 eS<br />

Zeichenvorrat<br />

2.4 Sprachwissenschaftlichpsycholinguistischer<br />

Zugang<br />

Ein eigentlicher sprachwissenschaftlicher Zugang<br />

zum ,Kommunikationsbegriff wurde vom Schweizer<br />

Sprachwissenschafter Saussure (1857-1913) begründet,<br />

der als Begründer der modernen Linguistik gilt<br />

(Lenke et aI., 1995, S. 36). Wesentlich ist die Zweiteilung<br />

des Zeichenmodells in ein Lautbild (<strong>im</strong>age<br />

acoustique) und eine Vorstellung, d.h. eine begriffliche<br />

Seite (frz. concept). Das Modell (vgI.Abb. 2.4)<br />

wird auch als klassisches Kommunikationsmodell bezeichnet.(vgI.<br />

Herrmann, 1985, S.8). Die Forschung<br />

zu ,diesem Modell beschränkt<br />

sich in der<br />

Regel aufeine dyadische<br />

Kommunikation und ist<br />

dadurch für die Falb<br />

studie von beschränktem<br />

Wert. Wesentlieh ist<br />

jedoch die Betrachtung<br />

Abb. 2.4 Das «klassische» Kommunikationsmode// (vereinfacht; nach Herrmann, 1985, S.8).<br />

t<br />

(Störung)<br />

............................................................,....<br />

Die Vermittlung von Umweltinformationen<br />

setzt ein<br />

Eindenlcen in die Wissensstrukturen<br />

des Empfängers<br />

bzw. der Empfängerin voraus.<br />

des Bedeutungsaspekts von kommunizierter Information.<br />

Ein Wort oder eine Aussage kann in «individuellen<br />

Bedeutungsvorräten» einen Sinn bekommen.<br />

Aus der Sicht der Kognitionspsychologie gibt'<br />

es nun verschiedene mitein<strong>and</strong>er konkurrierende<br />

Modelle, die Bedeutungsvorräte, d.h. die kognitiven<br />

Strukturen', die für eine menschliche IMormationsverarbeitung<br />

wichtig sind (vgI. Hörmann, 1991,<br />

S. 62ff). Wesentlich sind hier die Modelle vom bild~<br />

lich-ikonischen; ,propositional-merkmalsorientierten<br />

und assoziativ-netzstrukturhaften Gedächtnis.<br />

Es ist nun zu vermuten, dass all diese Modelle<br />

best<strong>im</strong>mte Aspekte der Kommunikation 'und indi-<br />

Empfänger<br />

Zeichenvorrat<br />

UNS-Fallstudie '96 47


Kommunikation<br />

_<br />

vidueller Bedeutungsrekonstruktion ansprechen. Jedoch<br />

sind ganz offensichtlich der sprachlichen (propositionalen)<br />

Darstellung (und Rekonstruktion) von<br />

Informationen best<strong>im</strong>mte Grenzen gesetzt. So wurde<br />

in dem Kap. GRÜNRAUM auf der Grundlage einer<br />

quasi-exper<strong>im</strong>entellen Untersuchung geschlossen,<br />

dass Information über Grünräume erst dann entfaltet<br />

vermittelt werden können, wenn die sprachliche<br />

Ebene verlassen wird und in Bildern kommuniziert<br />

wird.<br />

der umfangreichen sozialpsychologischen Forschung<br />

stellt hier eine Möglichkeit zur Verbesserung der<br />

Fallstudienarbeit dar (vgl. Unterkap. 3 PERSPEKTIVEN<br />

.<strong>im</strong> Kap. EINLEITUNG).<br />

2.6 Medien- und Publikationswissenschaftliche<br />

Zugänge<br />

2.5 Sozialpsychologische Zugänge<br />

'Für die Fallstudie von eher praktischer Bedeutung<br />

sind die sozialpsychologischen Arbeiten zur Interaktion<br />

zwischen Gruppenmitgliedern. Die Bildung<br />

von stabilen, über einen längeren Zeitraum motivier-<br />

.......................................................... ten, auf die Zielsetzungen<br />

Wann werden die sozillien der Fallstudie ausgerichte­<br />

Kompetenzen der Studieren-' ten Gruppen ist eine Vorden<br />

überfordert?<br />

aussetzung für eine erfolg­<br />

.......................................................... reiche Fallstudienarbeit.<br />

Dabei kommt der Kommunikationsform<br />

für Entscheidungen eine grosse Rolle<br />

zu. So entscheiden Mitglieder in Gruppen, nachdem<br />

sie kommuniziert haben (Crott, 1979; Forgas, 1987;<br />

Gehm, 1996) <strong>and</strong>ers als das «durchschnittliche Individuum».<br />

Dabei ist es von Bedeutung, welche Information<br />

sie von wem in welcher Form (schriftlich,<br />

mündlich, graphisch, etc.) erhalten. Der Einbezug<br />

Erwähnung finden sollte auch die Publizistik und<br />

Medienwissenschaft. Die Grösse der Fallstudie<br />

macht ein eigenes Informationsorgan sinnvolL Dies<br />

gilt für die interne Kommunikation wie auch die<br />

Kommunikation nach aussen. Erfahrungen aus dem<br />

Bereich der Publizistik (z.B. Schlapp, 1991) helfen<br />

die Arbeit der MEDIENGRUPPE zu unterstützen, die für<br />

die Zeitung zuständig ist.<br />

In den letzten Jahren hat sich - ausgehend von<br />

einer neuen'Walter-Benjamin Rezeption (Benjamin,<br />

1991) - eine Diskussion um die gesellschaftlichen<br />

Aspekte der Medien<br />

................................................................<br />

und eine neue Medien~<br />

theorie entwickelt. Die Grösse und Anliegen der filII-<br />

Wirkung von Medien ist studie milchen ein eigenes<br />

zudem ein zentraler Informlltionsorglln - die<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Markt- ~~~~~~~~~~.~~~.~~~~~.~..~~~~.~~~~: ...<br />

forschung und Ausgangspunkt<br />

einer eigenständigen Methodenentwicklung<br />

(Merten et al., 1992). Davon kann auch die Fallstudie<br />

profitieren. Die Bewertung der Wi{kung der Fall~<br />

studie als einem neuen öffentlichen Medium -<br />

einschliesslich der Fallstudienzeitung<br />

- ist eine Aufgabe, mit der sich die<br />

Fallstudie in den kommenden Jahren<br />

noch intensiver beschäftigen wird.<br />

2.7 Mathematisch-technischer<br />

Kommunikationsbegriff<br />

Abb. 2.5 Posterdemonstrationen mit offenem Dialog sindein geeignetes Mittel zur Darstellung<br />

undDiskussion von Zwischenresultaten (Bild: Michael Meier).<br />

Am bekanntesten ist vermutlich der<br />

mathematisch-kybernetische 2 Kommunikationsbegriff.<br />

Unter Nutzung<br />

des nachrichtentechnischen Vokabulars<br />

wurde von Shannon & Weaver<br />

(1949) die Informationstheorie be-<br />

, 48 UNS-Fallstudie '96


______________-'- .,- Kommunikation<br />

gründet, die anfänglich auf eine detaillierte Beschreibung<br />

der Kommunikation zwischen wenigen<br />

informationsverarbeitenden Einheiten focussierte.<br />

Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass der<br />

Bedeutungsaspekt der Kommunikation weitgehend<br />

ausklammert wird. Pr<strong>im</strong>ärer Gegenst<strong>and</strong> des informationstheoretischen<br />

Ansat-<br />

............................................-.. .<br />

zes ist die Konstruktion eines<br />

Welche Kommunikationsopt<strong>im</strong>alen<br />

Codes, der es ertechnologie<br />

verwende ich laubt, die Information eines<br />

für die Fallstudie?<br />

..................................................... bedeutungstragenden Satzes,<br />

die ein Sender als Nachricht<br />

übermittelt, an einem <strong>and</strong>erem Ort in kürzester Zeit<br />

fehlerfrei zu reproduzieren und sie gegenüber<br />

Störungen von aussen abzusichern.<br />

Obwohl die Probleme einer technisch~fehlerfreien<br />

Nachrichtenübermittlungden Fallstudienalltag praktisch<br />

stören können, steht dieser Aspekt <strong>im</strong> Kap. 4<br />

COMPUTEREINSATZ UND KOMMUNIKATION nicht <strong>im</strong> Vordergrund,<br />

sondern es werden neue Kommunikationsformen<br />

und -möglichkeiten aufgezeigt, die potentiell<br />

eine neue Qualität der Problembearbeitung ermöglichen.<br />

2.8 Kommunikation und Kooperation mit<br />

dem Computer<br />

Der Computer ist innerhalb kürzester Zeit zu einem<br />

Hauptinstrument menschlicher Kommunikation geworden.<br />

Seine Verwendung ermöglicht <strong>and</strong>ere Formen<br />

der Kommunikation und Zusammenarbeit.<br />

Durch weltweite Ver-<br />

Können wir Gruppenprozesse . netzungen . ist eine<br />

mitHilfe von EDV-Systemen Kooperation grösserer<br />

besser nachvollziehbar machen? Gruppen an verschie-<br />

.................................................................... denen Orten möglich..<br />

Rechenleistungen von<br />

Computern, Visualisierungen von komplexen Differentialgleichungssystemen<br />

oder stochastischen Prozessen<br />

eröffnen gleichermassen neue Bearbeitungsformen<br />

wie die computergestützte Gruppenarbeit<br />

(Computer Supported Cooperative Work) oder die<br />

sogenannte «Groupware» (vgI. Oberquelle, 1991).<br />

Mit letzteren können beispielsweise Mitglieder ver-<br />

Z<br />

Es sei angemerkt, dass der Begriff Kybemetics in dem bahntirechenden<br />

Buch von N. Wiener -Control <strong>and</strong> Communication in the An<strong>im</strong>al <strong>and</strong> the<br />

Machine» (Wiener, 1948) nicht nur auf natur- und ingenieurwissenschaftliche<br />

Aspekte rekurriert wird, sondern die vom frühen Wittgen­<br />

. stein (Tractatus logico-philosophicus) induzierte Sicht der formalen<br />

Sprachen dominiert.<br />

schiedener Gruppen <strong>im</strong> Laufe einer offenen Diskussion<br />

Schätzungen abgeben. Die unterschiedlichen<br />

Schätzungen können dann unmittelbar auf einer<br />

Leinw<strong>and</strong> visualisiert und als weitere Informationen<br />

in Diskussionen, Abst<strong>im</strong>mungsprozessen oder einer<br />

kooperativen Modellbildung verwendet ~erden.<br />

2.9 Biologisch~naturwissenschaftliche<br />

.Zugänge<br />

Obwohl der Begriff der Kommunikation in bioiogisehen<br />

Büchern expressis verbis eher selten beh<strong>and</strong>elt<br />

wird, ist der Informationsaustausch zwischen organismischen<br />

Einheiten für die biologischen Wissenschaften<br />

ein äusserst<br />

zentraler Begriff. Ohne .<br />

eine Berücksichtigung Ganzheitliche Betrachtungen<br />

von Kommunikations- und Prozesse nicht ausser Acht<br />

lassen.<br />

prozessen lassen sich or- ..<br />

ganische Systeme nicht<br />

verstehen. Dabei ist bemerkenswert, dass der Begriff<br />

auf sehr verschiedenen Ebenen verwendet wird. So<br />

kann man zwischen Kommunikation in und zwischen<br />

Arten, einzelnen Lebewesen, Organen, Zellen und<br />

subzellulären.Einheiten unterscheiden.<br />

Auf der Ebene der Arten dienen von Umfeldinformationen<br />

sich abhebende Signale (z.B. Farben)<br />

dazu, best<strong>im</strong>mte H<strong>and</strong>lungen auszulösen oder zu<br />

vermeiden. Einzelne Spezies (z.B. Ameisen) besitzen<br />

artspezifische (Sozio-}HQrmone und/oder hochentwickelte<br />

Signalsprachen (z.B. die Bienen) die<br />

best<strong>im</strong>mte H<strong>and</strong>lungen oder gar Organveränderungen<br />

auslösen können. Im Körper gibt es eine Vielzahl<br />

neurophysiologischer und chemisch-physikalischer<br />

Prozesse, die das Zusammenspiel der Organe regeln.<br />

Auf zellul~rer Ebene, z.B. dem Immunsystem, finden<br />

wir erstaunliche Abst<strong>im</strong>mungsprozesse. Zur<br />

Abwehr von «fremd»-Partikeln (wie z.B. Viren, Bakterien<br />

und Krebszellen) müssen weisse Blutzellen<br />

mitein<strong>and</strong>er kommunizieren, um die Dauer, die<br />

Stärke und die Art der Immunreaktion auf die Beschaffenheit<br />

und die Dosierung des Antigens<br />

abzl!St<strong>im</strong>men.<br />

Diese komplexen Leistungen vollbringen mehrere<br />

Millionen, äusserlich kaum unterscheidbare weisse<br />

Blutzellen, offenbar unabhängig von einer zentralen<br />

Steuerstelle (wie z.B. das zentrale Nervensystem).<br />

Ein wichtiger Forschungsbereich der Immunologie<br />

versucht die Kommunikationswege der weissen<br />

Blutzellen zu entschlüsseln, um die Ursache für die<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

49


Kommunikation_~ ~ _<br />

unterschiedlichen Reaktionen z.B. gegen Viren oder<br />

vergleichsweise ungefährliche Protein-Antigene zu<br />

verstehen (Paul, 1993). Dabei erfolgt die Kommunikation<br />

der weissen Blutzellen über Rezeptoren auf<br />

der Zelloberfläche und/oder über lösliche Botenstoffe.<br />

Immunologen reden dabei sogar davon, dass<br />

Zellen mitein<strong>and</strong>er sprechen (Clark & Ledbetter,<br />

1994). Bemerkenswert ist, dass spezialisierte Zellpopulationen<br />

ihre «Leistungen» über mehrere Jahre<br />

in einem «<strong>im</strong>munologischen Gedächtnis» speichern<br />

können.<br />

Für die Fallstudie ist der biologisch-naturwissenschaftliche<br />

Kommunikationsbegriff auf ganz verschiedenen<br />

Ebenen von Bedeutung. Die <strong>im</strong> letzten<br />

Abschnitt skizzierte zelluläre Sicht ist etwa für ein<br />

Verständnis der Umweltsysteme von Bedeutung. So<br />

attributiert man auch dem Boden ein Gedächtnis,<br />

welches seine Grundlage in den skizzierten zellulären<br />

Kommunikationsprozessen besitzt<br />

Das Studium der biologischen Systeme zeigt, dass<br />

die Analyse einer einzelnen Zelle nicht hinreichend<br />

ist, um Reaktionen eines Gesamtsystems zu verstehen.<br />

Inwieweit dies auch für die Mensch-Umwelt­<br />

Beziehungen gilt und Bedeutung besitzt, ist umstritten.<br />

Dies gilt auch für die Konzeption der<br />

kollektiven Rationalität, die von Shulman & Carey<br />

(1984) für lernende gesellschaftliche Systeme diskutiert<br />

wird und die für die Fallstudie in multipler<br />

Hinsicht von Bedeutung sein dürfte. Neben dem<br />

kollektiven Gedächtnis von 'Umweltsystemen (z:B.<br />

dem Boden) und Fragen der Mensch-Umwelt-Bezie-<br />

Abb.2.10 Mitjedem/jederStudierenden n<strong>im</strong>mt die AnzahlpotentiellerSchnittstellen massiv zu. Die Diskussion<br />

<strong>im</strong> Plenum isteine Form der Kommunikation der Fallstudie, sie wirdnicht von ollen Studierenden<br />

gleichermassen geschätzt. Eine wichtige Au/gabe in den kommenden Jahren wirddarin bestehen, diejenigen<br />

Themenbereiche besserherauszufiltern, die sich effizient <strong>im</strong> Plenum bearbeiten lassen (Bild: Michael Meier).<br />

hung (z.B. der Frage, ob es eine typische schöne<br />

L<strong>and</strong>schaft gibt), ist zu hinterfragen, ob die von einer<br />

organisierten Gruppe wie der Gemeinschaft der FallstudienträgerInnen<br />

erbrachte Leistung und gewonnene<br />

Erkenntnis prinzipiell und qualitativ über die<br />

von Einzelnen erbrachte. Leistung und gewonnene<br />

Erkenntnis hinausgeht.<br />

2.10 Das SchnittstellenparadoJlon<br />

Schnittstellen können allgemein als Verbindungen<br />

zwischen informationsaustauschenden Systemen<br />

aufgefasst werden. Sie sind als solche störanfällig. In<br />

der Organisationspsychologie werden Sie zum Gegenst<strong>and</strong><br />

gemacht. Man spricht von der Opt<strong>im</strong>ierung<br />

von Schnittstellen (vgI. Mc Grath; 1976). Gelegentlich<br />

hört man sogar, dass ein gutes System sich dadurch<br />

auszeichnet, dass keine (oder nur wenige)<br />

Schnittstellen vorh<strong>and</strong>en sind.<br />

Die Fallstudie stellt nun ein hochdifferenziertes<br />

und komplex' organisiertes Grossprojekt dar, in.der<br />

sich eine grosse Anzahl von höchst unterschiedlichen<br />

Personen rriit verschiedenen Fragen. beschäftigen.<br />

Dadurch werden eine Vielzahl von Schnittstellen'<br />

definiert, die stören können und in eine ineffiziente<br />

Arbeit münden können. Grossorganisationen führen<br />

zu unpersönlichen Vorgaben (z.B.Terminierungen,<br />

Anforderungen). Die EDV-Kommunikation .bietet<br />

zudem die Möglichkeit· zu einer zentralistischen<br />

Kontrolle. Damit ist die Gefahr gegeben, dass die<br />

FallstUdie zu einer Generalstabsübung<br />

verkommt. Obwohl<br />

diese Gefahr in den gros-<br />

.sen Fallstudien der letzten<br />

drei Jahre zu Teilen sichtbar<br />

wurde, gibt es deutliche Hinweise,<br />

dass sie umgehbar ist.<br />

Wesentlich erscheint uns zweierlei.<br />

• Zum einen muss eine klare<br />

Ausrichtung der Arbeit gegeben<br />

sein. Diese ist durch den<br />

Fall und seine Probleme gegeben.<br />

Besteht über das zu<br />

untersuchende System, die<br />

Untersuchungsfragestellung<br />

(i.e. die Ziele der Fallstudie)<br />

und über die Organisation<br />

kein Einvernehmen, so sind<br />

die Chancen zu einer effektiven<br />

und effizienten Kooperation,<br />

Kommunikation<br />

und Koordination gering.<br />

Die Fallstudienzeitung, über<br />

die <strong>im</strong> folgenden Kap. 3<br />

50<br />

UNS-Fallstudie '96


_____________-,-'-<br />

Kommuriikation<br />

MEDIENARBEIT IN DER FALLSTUDIE berichtet wird,<br />

besitzt hier eine wesentliche Funktion.<br />

• Zum zweiten muss das System so flexibel sein,<br />

dass die Schnittstellen problemangemessen und<br />

den individuellen Bedürfnissen und Grenzen der<br />

FallstudienträgerInnen angepasst sind. Dies setzt<br />

an die Organisation der Fallstudie grosse Anforderungen<br />

und verlangt .einen angemessenen «Kommunikations-Cocktail»<br />

zwischen elektronischer<br />

Kommunikation und den verschiedenen Formen<br />

interpersoneller Interäktion. Das Kap. 4 COMPUTER"<br />

EINSATZ UND KOMMUNIKATION ist auch unter diesem<br />

Blickwinkel zu lesen.<br />

3. Medienarbeit in der Fallstudie<br />

3.1 Zum Begriff der Zeitung<br />

Der Begriff Zeitung taucht als «zidunge» (Nachricht,<br />

Botschaft) erstmals um 1300 <strong>im</strong> Raum Köln auf. Er<br />

leitet sich vom mittelniederdeutschen «tidinge»<br />

(Nachricht) her, das seine Wurzel <strong>im</strong> Verb «tiden»<br />

(streben, gehen) hat. Bis <strong>im</strong> 19. Jahrhundert wurde<br />

der Begriff Zeitung noch <strong>im</strong> Sinn von «Nachricht<br />

von einer Begebenheit» gebraucht (Drosdowski,<br />

1989). Ab dem 16. Jahrhundert taucht der Begriff<br />

<strong>im</strong>mer häufiger in Titeln von Flugschriften auf. Die<br />

«newen Zeytungen» waren für einzelne EmpHinger<br />

best<strong>im</strong>mte Beilagen zu Briefen, die wegen ihres allgemein<br />

interessanten Inhaltes vervielfältigt wurden<br />

(Pfeifer, 1993). Die eigentliche Geburtsstunde der<br />

Zeitung ist an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert<br />

zu sehen. Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks<br />

mit beweglichen Lettern (ca. 1440) war die<br />

entscheidende Voraussetzung zur schnellen Massenverbreitung<br />

von Druckerzeugnissen. 1609 erschienen<br />

in Wolfenbütte1 und Strassburgdie zwei ersten<br />

Wochenzeitungen, 1650 folgte in Leipzig die erste<br />

Tageszeitung.. Heute erscheinen weltweit· rund<br />

38'000 Zeitungen, davon 6000 Tageszeitunge.n. In<br />

Westeuropa sind es rund 1750, davon in. der Schweiz<br />

. 123 (Br<strong>and</strong> & Schulze, 1993).<br />

Eine allgemein anerkannte Definition des aktuellen<br />

Zeitungsbegriffes existiert nicht. Vier Kriterien<br />

werden aber von fast allen Wissenschafterlnnen betont:<br />

• Aktualität, d.h. Neuwertigkeit, Gegenwartsbezogenheit<br />

• Publizität, d.h. grundsätzliche Zugänglichkeit<br />

• Universalität, d.h. die grundsätzliche Offenheit<br />

nach allen Lebensbereichen hin,<br />

• Periodizität, d.h. regelmässiges Erscheinen.<br />

Zusammengefasst lässt sich die Zeitung also definieren<br />

als ein «in regelmässiger Folge erscheinendes,<br />

grundsätzlich allen zugängliches Medium, das aktuelle<br />

Informationen aus allen Lebensbereichen<br />

verbreitet» (Br<strong>and</strong> & Schulze, 1993, S. 7). Von der<br />

Zeitschrift unterscheidet sich die Zeitung vor allem<br />

durch die Universalität ihres Inhalts, aber auch durch<br />

in der Regel kürzere Erscheinungsintervalle.<br />

3.2 Charakter der Fallstudienzeitung<br />

Das <strong>im</strong> Rahmen der UNS-Fallstudie an der Abteilung<br />

für Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />

regelmässig publizierte Informationsorgan, in der.<br />

Folge Pallstudienzeitung genannt, kommt gemäss.<br />

obiger. Kriterien einer Betriebszeitung am nächsten.<br />

Von Studierenden für die Studierendenals wichtige<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

51


Kommunikation ~ ~---~----<br />

Zielgruppe verfasst, trotzdem aber den Anliegen der<br />

Fallstudie verpflichtet, bewegt sie sich in einem ähnlichen<br />

Spannungsfeld: In d~r Fallstudienzeitung<br />

werden St<strong>im</strong>mungen oder Kritik der Basis wiedergegeben.<br />

Dadurch, dass eine finanzielle und zum Teil<br />

ideelle Abhängigkeit zur Projektleitung (Geschäftsleitung)<br />

besteht, werden allerdings Äusserungen, die<br />

dem Gesamtprojekt(Betrieb) schaden würden, nicht<br />

gedruckt. In der Fallstudienzeitung ist somit (wie<br />

auch in einer Betriebszeitung) Platz für konstruktive<br />

Diskussion 'über strukturelle Mängel oder Vorschläge,<br />

nicht aber für Polemik oder Meinungsmache.<br />

Analog zur Betriebszeitung übern<strong>im</strong>mt sie wichtige<br />

Funktionen bei der Identifikation der Studierenden<br />

mit ihrer Arbeit.<br />

3.3 Aufgaben der Fallstudienzeitung in<br />

der Fallstudie<br />

Die Fallstudienzeitung erscheint regelmässig in gedruckter<br />

Form und ist als Produkt der Fallstudie<br />

gekennzeichnet. Verfasst wird sie von einer Gruppe<br />

von Studierenden, genannt Mediengruppe. Die Fallstudienzeitung<br />

ist das einzige schriftliche Produkt,<br />

das bereits während der Fallstudie nach aussen gelangt.<br />

Neben dem direkten Gespräch mit Studierenden,<br />

TutorInnen und dem verantwortlichen<br />

Hochschulprofessor ist die Fallstudienzeitung<br />

somit die einzige Möglichkeit für die<br />

TrägerInnen der Fallstudie (vgl. Abb. 1.2<br />

<strong>im</strong> Kap. ORGANISATION), sich über den Fortgang<br />

der Arbeiten ein Bild zu machen.<br />

nen dämpfen: unsachgemässe Berichterstattung, ungenügender<br />

Einbezug von vorh<strong>and</strong>enem Expertenwissen<br />

oder die Veröffentlichung von Interviews,<br />

die von den Befragten nicht autorisiert worden sind,<br />

werfen ein schlechtes Licht aufdie ganze Fallstudie.<br />

1996 wurden verbindliche «Spielregeln» zur Qualitätssicherung<br />

aufgestellt. Fallstudienleitung und<br />

Mediengruppe legten gemeinsam in einem Konzept<br />

einen durch «Netze» abgesicherten H<strong>and</strong>lungsraum<br />

fest, in dein die Mitglieder der Mediengruppe auch<br />

exper<strong>im</strong>entieren und Fehler machen durften.<br />

.Kommunikation nach innen<br />

Die Fallstudienzeitung dient nicht nur als Informationsquelle<br />

für die TrägerInnen der Fallstudie, die<br />

zweite grosse Zielgruppe sind die Studierenden. Die<br />

Fallstudienzeitung liefert ihnen allgemeine Informationen<br />

aus verschiedenen Perspektiven und Wissenshorizonten:<br />

Wo sehen interviewte BewohnerInnen<br />

Hauptproblerne des betrachteten Quartiers? Wo<br />

sieht einEPolitikerIn, wo einE WirtschaftsvertreterIn<br />

dengrössten H<strong>and</strong>lungsbedarf? Die Fallstudienzeitung<br />

unterstützt somit das Fallstudienziel, Wissen<br />

aus verschiedenen Quellen und Horizonten zu verknüpfen<br />

(z.B. das Erfahrurigswissen von ArbeiterInnen<br />

und das Fachwissen von Wissenschafterlnnen).<br />

Kommunikation nach aussen<br />

Die Fallstudie interessiert sich nicht nur<br />

für das objektive Wissen der FallstudienträgerInnen<br />

sondern auch für ihre Interessen<br />

und Meinungen, welche die Entwicklung<br />

des Falles entscheidend beeinflussen.<br />

Die Resultate der Fallstudie sollen zur<br />

Lösung der aktuellen Probleme des Falls<br />

beitragen. Die Fallstudienzeitung lässt<br />

deshalb alle Interessengruppen mit gleichem<br />

Recht zu Wort kommen. Eine seriöse<br />

und alle relevanten Gruppen einbeziehende<br />

Berichterstattung gibt dabei den<br />

TrägerInnen der Fallstudie die Bestätigung<br />

dafür, dass ihre Anliegen von den Studierenden<br />

der Umweltnaturwissenschaften<br />

ernstgenommen und in ihre Arbeiteinbezogen<br />

werden.<br />

Umgekehrt können schlechte Erfahrungen<br />

mit der Mediengruppe die Kooperationsbereitschaft<br />

der FallstudienträgerIn-<br />

Abb.3.3 Die <strong>Nord</strong>Seiten wurden VO" den Studiere"den, den TutorI""en u"dVO" ei"em<br />

Kreis VO" ousserholb der Follstudie i"tensiv gelesen. Dies ko""te ouch o"ho"d ei"er<br />

umfossende" Evoluotio" bestätigt werden (Bild: Michoel Meier).<br />

52 UNS-Fallstudie '96


_______--------------~-----------'--------'- __Kommunikation<br />

Die Fallstudienzeitung pflegt die Kontakte zu den<br />

verschiedenen TrägerInnen des Falls kontinuierlich<br />

auch während den Phasen, in denen sich die Studierenden<br />

auf die Arbeit in den Gruppen konzentrieren.<br />

Wenn in der Fallstudienzeitung wichtige Persönlichkeiten<br />

aus Politik und Wirtschaft zu Wort kommen<br />

und sich für die Fallstudie interessieren und engagieren,<br />

bekommt die eigene Arbeit ein grösseres<br />

Gewicht.<br />

Die Fallstudienzeitung dient zudem als «studentisches<br />

Gefäss», um fallstudieninterne Informationen<br />

weiterzugeben. Die studentische Perspektive, aus<br />

der heraus die einzelnen Beiträge verfasst sind, ist<br />

dabei von besonderer Wichtigkeit. Eine Diskussion<br />

über die Ziele Und den Sinn der Synthese in der Fallstudienzeitung<br />

beispielsweise, in der auch Studierende<br />

zu Wort kommen, hat eine <strong>and</strong>ere Qualität als<br />

die Beschreibung verschiedener Synthesemethoden<br />

<strong>im</strong> Fallstudiendossier. Durch diese Betrachtung wird<br />

deutlich, dass sich informationsvermittelnde und<br />

soziale Funktion der Fallstudie innerhalb der Fallstudie<br />

nur schwer trennen lassen. Die Fallstudienzeitung<br />

versucht, den Studierenden die Antwort auf<br />

die Frage: «Wofür mache ich das jetzt eigentlich?» zu<br />

liefern.<br />

Neben der Motivationsförderung kann die Zeitung<br />

auch die Konfliktlösung unterstützen. Im wesentlichen<br />

stehen dafür zwei Mittel zur Verfügung. Erstens<br />

dient die Fallstudienzeitung der Fallstudienlei'tung<br />

als «Frühdetektor» für Unzufriedenheit<br />

unter den Studierenden: studentischen ReporterInnen<br />

gegenüber werden kritische Bemerkungen<br />

früher und ehrlicher geäussert als beispielsweise<br />

gegenüber dem verantwortlichen Hochschuldozenten.<br />

Dieser bekommt so durch die Zeitung die<br />

Meinung von Studierenden weitgehend ungefiltert<br />

mit und hat die Chance, schon früh auf Missst<strong>im</strong>-<br />

,mungen zu reagieren. Zweitens können in der Fallstudienzeitung<br />

Konflikte offen ausgetragen werden:<br />

Es ist möglich, die Meinung verschiedener Parteien<br />

nebenein<strong>and</strong>er gleichwertig darzustellen und die<br />

Leserschaft zur Stellungnahme aufzufordern. Die<br />

Fallstudienzeitung kann so zur Meinungsplattform<br />

für die Studierenden der Fallstudie werden.<br />

3.4 Medienarbeit als umweltnaturwissenschaftliche<br />

Arbeit<br />

Die F~lbtudienzeitungerfüllt sowohl gegen innen<br />

wie auch gegen aussen wichtige Funktionen <strong>im</strong><br />

sozialen und wissensbezogenen Bereich. Es stellt<br />

sich die Frage, ob es sich bei dieser Arbeit auch<br />

um umweltnaturwissenschaftliche Fallstudienarbeit<br />

h<strong>and</strong>elt. Ein Vergleich der wichtigsten Lernziele der<br />

Fallstudie mit den durch die Medienarbeit erlangten<br />

Qualifikationen zeigt, wie nahtlos siGh die Arbeit der<br />

Mediengruppe in die umweltnaturwissenschaftliche<br />

Fallstudienarbeit fügt:<br />

Der Gegenst<strong>and</strong> der Fal/studie ist die Bearbeitung eines<br />

komplexen, realen, gesellschaftlich relevanten Problems.<br />

Angestrebtwirdeine Synthese von Wissen aus verschiedenen<br />

Horizonten. Voraussetzungen für eine ganzheitliche Sicht<br />

des Problems sind eine gute Failkenntnis und ein umfassendes<br />

Systemverstiindnis. Die Mitglieder der Mediengruppe<br />

sammeln und verarbeiten Informationen zum<br />

Fall aus den verschiedensten Quellen. Die fortlaufende<br />

Beschäftigung mit dem ganzen Themenspektrum<br />

rund um das gewählte Fallstudienthema<br />

von Grümaumgestaltung über A1tlasten bis zur Zersiedlungsproblematik<br />

ermöglicht den Mitgliedern<br />

der Mediengruppe, eine, breitere allgemeine Fallkenntnis<br />

zu entwickeln, als dies für Studierende in<br />

den Synthesegruppen der Fall ist. Der Versuch einer<br />

Gesamtsynthese während der Fallstudie ist somit<br />

fortlaufender Gegenst<strong>and</strong> der Mediengruppe.<br />

Die Fallstudie, zielt neben der Lehre auch aufForschung<br />

und Anwendung. Die Mediengruppe bewegt sich an der<br />

Schnittstelle zwischen Hochschule und Praxis. Die Mitglieder<br />

der Mediengruppe erhalten nicht nur Gelegenheit<br />

zu persönlichem Kontakt zu VertreterInnen<br />

aus Politik und Wirtschaft, sondern knüpfen auch<br />

Verbindungen, die von <strong>and</strong>eren Gruppen in der Fallstudie<br />

genutzt werden. Der Einfluss von rechtlichen<br />

und ökonomischen Rahmenbedingungen auf die<br />

Realisierungschancen von Projekten wird den Mitgliedern<br />

der Mediengruppe be<strong>im</strong> Kontakt mit den<br />

Betroffenen stark bewusst.<br />

3.5 «Fallstricke» der Medienarbeit<br />

Die. Medienarbeit unterliegt wie die übrige Fallstudienarbeit<br />

einem steten Entwicklungsprozess. In<br />

den vergangenen zwei Jahren wurden verschiedene<br />

«Kinderkrankheiten» durchgemacht. Die bis jetzt<br />

erkannten «Fallstricke» der Medienarbeit und die<br />

aus ihnen abgeleitetenVerfahrensregeln sind:<br />

• Umfassende Dokumentation der Fallstudie. Alle von<br />

den TrägerInnen der Fallstudie als wichtig eingestuften<br />

Termine, insbesondere interne oder externe<br />

Präsentationen von Resultaten, werden von,<br />

der Mediengruppe wahrgenommen. Indet Folge<br />

wird in der Fallstudienzeitung darüber berichtet.<br />

• Information statt Polemik. Die Mediengruppeist<br />

Teil der Fallstudie. und unterstützt ihre Ziele<br />

konstruktiv. Kritische Meinungen ,haben ihren<br />

Platz in der Fallstudienzeitung. Äusserungen, die<br />

polemisieren und den Fallstudienprozess gefährden,<br />

werden dagegen ni.cht abgedruckt. Die Fallstudienleitung<br />

erhält die Fallstudienzeitung vor<br />

Drucklegung zur Lektüre und behält sich vor,<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

53


Kommunikation<br />

--'-____:_-----~-------'----'----____:_-----------------<br />

solche Äusserungen zu bezeichnen und ihre Änderung<br />

zu verlangen resp. deren Druck zu verbieten.<br />

• Saubere Recherche. Wichtige InformantInnen erhalten<br />

fertige Artikel vor Drucklegung vorgelegt. Sie<br />

haben Gelegenheit, sachliche Fehler zu korrigieren.<br />

Dies gilt speziell für InterviewpartnerInnen<br />

und alle Personen, die wörtlich zitiert werden.<br />

Diese VerfahreIJ.sregel gilt gleichermassen für<br />

InformantInnen von inner- und ausserhalb der<br />

Fallstudie.<br />

Zensur?<br />

Dank des gemeinsamen Konzeptentwurfes war die<br />

Zusammenarbeit zwischen Mediengruppe und Fallstudienleitung<br />

1996 sehr gut. Unter den Studierenden<br />

der Synthesegruppen kamen aber bald Gerüchte<br />

auf, die Fallstudienzeitung werde zensiert und diene<br />

nur mehr als Sprachrohr des Hochschulprofessors.<br />

Einzelne Studierende fühlten sich durch die Mediengruppe<br />

in ihren Interessen zu wenig vertreten.<br />

Der Zensurvorwurf schadet der Glaubwürdigkeit der<br />

Fallstudienzeitung bei den Studierenden.<br />

Verfahrensvorsch/{Jg: Transparenz. Das Konzept der<br />

Mediengruppe wird ,all,en Studierenden zugänglich<br />

gemacht. Der Sinn der verschiedenen «Reviews»<br />

durch ausgewählte TrägerInnen der Fallstudie und<br />

der Fallstudienleitung muss transparent dargestellt<br />

und das Zensurthema bei Bedarfinder Fallstudienzeitung<br />

thematisiert werden.<br />

falsche Erwartungen?<br />

Ein Grossteil der Konflikte, die 1995 zwischen<br />

Mediengruppe und Fallstudienleitung entst<strong>and</strong>en,<br />

hatte seinen Ursprung in unterschiedlichen Vorstellungen<br />

über die Arbeit in der Mediengruppe. Die<br />

Fallstudienzeitung ist nicht wie eine Tageszeitung<br />

unabhängig, sondern dem Fallstudienziel verpflichtet.<br />

Die Berichterstattung beschränkt sich auf die<br />

Fallstudie. In der Hauptsache h<strong>and</strong>elt es sich dabei<br />

um objektive Informationsvermittlung. Eine Stellungnahme<br />

der Schreibenden ist allenfalls separat als<br />

Kommentar möglich. Die Fallstudienzeitung steht<br />

aber grundsätzlich allen «Parteien», d.h. den unterschiedlichen<br />

Interessengruppen, neutral gegenüber.<br />

Dies steht <strong>im</strong> Gegensatz zur mehr oder weniger stark<br />

ausgeprägten politischen Ausrichtung professioneller<br />

Zeitungen.<br />

Verfahrensvorsch/ag:' Vonnformation über Mediengruppenarbeit.<br />

Schon vor Beginn der Fallstudie müssen<br />

die Studierenden über Charakter und Voraussetzungen<br />

der Medienarbeit informiert werden. Wichtige<br />

Punkte einer solchen Vorinformation wären:<br />

• Inhalt des Konzepts der Mediengruppe '96<br />

• Hinweis auf die zeitliche Belastung<br />

• Die Arbeit in der Mediengruppe gibt einen ersten<br />

Einblick in den Journalismus. Ein gutes Sprachgefühl<br />

ist von Vorteil.<br />

• Die Arbeit für die Fallstudienzeitung lässt sich<br />

nicht mit der Mitarbeit· in einer unabhängigen<br />

Tageszeitung vergleichen. Die Mediengruppe unterstützt<br />

die Fallstudienziele konstruktiv. Es geht<br />

nicht wie in der freien Presse darum, mit Sensationen<br />

und Aufdecken von Sk<strong>and</strong>alen LeserInnen zu<br />

ködern. '«Positiv-Berichterstattung» und Information<br />

stehen <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

~.6 Mediengrllppe '~6: Konzept<br />

Schon vor Beginn ,der Fallstudie erstellten Studierende,<br />

die Fallstudienleitung und der Tutor gemeinsam<br />

ein Konzept für die Arbeit der Mediengruppe.<br />

Darin wurden die Stellung der Mediengruppe innerhalb<br />

der Fallstudie, die Funktionen der Zeitung<br />

sowie' ihre Zielgruppen und Hauptinhalte umrissen<br />

(siehe Kasten 3.6.2).<br />

Besondere Aufmerksamkeit wurde in den Abma- '<br />

chungen zwischen Mediengruppe und Fallstudienleitung<br />

dem Umgang mit sensiblen Informationen<br />

und Zitaten resp. Interviews geschenkt. Als Grundregel<br />

wurde festgehalten, dassInformantInnen einen<br />

fertigen Artikel vor Drucklegung zum Gegenlesen<br />

vorgelegt erhalten. Sie haben dann die Möglichkeit,<br />

sachliche Fehler zu korrigieren; dies gilt ganz speziell<br />

für Zitate und Aussagen in Interviews. Dieses<br />

Vorgehen entspricht dem Vorgehen in der «seriösen»<br />

Presse (siehe Kasten 3.6.1).<br />

Weiter erhielten sowohl das Fallstudienbüro und<br />

der verantwortliche Hochschuldozent als auch die<br />

Kosten 3.6.1 Pressekodex des Deutschen Presserotes (Auszug aus der<br />

Fassung vom 14. Februar 1990).<br />

54<br />

UNS-Fallstudie '96


__________________---,- -:-- :..-_Kommunikation<br />

Kasten 3.6.2 Das Konzept der Mediengruppe 1996 (Auszug).<br />

ABB als Fallexpertin und «Fallstudienpatronin» die<br />

. ganze Ausgabe vor Drucklegung zur Stellungnahme.<br />

Es wurde vereinbart, auf sachliche Fehler hinzuweisen<br />

(die verpflichtend korrigiert werden mussten),<br />

und es wurde Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.Rückmeldungen<br />

von Seiten der Fallstudienleitung<br />

beschrankten sich meist auf Vorschläge und<br />

waren keine verbindlichen Weisungen. Während der<br />

ganzen Fallstudie wurden lediglich die Titel zweier<br />

Beiträge nach Diskussion mit der Fallstudienleitung<br />

neu formuliert; be<strong>im</strong> einen h<strong>and</strong>elte es sich um ein<br />

Editorial, be<strong>im</strong> <strong>and</strong>eren um einen Artikel eines<br />

Fremdautors.<br />

3.7 Inhaltliche Ausrichtung der<br />

<strong>Nord</strong>Seiten<br />

Da die Fallsttidienzeitung verschiedenen Zielgruppen<br />

mit eigenen Ansprüchen genügen soll, lässt sie<br />

sich in ihrem Stil nicht eindeutig einem der Typen<br />

(Tages-)Zeitung, Magazin oder Wissenschaftliche Publikation<br />

zuordnen.<br />

Um möglichst allen LeserInnen Interessantes bieten<br />

zu können, beh<strong>and</strong>elte die Fallstudienzeitung<br />

ein breites Themenspektrum. Abb. 3.7 zeigt, wieviele<br />

Artikel zu den einzelnen Themenkreisen in den<br />

<strong>Nord</strong>Seiten erschienen sind.<br />

• Zur Rubrik «Fall» wurden dabei Informationen<br />

über das Projekt ZZN und seine direkten Auswirkungen<br />

in Oerlikon gezählt.<br />

• Als «Hintergrundberichte» galten Beiträge zu<br />

Themenkreisen wie «Umgang mit Altlasten» oder<br />

«Verkehrin derSchweiz», die Facetten des Falles<br />

in grösserem Rahmen beh<strong>and</strong>elten.<br />

• In die Kategorie «FSArbeit» fielen· Artikel zur<br />

Arbeit der Synthese- und Teilprojektgruppen.<br />

• Unter «Interna/Unterhaltung» fallen Comics, Terniinankündigungen,<br />

Leserbriefe, etc.<br />

• «FSTheorie» umfasst sämtliche Artikel, die sich<br />

mit der Theorie der Fallstudie beschäftigten (Fallstudienmethoden,<br />

Organisation,.etc.).<br />

IntemaJUnterhaltung<br />

27%<br />

FSTheorie<br />

7%<br />

Hintergründe<br />

34%<br />

Abb. 3.7 Die relative Verteilung der Artikelanzaltl in den <strong>Nord</strong>Seiten für<br />

die einzelnen Tltemenbereiche. Die Berichte zur Fallstudientheorie, zur<br />

Arbeit der einzelnen Gruppen sowie die Interna richteten sich insbesondere<br />

an die Studierenden. Hintergründe undArtikel zum Fall sollten alle Zielgruppen<br />

ansprechen.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

55


Kommunikation -------------,....-----'----------~- _<br />

Wie häufig die einzelnen Beiträge effektiv von den<br />

einzelnen Zielgruppen gelesen wurden, kann allerdings<br />

nicht festgestellt- werden, da eine derart detaillierte<br />

Abschlussbefragung der LeserInnen nicht<br />

erfolgte.<br />

Ein direktes Feedback von aussen erhielt die<br />

Mediengruppe nur be<strong>im</strong> Kontakt mit der ABB-Pressestelle.<br />

Während der Fallstudie gingen verschiedene<br />

«AI;>onnementsbestellungen» von nicht an der Fallstudie<br />

beteiligten Personen ein, die zufällig ein<br />

Exemplar der <strong>Nord</strong>Seiten in die Hände bekoinmen<br />

hatten. Die Studierenden wurden am Ende der Fallstudie<br />

zu ihrem Leseverhalten sowie zu Form und<br />

Inhalt der Fallstudienzeitung befragt. Das Resultat<br />

war für die Mediengruppe sehr erfreulich: Die Lesehäufigkeit<br />

wurde auf einer Skala von 1 (nie) bis 7<br />

(<strong>im</strong>mer) <strong>im</strong> Schnitt mit 5.2 angegeben..79% der<br />

LeserInnen empf<strong>and</strong>en den Umfang der Zeitung als<br />

gerade richtig. Auch das zweiwöchentliche Erscheinen<br />

wurde von 75% als genau richtig empfunden.<br />

Das Verhältnis zwischen Hintergrundberichten und<br />

Artikeln zur Fallstudie selber wurde von 56% als<br />

genau richtig eingeschätzt.<br />

Aus den verschiedenen Rückmeldungen zur Fallstudienzeitung<br />

kann der Schluss gezogen werden,<br />

dass das Inhaltskonzept «Für jeden Etwas» erfolgreich<br />

war. Die Mediengruppe selbst empf<strong>and</strong> allerdings<br />

den Bereich der eigentlichen Fallstudienberichterstattung<br />

als zu wenig abgedeckt. Sie vermisste<br />

ein wenig den direkten Kontakt zu den Studierenden.<br />

Für die folgenden Fallstudien müsste ein<br />

Weg gefunden werden, von einer einseitigen Informationsübertragung<br />

von der Zeitung zu den LeserInnen<br />

vermehrt zu einem Dialog zu gelangen. Das<br />

Potential der Fallstudienzeitung als Ort für Diskussionen<br />

(Meinungsplattform, siehe Kap. 3.3 AUFGABEN<br />

DER F'ALLSTUDIENZEITUNG IN DER FALLSTUDIE) müsste<br />

besser ausgeschöpft werden.<br />

3.8 Mediengruppe '96: Arbeitsmethode<br />

Die Mediengruppe '96 brachte wenig bis keine praktische<br />

Erfahrung in Medienarbeit mit, Ihre fachliche<br />

Kompetenz erreichte sie <strong>im</strong> wesentlichen durch<br />

eine «Schreibwerkstatt;> unter Anleitung des Tutors<br />

zu Beginn der Fallstudie. Als einführende Literatur<br />

erwiesen sich unter <strong>and</strong>erem Schlapp (1991) und<br />

Schneider (1986) sehr nützlich. Das Prinzip «learning<br />

by doing» st<strong>and</strong> notgedrungen <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

Der Mediengruppe '96 gehörten acht Studierende<br />

verschiedener Fachvertiefungen an. Von ihnen Übernahmen<br />

fünf Studierende vorwiegend redaktionelle<br />

Arbeiten, zwei Studenten spezialisierten sich auf<br />

Grafik und Layout. Der Photograph als achtes Mitglied<br />

der l'y1ediengruppe übernahm zusätzlich zu sei-<br />

nerMitarbeit bei der Fallstudienzeitung die photographisehe<br />

Dokumentation der gesamten Fallstudie<br />

- dies auch in Hinblick auf die Iyustration des vorliegenden<br />

Fallstudienb<strong>and</strong>es. Jm folgenden seien<br />

die wichtigsien Teilbereiche der Mediengruppenarbeit<br />

erläutert<br />

Redaktion<br />

An der Redaktionssitzung nahmen alle Mitglieder<br />

der Mediengruppe sowie der betreuende Tutor teil.<br />

Der erste Teil diente jeweils der inhaltlichen und<br />

formalen Besprechung der eben c::rschienenen Nummer.<br />

Im zweiten Teil erfolgte die Planung der nächstenAusgabe.<br />

Die Auswahl der Beiträge erfolgte <strong>im</strong><br />

wesentlichen nach folgenden Gesichtspunkten:<br />

• Wichtige Ereignisse <strong>im</strong> Rahmen der Fallstudie wie<br />

Plena, Beginn einer neuen Arbeitsphase oder die Erfahrungstage<br />

gehörenin die FaUstudienzeitung.<br />

• Das ganze von der Fallstudie aufgenommene<br />

Themenspektrum respektive alle Synthesegruppen<br />

sollen auch in der Fallstudienzeitung vertreten<br />

sem.<br />

• Möglichst alle am Fall interessierten Gruppen<br />

(<strong>Stadt</strong>, Bevölkerung, ABB, etc.) sollen in der<br />

Zeitung Gelegenheit bekommen, ihre Ansichten<br />

darzulegen.<br />

• Die Ausgabe soll eine ausgewogene Mischung<br />

zwischen Unterhaltung undInformation bieten.<br />

• Verschiedene Stilformen (Interview, Photoreportage,<br />

Hintergrundbericht, etc.) erscheinen injeder<br />

Ausgabe in ausgewogenem Verhältnis.<br />

• Beiträge verschiedener Länge kommen dem unterschiedlichen<br />

Leseverhalten verschiedener Lese-<br />

. rInnen entgegen. Eine Ausgabe mit ausschliesslich<br />

zwei- und mehrseitigen Berichten schreckt Lesemuffel<br />

ab; ausreichend «Kurzfutter», das auch<br />

Kreuz- und Querlesen der Zeitung erlaubt, ist<br />

deshalb sehr erwüIischt.<br />

• Pro Ausgabe konzentriert sich die Zeitung auf ein<br />

Schwerpunktthema, dessen verschiedene Aspekte<br />

ausgeleuchtet werden. Schwerpunktthemender<br />

<strong>Nord</strong>Seiten waren: Fallstudienbeginn, Verein zürifüfzgl,<br />

Altlasten, Rückblick auf die erste Fallstudienhälfte,<br />

Raumplanung in der Schweiz, Verkehr, Grünraum<br />

in der <strong>Stadt</strong> sowie Bilanz zur Fallstudie.<br />

Recherche<br />

Als Quellen für di~ Informationen wurden telefonische<br />

Erkundigungen, das persönliche Gespräch,<br />

Literatur aus der fallstudieneigenen Bibliothek oder<br />

<strong>ETH</strong>-Bibliothek sowie das Internet genutzt. Das<br />

WWW (World Wide Web) half vor allem bei dei Su-<br />

- ehe nach innovativen Projekten in <strong>and</strong>eren Ländern,<br />

die sich mit dem ZZN vergleichen lassen, beispiels-<br />

56<br />

UNS-Fallstudie '96


_____~~-----------<br />

Kommunikation<br />

welse <strong>im</strong> Bereich Verkehr.<br />

Die Informationsbeschaf­<br />

(ung innerhalb der Gruppen<br />

war speziell organisiert:<br />

In jeder Synthesegruppe<br />

gab es eineN InformationsverantwortlicheN,<br />

der/die<br />

als «PressesprecherIn» fungierte.<br />

Diese Verantwortlichen<br />

hatten den Auftrag,<br />

sich laufend (auch während<br />

der Teiiprojektphase) über<br />

die Arbeiten in der Synthesegruppe.<br />

zu informieren<br />

und der Mediengruppe für l<br />

Anfragen zur Verfügung zu<br />

stehen. Dieses Vorgehen<br />

sollte verhindern, dass veraltete<br />

Informationen in die<br />

Zeitung gelangen oder die<br />

Arbeit der Gruppen falsch<br />

dargestellt wird.<br />

Die Recherche nahm meist<br />

den Rest. der Fallstudienwoche<br />

und auch noch einen .<br />

Teil des folgenden Montags und Dienstags in Anspruch.<br />

Diese Belastung der Mitglieder der Mediengruppe<br />

ausserhalb der für die Fallstudie reservierten<br />

Zeit liess sich aus terrriinlichen Gründen kaum vermeiden:<br />

Innerhalb von zwei Tagen lassen sich nur<br />

schwer kurzfristige Gesprächstermine mit PolitikerInnen<br />

oder Geschäftsleuten vereinbaren, der Freitagnachmittag<br />

ist zudem eine ungünstige Zeit ,für<br />

Nachfragen auf Ämtern oder in BÜros.<br />

Abb. 3.9 Die besten Präsentationen wurden an der Schlussveranstaltung prämiert. Das Redaktionsteam der<br />

<strong>Nord</strong>Seiten erhielt einen speziellen Preis, da die Zeitung die Fallstudie in besonderer Weise unterstützte (Bild:<br />

Michael Meier).<br />

Zeitungsredaktion. Fehlendes Feedback liess die<br />

Mediengruppe '96 bis zur Evaluation <strong>im</strong> Dunkeln<br />

tappen, ob ihr Produkt ihrerLeserschaft überhaupt<br />

gefiel.<br />

.3.9 Fazit der Mediengruppe '96<br />

In der Arbei.tsmethodik der Mediengruppe kann<br />

eine Übereipst<strong>im</strong>mung mit derjenigen der Synthesegruppen<br />

gesehen werden. Grundsätzlich verschieden<br />

ist dabei der Zeitmassstab: Jede Ausgabe<br />

der Fallstudienzeitung entspricht dem Produkt einer<br />

«Synthese <strong>im</strong> Kleinen» (Begriffsiehe Editorial <strong>Nord</strong>­<br />

Seiten Nr. 7).<br />

Das Grundkonzept der FaHstudienzeitung '96, den<br />

<strong>Nord</strong>Sei(en, scheint gelungen: Im Vergleich zu den<br />

Vorjahren war das Verhältnis der Mediengruppe zur<br />

Fallstudienleitung sehr entspannt, die Arbeit wurde<br />

von der Mediengruppe als interessant empfunden.<br />

Die LeserInnen von inner- und ausserhalb der Fallstudie<br />

waren mit dem Inhalt der Fallstudienzeitung<br />

zufrieden und lasen sie häufig. Bewährt hat sich auch<br />

der Zweiwochenrhythmus des Erscheinens. Verbesserungswürdig<br />

erscheint der Kontakt zwischen den<br />

Studierenden in den Synthesegruppen und der<br />

•<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

57


Kommunikation<br />

~-----------------------___,.------____,-<br />

4. Computereinsatz und<br />

Kommunikation<br />

4.1 Grundlagen<br />

Computer werden zur Kommunikation zwischen den<br />

.Beteiligten, zur Informationsbeschaffung (Datenbanken)<br />

und als allgemeines Arbeitsmittel (Anwenderprogramme)<br />

eingesetzt. Grundsätzlich gilt es<br />

be<strong>im</strong> Thema Computerkommunikation zu unterscheiden<br />

zwischen der Kommunikation zwischen<br />

Mensch und Maschine 3 (Computer) und der Kommunikation<br />

zwischen Menschen via Computer. Wir<br />

beschränken uns aufden zweiten Teil, die computerunterstützte<br />

Kommunikation zwischen den verschiedenen<br />

inden Fallstudien beteiligten Personen und<br />

Gruppen.<br />

Die computerunterstützte Gruppenarbeit (Computer<br />

Supported Cooperative Work, CSCW) als Forschungsgebiet<br />

ist relativ jung, eine allgemein anerkannte<br />

wissenschaftliche Definition von CSCW steht<br />

noch aus (Clausen, 1992; Teufel et al., 1995). Wir<br />

verstehen CSCWals allgemeine Bezeichnung für die<br />

computertechnische Unterstützung mehrerer Personen,<br />

die eine gemeinsame Aufgabe bearbeiten 4 • Die<br />

dabei eingesetzten Kommunikationsmittel können<br />

.sich in folgenden Charakteristika unterscheiden:<br />

.• Medium: Die Kommunikation kann über Texte,<br />

Bilder (Grafiken, Video) oder Töne erfolgen<br />

• Räumliche Verteilung: Die Anwendungen sind<br />

räumlich benachbart (lokal) oder entfernt (verteilt)<br />

Zeit r--------,------:------,<br />

asynchron<br />

syncliron<br />

MAUD<br />

Logicat Decisions<br />

Groupware (TU Defft)<br />

• Zeitliche Verteilung: Die Kommunikation erfolgt<br />

zeitgleich (synchron) oder zeitverschieden (asynchron)<br />

• Anzahl KommunikationspartnerInnen<br />

• Art der Kommunikation: Explizite (aktiver Informationsaustausch,<br />

z.B. via elektr()nische Post) und<br />

<strong>im</strong>plizite Kommunikation (Austausch über gemeinsame<br />

Medien, z.B. zentrale Adressdiltenbank)<br />

CSCW-Applikationen lassen sich bezüglich ihrer zeitlichen<br />

und räumlichen Unterschiede in einer Raum­<br />

Zeit·Matrix (Abb. 4.1.1) darstellen.<br />

Bulletin Board Systeme (BBS)<br />

Im Prinzip h<strong>and</strong>elt es sich bei BBS um spezielle<br />

Datenbanken, in denen Meldungen verschiedener<br />

AutorInnen gegliedert abgespeichert werden. Zentrales<br />

Merkmal von BBS ist, dass' die Informationen<br />

von Einzelnen einer Vielzahl von Personen zur Verfügung<br />

stehen. Clausen (1992) spricht in diesem<br />

Zusammenhang von «person-to-group cummulative<br />

message files». Ursprünglich waren BBS vor allem<br />

für die Veröffentlichung und den Austausch von<br />

binären Dateien durch räumlich und zeitlich verteilte<br />

Gruppen gedacht. Inzwischen haben sich auf<br />

verschiedenen BBS die sogenannten Diskussionsgruppen<br />

als ebenso wichtiges Forum des Informationsaustausches<br />

etabliert.<br />

Die Kommunikation in BBS ist <strong>im</strong>plizit, d.h.eine<br />

Meldung wird grundsätzlich allen angeschlossenen<br />

TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt O:n Kommunikationsbeziehung).<br />

Einer der Hauptvorteile ist<br />

dabei, dass Fragen und Antworten nicht mehrfach<br />

gestellt bzw. gegeben werden müssen.<br />

Verteilte Hypertext Systeme<br />

.Bei Hyper,text Systemen sind einzelne Dokumente<br />

nicht in Form von zusammenhängenden, linearen<br />

Teilen (z.B. Kapitel in einem Buch) verfügbar,<br />

sondern bestehen aus vonein<strong>and</strong>er unabhängigen<br />

. Informationseinheiten oder Knoten (knots), die mitein<strong>and</strong>er<br />

über aktive Verbindungen (links) verknüpft<br />

sind. Die einzelnen' Stellen, an denen die Verknüpfung<br />

definiert ist, heissen Ankerpunkte (anchors).<br />

Abb. 4.1.2 illustriert ein einfachstes Hypertext System.<br />

Die einzelnen Knoten können dabei verschiedene<br />

Medien (Text, Bild, etc.) enthalten. Um be<strong>im</strong> Beispiel<br />

des Buches zu bleiben, können die Knoten als<br />

einzelne, lose Buchseiten verst<strong>and</strong>en werden. Die<br />

benachbart<br />

entfernt<br />

Raum<br />

Abb.4.1.1 Raum-Zeit-Matrix. Die einzelnen CSCW-Applikationen unterscheiden<br />

sich bezüglich ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung. Kursiv<br />

(grau) bezeichnetsinddie in der Fal/studie eingesetzten Systeme (nach Teufel<br />

etaI., 1995).<br />

3 Statt Kommunikotion wird häufig auch der Begriff 1nteroktion für die<br />

Mensch-Computer-Beziehung verwendet (Herczeg, 1994).<br />

4 Die Begriffe Computer Medioted Communicotion (CMC) und· Computer<br />

Medioted Cooperotive Work (CMCW) werden <strong>im</strong> Zusammenhang mit computerunterstützter<br />

Gruppenarbeit ebenfalls verwendet (Rapaport, 1991;<br />

Walters, 1995).<br />

58 UNS-Fallstudie '96


_-'-- ~_~__-;- ~ ___,_---------Kommunikation<br />

In den beiden letzten Jahren hat sich<br />

gezeigt, dass der Einsatz von EDV als<br />

Kommunikationsmittel in der Fallstudie<br />

eine zunehmende Rolle spielt. Wir haben auf<br />

der einen Seite die grosse Zahl der Studierenden (ca.<br />

'100), die. an einem gemeinsamen Problem arbeiten<br />

(siehe auch Kap. ORGANISATION) und <strong>and</strong>ererseits die<br />

räumliche Trennung der einzelnen Arbeitsgruppen.<br />

Gerade weil die eigentliche ~allstudienarbeitin Synhjg(Ivhl;m.~vItlvvtlsjhlMlpdv<br />

vdnschuepevIeY MMc. sttvk JQFIYO v<br />

hjgdf vhjjvh. -eiE~-""'F-.~ lc$Og9ga gasOIkvpOrgkbkc8sDFAg<br />

vmsdhauepElllillYiwMl:<br />

. ~ 'lhj)'dl .asdlvtll'N'~<br />

k$Ogega ~rg<br />

vttJsdlauepevleYlYdvk ~kjjv6v<br />

hjgdf vhj jvh. asdJ vhhv k$Ogega~ rg kllkc8sbFA 9<br />

vdIsdhauep.QVievivdvk<br />

tV:J vtlljvh.asdl\Mv~<br />

k$(lgega gasöIkvpO IV<br />

vdn9lIIauep evIeY iYdYk s4'k lijdvO y<br />

hjgdf vtl1Vh . asd'I \If1hv kSOgBga gasllIIwpO rg kbkc8sDFA 9<br />

Ymsd1auepElllillYiwMl:<br />

hfgdfWJJvh.as


Kommunikation ---------<br />

Abb. 4.2.1 Die Fallstudie '96 bediente sich verschiedener Computerzentren (vg/' Abb. 4.2.2). Ein Teil eines<br />

opt<strong>im</strong>alen Kommunikationsmodells wirddarin bestehen, Arbeitsgroppen von ca. 20 Personen mit 4-5 Computern<br />

auszustatten und zu vernetzen (Bild: Michael Meier).<br />

thesegruppen von ca. 20 Studierenden stattfindet,<br />

ist eine gruppenübergreifende Kommunikation beispielsweise<br />

für das Fallverständnis nötig. Plenumsveranstaltungen<br />

sind zwar wichtig' für einen Austausch<br />

zwischen allen Beteiligten, müssen jedoch<br />

frühzeitig festgelegt werden und sind für eine Steuerung<br />

des Arbeitsprozesses zu schwerfällig.<br />

Aus der Abb. 1.2 <strong>im</strong> Kap. ORGANISATION lässt sich<br />

ersehen, wie umfangreich die Anzahl der an der Fallstudie<br />

ZZN beteiligten Personen und Gruppen ist.<br />

Insgesamt sind an einer Fallstudie, je nachdem, wie<br />

scharf die Grenze bzw; der Begriff «TrägerInnen»<br />

definiert wird, zwischen 160 und 300 Personen beteiligt<br />

(siehe Tab. 4.2.1). Ein zentrales Problem<br />

innerhalb der Fallstudie mit der grossen Anzahl der<br />

Beteiligten ist die Gefahr einer «Übernutzung» des<br />

Tutorinnen<br />

(Einwahl via Modem)<br />

Trägerfeldes. Mit der Einführung<br />

einer Kontaktedatenbank<br />

wurde diesem speziellen<br />

Punkt Rechnung<br />

getragen (siehe Abschnitt<br />

SPEZIELLE DATENBANKEN).<br />

CSCW-Applikationen in der<br />

Fallstudie werden vor allem<br />

für die ersten drei Gruppen<br />

(Studierende, TutorInnen,<br />

Fallstudienbüro) eingesetzt.<br />

Die Computerunterstützung<br />

innerhalb der Fallstudie verfolgt<br />

verschiedenen Ziele:<br />

• Schaffung von Transparenz:<br />

«So viele Beteiligte<br />

wie möglich sollen so viele<br />

Informationen wie möglich<br />

erhalten, aber nicht<br />

jeder muss alles wissen.»<br />

• Die kollektive Erzeugung<br />

des Fallverständnisses, der<br />

Problemkonstruktion und<br />

der Problemlösung mit allen Wechseln der Repräsentationsformen<br />

(numerisch, digital, graphisch,<br />

verbal, etc.) sollen reproduzierbar sein.<br />

• Der Computer schafft ein Ordnungssystem (Struktur)<br />

für Informationen und Kommunikation.<br />

Alle erfassten Daten sind hierzu auf einem zentralen<br />

Computer, einem sogenannten File Server, <strong>im</strong> Fallstudienbürogebäude<br />

gespeichert und' sind von den<br />

verschiedenen Arbeitsplätzen aus abrufbar (Abb.<br />

4.2.2).<br />

Arbeitsplätze<br />

auf dem ZZN Areal<br />

(Einwahl via Modem)<br />

Beteiligte<br />

Studierende <strong>im</strong> 8. Semester<br />

Tutorinnen und ExpertInnen<br />

Fallstudienbüro<br />

<strong>ETH</strong>-Institute/Professuren<br />

Externe (Eignerinnen, Ämter, Verbände, etc.)<br />

Total<br />

Anzahl<br />

80-130<br />

20-30<br />

5<br />

5-15<br />

50-120<br />

160-300<br />

, Tab. 4.2.1 Anzahl der an einer Fallstudie beteiligten Personen (TrägerInnen).<br />

Computerarbeitsraum<br />

<strong>ETH</strong> <strong>Zentrum</strong><br />

Fallstudienbürogebäude<br />

Voltastrasse CAD/GIS Gruppe<br />

Professur UNS<br />

Hochstrasse<br />

Mediengruppe<br />

Computerarbeitsplätze<br />

Computerarbeitsplätze<br />

Fallstudienbüro<br />

Sekretariat<br />

Abb. 4.2.2 Die räumliche Verteilung der Computereinrichtungen inder<br />

Fallstudie ZZN.<br />

60 UNS-Fallstudie '96


_____________~__~<br />

____._------------------Kommunikation<br />

Der File Server als Bulletin Board<br />

System<br />

16 Objekte<br />

S6 Altlasten<br />

856.1 MB belegt<br />

36.9 MB frei<br />

In Anlehnung an die Einteilung<br />

in den Abb. 4.1.1 und 4.1.3 verstehen<br />

wir den File Server als<br />

. eine Art Bulletin BoardSystem in<br />

seinem ursprünglichen Sinn.<br />

Für jede Arbeitsgruppe (Synthesegruppen,<br />

Fallstudienbüro,<br />

EDV-Administration, Mediengruppe,<br />

etc.) ist ein Ordner des<br />

File Servers eingerichtet, in<br />

welchem sie ihre EDV-Daten<br />

ablegt. Dieser Ordner ist für alle<br />

an der Fallstudie Beteiligten<br />

einsehbar; Schreibberechtigung<br />

innerhalb des Ordners hat jedoch<br />

nur die entsprechende<br />

Arbeitsgruppe (Passwortschutz).<br />

Eine menr oder weniger einheitliche<br />

Struktur innerhalb des<br />

E-Mail<br />

Attachments<br />

Texte<br />

Ordners erleichtert das Auffinden der Informationen<br />

für alle Beteiligten. Verantwortlich dafür ist eine<br />

für jede Arbeitsgruppe best<strong>im</strong>mte Person. Abb. 4.2.3<br />

zeigt ein Beispiel des Ordneraufbaus inder Synthesegruppe<br />

ALTLASTEN.<br />

In der Fallstudie '96 wurde zur besseren Übersicht<br />

und zum Abgleich zwischen den Arbeitsgruppen<br />

erstmals ein Ordner «Computerfenster» eingeführt.<br />

Darin sollen in tabellarischer Form die wichtigsten<br />

Informationen und ihre Lokation <strong>im</strong> Gruppenordner<br />

angegeben sein. In Tab. 4.2.2 sind die min<strong>im</strong>alen<br />

Anforderungen aufgezeichnet, die ans Computerfenster<br />

gestellt werqen.<br />

Schlussbericht<br />

Literatur<br />

Poster<br />

Teilprojekte<br />

GIS96Altiasten<br />

Termine & Kontakte Präsentation<br />

Nachhaltigkeit<br />

--<br />

Computerfenster<br />

Abb. 4.2.3 Aufbau des Arbeitsordners der Synthesegruppe ALTLASTEN.<br />

Kriterien<br />

Synthesethema<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Teilprojekte<br />

Vorgaben<br />

Kriterien<br />

Planspiel<br />

Szenarien<br />

5-Phase<br />

5-Phase<br />

Logical Decisions<br />

• einfüllen, sobald vorh<strong>and</strong>en<br />

• wünschbar: erwartetes Ziel<br />

formulieren<br />

• Ungefähre Angaben zum<br />

Schlussberichtskapitel der<br />

Synthesegruppe<br />

• hier Namen und wenige<br />

Stichworte angeben<br />

• genaue Inhalte in <strong>and</strong>eren<br />

Arbeitsdokumenten: Namen<br />

nennen und Pfad angeben<br />

Software in der Fallstudie<br />

Für den Zugriff auf den Server stehen die in Tab.<br />

4.2.3 aufgeführten St<strong>and</strong>ardprogramme für Macintoshzur<br />

Verfügung. Für spezielle Arbeitsgruppen<br />

Microsoft Word 5.1<br />

...............<br />

Microsoft Exce14.0<br />

.....................<br />

Mac DrawPro<br />

......................<br />

FileMaker Pro 2.1<br />

.................<br />

EndNote Plus<br />

StatView<br />

..................<br />

Eudora<br />

Netscape<br />

Textverarbeitung<br />

.. .<br />

Tabellenkalkulation<br />

......................................................<br />

Grafiken/Zeichnungen<br />

. .<br />

Datenbanken<br />

. .<br />

Bibliotheksverwaltung<br />

...................<br />

Statistik<br />

............ . .<br />

E-mail<br />

..........................<br />

Hilfsprogramm für das<br />

«Durchforsten» <strong>im</strong> Internet<br />

(WWW)<br />

mögliche gemeinsame Teilprojekte<br />

Überblick über Dokumente,<br />

die Interessierten <strong>and</strong>erer<br />

Synthesegruppen Informationen<br />

über folgende synthesespezifische<br />

Stichworte liefern<br />

können:<br />

,; Protokolle der Synthesetreffen<br />

• Studierende der Synthesegruppe<br />

• Ämter<br />

• etc.<br />

• bevor man wirklich eine<br />

<strong>and</strong>ere Synthesegruppe<br />

anfragt, zur Information für<br />

<strong>and</strong>ere Synthesegruppen<br />

• hier Pfad, Namen und evtI.<br />

Stichworte angeben<br />

• Uste, Pfad angeben<br />

• Liste, Pfad angeben<br />

Tab. 4.2.3 Verwendete St<strong>and</strong>ardprogrammefürMacintosh.<br />

Tab. 4.2.2 Vorlagefürdie min<strong>im</strong>alen Anforderungen ans Computeifenster.<br />

UNS-Fallstudie '96 61


Kommunikaiion -- ,.--,.-- -:- ---'- ,.-- ,.-----,-<br />

den die einzelnen Kontakte<br />

mit Angaben zu den beteiligten<br />

Personen, Inhalten und<br />

Zeitpunkten der Kontakte<br />

sowie möglicher Folgekontakte<br />

aufgelistet. Wichtigster<br />

Punkt war die Festlegung verantwortlicher<br />

Personen, die<br />

die einzelnen Kontakte zu<br />

koordinieren hatten. Die verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen<br />

füllten jeweils wöchentlich<br />

ihre Excel Datei aus und das<br />

Fallstudienbüro ergänzte ent~<br />

sprechend auf dem.Server die<br />

Gesamtdatei.<br />

Ebenfalls auf dem Server für<br />

alle einsehbar ist die Adressdatei<br />

der Professur, eine File­<br />

Maker Datei mit diversen Ab­<br />

Abb. 4.2.4 Auch an den Computern ist die direkte, interpersonelle Kommunikation wesentlich (Bild:. fragemöglichkeiten. Für die<br />

Michael Meier).' . Fallstudie wichtige Pe~sonen<br />

und Methoden (Medien, GIS, Raum-Nutzungs­<br />

Verh<strong>and</strong>lungen, Ökobilanzen, etc.) sind zusätzliche<br />

Programme (siehe Tab. 4.2.4) auf einzelnen Rechnern<br />

installiert.<br />

Verteilte Hypertext Systeme<br />

In der UNS-Fallstudie '95 wurde das WWW für die<br />

Bereitstellung von allgemeinen Informationen zur<br />

Fallstudie (Termine, Räume, Personen, etc.) einge-'<br />

setzt. Zur Abfrage diente der Web Browser Netscape..<br />

Da das WWW für lokale Informationen jedoch nicht<br />

unbedingt das ideale Medium ist, haben wir 1996 nur<br />

noch allgemeine Informationen zur Fallstudie und<br />

zur Professur eingerichtet.<br />

Spezielle Datenbanken<br />

Mit der Einführung einer Kontaktedatenbank wurde<br />

versucht, die verschiedenen möglichen Kontakte<br />

zu koordinieren und damit der «Übernutzung» des<br />

Trägerfeldes vorzubeugen. In einer Excel Datei wur-<br />

Mini CAD<br />

PageMaker<br />

Photoshop .<br />

Oköbii~~~i~~~~g~~öi~are<br />

Stella "<br />

Computer Aided Design/GIS'<br />

Desktop Publishing<br />

Bildbearbeitung<br />

Üä~it ~'~t~~MS~ÖOS)<br />

......................... . .<br />

...........................................<br />

........................................... - .<br />

MAUD<br />

Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>·<br />

lungen<br />

Modellierungen<br />

Tab. 4.2.4 Verwendete Spezialprogramme aufeinzelnen Rechnern.<br />

wie TutorInnen, ExpertInnen<br />

und allgemeine Ansprechpartnerlnnen sind darin<br />

alle aufgelistet.<br />

Für die Literatursuche stehen allen Beteiligten<br />

verschiedene BibliothekSdatenbanken zur Verfügung.<br />

Neben Zentralbibliothek, <strong>ETH</strong>- und Uni-Bibliotheken<br />

mit ihren entsprechenden Abfragesystemen ist<br />

auf demServer eine EndNote Datei mit allen in der<br />

professureigenen Bibliothek verfügbaren Werken<br />

eingerichtet.<br />

Die vorh<strong>and</strong>enen räumlichen Daten wurden für<br />

die Fallstudie von einer CAD/GIS-Gruppe digitalisiert<br />

und aufbereitet. Die entst<strong>and</strong>ene Datenbank<br />

st<strong>and</strong> allen Gruppen zur Verfügung.<br />

Elektronische PQstsysteme (E-mail)<br />

E-mail hat sich inden letzten Jahren zum wichtigsten<br />

Instrument der fallstudieninternen computergestützten<br />

Kommunikation entwickelt. Jede Gruppe<br />

verfügt über ein eigenes E-mail Konto, das zum<br />

Informationsaustausch zwischen Arbeitsgruppen,<br />

TutorInnen, dem Fallstudienbüro, der Professur und<br />

der Falls1:udienkommission eingesetzt wird. Zum<br />

Vergleich: Wurden 1995 während der Dauer der Fallstudie<br />

von jeder Synthesegruppe noch durchschnittlich<br />

31 Mails verschickt, waren es 1996 bereits 99.<br />

SitZlings- lind Entscheidllngsllnterstützllngssysteme<br />

Die in der Fallstudie in diesem Sinn eingesetzten<br />

Programme betrafen vor allem die Raum-Nutzungs­<br />

Verh<strong>and</strong>lungen (MAUD, siehe Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap.<br />

GRÜNRA UM).<br />

62 UNS-Fallstudie '96


____________--:- ~__~ Kommunikation<br />

4.3 Schwächen, Grenzen und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten<br />

Der Einsatz von EDV als Kommunikationsmittel in<br />

Gruppenprozessen hat neben seinen unbestrittenen<br />

Vorteilen auch Schwächen. Für die einzelnen, in der<br />

Fallstudie eingesetzten Applikationen, lassen sich<br />

folgende Punkte hervorheben: .<br />

• Die Struktur innerhalb der einzelnen Arbeitsgruppenordner<br />

auf dem File, Server unterscheidet sich<br />

z.T. stark zwischen den einzelnen Gruppen und<br />

fÜhrt dadurch zu einer gewissen Unübersichtlich~<br />

keit. Die Strukturierung sollte klar, einfach und vor<br />

allem für alle Gruppen einheitlich sein.<br />

Die Benutzung des Computerfensters wurde<br />

(auch wegen der räumlichen Distanzen zwischen<br />

den Arbeitsgruppen) dem ebenfalls eingerichteten<br />

Syntheseaustauschraum mit Postern vorgezogen.<br />

Für einen aktiveren Austausch von Informationen<br />

sollte für zukünftige, Fallstudien die Einrichtung<br />

von Diskussionsgruppen auf dem File Server geprüft<br />

werden.<br />

• Das World Wide Web (WyYW) wurde wie erwähnt in<br />

der Fallstudie'96 als fallstudieninternes Kommunikationsmittel<br />

nicht mehr eingesetzt.<br />

Für die Präsentation der Fallstudie als Best<strong>and</strong>teil<br />

des Studienganges Umweltnaturwissenschaften<br />

sollte es jedoch wieder stärker eingesetzt<br />

werden. Mit der Vorstellung des jeweiligen Fallstudienthemas<br />

und Hintergrundinformationen kann<br />

beispielsweise der Kreis der externen InteressentInnen<br />

vergrössert werden.<br />

Bei der Kommunikation über den File Server ist<br />

zu beachten, dass sich die PartnerInnen über den<br />

Typus des Austausches (Hol- oder Bring-Prinzip)<br />

verständigen.<br />

• Das Problem der «Überweidung» des Feldes von<br />

externen InformationsträgerInnen trat in dieser<br />

Fallstudie nicht so stark aufwie in den beiden letzten<br />

Jahren. Wir glauben, dass die Idee einer für<br />

alle einsehbaren Datenbank mit Kontaktpersonen<br />

sinnvoll ist.<br />

• Eine der zentralsten CSCW-Einrichtungen in der<br />

Fallstudie ist zweifellos E-mail, Gerade der häufige<br />

und rasche Einsatz dieses Mediums führt jedoch,<br />

oft auch zu Problemen. Es hat sich gezeigt, dass<br />

das Kommunikationsverhalten enthemmter (engl.<br />

uninhibited) ist und auch teilweise soziale Normen<br />

überschritten werden (Clausen, 1992). Frese &<br />

Brodbeck (1989) erwähnen auch die gesteigerte<br />

Bereitschaft, schlechte Nachrichten und negative<br />

Informationen mitzuteilen. Das Fehlen jeglicher<br />

sicht- oder hörbarer Hinweise auf die St<strong>im</strong>mung<br />

der beteiligten KommunikationspartnerInnen und<br />

- <strong>im</strong> Gegensatz zu Briefen - das oftmals rasche<br />

und spontane Abfassen von Mitteilungen haben<br />

auch in der Fallstudie schon zu Missst<strong>im</strong>mungen<br />

geführt. Wir erachten es deshalb als wichtig, dass<br />

bei E-mail unterschieden wird zwischen MeldUngen<br />

an Einzelpersonen und Mitteilungen an ganze<br />

Gruppen. Eine weitere Schwierigkeit von E-mail­<br />

Kommunikation besteht in der unzureichenden<br />

Bezeichnung von Dringlichkeit und/oder Wichtigkf!it<br />

der Mitteilungen. .<br />

• Das Einrichten einer, zentralen, intelligenten<br />

Agendadatenbank könnte äusserst hilfreich sein.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

63


Kommunikation-'-<br />

_<br />

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64<br />

UNS-Fallstudie '96


Fallstudien-Organisation<br />

Inhalt<br />

I. Zielsetzung<br />

2. Aufbau und Ablauf der<br />

Fallstudie 1996<br />

3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der<br />

Fallstudienorganisation<br />

4. Die Zukunft der Fallstudienorganisation<br />

67<br />

69<br />

74 .<br />

78<br />

AutorInnen<br />

Harald A. Mieg<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch<br />

Jürg Stünzi<br />

Katharina Zwicker


Organisation'-- ~ _<br />

66 UNS-Fallstudie '96


_________________________________________Organisation<br />

1ir<br />

Zielsetzung<br />

Die Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften<br />

stellt zugleich eine Lehrvera~staltungund<br />

ein Grossprojektdar. In ihr sollen Lehre, Forschung<br />

und Anwendung zu einer sinnvollen Einheit finden.<br />

Die Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />

(ZZN) ist die sechste Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften.<br />

Ihre Organisation konnte<br />

wesentlich auf den Erfahrungen der Fallstudie 1994<br />

«Perspektive Grosses Moos» (Scholz et al., 1995) und<br />

der Fallstudie 1995 «Industrieareal Sulzer-Escher<br />

Wyss» (Scholz et al., 1996) aufbauen. Die Grunde<br />

prinzipien der Fallstudienarbeit blieben bestehen<br />

(vgl. auch Kap. EINLEITUNG):<br />

Die Beschäftigung miteinem gesellschaftlich undökologisch<br />

relevanten Fall- einem «ill-definedproblem»:<br />

ZZN stellt dasgrösste städtische Planungsvorhaben<br />

in der Schweiz dar. Nach Willen von <strong>Stadt</strong> und Investoren<br />

soll hier ein neuer <strong>Stadt</strong>teil mit <strong>Zentrum</strong>s-'<br />

funktion und urbaner Qualität entstehen. Eine neue<br />

städtische Umwelt wird realisiert. Fragen der Altlastenbearbeitung,<br />

Fragen nachdem Verhältnis von<br />

Natur und <strong>Stadt</strong> sowie Fragen der Planbarkeit eines<br />

ganzen städtischen «Systems» tauchen auf, zu deren<br />

Bearbeitung gerade die Umweltnaturwissenschaften<br />

beitragen können.<br />

Die starke studentische Beteiligung in der Planung<br />

undLeitung der Faitstudie:<br />

Es ist ein Grundprinzip der Abteilung Umweltnaturwissenschaften,<br />

die Studierenden in wesentliche<br />

Entscheidungen einzubeziehen. Die StucJierenden<br />

haben auch <strong>im</strong> Leitungs- .<br />

gremium der Fallstudie - der<br />

Fallstudienkommission die<br />

Mehrheit. Die Kommission besteht<br />

aus 10-15 Studierenden,<br />

den Professoren Scholz und Kol~<br />

ler sowie FallstudientutorInnen<br />

und Mitgliedern des Fallstudienbüros.<br />

In ihren Händen liegt die<br />

Gesamtleitung der Fallstudie von<br />

der Auswahl des Falls bis hin zur<br />

Steuerung der Projektgruppen.<br />

Kasten 1.1 Die Einbettung der Fallstudie <strong>im</strong> Studiengang Umweltnaturwissenschaften.<br />

Das Prinzip des forschenden Lernens:<br />

Die Fallstudie bietet die Gelegenheit,<br />

das Wissen aus einer<br />

mehrjährigen, umfassenden Aus- .<br />

bildung (siehe Kasten 1.1) an<br />

einem realen Problem zur Anwendung<br />

zu .bringen. Ein Problem,<br />

das «ill-defined» ist und die<br />

Grösse eines Falles wie das ZZN<br />

Abb. 1.1 Die Fallstudienkommission ist das Leitungsgremium der Fallstudie. Zur Einführungsveranstaltung<br />

spielte die Fallstudienkommission eine ihrer Sitzungen nach (Bild: Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96 67


Organisation ,---- ,---- ,---- ,---- _<br />

aufweist, lässt sich jedoch nicht als eine «Textbuch­<br />

Aufgabe» bearbeiten. Vielmehr erfordert die Fallstudie<br />

auch die Entwicklung der Grundsätze der<br />

Fallbearbeitung: die Studierenden müssen die<br />

Grundlagen ihrer Arbeit - die Kriterien und Methoden<br />

- <strong>im</strong>mer wieder überdenken und bearbeiten.<br />

Einige Methoden (z.B. Szenarioanalyse) wurdenvoil<br />

den Fallstudien aufgegriffen und weiterentwickelt,<br />

<strong>and</strong>ere sind Neuentwicklungen (z.B. weitgehende<br />

Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen). Forschendes Ler-<br />

.nen in der Fallstudie verbindet sich grundsätzlich<br />

mit Teamarbeit. Nur in einem strukturierten Team<br />

lässt sich ein «gesellschaftlich und ökologisch relevanter»<br />

Fall methodisch und effizient angehen.<br />

Wissensintegration (Synthese) als Forschungsziel:<br />

Über einen Fall wie das ZZN gibt es Wissen auf verschiedenen<br />

Seiten: bei den EntscheidungsträgerInnen,<br />

den involvierten Fachleuten, den «betroffenen»<br />

MitarbeiterInnen sowie den AnwohnerI~nen. Daneben<br />

gibt es die wissenschaftlichen Disziplinen,<br />

die etwas zum Fall beitragen können. Diese reichen<br />

von der Bauphysik bis hin zur Ökonomie. Ziel der<br />

Fallstudie ist die Integration dieses Wissens zu<br />

einem gesamthaften, umfassenden Fallverständnis.<br />

Die Fallstudie muss also «Interdisziplinarität» und<br />

«Ganzheitlichkeit»Wirklichkeit werden lassen. Hierzu<br />

prüft und entwickelt die Fallstudie Methoden der<br />

Wissensintegration.<br />

Die Kooperation mitIndustrie, Ämtern, Forschungsinstituten<br />

undsonstigen «Triigerlnnen der Fallstudie»:<br />

Die Fallstudienarbeit basiert wesentlich auf der<br />

Kooperation mit Forschungsinstituten und allen,<br />

die in den Fall involviert sind. Es wäre sonst nicht<br />

möglich, alles fallrelevante Wissen in kurzer Zeit<br />

zusammenzufügen. Zwei weitere Gründe sind:<br />

Erstens sollen die Studierenden die Kommunikation<br />

mit unterschiedlichen ProjektpartnerInnen und InteressensvertreterInnen<br />

einüben. Zweitens gehört<br />

die Verbesserung und Verbreiterung der Kommunikation<br />

zwischen den Interessengruppen zu den<br />

fall bezogenen Zielen der Fallstudie. Die Fallstudie<br />

1996 st<strong>and</strong> von Anfang an in enger Kooperation mit<br />

Professur für Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften<br />

Prof. .R.W. Scholzr-----<br />

Fallstudienbüro<br />

S. Bösch<br />

A.Mieg<br />

R.W.Scholz<br />

J. Stünzi<br />

K.Zwicker<br />

Fallstudienkommission<br />

S. Blau, S. Bösch,<br />

M. Classen, B. Eggmann,<br />

P. Gähwiller, J. Hunziker,<br />

Th. Koller, C. Mäschli,<br />

S. Mayer, A. Mieg,<br />

M. Niederer, J. Oswald,<br />

N. Patzei, J. Ranke,<br />

R.W. schoiz, T. Siegfried,<br />

B. Sintzel, R. Steinmann,<br />

J. Stünzi, S. Ulbrich,<br />

O. Zenklusen, K. Zwicker<br />

Studierende<br />

Tutorinnen und Tutoren<br />

M. Berli, A. Berwert, L Carlucci, A. Eisinger, P. Frischknecht,<br />

A. Heitzer, J. Heeb, A. Hofer, T. Hulliger, M. Koucky, M. Lebküchner,<br />

E. Meyrat-Schlee, H.A. Mieg, S. Mischke, M. Schärli, C. Schmid, C. Schmidlin,<br />

J. Schmill, J.W. Schregenberger, R. Schwarzenbach, M. S<strong>im</strong>on, W. S<strong>im</strong>on,<br />

M. Stauffacher, J. Stäuble, R. Steiner, J. Stünzi, O. Tietje, OWeber<br />

Abb. 1.2 Aufbauorganigramm der Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zünch<strong>Nord</strong>». Die Gesamtleitung der Fallstudie liegt in den Händen der Fallstudienkommission,<br />

die in der Mehrheit aus Studierenden besteht. Das Fallstudienbüro (sowie die Professurfür Umweltnatur" und Umweltsozialwissenscltaften)<br />

unterstütztdos Projektmanagement. Das Fallstudienkuratonum sichertdie «Schnittstelle» zu den externen TrägerInnen der Fallstudie wie ABB und<strong>Stadt</strong>.<br />

68 UN5-Fallstudie '96


_______________________________________Organisation<br />

der ABB Immobilien AG und dem Bauamt lIder<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich.<br />

Die Zielsetzungen spiegeln sich in der personellen<br />

Grundstruktur der Fallstudie. Wie man dem Organigramm<br />

der Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />

(Abb. 1.2) entnehmen kann, sind <strong>im</strong> wesentlichen<br />

5 Gruppen von Personen beteiligt:<br />

l.Die Studierenden. Für alle Studierenden <strong>im</strong> achten<br />

Semester Umweltnaturwissenschaften ist die Fallstudie<br />

obligatorisch:<br />

2.Die Tutorlnnen. Die Tutorinnen und Tutoren unterstützen<br />

die Studierendengruppen fachlich bzw.<br />

didaktisch. Sie kommen aus der Praxis wie aus der<br />

Forschung.<br />

3.Das Fallstudienbüro. Das Fallstudienbüro hat einen<br />

festen Mitarbeiterstamm. Es unterstützt die Pro­<br />

. jektorganislaion der Fallstudie.<br />

4. Wissenschafterlnnen. Die Fallstudie steht <strong>im</strong> Austausch<br />

mit den umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Instituten sowie <strong>and</strong>eren Forschungseinrichtungen<br />

innerhalb und ausserhalb der <strong>ETH</strong>. Die Zusammenarbeit<br />

erfolgt über Vorträge, Tutorate oder<br />

Diplomarbeiten, die sich an die Fallstudie anschliessen.<br />

.<br />

5.Externe Triigerlnnen der Fallstudie. Einige Kooperationen<br />

wurden aus der Fallstudie 1995 zum Thema<br />

«Umwelt und Bauen» übernommen, etwa der<br />

Kontakt zur <strong>Stadt</strong> oder zum SBV (Schweizerischer<br />

Baumeisterverb<strong>and</strong>). Neu hinzugekommen sind<br />

der Vereiri zürijüfzgf, der Quartiersinteressen vertritt,<br />

sowie die ABB Immobilien AG als wichtigste<br />

externe Trägerin der Fallstudie. Über das Fallstudienkuratorium<br />

haben die externen TrägerInnen<br />

der Fallstudie eine Steuetungsmöglichkeit.<br />

Die UNS-Fallstudie wird von der Professur für Umweltnatur-<br />

und Umweltsozialwissenschaften durchgeführt.<br />

Professor Scholz ist als Hochschullehrer für<br />

die Fallstudie verantwortlich. Die Professur betreibt<br />

interdisziplinäre Forschung zu Schlüsselbereichen<br />

(Risiko, Entschei~ungsprozesse, Altlasten, etc.) und<br />

stellt ein professionelles Projektmanagement zur<br />

Verfügung.<br />

2. Aufbau und Ablauf<br />

der Fallstudie 1996<br />

Die UNS-Fallstudie unterscheidet sich vontraditionellen<br />

Projekt- und Ausbildungsformen insbesondere<br />

durch das Prinzip der Synthese. Synthese<br />

bedeutet in der Fallstudie vor allem Wissensintegration.<br />

Alles Wissen, das für einen best<strong>im</strong>mten Fall<br />

relevant ist, soll zu einem Gesamtbild zusammengeführt<br />

werden. Ziel ist ein «ganzheitliches» Fallverständnis.<br />

Alle, die in den Fall involviert sind, sollen<br />

von dem neuen, gesamthaften Fallverständnis profitieren<br />

können.<br />

2.1 Synthese als Prinzip<br />

Die Synthese macht die Stärke der Fallstudie aus.<br />

Voraussetzung hierfür ist die grosse Zahl der Beteiligten.<br />

In der Fallstudie 1996 arbeiteten 126<br />

Studierende, betreut von 28 TutorInnen und dem<br />

Fallstudienbüro. Weitere 30 bis 40 Personen und<br />

EntscheidungsträgerInnen <strong>im</strong> Umkreis des Planungsvorhabens<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> st<strong>and</strong>en mit<br />

Rat und Tat zur Seite. Alles in allem waren an der<br />

Fallstudie 1996 gut 200 Personen mehr oder weniger<br />

direkt beteiligt.<br />

Die Organisation von Synthese basiert in der Fallstudie<br />

1996 auf drei Elementen: den Synthesegruppen,<br />

den Synthesemethoden und dem Syntheseziel.<br />

Synthesegruppen<br />

Die Synthesegruppen sind Projektgruppen von 15<br />

bis 20 Studierenden. Ihre Aufgabe besteht darin,<br />

bei Wahrung einer ganzheitlichen Fallbetrachtung<br />

relevante Gesichtspunkte zu beh<strong>and</strong>eln. Es gab 6<br />

Synthesegruppen, unterschieden nach den Gesichtspunkten:<br />

• Altlasten<br />

• Gebäude<br />

• Grünraum<br />

• <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

• Verkehr<br />

• Wasserhaushalt<br />

Die Synthesegruppe GEBÄUDE z.B. hat das Planungsvorhaben<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> unter dem Aspekt<br />

der Gebäudeplanung untersucht. Es wurden nicht<br />

nur Bauvorhaben, sondern auch konkrete Gebäude<br />

.mit ihrer Stellung <strong>im</strong> Fall ZZN einbezogen.<br />

Synthesegruppen sind ein wichtiges organisatorisches<br />

und didaktisches Element~ Jede Synthesegruppe<br />

muss sich ihre Zielsetzungen selbst erarbeiten.<br />

Da..s Arbeiten in Synthesegruppen n<strong>im</strong>mt die<br />

Bedingungen vorweg, die sich vermehrt auch bei Pla-<br />

UNS-FaIlstudie '96<br />

69


Orgailisation ~ ~----'------------------ _ _:...; _<br />

nungs- und Entscheidungsgremien<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Raum. finden lassen<br />

(z.B. bei der Quartierplanung,<br />

«Energie-Tischen», etc.): Eine solche<br />

Gruppe setzt sich aus etwa<br />

20 Teilnehmern verschiedener Interessenverbände<br />

mit gemeinsamem<br />

Fallbezug (z.B. Quartier) zusammen.<br />

Sie muss sich ihre konkrete Zielsetzung<br />

selber formulieren.<br />

Bewertungen<br />

Prozesse<br />

r&<br />

~ ...<br />

§//rfi<br />

~//~<br />

S//'ff<br />

§ .... >::<br />

~//~<br />

//::,.0<br />

Synthesemethoden .<br />

Synthese braucht in der Regel<br />

Methoden. Man kann sich nicht<br />

darauf verlassen, dass Gruppen mit<br />

einem Syntheseauftrag auch tatsächlich<br />

zu einer Wissensintegration<br />

gelangen. Synthesemethoden sollen<br />

die Wiederholbarkeit und Verfügbarkeit<br />

der Syntheseleistung garantieren.<br />

Nur wenige starke Methoden zur<br />

WIssensintegration sind bekannt<br />

bzw. praxistauglich. Deswegen beschäftigen<br />

sich die Fallstudien mit<br />

der Weiter- und Neuentwicklung von<br />

Synthesemethoden. Die wichtigsten<br />

Methoden sind (Scholz & Tietje,<br />

1996): .<br />

• FormativeSzenarioanalyse<br />

• Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

• Ökobilanzierung<br />

• muItikriterielle Bewertungsmodelle<br />

• Synthese-Moderation<br />

Jede Synthesegruppe der Fallstudie<br />

1996 musste deutlich machen, welche<br />

Methode"n sie benötigte'.<br />

Syntheseziel<br />

Die Idee der Synthese trägt nicht,<br />

wenn sie nicht zumindest die Vision<br />

von einer Gesamtsynthese begleitet.<br />

Auch wenn die Synthesegruppen<br />

verschiedenen Aspekten verpflichtet<br />

sind, so ist doch die Zielrichtung<br />

stets, unter dem Aspekt der Synthese<br />

den Fall als Ganzes zu erfassen. ~n<br />

der Fallstudie<br />

1996 wurde aus organisatorischen-- Gründen darauf<br />

verzichtet, eine Gesamtsynthese durchzuführen.<br />

Statt dessen wurde die Idee der Nachhaltigkeit zum<br />

«Leitstern» der Fallstudie gemacht; gemeinsames<br />

Syntheseziel war, Lösungen bzw. Anstösse für eine<br />

nachhaltige Entwicklung des ZZN zu finden.<br />

Abb. 2.1 Skizze zum Aufbau der Fallstudie, die in der Fallstudienkommission entst<strong>and</strong>. Das<br />

Hauptelement sind die Synthesegruppen (VERKEHR, WASSERHAUSHAU; etc.), die das Planungsvorhaben<br />

ZZNunter derjeweiligen Fragestellung beh<strong>and</strong>eln. Hierzu benötigtjede Synthesegruppe<br />

Methoden (zur Fallbewertung bzw. um den Entscheidungprozess zu fördern). Jede Synthesegruppe<br />

untersucht in Teilprojekten D.etailfragen (hier am Beispiel der Gruppe ALTLASTEN skizziert).<br />

Dasgemeinsame ZielallerSynthesegruppen istdieNachhaltigkeit, d.h.: eine nachhaltige, dauerhafte<br />

Entwicklung des ZZN soll unterstützt werden. Für die Synthesegruppen bedeutet dies, dass best<strong>im</strong>mte<br />

-Potentiale. (z.B. ~rkehr, Grünflächen) opt<strong>im</strong>iert werden sollten. Hierzu wer:den in den<br />

Teilprojekten u.a. die Kosten undder Nutzen best<strong>im</strong>mterMassnahmen bemessen.<br />

Abb. 2.1 skizziert das Zusammenspiel von Synthesegruppe,<br />

Synthesemethoden und Syntheseziel in.<br />

der Fallstudie <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. Auf der mittleren<br />

Ebene. stehen die Synthesegruppen (ALT­<br />

LASTEN, VERKEHR, etc.). Ihr Auftrag ist es, den Fall<br />

gesamthaft zu bewerten und die (Verh<strong>and</strong>lungs-)<br />

Prozesse zu fördern. Hierzu dienen die Synthese-.<br />

70 UNS-Fallstudie '96


------'-----------'------------- ~ Organisation<br />

methoden (Szenarioanalyse, Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen,etc.).<br />

Über allem steht der «Leitstern»<br />

Nachhaltigkeit.<br />

2.2 Phasen, -Produkte und Prozesse<br />

Die Fallstudie besteht prinzipiell aus drei Phasen<br />

unterschiedlicher Länge: Vorbereitungs-, Projektund<br />

Nachbearbeitungsphase:<br />

Vorbereitung (etwa ein Jahr)<br />

Die Fallstudienkommission 1996 nahm ihre Arbeit<br />

<strong>im</strong> Januar 1995 auf und tagte in zweiwöchentlichem<br />

Abst<strong>and</strong>. Die Kommission beleuchtete drei Fälle:<br />

• Klettgau (u.a. Grundwasserfragen)<br />

• Thurkorrektion<br />

• <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />

Abordnungen der Fallstudienkorn:mission loteten<br />

die Fälle und den H<strong>and</strong>lungsspielraum aus und<br />

schlossen erste Kooperationen. Die Entscheidung<br />

für das ZZN fiel nicht leicht, war jedoch eindeutig.<br />

Studentische Plenumsveranstaltungen und eine<br />

Zeitung (FaZ - Fallstudienzeitung) sorgten für die<br />

Diffusion des Wissens und der Entscheidungen der<br />

Fallstudienkommission unter den Studierenden.<br />

Zur Vorbereitung für alle Studierende gehört<br />

wesentlich -eine Einführung in die Methoden der<br />

Fallstudie. Für die -Fallstudie 1996 gab es hierzu<br />

eine einsemestrige Vorlesung (l Semesterwochenstunde).<br />

Von 1997 an wird die Methodeneinführung<br />

in einem zweitägigen<br />

«Crash-Kurs» vor Fallstudienoeginn<br />

durchgeführt.<br />

Beginn der Projektphase in den Syrithesegruppen<br />

auf.<br />

In der Projektphase w<strong>and</strong>elte sich a"Uch die Zusammensetzung<br />

der Fallstudienkommission. Neben dem<br />

Fallstudienbüro war nun jede Synthesegruppe mit<br />

einem/r Studierenden und einem/r Tutorln (dem/<br />

der sog. Didaktiktutorln) vertreten.<br />

Begle,tet wurde die Arbeit in der Fallstudie vQn<br />

einer Fallstudienzeitung (<strong>Nord</strong>Seiten), die sich an<br />

alle TrägerInnen der Fallstudie richtet. Produziert<br />

wurde sie von der Mediengruppe (8 Mitglieder) .<br />

Nachbearbeitung (bis zu einem Jahr und länger)<br />

Mit Ende der Projektphase - zum Semesterende ­<br />

beendet auch die Fallstudienkommission ihre<br />

Arbeit. Die Nachbearbeitung (bis zu einem Jahr)<br />

wird vom Fallstudienbüro und studentischen Redaktionsteams<br />

geleitet. Sie beinhaltet<br />

• Redaktion des Schlussberichts (in der hier vorliegenden<br />

Form)<br />

.. weitere Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Schlussveranstaltung<br />

mit Pressekonferenz)<br />

• Diplom- und Semesterarbeiten<br />

• <strong>and</strong>ere Folgeprojekte<br />

Im Anschluss an die Fallstudie 1994 «Perspektive<br />

Grosses Moos» ergaben sich sieben Diplomarbeiten<br />

mit anwendungsorientierten Fragestellungen. Zwei<br />

Diplomarbeiten - ausgeführt von Kulturtechnikern<br />

unter Prof. Fritsch, die in der Fallstudie mitgearbeitet<br />

hatten - schufen die Planung für die Sanierung des<br />

Hauptkanals <strong>im</strong> Grossen Moos. Zwei <strong>and</strong>ere, um-<br />

Projektarbeit<br />

(<strong>im</strong> Sommersemester,<br />

April bis Juli 1996)<br />

Die Fallstudie umfasst als<br />

Lehrveranstaltung 18 Semesterwochenstunden,<br />

von<br />

Mittwoch Mittag bis und<br />

mit Freitag Nachmittag.<br />

Die Studierenden in der<br />

Fallstudie 1996 arbeiteten<br />

. in Synthesegruppen von<br />

19 bis 20 TeilnehmerInnen.<br />

.Um den Start zu erleichtern,<br />

hatte die Fallstudien~<br />

kommission· für jede zu<br />

bildende Synthesegruppe<br />

zuvor eine Arbeitsgruppe<br />

ins Leben gerufen. Die<br />

Arbeitsgruppen gingen mit<br />

Abb. 2.2 Szene aus dem preisgekrönten Film -<strong>Stadt</strong>BrachL<strong>and</strong>. (Beta-Video, 5 Min). Der Film entst<strong>and</strong> in<br />

der Fallstudie J995 -Industrieareal Sulzer-Escher Wyss•. Erwirbtfür nachhaltige Gestaltung undrichtet sich<br />

in ersterLinie an Architekturstudenten. -<strong>Stadt</strong>BrachL<strong>and</strong>. wurde J996 in Neuenburgaufdem 2. Europöischen<br />

Video-Clip-Festivalfür die Umwelt mit dem ersten Preis ausgezeichnet.<br />

UNS-FaIlstudie '96 71


Organisation<br />

_<br />

Einführung<br />

--' Fallstudie allgemein<br />

- Fallbegegnung Postenlauf & Vorträge<br />

- Expertenbildung Steilkurse & Vorträge<br />

Synthesephase I<br />

- Zielsetzung<br />

Teilprojektphase<br />

- Einzelprojekte<br />

inkl. Erlahrungstage<br />

Synthesephase 11<br />

-Synthese<br />

- Schlussveranstaltung<br />

April<br />

3-5 10-12: 17-19 24-26 l--s<br />

Mai Juni Juli<br />

Abb.2.3.1 Der Terminkalender der Fallstudie 1996 .Zentrom Zürich <strong>Nord</strong>» (X = Plenums-Veranstaltungen).<br />

weltnaturwissenschaftliche Diplomarbeiten legten<br />

die Grundlagen für eine Ausscheidung von ökologi­<br />

.sehen Ausgleichsflächen der Strafanstalt Witzwil.<br />

Die Fallstudien sollen zu einer Verbesserung· des<br />

Entscheidungsprozesses beitragen. Im Gefolge der<br />

Fallstudie 1995 «Industrieareal Sulzer-Escher Wyss»<br />

wurde am 20. November 1995 der Workshop «Raum­<br />

Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen» mit Interessenvertretern<br />

aus Wirtschaft und Politik durchgeführt. Die Raum­<br />

Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen erbrachten eine Neubelebung<br />

kommunaler Kooperationsprozesse, nunmehr<br />

unter Einbezug von engagierten Architekten. In diesem<br />

Sinne sind nicht nur Bericht und Planungsmassnahmen<br />

Resultate der Fallstudie, vielmehr gilt:<br />

Resultate der Fallstudie sind Produkte (<strong>im</strong> engeren<br />

Sinn) und Prozesse.<br />

2.3 Fallstudiell-Projektarbeit<br />

(April bis Juli 1996)<br />

Das Hauptaugenmerk der Organisation der Fall~<br />

studie gilt der Synthese. Dem unterliegt.auch die<br />

Ablauforganisation. Die Fallstudien-Projektarbeit,<br />

an der alle 126 Studierenden teilnahmen, gliedert<br />

sich ---' grob gesprochen - In vier Phasen, welche die<br />

gesamten 14 Wochen des Sommersemesters 1996<br />

ausfüllten:<br />

Einfiihrllngsphase<br />

In der Einführungsphase gilt es, möglichst effizient<br />

die Grundlagen für die Arbeit der Synthesegruppen<br />

zu schaffen. Zu vermitteln sind:<br />

• Die Ziele der Fallstudie (1. Tag). Die Fallstudienkommission<br />

und Vertreter von <strong>Stadt</strong> und ABB<br />

erläutern für die Studierenden die Probleme des<br />

Falls 'und die Ziele der Fallstudie 1996.<br />

• Der Fall «Zentrun'l Zürich <strong>Nord</strong>» (2. Woche). Auf<br />

dem Areal findet ein «Postenlauf» statt. An verschiedenen<br />

Posten (Bahnhof Oerlikon, ABB­<br />

Produktion, Rundweg etc.) gewinnen die Studierenden<br />

Einblick inden Fall.<br />

• Spezialwissen (


--~----,--------------__,-- ~~ -,--_~_Organisation<br />

Synthesephllse 1<br />

Die Synthesegruppen müssen ihre<br />

Zielsetzungen erarbeiten und ihre<br />

Untersuchungen planen. Jede Synthesegruppe<br />

wird unterstützt von<br />

einem Tutoren-Team:<br />

• 1 Didaktiktutorln. Er/sie übern<strong>im</strong>mt<br />

die Hauptbetreuung der<br />

Synthesegruppe.<br />

• Mehrere FachtutorInnen. Sie<br />

stehen der Gruppe für fachliche<br />

Fragen zur Verfügung.<br />

• 1 Methodentutorln. Er/sie berät<br />

die Gruppe insbesondere hinsichtlich<br />

der Synthesemethoden.<br />

Die Synthesegruppen müssen in<br />

dieser Phase den Fall soweit<br />

erfassen, dass sie die nötigen<br />

Detailuntersuchungen durchführen<br />

können. Die Spezialfragen und<br />

Detailuntersuchungen werden in<br />

Teilprojekten durchgeführt. Jede<br />

Synthesegruppe definiert ihre eigenen<br />

Teilprojekte.<br />

Teilprojektphllse<br />

Für fünf Wochen unterteilte sich<br />

die Synthesegruppe in einzelne<br />

Teilprojekte (siehe Tab. 2.3.2). In<br />

dieser Zeit musste jede Arbeitsgruppe<br />

einen Erfahrungstag durchführen.<br />

So hat beispielsweise die<br />

Gruppe GRÜNRAUM dem Gartenbau-<br />

Kasten 2.3 Gekürzter Bericht in den <strong>Nord</strong>Seiten über einen Erfahrungstag in der Gruppe GRON­<br />

RAuM.·lli'r ein System nicht bloss von aussen beurteilen will, braucht neben den Zahlen, Fakten<br />

und Beobachtungen auch Erfahrungen und Erlebnisse. Die Erfahrungstage dienen dem besseren<br />

Systemverständnis und dem Perspektivenwechsel. Sie wurden 1996 von den Teilprojekten bzw.<br />

Synthesegruppen selber organisiert.<br />

Altlasten Gebäude Grünraum <strong>Stadt</strong>entwicklung Verkehr Wasserhaushalt<br />

Stoffliche<br />

Vergangenheit<br />

Stoffflussanalyse<br />

am Ententeich<br />

Ökologie Nachhaltigkeit Bewertungskriterien Wasserhaushalt<br />

Areal<br />

Sanierungs- und Umweltmanagement Umwelthygiene<br />

Sicherungsvarianten in der Bauplanung<br />

<strong>im</strong>ZZN<br />

Soziales Umfeld Verkehrsbedürfnisse Wassermanagement<br />

Areal<br />

Gesetze und ihre<br />

Wirkung auf die<br />

Altlasten <strong>im</strong> ZZN<br />

Umweltmanagement<br />

in der Bauausführung<br />

Soziales<br />

Planung Strassengestaltung Wassermanagement<br />

Gebäude<br />

Entscheidungs- Nutzungsmischung<br />

management in der und Umgang mit<br />

Altlastenbearbeitung Altbausubstanz<br />

Moderation für<br />

MAUD-Abfrage<br />

St<strong>and</strong>ortqualität<br />

Personenverkehr<br />

eolitik, Recht,<br />

Okonomie<br />

Perspektiven<br />

Güterverkehr<br />

Meta-Gruppe<br />

Modellierung mit<br />

Stella<br />

Tab. 2.3.2 .Die Synthesegruppen der Fallstudie <strong>Zentrum</strong> Zürich und ihre Teilprojekte. Jede Synthesegruppe bildet Teilprojekte, in denen währendderfünfwöchigen<br />

Teilprojektphase Spezialfrogen bearbeitet werden.<br />

UNS-Fallstudie '96 73


Organisation.:....·~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~'--~~~~~~~-'---~~----,~~-<br />

Abb.2.3.2 Die Erfahrongstagedienen dem Follverständnis und sind ein<br />

wichtiges Organisationselement der Fallstudie. Aufdem Bildsieht mon die<br />

SynthesegroppeGRONRAU~ beidertatkräftigen Hilfefürdos Gartenbauamt<br />

(vgl. Kosten 2.3; Bild: Michael Meier).<br />

3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der<br />

Fallstudienorganisation<br />

3.1 DieHerausforderung<br />

Die UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ist,<br />

wie erwähnt, die sechste Fallstudie der Abteilung<br />

Umweltnaturwissenschaften. Mit der UNS-Fallstudie<br />

'94 "Perspektive Grosses Moos» wurde ein Neuanfang<br />

gewagt, insbesondere wurde die Professur<br />

für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

mit der Durchführung derProjektorganisation beauftragt.<br />

Seither konnten einige wichtige Erfahrungen<br />

gesammelt werden, die nicht nur für Fallstudien von<br />

Bedeutung sind. Auf zwei organisatorische Herausforderungen<br />

soll hier gesondert eingegangen werden:<br />

die Organisation der Schnittstellen und (las Verhältnis<br />

zwischen Fachwissen und Fallverständnis.<br />

.amt bei der Pflege von öffentlichen Flächen <strong>im</strong><br />

Raum Zürich <strong>Nord</strong> geholfen (siehe Kasten 2.3).<br />

Die Unterscheidung zwischen Teilprojekten und<br />

Synthesegruppe ist vor allem eine organisatorische.<br />

Die Teilprojekte sind Teil der jeweiligen Synthesegruppe.<br />

Sie waren in der Fallstudie 1996 an der über- .<br />

geordneten Zielsetzung. der Synthesegruppe auszurichten.<br />

Weil selbst für Spezialfragennicht <strong>im</strong>mer<br />

geeignete wissenschaftliche Fachmethoden zur Verfügung<br />

stehen, kommt in den Teilprojekten oftmals<br />

eine Mischung von klassischen, fachlichen Methoden<br />

und Synthesemethoden zum Einsatz.<br />

Synthesephase 11<br />

Nach der Teilprojektphase beginnt .die kritische<br />

Phase der Fallstudie. Nun gilt es, die Ergebnisse der<br />

Teilprojekte zu integrieren. Hier zeigt sich, wie gut<br />

die Synthesegruppe vor der Teilprojektphase ihre<br />

Zielsetzungen best<strong>im</strong>mt hat. Hilfreich ist es, ein<br />

Modell zu haben, das die Wissensintegration leitet.<br />

Zum Beispiel das Modell vom Lebenszyklus eines<br />

Gebäudes in der Synthesegruppe GEBÄUDE (vgl. Kasten<br />

1.2 <strong>im</strong> Kap. GEBÄUDE). Zum Einsatz gelangen in<br />

der Synthesephase II Synthesemethoden und moderierte<br />

Gruppendiskussionen.<br />

Jede Synthesegruppe erstellte einen Schlussbericht.<br />

Dieser wurde nach Ende der Projektarbeit<br />

von einzelnen Mitgliedern der Synthesegruppe<br />

redaktionell bearbeitet.<br />

Das Ende der Projektarbeit der Fallstudie wurde<br />

durch die interne Schlussveranstaltung <strong>im</strong> Juli gesetzt.<br />

Die offizielle Schl,usspräsentation erfolgt erst<br />

nach Fertigstellung des Schlussberichts und Rücksprache<br />

mit den Trägerlnnen der Fallstudie.<br />

Die Organisation der Schnittstellen<br />

Die Fallstudie beschäftigt sehr viele Personen zur<br />

gleichen Zeit. Dies liegt an ihrem Selbstanspruch<br />

. hinsichtlich Interdisziplinarität, Mitwirkung der Studierenden,<br />

Kooperation mit Industrie, Ämtern und<br />

Bürgern etc. Mit jeder hinzukommenden Gruppe,<br />

seien es externe KooperationspartnerInnen oder interne<br />

Projektgruppen, vergrössert sich die Zahl der<br />

(potentiellen) Schnittstellen.<br />

Die allgemeine Erfahrung mit Projektmanagement<br />

zeigt, dass mit jeder Schnittstelle ein potentieller<br />

Krisenherd hinzukommt.. Für die Organisation der<br />

Schnittstellen in einer Fallstudie gibt es kein Patentrezept.<br />

Im Gegenteil, jede Schnittstelle bedarf<br />

eigener Beachtung. Manchmal liegt die Lösung auf<br />

der H<strong>and</strong>: z.B. dass jede Synthesegruppe durch<br />

einen Studierenden und einen Tutor in der FilIIstudienkommission<br />

vertreten ist. Häufig ist das Fall-<br />

,studienbüro damit beschäftigt, die Belastung zu<br />

steuern, die auf die Kooperationspartner (z.B. die<br />

ABB) durch Untersuchungs- und Befragungsvorhaben<br />

der Projektgruppen zukommt.<br />

Transparenz und Information allein sind nicht<br />

<strong>im</strong>mer hilfreich. Werden die Studierenden mit<br />

Regelungs-Informationen überladen, hemmt dies<br />

entschieden die Projektarbeit. Die Kurist besteht<br />

in der vereinfachenden Transparenz: nur dort Information.<br />

und Übersicht geben, wo sie auch wirklich<br />

gebraucht wird. Für die Projektorganisation bedeutet<br />

das vor allem, sich der Schnittstellen, sofern sie<br />

unvermeidbar sind, bewusst zu bleiben.<br />

Ein Effekt der grossen Zahl von Schnittstellen sei<br />

noch erwähnt. Es steigt der Anteil an Kommunikation<br />

bzgl. Häufigkeit sowie Schnelligkeit, Aufgaben<br />

werden über Schnittstellen hinweg verteilt und es<br />

verflachen die (internen) Hierarchien. Dies ist ein<br />

74<br />

UNS-Fallstudie '96


.,____------~---------.,____-.,____----------.,____----------Organisation<br />

Effekt, der sich gerade in - wohl-vernetzten - Computerfirmen<br />

von alleine einstellt (vgI. 'UIich, 1992).<br />

Fachdisziplinäre Phase<br />

(Teilprojekte)<br />

Synthesephase<br />

(Synthesegruppen)<br />

Das Verhältnis zwischen fachwissen<br />

"nd fallverständnis<br />

Die Fallstudie steht <strong>im</strong> Spannungsverhältnis von<br />

Wissenschaft und Praxis. Aus Sicht der Fachdisziplinen<br />

mangelt es der Fallstudienarbeit an Tiefe oder<br />

Genauigkeit. Entscheidend in komplexen Projekten<br />

,oder bei der komplexen Problemlösung ist jedoch,<br />

dass es verschiedene Ebenen von Komplexität und<br />

Problemtiefe gibt, die deutlich unterschieden werden,<br />

und dass auf jeder Ebene ein angemessener<br />

Aufw<strong>and</strong> betrieben wird. Fachdisziplinäre Tiefe<br />

und Genauigkeit best<strong>im</strong>mt sich zudem «von oben»,<br />

d.h. durch die Fallstudienmethoden (natur- wie<br />

sozialwissenschaftliche Methoden) bzw. durch die<br />

gewählte Synthesemethode (Methoden der Wissensintegration),<br />

Aus Sicht der Praxis ist es der Nutzen von Fallstudienarb,eit,<br />

der sich erweisen muss. Die Fallstudie<br />

leistet jedoch keine Projektarbdt, wie etwa ein<br />

Ingenieurbüro sie anbieten kann. Vielmehr leistet<br />

die Fallstudie - so ihr Anspruch - ein erweitertes<br />

und durch Fallstudienmethoden gestütztes Fallverständnis.Dessen<br />

Nutzen stellt sich für jede «Partei»<br />

<strong>and</strong>ers dar. Das städtische Bauamt II und die ABB<br />

Immobilien AG haben nicht unbedingt dasselbe Interesse<br />

am <strong>Zentrum</strong> Zürich ·<strong>Nord</strong>. Der gemeinsame<br />

Fallbezug ist die motivierende Basis für die Zusammenarbeit.<br />

.Vor der Schwierigkeit, die Fallstudie zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis einzuordnen, stehen auch<br />

manche Studierende. Die einen, für die sich die<br />

Fallstudie als eine Art Forschungsprojekt darstellt,<br />

zeigen Unverständnis für qrösse und Aufw<strong>and</strong> der<br />

Fallstudie. Die <strong>and</strong>eren, die die praktische Umsetzung<br />

suchen, sind manchmal enttäuscht darüber,<br />

dass die Fallstudie nicht zU einer raschen Ökologisierung<br />

der Praxis führt. Das schwierige Verhältnis<br />

zwischen Fachwissen und Fal/verständnis zeigt gerade<br />

die Schwierigkeit und Notwendigkeit von Synthese<br />

- dem Herzstück der Fallstudie.<br />

,3.2 Von'den Disziplinen zur Synthesevom<br />

Individuum zum Team<br />

Von den Disziplinen z"r Synthese<br />

In der Fallstudie 1994 entsprach die Idee von der,<br />

Organisation der Synthese dem klassischen Bild<br />

(Abb. 3.2 ob'en): Die Ergebnisse fachdisziplinärer<br />

Forschung werden zu einem gemeinsamen Ergebnis<br />

vereint. Demgemäss gab es zuerst die fach-<br />

1=··~===========:.~: ~<br />

L- ----'-'A:::bl:::au:::.f-,ode:::r,-:-F-,oa:::lIs:.::tu:::d:::ie ---,:=>,'<br />

Synthesephase I<br />

'----<br />

Fachdisziplinäre Phase<br />

(Teilprojekte)<br />

Gesamtsynthese?<br />

I' Ablauf der Fallstudie' S><br />

Synthesephase I Fachdisziplinäre Phase Synthesephase 11<br />

(Synthesegruppen) (Teilprojekte) (Synthesegruppen)<br />

Synthesephase 11<br />

1 ~<br />

~~. I~<br />

---'-'Ab::..:la:::u:::.f.=.de=-:.r-'-F.=al=ls.:.:tu:=di:=e__----,><br />

~<br />

Cf)<br />

LL<br />

Abb.3.2 Die Organisation der Synthese inden Fallstudien 1994 (oben),<br />

1995 (Mitte) und 1996 (unten). 1994 ergibt sich die Synthese aus der<br />

Zusammenfiihrung disziplinörer Forschung (Projektliniensynthese). 1995<br />

'beginnt (und endet) die Fallstudie mit den Synthesegruppen, deren Arbeit<br />

von den disziplinören Teilprojekten unterbrochen wird. In der Fallstudie<br />

1996 werden die Teilprojekte in den Synthesegruppen selbstgebildet.<br />

orientierten Teilprojekte und daran anschliessend<br />

die Synthesegruppen.<br />

Die Fallstudie 1995 brachte die entscheidende<br />

Neuerung. Sie begann bereits mit den Synthesegruppen<br />

(Abb. 3.2 Mitte). Der Vorteil davon ist, dass<br />

die Synthesegruppen durch ihre Zielsetzung rechtzeitig<br />

die Arbeit in den Teilprojekten beeinflussen<br />

können. In der Fallstudie 1995 wurden nach der<br />

Synthesephase alle Studierenden auf die - von<br />

Anfangan festgelegten Teilprojekte - verteilt. Nach<br />

der Teilprojektphase kehrten sie in ihre Synthesegruppen<br />

zurück,<br />

Die Fallstudie 1996 steht nun ganz <strong>im</strong> Zeichen<br />

der Synthese (Abb. 3.2 unten, vgI.auch das «Brunswiksche<br />

Linsenmodell», Scholz & Tietje, 1996). Die<br />

Teilprojekte werden ganz nach den Bedürfnissen<br />

der jeweiligen Synthesegruppe gebildet. Die kom-<br />

UNS-Fallstudie '96 75


Organisation - _<br />

plizierte Aufteilung zwischen Teilprojekten und<br />

Synthesegruppen aus der Fallstudie 1995 ist gewichen.<br />

Fachdisziplinäre Forschung dient nun ganz<br />

den Zwecken der Synthese.<br />

Vom Individuum zum Team<br />

Parallel zu dieser Schwerpunktverlagerung von den<br />

Disziplinen zur Synthese ergab sich eine <strong>and</strong>ere<br />

Entwicklung: vom Individuum zum Team. In der<br />

Fallstudie 1994 erhielten jede Studentin und jeder<br />

Student eine eigene «Expertenbildung». Mit dieser<br />

Ausbildung' ausgestattet durchliefen sie die Teilprojektphase<br />

und arbeiteten anschliessend in einer<br />

Synthesegruppe mit. In der Fallstudie 1995 lief<br />

die «Expertenbildung» parallel zur ersten Synthesephase,<br />

was diese deutlich störte. Nach der ersten<br />

Synthesephase verteilten sich die Studieienden der<br />

einzelnen Synthesegruppen gleichmässig· auf alle<br />

Teilprojekte (Abb. 3.2 Mitte).<br />

In der Fallstudie 1996 sind die Synthesegruppen<br />

das zentrale organisatorische Element. Sie blieben<br />

vom Anfang bis zum Ende der Projektphase bestehen.<br />

Die «Expertenbildung» ist auf das Not-.<br />

wendigste reduziert und hat sich auch inhaltlich<br />

gew<strong>and</strong>elt. Während in der Fallstudie 1994 die fachlichen<br />

Spezialausbildungen dominierten (z.B. Agronomie,<br />

Geologie, Pedologie), war die «Expertenbildung»<br />

1996 von team-unterstützenden Techniken<br />

best<strong>im</strong>mt (z.B. Moderation, Projektmanagement,<br />

Krisenmanagement). Teams - und nicht einzelne<br />

Studierende - sind· die Grundelemente der Fallstudie<br />

1996. Die Syntheseteams erhielten 1996<br />

klare eigene Definitionen der Syntheseziele wie<br />

«Altlasten» oder «Grünraum». Dadurch sollte die<br />

Synthesegruppe zur «He<strong>im</strong>at» der Studierenden in<br />

der FallstudIe werden.<br />

Kosten 3.3.1 Dos 2-Phasen-Schwungrad-Modell.<br />

arbeiten. Mehr noch: Best<strong>im</strong>mte soziale Fähigkeiten<br />

wie Gruppenleitung, Projektorganisation und Kooperation<br />

sollen gefördert werden. Es ist nicht vorgesehen,<br />

dass die TutorInnen als Projektleiter tätig<br />

werden, vielmehr soll er die Verantwortung - soweit<br />

möglich - aus den Händen geben. Hierzu wurde<br />

in der Fallstudie 1995 das «2-Phasen-Schwungrad­<br />

Modell» propagiert, das in manchen Gruppen realisiert<br />

wurde. (siehe Kasten 3.3.1).<br />

Hinzu kamen 1996 Spezialausbildungen in .teamunterstützenden<br />

Fertigkeiten. Die Spezialausbildungen<br />

wurden in der Expertenbildungsphase vermittelt<br />

und dienten dazu, für die Gruppen Wissen und<br />

Methoden zur Selbstorganisation bereitzustellen.<br />

3.3 OrganisationsinstrRmente<br />

Die Projektorganisation der Fallstudie befindet sich<br />

fortwährend in Weiterentwicklung. Einige Organisationsinstrumente<br />

haben sich in der Fallstudie<br />

bewährt. Den Kommunikationsmitteln (Plenum, EDV,<br />

Zeitung etc.), bedeutsam aufgrund der Schnittstellenproblematik,<br />

wird ein eigenes Kapitel gewidmet<br />

(siehe Kap. KOMMUNIKATION). Hier geht es<br />

einzig um Organisationsinstrumente, die zur Selbst~<br />

organisation innerhalb der Fallstudie und zur Projekt-Prozess-Steuerung<br />

beitragen.<br />

Hilfe zur Selbstorganisation<br />

Die Teams in der Fallstudie sollen - <strong>im</strong> Rahmen<br />

ihres Syntheseauftrages - möglichst selbständig<br />

Kosten 3.3.2 Spezialausbildungen in der Fallstudie (vielfach mit teamunterstützendem<br />

Charakter). Je Synthesegruppe erhält ein Mitglied (oder<br />

einige wenige) eine Einführung in der «Expertenbildungsphase».<br />

Prozesskontrolle<br />

In Projekten, in denen so unterschiedliche Projektpartner<br />

beteiligt werden wie in der Fallstudie, gewinnt<br />

die Projekt-Prozess-Steuerung gegenÜber der<br />

Projektplanung an Bedeutung (Wischnewski, 1993).<br />

Eindeutige Funktionszuweisung<br />

Eine Voraussetzung zur Fallstudienorganisation ist<br />

die klare' Funktionsaufteilung. Dies betrifft Studierende,<br />

TutoreInnen wie auch die Mitglieder des<br />

76<br />

UNS-Fallstudie '96


--_--------.,.-------------------_----------Organisation<br />

Fallstudienbüros. Um einige Beispiele zu nennen:<br />

Es gab Gemeinschaftsfunktionen in jeder Synthesegruppe<br />

(vgl. Kasten 3.3.3), Prof. Scholz übernahm<br />

eine klar abgegrenzte «Supervisions- und Coachingfunktion»,<br />

<strong>im</strong> Fallstudienbüro gab es einen Verantwortlichen<br />

für alle Befragungskontakte, etc.<br />

Die Funktionszuweisung gehört zu den schwierigsten<br />

Aufgaben. Die individuelle Kompetenz und die<br />

Stellung in der Fallstudie (siehe Abb. 1.2) müssen<br />

auf einfache und effiziente Weise mit einem Auftrag<br />

in der Fallstudieverbunden werden, ohne dass eine<br />

ungebührliche Zusatzbelastung erwächst.<br />

Transparenter Zeitplan<br />

Ein Zeitplan ist für die Fallstudie deswegen von so<br />

grosser Bedeutung, weil er auf einfache Weise<br />

zugleich die Projektorganisation steuert und zur<br />

Kommunikation beiträgt. Zum einen hilft die<br />

schlichte Tatsache: Was auf einem Zeitplan steht,<br />

kann nicht so leicht vergessen werden. Ein.<br />

festgelegter Termin fordert dazu heraus,<br />

sich mit ihm zu beschäftigen. Ebenso<br />

wichtig ist eine <strong>and</strong>ere Charakteristik des<br />

Zeitplans: Er verhilft zu zielorientiertem<br />

Projektmanagement. Da in der Fallstudie<br />

die Zeit knapp ist, hilft es, «von hinten»<br />

d.h. vom Ziel aus rückblickend zu organisieren<br />

- vielfach zeigt sich dann, dass das<br />

Ziel realistischer zu definieren ist.<br />

Kasten 3.3.3 Gemeinschaftsfunktionen in den Synthesegruppen.<br />

Auftrag der Methodenentwicklung in de.r Fallstudie<br />

1995 oder ein Gremium zu den «Bewertungskriterien»in<br />

der Fallstudie 1996 (siehe Abb. 2.1). Die<br />

Komplexität des Falls provoziert einen ebenso<br />

komplexen Aufbau der Fallstudie. Die Projektorganisatiönmuss<br />

die Fallstudie <strong>im</strong>mer wieder zur<br />

Einfachheit zurückführen.<br />

OIE ZEITUNG ZUR FALLSTUDIE ZENTRUM ZüRICH NORD DER UMWELTNATURWISSENSCHAFTEN, <strong>ETH</strong> ZüRICH<br />

Evaluation<br />

.Jede Fallstudie wird umfänglich evaluiert.<br />

Dazu gehört eine Befragung der Studierenden<br />

zu Anfang und Ende der Fallstudie,<br />

1996 ergänzt durch eine weitere Befragung<br />

während der Fallstudie. Diese Befragungen<br />

liefern ein Bild von der studentischen<br />

Wahrnehmung der Fallstudie und bieten<br />

Indikatoren für die Güte der Projektorganisation.<br />

Eine solche Zielgrösse wird durch<br />

die <strong>im</strong>mer wieder gestellte Frage «Ist die<br />

Fallstudie eine sinnvolle Veranstaltung?»<br />

best<strong>im</strong>mt. In der Fallstudie 1995 zeigte<br />

sich, dass der Sinn der Fallstudie in Zusammenhang<br />

mit dem Sinn der Synthese und<br />

der Effektivität der Synthesearbeit gesehen<br />

wurde «


Organisation ~ _<br />

4. Die Zukunft der<br />

Fallstudienorganisation<br />

4.1 Entwicklung der UNS-Fallstudien<br />

1994-1998<br />

Die UNS-Fallstudien bilden einen jahrgangsübergreifenden<br />

Prozess - auch wenn dies den Studierendennicht<br />

<strong>im</strong>mer bewusst wird. Die Fallstudie 1994,<br />

die einen neuen Anfang setzte, klärte die Prinzipien<br />

der Fallstudienarbeit (vgl: auch Scholz, 1995). Die<br />

Fallstudie 1995 schuf eine Inventarisierung von<br />

Methoden und Fällen (vgl. auch Scholz & Tietje,<br />

1996). Jedesmal, wenn eine neue Phase der Konsolidierung<br />

der Fallstudien-Struktur erreicht ist, bietet<br />

sich Raum für weitere Neuerungen. So bot sich in<br />

der Fallstudie 1996 die Möglichkeit, sozialpsychologische<br />

Exper<strong>im</strong>ental-Forschung zur Meinungsbildung<br />

.in Gruppen (Crott & Werner, 1994) sinnvoll und mit<br />

allseitigem Gewinn in die Fallstudie einzubauen. In<br />

der zweiten Woche, der Fallwoche auf dem Areal,<br />

diskutierten die Studierenden in Kleingruppen über<br />

die R<strong>and</strong>bedingung des Areals. Sozialpsychologische<br />

Forschung half hier, den Fall näher kennenzulernen<br />

und zugleich die Fall-Diskussion zu starten (vgl.<br />

Kap. KOMMUNIKATION).<br />

Fal/studie 1994: Die Prinzipien<br />

• Prinzipien der Fallstudie<br />

• Pr<strong>im</strong>at derSynthese<br />

• Erste Synthesemethoden<br />

Fal/studie 1995: Inventarisierung<br />

• Kriterienkatalog «Was ist eine Fallstudie?»<br />

• Fall-Inventar<br />

• Methoden-Inventar<br />

Fal/studie 1996: Konsolidierung<br />

• Organisation der externen Kooperationen<br />

• Organisation der Synthesegruppen<br />

,. Integration sozialwissenschaftlicher Forschung<br />

Fal/studie 1997/98<br />

• semesterübergreifende, partizipative Organisation?<br />

• Integration umweltnaturwissenschaftlicher Spezialforschung?<br />

• Opt<strong>im</strong>ierung von Gruppen- und Moderationsprozessen?<br />

Fast alle Neuerungen entspringen den Diskussionen<br />

und Planungsentscheiden der jeweiligen Fallstudienkommission.<br />

Die Akzente der Fallstudien<br />

1997/98 sind noch nicht ausdiskutiert. Zwei Neue:'<br />

rungen der nächsten Fallstudie 1997/98 sind jedoch<br />

bereits absehbar:<br />

l.Der Fall - Klettgau - wird zweijährig bearbeitet.<br />

Die Fallstudie gewinnt dadurch an Tiefe und<br />

Umsetzungskraft. Nebenbei bemerkt: Bereits die<br />

Fallstudien -1995 «Industrieareal Sulzer,.Escher<br />

Wyss» und 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich<strong>Nord</strong>» st<strong>and</strong>en ­<br />

nicht zufällig - in räumlichem und thematischem<br />

Zusammenhang.<br />

2. Die Studierenden werden frühzeitig einbezogen.<br />

DieVorprojekte setzten bereits ein Jahr vor Beginn<br />

der Fallstudie 1997 ein und erfassen alle Studierende<br />

des Jahrgangs.<br />

Aus Sicht der Projektorganisation ist es interessant<br />

zu verfolgen, wie sich. modulare Integration in den<br />

kommenden Fallstudien darstellt. Modulare Integration<br />

bedeutet, Wissen und Personen in ein Projekt<br />

so einzubinden, dass möglichst Selbständigkeit<br />

gewahrt bleibt (Mieg et al., 1996b). Modulare Integration<br />

ist eine organisatorische Umsetzung der<br />

Fallstudienprinzipien der Kooperation, der studentisc,hen<br />

Beteiligung und der Wissensintegration.<br />

Nachdem 1996 die Kooperation mit den wissenschafts-externen<br />

PartnerInnen - allen voran der ABB<br />

Immobilien AG und dem BauamtlI der <strong>Stadt</strong> Zürich ­<br />

hervorragend und ium wechselseitigen Nutzen<br />

funkti~ni~m hat, wird sich zeigen müssen, wie gut<br />

die Fallstudie auch den umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Forschungsbedürfnissen Genüge tun kann.<br />

Ein Hindernis ist bereits aus dem Weggeräumt:<br />

Forschungsprojekte haben grössere Zeithorizonte<br />

als eine einjährige Fallstudie. Mit der zweijährigen<br />

Fallstudie «Klettgau» lässt sich längerfristige Forschungskooperation<br />

besser planen.<br />

4.2 Ausblick<br />

Die Zukunft der Fallstudie entscheidet sich an der<br />

Frage, wie sich die Professur für Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften als institutionalisiertes<br />

Interface bewährt. Die' Professur ist Schnittstelle<br />

(Interface) nicht nur zwischen Natur- und Sozialwissenschaften,<br />

sondern auch zwischen Wissenschaft,<br />

Industrie und Öffentlichkeit. Ähnliche Projekte wie<br />

die Fallstudie finden sich auch <strong>and</strong>erswo (z.B. die<br />

Da<strong>im</strong>ler Benz-Gruppe «Forschung Technik und Gesellschaft»<br />

oder die «Chaos-Piloten» in Dänemark).<br />

Von diesen Projekten unterscheidet sich die Fallstudie<br />

durch ihre Grösse und die wissenschafts-'<br />

gestützte Wissensintegration. Insofern gewinnt die<br />

Fallstudien-Professur Modellcharakter für wissenschaftsgestützte<br />

Schnittstellen <strong>im</strong> Bereich Umwelt<br />

und öffentliche Planung, auch auf internationaler<br />

Ebene (Mieg, 1996).<br />

78<br />

UNS-Fallstudie '96


_________________________~-------------------Organisa:tion<br />

Literatur<br />

Crott, H. W. & Werner, ]. (1994). The norm-information-distance<br />

model: A stochastic approach to preference change in group int~raction.<br />

Journal of Exper<strong>im</strong>ental Sodal Psychology, 30, 68-95.<br />

Mieg, H.A. (1996). Managing the Interface between Science,<br />

Industry, <strong>and</strong> Society:· Case Studies for Environment,. Education,<br />

<strong>and</strong> Knowledge Integration at the Swiss Federal Institute ofTechnology.<br />

In UNESCO (Ed.),Proceedings of the World Congress of<br />

Engineering Educators <strong>and</strong> Industry Leaders (pp. 529...:533).<br />

Mieg, HA, Bösch, S., Bächtiger, C.(1996). Die Organisation<br />

der Fallstudie. In R.W. Scholz, S. Bösch, T. Koller, HA Mieg,<br />

J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal Sulzer-Escher Wyss (S. 71-82).<br />

Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Mieg, H. A., Scholz, R. w., Stünzi, J. (1996). Das Prinzip der<br />

modularen Integration: Neue Wege von Führung und Wissensintegration<br />

<strong>im</strong> Management von Umweltprojekten. Organisationsentwicklung,<br />

15 (2), 4-15.<br />

Scholz, R.W., Koller, T., Mieg, HA, Schmidlin, C. (Hrsg.). (1995).<br />

Perspektive Grosses Moos. Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

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Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Scholz, R.w., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, J. (1996).<br />

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Wischnewski, E. (1993). Modernes Projektmanagement (4. Aufl:).<br />

Wiesbaden: Vieweg.<br />

UNS"Fallstudie '96 79


Der Fall:<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN)<br />

Inhilit<br />

1. Einleitung 83<br />

2. Industrialisierung in der<br />

Grossregion Zürich 84<br />

3. Zürich <strong>Nord</strong> in den «Goldenen<br />

Fünfzigern.l 88<br />

4. Die Finanzmetropole und<br />

ihre Satellitenstädte 91<br />

S. Von der «Chance» zum<br />

«<strong>Zentrum</strong>.l 94<br />

6. ziirifiifzg! ",nd die Zukunft 97<br />

Alltorlnnen<br />

Corinne Maeschli (Medien)<br />

Marcel Niederer (Gebäude)<br />

Andreas Bofer (Tutor)


Der Fall ----' _<br />

82 UNS-Fallstudie '96


___________-.,------- ~ ~ Der Fall<br />

1. Einführung<br />

Im Jahre 1917 gab der Schweizerische Wasserwirtschaftsverb<strong>and</strong><br />

mit Unterstützung der Kantonsregierungen<br />

von Zürich und St. Gallen umfangreiche Studien<br />

für die wirtschaftliche Nutzung der Wasserkraft<br />

von Thur, Töss und Glatt in Auftrag. Der <strong>im</strong> Jahr<br />

1920 erschienene, von Ingenieur K. Ganz bearbeitete<br />

Wasserwirtschaftsplan der Glatt sah· für das Gebiet<br />

Oerlikon Grosses vor. Es war vorgesehen, von Wettingen<br />

aus, nachdem Hochrhein und L<strong>im</strong>mat schiffbar<br />

gemacht worden wären, einen über 26 Kilometer<br />

langen Kanal durchs Furttal hinauf zum Greifensee<br />

zu graben. Zur Überwindung der knapp 60 Meter<br />

Höhendifferenz zWIschen Wettingen und dem Katzensee,<br />

dem Scheitelpunkt, wäre der Bau eines<br />

Hebewerkes für Schiffe und drei weiterer Schleusen<br />

notwendig gewesen. Für die Weiterfahrt zum Hafen<br />

bei Oerlikon und von dort bis zum Greifensee hätten<br />

die Lastkähne nochmals vier Schleusentore passieren<br />

müssen (nach Illi, 1990, S. 67). Ein Riesenprojekt,<br />

das jedoch für jene Zeit charakteristisch ist:<br />

Die wichtigsten und leistungsfähigsten Transportwege<br />

führten übers Wasser. Der Anschluss an die<br />

internationale Schiffahrt hätte einiges an Veränderung<br />

für die Region gebracht.<br />

Mit dem «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (ZZN) wird nun,<br />

rund achtzig Jahre später, ein Projekt in einer ähnlichen<br />

Grössenordnung geplant. Auch von diesem<br />

erhofft man sich internationale Ausstrahlung und<br />

einen verbesserten Anschluss an die wirtschaftliche<br />

Entwicklung. Ähnlich wie das Hafenprojekt h'ätte<br />

oder vielmehr hat das ZZN eine überregionale<br />

Bedeutung. Rund eine Million Menschen sind von<br />

, den Veränderungen, die das Grossproj~kt in Oerlikon<br />

mit sich bringt, betroffen. Es stellt sich hier die<br />

Frage, welche Veränderungen die Realisierung des<br />

ZZN verursachen wird und mittels welcher Massnahmen<br />

sich diese Veränderungen allenfalls beeinflussen<br />

lassen.<br />

Abb. 1 Ein ,Projekt<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» <strong>im</strong> Jahre 1920: DerschiffahrtsmässigeAnschluss Zürichs an Rlzein und<strong>Nord</strong>see<br />

erfordert umfangreiche Hafenanlagen in der Gegend von Oerlikon (Bild: <strong>Stadt</strong>archiv Zürich; aus IIIi, 1990).<br />

UNS-Fallstudie '96 83


Der Fall_---'-<br />

2. Industrialisierung in der<br />

Grossregion Zürich<br />

2.1 Frühe Industrie in der Schweiz<br />

Im Laufe der Zeit waren auch <strong>im</strong> Raume Zürich viele<br />

Bauernwesen durch Erbteilung in kleine Bauerngüter<br />

zerstückelt worden. Diese vermochten die vielköpfigen<br />

Familien teilweise kaum mehr zu ernähren~<br />

Nachdem die Bevölkerung des Kantons Zürichjahrhundertelang<br />

fast ausschliesslich von der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

gelebt hatte, fasste <strong>im</strong> 17. Jahrhundert die<br />

Baumwollverarbeitung Fuss. Mit ihr kam die He<strong>im</strong>arbeit<br />

auf, die es verarmten Bauernfamilien ermöglichte,<br />

zu einem dringend benötigten zusätzlichen<br />

Einkommen zu kommen, ohne dass sie ihre gewohnte<br />

Umgebung verlassen mussten. Um die<br />

Wende des 18. Jahrhunderts erlebte die He<strong>im</strong>arbeit<br />

ihre Blütezeit.<br />

Mit den durch Wasserkraft, später durch Dampf­<br />

,maschinen betriebenenSpinnere<strong>im</strong>aschinen erwuchs<br />

der He<strong>im</strong>arbeit übermächtige Konkurrenz. Mit staatlicher<br />

Hilfe wurde 1801 in St. Gallen die erste<br />

~__<br />

mechanische Spinnerei der Schweiz eingerichtet. Es<br />

folgten Fabriken in Wülflingen bei Winterthur und<br />

in Zürich. Einige Jahre später wurden auf der L<strong>and</strong>schaft,<br />

entlang der grösseren Wasserläufe, zahlreiche<br />

Spinnereien gegründet. Es entst<strong>and</strong>en an der Aa, der<br />

Kempt, der Jona, der Töss, der Glatt, der Sihl und<br />

der L<strong>im</strong>materstmals eigentliche Fabriken. Diese<br />

Flussläufe entwickelten sich <strong>im</strong> Laufe der folgenden<br />

fünfzig Jahre zu markanten Industrieachsen mit<br />

einer ganzen Kette von Fabriksiedlungen. In der<br />

Folge brach die H<strong>and</strong>spinneiei, die nach der Aufhebung<br />

der Kontinentalsperre <strong>im</strong> Jahr 1820 noch<br />

zusätzlichem Konkurrenzdruck ausgesetzt war, endgültig<br />

zusammen.<br />

Die Baumwollindustrie und die direkt mit ihr verbundene<br />

Baumwollwebere,i bildeten bis 1870 die<br />

moderne Wachstumsbranche. Darüber hinaus verlieh<br />

diese technologisch führende Industrie <strong>and</strong>eren<br />

Bereichen der gewerblichen Produktion, namentlich<br />

dem H<strong>and</strong>werk und der Maschinenindustrie, wichtige<br />

Wachstums<strong>im</strong>pulse. Die industrielle Revolution<br />

war ein ländliches Phänomen, das sich in enger<br />

Anlehnung an die traditionellen He<strong>im</strong>indus'triegebiete<br />

und entlang der regionalen Wasserläufe vollzog.<br />

Oerlikon war, mangels verfügbarer Wasserkraft,<br />

als St<strong>and</strong>ort für diese Art von Industrie unattraktiv<br />

und blieb bis weit ins 19. Jahrhundert ein bescheidenes<br />

Bauerndorf in der Nähe von Zürich.<br />

Zahl der Fabrikarbeiter inder Baumwollindustrie (vorwiegend Spinnereienl<br />

.S-SO .Sl-200 .201...,SOO .S01-1000<br />

Abb. 2.1 Die erste Phase der Industrialisierung verlief, basierend auf<br />

Wasserkraft, entlang der regionalen Flussläufe. Oerlikon war damit als .<br />

St<strong>and</strong>ort ungeeignet undwurde vorerst nicht in .den Prozess miteinbezogen<br />

(Graphik: Heinz Schnieper; aus Fritzsche & Lemmenmeier, 1994).<br />

2.2 Eisenbahnschlachten<br />

«Mit einem Vierteljahrhundert Verspätung gegenüber<br />

<strong>and</strong>eren Ländern revolutionierte die Eisenbahn<br />

die Verkehrsverhältnisse der Schweiz." (Fritzsche &<br />

Lemmenmeier, 1994, S. 109). Die welterste kommerzielle<br />

Bahnstrecke wurde 1834 in Engl<strong>and</strong> eröffnet.<br />

In der Schweiz begann der Eisenbahribau, mit einer<br />

Ausnahme, erst um 1855: Wohl hatten sich die topographischen<br />

Verhältnisse als schwierig erwiesen, der<br />

wahre Grund für die Verzögerung waren allerdings<br />

politische Hindernisse, die lange unüberwindbar<br />

schienen. Diese konnten erst mit der Gründung des<br />

Bundesstaates, dem neue Kompetenzen zur Förderung<br />

öffentlicher Bauten übertragen wurden, gelöst<br />

werden.<br />

Als der rechtliche Rahmen endlich geschaffen war,<br />

setzte der Eisenbahnbau dafür um so rascher ein. In<br />

einer ersten, rund zehn Jahre dauernden Phase<br />

wurden 1300 km gebaut, in der sämtliche Städte<br />

auf der Alpennordseite, mit Ausnahme von Herisau,<br />

unterein<strong>and</strong>er verknüpft wurden, Nach der Eröffnung<br />

der Strecke Romanshorn-Winterthur 1855<br />

folgte <strong>im</strong> selben Jahr auch der Abschnitt Winterthur-Oerlikon.<br />

Im kommenden Jahr wurden die<br />

schwierigsten viereinhalb .Kilometer - die Strecke<br />

84<br />

UNS-Fallstudie '96


------~----------- Der Fall<br />

Abb. 2.2 Sein H<strong>and</strong>eln wurde von liberalen Visionen geleitet: Der<br />

Unternehmer und Politiker Alfred Escher machte Zürich zur Schweizer<br />

Wittschajtsstadt und nebenbei Oerlikon zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt<br />

(Bild: Die/er Kaufmann).<br />

nach Zürich - erstellt. Später kamen die Verbindungen<br />

nach Uster und Bülach hinzu.<br />

Der Anschluss Oerlikons ans neue Verkehrsmittel<br />

Eisenbahn besiegelte das Ende der Doppelgemeinde<br />

Schwamendingen-Oerlikon, was vor allem von Oerlikoner<br />

Seite her schon lange herbeigesehnt worden'<br />

war. Da sich die Schwamendinger weigerten, das für<br />

den Bahnbau nötige L<strong>and</strong> abzutreten, musste das<br />

Projekt der Bahnlinie Zürich-Winterthur-Romanshorn·<br />

abgeändert werden, und der Bahnhof kam<br />

nach Oerlikon. Durch die innerhalb eines JahrJ:ehntes<br />

errichteten.Bahnverbindungen wurde Oerlikon<br />

zu einem schweizerischen Eisenbahnknotenpunkt,<br />

während Schwamendingen rasch an Bedeutung verlor.<br />

Diese Konstellation war entscheidend für die<br />

Entwicklung der aktuellen Mobilitätsstrukture'n <strong>im</strong><br />

Raume Oerlikon.<br />

Der Zürcher Politiker und Unternehmer Alfred<br />

Escher verkörperte die gesellschaftlichen Visionen<br />

in dieser Zeit. Er verst<strong>and</strong> es, durch geschicktes<br />

politisches Agieren auch auf nationaler Ebene,<br />

Zürich <strong>im</strong> Eisenbahnbau ein paar wenige aber entscheidende<br />

Jahre Vorsprung gegenüber den <strong>and</strong>eren<br />

Schweizer Städten zu verschaffen. Dies reichte aus,<br />

um Zürich zum Wirtschaftszentrum der Schweiz zu<br />

machen und dürfte mit ein Grund sein, dass Zürich<br />

heute bevölkerungsmässig die grösste Schweizer<br />

<strong>Stadt</strong> ist. «Mit einigem Recht haben darum die ZÜrcher<br />

1889 Alfred Escher mitten <strong>im</strong> neuen <strong>Zentrum</strong><br />

der <strong>Stadt</strong>, das durch den Bahnhof geschaffen wurde,<br />

ein Denkmal gesetzt. Symbolträchtig auch, dass er<br />

nach dem Paradeplatz, dem Ort seiner Finanzmacht,<br />

blickt und dem Gebiet hinter dem Bahnhof, wo sich<br />

die sozialen Probleme häuften, den Rücken zukehrt.»<br />

(Fritzsche & Lemmenmeier, 1994, S. 171).<br />

In dieser ersten Phase des Eisenbahnbaus' hatte<br />

der Materialbedarfwenig Einfluss aufdie Wirtschaft.<br />

Die Schienen, praktisch alle Lokomotiven und das<br />

meiste Rollmaterial wurden von technisch weit fortschrittlicheren<br />

ausländischen Unternehmen bezogen.<br />

Wichtiger als die direkten Einflüsse waren die<br />

von den Eisenbahnen bewirkten Veränderungen <strong>im</strong><br />

wirtschaftlichen Raumgefüge. Sie wurden allerdings<br />

eher grossräumig und langfristig wirksam. In der<br />

.Frühzeit waren die Eisenbahnlinien noch lange nicht<br />

ausgelastet - selbst die Hauptlinien nicht. Nebenlinien<br />

gerieten wegen mangelnder Frequenzen sogar<br />

in finanzielle Schwierigkeiten. Über die tatsächlichen<br />

Verkehrsleistungen der Eisenbahn gibt es bisher<br />

kaum Untersuchungen. Generell lässt sich aber<br />

feststellen: «Die Eisenbahnen stellten Entwick~<br />

lungsmöglichkeiten zur Verfügung, die erst noch<br />

realisiert werden mussten.» (Fritzsehe & Lemmen~<br />

meier, 1994, S. 112). Dass diese Möglichkeiten in<br />

Oerlikon tatsächlich realisiert wurden, manifestiert<br />

sich in der heutigen Struktur der Raum- und Bodennutzung,<br />

die in jenen Jahren ihren Ursprung hat.<br />

2.3 Oerlikon wird zum Industriezentrum<br />

Durch die Bundesverfassung von 1849 wurde das<br />

Zollwesen Sache des Bundes. Die von den Kantonen<br />

erhobenen Gebühren und Wegzölle, die gerade<br />

schwere Industrieerzeugnisse stark verteuert hatten,<br />

fielen dahin. Zusammen mit den in der Verfassung<br />

garantierfenFreiheiten für H<strong>and</strong>el und Gewerbe<br />

sowie der Niederlassungsfreiheit der Bürger erlaubte<br />

dies das Aufkommen grösserer Industriezweige~ Diese<br />

neue Verfassungsbest<strong>im</strong>mung, der neue Eisenbahnanschluss<br />

sowie die Erfindung der Dampfmaschine<br />

bedeuteten für Oerlikon, wo sich die<br />

Nutzung der Wasserkraft nicht anbot, notwendige<br />

Voraussetzungen für die Etablierung von, H<strong>and</strong>el und<br />

Gewerbe. Mit dem neuen Verkehrsmittel konnten<br />

auch schwergewichtige Güter problemlos transpor~<br />

tiert werden. Zudem war Oerlikon nun direkt mit der<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich verbunden, die schon damals das<br />

schweizerische H<strong>and</strong>elszentrum darstellte. Damit<br />

waren die Voraussetzungen zur Industrialisierung<br />

Oerlikons geschaffen.<br />

Die erste Fabrik in Oerlikon war eine Hammerschmiede<br />

nordwestlich des Bahnhofs, die vor allem<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

85


Der Fall ~ ~__<br />

die Maschinenfabrik Escher Wyss & Co. mitSchmiedestücken<br />

belieferte. Sie war gleiChzeitig die erste<br />

schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik, verlegte<br />

ihren Schwerpunkt später .aber auf den Bau elektrischer<br />

Maschinen und hiess ab 1886 Maschinen/abrik<br />

Oerlikon(MFO). In den ersten Jahrzehnten der industriellen<br />

Entwicklung in Oerlikon spielte die MFO<br />

die wichtigste Rolle. Das Unternehmen beschäftigte<br />

etwa 60% aller in Oerlikon erwerbstätigen Personen<br />

und übte auch einen grossen Einfluss auf das Leben<br />

in der Gemeinde aus. Daneben fassten auch zahlreiche<br />

mittlere und kleine Betriebe in Oerlikon Fuss.<br />

Die Betriebe nördlich des Bahnhofs nutzten das<br />

Gebiet des Stierenrieds als Abfalldeponie für allerlei<br />

kontaminiertes Erdreich. Offenbar brachten die<br />

Arbeiter das zu deponierende Material in Schubkarre~,<br />

also in kleinen Portionen auf die freie Fläche<br />

hinter dem Areal. So entst<strong>and</strong> dort, wo heute das<br />

Projekt «Toro" realisiert wird; ein äl1sserst heterogenes<br />

Altlasten/eid(vgl. Kap. ALTLASTEN).<br />

2.4 Vergrossstiidterung und<br />

soziale Probleme<br />

Die «Gründerzeit" gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />

war geprägt von einer grossen Begeisterung für Industrie<br />

und Technik. Den Schattenseiten des rasanten<br />

<strong>Stadt</strong>wachstums setzte eine libera]e Grundhaltung<br />

nur wenige Schranken. Man war zufrieden, wenn die<br />

Schorn~teine rauchten und die Wirtschaft prosperierte~<br />

Die Kehrseite der Medaille, die sich u.a. in<br />

den überfüllten Arbeiterquartieren manifestierte,<br />

wurde diskret ausgeblendet.<br />

.Das Wachstum und der strukturelle W<strong>and</strong>el der<br />

Wirtschaft führten zu tiefgreifenden gesellschaftlichen<br />

Veränderungen. Am deutlichsten sichtbar<br />

wurde dies in der massiven Verstädterung. Dieses<br />

Wachstum äusserte sich sowohl <strong>im</strong> Bauvolumen als<br />

auch in der Bevölkerungszahl. Man beobachtete eine<br />

zunehmende soziale Segregation, d.h. verschiedene<br />

soziale Schichten siedelten sich in spezifischen<br />

Quartieren an. In Zürich entst<strong>and</strong>en Armenquartiere,<br />

Arbeiterquartiere und Quartiere der Wohlhabenden.<br />

In Oerlikori siedelte sich ein grosser Teil der Fabrikarbeiter<br />

an. Die Gemeinden Affoltern, Seebach<br />

und Schwamendingen wurden zu eigentlichen Arbeitervororten<br />

von Oerlikon.<br />

Auch in Oe..likon nahm die Bevölkerung gewaltig<br />

zu. Von' der 1872 erlangten politischen" Selbständigkeit<br />

bis zur Jahrhundertwende vervierfachte sich die<br />

Bevölkerung der Gemeinde auf fast 4000 EinwohnerInnen.<br />

Bis <strong>im</strong> Jahr 1917 stieg die Bevölkerungszahl<br />

auf 7360 und zählte 1929 gar !i'soo EinwohnerIn-<br />

Abb. 2.4 Maschinenjdbrik Oer/ilon um die Jahrhundertwende. Die rauchenden Schornsteine brachten Wachstum undHoffnung, aberauch soziale Probleme<br />

mitsich. (Quelle: Baugeschichtliches Archiv der <strong>Stadt</strong> Zürich).<br />

86 UNS-Fallstudie '96


______________.,..- .,..- Der Fall<br />

nen.. Oerlikon war damit bevölkerungsmässig das<br />

drittgrösste Gemeinwesen des Kantons, unmittelbar<br />

hinter den Städten Zürich und Winterthur. Eine<br />

Reaktion auf das sich abzeichnende Städtewachs-·<br />

turn war die erste Eingemeindung <strong>im</strong> Jahre 1893,<br />

an der Oerlikon aber noch nicht beteiligt war. Durch<br />

die Angliederung der zwölf Gemeinden an die<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich solltendie räumlichen Ungle~chheiten,<br />

welche das Wachstum mit sich brachten, ausgeglichen<br />

und die neu entst<strong>and</strong>enen Strukturen rechtlich<br />

fixiert werden.<br />

Es folgten weitere politische Reaktionen, insbesondere<br />

auf der nicht-institutionellen Ebene. Die<br />

Zeit um die Jahrhundertwende war <strong>im</strong>mer wieder<br />

geprägt von sozialen Protesten, Tumulten, Krawallen<br />

und Streiks, einerseits wegen zu hoher Mieten,<br />

<strong>and</strong>erseits wegen zu niedriger Löhne und <strong>and</strong>erer<br />

schlechter Arbeitsbedingungen. Sie traten interessanterweise<br />

besonder·s häufig gegen Ende längerer<br />

Wachstumsphasen auf und wurden von jenen getragen,<br />

die von den Früchten des Wachstums kaum<br />

profitierten, sondern ausschliesslich die negativen<br />

Folgen zu spüren bekamen (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />

1994, S. 181ft).<br />

Beispielhaft sei der «Italienerkrawall»<br />

von 1896 in<br />

Zürich erwähnt. Er war nicht<br />

ein Krawall von protestierenden<br />

Italienern, sondern ein<br />

Protest gegen die italienischen<br />

Gastarbeiter. Er eskalierte<br />

derart, dass der Regierungsrat<br />

beschloss,. kantonale<br />

Truppen aufzubieten, da sich<br />

nicht mehr abschätzen Iiess;<br />

«ob sich die Bewegung, indem<br />

sie angefangen hatte,<br />

sich gegen das Militär zu richten,<br />

nicht auf dem Wege sei,<br />

von der bIossen Demonstration<br />

zur Aggression. gegen<br />

die Staatsgewalt überzugehen<br />

oder sich auf <strong>and</strong>ere Gebiete<br />

der <strong>Stadt</strong> auszudehnen»<br />

(Fritzsche & Lemmenmeier,<br />

1994, S. 195).<br />

Ungeachtet der Proteste,<br />

die sich auch gegen die<br />

Modernisierung Im allge-<br />

uno<br />

1932<br />

meinen. richteten, gab es eine Reihe von städtebaulichen<br />

Innovationen. Unter Anleitung Von <strong>Stadt</strong>ingenieur<br />

Arnold Bürkli wurde in Zürich die Kanalisation<br />

realisiert. Entlang der Seefront ~ntst<strong>and</strong> eine<br />

ganze Reihe repräsentativer Bauten, unter <strong>and</strong>erem<br />

das <strong>Stadt</strong>theater. Um die Jahrhundertwende wurden<br />

das <strong>Stadt</strong>haus und die Amtshäuser, das L<strong>and</strong>esmuseum,<br />

das Kunsthaus und die Universität erbaut.<br />

.Aus dem Jahr 1920 stammt das beschriebene Projekt<br />

einer Hafenanlage Im Raum Oerlikon (siehe Kap.<br />

1. EINFÜHRUNG). Dieses steht exemplarisch für eine<br />

Vielzahl von Plänen aus jener Zeit, von denen 11ur<br />

wenige tatsächlich realisiert wurden.<br />

z.s<br />

Eingemeindung Oerlikons<br />

Nach dem ersten Weltkrieg begannen sich die<br />

Bemühungen zur Verbesserung der Situation der<br />

sozial schwächsten Schichten zu institutionalisieren.<br />

Es etablierten sich die Gewerkschaften, welche die<br />

Forderungen der Arbeiterschaft besser zu artikulieren<br />

vermochten, später, setzte der genossenschaft-<br />

OERLIKöN<br />

I1l90<br />

19&0<br />

Abb. 2.5 Darstellung des· Wachstums von<br />

Oerlikon zwischen den Jahren 1810 und<br />

1980. Eindrücklich zeigtsich der Wondel<br />

vom Bauemdoif über das Industriegebiet<br />

zum <strong>Stadt</strong>quartier (Quelle: Bougeschichtliches<br />

Archiv der<strong>Stadt</strong> Zürich).<br />

UNS-Fallstudie '96 87


Der Fall_-,--- -,---_~ ~__<br />

liche Wohnungsbau ein. Diese neuen sozialen Einrichtungen<br />

basierten zum Teil auf grossem Engagement<br />

von Betroffenen und trugen dazu bei, dass die<br />

<strong>Stadt</strong> weiter wachsen konnte und die Bevölkerung<br />

noch weiter anstieg. Die sich ausdehnende <strong>Stadt</strong><br />

verschlang die umliegenden Gemeinden. Oerlikon<br />

wurde vom ländlichen Industriest<strong>and</strong>ort zum <strong>Stadt</strong>quartier.<br />

Zum zweiten Mal begann sich die Notwendigkeit<br />

einer Eingemeindung abzuzeichnen.<br />

Die Gemeinden Affoltern, Seebach und Schwamendingen,<br />

de facto «Arbeitervororte» des Industriezentrums<br />

Oerlikon, wollten politisch zu Oerlikon<br />

gehören. Neben städtebaulichen Vorteilen und dem<br />

verlockenden Anschluss an die Dienstleistungen in<br />

den Sektoren Gas, Wasser und Elektrizität strebten<br />

die Gemeinden Affoltern, Seebach und Schwamendingen<br />

die Eingemeindung vor allem aus finanziellen<br />

Überlegungen an.<br />

Trotz vorläufigem Widerst<strong>and</strong> durch die Gemeinde<br />

Oerlikon wurde die Eingemeindung am S. Juli 1931<br />

<strong>im</strong> zweiten Anlauf angenommen. Die neue Gemeindeordnung<br />

umfasste die vier Glattalgemeinden<br />

Oerlikon, Seebach, Schwamendingensowie Affoltern<br />

und schuf damit neu den <strong>Stadt</strong>keis 11. Am<br />

1. Januar 1934 verlor Oerlikon nach 61 Jahren Selbständigkeit<br />

seine Gemeindeautonomie.<br />

3. Zürich <strong>Nord</strong> in den<br />

((Goldenen Fünfzigern"<br />

Mit voller Wirtschaftskraft voraus in den Wohlst<strong>and</strong> ­<br />

so die St<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Europa der fünfziger Jahre. Die<br />

kriegsgeschädigte Welt" rüstete zum Wiederaufbau.<br />

Für die kriegsverschonte Schweizer Wirtschaft zahlte<br />

sich nun aus, dass sie während der Kriegsjahre geschäftliche<br />

Beziehungen zu den sich bekämpfenden<br />

Parteien gepflegt hatte: Die Kapitalreserven ermöglichten<br />

es, den Aussenh<strong>and</strong>el mit den kriegsgeschädigten<br />

Ländern anzukurbeln (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />

1994)!<br />

Der Wirtschaftsboom nach dem zweiten Weltkrieg<br />

war für die weitere Entwicklung von Zürich <strong>Nord</strong><br />

entscheidend. In jener Wachstumsphase entst<strong>and</strong><br />

die urbane Grossregion Zürich, in der heute rund<br />

eine Million Menschen leben.<br />

3.1 Schlafstädte entstehen<br />

In Zürich und seinen nördlichen Vororten ballten<br />

sich zu jener Zeit die Arbeitsplätze. Namentlich die<br />

Industrie inOerlikön dehnte sich beträchtlich aus<br />

AM. 3.1 Feierabend bei der Maschinenfabrik Oerlikon, 1950: Aufdem schnellsten Weg nach Hause zu Frau undKindern! (Bild: Jakob Tuggener).<br />

88 UNS-Fallstudie '96


_--'-__-'-<br />

~----------------'-------------~--Der Fall<br />

und litt unter einem chronischen Mangel an Arbeitskräften.<br />

Das grosse Überangebot an Arbeitsplätzen<br />

hatte einen explosionsartigen Bevölkerungsanstieg<br />

in den Agglomerationsgemeinden zur Folge. Ströme<br />

von NeuzuzügerInnen aus allen Teilen der Schweiz<br />

und dem nahen Ausl<strong>and</strong> überschwemmten die städtischen<br />

Vororte. Doch nicht nur NeuzuzügerInnen,<br />

sondern auch <strong>Stadt</strong>bewohnerInnen zog es an den<br />

noch grünen <strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>. Der aufkommende Verkehr<br />

und die exp<strong>and</strong>ierende City machten die <strong>Stadt</strong><br />

unwirtlich und teuer. Zürich <strong>Nord</strong> indes versprach<br />

Wohnen <strong>im</strong> Grünen, <strong>Stadt</strong>nähe und günstigen Wohnraum.<br />

Mit der boomenden Wirtschaft stieg der allgemeine<br />

Wohlst<strong>and</strong>, und damit änderten sich auch die<br />

Ansprüche der Wohnbevölkerung: Die Mehrgenerationen-Familie,<br />

die gemeinsam in einer Wohnung<br />

oder einem Haus lebte, gehorte schon· bald der<br />

Vergangenheit an. Wer heiratete, suchte sich auch<br />

sogleich eine eigene, nicht allzu<br />

teure Wohnung. Der Traum von<br />

den eigenen vier Wänden erfüllte<br />

sich für viele junge Familien <strong>im</strong><br />

<strong>Nord</strong>en von <strong>Zurich</strong>. Da Ghitt- und<br />

L<strong>im</strong>mattal über grosse L<strong>and</strong>reserven<br />

verfügten, konnten Bauwillige,<br />

wie etwa Wohngenossenschaften,<br />

günstig Baul<strong>and</strong> erwerben und<br />

neue Siedlungen erstellen. So<br />

machte beispielsweise Schwamendingen.<br />

zwischen 1940 und 1960<br />

eine stürmische Entwicklung<br />

vom Bauerndorf zur eigentlichen<br />

Schlafstadt durch. «Schwamendingen<br />

und Wohnen bedeuten beinahe<br />

das Gleiche», schreibt etwa<br />

Niklaus Wyss <strong>im</strong> Schwamendinger<br />

Buch (1981, in Bollinger, 1983).<br />

Tagsüber arbeitet die - vorwiegend<br />

männliche - werktätige Bevölkerung<br />

ausserhalb des Quartiers,<br />

abends kehrt >sie nach Schwamendingen<br />

zurück, um sich auszuruhen,<br />

fernzusehen, zu eSsen und<br />

zu schlafen.<br />

Ende der fünfziger Jahre galt es <strong>im</strong> Bürgertum direkt<br />

als «hinterwäldlerisch», kein Auto zu besitzen. In<br />

den etwas schlechter gestellten Arbeiterfamilien<br />

folgte der eigene Wagen nach Kühlschrank,-Waschmaschine,<br />

Küchenmaschinen und Fernseher an<br />

fünfter Stelle auf der Dringlichkeitsliste (Fritzsche<br />

& Lemmenmeier, 1994). Die neue Mobilität verringerte<br />

räumliche Distanzen und ermöglichte es,<br />

<strong>im</strong>mer weiter weg vom Arbeitsort zu wohnen. Langsam<br />

wurde der Pendlerverkehr auch in den Vororten<br />

unerträglich. Dies führte wiederum dazu, dass die<br />

BewohnerInnen der stadtnahen Agglomerationsgemeinden<br />

ihr Wohnglück in weiter entfernten<br />

Gemeinden suchten und die Pendlerströme dadurch<br />

noch verstärkten (Fritzsche& Lemmenmeier, 1994).<br />

Gegen die zunehmende Dominanz des privaten<br />

Verkehrs regte sich lange kein Widerst<strong>and</strong>. In Zürich<br />

wurden gar St<strong>im</strong>men laut, die eine Abschaffungdes<br />

3.2 Segen für das moderne<br />

Leben: Das Auto<br />

Die Trennung von Arbeits- und<br />

Wohnort schritt mit der zunehmenden<br />

Motorisierung rasch voran.<br />

Abb. 3.2 Die Kleinfamilie derfünfziger!(Ihre und<br />

ihr Auto - Sinnbildfür Modernität, Freiheit und<br />

Unabhängigkeit (Bild:ous GKtZH, S. 407).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

89


Der Fall --,- --'------,- '-- _<br />

Trams verlangten, damit mehr Platz<br />

für die Autos bleibe. Das Privatauto<br />

versprach Ungebundenheit und<br />

Freiheit - wichtige Aspekte des<br />

modernen Lebens. Und Modernität<br />

.war das Credo der Hochkonjunktur.<br />

Modern war die Kleinfamilie, die<br />

etwas· ausserhalb der <strong>Stadt</strong> - zum<br />

Beispiel in Oerlikon oder Schwamendingen<br />

- wohnte. Modern War<br />

der Familienvater, der mit dem<br />

Auto zur Arbeit in die <strong>Stadt</strong> fuhr.<br />

Modern war die Mutter, die mit den<br />

zahlreichen neuen modernen Haushaltshilfen<br />

spielend die Hausarbeit<br />

erledigte und die Wohnung in zeitgemässem<br />

Stil herrichtete. Zum<br />

modernen Leben gehörte auch die<br />

sonntägliche Spazierfahrt in die<br />

Natur (Andersen, 1994).<br />

Abb.3.3 Laboranlage der Mu.nitionsfabrik, Werkzeugmaschinen/abrik Oerlikon, um 1956 (Bild:<br />

aus Wolfensberger & Stahel, 1994, S. 259).<br />

3.3 City o( Oerlikon<br />

Schon vor Einsetzen der Hochkonjunktur hatte Oerlikon<br />

dank seinem Industriegebiet eine <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

eingenommen. Während. der fünfziger<br />

Jahre entwickelte sich «ennet dem Milchbuck»eine<br />

«<strong>Stadt</strong> am R<strong>and</strong>e der <strong>Stadt</strong>», wie es in einer Radiosendung<br />

(Bollinger, 1983) um 1960 hiess. Ähnlich<br />

wie <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>zentrum vonZürich bildete sich auch in<br />

Kasten 3.3 Die Firmen in den 50erJahren aufdem heutigen Areal des geplantenZZN.<br />

90 UNS-Fallstudie'96


___,.__---:---...:....--,.__-------~---------,.--------------Der Fall<br />

Oerlikon eine City, deren Geschäfts- und Büroräume<br />

. die Wohnbevölkerung vertrieben (Bollinger, 1983).<br />

Verstärkt wurde die Funktion Oerlikons als<br />

Nebenzentrum durch seinen St<strong>and</strong>ort an der Bahnlinie<br />

Zürich-Flughafen Kloten. Das technik- und<br />

fortschrittbegeisterte St<strong>im</strong>mvolk st<strong>im</strong>mte dem Flughafenbau<br />

1947 enthusiastisch zu (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />

1994). Seither wurde er mehrmals erweitert<br />

und ist heute der wichtigste Passagierflughafen<br />

der Schweiz. Die guten Verkehrsverbindungen nach<br />

Kloten machten Oerlikon zu einem attraktiven<br />

St<strong>and</strong>ort für international tätige Firmen.<br />

Doch trotz aller Zentralität und Citybildung kann<br />

Oerlikon ·seine Vergangenheit als Vorort von Zürich<br />

nicht leugnen. Einfamilienhäuschen mit Vorgärten<br />

und Wohnsiedlungen sind Zeugen einer Zeit, in der<br />

sich viele Arbeiterfamilien in Zürich <strong>Nord</strong> nieder"<br />

liessen, weil hier Wohnen billiger war als in d.er <strong>Stadt</strong><br />

oder beispielsweise in Zollikon. Das He<strong>im</strong> war zwar<br />

bescheiden, dafür eigen. Trotz des steigenden Wohlst<strong>and</strong>es<br />

klaffte ein Lücke zwischen Konsumwunsch<br />

und finanziellen Möglichkeiten. Für Neuanschaffungen<br />

musste hart gespart werden. Doch das Sparen<br />

betraf nun nicht mehr, wie während der Kriegsjahre,<br />

das Lebensnotwendige, sondern Lebenserleichteril.­<br />

des (Andersen, 1994).<br />

4. Die Finanzmetropole und ihre<br />

Satellitenstädte<br />

Das Ende der «goldenen Fünfziger» kam schleichend,<br />

und es war mit einschneidendenVeränderungen<br />

in der Wirtschaft verbunden. Ende der sechziger<br />

Jahre bekam die schweizerische Industrie langsam<br />

den steifer·werdenden Wind der Konkurrenz auf<br />

dem Weltmarkt zu spüren. Lange Zeit hatte man auf<br />

das «Schweizer Qualitätsprodukt» und die quantitative<br />

Ausdehnung der Produktion gesetzt. Begriffe<br />

wie Rationalisierung oder Mechanisierung der Produktionsabläufe<br />

waren kein Thema. Dieses Versäumnis<br />

wurde Anfang der siebziger Jahre überdeutlich. Umund<br />

Restrukturierungen prägten das Geschehen in<br />

Zürich <strong>Nord</strong> <strong>im</strong> Kampf um die Konkurrenzfahigkeit.<br />

4.1 Ziirich wird Finanzmetropole<br />

Zur gleichen' Zeit erlebte die Dienstleistungsbranche<br />

in Zürich ein stürmisches Wachstum. Schon<br />

während der Hochkonjunktur hatten sich zahlreiche<br />

neue Betriebe aus dem Dienstleistungssektor<br />

etabliert. Dazu gehörten Beratungs-, Werbe- und<br />

Planungsbüros, Bildungs- und Forschungsinstitut~,<br />

Betriebe der Immobilienbranche und Finanzdienst~<br />

leistungsbetriebe, aber auch Reisebüros und Fitnesscenter.<br />

Als Finanzplatz erlangte Zürich <strong>im</strong> Verlaufe der<br />

siebziger und achtziger Jahre <strong>im</strong>mer mehr an Bedeutung.<br />

Hinzu kam, dass mit Einsetzen der Wirtschaftskrise<br />

anfangs siebziger Jahren viele führende<br />

Industriekonzerne einen Teil der Produktion ins<br />

kostengünstige Ausl<strong>and</strong> verlagerten. Die Unternehmensfunktionen<br />

wie Management, Marketing, Forschung<br />

und Entwicklung, die hochqualifiziertes Personal<br />

voraussetzen, blieben jedoch in der Schweiz,<br />

als Firmenhauptsitz wurde meist Zürich gewählt<br />

(Hitz et al., 1995).<br />

Warum aber ausgerechnet Zürich? Ein Grund für<br />

die· Attraktivität Zürichs als St<strong>and</strong>ort für Firmenhauptsitze<br />

und Banken liegt unter <strong>and</strong>erem in der<br />

historischen Verbindung von Exportindustrie und<br />

Finanzdienstleistungen. Eine solche Verbindung ist<br />

alles <strong>and</strong>ere als selbstverständlich, laufen doch die<br />

Interessen der Exporteure den Interessen der Finanziers<br />

entgegen: Fälltdie L<strong>and</strong>eswährung, steigen die<br />

Exporte und die Attraktivität des Finanzplatzes sinkt<br />

und umgekehrt. Dessen ungeachtet sind in Zürich<br />

Exportindustrie und Finanzdienstleistungsbranche<br />

gemeinsam gross geworden (Dürrenberger et aL,<br />

1992). Verkörpert wird diese Verbindung durch den<br />

bereits erwähnten Politiker und Unternehmer Alfred<br />

Escher, der sowohl Chef der Escher Wyss-Werke als<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

91


Der Fall --'-__--'---'- --------- :--__<br />

auch Mitbegründer der Schweizerischen Kreditanstalt<br />

war. Erst in den siebziger Jahren; als die Exportwirtschaft<br />

mehr und mehr an Bedeutung verlor - währenddem<br />

die Finanzdienstleistungsbranche weiter<br />

exp<strong>and</strong>ierte - entwickelte sich Zürich zum eigentlichen·<br />

Finanzzentrum. So konkurriert denn der<br />

Finanzplatz Zürich heute nicht mehr mit Basel oder<br />

Genf, sondern mit europäischen Metropolen wie<br />

London, Frankfurt, Paris, Amsterdam oder Brüssel<br />

(Hitz et aL, 1995).<br />

4.2 Satellitenstädte in Zürich <strong>Nord</strong><br />

Die Entwicklung Zürichs zum Finanzplatz oder zum<br />

«Wirtschaftswasserkopf», wie Zürich von Neidern<br />

aus <strong>and</strong>eren Regionen der Schweiz bisweilen genannt<br />

wird, führte zu grundlegenden Veränderungen<br />

in Zürich <strong>Nord</strong>. Schon Mitte der sechziger Jahre<br />

herrschte <strong>im</strong> Zürcher <strong>Stadt</strong>zentrum chronische Platzknappheit.<br />

Im Verlaufe· der siebziger und achtziger<br />

Jahre begannen <strong>im</strong>mer mehr Unternehmen<br />

Teilbereiche, die nicht kundenorientiert sind,<br />

auszulagern. Der Gedanke dahinter: die Verwaltung<br />

einer Grossbank braucht nicht unbedingt<br />

eine prestigeträchtige Adresse an der Bahnhofstrasse<br />

und kann <strong>im</strong> Zeitalter der Telekommunikation<br />

gut an einen billigeren St<strong>and</strong>ort verlagert<br />

werden.<br />

Zürich <strong>Nord</strong> bot sich als St<strong>and</strong>ort geradezu<br />

an. An attraktiver Lage zwischen Zürcher City<br />

und Flughafen gab es preiswerte Baul<strong>and</strong>reserven<br />

und leerstehende Industrieareale. In der<br />

Hochkonjunktur der achtziger Jahre entst<strong>and</strong>en<br />

dort auf bislang laridwittschaftlich genutzten<br />

Flächen riesige Büro- und Verwaltungsgebäude<br />

- Satellitenstädte der Wirtschaftsmetropole<br />

Zürich.<br />

In der Folge wuchs und wächst auch der<br />

Verkehr. Da die «Nebencities» über die ganze<br />

Grossregion verstreut sind, verlaufen die Verkehrströme<br />

in alle Richtungen und können<br />

schlecht kanalisiert werden. Staus sind an der<br />

Tagesordnung. Längst haben die Wohnquartiere<br />

in Zürich <strong>Nord</strong> ihre Anziehungskraft auf<br />

«<strong>Stadt</strong>flüchtlinge» verloren. Ihre BewohnerInnen<br />

sehen sich mit dem Lärm und der Luftverschmutzung<br />

von drei Autobahnkreuzen, dem<br />

Flughafen Kloten und dem Militärflugplatz<br />

Dübendorfkonfrontiert. Zürich <strong>Nord</strong> ist «heute<br />

eine komplexe Anhäufung von Citysatelliten,<br />

Shopping Centers, alten und neuen Industriezonen,<br />

noch l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutztem,<br />

potentiellem Baul<strong>and</strong>, einem internationalen Flughafen,<br />

Einfamilienhaus-Siedlungen, historischen<br />

Dorfkernen, Blocksiedlungen und einigen Überresten<br />

von Naherholungszonen» (Hitz et aL, 1995).<br />

Der Grund für die Entstehung dieser Situation in<br />

Zürich <strong>Nord</strong> liegt in der schweizerischen Planungspolitik.<br />

Die vorh<strong>and</strong>enen Planungsinstrumente, wie<br />

etwa der kantonale Richtplan, reichten nicht aus,<br />

um eine überregionale Planung zu gewährleisten.<br />

Für Bauvorhaben wurden bis in die achtziger Jahre<br />

von' den Gemeinden viel Grünl<strong>and</strong> als Bauzone<br />

ausgeschieden. In den Gemeinden von Zürich <strong>Nord</strong><br />

sah man lange vor allem die Vorteile, die mit einer<br />

Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen verbunden<br />

waren. Mit tiefen Steuerfüssen versuchten<br />

die Gemeindebehörden ihre Gemeinde für Unternehmen<br />

möglichst attraktiv zu machen (Hitz et aL,<br />

1995), schliesslich versprach jeder neue Bürokomplex<br />

Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Für<br />

Neubauten bot sich meist die «grüne Wiese» an ­<br />

es entst<strong>and</strong>en die oben erwähnten Citysatelliten.<br />

Abb.4.2 Zürich <strong>Nord</strong> (Bild: Showdown in Züri-North, ous Hitz<br />

clol., 1995, S. 257).<br />

92<br />

UNS-Fallstudie '96


--------'--------_---'---' ~ ___' Der Fall<br />

4.3 Streit um die städtische Bau-und<br />

Ionenordnung (BIO)<br />

Produktionsauslagerungen und Umstrukturierungen<br />

in der Industrie führten <strong>im</strong> Laufe der achtziger Jahre<br />

dazu, dass nach und nach <strong>im</strong>mer mehr Industrieareale<br />

brach lagen. Für GrundeigentümerInnen mit<br />

L<strong>and</strong> in der Industriezone stellte sich die Frage, wie<br />

sich ihr Areal weiterhin gewinnbringend nutzen<br />

liesse. Die starke Nachfrage nach Raum für Dienstleistungsbetriebe<br />

schien die Antwort zu sein: Wo<br />

früher geschweisst wurde, sollten neu B.üros entstehen.<br />

Vor allem bürgerliche Kreise begannen sich<br />

Gedanken über eine vollständige Öffnung der Industriezonen<br />

für Dienstleistungsnutzung zu machen.<br />

In der Folge ging die <strong>Stadt</strong>regierung in zwei Vorschlägen<br />

zur BZO (Bau- und Zonenordnung) - seit<br />

1975 in Revision - auf.die Frage nach der zukünftige<br />

Nutzung von Industriearealen ein. Ein erster BZO­<br />

Entwurf vom bürgerlichen <strong>Stadt</strong>rat Thomas Wagner<br />

(<strong>Stadt</strong>präsident 1982-1990) sah eine Öffnung der<br />

Industriezonenvor, scheiterte aber. Ein zweiter Vorschlag<br />

von <strong>Stadt</strong>rätin Ursula Koch, Vorsteherin des<br />

Bauamtes 11 seit 1986, ging in eine <strong>and</strong>ere Richtung.<br />

In der von ihr ausgearbeiteten BZO blieb Industriezone<br />

zum grössten TeilIndustriezone. Abweichende<br />

Nutzungen wollte sie mittels Gestaltungsplänen<br />

und Sonderbauvorschriften ermöglichen. Mit dieser<br />

Regelung wollte Ursula Koch weitere unkpntrollierte<br />

Bautätigkeiten. verhindern. Gestaltungspläne<br />

und Sonderbauvorschriften müssen von den GrundbesitzerInnen<br />

mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung ausgeh<strong>and</strong>elt<br />

werden und unterliegen dem fakultativen Referendum.<br />

Sie ermöglichen der <strong>Stadt</strong> eine «Mehrwertabschöpfung».<br />

Dies bedeutet, dass GrundeigentümerInnen<br />

für den Gewinn, den' sie durch Umnutzung<br />

ihrer Industriefläche erzielen, best<strong>im</strong>mten Forderungen<br />

der <strong>Stadt</strong> nachkommen müssen. In einem<br />

Aush<strong>and</strong>lungsprozess zwischen GrundeigentümerInnen<br />

und <strong>Stadt</strong>behörde können städtische Anliegen,<br />

die der Allgemeinheit zu gute kommen, in das Bauvorhaben<br />

einfliessen.<br />

1992 wurde die städtische BZO zwar vom St<strong>im</strong>mvolkgutgeheissen,<br />

konnte jedoch aufgrund von über<br />

400 Rekursen nicht in Kraft gesetzt werden. Seit Juni<br />

1996 gilt in Zürich eine vom Kanton aufgezwungene<br />

Ersatz-BZO, die Dienstleistungsnutzungen in Industriezonen<br />

zulässt. Zum jetzigen Zeitpunkt interessiert das<br />

jedoch kaum jem<strong>and</strong>en: Im Kanton Zürich stehen<br />

rund 920'000 Quadratmeter Büroflächen leer!<br />

Der jahrelange Streit um die Industriegebiete<br />

in der BZO zeigt, dass die vorh<strong>and</strong>enen Planungsinstrumente<br />

für aktuelle Raumplanungsfragen ungeeignet<br />

sind. Die Trennungvon Wohn-, Industrie- und<br />

Dienstleistungszone erscheint nicht mehr zeitgernäss.<br />

Gefordert werden vermehrt Mischnutzungen,<br />

die eine lebendige Siedlungsentwicklung ermöglichen.<br />

Bei der Planung des Projektes <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong> (ZZN) versuchen die Grundeigentümerschaft<br />

und die <strong>Stadt</strong>j mittels Sonderhauvorschriften eine<br />

solche Entwicklung in die Wege zu leiten.<br />

Abb. 4.3.1 Ein organisch gewachsenes <strong>Stadt</strong>quartier in Amsterdam. Mit der Hilfe von Gestaltungsplänen undSonderlJauvorschriften<br />

werden in Zürich neue <strong>Stadt</strong>quartiere geplant (Bild: Francesco Lo Verdi).<br />

UNS-Fallstudie '96 93


Der Fall<br />

~_,____--------------------<br />

S. Von der «Chance" zum<br />

«<strong>Zentrum</strong>"<br />

Als in den achtziger Jahren die Diskussion um die<br />

Industriezonen voll <strong>im</strong> Gange war, begann man sich<br />

über eine zukünftige Nutzung des. Industrieareals<br />

.hinter dem Bahnhof Oerlikoh Gedanken zu machen.<br />

Es war abzusehen, dass in Zukunft ein grosser<br />

Teil der Produktionsgebäude der beiden Grosskonzerne<br />

Oerlikon Bührle Holding AG (nachfolgend Oerlikon<br />

Bührle) und Asea Brown Bowen AG (nachfolgend<br />

ABB) leer stehen würden. Es lag <strong>im</strong> Interesse der<br />

beiden Firmen, die freiwerdende Fläche umzunutzen.<br />

Da der Grundbesitz von ABB und Oerlikon<br />

Biihrle kein einheitliches Gebiet ausmacht, mussten<br />

einige kleine GrundeigentümerInnen miteinbezogen<br />

werden. Auf Initiative der Oerlikon Bührle<br />

schlossen deshalb diese, dieABB sowie die Accu AG,<br />

die Marti AG, die Lamprecht AG und die Xamax AG<br />

1988unter sich und mit den SBB einen Planungsvertrag<br />

ab..Dies geschah in der Absicht, neue Nutzungsmäglichkeiten,<br />

das heisst Dienstleistungs- und<br />

, Wohngebäude, für das Industrieareal zu planen.<br />

Um in der Industriezone Dienstleistungs- und<br />

Wohnbauten zu erstellen, müssen die GrundeigentümerInnen<br />

entweder eine Umzonung beantragen<br />

oder Sonderbauvorschriften mit der <strong>Stadt</strong> aush<strong>and</strong>eln;<br />

Die VertragspartnerInnen entschlossen sich für<br />

den Weg über die Sonderbauvorschriften. Bei deren<br />

Aush<strong>and</strong>lung können sowohl die <strong>Stadt</strong> als auch die<br />

Grundeigent'ümerschaft ihre Bedürfnisse auf best<strong>im</strong>mten<br />

Baufeldern einfliessen lassen. Ausserdem<br />

sind die Sonderbauvorschriften von der Bau- und<br />

Zonenordnung unabhängig; das Planungsvorhaben<br />

blieb folglich von den Wirren um die Zürcher BZO<br />

verschont.<br />

5.1 Chance Oerlikon 2011<br />

Das Oerlikoner Industrieareal umfasst ein Gebiet<br />

von 62 Hektaren, ist also flächenmässigetwa so gross<br />

wie die Zürcher City vom Hauptbahnhof bis zum<br />

Bellevue. Es geht somit darum, einen neuen <strong>Stadt</strong>teil<br />

zu planen! Den Auftrag dazu erhielt der Architektund<br />

Raumplaner Ue/i Roth. Im Januar 1989<br />

präsentierten die GrundeigentümerInnen·der <strong>Stadt</strong><br />

unter dem klangvollen Namen «Chance Oerlikon<br />

201l» ein erstes Konzept. Das Konzept sah einen<br />

Rückzug der verbleibenden Industrie in die nordwestliche<br />

Ecke des Gebietes vor. In der Nähe des<br />

Abq. 5.1 Das Planungsgebiet nördlich des Bahnhofs Oerlikon (Bild: Michael Meier).<br />

94 UNS-Fallstudie '96


________.:..-<br />

----'Der Fall<br />

Bahnhofs sollten Dienstleistungsbetriebe und· <strong>im</strong><br />

Zwischenbereich Mischzonen mit Wohn- und Gewerbenutzungen<br />

entstehen. Noch <strong>im</strong> seIben Jahr<br />

antwortete die <strong>Stadt</strong> auf das Konzept «Chance Oerlikon<br />

2011» mit einem Strukturkonzept. Dieses sah<br />

für je einen Viertel der Arealfläche Dienstleistungsund<br />

Wohnzonen vor, die restlichen 50% sollten in der<br />

Industrie- und Gewerbezone bleiben.<br />

Ende der achtziger Jahre war der Boom <strong>im</strong> Dienstieistungsbereich<br />

noch in vollem Gange. An einer<br />

möglichst gewinnbringenden Nutzung interessiert,<br />

wünschte sich die Grundeigentümerschaft einen<br />

hohen Anteil an Dienstleistungszonen. Eine nur<br />

fünfzigprozentige Öffnung der Industriezone erachtete<br />

sie als völlig ungenügend und verlangte einen<br />

Dienstleistungsanteil an der BruttogeSChossfläche<br />

von 60% und nur einen Sechstel für Wohnbauten.<br />

Ein zähes Ringen um Ausnützung und Brutto":<br />

geschossflächen begann. Endlich, <strong>im</strong> Oktober 1990,<br />

wurden sich die beiden Parteien einig. Gemäss dem<br />

bereinigten Strukturkonzept sollte in dem neuen<br />

<strong>Stadt</strong>teil Platz für 5000 EinwohnerInnen sowie rund<br />

12'000 Arbeitsplätze entstehen (die Sonderbauvorschriften<br />

1996 sehen einen Wohnanteil von 29% und<br />

einen Dienstleistungsanteil von 37% bei insgesamt<br />

840'000 Quadratmeter Bruttogesc~ossflächevor).<br />

5.2 Ideen für einen nellen <strong>Stadt</strong>teil<br />

Über die Struktur des künftigen <strong>Stadt</strong>teils war man<br />

.sich nun also einig. Doch wie sollte das neue Quartier<br />

aussehen? Manhattan oder Gartenstadt, Montmartre<br />

oder Quartier Latin?Ideen für ein Entwicklungsleitbild<br />

waren gesucht. Auf Anregung der stadträtlichen<br />

Delegation schrieben die <strong>Stadt</strong>, die Grundeigentümerschaft<br />

«Chance Oerlikon 2011» und die SEE<br />

<strong>im</strong> Februar 1991 einen städtebaulichen Ideenwettbewerb<br />

aus. Ziel des Wettbewerbes sei «die Erlangung<br />

eineS Gesamtkonzeptes, das Aussagen liefert<br />

zur Gestaltungvon Baustruktur und Freiräumen, zur<br />

Nutzung der weiter verwendbaren, bestehenden<br />

sowie der vorzuschlagenden, neuen Bausubstanz,<br />

zur Verkehrserschliessung und zu den in dieser<br />

Stufe relevanten Umweltaspekten», so der Wortlaut<br />

der Wettbewerbsausschreibung (<strong>Stadt</strong> Zürich et al.,<br />

1991).<br />

Annähernd 40 Architektenteams beteiligten sich<br />

an dem Wettbewerb. Knapp ein Jahr nach der<br />

Lancierung wurden die eingegangenen Vorschläge<br />

beurteilt. Doch zu einer endgültigen Entscheidung<br />

kam es erst <strong>im</strong> Oktober 1992, nachdem die vier<br />

bestklassierten Projekte noch einmal überarbeitet<br />

wordenwaren. Die Jury war sich einig: Der weiteren<br />

Planung wurde das Projekt «HaI» des Architektenteams<br />

Ruoss/Siress/Schrader zugrunde gelegt. Ent-<br />

scheidender Pluspunkt des Siegerprojektes war die<br />

Verflechtung von Bestehendem und Neuem und die<br />

Respektierung des vorh<strong>and</strong>enen Gebäude- und<br />

Erschliessungsrasters. Dadurch wurde eine Realisierung.des<br />

Projektes in beliebigen Etappen ermöglicht.<br />

Das Siegerteam wurde mit der Weiterbearbeitung<br />

seines Projektes zu einem Entwicklungsleitbild<br />

beauftragt.<br />

5.3 Das Leitbild<br />

In räumlicher Konkretisierung des «Strukturkonzeptes»<br />

von «Chance Oerlikon 201l» entst<strong>and</strong> aufgrund<br />

des Wettbewerbsergebnisses das Entwicklungsleitbild<br />

für das Projekt «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (ZZN;<br />

Ruoss & Siress, 1994). Es diente als Grundlage für<br />

die weiteren Schritte und Entscheide wie Sonderbauvorschriften<br />

oder L<strong>and</strong>abtretungen. Im September<br />

1994 stellten die Grundeigentümerschaft, die<br />

<strong>Stadt</strong> und die SEE das Leitbild für ihr gemeinschaftliches<br />

Planungsvorhaben der Öffentlichkeit vor.<br />

Das Leitbild ist in sechs Teile gegliedert:<br />

1. Nutzungskonzept<br />

2. Bebauungskonzept<br />

3. Freiraumkonzept<br />

4. Verkehrskonzept<br />

5. Ver- und Entsorgung<br />

6. Etappierung<br />

Mit den verschiedenen Konzepten des Leitbildes<br />

verfolgen die PlanerInnen <strong>im</strong> wesentlichen ein<br />

Hauptziel: Die Entstehung eines lebendigen neuen<br />

und integrierten <strong>Stadt</strong>teils. Im ZZN sollen sowohl<br />

Industrie und Dienstleistungsbetriebe als auch die<br />

Wohnbevölkerung möglichst ideale Verhältnisse<br />

vorfinden. Das Leitbild sieht daher eine Durchmischung<br />

von Arbeit, Kultur und Wohnen sowie<br />

Teilgebiete mit vorwiegend industrieller Nutzung<br />

vor. Flächige, lineare und punktförmige Frei- und<br />

Grünraumelemente sollen zur Wohnlichkeit beitragen.<br />

Eine weitere Steigerung der ökologischen und<br />

städtebaulichen Qualität versprechen sich die PlanerInnen<br />

vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs und<br />

der Stabilisierung des motorisierten Individualverkehrs<br />

auf dem heutigen St<strong>and</strong>. Ausserdem sieht das<br />

Leitbild eine Opt<strong>im</strong>ierung der Bauten und Anlagen /<br />

in bezug auf den ökologischen Ausgleich und den<br />

Ausbau des Fernwärme-Versorgungsnetzes vor. .<br />

Ein wichtiger Aspekt innerhalb des Teils


Der Fall.<br />

_<br />

Abb. 5.3 Dos Bebouungskonzept des ZZN.<br />

Kosten 5.3 Zonenuntetteilung des Bebouungskonzepts.<br />

96 UNS-Fallstudie '96


____________________~<br />

bereits erwähnt - die verschiedensten Industriebetriebe<br />

aufdem Planungsgebiet produziert. Da sich<br />

bis in jüngster Zeit niem<strong>and</strong> Gedanken um eine<br />

umweltgerechte Entsorgung von Abfällen oder das<br />

Vermeiden von kleineren Unfällen machte, finden<br />

sich auf dem Gebiet heute Verunreinigungen der<br />

Bausubstanz, des Untergrundes und des Grundwassers.<br />

Der Umgang mit dieser Problematik ist für<br />

den Planungsablauf relativ wichtig, dennoch wurde<br />

<strong>im</strong> Entwicklungsleitbild lediglich auf die Existenz<br />

von Altlasten hingewiesen.<br />

Aufgrund des Leitbildes erarbeiteten die <strong>Stadt</strong><br />

und die Grundeigentümerschaft die Sonderbauvorschriften.<br />

Diese ersetzen für das Planungsgebiet die<br />

. Bau- und Zonenordnung der <strong>Stadt</strong> Zürich. Was die<br />

Sonderbauvorschriften für die fünf Teilgebiete des<br />

ZZN festhalten, ist Gesetz! Es ist daher kaum<br />

verwunderlich, dass es um manchen Artikel zwischen<br />

<strong>Stadt</strong>behörden, kantonaler Genehmigungsinstanz<br />

und Grundeigentümerlnnen einschliesslich der SBB<br />

intensive Diskussionen gab. Sowohl die <strong>Stadt</strong> als<br />

auch die GrundeigentümerInnen versuchten auf<br />

jedem einzelnen Baufeld möglichst ihre Interessen<br />

durchzusetzen. Daher dauerte es, nachdem ein erster<br />

Entwurfder Sonderbauvorschriften bereits <strong>im</strong> Januar<br />

1995 ein erstes Mal öffentlich aufgelegen hatte, noch<br />

mehr als ein Jahr, bis eine Einigung in Sicht war.<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt stehen die Zeichen gut: Die<br />

Sonderbauvorschriften sollen 1997·in Kraft treten.<br />

Das Entwicklungsleitbild findet in Form von zehn<br />

Anhang-Plänen zu den Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong><br />

Zürich, 1994) Eingang in das Planungswerk..<br />

6. zürifüfzg! und die Zukunft<br />

Der Fall<br />

Ein Projekt vom Ausrnass des ZZN hat Auswirkungen<br />

auf die' ganze Region. Besonders betroffen ist<br />

natürlich die Bevölkerung in Zürich <strong>Nord</strong>, die in<br />

Zukunft mit einem neuen <strong>Stadt</strong>teil leben wird. Ja<br />

mehr noch: Wenn es nach dem Willen der PlanerInnen<br />

ginge, sollten die BewohnerInnen von Zürich<br />

<strong>Nord</strong> das neue Quartier als zweites <strong>Stadt</strong>zentrum<br />

akzeptieren!<br />

Die sparsame Informationspolitik rund um das geplante<br />

Grossprojekt ist deshalb wenig verständlich.<br />

Zwar f<strong>and</strong> <strong>im</strong> Mai 1991 eine Medienorientierung<br />

seitens der Grundeigentümerschaft, der <strong>Stadt</strong> und<br />

den SBB statt, die gesamte Planung verlief jedoch<br />

ohne Mitbest<strong>im</strong>mung derÖffentlichkeit. Erste Kontaktaufnahmen<br />

einer Gruppe von interessierten<br />

AnwohnerInnen, die an der Entstehung eines breit<br />

abgestützten Leitbildes mitarbeiten wollten, wurde<br />

1992von der <strong>Stadt</strong> abgeblockt (Waser, 1994). Die<br />

Verh<strong>and</strong>lungen seien zu heikel, als dass man die<br />

Öffentlichkeit mit einbeziehen könne, hiess es vom<br />

BauamtII. Dies führte 1993 zur Gründung des vereins<br />

zürifüfzg!.<br />

Neue Ideen willkommen<br />

In zanlreichen öffentlichen Sta.dtwerkstätten erarbeitete<br />

der verein zürifüfzg! zusammen mit interessierten<br />

Kreisen ein eigenes Leitbild und stellte es <strong>im</strong> April<br />

1994, vier Monate vor dem offiziellen Entwicklungsleitbild,<br />

vor. Die Mitglieder von zürifüfzg! versuchten<br />

den Behörden und der Grundeigentümerschaft klar<br />

zumachen, dass sie das Projekt ZZN keinesfalls<br />

ablehnen. Es schien ihnen jedoch äusserst wichtig,<br />

dass auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingegangen<br />

werde.<br />

Inzwischen klappt die Zusammenarbeit zwischen<br />

,dem Verein und den Planungsverantwortlichen recht<br />

gut. Vor allem die ABB - Grundeigentümerin des<br />

grössten Gebietes auf dem zukünftigen ZZN - zeigt<br />

sich sehr interessiert an den Ideen des Vereins. Um<br />

in der heutigen Konjunktur,lage zu bestehen, muss<br />

ein Umnutzungsprojekt von dieser Grösse Vorteile<br />

gegenüber <strong>and</strong>eren Projekten aufweisen. Unter<br />

diesen Voraussetzungen sind nichtalltägliche Vorschläge,<br />

die die Attraktivität des St<strong>and</strong>ortes erhöhen<br />

könnten, äusserst willkommen. Man bedenke, dass<br />

die Investorlnnen für das Projekt den GrundeigentümerInnen<br />

in der -heutigen Wirtschaftslage die<br />

Türen nicht gerade einrennen!<br />

Eine neue Perspektive für den geplanten <strong>Stadt</strong>teil<br />

ergibt sich unter Einbezug der Umweltpolitik der<br />

ABB. Die ABB n<strong>im</strong>mt auf Konzernebene ihre<br />

Umweltverantwortlichkeit wahr. Ihre Umweltpolitik<br />

steht unter dem «Leitstern" der «Ökoeffizienz»,<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

97


Der Fall -:--:-- ----,. --,- _<br />

unmissverständlich vorgetragen vom Konzernchef<br />

Percy Barnevik (1995):<br />

«Conditions for a sustainable development in<br />

the world are ecoefficient~national, regional <strong>and</strong><br />

. global policies <strong>and</strong> setting the stage for an ecoefficient<br />

infrastructure. We musthave ecoefficient<br />

industries <strong>and</strong> adapt ecoefficientindividual<br />

lifestyles.,><br />

Die «ökoeffizieilte" Umweltpolitik der ABB findet<br />

ihren Ausdruck <strong>im</strong> Environmental management<br />

report (ABB, 1995) derABB und dem Umweltbericht<br />

der ABB Schweiz (ABB, 1996). Die Geschäftsleitung<br />

der ABB Immobilien AG - Bauherrentreuhänderin <strong>im</strong><br />

ZZN - hat am 10.9.1996 entschieden, ein Umweltmanagement<br />

einzuführen.<br />

Eine ökologische Umnutzung des ZZN-Areals ist<br />

auch <strong>im</strong> Sinne der lokalenAgenda 21 (<strong>Stadt</strong> Zürich,<br />

1995), welche in Anlehnung an die UN-Konferenz<br />

über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro<br />

(UNCED, 1992) von der <strong>Stadt</strong> ausgearbeitet wurde.<br />

Darin ist speziell ein Abschnitt über die Umnutzung<br />

von Industrfearealen enthalten:<br />

«Inthe course ofthe change in business structure<br />

large areas of industrial l<strong>and</strong> are becoming available<br />

for reuse. For <strong>im</strong>portantareas special use<br />

plans havealready been passed, which also take<br />

accOunt of ecological requirements through better<br />

mixed use with a considerable proportion of<br />

accommodation,more green areas, l<strong>im</strong>ited parking<br />

spaces <strong>and</strong> the provision of bicycle st<strong>and</strong>s<br />

etc... The costs of c1eaning up old industrial<br />

waste playa large part in this; in old industrial<br />

areas they are high<strong>and</strong> lie in the rangeof the<br />

price of l<strong>and</strong> in the affected areas.»<br />

(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1995, S. 10).<br />

Alles in allem hat das ZZN gute Karten. Die St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

könnten besser fast nicht sein, und das<br />

Konzept der «wirtschaftiichen Ökostadt», das von<br />

der ABB proklamiert wird, könnte die ökonomische<br />

Attraktivität des St<strong>and</strong>or.tes noch steigern. Auch die<br />

St<strong>im</strong>men aus Raumplanerkreisen sind durch~egs<br />

positiv. So ist etwa die Art der Projektierung ­<br />

nämlich eine partnerschaftliche Planung zwischen<br />

<strong>Stadt</strong>behörden und Grundeigentümerschaft - bis<br />

anhin relativ selten in der Schweizer Raumplanung<br />

anzutreffen. Zusammen mit den Anregungen aus<br />

der Bevölkerung könnte in Oerlikon tatsächlich ein<br />

vielseitiger neuer <strong>Stadt</strong>teil entstehen.<br />

Literatur<br />

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Schweden: ABB Environmental Affairs.<br />

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Basel/Berlin: F. Reinhardt Verlag.<br />

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von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat 1780-1870.In<br />

Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 3 (So 20-157), Zürich: Werd<br />

Verlag. .<br />

Geschichte des Kantons Zürich (GKtZH), Bd. 3 (1994). Zürich:<br />

Werd Verlag.<br />

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R. (Hrsg.). (1995). Capitales Fatales - Urbanisierung und Politik in<br />

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IIIi, M. (990). Das Oberhauserriet - Die Geschichte einer L<strong>and</strong>schaft.<br />

In Separatdruck aus dem Zürcher Taschenbuch aufdas Jahr<br />

1990., Zürich: Orell Füssli.<br />

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Baden: ABB Immobilien AG.<br />

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Zürich: <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich (1994). Sonderbauvorschriften für das Gebiet <strong>Zentrum</strong><br />

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Protection Unit. .<br />

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Wolfensberger, G. & Stahel, U. (1994). Industriebild. Der Wirtschaftsraum<br />

Ostschweiz in Fotografien von 1870 bis heute. Zürich:<br />

Werd Verlag.<br />

98<br />

UNS-Fallstudie '96


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Inhalt<br />

1. Gegenst<strong>and</strong> und Fragestellung 101<br />

I<br />

2. Vorgehen und Methoden 104<br />

3. Analyse Ist·Zust<strong>and</strong> 107 I I<br />

4. Szenarien und zukünftige<br />

Entwicklungen 118<br />

5. Thesen 131<br />

I<br />

AutorInnen<br />

Bettina Baumgartner<br />

Monika Kurath<br />

Johannes Ranke<br />

MichaelStauffacher (Tutor)<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgl1lppe (Synthesegl1lppe STADTENTWICKLUNG)<br />

Bettina Baumgartner Rebekka Herzog Johannes Ranke Catherine Wyler<br />

Martin Binder Rol<strong>and</strong> Hüsler Franziska Ricklin Andreas Berwert (Tutor)<br />

Heinrich Dohna Kajsa Knecht Brigitte Schubnell Angelus Eisinger (Tutor)<br />

Andreina Gerster Monika Kurath Thomas Schwab Thomas Hulliger (Tutor)<br />

Nicole Gysin Michael Lehmann Manfred Sennhauser Christian Schmid(Tutor)<br />

Catherine Heinzer Yvan. Maillard Andi Wolfensberger Michael Stauffacher (Tutor)


<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ _<br />

100 UNS-Fallstudie '96


___~ ~~ <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

um 1850<br />

.um 1900<br />

um 1940<br />

1. Gegenst<strong>and</strong> allid fragestellung<br />

1.1 Ein <strong>Stadt</strong>teil eigener Prägung und<br />

mit gemischter Nutzung<br />

Das «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» stellt zur .Zeit «das<br />

grösste <strong>Stadt</strong>entwicklungsvorhaben der Schweiz»<br />

dar (Roth, 1994). Dieser neue <strong>Stadt</strong>teil liegt an<br />

einer städtebaulichen ScharniersteIle von Zijrich<br />

<strong>Nord</strong>, der <strong>Stadt</strong><strong>im</strong>Glattal, die sich aus nördlichen<br />

Quartieren der <strong>Stadt</strong> Zürich und der Planungsregion<br />

Glattal zusammensetzt und rund 195'000<br />

EinwohnerInnen sowie 106'000 Arbeitsplätze<br />

zählt (Hitz et al., 1995). Um einer weiteren Zersiedlung<br />

des Siedlungsraums Zürich <strong>Nord</strong> entlang der<br />

Glatt entgegenzuwirken (Willi, 1992), bestehen von<br />

verschiedenen Seiten Bestrebungen in Richtung<br />

einer städtebaulichen Verdichtung. Die freiwerdenden<br />

Industrieareale bieten an besterschlossener<br />

Lage Raum, um die Verdichtungsabsichten<br />

umzusetzen. Eine «Public-Private-Partnership»<br />

zwischen <strong>Stadt</strong>verwaltung und GrundeigentümerInnen<br />

lieferte den Rahmen, um Sonderbau-<br />

<strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong><br />

Bauliche Nutzung<br />

Per<strong>im</strong>eter UNS-Fallstudie<br />

l<br />

I<br />

I<br />

o<br />

um 1990<br />

B<br />

BB<br />

rmP.<br />

ruz.J<br />

~<br />

• mr:J<br />

L2J<br />

Bahnlinie<br />

Gewässer<br />

Wohnbebauung<br />

Industrie- und<br />

Gewerbebebauung<br />

Bebauung mit<br />

Dienstleistungs- und<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

Grün- und Freifläche<br />

(Waldgrenze gepunktet)<br />

Abb. 1.1 <strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong>: Entwicklung der baulichen Nutzung in den letzten 150 Jahren (aus: Rein/ried. & R<strong>im</strong>atM, 1995).<br />

um 1970<br />

Gebietsgrenze<br />

Strasse<br />

UNS-Fallstudie '96 101


<strong>Stadt</strong>entwicklung ---'- ~ _:... _<br />

vorschriften inkl. Leitbild zu entwickeln. Aufgebaut<br />

wurde dabei auf dem städtebaulichen Ideenwettbewerb<br />

von 1992.<br />

Betrachtet' man die Zielvorstellungen genauer,<br />

die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vom September 1994<br />

für das ZZN (Ruoss & Siress, 1994) festgelegt worden<br />

sind, so kommen hier über das reine «Verdichten»<br />

hinausgehende Vorstellungen hinzu: Neben dem<br />

Raum für die Neuorganisation der zukunftsorientierten<br />

Industriebetriebe soll Platz für eine urbane Nutzungsdurchmischung<br />

entstehen, die von der starken räumlichen<br />

Trennung von Wohnen und Arbeiten der Städteplanung<br />

aus der Zeit der Industrialisierung Abschied n<strong>im</strong>mt. Auch<br />

Dienstleistungen mit intensivem· Kundenkontakt<br />

sowie öffentliche Einrichtungen sollen ihren Platz<br />

finden (Ruoss & Siress, 1994).<br />

Der Name «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>», der dem Pro-<br />

'jekt 1995 verliehen wurde, drückt den folgenden<br />

Anspruch aus, der vermutlich durch die unmittelbare<br />

Nachbarschaft zum Bahnhof Oerlikon und damit<br />

an die City von Zürich und den Flughafen Zürich<br />

Kloten ins Gespräch gekommen ist:. die Bildung eines<br />

neuen urbanen <strong>Zentrum</strong>s mit übergreifender Funktion für<br />

das Gebiet Zürich <strong>Nord</strong>.<br />

1.2 Möglichkeiten und Grenzen einer .<br />

nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Um dieser Problemstellung gerecht zu werden, wurden<br />

inden Teilprojekten (vgl. Kap. ORGANISATION)<br />

verschiedene Arbeitsbereiche herausgearbeitet.<br />

Durch eine Aufarbeitung des Planungsprozesses<br />

wurden Stärken und Schwächen des bisherigen<br />

Vorgehens geklärt. Die Erhebung des Informationss~<strong>and</strong>s,<br />

der Bedürfnisse und der Interessen der<br />

Bevölkerung sowie der sozialen Struktur in den<br />

angrenzenden Quartieren und Gemeinden diente<br />

zur Klärung der Einbettung des Projektes ZZN in<br />

das soziale Umfeld. Die Untersuchung der St<strong>and</strong>ortqualität<br />

des ZZN, verbunden mit dner Abschätzung<br />

Ist-Analyse<br />

Planungsprozess<br />

Soziales Umfeld<br />

St<strong>and</strong>ortqualität<br />

Abschätzung der<br />

zukünftigen Entwicklung<br />

Abb. 1.2 SynthesegroppeSTADTEN1WICKLUNG <strong>im</strong> Überblick.<br />

der bestehenden sowie der potentiellen Nachfrage<br />

von Investorlnnen und NutzerInnen, ermöglicht<br />

erste Aussagen zur Realisierungschance aus wirtschaftlicher<br />

Sicht.<br />

Parallel dazu wurde untersucht, wie eine Überprüfung<br />

des ZZN aufNachhaltigkeit erreicht werden<br />

könnte. Ausblicke in die Zukunft wurden schliesslieh<br />

einerseits durch die Entwicklung von Vorstellungen<br />

über mögliche Rahmenbedingungen <strong>im</strong><br />

Grossraum Zürich <strong>im</strong> Jahr 2011 ermöglicht. Andererseits<br />

wurden in einem Syntheseprozess «ZZN-Ent-<br />

,wicklungsvarianten» entwickelt, wozu die Ergebnisse<br />

der verschiedenen Teilprojekte zum Entwurf<br />

konkreter Bilder von Zukunftsmöglichkeiten des<br />

Projektes «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» verwendet wurden.<br />

Dadurch sollten die mittelfristigen Chancen<br />

und Risiken für das ZZN beurteilt werden.<br />

Die Fragen, die die Synthesegruppe STADT­<br />

ENTWICKLUNG bearbeitete, können auf zwei verschiedenen<br />

Ebenen angesiedelt werden (vgl. Abb. 1.2):<br />

• Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>s in den für die Realisierung<br />

wichtigen Bereichen<br />

• Erarbeiten von Vorstellungen über zukünftige<br />

Entwicklungen<br />

'Die angeführten Ebenen wurden in verschiedenen<br />

Teilprojekten unterschiedlich stark gewichtet und<br />

in h<strong>and</strong>habbare Teilbereiche aufgeteilt.<br />

Die vorliegende Studie hatte ZlJm Ziel, in einer Art<br />

Pilotprojekt aufzuzeigen, wie ein solch komplexes<br />

Thema angepackt werden kann und welche Art von<br />

Resultaten erwartet werden können. Die erzielten<br />

Ergebnisse müssen dabei <strong>im</strong>mer vor dem Hintergrund<br />

der beschränkt zur Verfügung stehenden<br />

Ressourcen (Zeit und sozialwissenschaftlich wenig<br />

erfahrene Studierende).gesehen werdep.<br />

1.2.1 Plllnungsprozess<br />

Der Planungsprozess für das grösste innerstädtische<br />

Industrieareal-Umnutzungsvorhaben der Schweiz<br />

(für eine gute Übersicht über weitere Vorhaben und<br />

Projekte in der Schweiz vgl. Hochparterre/Cash,<br />

1996) begann 1988 durch die Zusammenarbeit der<br />

GrundeigentümerInnen unter dem Namen «Chance<br />

Oerlikon 201 h. Im gleichen Jahr wurde in Zusammenarbeit<br />

mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung von Zürich<br />

die Planung vorangetrieben, welche zu den heute<br />

kurz vor der Inkraftsetzung stehenden Sonderbauvorschriften<br />

geführt hat. Da <strong>im</strong> Frühling 1996 die<br />

Verh<strong>and</strong>lungen zwischen <strong>Stadt</strong> und Grundeigentümerlnnen'sowie<br />

diejenigen innerhalb der Gruppe<br />

der GrundeigentümerInnen über die L<strong>and</strong>umlegung<br />

noch nicht abgeschlossen waren, informierte sich die<br />

Teilprojektgruppe PLANUNG über den momentanen<br />

St<strong>and</strong> der noch laufenden Planung (vgl. Kap. DER<br />

FALL).<br />

l<br />

102 UNS-Fallstudie '96


-------------~---------- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Im Artikel «Das Ganze ist ein Fragment» (Loderer,<br />

1992) wird das Projekt mit einigen Vorbehalten betrachtet.<br />

Der Autor führt aus, dass die Grundeigentümerlnnen<br />

und die <strong>Stadt</strong> sich mit dem Ziel der<br />

Erlangung eines Gesamtkonzeptes für das Gebiet<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> eine fast unlösbare Aufgabe<br />

gestellt hätten. Seiner Meinung nach könne ein Endzust<strong>and</strong><br />

eines solchen Vorhabens nicht vorausbest<strong>im</strong>mt<br />

werden. Mit einem Projekt sei dem Problem<br />

nicht beizukommen. Nie werde ein Endzust<strong>and</strong> erreicht<br />

werden, von dem die Planer stolz behaupten<br />

dürften: Jetzt sei alles fertig.<br />

Aufgrund dieser These beschäftigte sich die Gruppe<br />

PLANUNG unter dem Stichwort «Von der Planung<br />

zurRealisierung» mit den Möglichkeiten und Chancen<br />

der Entstehung des geplanten <strong>Stadt</strong>teils.<br />

1.2.2 Das soziale Umfeld<br />

Zur nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung gehören einerseits<br />

der schonende Umgang mit knappen Ressourcen<br />

wie· Boden, Wasser, Luft, Energieträgern und<br />

Baustoffen, aber auch die Berücksichtigung der<br />

Bedürfnisse der Menschen. Diese Bedürfnisse bilden<br />

u.a. die soziale Nachhaltigkeit, die Best<strong>and</strong>teil einer<br />

soll, die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste, die<br />

das ZZN bei den AnwohnerInnen auslöst, müssen<br />

schon bei der Planung berücksichtigt werden.<br />

1.2.3 St<strong>and</strong>ortqllalitiit<br />

Aus ökonomischer Perspektive müssen die Rahmenbedingungen<br />

für eine Nutzung <strong>im</strong> ZZN charakterisiert<br />

und untersucht werden. Zudem muss abgeklärt<br />

werden, wie attraktiv der St<strong>and</strong>ort für künftige<br />

NutzerInnen und Investorlnnen ist.<br />

Einerseits galt es, die aktuelle und zukünftige<br />

Nachfrage nach Nutzfläche sowie die Investitionsbereitschaft<br />

auf dem Immobilienmarkt zu erheben,<br />

<strong>and</strong>ererseits war es wichtig, in Zeiten verschärfter<br />

St<strong>and</strong>ortkonkurrenz . die spezifischen Vor- und Nach-<br />

.<br />

teile des ZZN gegenüber Konkurrenzarealen herauszuschälen.<br />

Schwerpunkt der Betrachtungen bildete .<br />

dabei der Grossraum Zürich (für internationale<br />

St<strong>and</strong>ortkonkurrenz vgl. z.B. Rossi, 1995).<br />

Da für $t<strong>and</strong>ortentscheide die Bedeutung weicher<br />

St<strong>and</strong>ortfaktoren zun<strong>im</strong>mt (Grabow et al.,1994), war<br />

deren Qualität <strong>im</strong> ZZN festzustellen, insbesondere<br />

auch um abzuschätzen, ob die angestrebte <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

mit belebter Mischnutzung angemessen<br />

und realisierbar ist.<br />

.<br />

,I<br />

l<br />

jeden Planung sein sollte (vgl. Arend, 1993). So<br />

bringt z.B. eine hohe Frequenz des Mieterwechsels<br />

grosse Mengen an Gütertransporten mit sich; Mit<br />

einer kurzen Verweilzeit der Menschen sinkt auch<br />

die soziale Kontrolle sowie die für einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit der Umgebung notwendige<br />

Verbundenheit.<br />

Im ZZN wohnt heute noch niem<strong>and</strong>, es fehlt also<br />

eine ansässige Quartierbevölkerung, die ihre Anliegen<br />

in die Planung einbringen könnte. Das ZZN<br />

entsteht aber auch nicht auf einer Insel, sondern in<br />

einem bereits vielfältigen, lebendigen Umfeld. Es<br />

soll sich in dieses einpassen, mit diesem «kommunizieren».<br />

Das ZZN ist vom Umfeld abhängig und übt<br />

seinerseits einen grossen Einfluss auf dieses aus. Die<br />

sozialen Strukturen, in.die sich das ZZN einpassen<br />

1.2.4 Nachhaltigkeirsindikatoren<br />

Angeregt durch die Arbeit des <strong>ETH</strong>-Wohnforums,<br />

das sich seit einiger Zeit mit dem Problem der<br />

Operationalisierung von Nachhaltigkeit ausein<strong>and</strong>ersetzt<br />

(Henz, 1996), setzte sich die Teilprojektgruppe<br />

Nachhaltigkeitsindikatoren zum Ziel, ein<br />

Instrumentarium bereitzustellen, mit dem die Entwicklung<br />

<strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>teil ZZN vom St<strong>and</strong>punkt des<br />

Nachhal~igkeitsprinzipsaus überprüft werden kann.<br />

Dabei st<strong>and</strong> das Teilprojekt vor dem Problem, Nachhaltigkeit<br />

als dynamisches Problem der «Aufrechterhaltbarkeit»<br />

(vgl. Scholz etal., 1996), mit Indikatoren<br />

aus einer statischen Sicht zu bearbeiten..<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

103


<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ __:_---'---------_---~--<br />

1.2.5 Zukunfrsperspektiven 2. Vorgehen und Methoden<br />

Städte sind dynamische Systeme. Bei der Planung<br />

von Städten und <strong>Stadt</strong>teilen ist es deshalb wichtig,<br />

dass den dynamischen und exogenen Aspekten Rechnung<br />

getragen wird, d.h. man sollte sich eine Vorstellung<br />

darüber machen, wie sich ein betrachtetes<br />

System in seinem Umfeld entwickeln könnte.<br />

Ein Blick in die Zukunft ist auch bei der UNS­<br />

Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» angebracht.<br />

Allerdings macht es wenig Sinn, den geplanten<br />

<strong>Stadt</strong>teil isoliert zu betrachten: es muss der Grossraum<br />

Zürich beachtet werden, dessen Entwicklung<br />

jene des ZZN massgeblich beeinflusst.<br />

1.2.6 Entwicklungsvarianten ZZN<br />

Um die mittelfristigen Entwicklungen des ZZN<br />

abschät~en zu können, mussten zusätzlich konkrete<br />

Vorstellungen erarbeitet werden, wie das Areal in<br />

15 Jahren aussehen könnte, welche Tendenzen<br />

gemäss oder entgegen den Zielen des Leitbildes<br />

<strong>im</strong> ZZN ihre Auswirkungen zeitigen können. Weder<br />

für .die Frage nach einer nachhaltigep Entwicklung<br />

noch für die Beurteilung einer zukünftigen <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

des ZZN war die von Entwicklungsleitbild<br />

und Sonderbauvorschriften sowie von den<br />

ModeIIbildern der verschiedenen Realisierungsetappen<br />

genährte Vorstellung detailliert genug.<br />

Verschiedene Wunschvorstellungen und Befürchtungen<br />

über die Zukunft des ZZN wurden aufgegriffen:<br />

von den ansässigen Firmen, der <strong>Stadt</strong>verwaltung,<br />

dem Sozialdepartement, dem Verein zürijüjzg!<br />

und den Teilprojekten. Die Chancen für die Realisierung<br />

des EntwicklungsIeitbildes sollten ebenso<br />

wie dessen Schwachstellen sichtbar gemacht werden.<br />

Der methodische Zugang der Synthesegruppe<br />

STADTENTWICKLUNG war mehrd<strong>im</strong>ensional. Es erfolgte<br />

eine Triangulation verschiedener sozialwissenschaftlicher<br />

Zugänge und eine Wissensintegration von<br />

Erfahrungs- und Wissenschaftswissen (Scholz &<br />

Tietje, 1996): direkte, sinnliche Erfahrungen (teilnehmende<br />

Beobachtung), Dokumentenanalyse, Sekundäranalyse<br />

statistischer Daten und verschiedene<br />

Techniken der Befragung (Experteninterviews, halbund<br />

vollst<strong>and</strong>ardisierte Befragungen). Für die Synthese<br />

wurde die Methode der formativen Szenarioanalyse<br />

(Götze, 1993; Missler-Behr, 1993; Scholz et<br />

al., 1995; Scholz et al., 1996; vgl. auch Kap. FORMATIVE<br />

SZENARIOANALYSE) angew<strong>and</strong>t. Im folgenden sollen<br />

die eingesetzten Verfahren und deren Anwendung<br />

<strong>im</strong> zeitlichen Ablauf der Fallstudie (4 Wochen Synthesephase<br />

I, 5 Wochen Teilprojektphase, 4 Wochen<br />

Synthesephase 11,· vgl. Kap. ORGANISATION) beschrieben<br />

werden. Begleitet wurde der ganze Prozess<br />

durch laufende Kontakte mit den verschiedensten<br />

Akteuren vor Ort und die dauernde Betreuung durch<br />

mehrere, sowohl mit dem Gebiet Zürich <strong>Nord</strong> wie<br />

mit dem Thema <strong>Stadt</strong>entwicklung langjährig vertraute<br />

Fachtutorlnnen(vgl. Kap. ORGANISATION).<br />

2.1 Synthesephase I<br />

Die erste Synthesephase führte an das Thema<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung heran und machte mit den wichtigsten<br />

Grundlagen relevanter Forschungsrichtungen<br />

(<strong>Stadt</strong>geogr~phie, Regionalökonomie, Nachhaltigkeit,<br />

etc.) bekannt. Dadurch wurden die Voraussetzungen<br />

geschaffen, damit die Fragestellungen<br />

erarbeitet und die Wahl der Teilprojekte vorgenommen<br />

werden konnten. Um einen ersten, sinnlichen<br />

Zugang zum Gebiet und zum Thema zu erhalten,<br />

wurde das Gebiet Zürich <strong>Nord</strong> (mit dem Fahrrad)<br />

«erfahren», es wurde eine·<strong>Stadt</strong>safari (Schmid &<br />

Wolff, 1996) durchgeführt. Ergänzend wurde in<br />

Gruppendiskussionen (Klein- und Grossgruppen)<br />

mit verschiedenen Techniken zur Generierung und<br />

Strukturierung von Ideen (Mind-Maps, Brainstorm- .<br />

ing, Strukturlegetechnik: Bortz & Doering, 1995)<br />

gearbeitet. Für das Literaturstudium st<strong>and</strong>en vorbereitete<br />

«Reader» zur Verfügung (ausgesucht und<br />

zusammengestellt von FachexpertInnen und TutorInnen,<br />

bestehend aus vier Teilen aje ca. 100 Seiten<br />

zu den Themen Nachhaltigkeit, <strong>Stadt</strong>entwicklung,<br />

Ökonomie und <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (vgl. Berwert et<br />

al., 1996)). Diese Texte wurden gelesen, zusammengefasst<br />

und· bearbeitet. Bei der Bearbeitupg der<br />

Literatur wurde u.a. geklärt, welches die Bezüge der<br />

Texte zum Fall ZZN sind und welche konkreten<br />

104<br />

UNS-Fallstudie '96


__________________________~--__:_--------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Abb. 2.1 Mind-Mflp zum Thema «<strong>Stadt</strong>» (Bild: Michael Meier).<br />

Fragestellungen sich daraus ableiten lassen. Zum<br />

Schluss der ersten Synthesephase wurden die konkreten<br />

Fragestellungen in einem gemeinsamen,<br />

moderierten Gruppenprozess (vgl. Scholz & Tietje,<br />

1996) erarbeitet, die verschiedenen Teilprojekte<br />

formuliert, die einzusetzenden Methoden festgelegt<br />

und das weitere Vorgehen <strong>im</strong> Detail geplant.<br />

2.2 Teilprojektphase<br />

In der Teilprojektphase erfolgte die Analyse des Ist­<br />

Zust<strong>and</strong>s und gleichzeitig wurden die Grundlagen<br />

für die darauffolgende Synthese bereitgestellt. Jedes<br />

Teilprojekt lieferte einerseits einen vollständigen<br />

Schlussbericht mit Fragestellung, Methoden, Resultaten<br />

und <strong>and</strong>ererseits ein Thesenpapier zu möglichen<br />

(wünschbaren und nicht wünschbaren) Zukunftszuständen<br />

für das ZZN aus der Sicht ihres<br />

Schwerpunktes.<br />

Das Teilprojekt SOZIALES UMFELD arbeitete mit<br />

.zwei Methoden: Sekundiiranalyse statistischer Daten<br />

(Jahrbücher der <strong>Stadt</strong> und des Kantons Zürich) und<br />

Befragungen. Für die Befragungen wurden zwei<br />

halbst<strong>and</strong>ardisierte Fragebogen für MeinungstriigerInnen<br />

und für AnwohnerInnen eingesetzt. Die Auswahl<br />

der Gesprächspartnerlnnen erfolgte «bewusst»<br />

(Friedrichs, 1990) und sollte ein möglichst breites<br />

Spektrum der Bevölkerung abdecken. Fünf Anwohnergespriiche<br />

erfolgten mit zwei Männern (22 und<br />

66 Jahre) und drei Frauen (39, 56 und 70 Jahre)<br />

aus Affoltern, Seebach und Unterstrass. Die neun<br />

MeinungstrilgerInnen waren Vertreter vom Gemeinschaftszentrum,<br />

vom Mütterzentrum, vom Eltern-<br />

verein, von den Naturfreunden, vom<br />

Quartierverein, aktive BewohnerInnen<br />

einer Siedlung, VertreterInnen von der<br />

katholischen und reformierten Kirchgemeinde<br />

und dem Jugendsekretariat<br />

des Sozialdepartementes der <strong>Stadt</strong>. Aufgrund<br />

der Art der Stichprobenziehung<br />

lassen sich keine Schlüsse auf die Grundg~samtheitaller<br />

AnwohnerInnen ziehen.<br />

Es wurden dagegen Alltagstheorien (vgl.<br />

Meyrat-Schlee, 1993) <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit dem Projekt ZZN ermittelt und<br />

Trends aufgespürt. Die Befragung ist<br />

somit als explorativ und deskriptiv zu<br />

verstehen.<br />

Das Teilprojekt STANDORTQUALITÄT erarbeitete<br />

sich zuerst mit Hilfe von LiteratUr<br />

einen Überblick über die Bedeutung<br />

der verschiedenen St<strong>and</strong>oi:tfaktoren<br />

und die St<strong>and</strong>ortsituation in der Schweiz<br />

und insbesondere des Wirtschaftsraumes<br />

Zürich. Hinzu kamen leitJadengestützte Expertengespriiche<br />

(Lamnek, 1993) mit ExpertInnen und<br />

GrundeigentümerInnen. Sechs PersoQen wurden dazu<br />

interviewt: ein ortskundiger Wirtschaftsgeograph,<br />

eine Immobilien- und Promotionsexpertin, ein Professor<br />

für Regionalökonomie und zwei VertreterInnen<br />

der Grundeigentümerschaft. Als letztes wurden<br />

vollst<strong>and</strong>ardisierte Fragebogen (Friedrichs, 1990) an<br />

total 14 potentielle NutzerInnen und Investorlnnen<br />

für das ZZN verschickt. Der Rücklauf war mit sechs<br />

(eine Beantwo~tung erfolgte mündlich am Telefon)<br />

knapp zufriedenstellend. Die Befragung kann somit<br />

nur Tendenzen und erste Hinweise liefern, erhebt<br />

aber keinen Anspruch auf Repräsentativität.<br />

Das Teilprojekt PLANUNG analysierte vorliegende<br />

Dokumente (Dokumentenanalyse diverser Leitbilder,<br />

Zeitungsartikel, Entwurf Sonderbauvorschriften,<br />

etc.) und führte fünf Expertengespriiche mit dem<br />

<strong>Stadt</strong>planungsamt, Grundeigentümerlnnen, PlanerInnen<br />

und VertreterInnen des Vereins zürifüfzgl.<br />

Das Teilprojekt NACHHALTIGKElTSINDIKATOREN basierte<br />

seine Arbeit ebenfalls .auf einem Literaturstudium<br />

und einer Dokumentenanalyse (u.a. Arend,<br />

1993; Europäisches Komitee zukunftsfähiger Städte<br />

und Gemeinden, 1994; Henz, 1996; IDARio, 1995;<br />

Kastenholz et al., 1996; Minsch, 1993; Morris, 1995;<br />

Ninck, 1994; Pinter, 1995; Thierstein & Walser,<br />

1996). Im folgenden wurde in verschiedenen und<br />

wechselseitigen Phasen von Einzelarbeit und Gruppendiskussionen<br />

Indikatoren gesammelt, in verschiedene<br />

Themenbereiche/D<strong>im</strong>ensionen zusammengefasst<br />

und aufein<strong>and</strong>er abgest<strong>im</strong>mt (vgl. Kap.<br />

NACHHALTIGKElT).<br />

Die formative Szenarioanalyse (Scholz & Tietje<br />

1996; vgl. Kap. FORMATIVE SZENARIOANALYSE) bildete<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

105


<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ _<br />

den Rahmen für die Arbeit der Teilprojektgruppe<br />

ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN. Die Best<strong>im</strong>mung der Einflussfaktoren<br />

erfolgte dabei in drei Stufen: in einem ersten<br />

Schritt wurden eine grosse Anzahl relevanter Faktoren<br />

aus der Literatur gesammelt, die dann <strong>im</strong><br />

zweiten Schritt durch Zusammenfassungen reduziert<br />

wurden. Der dritte Schritt bildete die exakte Definition<br />

der einzelnen Faktoren.<br />

Die Einflussmatrix wurde zuerst einze'ln ausgefüllt,<br />

anschliessend wurde in der Gruppe diskutiert und<br />

eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Die Reduktion<br />

der Einflussfaktoren für die Konsistenzanalyse<br />

stützte sich auf folgende zwei Kriterien: aktive Faktoren<br />

(wenig beeinflussbare Grössen, welche einen<br />

starken Einfluss auf <strong>and</strong>ere Grössen ausüben) wurden<br />

passiven Faktoren (Grössen, welche durch <strong>and</strong>ere<br />

Einflussgrössen beeinflusst werden,· ohne selbst<br />

einen starken ,Einfluss auszuüben) vorgezogen. In<br />

jedem der Bereiche Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und<br />

Politik sowie Umwelt sollten zwei bis drei Faktoren<br />

belassen werden, von denen angenommen, wurde,<br />

dass sie den Bereich möglichst umfassend repräsentieren.<br />

Faktoren, welche in <strong>and</strong>eren Synthesegruppen<br />

eine entscheidende Rolle spielen, wurden gestrichen,<br />

um Überschneidungen zu vermeiden. Falls<br />

möglich, wurden mehrere Faktoren unter einem<br />

Überbegriff zusammengefasst. Für jeden Einflussfaktor<br />

wurden mindestens zwei, möglichst gegensätzliche,<br />

Ausprägungen erarbeitet. Die Best<strong>im</strong>mung<br />

der gegenseitigen Beeinflussung der Ausprägungen<br />

in der Konsistenzmatrix wurde wiederum zuerst<br />

einzeln ausgeführt und dann in einer Gruppendiskussion<br />

aufein<strong>and</strong>er abgest<strong>im</strong>mt. Die Summe<br />

aller möglichen Verknüpfungen der Ausprägungen<br />

ergab 4096 Kombinationen, d.h. Szenarien. In einer<br />

computergestützten Konsistenzanalyse waren davon<br />

aber lediglich 120 konsistent, d.h. widerspruchsfreL<br />

Parallel zur formativen Szenarioanalyse wurden<br />

vier unterschiedliche Zukunftsbilder (Leitbilder) intuitiv<br />

erarbeitet: ein möglichst positives mithoher,<br />

ein negatives mit tiefer Lebensqualität, eines mit<br />

einem extrem polarisierten Arbeitsmarkt und ein<br />

letztes mit wirtschaftlicher Stagnation. Für jedes<br />

dieser Zukunftsbilder.wurde nun das Szenario ausgewählt,<br />

welches der Beschreibung entsprach und<br />

gleichzeitig eine möglichst hohe Konsistenz aufwies.<br />

ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN) und den TutorInnen, die<br />

zusammen an der eigentlichen Synthese arbeiteten.<br />

Alle <strong>and</strong>eren vervollständigten die Arbeit an den<br />

Teilprojekten, belieferten die Kerngruppe mit ihren<br />

Ergebnissen in Form von Daten und Thesen und<br />

erstellten schliesslich die Schlussberichte.<br />

Grundlage der Arbeit der Kerngruppe bildeten die<br />

Thesenpapiere zu wünschbaren Zukunftsentwicklungen<br />

lind die era~beiteten Szenarien für den Grossraum<br />

Zürich. Daraus galt es, konkrete Entwicklungsvarianten<br />

für das ZZN abzuleiten. Dazu wurde eine stark<br />

strukturierte und moderierte Gruppendiskussion<br />

durchgeführt (Synthese-Moderation, vgl. Scholz.&<br />

Tietje, 1996). In einem ersten Schritt wurde geklärt,<br />

welche Parameter zur Beschreibung der Varianten<br />

relevant sind. Analog zum Vorgehen bei der Szenarioanalyse<br />

wurd,en wiederum möglichst viele Parameter<br />

gesammelt, die Liste durch Zusammenfassen<br />

. ähnlicher und Streichen unwesentlicher Parameter<br />

reduziert, und schliesslich wurden alle Parameter<br />

sauber definiert. Die Parameter bildeten als Zeilen<br />

zusammen mit den zu erarbeitenden Varianten (je<br />

eine Spalte für die vier Rahmenbedingungsszenarien)<br />

die sog. Variantenmatrix (vgI. Kap. 4 SZENARIEN<br />

UND ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN). Jede Zeile wurde<br />

einzeln ausdiskutiert, wobei die Varianten bezüglich<br />

des Parameters zumindest in eine Rangreihenfolge<br />

gebracht werden mussten (z.B. Variante 1 hat den<br />

grössten Anteil an öffentlichem Verkehr, Variante 2<br />

den kleinsten). Grundlage bei diesem WertuIigsprozess<br />

bildeten einerseits die Rahmenbedingungen<br />

der Szenarien und <strong>and</strong>erseits das Wissen aus den<br />

Teilprojekten und der beteiligten ExpertInnen. In<br />

einem parallel zur Diskussion erstellten Protokoll<br />

wurden Begründungen für die Bewertungen erfasst.<br />

Damit kann die Nachvollziehbarkeit.und der Einbezug<br />

des Wissen aus den verschiedenen Teilprojekten<br />

überprüft werden. Die so erstellten Entwicklungsvarianten<br />

wurden zum Schluss in einem zweiten<br />

Durchgang auf interne Konsistenz geprüft und sprachlich<br />

ausformuliert.<br />

2.3 Synthesephase 11<br />

Inder zweiten Synthesephase wurden die Resultate<br />

der einzelnen Teilprojekte zusammengetragen und<br />

Folgerungen gezogen. Dazu wurde die folgende<br />

Organisationsform gewählt: Es bildete sich eine<br />

Kerngruppe, 'bestehend aus je einer Person der<br />

einzelnen Teilprojekte (zwei aus dem Teilprojekt<br />

106<br />

UNS-Fallstudie '96


______-,-<br />

3. Analyse Ist-Zust<strong>and</strong><br />

3.1 Zum PlaDuDgsprozess des ZZN<br />

3.1.1 Aktueller St<strong>and</strong> der Planung<br />

Enger Spielraum far Gebäudegestaltung<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Das Bauen <strong>im</strong> ZZN wird durch die Sonderbauvorschriften<br />

(SBV, <strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) bzw. das Entwicklungsleitbild<br />

(Ruoss & Siress, 1994) geregelt(vgl. Kap.<br />

DER FALL). Für jedes Baufeld sind Bau- und Nutzungsvors.chriften<br />

(Art. 5-22 SBV) gegeben, nämlich<br />

Industrie- und Gewerbeanteil bzw. min<strong>im</strong>aler<br />

Wohnanteil, max<strong>im</strong>al anrechenbare Geschossfläche,<br />

min<strong>im</strong>ale Freiflächenziffer, max<strong>im</strong>ale Bauhähe und<br />

Baubegrenzungslinien. Die Sonderbauvorschriften<br />

enthalten Vorschriften für die Gestaltung der Bauten<br />

(z.B. sind Flachdächer resp. Pultdächer vorgeschrieben).<br />

Zur Gestaltung von Bauten, Anlagen und Umschwung<br />

schreiben die Vorschriften das Erreichen<br />

einer guten Gesamtwirkung vor (vgl. Kap. GEBÄUDE).<br />

In Art. 4 wird das Entwickh.ingsleitbild als Richtlinie<br />

verbindlich erklärt, und es. wird unter <strong>and</strong>erem die<br />

Baustruktur gemäss dem Bebauungskonzept als<br />

massgeblich bezeichnet. Letztere sind vorgegeben,<br />

Abb. 3.1.1 Houptnutzungen gemiiss Sonderbouvorscltriften undEinteilungder Teilgebiete (veriindert nom ABB, 1996).<br />

UNS-Fallstudie '96 107


<strong>Stadt</strong>entwicklung -'- -------:--_~ _<br />

so sind z.B. die Mä<strong>and</strong>er- oder Blockr<strong>and</strong>strukturen<br />

beizubehalten. Dies ist für gewisse Nutzungen hinderlich.<br />

Die Festlegung der Gebäudegestaltung durch die<br />

. Sonderbauvorschriften und die dazugehörenden Pläne<br />

stellt somit ein Problem dar.<br />

flächelfmässiger Lalfdabtaflsch geregelt<br />

Die Verh<strong>and</strong>lungen um die Sonderbauvorschriften<br />

sowie um einen an die Sonderbauvorschriften gebundenen<br />

Rahmenvertrag über die neuen Grundeigentumsverhältnisse<br />

und ü~er die Infrastruktur-Kostenteilung<br />

zwischen den Behörden der <strong>Stadt</strong> Zürich und<br />

den GrundeigentümerInhen sind noch nicht vollständig<br />

abgeschlossen. Das Abtreten von Freiflächen<br />

an die <strong>Stadt</strong> bedingt auch einen L<strong>and</strong>abtausch zwischen<br />

den GrundeigentümerInnen selbst, da sonst<br />

die Eigentumsverluste nicht auf allen beteiligten<br />

GrundeigentümerInnen gleich stark lasten würden.<br />

Der flächenmiissige L<strong>and</strong>abtausch und das Abtreten der<br />

Freiflächen sind weitgehend geregelt, aber die entsprechenden<br />

Verträge noch nicht unterschrieben (Beck, 1996;<br />

He<strong>im</strong>, 1996; Roth, 1996).<br />

Kostelfübernahme bei Altlastelfbereilfigflng fllfd<br />

Verkehrserschliessflng fllfgeklärt<br />

Anlass zu Uneinigkeiten bieten folgende Fragen.<br />

Die L<strong>and</strong>abtretungen an die <strong>Stadt</strong> müssen laut<br />

Sonderbauvorschriften altlastenbereinigt sein (vgI.<br />

Kap. ALTLASTEN). Die Begrünung übern<strong>im</strong>mt die<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich selber (He<strong>im</strong>, 1996). Laut Art. 24 der<br />

Sonderbauvorschrifteri muss die Erstellung der<br />

Verkehrsanlagen, welche danach in das Eigentum<br />

der <strong>Stadt</strong> übergehen, auf Kosten der beteiligten<br />

EigentümerInnen erfolgen. Wann welche Erschliessung<br />

zu realisieren ist, wird durch ein Etappierungskonzept<br />

festgelegt, welches von der <strong>Stadt</strong> und den<br />

GrundeigentümerInnen ausgearbeitet wurde und<br />

einerseits <strong>im</strong> Anhang der Sonderbauvorschriften,<br />

<strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong> Rahmenvertrag geregelt ist (He<strong>im</strong>,<br />

1996). Die eben genannten Bedingungen der <strong>Stadt</strong><br />

an die GrundeigentümerInnen werfen aus unserer<br />

Sicht einige ZuständigkeitsprobIeme - vor allem<br />

finanzieller Art - auf. Im Rahmen der Fallstudie<br />

hatten wir den Eindruck, dass bis heute nicht ganz<br />

geklärt ist, wer welche Kosten und Arbeiten übernehmen<br />

wird. Dies muss noch unter den GrundeigentümerInnen<br />

ausgeh<strong>and</strong>elt und in elf bilateralen<br />

Verträgen festgeha:Iten werden (Beck, 1996; Roth,<br />

1996).<br />

Mischnfltzflng lokal sichern<br />

Dass die Sonderbauvorschriften und der Rahmenvertrag,<br />

welche von den PlanungspartnerInnen als<br />

zusammengehöriges Paket verst<strong>and</strong>en werden, noch<br />

nicht unterschriftsreif sind, liegt aber nicht alleine<br />

bei den noch offenen Fragen <strong>im</strong> Rahmenvertrag.<br />

Auch der En.twurf der Sonderbauvorschriften aus<br />

dem Jahre 1994 hat Änderungen erfahren und wird<br />

weiter diskutiert (He<strong>im</strong>, 1996). So wünschte zum<br />

Beispiel die ABB neue Best<strong>im</strong>mungen für einige<br />

Bauflächen <strong>im</strong> Teilgebiet D. Sie forderte mehr Flexibilität,<br />

da ihrer Meinung nach gerade für Dienstleistungen<br />

<strong>im</strong> grossen Rahmen die Blockr<strong>and</strong>bebauungen<br />

des Leitbildes nicht geeignet und die<br />

Auflagen in den Sonderbauvorschriften zu einschränkend<br />

sind (Beck, 1996). Obwohl der Entwurf der<br />

Sonderbauvorschriften <strong>im</strong> Art. 4 Abs. 3 ein Abweichen<br />

vom Entwicklungsleitbild zulässt, möchte die<br />

Grundeigentümerin ABB ihre Abweichungen bereits<br />

in den Sonderbauvorschriften festlegen. Die GrundeigentümerInnen<br />

wollten mögliche AbweiChungen<br />

von derbereits festgelegten Struktur und Anordnung<br />

der Bauten in einer Liste von Beispielen in die<br />

Sonderbauvorschriften aufnehmen. So könnten langwierige<br />

Ausnahmebewilligungsverfahren (siehe Kap.<br />

3.1.2 SPIELRAUM DER PLANUNG) umgangen werden.<br />

Die <strong>Stadt</strong> erachtet dies aber nicht als notwendig,<br />

denn sie vertritt die Meinung, dass die Sonderbauvorschriften<br />

flexibel genug sind (He<strong>im</strong>, 1996). Um<br />

eine grössere Realisierungsflexibilität der Wohnanteile<br />

zu erreichen, sind die Baufeiderfestlegungen<br />

wieder verändert worden. Im Baufeld 0 wurden aus<br />

ursprünglich sechs Baufeldern deren zwölf. Vorgeschlagen<br />

'hat diese Änderung die <strong>Stadt</strong> (Bauamt II).<br />

Die Mischnutzung in einem Baufeldwurde dabei mehrheitlich<br />

abgelöst durch nutzungsmässig klar zugeteilte kleinere<br />

Baufelder. Mit dieser Auftrennung wirddie Verpflichtung,<br />

Gewerbe- und Wohnräume gleichzeitig zu realisieren, in<br />

gewisser Weise aufgehoben. Ausunserer Sicht wird damit<br />

Sinn und Geist der Abmachungen verletzt. Diese Auftrennung<br />

birgt eine gewisse Gefahr für das gewünschte<br />

Mischkonzept, da je nach Konjunkturlage das Baufeld D<br />

nurteilweise bebaut werden könnte.<br />

Beschlefllfigter Ablaflt attraktiv für Ilfvestorlnnen<br />

Für die aktivsten GrundeigentümerInnen ABB und<br />

Oerlikon-Bührle ist die heutige Situation mit der<br />

verzögerten Inkraftsetzung der Sonderbauvorschriften<br />

unbefriedigend (Beck, 1996). Sie müssen nach geeigneten<br />

L<strong>and</strong>käuferInnen und InvestorInnen suchen,<br />

obwohl die rechtlichen Grundlagen· noch nicht<br />

gesichert sind. Die InteressentInnen wollen sich<br />

deshalb verständlicherweise noch nicht definitiv verpflichten,<br />

weshalb von Seiten der EigentümerInnen<br />

noch nichts über konkrete Projekte (mit Ausnahme<br />

des «Toro h) veröffentlicht worden ist (vgI. Kap.<br />

GEBÄUDE). Die heutigen GrundeigentümerInnen<br />

mussten und müssen hingegen erhebliche Vor-<br />

108<br />

UNS-Fallstudie '96


___________________________________---'__<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

investitionen tätigen (Beck, 1996). Es liegt also <strong>im</strong><br />

Interesse der GrundeigentümerInnen, das Projekt<br />

voranzutreiben und eine baldige Einigung mit der<br />

<strong>Stadt</strong> zu erzielen. Weiter möchten die GrundeigentümerInnen<br />

ihre Interessen möglichst gut in den<br />

Sonderbauvorschriften und den Verträgen abgesichert<br />

haben, damit die bis dann gefundenen InvestorInnen<br />

oder L<strong>and</strong>käuferInnen umgehend mit der<br />

Real~sierungihrer Pläne beginnen können. Konkret<br />

geplant ist bis zum heutigen Zeitpunkt nur der<br />

Werkhof der <strong>Stadt</strong> (He<strong>im</strong>, 1996). Im Entwicklungsleitbild<br />

ist zwar auch die Erstellung einer Volksschule<br />

geplant, doch die Realisierung ist heute noch<br />

nicht absehbar und von der Finanzlage der <strong>Stadt</strong> und<br />

des Kantons Zürich abhängig. In Vorbereitung sind<br />

jedoch eine ganze Reihe privater Projekte.<br />

Austritt verschiedener Grundeigenti<strong>im</strong>erlnnen<br />

aus dem Projekt<br />

Die SBB traten sehr früh schon aus dem Projekt aus,<br />

<strong>and</strong>ere GrundeigentümerInnen sind nicht mehr so<br />

aktiv wie zu Beginn. Bei allfälligen H<strong>and</strong>änderungen<br />

gelten für nachfolgende GrundeigentümerInnen<br />

die zu diesem Zeitpunkt gültigen (Sonder-)Bauvorschriften<br />

(He<strong>im</strong>, 1996).<br />

Mit einem Abschluss des Gesamtvertragswerks<br />

und der definitiven Sonderbauvorschriften wird<br />

nicht vor April 1997 gerechnet. Sind die Sonderbauvorschriften<br />

einmal ausgeh<strong>and</strong>elt, so müssen sie<br />

vom Gemeinderat der <strong>Stadt</strong> Zürich verabschiedet<br />

und vom Regierungsrat (Exekutive des Kantons)<br />

genehmigt werden. Nach nun bald zehnjähriger<br />

Planungsarbeit erhoffen sich die beteiligten GrundeigentümerInnen<br />

wie auch die <strong>Stadt</strong>, da'ss die Verabschiedung<br />

der Sonderbauv0rschriften ohne grosse<br />

Debatten ablaufen wird (Beck, 1996; He<strong>im</strong>, 1996).<br />

3.1.2 Spielraum der Planung<br />

Die SonderbauvOfschriften bieten die Möglichkeit,<br />

in einem gewissen Rahmen vom Leitbild abzuweichen<br />

(vgl. Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs der Sonderbauvorschriften,<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994):<br />

«Von den massgeblichen Elementen des Entwicklungsleitbildes<br />

darf aus wichtigen Gründen<br />

abgewichen werden, soweit es sich nicht zugleich<br />

um Festlegungen der Sonderbauvorschriften .<br />

h<strong>and</strong>elt. Die baurechtliche Bewilligung solcher<br />

Abweichungen setzt voraus, dass die Baueingabe<br />

mindestens ein ganzes Baufeld erfasst und dass<br />

insgesamt eine zumindest gleichwertige Lösung.<br />

erzielt wird.»<br />

Die städtischen Behörden halten hier ein wichtiges<br />

und in Zukunft vielleicht sehr entscheidendes Werk-<br />

zeug zur Steuerung der Realisierung des ZZN in den<br />

Händen. Ob ein geplantes Projekt, das dem Entwicklungsleitbild<br />

in einigen Punkten widerspricht,<br />

auch realisiert werden kann, liegt in der Kompetenz<br />

des Bauamtes II der <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />

Einen bedeutenden Spielraum bietet auch die<br />

Möglichkeit, jedes Baufeld unabhängig von den<br />

<strong>and</strong>eren bebauen zu können.' Vor allem mit der<br />

Auftrennung der ursprünglichen Mischnutzungsbaufelder<br />

<strong>im</strong> Teilgebiet 0 in kleinere Baufelder mit<br />

klar best<strong>im</strong>mter Nutzung wird es möglich sein, z.B.<br />

nur Dienstleistungsgebäude zu erstellen und die<br />

<strong>and</strong>eren Baufelder nicht zu bebauen. Wie und was<br />

<strong>im</strong> Teilgebiet 0 realisiert wird, ist abhängig von der<br />

Konjunktur und der Nachfrage nach den unterschiedlichen<br />

Nutzungen.<br />

Die in den Sonderbauvorschriften festgelegte<br />

Pflicht, mit Baubeginn in einem Baufeld dieses auch<br />

mit Strassen und Leitungen zu erschliessen, fördert<br />

aber das Bebauen anliegender Baufelder und damit<br />

die angestrebte Mischnutzung.<br />

3.1.3 Fazit<br />

Die Sonderbauvorschriften setzen der Realisierung<br />

der Planung einen Rahmen. Die Pläne der Sonderbauvorschriften<br />

geben Bebauungsstruktur und<br />

Nutzungsart detailliert vor. Abweichungen können<br />

nur durch eine Bewilligung der <strong>Stadt</strong> (Bauamt II)<br />

erreicht werden. Die GrundeigentümerInnen versuchen<br />

deshalb noch' vor der Inkraftsetzung der<br />

Sonderbauvorschriften einerseits Änderungen auszuh<strong>and</strong>eln<br />

und <strong>and</strong>ererseits opt<strong>im</strong>alere Voraussetzungen<br />

für schon gefundene bzw. in Aussicht stehende<br />

InvestorInnen in den Plänen festzuhalten. Damit<br />

können die Wünsche der InvestorInnen ohne Ausnahmebewilligungen<br />

erreicht werden. Aus der Sicht<br />

der GrundeigentümerInnen wird die Ausnahmebewilligungspraxis<br />

der <strong>Stadt</strong> von grosser Bedeutung<br />

für die Flexibilität und somit für die zukünftige<br />

Entwicklung des ZZN sein.<br />

Von Seiten der GrundeigentümerInnen bestehen<br />

Bedenken, dass eine restriktive Haltung der <strong>Stadt</strong><br />

bezügiich Ausnahmebewilligungen die Suche nach<br />

InvestorInnen erschweren wird. Das Projekt hängt<br />

sehr stark vom Interesse der InvestorInnen ab. weder<br />

die angestrebte <strong>Zentrum</strong>sfunktion, noch die geplante Mischnutzung<br />

können ohne eine relativ schnelle Umsetzung der<br />

Planung in einem Grossteil des Gebietes erreicht werden.<br />

Diese beiden Ziele stellen aber wiederum einen<br />

wichtigen St<strong>and</strong>ortvorteil des ZZN gegenüber <strong>and</strong>eren<br />

Projekten dar. Es Ist anzunehmen, dass zwar die<br />

Projekte, für die bereits heute potentielle InvestorInnen<br />

vorh<strong>and</strong>en sind, in Einklang mit den Zielen<br />

des Leitbildes realisiert werden, aber für spätere<br />

Projekte die Ziele des Leitbildes wieder verworfen<br />

r-<br />

f<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

109


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

_<br />

werden und neue Verh<strong>and</strong>lungen über Sonderbauvorschriften<br />

zu Resultaten führen, die dem gegen-.<br />

wärtigen Leitbild ~idersprechen.<br />

Bei verschiedenen Gesprächen mit der <strong>Stadt</strong>, der<br />

ABB, wie auch mit dem zuständigen Planer ergaben<br />

sich unterschiedliche und sehr vage Zukunftsprognosen.<br />

Während die <strong>Stadt</strong> behauptet, grosszügig<br />

Bewilligungen für Abweichungen zu erteilen, und<br />

somit der Realisierung des ZZN mit den jetzigen<br />

Sonderbauvorschriften eine gute Chance gibt, besteht<br />

auf der Seite <strong>and</strong>erer Akteure eine gewisse<br />

Skepsis, ob die Sonderbauvorschriften auch in späterer<br />

Zukunft Best<strong>and</strong> haben werden. Die Asea Brown<br />

Boveri AG als Grundeigentümerin - vertreten durch<br />

die ABB Immobilien AG - scheint sich auf die Realisierung<br />

einzelner Projekte zu konzentrieren, für die<br />

bereits potentielle InvestorInnen vorh<strong>and</strong>en sind.<br />

Dabei drohen längere Zeithorizonte und der Blick<br />

für das Ganze verloren zu gehen.<br />

Im Rahmen der Fallstudie war eine Zusammenarbeit<br />

unter den GrundeigentümerInnen nicht mehr<br />

erkennbar. Dies gilt, abgesehen von Verkehrsfragen<br />

wie z.B. dem Schienenanschluss, auch für die<br />

Zusammenarbeit der ABB mit der Oerlikon-Bührle.<br />

Nach einer intensiven Verh<strong>and</strong>lungsphaseversuchen<br />

die EigentümerInnen nun für ihre Grundstücke<br />

InvestorInnen zu finden, stehen somit in einer<br />

Konkurrenzsituation. Ausserdem werden mit dem<br />

Inkrafttreten der Sonderbauvorschriften wohl auch<br />

die Gespräche zwischen <strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen<br />

abgebrochen. Aus unserer Sicht besteht ohne<br />

weitere konstruktive Zusammenarbeit die Gefahr,<br />

dass die gemeinsame Zielverfolgung für das ZZN<br />

ausein<strong>and</strong>erbricht.<br />

Die <strong>Stadt</strong> verliert an Bevölkerung,<br />

die Agglomeration legt zu<br />

. Die Bevölkerung der <strong>Stadt</strong> Zürich hat seit 1962<br />

(Höchstst<strong>and</strong> der Bevölkerungszahl) um ca. 80'000<br />

EinwohnerInnen bzw. 18% abgenommen. Zürich ist<br />

dabei kein Einzelfall; viele Städte des In- und<br />

Ausl<strong>and</strong>es zeigen eine ähnliche Entwicklung (vgl.<br />

a. Friedrichs, 1995).<br />

Innerhalb der <strong>Stadt</strong> wurden die Quartiere vom<br />

Bevölkerungsverlust verschieden stark und auch<br />

zu verschiedenen Zeiten betroffen. Am meisten BewohnerInnen<br />

hat das ZentrÜmsquartier Kreis 1 eingebüsst<br />

(Rückgang um 66% seit 1950 von 17'600 auf<br />

5800 <strong>im</strong> Jahre 1994), wobei diese Entwicklung schon<br />

um die Jahrhundertwende einsetzte. Als nächste<br />

Quartiere folgten Ober- und Unterstrass, die seit den<br />

fünfziger Jahren je ca. einen Drittel der Bevölkerung<br />

verloren haben. In Oerlikon erfolgte die Trendumkehr<br />

in den frühen sechziger Jahren (siehe Abb.<br />

3.2.1.1). Seit 1960machte der Rückgang in Oerlikon<br />

dabei mehr als einen Viertel aus. Auch die <strong>and</strong>eren<br />

Quartiere der Analyse erlebten einen Stillst<strong>and</strong> ihres<br />

Bevölkerungswachstums. Hier erfolgte der Rückgang<br />

(bzw. die Stagnation <strong>im</strong> Falle von Affoltern)<br />

aber erst in den siebziger Jahren und war deutlich<br />

schwächer: <strong>im</strong> Kreis 12 z.B. von 34'300 <strong>im</strong> Jahre 1970<br />

auf 27'500 1994. Auch Agglomerationsgemeinden<br />

wie Opfikon, Wallisellen und Rümlang zeigen bis<br />

in die 70er Jahre einen starken Bevölkerungszuwachs,<br />

nachdem sie bis in die 50er Jahre eigentliche<br />

Bauerndörfer gewesen waren, gefolgt von einer<br />

Stagnation. Opfikon wuchs dabei am stärksten: von·<br />

gut 2600 EinwohnerInnen <strong>im</strong> Jahre 1950 auf über<br />

11 '000 in den neunziger Jahren.<br />

3.2 Das soziale Umfeld des ZZN<br />

Das soziale Umfeld des ZZN wird einerseits<br />

über eine sozioökonomische Analyse der<br />

benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere und Agglomerationsgemeinden.aufgrund<br />

statistischer<br />

Daten untersucht. Andererseits wird ein<br />

St<strong>im</strong>mungsbild der Bevölkerung skizziert.<br />

3.2.1 Sozioökonomische Struktur der<br />

benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere und<br />

Agglomerationsgemeinden<br />

Da <strong>im</strong> ZZN heute noch niem<strong>and</strong> wohnt, also<br />

eine ansässige Quartierbevölkerung fehlt,<br />

werden die benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere<br />

Oerlikon, Affoltern, Seebach, Ober- und<br />

Unterstrass und die Agglomerationsgemeinden<br />

Rümlang, Wallisellen und Opfikon .für<br />

diese Analyse beigezogen.<br />

500<br />

..Ji}- Opflkon<br />

450<br />

...... Affoltem<br />

400<br />

-0- Kreis 12<br />

350<br />

...<br />

..0- Seebach<br />

300 Oerlikon<br />

250 ~ UnIersIrass<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0+---+---1----1----+----1<br />

1950 1960 1970 1980 1990 1994<br />

Abb. 3.2.1.1 Bevölkerongsentwicklung 1950 bis 1994 (1950= 100). Die Abb. illustriert<br />

die Bevölkerongsverlagerong von den zentromsnahen <strong>Stadt</strong>quartieren zu den<br />

<strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>gebieten undden Agglomerationsgemeinden hin.<br />

110<br />

UNS-Fallstudie '96


---,----~--------:----------~--~--___:---------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Zusammengenommen deutet dies auf die eine<br />

Bevölkerungsverlagerung innerhalb der Städte zu den<br />

Aussenquartieren, aus den . Städten in die umliegenden<br />

Agglomerationsgemeinden undanschliessend die ländlichen<br />

Gemeinden ausserhalb der Agglomeration hin «


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

oerlikon Affoltern 5eebach Kreis 12 Ober- Unter- <strong>Stadt</strong> Opfikon Walli- Rümlang<br />

strass strass Zürich seilen<br />

Emwohnerlnnen<br />

(1994) 16'771 18'061 17'642 27'565 10'266 20'477 360'848 11'512 11'151 5'255<br />

Wohnungsbest<strong>and</strong><br />

(1994)<br />

1-2 Zi. 38%<br />

3-4 Zi. 55%<br />

....................................<br />

5 Zi. und mehr 7%<br />

Total 9'031<br />

29%<br />

63%<br />

8%<br />

8'478<br />

35%<br />

59%<br />

5%<br />

8'767<br />

31%<br />

65%<br />

4%<br />

13'387<br />

33% 27% 32% 34% 21% 17%<br />

.~ 19.~.. .. 66% 60% 56% ?~~ ~.6.%.<br />

18% '7% 8% 10% 19% 17%<br />

...........................................................................•...<br />

5'080 10'658 182'013 6'127 5'270 2'439<br />

Arbeitsplätze je<br />

Sektor (1991)<br />

Sekundärer S.<br />

Tertiärer S.<br />

Total<br />

Arbeitsplätze je<br />

Einw. (1991)<br />

Wegpendler (1990)<br />

Total<br />

je Einwohnerln<br />

38% 36% 34% 30% 13% 10% 19% 20% 34% 43%<br />

......... ...... ..... ........... ...... .................. .. ...... ...... .. ....... ........... ................<br />

62% 64% 66% 70% 87% 90% 81% 80% 66% 57%<br />

............. .. .......... .................. ................... ............... .. ......... .............<br />

18'903 3'376 14'659 5'099 4'279 11'913 357'291 10'734 11'716 4'454<br />

1.13 0.18 0.83 0.18 0.41 0.57 0.98 0.90 1.04 0.85<br />

2'612 2'728 3'229 4'420 1'230 2'560 49'481 5'798 4'065 2'174<br />

. ................... .................. ... ........•....... . ...................<br />

0.16 0.15 0.18 0.16 0.12 0.12 0.14 0.49 0.36 0.42<br />

Tab. 3.2.1 Einwohnerzahl, Wohnungsgrosse, Sektorielle Au/teilung der Arbeitsplätze, Anzahl Arbeitsplätze pro Einwohner/n, Wegpendler/nnen (aus der<br />

<strong>Stadt</strong>/Gemeinde) und Wegpendler/nnen pro Einwohner/n. Die Tabelle zeigt einenfliessenden Übergang von einem typischen Wohnquartier (Kreis 12) über<br />

ein Wohnquartier mithöherem AnteilArbeiten (Affoltern), übereiq Arbeitsquartiermithöherem Anteil Wohnen (Seebach) zu einem typischen Arbeitsquartier<br />

(Oerlikon).<br />

diesen: es hat hier zwar auch viele Einpersonenhaushalte<br />

und einen grossen Anteil alter Leute, die<br />

Wohnungen sind aber <strong>im</strong> Durchschnitt eher kleiner.<br />

In Affoltern, Seebachund <strong>im</strong> Kreis 12 wohnen viele<br />

junge Leute, in durchschnittlich grösseren Haushalten,<br />

aber eher kleinen Wohnungen. Wallisellen<br />

und Rümlang haben einen deutlich kleinerenAnteil<br />

an älteren Leuten und die Wohnungen und Haushalte<br />

sind deutlich grösser. Opfikon stellt unter den<br />

Agglomerationsgemeinden insofern einen Sonderfall<br />

dar, als es zwar eine ähnliche Altersstruktur aufweist,<br />

die Wohnungen und vor allem ,die Haushalte aber<br />

kleiner sind.<br />

Quartiere/Gemeinden mit hohem Wohnbzw.<br />

Arbeitsanteil<br />

Oerlikon wuchs früher als die <strong>and</strong>eren Quartiere<br />

und Gemeinden <strong>im</strong> betrac\:.1teten Gebiet (von 7300<br />

<strong>im</strong> Jahre 1920 auf fast 17'000 <strong>im</strong> Jahre 1940 [vgl.<br />

Stat. Amt der <strong>Stadt</strong> Zürich, 1995]). Dies hängt damit<br />

zusammen, dass Oerlikon schon am Ende des<br />

19. Jahrhunderts ein bedeutender Industriest<strong>and</strong>ort<br />

war, der Arbeiter mitsamt Familie anzog (Bollinger,<br />

1983). Auch heute noch ist Oerlikon einQuartier mit<br />

hohem Anteil an Arbeitsplätzen: 1.13 Arbeitsplätze<br />

kommen hier <strong>im</strong> Durchschnitt aufjede Einwohnerln<br />

(vgl. Tab. 3.2.1). Ähnlich hoch ist dieser Quotient<br />

auch noch für Wallisellen (1.04) und die <strong>Stadt</strong> insgesamt<br />

(0.98). Man kann von einemfliessenden Übergang<br />

von einem typischen Wohnquartier(Kreis 12) über ein<br />

Wohnquartier mit höherem Anteil Arbeiten (Affoltern),<br />

über ein Arbeitsquartier mit höherem Anteil Wohnen<br />

(Seebach) zu einem typischen Arbeitsquartier (Oer/ilon)<br />

sprechen. Affriltern und der Kreis 12 sind aufgrund<br />

einer gezieltenWohnbaupolitik in den 40er und'SOer<br />

Jahren aus ehemaligen Dörfern entst<strong>and</strong>en.<br />

Eine hohe Anzahl Arbeitsplätze pro Einwohnerln<br />

bedeutet .aber noch nicht wenig Verkehr. Betrachtet<br />

man als einen Indikator für den Pendlerverkehr die<br />

Anzahl der Wegpeildierlnnen pro Einwohnerln (d.h.<br />

Anteil der Personen, die in einem Quartier bzw. einer<br />

Gemeinde wohnen, aber in einer <strong>and</strong>eren Gemeinde<br />

arbeiten, vgl. Tab. 3.2.1), so zeigt sich, dass dieser,<br />

Anteil in den Agglomerationsgemeinden deutlich<br />

höher liegt. So beträgt der Anteil an WegpendlerInnen<br />

z.B. in Opfikon durchschnittlich 0.49, in Ober~<br />

und Unterstrass 0.12 pro Einwohnerln, Die Agglomerationsgemeinden<br />

sind somit zwar Gemeinden<br />

mit hohem Arbeitsanteil, aber nur zum Teil für<br />

112<br />

UNS-Fallstudie '96


-~~~~~~~~~~~~~~,--~~~~~_~~~~,--~~~~~~~~~~_<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

die dort ansässige Bevölkerung. Das bedeutet, dass<br />

in den meisten Gemeinden und Quartieren zwar<br />

Arbeits- und Wohnplätze vorh<strong>and</strong>en sind und somit<br />

das Pendeln eigentlich nicht nötig wäre. Inwieweit<br />

dabei aber das Arbeitsplatzangebot den Wünschen<br />

und Bedürfnissen bzw. Möglichkeiten der dort<br />

wohnhaften Bevölkerung entspricht, bleibt natürlich<br />

durch diese Aussage ungeklärt.<br />

, Der Anteil des sekundären Sektors (vgI. Tab. 3.2.1) .<br />

ist sowohl in Oerlikon (38%) und Affoltern (36%),<br />

wie auch in WalJisellen (34%) und Rümlang (43%)<br />

relativ hoch. Das Erwerbsleben in Oerlikon ist noch<br />

stark geprägt von den traditionellen Unternehmen,<br />

gegründet in der Zeit der Industrialisierung. Dahingegen<br />

dominiert in Ober- und Unterstrass der tertiäre<br />

Sektor mit 87% bzw. 90%, hier haben sich Betriebe<br />

und Unternehmen <strong>im</strong> Bereich Unterricht und<br />

Forschung angesiedelt (z.B. Universität und <strong>ETH</strong>).<br />

Oerlikon spielte somit schon früh eine Nebenzentrumsfunktion<br />

für Zürich <strong>Nord</strong> (vgI. Kap: DER<br />

FALL). Unter- und Oberstrass sind hingegen noch<br />

eindeutig städtische Quartiere, der Kreis 12, Seebach<br />

und Affoltern <strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>quartiere und WalliseIlen,<br />

Rümlang und Regensdorf Agglomerationsgemeinden.<br />

Im gesamten Grossraum Zürich wird<br />

kreuz und quer gependelt, wobei die S-Bahn den<br />

Rahmen des Gebietes absteckt («postfordistische<br />

urbane Region», vgI. Hitz et aI., 1995).<br />

3.2.2 Wissen und Einstellungen bei der Bevölkerung<br />

der umliegenden Quartiere<br />

Die folgenden Ausführungen basieren a)lf den<br />

Gesprächen mit fünf AnwohnerInnen und neun<br />

MeinungsträgerInnen (vgI. Kap. 2 VORGEHEN UND<br />

M<strong>ETH</strong>ODEN). Sie dienen zur Illustration, wie das<br />

Projekt «ZZN» in den umliegenden Quartieren aufgenommen<br />

worden ist und welche Befürchtungen<br />

und Hoffnungen daran geknüpft werden. Aufgrund<br />

der beschränkten Anzahl der Interviews erheben<br />

diese Aussagen keinen Anspruch auf Repräsentativität<br />

und bleiben explorativ.<br />

Angebot an Informationen genügend, Bevölkerung fühlt<br />

sich aber nicht betroffen<br />

Die meisten der befragten Personen kennen das<br />

Planungsvorhaben nur in groben Zügen. Sie wissen,<br />

dass auf dem heutigen Industrieareal Wohnungen<br />

entstehen sollen. Daneben ist auch bekannt, dass<br />

eine Mischnutzung mit Industrie, Dienstleistungen<br />

und Wohnen geplant ist.<br />

Ein Anwohner. und ein Meinungsträger kamen<br />

beruflich in Kontakt mit dem Projekt. Die <strong>and</strong>ern<br />

. wurden mehrheitlich über die Zeitungen informiert.<br />

Einige der MeinungsträgerInnen hatten die Aus-<br />

stellung der Pläne am Bahnhof Oerlikon besucht,<br />

manche haben auch über Kollegen, Freunde oder<br />

Bekannte Informationen erhalten. Nur zwei der<br />

neun Meinungsträgednnen waren an einer Informationsveranstaltung.<br />

Erstaunlicherweise fühlt sich<br />

die Bevölkerung durch das Projekt nicht stark betroffen.<br />

«Die Zeitungen haben eigentlich genügend über<br />

das Projekt informiert. Die Betroffenheit der<br />

Bevölkerung scheint aber zu fehlen, da es sich<br />

um ein IQdustriegebiet h<strong>and</strong>elt und somit wenig<br />

Auswirkungen auf das alte Quartier hat.»<br />

(Meinungsträger)<br />

Hoffnung auf soziale Durchmischung, Ökologie<br />

und Vereinsräumlichkeiten<br />

Im allgemeinen sehen die Befragten·<strong>im</strong> Projekt eine<br />

Chance,etwas Neues realisieren zu können und gewisse<br />

Dinge wie z.B. Ökologie und soziale Aspekte,<br />

die bis jetzt lläufig vernachlässigt wurden, schon bei<br />

der Planung miteinzubeziehen.<br />

Die MeinungsträgerInnen haben sich über Platzmangel<br />

für Vereine beklagt und hoffen, durch das<br />

ZZNein grösseres Angebot an Räumlichkeiten zu<br />

erhalten.<br />

«Meine Hoffnungen sind, dass es eine soziale<br />

Durchmischung und Freizeitangebote für Kinder<br />

geben wird.» (Anwohnerin, 39)<br />

«Ich hoffe, dass viel Grün eingeplant wird,<br />

erschwingliChe Wohnungen, viele Spielplätze,<br />

autofreie Zonen entstehen werden und allgemein<br />

abwechslungsreich gebaut wird.»<br />

(Anwohnerin, 56)<br />

«Jetzt ist das Gebiet tot, ein Industriefriedhof.<br />

Es wäre schön, wenn es in etwas Lebendiges<br />

umgew<strong>and</strong>elt werden könnte. Grünflächen und<br />

Oemeinschaftsplätze sollten von Anfang an miteinbezogen<br />

werden, so ebenfalls die Kirche,<br />

wenn möglich in einer multikulturellen Form.>~<br />

(Meinungsträger)<br />

«Belebung des Quartiers, eine Vergrösserung des<br />

Angebots <strong>im</strong>kulturellen wie <strong>im</strong> gastronomischen<br />

Bereich und ein grässeres Gemeinschaftszentrum.<br />

Das GZ <strong>im</strong> ZZN ist für uns eigentlich zu<br />

weit weg. Auf jeden Fall ist das Angebot eines<br />

GZ dringend notwendig.» (Meinungsträger).<br />

Mehr Befürchtungen bei den AnwohnerInnen<br />

als bei den Meinungsträgerlnnen<br />

Die meisten der befragten AnwohnerInnen äusserten<br />

Befürchtungen in wirtschaftlicher Hinsicht.


<strong>Stadt</strong>entwicklung ----' _<br />

bezahlt die schönen Ideen? Wird man genügend<br />

Investorlnnen finden? Ist die Nachfrage nach dem<br />

ZZN 'genügend gross?», sind oft geäusserte Fragen.<br />

Ausserdern' wurden häufig Befürchtungen und auch<br />

Ängste <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Verkehr erwähnt.<br />

Die MeinungsträgerInnen 'äusserten dabei<br />

weniger Befürchtungen als die AnwohnerInnen.<br />

«Wir schätzen das Projekt <strong>im</strong> Gesamten sehr<br />

positiv ein, haben jedoch Befürchtungen in<br />

wirtschaftlicher Hinsicht. Wir sehen finanzielle<br />

Probleme, eventuell wird es schwer, Investoren<br />

zu finden.»<br />

(Meinungsträger)<br />

«Der Verkehr macht mir Angst. Ich glaube, dass<br />

die Planer in dieser Beziehung nicht ganz<br />

realistisch sind. Ausserdem sehe ich eine Diskrepanz<br />

in der Schaffung von neuen Parkanlagen<br />

Und dem Verschwinden von Grünflächen, was<br />

durch die Bebauung des Gebietes stattfinden<br />

wird.» (Anwohnerin, 39)<br />

«Man sollte den zusätzlichen Verkehr nicht<br />

durch die Quartiere lassen, d.h~ es ist eine gute<br />

Planung nötig. (...) Ganz allgemein sollte man<br />

stark auf den öffentlichen Verkehr setzen!»<br />

(Meinungsträger)<br />

«Bei uns ist <strong>im</strong> Bereich Verkehr vor allem die<br />

Kombination Verkehr und Kinder ein Thema. Es<br />

sind Ängste <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Binzmühlestrasse<br />

vorh<strong>and</strong>en. Während der Bauzeit<br />

(was länger dauert) werden dort viele LKW<br />

verkehren. Das bedeutet mehr Lärm und mehr<br />

Gefahren für die Kinder.» (Meinungsträger)<br />

Mischnutzung gewünscht<br />

Im grossen und ganzen sahen alle die Mischnutzung<br />

als etwas Sinnvolles. Durch diese' könnte mehr<br />

Leben und Atmosphäre entstehen. Die meisten<br />

empf<strong>and</strong>en die geplante Aufteilung der Nutzungen<br />

als gut. Angst hatten sie in ersterLinie vor den Im~<br />

missionen der dort angesiedelten Industriebetriebe.<br />

Weiter hatten sie den Eindruck, dass der Wohnanteil<br />

grössersein sollte als geplant, eventuell sogar am<br />

meisten Gewicht erhalten sollte.<br />

Alle MeinungsträgerInnen äusserten Zweifel daran,<br />

dass der geplante Anteil der öffentlichen Einrichtungen<br />

ausreicht, um die dringend nötigen sozialen<br />

Dienstleistungen gewährleisten zu können.<br />

«Der Verkehr kÖnnte theoretisch durch die Nähe<br />

des Arbeitsplatzes, der Wohnungen und der<br />

Einkaufsmöglichkeiten reduziert werden. Wenn<br />

die Leute jedoch nicht in der Nähe wohnhaft<br />

sind, so wird der Verkehr zunehmen. Ich sehe<br />

die Durchmischung nicht ganz unproblematisch.<br />

boch denke ich, dass dadurch mehr Atmosphäre<br />

entstehen kann.» (Anwohner, 66)<br />

«Ich finde es eine gute Lösung, wenn die Industriebereiche<br />

nicht zu lärmig und die Emissionen<br />

eingeschränkt sind.» (Anwohnerin, 39)<br />

«Die Zahlen sagen nicht viel aus. Öffentliche<br />

Einrichtungen, oder sogar eher Treffpunkte,<br />

braucht es jedoch eher mehr. Es ist aber nicht<br />

nur die Quantität, sondern auch deren Qualität<br />

entscheidend.»' (Meinungsträger)<br />

«Wir haben den Eindruck, dass der Anteil der<br />

öffentlichen Einrichtungen zu klein ist. Es ist<br />

auffallend, dass in Oerlikon sehr wenig Gemeinschaftsräume,<br />

He<strong>im</strong>e,etc. vorh<strong>and</strong>en sind. Oerlikon<br />

sollte unbedingt mehr Gemeinschaftsräume<br />

haben. Ebenfalls scheint der Anteil der Wohngeschossflächen<br />

<strong>im</strong> Vergleich zum Industrie- und<br />

Dienstleistungsanteil eher zu klein.»<br />

(Meinungsträger)<br />

3.2.3 Fazit<br />

Das Umfeld des ZZN präsentiert sich sehr vielgestaltig,da<br />

zwischen und innerhalb der einzelnen<br />

Quartiere bzw. Gemeinden grosse Unterschiede<br />

bestehen. Die. erfassten statistischen Kennzahlen<br />

sind nur Gesamtwerte der ganzen Quartiere bzw. Gemeinden.<br />

Eine detailliertere Untersuchung müsste<br />

sich auf die direkt angrenzenden Teile der Quartiere<br />

konzentrieren und die Übergänge zwischen dem<br />

ZZN und diesenTeilen genauer ins Auge fassen.<br />

Die sozioökonomischen Brüche lassen sich dabei<br />

nicht an der <strong>Stadt</strong>grenze festmachen, sie verlaufen<br />

vielmehr zwischen den Quartieren (oder sogar innerhalb)<br />

sowie zwischen den einzelnen Agglomerationsgemeinden<br />

(vgI. Hitzet aI., 1995). Dem Projekt ZZN<br />

kommt eine wichtige Funktion an dieser ScharniersteIle<br />

zwischen verschiedenen sozioökonomischen<br />

Strukturen zu: es muss entst<strong>and</strong>ene Lücken schliessen,<br />

und vor allem neue verhindern. Dazu sind<br />

gezielte Massnahmen nötig, die eine soziale Durchmischung<br />

entstehen lassen können, die z.B. die<br />

Ansiedlung von Familien erlauben. Anzustreben ist<br />

daneben eine Nutzungsdurchmischung, die ermöglicht,<br />

dass die <strong>im</strong> ZZN Arbeitenden auch dort wohnen<br />

können. Auffallend ist, dass Oerlikon als Quartier<br />

mit hohem Arbeitsanteilnicht nur aus Industrie<br />

und Gewerbe besteht, sondern jetzt schon einen<br />

Wohnanteil von 33% aufweist (864 ha der gesamten<br />

Bruttogeschossfläche von 2527 ha wurden 1994 für<br />

Wohnen gebraucht, vgI. Stat. Jahrbuch der <strong>Stadt</strong><br />

Zürich, 1995). Dies ist mehr, als <strong>im</strong> ZZNgeplant ist.<br />

Um den Bedürfnissen und Erwartungen der<br />

BewohnerInnen der umliegenden Quartiere gerecht<br />

114<br />

UNS-Fallstudie '96


_______--'-<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

zu werden, empfiehlt sich eine detaillierte, repräsentative<br />

Umfrage. Neben der Information über das<br />

Projekt sollte auch die Betroffenheit der Bevölkerung<br />

bewusst gemacht bzw. gezielt gefördert werden,<br />

indem sie z.B. durch Partizipation in die Planung<br />

miteinbezogen wird.<br />

, Die von uns befragten Personen haben mehrfach<br />

geäussert;dass die Bahnlinie mit den drei heute<br />

vorh<strong>and</strong>enen Unterführungen eine stark trennende<br />

Funktion hat. Folglich wird es notwendig sein, für<br />

weitere, «menschenfreundlichere» Durchgänge zu<br />

sorgen. Die Anbindung an Oerlikon erfordert dabei<br />

auch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs (vgL<br />

Kap. VERKEHR).<br />

3.3 Die St<strong>and</strong>ortqualität des ZZN<br />

3.3.1 St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

Unter St<strong>and</strong>ortfaktoren versteht man die st<strong>and</strong>ort~<br />

spezifischen Einflussgrössen, die die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der an diesem St<strong>and</strong>ort angesiedelten<br />

Unternehmen best<strong>im</strong>men. Daher führen sowohl<br />

Unternehmen zur Variantenbeurteilung von st<strong>and</strong>ortrelevanten<br />

Entscheidungen als auch InvestorInnen<br />

für die Nachfrageabschätzung bei Jmmobilieninvestitionen<br />

zur Entscheidungsfindung eine<br />

Analyse der St<strong>and</strong>ortfaktoren durch. Die hier dargestellte<br />

Charakterisierung von St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

basiert vorwiegend auf der Arbeit von Grabow et<br />

aL (1994).<br />

Harte St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

Die St<strong>and</strong>ortfaktoren lassen sich in harte und weiche<br />

unterteilen, wobei man unter der ersten Kategorie<br />

diejenigen Faktoren versteht, die sich direkt und gut<br />

messbar auf die Unternehmenstätigkeit auswirken.<br />

Dazu gehören z.B. die Steuerbelastung und Mietpreise.<br />

Für ein Unternehmen, das eine St<strong>and</strong>ortentscheidung<br />

treffen muss, spielen diese Faktoren<br />

in der Phase der vergleichenden Analyse mehrerer<br />

potentieller St<strong>and</strong>orte die wichtigste Rolle.<br />

Weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

Die St<strong>and</strong>ortfaktoren, die oben genannte Kriterien<br />

nicht erfüllen, zählt man zu den weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren.<br />

Sie lassen sich nochmals unterteilen in solche,<br />

die sich direkt auf die Unternehmenstätigkeit<br />

auswirken, aber nur schwe~ messbar sind, wie z.B.<br />

die Unternehmensfreundlichkeit der Behörden, und<br />

solche die nur eine indirekte Wirkung auf die Unternehmen<br />

haben. Dazu gehört u.a. die Lebensqualität<br />

einer Region, da dadurch die Bereitschaft von<br />

Arbeitskräften, in diese Region zu ziehen beeinflusst<br />

wird, was wiederum Rückwirkungen auf die Unternehmen<br />

hat.<br />

Die Entscheidungsrelevanz vOn weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

für Unternehmen lässt sich folgendermassen<br />

charakterisieren:<br />

• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren sind eher Pull- als Push­<br />

Faktoren (Einfluss durch hohe Qualität ist stärker<br />

als durch tiefe),<br />

• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren spielen für St<strong>and</strong>ortentscheidungen<br />

in den Phasen der Vorauswahlund<br />

der endgültigen Entscheidung eine stärkere Rolle<br />

als bei der vergleichenden Analyse,<br />

• die Bedeutung der weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren ist<br />

branchenspezifisch. Bsp.: Wohnen und Freizeit<br />

sind wichtiger für Unternehmen aus Wissenschaft,<br />

Unterricht, Kultur, Unterhaltung, etc., da sie auf<br />

hochqualifiziertes Personal angewiesen sind,<br />

• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren spielen fürEntscheidungen<br />

am St<strong>and</strong>ort (Ausbau, Schrumpfung, Bleibeentscheidung)<br />

eint< überdurchschnittliche Rolle.<br />

Eine ,Bedeutungszunahme der weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />

ist zu erwarten, aufgrund:<br />

• zunehmender Tertiärisierung,<br />

• wachsender Qualifikation der Beschäftigten,<br />

• neuer Produktionstechniken,<br />

• der Ausweitung der Arbeitsteilung und<br />

• des veränderten Verhältnisses Arbeit zu Freizeit.<br />

3.3.2 Ergebnisse zum ZZN<br />

Die St<strong>and</strong>ortsituation<br />

Um die ökonomische Situation des ZZN beurteilen<br />

zu können, ist es zunächst wichtig, die St<strong>and</strong>ortvoraussetzungen<br />

- oder <strong>and</strong>ers gesagt - die Angebotsseite<br />

näher zu beschreiben. Die Angaben in diesen<br />

Kapiteln orieritieren sich an einer Studie der Zürcher<br />

Kmitonalbank und des RegierQngsrates des Kantons<br />

Zürich (Bretschger et aL, 1995) sowie der Konjunkturforschung<br />

BaselAG (Koellreuter et ai., 1995).<br />

Nationale undregionale St<strong>and</strong>ortcharakteristika<br />

Die wichtigsten St<strong>and</strong>ortvorteile der Schweiz sind:<br />

• die politisch stabile Lage,<br />

• die' Vielsprachigkeit,<br />

• die gut ausgebaute Telekommunikation,<br />

• die hohe Lebensqualität und<br />

• diereladv niedrigen Steuern.<br />

Zudengravieren4sten Nachteilen zählen:<br />

• die hohen Lohnkosten,<br />

• der kleine Markt,<br />

• die Abschottung von der EU und<br />

• die strenge Immigrationspolitik.<br />

Der Nachteil der hohen Lohnkosten wird jedoch<br />

von der hohen Effizienz und Produktivität in der<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

115


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

---- --------~-----------__<br />

Schweiz relativiert, die zu tieferen Lohnstückkosten<br />

führt. Die Schweiz eignet sich heute aus unternehmerischer<br />

Sicht vor allem als St<strong>and</strong>ort für Unternehmen<br />

mit hoher Wertschöpfung.<br />

Zürich zeichnet sich gegenüber der Schweiz durch<br />

eine Konzentration von Headquarterfunktionen und<br />

Unternehmensdienstleistungen, besonders <strong>im</strong> Finanzbereich<br />

aus (vgL Muggli & Schulz, 1992). In der<br />

Studie der Zürcher Kantonalbank (Bretschger et aL,<br />

1995) wurde der St<strong>and</strong>ortfaktor «Nähe zu anspruchsvollen<br />

Kunden» für den Zürcher Wirtschaftsraum<br />

besonders gut beurteilt.<br />

Der St<strong>and</strong>ort ZZN <strong>im</strong> Vergleich mit Konkurrenzarealen<br />

Im Rahmen der Investoren- und Nutzerbefragung<br />

wurde auch nach den Vor- und Nachteilen der folgenden<br />

vergleichbaren Areale <strong>im</strong> Grossraum Zürich<br />

gefragt: HB-Südwest (Eurogate), Baden <strong>Nord</strong>,<br />

Sulzer-Escher Wyss-Areal, Glattbrugg/Opfikon und<br />

Dübendorf.<br />

Zu den wiChtigsten Vorteilen des ZZN zählen<br />

seine Nähe zum Flughafen und die gute Anbindung<br />

an das öffentliche Verkehrsnetz.<br />

Gegenüber dem St<strong>and</strong>ort HB-Südwest, der durch<br />

seine gute Lage hervorsticht, hatte das ZZN zum<br />

Zeitpunkt der Fallstudie den Vorteil der geringeren<br />

Kosten und der höheren Planungssicherheit. Der<br />

Hauptkonkurrent für das ZZN dürfte das Sulzer­<br />

Escher Wyss-Areal sein, das sich durch seine zentrale<br />

Lage, Infrastruktur und fortgeschrittenen Planungsst<strong>and</strong><br />

auszeichnet. Diese Vorteile werden etwas<br />

relativiert durch die hohen Immissionen in diesem<br />

Gebiet. Damit sich das ZZN als St<strong>and</strong>ort gegenüber<br />

dem Sulzer-Escher Wyss-Areal behaupten kann, ist<br />

es wichtig, mit einer intelligenten Verkehrsplanung<br />

<strong>im</strong> ZZN übermässige Immissionen zu vermeiden.<br />

Opfikon ist wegen der schlechteren öffentlichen<br />

Verkehrserschliessung deutlich weniger attraktiv.<br />

Perspektiven der AktelIre<br />

Nachdem <strong>im</strong> vorhergehenden Kapitel versucht<br />

wurde, die St<strong>and</strong>ortbedingungen des ZZN zu umreissen,<br />

soll in diesem Kapitel das Interessengefüge<br />

zwischen den Grundeigentümerlnnen, InvestorInnen<br />

und späteren NutzerInnen dargestellt werden.<br />

Grundeigentümer!nnen<br />

Unter industriellen Grundeigentümerlnnen ist weltweitdie<br />

Tendenz zu beobachten, dass Produktionsst<strong>and</strong>ort<br />

und Büros gemietet und nicht selbst erstellt<br />

werden. Als wesentliche Gründe sind zum einen die<br />

Konzentration auf höhere· Rendite versprechende<br />

Kerngeschäfte und zum <strong>and</strong>eren der Verkauf von<br />

Grundstücken, was die Liquidität für diese Kerngeschäfte<br />

erhöht. Bei den Kerngeschäften werden<br />

dabei Renditen von bis zu 13% angestrebt, während<br />

der Immobilienmarkt nur ein «return of investment»<br />

von 6-7% einbringt.<br />

Die Interessen der Grundeigentümerlnnen wurden<br />

in informellen Gesprächen abgeklärt. Da diese<br />

Interessen bei allen befragten Eigentümerlnnen<br />

ähnlich gelagert sind, werden sie <strong>im</strong> weiteren Text<br />

zusammengefasst und als Ganzes beh<strong>and</strong>elt.<br />

Im allgemeinen besteht bei den befragten Grundeigentümerlnnen<br />

des ZZN die Bereitschaft zu verkaufen.<br />

Am günstigsten wäre für die Grundeigen·<br />

tümerlnnen ein direkter Verkauf von Grundstücken.<br />

Da jedoch Investorlnnen weniger in den Bau von<br />

Immobilien investieren, müssen die Grundeigentümerlnnen<br />

die Projektplanung und Suche nach<br />

möglichen NutzerInnen selbst durchführen, um<br />

dann den Investorlnnen ein fertiges Paket mit einigermassen<br />

sicherer Rendite verkaufen zu können.<br />

Bauinvestor!nnen<br />

Investorlnnen kaufen Grundstücke und finanzieren<br />

den Bau von Gebäuden. Entscheidend ist dabei, dass<br />

NutzerInnen gefunden werden, da man davon ausgehen<br />

kann, dass in der Schweiz genügend Geld und<br />

Investorlnnen vorh<strong>and</strong>en sind. Die meisten GeldgeberInnen,<br />

die in den Immobilienbau investieren,<br />

sehen dies als eine mögliche Form der langfristigen<br />

Geldanlage. Bei höherer Sicherheit und unter<br />

Berücksichtigung hoher Inflationsraten werden <strong>im</strong><br />

Immobilienbereich auch Investitionen attraktiv,<br />

durch die eine etwas tiefere Rendite erzielt wird.<br />

Alle Investorlnnen nannten als notwendige Bedingung,<br />

um eine Investition in den Bau von Dienstleistungsgebäuden<br />

vorzunehmen, dass. ihnen bereits<br />

NutzerInnen bekannt sein müssten. Als weitere notwendige<br />

Bedingung wurde eine min<strong>im</strong>ale gesicherte<br />

Bruttorendite von 6.5% auf die Gesamtinvestition<br />

angegeben. Für Wohnungsbau wurden 800.- Fr. pro<br />

m Z als max<strong>im</strong>aler Bodenpreis genannt.<br />

Folgende Bedingungen wurden mindestens einmal<br />

als für. eine Investition notwendig bezeichnet:<br />

• Die Sonderbauvorschriften für das ZZN enthalten<br />

Best<strong>im</strong>mungen, die spätere Baubewilligungsverfahren<br />

erleichtern und beschleunigen. Im weiteren<br />

sollen sie auch keine verbindlichen Vorgaben für<br />

Gebäudeformen enthalten.<br />

• Der öffentliche Nahverkehr <strong>im</strong> ZZN wird soweit<br />

ausgebaut, dass keine Verkehrsengpässe entstehen<br />

und dennoch.übermässige Emissionen vermieden<br />

werden.<br />

• Das ZZN muss eine'hohe ökologische Qualität<br />

aufweisen.<br />

Grundsätzlich sind für die Investorlnnen alle Massnahmen<br />

positiv, die in ihren Augen die Attraktivität<br />

des ZZN für spätere NutzerInnen erhöhen. Dabei<br />

wurden von den Investorlnnen <strong>im</strong> Wohnbereich die<br />

116<br />

UNS-Fallstudie '96


------- ------,...---- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren wie Lebensqualität und<br />

ökologische Qualität des Gebietes höher eingestuft<br />

als von den übrigen Investorlnnen. Dafür spielt<br />

für die letzteren das überregionale Image dieses<br />

<strong>Stadt</strong>teils eine grössere Rolle. Im allgemeinen kann<br />

man davon ausgehen, dass sich diese Präferenzen<br />

an denen der anvisierten NutzerInnen orientieren.<br />

Völlig unabhängig von den Wünschen der NutzerInnen<br />

sind jedoch die Anforderungen der Bauinvestorlnnen<br />

aß' die Sonderbauvorschriften. Die Dauer<br />

von Baubewilligungsverfahren ist ein entscheidender<br />

Faktor für die Attraktivität einer Investition.<br />

Hier gibt es insbesondere die Befürchtung, dass eine<br />

Abweichung von den in den Sonderbauvorschriften<br />

vorgesehenen Gebäudeformen das Bewilligungsverfahren<br />

verzögern kann.<br />

Nachfrage durch NutzerInnen<br />

Die entscheidende Grösse für das Markrgeschehen<br />

ist das Vorh<strong>and</strong>ensein potentieller NutzerInnen.<br />

Diese NutzerInnen kann man grob unterteilen in<br />

Private als Mieter von Wohnungen .und Unternehmen<br />

als Mieter von Dienstleistungs- und Produktionsflächen.<br />

Unternehmen sind bereit, höhere<br />

Mietzinsen .zu zahlen, wenn sie eine genügende<br />

Rendite erzielen können und auf dem Markt keine<br />

vergleichbaren und günstigeren Angebote vorh<strong>and</strong>en<br />

sind. Dennoch wird heute eher in den Wohnungsbau<br />

investiert, denn hier lassen sich zur Zeit<br />

leichter AbnehmerInnen finden als <strong>im</strong> gesättigten<br />

Büromarkt (vgl. Wüest und Partner, 1996). Die Nachfrage<br />

nach den neu <strong>im</strong> ZZN entstehenden Gebäuden<br />

ist die entscheidende GrösSe für die Entwicklung<br />

dieses Gebietes und gleichzeitig am schwierigsten<br />

zu erfassen.<br />

Die zukünftigen NutzerInnen von Wohngebäuden<br />

<strong>im</strong> ZZN sind noch nicht <strong>im</strong> einzelnen bekannt.<br />

ProjektplanerInnen versuchen mit Analysen des<br />

Wohnungsmarktes den künftigen Bedarf abzuschätzen.<br />

Man orientiert sich dabei am Wohnangebot der<br />

Umgebung. Voraussichtlich werden <strong>im</strong> ZZN grösstenteils<br />

Wohnungen der unteren bis mittleren Preisklasse<br />

entstehen. Die Belastung durch den Fluglärm<br />

und das schlechte Image des <strong>Stadt</strong>teils schmälern die<br />

Attraktivität des Gebietes als Wohnst<strong>and</strong>ort.<br />

Es ist zur Zeit schwierig, AbnehmerInnen für<br />

Büroflächen zu finden (vgl. Abb. 1.1.4 <strong>im</strong> Kap. EIN.­<br />

LEITUNG). Daher wird versucht, besonders für die<br />

Toplagen in Bahnhofnähe Unternehmen als Mieter<br />

zu gewinnen, die an neuen Büroflächen interessiert<br />

sind. Es laufen bereits Gespräche mit' einzelnen<br />

InteressentInnen aus dem Bereich Finanzdienst~<br />

leistung, doch sind bislang nur Citybank und Mövenpick<br />

Hote/bekannt gegeben worden.<br />

Die Industrieflä,chen <strong>im</strong> ZZN werden auch in Zukunft<br />

nur von den jetzigen Grundeigentümerlnnen<br />

genutzt. Ein Zuzug neuer grossindustrieller NutzerInnen<br />

erscheint bei der heutigen Situation wenig<br />

wahrscheinlich, da der Platzbedarf der Industrie zur<br />

Zeit generell zurückgeht (wirtschaftlicher Strukturw<strong>and</strong>el<br />

und schlanke Produktion, vgl. Abb. 1.1.3.1<br />

<strong>im</strong> Kap. EINLEITUNG).<br />

Eine <strong>and</strong>ere Form der Nutzung stellt die Zwischennutzungdar.<br />

Unter Zwischennutzungen versteht man<br />

die vorübergehende Nutzung leerstehender Industriegebäude<br />

und ~flächen, die ohne grössere Inve-<br />

, stitionen möglich sind. Diese NutzerInnen stammen<br />

meistens aus dem Kultur- und Unterhaltungsbereich<br />

(Freiräume für Kunst, Sport, Theater, Musik,<br />

Ateliers, etc.) und dem (Klein-) Gewerbe. Da von<br />

solchen NutzerInnen <strong>im</strong> Normalfall keine hohen<br />

Mieteinnahmen zu, erwarten sind, werden sie von<br />

den Grundeigentümerlnnen meist als Übergangslösung<br />

geduldet, bis zahlungskräftigere MieterInnen<br />

gefunden sind. Diese NutzerInnen werden daher mit<br />

kurzfristigen Mietverträgen Vorlieb nehmen müssen.<br />

Als Eigentümerin von leerstehenden Industriegebäuden<br />

und benachbarter grosser Wohnflächen,<br />

bevorzugt die Oerlikon-Bührle Zwischennutzungen,<br />

die die Attraktivitätdes Wohngebietes steigern, ohne<br />

dass sie sich nach eigener Angabe aktiv um solche<br />

NutzerInnen bemüht. Absprachen von Oerlikon­<br />

Bührle mit <strong>and</strong>erep Grundeigentümerlnnen existieren<br />

nicht. Auch <strong>and</strong>ere GrundstückbesitzerInnen<br />

stehen Zwischennutzungen nicht grundsätzlich ,ablehnend<br />

gegenüber, es bestehen jedoch noch keine<br />

konkreten Verträge;<br />

3.3.3 fazit<br />

Aufgrund der Marktsituation gibt es <strong>im</strong> ZZN gegenwärtig<br />

die konkretesten Bauvorhaben be<strong>im</strong>Wohnungsbau.<br />

Gleichzeitig spielen für die Wohnbauinvestorlnnen<br />

Lebensqualität und ökologische Qualität<br />

eine grössere Rolle. Somit ist es auch aus unternehmenspolitischen<br />

Gründen geboten, besondere<br />

Anstrengungen zur Verbesserung dieser Faktoren zu<br />

unternehmen.<br />

Wenn in Zukunft bei verändertem Freizeitverhalten<br />

und flexiblen Arbeitszeiten die Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> Umfeld des Arbeitsplatzes als wichtiger Wert<br />

erkannt wird (vgl. Grabow et al., 1994), könnte die<br />

Tatsache, dass sich das ZZN als attraktiver (Wohn-)<br />

Ort etabliert hat, auch seinen Marktwert für NutzerInnen<br />

<strong>im</strong> Dienstleistungsbereich steigern. So hat<br />

dieStudie der IG Zürcher Unternehhler (IZU, 1996)<br />

gezeigt, dass es in den attraktiven Kreisen 6 und<br />

7 auch bei hohen Mietpreisen keine hohen Büroleerstände<br />

gibt.<br />

Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang<br />

auch innovative Massnahmen in der Verkehrsplanung.<br />

Sie könnten auf der einen Seite die Wohn-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

117


<strong>Stadt</strong>entwicklung__~ --:- ---,-_----, -,- _<br />

qualität des ZZN verbessern und <strong>and</strong>ererseits ein<br />

überregionales positives Image eines fortschrittlichen<br />

<strong>Stadt</strong>teiles schaffen. Dies begünstigt die Ansiedlung<br />

innovativer Unternehmen. Die Beteiligung<br />

von Unternehmen an solchen Projekten bietet auch<br />

eine Profilierungsmöglichkeit.<br />

Zudem lässt das Überangebot auf dem ImmobilienIilarkt<br />

Freiräume für Zwischennutzungen und<br />

kann so zu einem vielseitigen Bild des ZZN beitragen.Es<br />

besteht allerdings die Gefahr, dass durch<br />

die Zwischennutzungen die Nutzungsziele des Entwicklungsleitbildes<br />

aus den Augen verloren werden.<br />

In einem Nachfragemarkt muss jeder St<strong>and</strong>ort<br />

innerhalb einer Region seine Nische finden. Daher<br />

sollten Massnahmen, die darauf abzielen, die St<strong>and</strong>ortqualität<br />

des ZZN zu erhöhen, auf die spezifischen<br />

Stärken und Schwächen des ZZN zugeschnitten<br />

sein. Gegenüber St<strong>and</strong>orten in der Innenstadt kann<br />

sich das ZZN durch niedrigere Bodenpreise und eine<br />

. hohe ökologische Qualität auszeichnen. Letzteres<br />

betrifft die Verkehrsplanung (vgL Kap. VERKEHR)und<br />

vor allem die Gestaltung der Grünflächen (vgL Kap.<br />

GRÜNRAUM).<br />

Die Chancen des ZZN hängen von der generellen<br />

Situation des St<strong>and</strong>ortes Grossraum Zürich ab. Wie<br />

aus verschiedenen Analysen (z.B. Rossi & Steiger,<br />

1995) ersichtlich wird, befindet sioch Zürich als europäischer<br />

Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort gegenwärtig eher in<br />

absteigender Tendenz. Wesentlich wären hier Massnahmen<br />

zur Verbesserung der St<strong>and</strong>ortqualität (vgL<br />

Bretschger et aL, 1995), die von der Erleichterung<br />

der Vergabe von Arbeitsbewilligungen für ausländische<br />

Fachkräfte über Erleichterung von Investitionen<br />

für ausländische Unternehmen (Lex Friedrich)<br />

bis zu einem aktiven St<strong>and</strong>ortmarketing reichen<br />

können.<br />

4. Szenarien und zukünftige<br />

Entwicklungen<br />

Die zukünftige Entwicklung für das ZZN wurde in<br />

zwei Stufen erarbeitet: zuerst wurden mittels einer<br />

formativen Szenanoanalyse (Scholz et aL, 1995; Scholz<br />

et aL, 1996) Szenarien für die Entwicklung des<br />

Grossraumes Zürich bis zum Jahre 2011 entwickelt·<br />

(Rahmenbedingungen, vgL Tab. 4.1.1 und 4.1.2).<br />

Dazu mussten die Systemeigenschaften abgeschätzt<br />

und die wichtigsten exogenen Einflussfaktoren und<br />

deren gegenseitige Beeinflussung best<strong>im</strong>mt werden.<br />

Die daraus entstehende Einflussmatnx wurde anschliessend<br />

mit System Grids und gerichteten Graphen<br />

visualisiert und mittels der MIC-MAC-Analyse dyna­<br />

!!lisiert, d.h. die indirekten Einflüsse best<strong>im</strong>mt. Mit<br />

einer Trendprojektion wurden theoretisch mögliche<br />

Zukunftszustände ermittelt, die, durch eine detaillierte<br />

Konsistenzanalyse auf interne Widersprüche<br />

üntersucht wurden. Der ganze Prozess bis 'zur Best<strong>im</strong>mung<br />

der endgültigen Szenarien dauerte über<br />

fünf Wochen. Die Bearbeitung erforderte vier<br />

Studierende und die Unterstützung durch einen<br />

erfahrenen MethodentiItor und mehrere FachexpertInnen.<br />

(vgL Kap. 2 VORGEHEN UND M<strong>ETH</strong>ODEN und<br />

Kap. FORMATIVE SZENARIOANALYSE).<br />

Aus die,sen Rahmenbedingungen und den Resultaten<br />

der Teilprojekte (Schlussberichte und Thesenpapiere<br />

zu möglichen Zukunftszuständen) wurden<br />

dann konkrete Entwicklungsvarianten für das ZZN<br />

abgeleitet. Als Hilfsmittel für die Konstruktion<br />

diente die Vanantenmatnx (siehe Tab. 4.1.3 und<br />

4.1.4). Die erstellten Varianten wurden anschliessend<br />

ebenfalls bezüglich interner Konsistenz geprüft. Die<br />

Best<strong>im</strong>mung dieser Variariten erforderte einen Aufw<strong>and</strong><br />

von mehr als zwei Wochen unter Mitarbeit<br />

von sechs Studierenden, allen fünf Tutoren und weiteren<br />

FachexpertInnen.<br />

Es konnten somit konkrete Vorstellungen erarbeitet<br />

werden, wie das Areal in 15 Jahren aussehen<br />

könnte, welche Auswirkungen (positive wie negative,<br />

intendierte und nicht-intendierte) das Entwicklungsleitbild<br />

des ZZN zeitigen kann. Diese Szenarien<br />

und Entwicklungsvarianten stellen hypothetische<br />

Zukunftsbilder dar, sie beschreiben verschiedene<br />

neue Zustände in allen möglichen Schattierurigen.<br />

Im Gegensatz zur Prognose entstehen diese Zukunftsbilder<br />

bewusst losgelöst von der Gegenwart,<br />

d.h. es werden auch Szenarien in Betracht gezogen,<br />

die aus heutiger Sicht unwahrscheinlich erscheinen.<br />

Die 'Wahrscheinlichkeit, mit der ein best<strong>im</strong>mtes·<br />

Szenario eintreffen wird, ist weniger wichtig (diese<br />

könnten mit einer Cross-Impact Analyse ermittelt werden,<br />

vgL Götze, 1993). Szenarien sind ein Werkzeug,<br />

um exogene Rahmenbedingungen und den eigenen<br />

118<br />

UNS-Fallstudie '96


------------------'-------<br />

--'-__<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Szenario 1<br />

«Wirtschaftlicher<br />

<strong>Aufbruch</strong>»<br />

Szenario 2<br />

«Orientiel1lngslosigkeit<br />

und Krise»<br />

Szenario 3<br />

«Polarisierung"<br />

Szenario 4<br />

«Neue gesellschaftliche<br />

Werte»<br />

Bevölkerungszahl<br />

zunehmend<br />

abnehmend<br />

zunehmend<br />

leicht zunehmend<br />

Lebensqualität<br />

hoch<br />

tief<br />

tief<br />

hoch<br />

Arbeitsmarktstruktur<br />

Diversifizierung hoch<br />

Polarisierung schwach<br />

Diversifizierung tief<br />

Polarisierung stark<br />

Diversifizierung hoch<br />

Polarisierung stark<br />

Diversifizierung hoch<br />

Polarisierung schwach<br />

Branchenspezifische<br />

Konjunkturlage<br />

Dienstleistung Boom<br />

Industrie Boom<br />

Dienstleistung Krise<br />

Industrie Krise<br />

Dienstleistung Boom<br />

Industrie Krise<br />

Dienstleistung.Stagnation<br />

Industrie Krise<br />

Räumliche<br />

Konzentration<br />

schwach<br />

stark<br />

schwach<br />

schwach<br />

EU-CH<br />

Integration<br />

Alleingang<br />

Integration<br />

Integration<br />

Umweltgesetzgebung<br />

Verschärfung<br />

Lockerung<br />

Lockerung<br />

Verschärfung<br />

Raumplanung . interventionistisch liberalistisch 'liberalistisch<br />

interventionistisch<br />

....................:.<br />

Umgang mit Ressourcen nachhaltig verschwenderisch verschwenderisch nachhaltig<br />

Umweltbelastung schwach stark stark schwach<br />

Tob. 4.1.1 Überblick der erstellten Szenarien für den Grossraum Zürich <strong>im</strong> Jahre 2011. Die Tabelle zeigt Szenario 1 mit hoherLebensqualität, Szenario<br />

2 mit tiefer Lebensqualität, Szenario 3 mit einem extrem polarisierten Arbeitsmarkt undSzenario 4 mit wirtschaftlicher Stagnation.<br />

Bevölkerungszahl<br />

Lebensqualität<br />

Struktur des<br />

Arbeitsmarktes<br />

• abnehmende Bevölkerungszahl<br />

. • zunehmende Bevölkerungszahl<br />

• hohe Lebensqualität: weitgehende<br />

Befriedigung der Bedürfnisse und ein<br />

hohes Wohlbefinden<br />

'. tiefe Lebensqualität: teilweise<br />

. Befriedigung der Bedürfnisse und<br />

tiefes Wohlbefinden<br />

• hohe Diversifizierung: starke Spezialisierung<br />

der Arbeitskräfte<br />

• tiefe Diversifizierung: geringe Spezialisierung<br />

der Arbeitskräfte<br />

• starke Polarisierung: Gegensatz von gut<br />

und schlecht entlöhnten Arbeiten (Lohn-.<br />

gefälle), schlechte Arbeitsbedingungen,<br />

viele ungesicherte Arbeitsplätze<br />

• schwache Polarisierung: Arbeitsmarkt<br />

durchmischt, alle Lohnklassen vertreten,<br />

Arbeitsplätze gesichert<br />

Räumliche<br />

Konzentrationstendenzen<br />

Umweltgesetzgebung<br />

EU-CH<br />

Raumplanung<br />

• schwache räumliche Konzentrationstendenz:<br />

Unternehmen investieren eher<br />

an peripheren Lagen, esbesteht also<br />

die Tendenz zur räumlichen Dekonzentration<br />

• starke räumliche<br />

Konzentrationstendenz: Unternehmen<br />

investieren vorwiegend <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong><br />

• Verschärfung der Gesetzgebung: viele<br />

Auflagen sowie Lenkungsmassnahmen<br />

• Lockerung der Gesetzgebung: wenige<br />

Auflagen und grosse Freiheiten<br />

• Integration: die Schweiz ist in die EU<br />

integriert<br />

• Alleingang: die Schweiz ist nicht in die<br />

EU integriert<br />

• interventionistisch: viele Auflage'n<br />

• liberalistisch: viele Freiheiten gewährend<br />

BranchensPezifische<br />

Konjunkturlage<br />

• Boom unternehmensorientierte Dienstleistungen:<br />

wirtschaftlicher Aufschwung<br />

<strong>im</strong> Bereich Dienstleistungen<br />

• Krise unternehmensorientierte Dienstleistungen:<br />

Stagnation oder Krise <strong>im</strong><br />

Bereich.Dienstleistungen<br />

• Boom Industrie: wirtschaftlicher Aufschwung<br />

<strong>im</strong> Bereich Industrie<br />

• Krise Industrie: Stagnation oder Krise<br />

<strong>im</strong> Bereich Industrie .<br />

Umweltbelastung<br />

Umgang mit<br />

Ressourcen<br />

• stark: die Umv.:eltbelastung n<strong>im</strong>mt zu<br />

• schwach: die Umweltbelastung n<strong>im</strong>mt ab<br />

• nachhaltig:·schonender Umgang mit<br />

Ressourcen unter Berücksichtigung der<br />

Bedürfnisse kommender Generationen<br />

• verschwenderisch: keine Bemühungen,<br />

wenig Ressourcen zu verbrauchen<br />

Tob. 4.1.2 Definitionen der Ausprägungen in der Tabelle 4.1.1.<br />

UNS-Fallstudie '96 119


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

_<br />

Arbeitsflächenanteil<br />

.....................<br />

in~ernat. Headquarter<br />

..........................<br />

Grosse Dienstleistungsbetriebe<br />

Grosse Industriebetriebe<br />

Kleine und mittlere<br />

Unternehmen<br />

...........................<br />

Gesamtfläche<br />

Szenario ((Wirtschaft·<br />

Iicher <strong>Aufbruch</strong>»<br />

ZZN Variante 1<br />

2<br />

3<br />

2<br />

4<br />

4<br />

Szenario «Orientierungs· Szenario «Polarisierung» Szenario «Neue gesell·<br />

losigkeit und Krise»<br />

schaftliehe Werte»<br />

ZZN Variante 2 ZZN Variante 3 ZZN Variante 4<br />

o<br />

o<br />

o ......................<br />

3<br />

1<br />

. .<br />

2<br />

1<br />

4<br />

2<br />

2<br />

4<br />

1<br />

. ..<br />

4<br />

3<br />

Realisierte Wohnfläche<br />

.................<br />

Gesamtfläche hoher<br />

St<strong>and</strong>ard .<br />

Gesamtfläche mittlerer<br />

St<strong>and</strong>ard<br />

Gesamtanteil 0<br />

4<br />

4<br />

4<br />

o<br />

o<br />

2 0<br />

3<br />

3 2<br />

Soz. Durchmischung<br />

.............................................<br />

Anteil Kinder<br />

Gesamte Durchmischung<br />

3<br />

1<br />

o<br />

o<br />

4<br />

4<br />

................<br />

1<br />

2<br />

Preis<br />

Bodenpreis<br />

4<br />

o<br />

3<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

Anteil soi. Dienstleistungen<br />

Raum füröff. und<br />

kulturelle Nutzung<br />

Gesamtanteil<br />

2<br />

1<br />

o<br />

1<br />

o<br />

2<br />

2<br />

Verkehr<br />

Anzahl Parkplätze<br />

.......... .<br />

Anteil Langsamverkehr<br />

Realisierungsgrad ÖV (%)<br />

....... ............................•..................<br />

Durchgangsverkehr<br />

3<br />

1<br />

4<br />

3<br />

1<br />

- .<br />

o<br />

o<br />

2<br />

2<br />

1<br />

3<br />

2<br />

4·<br />

o<br />

1<br />

. .<br />

4<br />

Zupendlerlnnen<br />

Anteil Langsamverkehr<br />

................ .. .<br />

2<br />

Anteil ÖV 3<br />

Gesamtanteil 4<br />

o<br />

o<br />

2<br />

. ... ..... .<br />

3<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

.. .<br />

4<br />

Realisierungsgrad<br />

.............................<br />

Anteil Zwischennutzung<br />

.............................. .<br />

Konzentration<br />

1<br />

4<br />

3<br />

. ..<br />

1<br />

4<br />

1<br />

2<br />

<strong>Stadt</strong>qualität<br />

Qualität der öff. Aussenräume<br />

Architektonische Qualität .<br />

Partizipation<br />

................ .<br />

Ökologische Qualität<br />

3<br />

3<br />

. ..<br />

1<br />

3<br />

o·<br />

?<br />

1<br />

4<br />

..............<br />

4<br />

2<br />

3<br />

. .<br />

2 .................... .<br />

4<br />

2<br />

ọ ......................<br />

1<br />

120<br />

UNS-Fallstudie '96


________________--'- --'- '-- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

H<strong>and</strong>lungsspielraum zu identifizieren und um Leitbilder<br />

und ihre Auswirkungen unter verschiedenen<br />

Rahmenbedingungen kritisch zu überprüfen.<br />

4.1 Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong><br />

4.1.1 Szellllrio«Wirtschllftlicher <strong>Aufbruch</strong>"<br />

Stllllt ulld Politik<br />

Nach langem Zögern tritt die Schweiz der Europäischen<br />

Union bei. Die positiven Konsequenzen<br />

dieses Beitritts überwiegen - insbesondere die<br />

Schweizer Wirtschaft erlebt einen Boom. Der Transitverkehr<br />

n<strong>im</strong>mt allerdings enorm zu, und die<br />

ohnehin schon strapazierte Umwelt wird noch stärker<br />

belastet. Als Reaktion darauf schliesst sich die<br />

Schweiz mit Schweden, Holl<strong>and</strong> und Deutschl<strong>and</strong><br />

zusammen, damit sie gemeinsam Druck auf Brüssel<br />

ausüben können. Und tatsächlich: Innert relativ<br />

kurzer Zeit verabschiedet die EU ein völlig neues<br />

Umweltschutzgesetz. Mit Lenkungsmassnahmen<br />

und strengen Vorschriften, um das Verursacherprinzip<br />

und die Internalisierung der externen Kosten<br />

voll durchzusetzen. Auch die Raumplanung wird<br />

interventionistischer; das Raumplanungsgesetz wird<br />

revidiert und enthält neu ul1~.fassendeMassnahmen,<br />

um die Siedlungsentwicklung zu steuern.<br />

Wirtschl1ft<br />

Die weitgehende Verwirklichung wirtschaftlicher<br />

Freiheiten <strong>im</strong> GÜter-, Dienstleistungs-, Kapital- und<br />

Personenverkehr trägt zum wirtschaftlichen Auf·<br />

schwung bei. Die Branchen «Unternehmensorientierte<br />

Dienstleistungen» sowie «Maschinen und<br />

Apparate» boomen, und das Arbeitsplatzangebotist .<br />

vielfältig. Die kritische Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />

hat sich entschärft. Wegen den hohen Bodenpreisen<br />

in der Innenstadt investieren Unternehmen vermehrt<br />

an peripheren Lagen. Jedoch nicht verstreut<br />

<strong>im</strong> L<strong>im</strong>mat- und Glattal, sondern in der Nähe von<br />

S-Bahnstationen, wie es das geänderte Raumplanungsgesetz<br />

vorschreibt.<br />

Tob. 4.1.3 Variantenmatrix: ZZN-Entwicklungsvarianten für dos Jahr<br />

2011 <strong>im</strong> Überblick (Zohlenwette entsprechen einer ordinalen Rangreihenfolge<br />

der verschiedenen Varianten: z.B. Variante 3 hot, die beste ökologische<br />

Qualität, Varianten 2 und4 die schlechteste; ein Fragezeichen bedeutet, dass<br />

zu dieser Variante keine Aussage möglich war).<br />

Die Tabelle zeigt Variante 1 als verdichteten <strong>Stadt</strong>teil mit vielfältigen<br />

Arbeitsplätzen und geringer sozial,!r Durchmischung, Variante 2 ohne<br />

Umsetzung des Leitbildes undmit wenigen, isolietten Neubauten, Variante<br />

3 als Dienstleistungszentrum mit min<strong>im</strong>alem Wohnanteil und räumlicher<br />

Polarisierung und Variante 4 als vielfältiges, lebendiges Wohnquartier mit<br />

wenig Kleingewerbe.<br />

Eine Vielzahl innovativer Kleinunternehmen entsteht<br />

- vor allem <strong>im</strong> Grossraum Zürich. Ein zunehmender<br />

Anteil der Arbeitnehmerlnnen führt<br />

qualifizierte und befriedigende Arbeiten durch,<br />

die Diversifizierung des Arbeitsmarkts n<strong>im</strong>mt zu.<br />

Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Polarisierung ab: Es etablieren<br />

sich Teilzeitarbeitsmodelle (mit Gesamtarbeits-<br />

Block<br />

Afbeitsfläche<br />

Block Wohnfläche<br />

Block Soziale<br />

Durchmischung<br />

• Raum für persönliche Dienstleistun-<br />

gen: privat angebotene Einrichtungen<br />

wie Gastgewerbe, Reparaturen,<br />

Reinigung und sonstige Dienste<br />

• Raum für kulturelle/soziale Dienstleistungen:·<br />

öffentlich-kulturelle<br />

Einrichtungen wie Theater- und Musikbühnen<br />

sowie öffentliche Verwaltung,<br />

Gesundheit und Unterricht<br />

• Geamtbeurteilung: unter <strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />

fallen alle möglichen<br />

Beweggründe für Menschen, die ausserhalb<br />

wohnen und arbeiten, das ZZN<br />

für kulturelle Veranstaltungen,<br />

Einkauf, Freizeit oder als Treffpunkt<br />

aufzusuchen.<br />

Block <strong>Zentrum</strong>s·<br />

funktionen<br />

• europäische oder schweizerische<br />

Haupt- und Leitungssitze: vor allem<br />

.hochqualifizierte Arbeitsplätze<br />

..grosse kommerzielle und distributive<br />

Dienstleistungsunternehmen wie<br />

Banken, Versicherungen, Immobilien,<br />

Beratung sowi~ Grossh<strong>and</strong>el: Routinejobs<br />

bis hochqualifizierte Arbeitsplätze<br />

• grosse Industrieunternehmen:<br />

Produktion, Entwicklung und Verwaltung<br />

industrieller Produkte<br />

• kleine und mittlere Unternehmen:<br />

Gewerbe und Dienstleistungsbetriebe,<br />

auch· High Tech-Betriebe<br />

• Gesamtbeurteilung: gesamte Bruttogeschossfläche<br />

für Arbeiten, in %der<br />

Strukturdaten der Sonderbauvorschriften,<br />

März 1995<br />

• Wohnfläche hoher St<strong>and</strong>ard:<br />

realisierte BruttGgeschossfläche<br />

• Wohnfläche mittlerer St<strong>and</strong>ard:<br />

realisierte.Bruttogeschossfläche<br />

• Gesamtbeurteilung: gesamte realisierte<br />

Bruttogeschossfläche für<br />

Wohnen in %der Strukturdaten<br />

(Sonderbauvorschriften)<br />

• Bodenpreise: durchschnittlicher<br />

H<strong>and</strong>elspreis für Baul<strong>and</strong> <strong>im</strong> ZZN,<br />

unabhängig von der Nutzungsart<br />

• Anteil Kinder: Anteil Kinder an der<br />

ständigen Wohnbevölkerung <strong>im</strong> ZZN<br />

• Gesamtbeurteilung: Durchmischung<br />

bezüglich Alter und Einkommen<br />

Tob. 4.1.4 Parameterdefinitionen der Variantenmatrix (Tob. 4.1.3).<br />

Fottsetzung Tob. 4.1.4 siehe nächste Seite-7<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

121


<strong>Stadt</strong>entwicklung -'- ~--------------------<br />

vertrag und hohen Sozialleistungen), wodurch sich<br />

die Lohnunterschiede vermindern.<br />

Umwelt<br />

Die Umweltkrise des ausgehenden 20. Jahrhunderts<br />

bewirkte eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung<br />

Block Verkehr<br />

Block<br />

Zupendlerlnnen<br />

Block<br />

Realisierungsgrad<br />

Block <strong>Stadt</strong>qualität<br />

• Anzahl Parkplätze: Gesamtzahl der<br />

Parkplätze für Arbeiten und Wohnen<br />

<strong>im</strong>ZZN.<br />

• Anbindung an Oerlikon für Fahrradfahrer<br />

und Fussgänger: Qualität und<br />

Benutzung der Anbindung zum<br />

Geschäftszentrum von Oerlikon<br />

(Über- bzw. Unterführungen, etc.)<br />

•.Realisierungsgrad öffentlicher ..<br />

Verkehr: Anteil des realisierten OV­<br />

Netzes am geplanten Netz gemäss<br />

Verkehrskonzept und Ausführungen<br />

• Durchgangsverkehr: Verkehrsaufkommen<br />

ohne Anfangs- bzw. Zielpunkt<strong>im</strong><br />

Gebiet<br />

• Anteil Langsamverkehr:Anteif von<br />

Velofahrern und Fussgängern an<br />

Zupendlern<br />

• Anteil ÖV:Anteii ÖV am Schnellverkehr<br />

bei Zupendlern<br />

• Gesamtbeurteilung: Gesamtzahl der<br />

Zupendler ins ZZN, d.h. Langsamverkehr,<br />

individueller und öffentlicher<br />

Schnellverkehr<br />

• Realisierung: Prozentsatz der realisierten<br />

Bruttogeschossfläche <strong>im</strong> Jahre<br />

2011 in bezug auf die Strukturdaten<br />

Sonderbauvorschriften (100% Realisierung<br />

= 680'000 m 2 )<br />

• Zwischennutzung: Fläche der<br />

Zwischennutzungen in bereits bestehenden<br />

Gebäuden (Zwischennutzurigspotential<br />

250'000 m 2 )<br />

• Verteilung: Ort der Neubauten nach<br />

Teilgebieten<br />

• Qualität der öffentlichen Aussenräume:<br />

Qualität der öffentlichen<br />

Aussenräume vor allem als Nah'<br />

erholungsraum<br />

• Architektonische Qualität: gestalterischer<br />

Wille und finanzieller Aufw<strong>and</strong>,<br />

der geleistet wird um eine hohe architektonische<br />

Qualität zu erreichen<br />

• Partizipation: Mitbest<strong>im</strong>mung und<br />

Engagement der <strong>im</strong> Gebiet wohnenden<br />

Personen für das ZZN<br />

• Ökologische Qualität: Bauökologie,<br />

Emissionen, Energieverbrauch, aber<br />

auch Verkehr<br />

Fortsetzung Tab. 4.1.4 Parameterdeftnitionen der Variantenmatrix (Tab.<br />

4I3).<br />

der Bevölkerung. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen<br />

ist zur Selbstverständlichkeit geworden, und<br />

man ist zum H<strong>and</strong>eln motiviert; so kann das neue<br />

Umweltschutzgesetz durchgesetzt werden und -die<br />

Umweltbelastung verringert sich merklich.<br />

Gesellschaft<br />

Das befriedigende Arbeitsplatzangebot und die<br />

geringe Umweltbelastung machen die <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

zu einem attraktiven St<strong>and</strong>ort. Die Lebensqualität<br />

ist hoch und der Druck zum Wohnen <strong>im</strong> Grünen lässt<br />

nach. Die Einwohnerzahl in der <strong>Stadt</strong> n<strong>im</strong>mt daher<br />

zu. Gesamthaft gesehen bleibt die Bevölkerungszahl<br />

in der Schweiz allerdings konstant,"denn <strong>im</strong>mer mehr<br />

Meqschen nehmen die Gelegenheit wahr, Wohnund<br />

Arbeitsplatz über Länder hinweg frei zu wählen.<br />

So ziehen auch zahlreiche Schweizer in <strong>and</strong>ere<br />

Staaten der Europäischen Union (Reinhardt et al.,<br />

1989; Frey et al., 1993).<br />

4.1.2 ZZN-Entwicldungsvariantezum Szenario<br />

«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>»<br />

Nutzung<br />

Arbeitsfliichenanteil<br />

Aufgrund des hohen Investitionsdruckes ist bis zum<br />

Jahr 2011 zusätzlich zu den bestehenden Arbeitsflächen<br />

ein erheblicher Zuwachs realisiert worden.<br />

Es konnten einige "amerikanische Firmen dafür<br />

gewonnen werden, ihre «European Headquarters»<br />

mit insgesamt ca. 1000 Arbeitsplätzen <strong>im</strong> ZZN anzusiedeln.<br />

Die für grosse Dienstleistungsunternehmen<br />

(Hotels, Banken; Versicherungen) geplanten Flächen<br />

sind etwa zu zwei Dritteln realisiert worden. Diese<br />

Investitionen werden durch einen Dominoeffekt<br />

verstärkt.<br />

Der Produktionsst<strong>and</strong>ort ZZN wird von der ABB<br />

und Oerlikon-Bührle weiterhin genutzt. Die Bedeutung<br />

der traditionellen industriellen Produktionsprozesse<br />

hat allerdings zugunsten neuartiger, produk~<br />

tionsnaher Engineering-Arbeitsplätze abgenommen,<br />

"wobei die Gesamtzahl an Arbeitsplätzen ungefähr<br />

gleichgeblieben ist. Von den 46 ha, die als Baufelder<br />

möglich sind, sind etwa 20 ha vom Industriesektor<br />

genutzt.<br />

Durch die realisierten und bezogenen Wohnüberbauungen<br />

sowie durch die zentrale Verkehrslage sind<br />

viele kleine und mittlere Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe<br />

auf das ZZN gelockt worden, die<br />

das Quartier beleben.<br />

Realisierte Wohnfliiche<br />

Wegen der" günstigen wirtschaftlichen Entwicklung<br />

waren von der Investorenseite genügend Mittel<br />

122 UNS-Fallstudie '96


___'___----:- ~ _'_ __:_-------------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

vorh<strong>and</strong>en, um die geplantenWohnüberbauungen<br />

zu verwirklichen und die NutzerInnen können<br />

die Mieten auch bezahlen. Wohnungen höheren<br />

St<strong>and</strong>ards <strong>im</strong> Bahnhofbereichsowie Wohnungen<br />

mittleren St<strong>and</strong>ards ergeben zusammen eine Bruttogeschossfläche<br />

(BGF) von ca. 200'000 m 2 • Dies entspricht<br />

etwa 80% des 1991 <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />

geplanten Umfangs.<br />

Zwischennutzungen<br />

Wegen des hohen Nutzungsdrucks und der weiter<br />

angestiegenen Bodenpreise bleibt kein Platz für<br />

Zwischennutzungen.<br />

Verteilung<br />

Da das Gesamtareal fast flächendeckend überbaut<br />

ist, wirkt das ZZN relativ homogen. Um die Vermarktung<br />

zu vereinfachen, sind die Wohn- und<br />

Arbeitsteilareale klarer vonein<strong>and</strong>er abgegrenzt worden,<br />

so dass die geplante kleinräumige Nutzungsdurchmischung<br />

nicht erreicht wurde.<br />

Mobilität<br />

Die geplante Beschränkung auf 4000 Parkplätze<br />

konnte trotz der interventionistischen Raumplanungspolitik<br />

nicht ganz eingehalten werden.<br />

Fahrrad undFussgängerlnnen - Anbindung an Oerlikon<br />

Wegen Schwierigkeiten bei der Realisierung bleiben<br />

die Anbindungen für Fussgängerlnnen und VelofahrerInnen<br />

ungenügend. Der Bahnhof stellt eine<br />

. Schranke dar, die den sozialen Austausch zwischen<br />

den Quartieren hemmt.<br />

Realisierungsgrad der Öffentlichen Verkehrsmittel (ÖVj<br />

Zusätzlich zu den 1996 geplanten Verkehrsanbindu~gen<br />

wurde ein neues Feinverteilersystem<br />

erstellt, das auch für die hinteren Teile<br />

des ZZN die Anbindung an den Bahnhof<br />

Oerlikon sicherstellt.<br />

Durchgangsverkehr<br />

Die strenge Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung<br />

verhindern ein Ansteigen des motorisierten<br />

individuellen Durchgangsverkehrs.<br />

sozialen Status des Fahrradfahrens und vermehrtes<br />

Wohnen. in der nahen Umgebung einen relativ<br />

hohen Anteil des Langsamverk~hrs.<br />

• Anteil ÖV am Schnellverkehr:<br />

Durch den hohen Ausbaugrad und die Effizienz<br />

der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ein relativ<br />

hoher Anteil von ca. 75%. Diese Tendenz wird<br />

durch die restriktive Parkplatzpolitik ~nterstützi:.<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />

Die Versorgungsfunktionen für die lokale Wohnbevölkerung<br />

entwickeln nur eine geringe Attraktivität<br />

für die umliegenden Quartiere. In der Umgebung<br />

besteht bereits ein Angebot.<br />

Raum für öffentlich-kulturelle Nutzung ist mit den<br />

realisierten 2% der BGF sehr niedrig, so dass weder<br />

. grosse Schulen noch ein attraktives kulturelles Angebot<br />

verwirklicht wurden. Durch den hohen Nutzungsdruck<br />

und die hohen Bodenpreise sowie durch<br />

die starke Konkurrenz der bereits bestehenden Einrichtungen<br />

in Zürich konnten keine grösseren kom­<br />

,merziellen Unterhaltungseinrichtungen wie etwa<br />

eine Musicalhalle oder ein Kinopalast Fuss fassen.<br />

Soziale Unterschichten finden auf dem ZZN<br />

keinen Platz. Wenige Familien mit Kindern siedeln<br />

sich an. Die Lebensform DINK (Double Income<br />

No Kids) dominiert hingegen eindeutig.<br />

Stlldtqulllität<br />

Durch die zur Verfügung stehenden finanziellen<br />

Mittel und die Umweltgesetzgebung sind eine hohe<br />

Qualität der öffentlichen Aussenräume erreicht<br />

sowie <strong>im</strong> architektonischen Bereich innovative Projekte<br />

gefördert worden.<br />

Die Partizipation der Bevölkerung ist recht gering,<br />

da die Planung und Realisierung schnell erfolgte und<br />

[<br />

PendlerInnen<br />

Obwohl <strong>im</strong>merhin' ein gewichtiger Teil der<br />

arbeitenden Bevölkerung (ca. 1500) auch auf<br />

dem ZZN wohnt, gibt es dennoch ca. 8000 ZupendlerInnen.<br />

• Anteil Langsamverkehr:<br />

Trotz der mangelhaften Anbindungdes ZZN<br />

für Langsamverkehr an die umliegenden<br />

Quartiere in Zürich gibt es durch den hohen<br />

Abb. 4.1.2 Im SZet1Of70 «Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>. ist kein Platz für ein<br />

Musicaltheater (Bild: Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96 123


<strong>Stadt</strong>entwlcklung_---' ~ ~~- _<br />

die Wohnbevölkerung vor vollendete Tatsachen<br />

gestellt wurde. Zu dieser Entwicklung hat auch die<br />

restriktive und durch die öffentliche H<strong>and</strong> dominierte<br />

Raumplanung beigetragen.<br />

Die ökologische Qualität ist relativ hoch, weil die<br />

Gesetzgebung und die finanziellen Möglichkeiten<br />

hohe St<strong>and</strong>ards in bezug auf die Bauökologie, den<br />

Energieverbrauch von Haushalten und Industrie<br />

sowie die Emissionen ermöglichen.<br />

4.1.3 Fazit<br />

Die Schweiz tritt der Europäischen Union bei. Die<br />

Wirtschaft boomt und das Arbeitsplatzangebot ist<br />

vielfältig. Gleichzeitig etablieren sich Teilzeitarbeitsmodelle.<br />

Umweltbewu.sstsein ist in der Bevölkerung<br />

stark verankert, und so stossen strenge·<br />

Vorschriften und Massnahmen <strong>im</strong> Umweltschutz auf<br />

Akzeptanz. Die Umweltbelastung sinkt zusehends.<br />

Die Lebensqualitätin der <strong>Stadt</strong> Zürich ist hoch. Das<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> wird gebaut, und zwar in seiner<br />

ursprünglich geplanten Form.<br />

Das ZZN lässt sich <strong>im</strong> Jahr 2011 als funktionierender,<br />

verdichteter <strong>Stadt</strong>teil charakterisieren, der auf<br />

einer prosperierenden Wirtschaft mit vielfaltigen<br />

Arbeitsplätzen vor allem <strong>im</strong> Bereich «unternehmensorientierte<br />

Dienstleistungen» aufbaut. Im ZZN<br />

konnten aufgrund der starken Nachfrage nach Wohnund<br />

Gewerbebauten die <strong>Zentrum</strong>sfunktionen für<br />

das öffentliche Leben und die Freizeitgestaltung in<br />

Zürich nicht verwirklicht werden. Die geringe soziale<br />

Durchmischung kontrastiert mit einem Nebenein<strong>and</strong>er<br />

von Wohn- und Arbettsnutzungen.<br />

4.2 Orientierungslosigkeit und Krise<br />

4.2.1 Szenario «Orientierllngslosigkeit lind Krise»<br />

Staat lind Politik<br />

Die Schweiz hat ihre politische Meinung· nicht<br />

geändert; sie ist der EU nicht beigetreten und fahrt<br />

«<strong>im</strong> Alleingang» weiter; Um dennoch nicht ganz<br />

abgekapselt zu sein, geht sie viele Kompromisse ein,<br />

zum Beispiel lockert sie die Umweltgesetzgebung<br />

<strong>im</strong> Bereich Verkehr. Auch in der Raumplanung<br />

macht ·sie viele Eingeständnisse, so gibt es zum<br />

Beispiel nur noch wenige Regelungen bezüglich der<br />

Umnutzung von Industriearealen.<br />

Wirtschaft<br />

Zwar hat die Öffnung nach Zentral- und Osteuropa<br />

die Attraktivität des St<strong>and</strong>ortes El1ropa erhöht, dies<br />

wiederum hat· jedqch die Konkurre~z der Städte<br />

unterein<strong>and</strong>er verschärft. Durch den Nicht-EU­<br />

Beitritt kapseit sich die Schweiz zunehmend ab und<br />

ist somit <strong>im</strong> internationalen Markt nur schlecht<br />

konkurrenzfahig. Industrie und Dienstleistungssektor<br />

sind in einer Krise. Die Folgen davon sind<br />

eine hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Unzufriedenheit<br />

in der Bevölkerung.<br />

. Durch die Wirtschaftskrise werden Forschungsund<br />

Ausbildungsgelder gekürzt, was innovationshemmende<br />

Konsequenzen hat. Lokale Technikzentren<br />

werden geschlossen, und es werden Schulgelder<br />

in Mittelschulen eingeführt. Damit nehmen<br />

Bildungsst<strong>and</strong> und Know-how der Bevölkerung ab.<br />

Immer weniger Leute können sich eine teure Ausbildung<br />

leisten und damit steigt die Polarisierung<br />

des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Diversifizierung<br />

des Arbeitsmarkts ab, da sich nur wenige<br />

zukunftsträchtige, innovative Branchen entwickeln<br />

können.<br />

Umwelt<br />

Durch die lockere Umweltgesetzgebung und die<br />

liberalistische Raumplanungsgesetzgebung entstehen<br />

hoheUmweltbelastungen. Es gibt keine Umweltzertifikate<br />

oder Lenkungsabgaben, wodurch<br />

Umweltgüter viel zu billig geh<strong>and</strong>elt werden, was<br />

einen verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen<br />

zur Folge hat. Zum Beispiel steigt der<br />

Energiepreis nicht, und der private Verkehr n<strong>im</strong>mt<br />

prozentual zum öffentlichen Verkehr zu. Damit wiederum<br />

steigen auch die Luft- und Lärmbelastungen.<br />

Der Nulltarif für das GUt Umwelt führt zu einer<br />

Übernutzung der Umwelt, wodurch die Regenerationskraft<br />

derNatur überfordert wird.<br />

Gesellschaft<br />

Die LebensquaIität der Bevölkerung ist auf einem<br />

tiefen Niveau, sind doch die Umweltbelastung, die<br />

Arbeitslosigkeit und die Polarisierung in diesem<br />

Szenario sehr hoch. Bei einem grossen Teil der<br />

Bevölkerung führt dies zu Passivität und zu einer<br />

gewissen Gleichgültigkeit gegenüber der Gesellschaft<br />

und der Umwelt.<br />

Niem<strong>and</strong> will verantwortlich sein für die jetzige<br />

Misere, jeder ist nur auf sein eigenes Wohl fixiert.<br />

Anstatt nach neuen Werten zu suchen, hofft man<br />

<strong>im</strong>mer noch verzweifelt auf eine neues Wirtschaftswachsturn.<br />

Obwohl die Bevölkerungszahl ohne EU-Beitritt<br />

nicht zun<strong>im</strong>mt, ist man generell. dem Ausl<strong>and</strong> gegenüber<br />

skeptisch eingestellt. Die Angst vor dem<br />

Riesenstaat EU lässt die Ausländerfeindlichkeit<br />

noch mehr wachsen (Frey et aI., 1993; Brugger &<br />

Kärcher, 1992). .<br />

124<br />

UNS-Fallstudie '96


__~_~ ~ ~ <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

4.2.2 ZZN·Elltwicklllllgsvariallte zlIm Szellario<br />

ftOrielltierllllgslosigkeit IIl1d Krise»<br />

NlltZllllg<br />

Arbeitsflächenanteil<br />

Infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise gibt es <strong>im</strong><br />

ZZN weniger Arbeitsplätze als <strong>im</strong> Jahr 1996. Die<br />

Zahlen aus dem Leitbild, dass nach Umsetzung des<br />

Entwicklungskonzeptes ca. 12'500 Arbeitsplätze vorh<strong>and</strong>en<br />

wären, hören sich geradezu utopisch an. Dies<br />

ist. darauf zurückzuführen, dass bei den ansässigen<br />

Industrieunternehmen der anhaltend schlechte<br />

Geschäftsgang dazu geführt hat, dass viele Arbeitsplätze<br />

verschwunden oder ins Ausl<strong>and</strong> verlagert<br />

worden sind. Ferner konnten die Pläne für die Ansiedlung<br />

von internationalen Headquarters und grossen<br />

Dienstleistungsunternehmen nicht verwirklicht<br />

werden. In den ersten Jahren nach 1996 wurden noch<br />

einige Neubauten realisiert, diese werden heute aber<br />

kaum genutzt und stehen isoliert in der Umgebung.<br />

Nur das Kleingewerbe hat das entstehende Vakuum<br />

ein wenig ausgefüllt.<br />

Realisierte Wohnfläche<br />

Die geplanten Wohnüberbauungen wurden infolge<br />

der düsteren Konjunkturlage nur zu· einem sehr<br />

kleinen Teil realisiert. In den ehemaligen Industriebauten<br />

wird der Versuch unternommen, alternative<br />

Wohnformen zu realisieren.<br />

Zwischennutzungen<br />

Die Bodenpreise <strong>im</strong> ZZN fallen infolge der fehlenden<br />

Nachfrage weiter und es ist viel Raum für<br />

Zwischennutzungen vorh<strong>and</strong>en.<br />

Verteilung<br />

Die wenigen fertiggestellten Neubauten<br />

in Bahnhofnähe bilden Inseln in einem<br />

weitgehend brachliegenden ZZN.<br />

gestellt, weil das Bebauungskonzept nicht verwirklicht<br />

werden konnte. 'Lediglich die Anbindung des<br />

TORO-Geländes ist durch einen Ausbau des Bus­<br />

.systems geringfügig verbessert worden, wird aber<br />

unternutzt, da nicht so viele Arbeitsplätze existieren<br />

wie geplant waren.<br />

Der Durchgangsverkehr hat abgeno~men,da sich<br />

die . wirtschaftlichen Tätigkeiten <strong>im</strong> Grossraum<br />

Zürich verringerten. . ,<br />

Im Vergleich zu 1996 gibt es auch weniger Pendlerlnnen,<br />

weil sich die Zahl der Arbeitsplätze reduzierte.<br />

Zelltrllmsfllllktioll<br />

Das Entwicklungskonzept für das ZZN konnte nicht<br />

umgesetzt werden. Für mögliche soziale Dienstleistungen<br />

fehlt die Laufkundschaft aus der unmittelbaren<br />

Umgebung; Öffentliche' Einrichtungen sind<br />

grösstenteils der angespannten Finanzlage der <strong>Stadt</strong><br />

zum Opfer gefallen.<br />

Mangels einer lokalen Wohnbevölkerung ist das<br />

ZZN für kleine Dienstleistungsunternehmen wenig<br />

attraktiv. Auch Dienstleistungsbetriebe, für die eine<br />

repräsentative Umgebung wichtig ist - wie Anwaltskanzleien<br />

oder Arztpraxen - sind aufdem ZZN-Areal<br />

nicht zu finden.<br />

Die leerstehenden Lagerhallen werden zum Teil<br />

durch eine alternative Kulturszene genutzt; die<br />

einen Anziehungspunkt für die Jugend <strong>im</strong> Grossraum<br />

Zürich bilden. Neben Künstlerateliers und<br />

Übungsräumen sowie Kleinkunstbühnen werden<br />

leerstehende Industriegebäude für Disco und Parties<br />

.genutzt. Daneben wird aber auch die Lage~ung von<br />

Industrieabfällen teilweise geduldet.<br />

Mobilität<br />

Das ZZN ist für die wirtschaftliche<br />

Nutzung uninteressant, so dass kein Bedarf<br />

nach neuen Parkplätzen vorh<strong>and</strong>en<br />

ist. Die bestehenden Parkplätze werden<br />

nicht voll ausgenutzt. Die Anbindung<br />

für Fuss- und Fahrradverkehr an das<br />

<strong>Zentrum</strong> von Oerlikon und die umliegenden<br />

Quartiere ist nach wie vor bedeutungslos.<br />

Zudem sind <strong>im</strong> ZZN kaum<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktionen realisiert worden,<br />

die eine Anbindung gefordert hätten.<br />

Für den Ausbau des öffentlichen<br />

Verkehrs wurden seit fünfzehn Jahren<br />

keine öffentlichen Mittel zur Verfügung<br />

Abb. 4.2.2 Im Szenario .Orientierungslosigkeit und Krise- not es Platz für Kleingewerbe<br />

(Bild: Micnael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96 125


<strong>Stadt</strong>entwicklung ...,.... ~ ,...._---<br />

Wegen,den fehlenden Wohnungen und Dienstleistungsbetrieben<br />

kann sich das ZZN nicht als<br />

<strong>Zentrum</strong> -etablieren. Die bestehenden, für die verarmende<br />

Mittelschicht zu teuren Wohnungen, werden<br />

von verschiedenen Personenkreisen genützt,<br />

die noch über genügend Zahlungskraft verfügen.<br />

<strong>Stadt</strong>qualitiit<br />

Die ursprüngliche Planung ist gescheitert. Es wurden<br />

keine neuen öffentlichen Grün- und Freiflächen<br />

geschaffen. Die bestehenden Grünflächen konnten<br />

erhalten werden und werden für verschiedene<br />

Zwecke genutzt. Das Nebenein<strong>and</strong>er von unterschiedlich<br />

zwischengenutzten Industriegebäuden<br />

und wenigen Neubauten mit Arbeits- und Wohnfunktion<br />

erzeugt eine eigentümliche Atmosphäre.<br />

Diese ist attraktiv für einige Bevölkerungsschichten,<br />

die auf dem polarisierten Arbeitsmarkt nicht an der<br />

Wirtschaft teilhaben wollen/können.<br />

Die ökologische Qualität wird nicht gezielt gefördert.<br />

4.2.3 Fazit<br />

Die Schweiz steckt in einer wirtschaftlichen und<br />

politischen Krise. Anstatt nach neuen Werten zu<br />

suchen, hofft die Schweiz weiterhin auf ein neues<br />

Wirtschaftswachstum. Der EU wird nicht beigetreten.<br />

Die Umwelt- und Raumplanungsgesetzgebung<br />

wird nicht verschärft. Damit nehmen auch die Umweltbelastungen<br />

zu.<br />

Der Nachfragedruck auf das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />

bleibt aus und es wird nur ein kleiner Teil der<br />

Bebauungspläne realisiert. Von einem «<strong>Zentrum</strong>"<br />

Zürich <strong>Nord</strong> kann <strong>im</strong> Jahre 2011 nicht gesprochen<br />

werden, da das Leitbild aus dem Jahre 1996 praktisch<br />

nicht umgesetzt wurde. In Bahnhofsnähe stehen<br />

wenige isolierteNeubauten. Aufgrund der fehl~nden<br />

Nachfrage nach Wohn- und Arbeitsfläche konnte<br />

sich jedoch in den ehemaligen Fabrikhallen eine<br />

vielseitige Alternativkultur etablieren.<br />

4.3 Polarisierung<br />

4.3.1 Szenario «Polarisierung»<br />

Staat und Politik<br />

Die Schweiz ist in die Europäische Union integriert.<br />

Die schlecht bezahlten Arbeiten werden wie bis<br />

anhin vor allem von Frauen und ImmigranteMamilien<br />

ausgeführt. Die Anstellungsverhältnisse für<br />

Immigrantlnnen haben sich aber geändert. Das<br />

«Saisonnier-Statut» wurde aufgehoben, und auslän-<br />

disehe Arbeiter dürfen ihre Familien in die Schweiz<br />

nachkommen lassen. Bei den gut bezahlten Jobs, die<br />

eine hohe Qualifikation erfordern, ist es schwierig,<br />

eine Aussage zu machen. Wie der Mangel an qualifizierten<br />

Arbeitskräften gelöst wird, hängt von der<br />

Freizügigkeit <strong>im</strong> Personenverkehr und der Bereitschaft<br />

der Fachkräfte zur Mobilität ab.<br />

Die Raumplanung <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist in dem<br />

Sinne liberal, dass Umzonungen - <strong>im</strong> speziellen von<br />

Industriezonen in Mischzonen mit Dienstleistungsbetrieben<br />

und Wohnanteilen - vermehrt genehmigt<br />

werden. Im ZZN gelten dagegen weiterhin die ausgeh<strong>and</strong>elten<br />

Sonderbauvorschriften. '<br />

Die Umweltgesetzgebung wird nicht verschärft.<br />

Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die<br />

Umweltfrage an Brisanz verliert. Die Menschen<br />

haben infolge der starken Umstrukturierungen in der<br />

Wirtschaft und den damit verbundenen unsicheren<br />

Bedingungen am Arbeitsplatz <strong>and</strong>ere, kurzfristigere<br />

Sorgen.<br />

Wirtschaft<br />

Die branchenspezifische Konjunkturlage befindet<br />

sich vor allem für die unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungen in einem Boom ,und die'Struktur<br />

des Arbeitsmarktes ist stark polarisiert.<br />

Die starke Polarisierung, die sich<strong>im</strong> Lohn und der<br />

Arbeitssicherheit äussert, setzt die - Mittelschicht<br />

unter Druck. Die hochentwickelten, unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungsbetriebe befinden sich<br />

in einem Aufschwung, sie benötigen neben den<br />

hochqualifizierten auch viele <strong>and</strong>ere ArbeitnehmerInnen,<br />

die Arbeiten wie Reinigen, Sekretariatsdienste,<br />

Sicherheitsüberwachungen, etc. ausführen.<br />

Viele eher schlecht entlöhnte Arbeitsplätze basieren<br />

aufTeilzeitarbeit. Flexible Arbeitszeiten werden von<br />

den Unternehmen vorzugsweise eingeführt, um die<br />

ArbeiterInnen. punktuell einsetzen zu können und<br />

Sozialleistungen zu sparen. DieAngestellten arbeiten<br />

auf Abruf und sind oft gezwungen, mehrere Teilzeitstellen<br />

anzunehmen. Die grosse Unsicherheit dieser<br />

Arbeitsplätze und die mangelnden Sozialleistungen<br />

führen zu unbefriedigenden Arbeitsplatzsituationen.<br />

Die räumlichen Konzentrationstendenzen sind<br />

schwach und die territoriale Streuung der wirtschaftlichen<br />

Unternehmen <strong>im</strong> Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt<br />

zu. Dies bedeutet, dass die Peripherie an Bedeutung<br />

gewinnt. So lagern viele Unternehmen Teilbereiche<br />

vom <strong>Stadt</strong>zentrum aus und ziehen an periphere<br />

Lagen.<br />

Umwelt<br />

. Die ·Umweltbelastungen sind eher, gross. Dies liegt<br />

einerseits an der nicht verschärften Umweltgesetz-<br />

126<br />

UNS-Fallstudie '96


_______________________.:.-~<br />

__'___<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

gebung und <strong>and</strong>ererseits daran, dass die sich in<br />

Aufschwung befindlichen Unternehmen - trotz des<br />

vorh<strong>and</strong>enen Geldes - wen~g in umweltschonende<br />

Technologien investieren. Die unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungsbetriebe sind sehr energieintensiv<br />

und wechseln ihre Computer und sonstigen<br />

Geräte dem Trend entsprechend aus.<br />

Gesellschaft<br />

Die Lebensqualität <strong>im</strong> Grossraum. Zürich ist tief.<br />

Zum einen liegt dies an der durch starke Pendlerströme<br />

verursachten Lärmemission und Luftverschmutzung.<br />

Zum <strong>and</strong>eren ist das Arbeitsplatzangebot<br />

unbefriedigend. Da sich die unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungsbetriebe in einem<br />

Boom befinden, wäre anzunehmen; dass genügend<br />

Arbeitsplätze vorh<strong>and</strong>en sind. Infolge der starken<br />

Polarisierung werden nur wenige «Top-Jobs» und<br />

viele sehr schlecht bezahlte, praktisch keine Ausbildung<br />

erfordernden «Jobs» angeboten. Diese prekäre<br />

Situation am Arbeitsplatz (starkes Lohngefälle<br />

und unsichere Anstellungsverhältnisse) wirkt sich<br />

stark auf die Lebensqualität aus. Die sozio-kulturellen<br />

Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />

<strong>Stadt</strong>kreisen vergrässern sich. Infolge des starken<br />

Lohngefalles durchrnischen sich die Schichten<br />

<strong>im</strong>mer weniger. In der Nähe der Unternehmen<br />

entstehen wenige Wohnungen in der unteren Preisklasse,<br />

in denen eher schlecht bezahlte ArbeiterInnen<br />

wohnen.<br />

Die Bevölkerungszahl <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist<br />

.leicht ansteigend, da in Zürich <strong>im</strong> Verglei~h zu <strong>and</strong>eren<br />

Regionen das Arbeitsplatzangebot <strong>im</strong>mer noch<br />

hoch ist (Dürrenberger et al., 1992; Hitz et al., 1995).<br />

4.3.2 ZZN·Entwicldungsvariante zum Szenario<br />

«Polarisierung))<br />

Nutzung<br />

Arbeitsfliichenanteil<br />

Die unternehmensorientierten Dienstleistungsbetriebe<br />

boomen. Das ZZN entwickelt sich unter<br />

<strong>and</strong>erem wegen der Flughafennähe zu einem Gebiet<br />

mit einer hohen St<strong>and</strong>ortgunst. Die Nachfrage von<br />

Dienstleistungsbetrieben ist hoch, und viele Unternehmensiedeln<br />

sich an. Sie tun dies mit erster<br />

Priorität in Bahnhofnähe. Im Kernbereich des ZZN<br />

entstehen ebenfalls wenige neue Dienstleistungsbauten.<br />

Die grossen Betriebe ziehen auch unternehmensorientierte,<br />

kleine Dienstleistungsunternehmen<br />

an. Die Bedeutung der grossen Industriebetriebe<br />

ist rückläufig. Es geht der Industrie <strong>im</strong><br />

Vergleich zu den finanzkräftigen unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungsbetrieben wirtschaftlich<br />

viel schlechter, weil deren internationale Konkurrenzfahigkeit<br />

abgenommen hat. Hinzu kommt, dass<br />

die St<strong>and</strong>orte in <strong>Stadt</strong>nähe mit ihren hohen Bodenpreisen<br />

für die Industriebetriebe uninteres~antsind.<br />

Deshalb ist eine Abw<strong>and</strong>erung der Industrie <strong>im</strong><br />

Gange. Infolge der grossen Dienstleistungsnachfrage<br />

ist das ZZN, was den Arbeitsflächenanteil betrifft,<br />

grösstenteils <strong>im</strong> geplanten Rahmen realisiert.<br />

Realisierte Wohnfliiche<br />

Grossvei'dienerlnnen kommen kaum ins ZZN, denn<br />

esentstehen nur wenige Luxuswohnungen in unmittelbarer<br />

Bahnhofsnähe. Oerlikon bleibt unattraktiv<br />

für Wohnungen der oberen Prdsklasse. Wohnungen<br />

miteinem mittleren Wohnkomfort werden mit einer<br />

starken Ausrichtung nach Seebach gebaut. Der<br />

Druck der finanzkräftigen Dienstleistungsbetriebe<br />

auf das Gebiet ist gross, und es wird bevorzugt in<br />

Baufeldern mit einem geringen Wohnungsanteil<br />

investiert. Zudem wurden die Sonderbauvorschriften<br />

1996 <strong>im</strong> Hinblick auf die Bedürfnisse der Inve-<br />

. storlnnen geändert und bis ins Jahr 2011 noch mehr<br />

zu Ungunsten der Wohnflächenanteile abgeändert.<br />

Deshalb werden <strong>im</strong> ZZN nur ca. lf3 der geplanten<br />

Wohnungen realisiert.<br />

Zwischennutzungen.<br />

Der Raum für Zwischennutzungen ist wegen des<br />

Drucks der Wirtschaft auf das Gebiet und den damit<br />

zusammenhängenden ansteigenden Bodenpreisen<br />

klein. Zwischennutzungen werden kaum zugelassen<br />

und sind bei den potentiellen Investorlnnen nicht<br />

gern gesehen, da sie bei der Realisierung von Projekten<br />

zu Verzögerung führen können.·<br />

Verteilung<br />

Die Verteilung von verschiedenen Nutzungsformen<br />

ist polarisiert. In Bahnhofnähe entsteht ein neues<br />

Dienstleistungszentrum (Business-Center) mit wenigen<br />

Luxuswohnungen und einem Hotel. Die<br />

Wohnungen <strong>im</strong> nordöstlichen Teil des Areals sind<br />

billiger. Im Kern des ZZN entsteht eine unstrukturierte<br />

Zone. Hier wären Zwischennutzungen denkbar,<br />

doch sie haben eine geringe Chance.<br />

Mobilität<br />

Das Bedürfnis nach Parkplätzen ist derart hoch, dass<br />

die gesetzlichen Vorschriften (liberalistische Raumplanung)<br />

aufgeweicht werden und mehr Parkplätze<br />

realisiert werden als geplant. Dem Wunsch der Bevölkerung,<br />

das Gebiet für den Langsamverkehr an<br />

Oerlikon anzubinden, wird keine Rechnung getra~<br />

gen,und der öffentliche Verkehr wird nicht weiter<br />

gefördert. Das Wachstum des Durchgangsverkehrs<br />

ist gross, da die <strong>Stadt</strong> weiterhin ein wichtiger Arbeits-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

127


<strong>Stadt</strong>entwicklung. ---'-'-_--: _<br />

ort ist und die gelockerte Umweltgesetzgebung<br />

dieser Entwicklung keinen Riegel vorschiebt.<br />

Von den PendlerInnen be.nutzen sehr wenige<br />

den Langsamverkehr. Dies liegt einerseits am knappen<br />

Wohnraum <strong>im</strong> Gebiet und den damit verbundenen<br />

weiten Arbeitswegen, <strong>and</strong>ererseits an der<br />

schlechten Anbindung an das umliegende Gebiet.<br />

Im öffentlichen Verkehr wurden zudem einzelne<br />

Linien aufgegeben. Diese schlechten Bedingungen<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Verkehr führen zu einem grossen<br />

Individualverkehrsaufkommen.<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />

Der Anteil an sozialen, öffentlichen und kulturellen<br />

Nutzungenist tief. Die Leute, die in den wenigen<br />

zur Verfügung stehenden Wohnungen leben, haben<br />

aus unterschiedlichen Gründen kein Interesse, sich<br />

am Quartierleben zu beteiligen. Diejenigen, die in<br />

den teuren Wohnungen in Bahnhofnähe wohnen,<br />

sind junge, mobile Menschen, die nur für kurze Zeit<br />

in Oerlikon wohnen und sich deshalb nicht aktiv einsetzen.<br />

Die BewohnerInnen der nordöstlichen Gebiete<br />

orientieren sich nach Seebach hin und haben<br />

kein Interesse innerhalb des Areals noch etwas aufzubauen.<br />

Das ZZN hat folglich, <strong>im</strong> Vergleich zum<br />

bestehenden <strong>Zentrum</strong> von Oerlikon, nichts Spezielles<br />

oder Neues zu bieten und kann keine übergreifende<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion wahrnehmen. Das Gebiet<br />

ist nicht kinderfreundlich und die soziale Durchmischung<br />

ist gering.<br />

<strong>Stadt</strong>qualität<br />

Die wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse<br />

verhindern die Durchsetzung von Forderungen<br />

nach hoher Aussenraumqualität und der Aufwertung<br />

von Naherhohlungsgebieten. Die architektonische<br />

Qualität leidet unter den gegebenen Bedingungen.<br />

Es wird schnell und billig gebaut.<br />

Die Partizipation der Bevölkerung ist auf einem<br />

Tiefpunkt angelangt, die Wohnbevölkerung engagiert<br />

sich nicht für ihr Quartier. Es fehlt die Motivation;<br />

obwohl die lockere Umweltgesetzgebung<br />

und Raumplanung Freiräume offen lassen.<br />

Die ökologische Qualität <strong>im</strong> Gebiet ist sehr tief.<br />

Die Gesetze greifen nicht, das Verkehrsaufkommen<br />

ist enorm und die Leute sind nicht sensibilisiert,<br />

etwas dagegen zu unternehmen.<br />

4.3.3 Fazit<br />

Die Schweiz ist in die Europäische Union integriert.<br />

Die Raumplanung <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist in dem<br />

Sinne liberal, dass Umzonungen, <strong>im</strong> speziellen von<br />

Industriezonen in Mischzonen mit Dienstleistungs-<br />

betrieben und Wohnanteilen, vermehrt genehmigt<br />

werden. Im ZZN gelten die ausgeh<strong>and</strong>elten Sonderbauvorschriften.<br />

Die Umweltgesetzgebung wird<br />

nicht verschärft. Die starke Polarisierung, die sich in<br />

einem starken Lohngefälle und der tiefen Arbeitssicherheit<br />

äussert, n<strong>im</strong>mt zu. Die räumlichen Konzentrationstendenzen<br />

sind schwach und die territoriale<br />

Streuung der wirtschaftlichen Unternehmen <strong>im</strong><br />

Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt zu. Die Lebensqualität <strong>im</strong><br />

Grossraum Zürich ist tief und die Umweltbelastungen<br />

sind eher hoch.<br />

Das ZZN präsentiert sich <strong>im</strong> Jahre 2011 vorwiegend<br />

als Dienstleistungszentrum. Der boomende<br />

- Dienstleistungssektor übt einseitigen Druck auf das<br />

ZZN aus.- Das Gebiet weist mit einem min<strong>im</strong>alen<br />

Wohnanteil und nur wenigen kulturellen oder ähnlichen<br />

Einrichtungen keine hohe Durchmischung<br />

auf. Dem entst<strong>and</strong>enen <strong>Stadt</strong>teil fehlt das Besondere,<br />

denn Innovation und Eigeninitiative sind kaum<br />

vorh<strong>and</strong>en. Das ZZN kann keine übergeordnete, allgemeine<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion übernehmen.<br />

4.4 Neue gesellschaftliche Werte<br />

4.4.1 Szenario «Neue gesellschaftliche Werte»<br />

Staat und Politik<br />

In der Schweiz ist allmählich eine neue Generation<br />

von PolitikerInnen herangereift, welche parteiinternem<br />

«Geplänkel» und dem Kampf um die Gunst<br />

der Wählenden das Entwickeln von Perspektiven<br />

und das Fällen von kompetenten Entscheiden von<br />

staatspolitischer Bedeutung vorzieht. Die Politik ist<br />

wieder vermehrt von Visionen geprägt und hat<br />

einiges an Schwerfälligkeit verloren. Unter diesen<br />

Bedingungen wurde der Beitritt zur EU ohne grössere<br />

innenpolitische Dramen vollzogen. Angesichts<br />

der neuen Perspektive von Mitarbeit und Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

<strong>im</strong> gemeinsamen Europa hat die Bevölkerung<br />

eine positivere Einstellung zur Politik gefunden,<br />

und das Interesse an Engagement hat zugenommen.<br />

Das Verharren in bestehenden Strukturen ist einem<br />

kollektiven Willen zum <strong>Aufbruch</strong> und zur Veränderung<br />

gewichen.<br />

Innerhalb der EU ist ein neues, interventionisti-<br />

_sches Raumplanungsgesetz eingeführt worden. Dieses<br />

ist griffig, gut überschaubar und gewährleistet die<br />

Rechtssicherheit. Damit steht ein wirkungsvolles<br />

Instrument zu einer nachhaltigen, umweltschonenden<br />

Planung zur Verfügung. DerSpekulationsdruck<br />

auf den Bodenmarkt wird vermindert.<br />

Ebenso verfügt die Umweltschutzgesetzgebung<br />

der EU über griffige Instrumente, um wirkungsvolle<br />

Massnahmen durchzuset~en..Die GesetzgebUng ist<br />

128<br />

UNS-Fallstudie '96


______________________-,-~ ~ ~----<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

streng, interventionistisch, mit vielen Auflagen. Die<br />

Bevölkerung ist bereit, die Umwelt zu schonen und<br />

konkret in diese Richtung zu h<strong>and</strong>eln. Lenkungsmassnahmen<br />

werden zügig und wirksam umgesetzt.<br />

Wirtschaft<br />

Die branchenspezifische Konjunkturlage ist ausgeglichen.<br />

Sowohl unternehmensorientierte Dienstleistungen<br />

wie auch die Industrie stagnieren, wobei<br />

die Industrie in einer leichten Krisenphase steckt.<br />

Der Arbeitsmarkt ist diversifiziert, so dass die<br />

Arbeitskräfte eher spezialisiert sind und ein Stellenwechsel<br />

oftmals mit Umschulung verbunden ist. Die<br />

Polarisierung ist tief, d.h. die Einkommens- und<br />

Qualifikationsstruktur ist ausgeglichen. Die Arbeits-<br />

.zufriedenheit ist relativ hoch. Eine breite Mittelschicht<br />

kann sich halten. Es bestehtdie Tendenz zur<br />

räumlichen Dezentralisierung. Unternehmen investieren<br />

eher in der Peripherie, der Investitionsdruck<br />

weicht weitgehend von den Zentren, ist aber wegen<br />

der stagnierenden Wirtschaftslage auch in der Peri-.<br />

pherie nicht sehr stark.<br />

Umwelt<br />

Mit den neuen Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzen<br />

sind griffige Massnahmenzur Verbesserung<br />

der Umweltqualität möglich geworden. Nicht zuletzt<br />

dank dem Druck der Städte wird eine griffige Umweltschutzgesetzgebung<br />

erlassen. Lärmbelastungen<br />

und Luftverunreinigungen gehen zurück. Die <strong>Stadt</strong><br />

wird bewohnbarer, der Druck zum Wohnen <strong>im</strong> Grünen<br />

lässt nach. Dank den attraktiveren Angeboten<br />

des öffentlichen Verkehrs ist die <strong>Stadt</strong> auf einem<br />

konstruktiven Weg, autofrei zu werden. Wohn- und<br />

Arbeitsplätze rücken wieder näher zuein<strong>and</strong>er, nicht<br />

zuletzt dank eines vielfaltigen Angebots an attraktiven<br />

Wohnungen in stark verdichteten Bauformen.<br />

Die vormaligen Industriezonen werden zum Teil als<br />

Gewerbe- undWohnzonen umgenutzt. Sie sind<br />

durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen.<br />

Die neue, griffige Umwelt- und Raumplanungsgesetzgebung<br />

und die stagnierende Wirtschaftslage<br />

haben zur Folge, dass mit Ressourcen nachhaltiger<br />

umgegangen wird. Seitdem die Kosten der Entsorgung<br />

auf Produzierende und Konsumierende<br />

überwälzt werden, wird mehr Recycling betrieben<br />

und sorgfaltiger mit Rohstoffen und Energie umgegangen.<br />

Gesellschaft<br />

Die Bevölkerungszahl <strong>im</strong> Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt<br />

nach wie vor leicht zu, doch weicht durch das Vor~<br />

h<strong>and</strong>ensein von attraktiven, dichten Wohnangeboten<br />

der Druck auf das. <strong>Stadt</strong>gebiet. Durch die Entschärfung<br />

der Luft- und Lärmbelastung in der <strong>Stadt</strong><br />

und die weitgehende Verkehrsberuhigung ist die<br />

Lebensqualität in der <strong>Stadt</strong> stark angestiegen. Die<br />

<strong>Stadt</strong> als kulturelles und geistiges <strong>Zentrum</strong> wird<br />

attraktiv und lockt initiative, talentierte Leute mit<br />

Ideen an. Eine neue Urbanität ist entst<strong>and</strong>en (Reinhardt<br />

et al., 1989).<br />

4.4.2 ZZN-Entwicldungsvariante zum Szenario<br />

«Nelle gesellschaftliche Werte»<br />

Nutzung<br />

Arbeitsfliichenanteil<br />

Wegen der stagnierendenWirtschaftslage und dem<br />

daraus folgenden schwachen Druck auf· den Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort<br />

ZZN, haben sich kaum Headquarters<br />

internationaler Unternehmungen angesiedelt. Es ist<br />

vor allem Wohnraum entst<strong>and</strong>en. Dennoch haben<br />

sich einige grosse auch international tätige Dienstleistungsunternehmen<br />

angesiedelt. Die St<strong>and</strong>ortbedingungen<br />

in Zürich <strong>Nord</strong> sind für die Schweiz<br />

und besonders für den Grossraum Zürich günstig.<br />

Grosse Industriebetriebe haben sich hingegen keine<br />

neuen angesiedelt, es hat sogar einen Rückgang der<br />

Beschäftigten <strong>im</strong> Vergleich zu 1996 gegeben, da die<br />

Industrie in einer Krisenphase steckt und <strong>im</strong> Produktionssektor<br />

weitere Arbeitsplätze abgebaut worden<br />

sind. Hingegen ermöglicht der schwache Druck<br />

von Grossunternehmen eine Ansiedlung von kleinen<br />

und mittleren Unternehmen. Die Situation bietet<br />

Platz für kleine, innovative Betriebe. Gesamthaft<br />

gesehen- ist nur ein kleiner Flächenanteil des Areals,<br />

ungefahr V3 als Arbeitsfläche genutzt.<br />

Realisierte Wohnfliiche<br />

Oerlikon zählt nicht zu den privilegierten Wohnst<strong>and</strong>orten.<br />

Deshalb sind <strong>im</strong> ZZN kaum Wohnungen<br />

mit hohem St<strong>and</strong>ard entst<strong>and</strong>en. Ort für Luxuswohnungen<br />

ist höchstens in unmittelbarer Bahnhofnähe<br />

gegeben. Durch die neue urbane Wohnqualität<br />

<strong>im</strong> ZZN (vergleiche auch <strong>Stadt</strong>qualität) sind viele<br />

neue Wohnungen mittleren St<strong>and</strong>ards' entst<strong>and</strong>en.<br />

Doch ist das Gelänge nur örtlich - teilweise aber<br />

dicht -überbaut worden, da wegen der stagnieren~<br />

den Wirtschaftslage nur beschränkte MIttel für den<br />

Wohnungsbau vorh<strong>and</strong>en sind. Die Gesamtwohnfläche<br />

ist hoch, bleibt aber unter den geplanten<br />

Werten und beläuft sich auf ungefahr'Z;3 der Gesamtfläche.<br />

Zwischennutzungen<br />

Wegen der eher schlechten Wirtschaftslage besteht<br />

keine grosse Nachfrage nach Baul<strong>and</strong> und neuen<br />

Bürobauten. Die Bodenpreise stagnieren, so dass viel<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

129


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

_<br />

Wohnlage dadurch auch attraktiv geworden<br />

ist. Die Pendlerströme sind trotzdem erheblich,<br />

obwohl viele ArbeitnehmerInnnen auf<br />

dem Areal und in der Region wohnen.<br />

Abb. 4.4.2 Im SZeI1ano .Neuegesellschaftliche ffi,rte» entsteht ~bensraum von hoher<br />

Qualität (Bild: Thomos Frey}.<br />

. Raum für Zwischennutzung angeboten wird. Von<br />

den AnwohnerInnen wie auch von Aussenstehenden<br />

ist ein grosser Bedarf nach RauIll für Ateliers,<br />

Proberäume, Konzerte; etc. vorh<strong>and</strong>en.<br />

ZelJtrumsflllJlctiolJ<br />

Es gibt viele soziale Dienstleistungen und es<br />

ist Raum für öffentlich-kulturelle Nutzung<br />

entst<strong>and</strong>en. Der Bedarfdanach ist gross. Für<br />

Eigeninitiative und Partizipation bleibt viel<br />

Raum. Trotzdem behält das ZZN Quartiercharakter<br />

und erlangt kaum quartierübergreifende,<br />

regionale Bedeutung,<br />

Durch den fehlenden Druck' der Wirtschaft<br />

und die knappen finanziellen Ressourcen<br />

Ende der 90er Jahre ist die Über~<br />

bauung des' Areals in Etappen erfolgt. Dies<br />

hat zu einer hohen sozialen Durchmischung<br />

insbesondere bzgl. des Alters, aber auch<br />

bzgl. der Einkommensstruktur geführt. Die<br />

urbane Wohnqualität mit neuen Werten und der<br />

attraktive Wohnraum mittlerer Preisklasse <strong>im</strong> ZZN<br />

hat viele Familien mit Kindern angezogen.<br />

Verteilung<br />

DieNeubautensind dicht gebaut und gliedern sich<br />

in die bereits bestehenden Altbauten ein. Dazwischen<br />

finden sich kleinere Freiräume.<br />

.Mobilitiit<br />

Wegen' der interventionistischen Raumplanungsgesetzgebung<br />

und der breiten Sensibilisierung für<br />

die Umweltbelastung in der Bevölkerung ist kein<br />

grosser Bedarf nach Parkplätzen vorh<strong>and</strong>en. Die<br />

Parkplatzzahl bewegt sich <strong>im</strong> geplanten' Rahmen.<br />

Zu einem grossen Teil sind Leute ins ZZN gezogen,<br />

denen es wichtig ist, zu Fuss oder mit dem Fahrrad<br />

zur Arbeit zu gehen. Dieses Um,jenken in der Bevölkerung<br />

und die strenge Umweltschutzgesetzgebung<br />

haben eine weitgehende Veränderung des Verkehrsverhaltens<br />

bewirkt. Fahrrad- und Fussgängerverbindungen<br />

nach Oerlikon werden zWar gewünscht, doch<br />

hat bisher das fehlende Geld eine Realisierung der<br />

Pläne verhindert. Der öffentliche Verkehr wird trotz<br />

der prekären Finanzlage gefördert, ist weitgehend<br />

ausgebaut und wird rege benutzt. Wegen der<br />

schlechten Konjunkturlage und'der strengen Umweltschutzgesetzgebung<br />

ist der Durchgangsverkehr<br />

gegenüber 1996 leicht zurückgegangen und wird in<br />

absehbarer Zeit auch niCht wieder zunehmen.<br />

Der Langsamverkehr ist durch die neue Werthaltung<br />

in der Bevölkerung sehr beliebt geworden.<br />

Es wohnen nicht zuletzt viele Leute hier,. weil die<br />

<strong>Stadt</strong>qlliditiit·<br />

Es besteht viel Naherholungsraum hoher Qualität.<br />

Als Folge der aktiven Beteiligung der Bevölkerung<br />

an Gestaltungsentscheiden <strong>im</strong> Aussenraum ist die<br />

Sicherheit <strong>im</strong> öffentlichen Raum hoch. Der Druck<br />

der BewohnerInnen, den Aussenraum angenehm<br />

zu gestalten ist gewachsen. Die Möglichkeiten zur<br />

Partizipation werden ausgeschöpft, weil die Leute<br />

mitdenken und -entscheiden wollen. Die interventionistisGhe<br />

Raumplanung setzt hier jedoch Grenzen.<br />

Die ökologische Qualität - nachhaltiger Umgang mit<br />

Ressourcen und Energie, sowie ein griffiges Abfallwesen<br />

- ist wegen der strengen Gesetze und dem<br />

starken Umweltbewusstsein hoch.<br />

4.4.3 Fazit<br />

Die Bevölkerungszahl n<strong>im</strong>mt leicht zu; eine neue,<br />

griffige Umwelt- .und Raumplanungsgesetzgebung,<br />

eine stagnierende Wirtschaftslage .und ein nachhaltiger<br />

Umgang mit Ressourcen entschärfen die<br />

ökologische Krise. Die Bevölkerung ist von neuen<br />

Ideen erfUIIt, engagierter in politischer Mitsprache<br />

und Mitarbeit, was eine politische Entspannung und<br />

visionäre St<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> L<strong>and</strong> bewirkt. Die Schweiz<br />

tritt der EU bei, die positiven Aspekte überwiegen.<br />

Wirtschaftlich steckt das L<strong>and</strong> in einer Stagnation.<br />

Die Arbeitsplätze sind eher hoch diversifiziert, aber<br />

nicht polarisiert. Die Lebensqualität in der <strong>Stadt</strong> ist<br />

angestiegen, eine neue Urbanität entsteht.<br />

130<br />

UNS-Fallstudie '96


__________________--'-....,... ---------- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Das ZZN wird gebaut, aber in bescheidenerem<br />

Rahmen als ursprünglich geplant, denn wegen der<br />

stagnierenden Wirtschaftslage finden sich nur wenige<br />

InvestorInnen. Es entsteht ein Wohnquartier<br />

mit neuen Perspektiven (nach dem Vorbild von<br />

Kraftwerk I, vgI. Blum & Hofer, 1993) und mit Kleingewerbe.<br />

Es finden sich ein beachtliches kulturelles<br />

und soziales Angebot, zahlreiche Grünflächen und<br />

vor allem viele - auch familienfreundliche - Wohnungen.<br />

Innovation, Partizipation und Eigeninitiative<br />

prägen den Zeitgeist, was ermöglicht, mit beschränkten<br />

Mitteln viel zu erreichen. So weist das<br />

Gebiet eine recht hohe architektonische Qualität auf.<br />

Das ZZN zeichnet sich durch Quartiercharakter aus,<br />

kann aber kaum übergeordnete <strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />

wahrnehmen.<br />

5. Thesen<br />

Die <strong>im</strong> folgenden vorgestellten Thesen stammen<br />

zum Teil direkt aus den Teilprojekten, zum Teil aus<br />

den Diskussionen, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit den<br />

Entwicklungsvarianten geführt worden sind. Die<br />

Entwicklungsvarianten (vgI. Kap. 4 SZENARIEN UND<br />

ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN) selbst sind bildhaft zu<br />

verstehen und theoretisch konstruiert, wurden aber<br />

auf ihre Konsistenz Überprüft. Die Thesen bilden<br />

die Synthese aller <strong>im</strong> Verlauf der Teilprojekt- und<br />

Synthesegruppenarbeit angestellten Überlegungen<br />

zur Zukunft des ZZN. Es werden dabei unsere Einschätzungendargelegt<br />

wie auch Empfehlungen und<br />

Vorschläge für das weitere Vorgehen skizziert. -<br />

Nur in der Entwicklungsvariante zum Szenario<br />

«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» (vgI. Kap. 4 SZENARIEN<br />

UND ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN) wird das ZZN <strong>im</strong><br />

wesentlichen so realisiert, wie es <strong>im</strong> Leitbild vorgesehen<br />

ist. Unter diesen Bedingungen lässt es sich <strong>im</strong><br />

Jahr 2011 als lebendiger, verdichtet bebauter <strong>Stadt</strong>teilcharakterisieren,<br />

der auf einer prosperierenden<br />

Wirtschaft mit vielfältigen Arbeitsplätzen vor-allem<br />

<strong>im</strong> Bereich «unternehmensorientierte Dienstleistungen»<br />

aufbaut. Der Raum für öffentliches Leben und<br />

die Freizeitgestaltung in Zürich ist grösstenteils der<br />

starken Nachfrage nach Wohn- und Gewerbebauten<br />

<strong>im</strong> ZZN zum Opfer gefallen. Eine geringe soziale<br />

Durchmischung kontrastiert mit einem Nebenein<strong>and</strong>er<br />

von Wohn- und Arbeitsnutzungen.<br />

Die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung sind<br />

eine wirtschaftliChe Boomphase und eine strenge<br />

Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung.<br />

Das Eintreten dieser Rahmenbedingungen erscheint<br />

zur Zeit unwahrscheinlich.<br />

Alle <strong>and</strong>eren Entwicklungsvarianten beinhalten klare<br />

Abweichungen zu den Zielvorstellungen aus dem Entwicklungsleitbild.<br />

In der Variante «Orientierungslosigkeit und Krise»<br />

kann von einem <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> <strong>im</strong> Jahre 2011<br />

nicht gesprochen werden. In Bahnhofsnähe stehen<br />

wenige isolierte Neubauten. Aufgrund der fehJenden _<br />

Nachfrage nach Wohn- und Arbeitsfläche konnte<br />

sich jedoch in den ehemaligen Fabrikhallen ein<br />

vielseitiges Sport- und/oder Alternativkulturangebot<br />

etablieren. Voraussetzungen für diese Entwicklung<br />

sind eine wirtschaftliche Krisenphase und lockere<br />

Raumplanungs- und Umweltschutzgesetzgebung.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

131


<strong>Stadt</strong>entwicklung --'- --'---'- --.,..__<br />

In der Variante «Neue gesellschaftliche Werte»<br />

präsentiert sich das ZZNvorwiegend als vielfältiges,<br />

lebendiges Wohnquartier. Es finden sich viele Kleinbetriebe,<br />

ein beachtliches kulturelles und soziales<br />

Angebot, zahlreiche Grünflächen und vor allem<br />

viele familienfreundliche Wohnungen. Der Zeitgeist<br />

ist von Innovation, Partizipation und Eigeninitiative<br />

geprägt, so dass mit beschränkten Mitteln viel<br />

. erreicht wird. Voraussetzung für diese Entwicklung<br />

sind eine stagnierende Wirtschaftslage, Umdenken<br />

in der Bevölkerung und wiederum eine strenge<br />

Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung.<br />

Bei dieser Variante ist anzunehmen, dass <strong>im</strong>Wohnungsbau<br />

das Bebauungskonzept aus dem Leitbild<br />

umgesetzt wird. Wegen der fehlenden Nachfrage<br />

• nach Geschäftssitzen (vgl. Kap. 3.3 DIE STANDORT­<br />

QUAL/TAT DES ZZN) gibt es viele Freiflächen.<br />

In der Entwicklungsvariante zum Szenario «Polarisierung»,<br />

welches aus unserer Sicht die wahrscheinlichste<br />

Entwicklung der Rahmenbedingungen<br />

beschreibt, präsentiert sich das Z~N <strong>im</strong> Jahre 2011<br />

vorwiegend als Dienstleistungszentrum. Der Aufwärtstrend<br />

in gewissen' Bereichen des Dienstleistungs~ektors<br />

übt einseitigen Druck auf das Areal<br />

aus. Das Gebiet weist mit einem kleinen Wohnanteil<br />

.und nur wenigen kulturellen oder öffentlichen Einrichtungen<br />

keine hohe Nutzungsdurchmischung auf.<br />

Die soziale Polarisierung findet ihr Gegenstück in<br />

der räumlichen Verteilung, die von intensiver Neubautätigkeit<br />

für ein Business-Center in der Nähe<br />

zum Bahnhof Oerlikon, einer zügigen Realisierung<br />

der gegen Seebach gelegenen Wohnüberbauungen<br />

und einem Beibehalten des Status quo auf den<br />

dazwischenliegenden Flächen best<strong>im</strong>mt wird. Es<br />

entsteht kein <strong>Stadt</strong>teil eigener Identität, da kaum<br />

gemeinsame Interessen bestehen und die Teilnahme<br />

der Bevölkerung an der Gestaltung min<strong>im</strong>al ist.<br />

Die Sonderbauvorschriften setzen der Realisierung<br />

der Planung einen Rahmen (vgl. Kap. 3.1.2 SPIEL­<br />

RAUM DER PLANUNG). Die Pläne der Sonderbauvorschriften<br />

geben Bebauungsstruktur und Nutzungsart<br />

vor. Es erscheint wahrscheinlich, dass die GrundeigentümerInnen<br />

versuchen, vor der Inkraftsetzung<br />

der·Sonderbauvorschriften Änderungen und opt<strong>im</strong>ale<br />

Voraussetzungen für schon gefundene InvestorInnen<br />

in den Plänen festzuschreiben. Eine Abweichung<br />

von den Vorgaben ist in Zukunft nur<br />

noch nach Art. 4 Abs. 3. der Sonderbauvorschriften .<br />

möglich. Während Abweichungen jetzt noch durch<br />

Verh<strong>and</strong>lung der Sonderbauvorschriften zwischen<br />

<strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen durchgesetzt werden<br />

können, wird in Zukunft die <strong>Stadt</strong> (Bauamt II)<br />

einen grösseren Einfluss auf eventuelle Abweichungenhaben.<br />

.<br />

Die Entwicklung vom Projekt hängt aber sehr stark<br />

vom Interesse der InvestorInnen ab (vgl. Kap. 3.3.1<br />

STANDORTFAKTOREN). Wünschenswert wäre eine relativ,<br />

schnelle Umsetzung der Planung, vor allem <strong>im</strong><br />

Teilgebiet 0 (vgl. Abb. 3.1.1). Die baldige Verlegung<br />

der Berufsschule scheint aber derzeit unrealistisch<br />

bzw. nicht gesichert, so dass auch die «Schaffung des.<br />

Bahnhofplatzes <strong>Nord</strong> als räumlicher Auftakt und als<br />

funktionelles und ideelles Tor zum <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong>» (Ruoss & Siress, 1994, S. 29) verhindert ist.<br />

Es ist aus planerischer Sicht zu befürchten, dass<br />

zwar die Projekte, für die bereits heute potentielle<br />

InvestorInnen vorh<strong>and</strong>en sind, in Einklang mit den<br />

Zielen des Leitbildes realisiert werden, aber für<br />

spätere Projekte die Ziele des Leitbildes wieder<br />

verworfen werden, da neue Verh<strong>and</strong>lungen über<br />

Sonderbauvorschriften geführt werden.<br />

Während der Fallstudie war eine Zusammenarbeit<br />

unter den GrundeigentümerInnen nicht mehr erkennbar<br />

(vgl. Kap. 3.1 ZUM PLANUNGSPROZESS DES<br />

ZZN). Dafür ist sicher auch die Konkurrenzsituation<br />

bei der Suche nach InvestorInnen verantwortlich. Es<br />

ist zu befürchten, dass der rege Austausch zwischen<br />

<strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen mit Inkrafttreten<br />

der Sonderbauvorschriften seinen formalen Rahmen<br />

und damit vermutlich stark an Intensität verlieren<br />

wird.<br />

Damit die gemeinsam erarbeiteten Ziele des Leitbildes<br />

auch in Zukunft nicht aus den Augen verloren<br />

werden, muss ein begleitendes Gremium eingesetzt<br />

werden, das sich aus Vertret:erInnen der Grundeigentümerschaft<br />

.und der städtischen Behörden<br />

zusammensetzt. Es könnte das Geschehen auf dem<br />

Gebiet des ZZN begleiten. Neue Projekte sollen<br />

in diesem Gremium diskutiert und kommentiert<br />

werden. Durch den Einbezug der <strong>Stadt</strong> ist auch<br />

gewährleistet, dass Bewilligungen für Abweichungen<br />

zwischen <strong>Stadt</strong> und EigentümerInnenausgeh<strong>and</strong>elt<br />

werden können. Das Gremium könnte so den erfolgversprechenden<br />

Prozess der gemeinsamen <strong>Stadt</strong>planung<br />

zwischen <strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen<br />

unter Beiziehung interessierter' Kreise der Bevölkerung<br />

(vgl. These 6) weiterführen.<br />

UNS-Fallstudie '96


---------------------------~ ___..,---<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

Das Hauptziel der Neustrukturierung ist die Überführung<br />

der heutigen Industriezone in ein Gebiet<br />

mit Mischnutzung. Anh<strong>and</strong> der Entwicklungsvarianten<br />

ist abzuleiten, dass die Sonderbauvorschriften<br />

und die festgehaltenen Prozentanteile nicht genügen,<br />

um das gewünschte Ziel der urbanen Nutzungsdurchmischung<br />

zu erreichen. Es sind nicht nur<br />

Anteil für Wohn-, Dienstleistungs'" und Industrienutzungen<br />

festzulegen, sondern ein vielfältig gemischtes<br />

Angebot innerhalb dieser drei Hauptbeieiche<br />

ist anzustreben.<br />

Sinnvoll könnte sein, Dienstleistungen nach verschiedenen<br />

Bereichen untergliedert zu betrachten.<br />

Kommerzielle, persönliche, soziale und kulturelle Dienste<br />

sindzu unterschieden, damit eine differenzierte Förderung<br />

·von Dienstleistungsbetrieben aus ollen Bereichen angestrebt<br />

werden kann. Eine rein prozentual festgelegte Anforderung<br />

für die gesamte Dienstleistungsbranche<br />

führt noch nicht zu einer ausgewogenen Durchmischung"die<br />

einen lebendigen <strong>Stadt</strong>teil ermöglicht.<br />

Die Umsetzung dieser Idee sollte eine Aufgabe für<br />

das Begleitgremium darstellen (vgI. These 2).<br />

Unter dem Industrieanteil wird <strong>im</strong> Leitbild nur<br />

auf die zwei ansässigen Industriebetriebe Asea Brow1J<br />

Boveri AG und Oerlikon-Bührle Holding AG als zukunftsorientierte<br />

Industriebetriebe eingegangen.<br />

Ihnen sollen geeignete Gebiete für eine Neuorganisation<br />

mit genügend Raum für unvorhersehbare<br />

Entwicklungen zugewiesen werden. Von einer Neuansiedelung<br />

wird nicht ausgegangen. Aus den Entwicklungsvarianten<br />

«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» und<br />

«Polarisierung» geht hervor, dass auch die Ansiedlung<br />

von kleinen und mittleren produktionsorientierten<br />

Unternehmen, vor allem aus dem High Tech­<br />

Bereich, denkbar wär~. Das Entwicklungsleitbild ist<br />

stark auf die zwei bestehenden Industriebetriebe<br />

ausgerichtet (vgI. Kap. 3.1.1 AKTUELLER STAND DER<br />

PLANUNG) und unterschätzt das Entwicklungspotential<br />

von neuen, auch kleineren Unternehmen. Die<br />

Erhaltung des Industriest<strong>and</strong>ortes hängt grundsätzlich<br />

von der wirtschaftlichen Entwicklung und weniger<br />

von der Planung ab. Die Planung steuert aber<br />

bei einer günstigen wirtschaftlichen Situation die<br />

Ansiedlung von neuenUnternehmen, indem sie<br />

Anreize schaffen kann. Solche Anreize für High<br />

Tech-Betriebe sollten auch <strong>im</strong> Bereich der industriellen<br />

Nutzung eine grössere Vielfalt anstreben.<br />

Um eine Integration der Wohnanteile mit den<br />

übrigen Nutzungsformen zu erreichen, muss neben<br />

einem vielseitigen Angebot an Wohnungen, das sich<br />

an verschiedenen Bedürfnissen unterschiedlicher,<br />

zukünftiger ZZN-Bewohnerlnnen orientiert, auch<br />

eine Kleinversorgerstruktur geschaffen werden, die<br />

durch die gleichzeitige Ausrichtung auf Arbeitsund<br />

Wohnbevölkerung ein verbindendes Element<br />

darstellt.<br />

Im Leitbild ~ird nur eine urbane Nutzungsdurchmischung,<br />

jedoch keine soziale Durchmischung<br />

angesprochen. Diese bildet aber eine Voraussetzung<br />

für eine sozial nachhaltige Entwicklung des ZZN<br />

(vgI. Arend, 1993).<br />

Etappenweises Bauen über einen grösseren Zeitraum<br />

hinweg fördert die Entstehung von unterschiedlichen<br />

Wohnungen unter gleichzeitigem Bau<br />

von Schulen und Läden. Familien und «Pioniersiedler»<br />

ziehen zu verschiedenen Zeitpunkten in<br />

das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. ein und die Kinder <strong>im</strong><br />

ZZN wachsen «gestaffelt» auf. Die Etappierung der<br />

Wohnüberbauungen kann also eine soziale oder<br />

zumindest altersstrukturelle Durchmischung fördern<br />

(Wehrli-Schindler, 1994). Das Gebiet kann durch<br />

eine solche, kontrollierte Entwicklung auch eher<br />

urbanen <strong>Zentrum</strong>scharakter erhalten.<br />

Aufgrund der Immobilienkrise der frühen 90er<br />

Jahre und des daraus ~esultierenden Überangebots<br />

von Gewerbeflächen gewinnt die Wohnüberbauung<br />

für das ZZN eine besondere Bedeutung (vgI. Kap.<br />

J.3 DIE STANDORTQUALITÄT DES ZZN). Da die Bevölkerungsstruktur<br />

über das Wohnungsangebot gesteuert<br />

wird, ist ein vielfältiges Wohnungsangebot zwingend,<br />

wenn ein lebendiger <strong>Stadt</strong>teil geschaffen werden<br />

soll. Indem dort auch preisgünstige Wohnungen<br />

angeboten werden, übern<strong>im</strong>r.nt das ZZN eine für<br />

Zürich wichtige Funktion. Die Schaffung attraktiven<br />

Wohnraums (z.B. Ententeich, vgI. Kap. GEBÄUDE)<br />

oder spezieller Attraktionen <strong>im</strong> kulturellen Bereich<br />

können bei der günstigen Verkehrslage auch <strong>and</strong>ere<br />

Kreise·anziehen. Für eine solche Realisierung ist<br />

aber wiederum eine passende Etappierung wichtig.<br />

Ohne zusätzliche Attraktionspunkte ist Oerliko~ als<br />

Wohnlage <strong>im</strong> Moment wenig populär. Als Belastung<br />

sind dabei der Fluglärm und das negative Image zu<br />

sehen.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

133


<strong>Stadt</strong>entwicklung_'-- '-- ~ __'____'__,__-------~--<br />

Im Leitbild ist nicht detailliert dargelegt, was unter<br />

einem <strong>Zentrum</strong> verst<strong>and</strong>en werden soll. Nach Auffassung<br />

des Vereins zürifüfzg! soll ein pulsierend lebendiges,<br />

urbanes, kulturelles und soziales <strong>Zentrum</strong><br />

angestrebt werden. Dies wird in ähnlicher Weise<br />

auch vom Planer Roth so verst<strong>and</strong>en (vgl. Roth, 1996;<br />

Kap. EINLEiTUNG). Ein Werbebild am BahnhofOerlikon<br />

(vgl. Abb. 5.1) legt die Vermutung nahe, dass<br />

von gewissen GrundeigentümerInnen «<strong>Zentrum</strong>» in<br />

erster Linie als Business-Center verst<strong>and</strong>en wird.<br />

Diese Auffassung vom Begriff <strong>Zentrum</strong> steht in krassem<br />

Gegensatz zu der des Vereins zürifüfzg!.<br />

Bei keiner Entwicklungsvariante entsteht auf dem<br />

Areal ein kulturelles, soziales und wirtschaftliches .<br />

<strong>Zentrum</strong> mit überregionaler Bedeutung. In zwei<br />

Entwicklungsvarianten entsteht nicht einmal ein<br />

Business-Center (vgl. Kap. 3,3.1 STANDORTFAKTQREN).<br />

Entscheidend hierfür ist die Entwicklung derjenigen<br />

Wirtschaftssektoren, aus denen Betriebe zur Nutzung<br />

des ZZN vorgesehen sind.' Bei einem Wirtschaftsboom<br />

können vor allem Zwischennutzungen<br />

und kulturelle Nutzungen (siehe These 7) ihre<br />

Ansprüche nicht geltend machen. Diese würden aber<br />

zu einer vielfältigen Nutzung führen, die Voraussetzung<br />

dafür ist, dass in einem Gebiet Leben entstehen<br />

kann. Ein Quartier mit lokalem <strong>Zentrum</strong>, z.B.<br />

um einen Laden und <strong>and</strong>ere öffentliche Einrichtungen<br />

herum, kann dabei sehr wohl entstehen. Fraglich<br />

bleibt einzig die überregionale Bedeutung, die mit dem<br />

Begriff «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ja auch angesprochen<br />

wird.<br />

Abb.S.i Dos <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> ols Business-Center? (Bild: Michael Meier).<br />

Für das Erreichen einer <strong>Zentrum</strong>sfunktion mit<br />

grösserem Einzugsgebiet ist die attraktive Verbindung<br />

des ZZN mitden umliegenden Quartieren<br />

zentral. In diesem Fall ist dies ein kritischer Punkt.<br />

Für die Anbindung des Langsamverkehrs aus dem<br />

ZZN an die umliegenden Quartiere sind noch keine<br />

konkreten Lösungsvorschläge vorh<strong>and</strong>en (vgl. Kap.<br />

VERKEHR). Diese müssten aber geplant und in einer<br />

frühen Phase realisiert werden, um das Gebiet für die<br />

Öffentlichkeit gut und sicher erreichbar zu machen.<br />

Vor allem zum Geschäftsgebiet von Oerlikon, welches<br />

durch die Eisenbahnlinie klar. vom ZZN abgetrennt<br />

ist, müssen bessere Verbindungen als die<br />

engen Unterführungen bereitgestellt werden (vgl.<br />

Kap. 3.2 DAS SOZiALE UMFELD DES ZZN). Eine, wenn<br />

auch etwas utopisch klingende, Möglichkeit wäre die .<br />

unterirdische Führung der Bahnlinien <strong>im</strong> Bereich<br />

des Bahnhofs Oerlikon.<br />

In Oerlikon ist der Bedarf an Räumlichkeiten für<br />

öffentliche Nutzungen grösser als das Angebot (vgl.<br />

Verein zürifüfzgl, 1994; Kap. 3.2.2 WiSSEN UND EiN­<br />

STELLUNGEN BEi DER BEVÖLKERUNG DER UMLiEGENDEN<br />

QUARTiERE). Der Wunsch nach öffentlichen Treffpunkten<br />

wurde verschiedentlich geäussert, vor allem<br />

von Jugendlichen, für die in Oerlikon nur ein spärliches<br />

Angebot an öffentlichen Einrichtungen bereit<br />

steht. Erwünscht sind Infrastrukturen wie Gemeinschaftszentren,<br />

Spielplätze, Parks sowie<br />

nicht zweckbest<strong>im</strong>mte Freiräume und<br />

Nischen. Dieses Defizit an öffentlichen<br />

Räumen, das auch für Gemeinden des<br />

Zürcher Unterl<strong>and</strong>es gilt, sollte beseitigt<br />

werden. Ein Bruttogeschossflächenanteil<br />

von 2% für öffentliche<br />

Einrichtungen ist zuwenig, um dergrossen<br />

Nachfrage gerecht werden zu<br />

können. Dieser Anteil wurde von 1991<br />

bis 1995 von 10% auf.2% gekürzt (vgl.<br />

Kap. 3.1 ZUM PLANUNGSPROZESS DES<br />

ZZN). Die Angebote müssen attraktiv<br />

sein und eine eigene Spezifität aufweisen,<br />

da sonst weiterhin das breite<br />

Angebot <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>zentrum bzw. in der<br />

Aggtomeration vorgezogen wird. Es ist<br />

wünschbar, dass ein Teil des Bedarfes<br />

über mittelfristig gesicherte Zwischen-<br />

134<br />

UNS-Fallstudie '96


-'------'-- --'- .,-- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

nutzungen (vgl. These 7) gedeckt wird.<br />

Öffentliche Einrichtungen fördern die<br />

Durchmischung und die Vielgestaltigkeit<br />

des Ortes und können dem<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> Identität und<br />

Lebensqualität verleihen (vgl. These 5).<br />

Damit dem Bedarf der umliegenden<br />

Bevölkerung nach einem besseren Angebot<br />

an kulturellen, sozialen und persönlichen<br />

Diensten Rechnu,ng getragen<br />

werden kann, müssen InvestorInnen<br />

angesprochen u'nd die Bevölkerungpartizipativ<br />

miteinbezogen werden. Durch<br />

die Beachtung und Realisierung der Bedürfnisse<br />

und Interessen der anliegendenBevölkerung<br />

erhofft man sich, auch<br />

den Anliegen ,der zukünftigen BewohnerInnen<br />

des ZZN gerecht zu werden<br />

und damit auch die Attraktivität des<br />

Gebietes zu steigern. Bis jetzt hat der<br />

konstruktive Miteinbezug der Bevölkerung,<br />

an einem Entscheidungs- und Gestaltungsprozess<br />

aktiv mitzuformen, nicht stattgefunden (vgl.<br />

Kap. 3.2.2 WISSEN UND EINSTELLUNGEN BEI DER BE­<br />

VÖLKERUNG DER UMLIEGENDEN QUARTIERE). Die Beteiligten<br />

müssen periodisch zusammentreffen und die<br />

Entwicklungen besprechen. Ein Forum für solche<br />

Gespräche wäre das oben skizzierte Begleitgre'mium<br />

(vgL These 2). Damit die realisierten Angebote auch<br />

genutzt werden, müssen die Anbindungen an das<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> weitgehend realisiert sein und<br />

das Verkehrsnetz innerhalb des Areals des ZZN muss<br />

so weit.ausgebaut sein, dass auch zentrale Bereiche<br />

des Areals bequem erreichbar sind (vgl. These 5).<br />

Allein in der Entwicklungsvariante «Neue gesellschaftliche<br />

Werte» wird auf dem ZZN~Areal genügend<br />

Raum für Zwischennutzung zur Verfügung<br />

gestellt (vgl. Kap. 4 SZENARIEN UND ZUKÜNFTIGE ENT­<br />

WICKLUNGEN). Entwickelt sich das ZZN hingegen<br />

nach einer <strong>and</strong>eren Variante, wird es kaum Raum für<br />

Zwischennutzung geben. Vom heutigen St<strong>and</strong>punkt<br />

aus stellt sich die Situation so dar, dass in der aktuellen<br />

Immobilienkrise wenig Geld für Büro- und auch<br />

Wohnungsbau vorh<strong>and</strong>en ist (vgl. Kap. 3.3 DIE<br />

STANDORTQUALITÄT DES ZZN) und deshalb die Altbau~<br />

substanz für Zwischennutzung vorh<strong>and</strong>en wäre. Dabei<br />

spielen diese bei einer Umnutzung eine zentrale<br />

AM. 5.2 Hat es .auf dem ZZN Platz für alternative Kultur oder schrecken diese Bilder<br />

potentielle NutzerInnen ab? (Bild: RDB/Key Color).<br />

Rolle. Mittels Zwischennutzungen kann der Isolierung<br />

einzelner Baufelder entgegengewirkt werden.<br />

Sie beleben und prägen durch die Vielfalt ihrer<br />

NutzerInnen das Wohn- und Arbeitsviertel entscheidend.<br />

Voraussetzungen dafür, dass Zwischennutzungen<br />

realisiert werden können, ist einerseits,<br />

dass Räumlichkeiten günstig zur Verfügung gestellt<br />

werden, damit sich auch ertragsschwächere NutzerInnen<br />

einmieten können. Zum <strong>and</strong>ern muss der<br />

St<strong>and</strong>ort attraktiv, zentral und gut an das öffentliche<br />

Verkehrsnetz angebunden sein. Da GrundeigentümerInnen<br />

befürchten, dass Zwischennutzungen<br />

die Realisierung von späteren Projekten verzögern<br />

können, haben sie und die InvestorInnen.oftmals<br />

wenig Interesse daran.<br />

Um vielseitige und belebend wirkende Zwischennutzungen<br />

zu fördern, müssen gezielt und aktiv<br />

Nischen verfügbar gemacht werden. Den GrundeigentümerInnen<br />

müssen die Vorteile von Zwischennutzungen<br />

wie garantierte Mindesteinnahmen,<br />

welche einem Leerst<strong>and</strong> vorzuziehen sind oder<br />

Attraktivitätssteigerung für weitere NutzerInnen<br />

(Dominoeffekt), dargelegt und unterschiedliche,<br />

potentielle NutzerInnen angesprochen werden. Das<br />

«Produktmanagement» für das ZZN darf sich nicht<br />

nur auf InvestorInnen beschränken, sondern muss<br />

sich auch bewusst an die Bevölkerung richten.<br />

Damit diesen Forderungen Rechnung getragen<br />

werden kann, müssen wie oben envähnt, unterschiedliche<br />

NutzerInnen aktiv angesprochen werden.<br />

Einerseits muss sich die <strong>Stadt</strong> darum bemühen<br />

und <strong>and</strong>erseits sollten sich auch die EigentümerInnen<br />

tolerant zeigen und an einer Zwischennutzung<br />

interessiert sein. Zwischennutzung auf rein gesetzlicher<br />

Ebene vorzuschreiben, reicht nicht aus.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

135


<strong>Stadt</strong>entwicklung ---:- -'-_<br />

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Thierstein, A. & Walser, M. (1996). Stein der Weisen oder Mogelpackung?<br />

Sustainable Development als Strategie für Regionen.<br />

DISP, (125), 10-17. .<br />

Tobler, M. (1995). How to <strong>im</strong>prove ecoefficiency in Bally shoe<br />

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von Reibnitz, U. (1992). Szenario-Technik - Instrumente für die<br />

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Gabler.<br />

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UNS-Fallstudie '96<br />

137


<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

~__<br />

Willi, E. (1992). Zürich <strong>Nord</strong>: Lebensraum/Wirtschaftsraum. Ein<br />

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Ausrnass, Inhalt und Bedeutung von Erneuerung und Recycling<br />

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Wüest und Partner (1996). Bau- und Immobilienmarkt Schweiz:<br />

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S. Bösch, T. Koller, HA Mieg, J. StÜnzi (Hrsg.), Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch<br />

Umnutzung, (S. 207m, Zürich: vdf HochschulverlagAG.<br />

138 UNS-Fallstudie '96


Verkehr <strong>im</strong> ZZN<br />

Inhalt<br />

1. Die Synthesegruppe VERKEHR<br />

2. Ausgangslage<br />

3. Vorgehen, Methode<br />

4. Ergebnisse<br />

5. Schlussfolgerungen<br />

6•. Berechnungs· und<br />

Bewertungsgrundlagen<br />

141<br />

142<br />

149<br />

156<br />

169<br />

171<br />

Autoren<br />

Oaniel Achermann<br />

Christoph Kehl<br />

Ludo Carlucci (Tutor)<br />

Andreas Hofer (Tutor)<br />

Matthias Lebküchller (Tutor)<br />

Marc A. Schärli (Tutor)<br />

Aufbauend aufden Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe(Synthesegruppe VERKEHR)<br />

Oaniel Achermann Adrian Bürgi Beatrix Koch Bonnet<br />

Rainer B<strong>and</strong>ei Eva Egli S<strong>and</strong>ra Kündig<br />

Enrico Bellini Bruno Gremion Silvia Lafranchi<br />

Sarm Blau Oani Hammer Caroline Portmann<br />

Oaniel Bose Christoph Kehl Sabine Reichen<br />

Christoph Buholzer Jan Kleinn Philipp Rütsche<br />

Ladina Saluz<br />

Barbara Suter<br />

Lucio Carlucd (Tutor)<br />

Andreas Hofer (Tutor)<br />

Matthias Lebküchner (Tutor)<br />

Marc A. Schärli (Tutor)


Verkehr..,..- ~ _<br />

140 UNS-Fallstudie '96


___________--------------------------<br />

Verkehr<br />

1. Die Synthesegruppe VERKEHR<br />

1.1 Einführung<br />

Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) soll vom Industriegebiet<br />

zu einem dicht besiedelten neuen <strong>Stadt</strong>teil<br />

werden. Diese neuen Nutzungen (geplant sind Wohnungen<br />

für5000 Personen und 8000 Dienstleistungsarbeitsplätze<br />

zusätzlich) werden, in einem jetzt<br />

schon bis an die Grenze belasteten Strassennetz<br />

in Zürich <strong>Nord</strong>, zu weiterem Verkehr führen. Die<br />

Synthesegruppe VERKEHR ging von den vorh<strong>and</strong>enen<br />

Konzepten zur Bewältigung des Mehrverkehrs aus<br />

und entwickelte weitere Vorschläge um den Verkehr<br />

<strong>im</strong> ZZN zu opt<strong>im</strong>ieren und die negativen Auswirkungen<br />

auf die Umwelt möglichst tief zu halten. In<br />

der Planung ZZN soll ein Grossteil des Mehrverkehrs<br />

'durch den öffentlichen Verkehr aufgenommen<br />

werden. Um


Verkehr '__ '__ ~'__ _<br />

liehe Betrachtungsweisen, indem em Indikatorensystem<br />

entwickelt wird, welches auf soziales,<br />

ökonomisches und naturwissenschaftliches Wissen<br />

zurückgreift. Es beschreibt die massgeblichen Beeinflussungen<br />

der Nachhaltigkeit durch den Verkehr.<br />

2. ARsgangslage<br />

2.1 Der Verkehr in Oerlikon heute<br />

Die Pendlerstatistik der Verkehrsbetriebe der <strong>Stadt</strong><br />

Zürich (VB~, basierend auf der Volkszählung 1990<br />

[Bundesamt für Statistik, 1996]) liefert die notwendigen<br />

Daten - aufgeteilt nach Ziel- (Verkehr nach<br />

Oerlikon) und Quellverkehr (Verkehr von Oerlikon)<br />

sowie öffentlichem, Langsam- und motorisiertem Verkehr<br />

- aus denen die heutigen Pendlerströme best<strong>im</strong>mt<br />

werden können. Darin wurden die verschiedenen<br />

Marktzonen der VBZ innerhalb der <strong>Stadt</strong> und der<br />

Region Zürich, sowie die ausserhalb der von den VBZ<br />

belieferten Marktzonen gelegenen Regionen· (inkl.<br />

Fernzonen) unterschieden. Es stellte sich heraus,<br />

dass 55% der Pendlerfahrten Quartiere der <strong>Stadt</strong><br />

Zürich als Ziel oder Quelle haben.<br />

2.1.1 Pendlerverkehr von lind nach aussenstehenden<br />

Gemeinden<br />

Die meisten PendlerInnen kommen aus den Regionen<br />

Winterthur, Glattal (ohne die Markzonen,<br />

welche von der VBZ bedient werden) und aus der<br />

übrigen Schweiz (Fernverkehr), sowie aus den direkt<br />

Oerlikon anliegenden Gemeinden «Region Unteres<br />

Glattah>, «Region Mittleres Glattal" und «Region<br />

L<strong>im</strong>mattah>. Der Quellverkehr ist dabei fast um den<br />

Faktor 2.5 kleiner als der entsprechende Zielverkehr<br />

AbO. 2.1 Dos ZZNistgut erschlossen - auch mitdem öffentlichen Verkehr (rund 450 Zugholte pro Tag). Dafür zerschneidetder<br />

Bahnhofdos Quartier Oerlikon in zweiTeile (Bild: Michael Meier).<br />

142<br />

UNS-Fallstudie '96


__________________________",,<br />

Verkehr<br />

nach Oerlikön. Die gute Erschliessung<br />

Oerlikons von <strong>Nord</strong>en und Westen hat<br />

dabei auf die Verteilung und Stärke der<br />

Pendlerströme den massgebli~hsten<br />

Einfluss. Die PendlerInnen aus den<br />

Regionen Z<strong>im</strong>merberg sowie vom linken<br />

und rechten Zürichseeufer müssen<br />

zuerst die ganze <strong>Stadt</strong> durchqueren, um<br />

nach Oerlikon zu gelangen;<br />

Zielverkehr<br />

Quellverkehr<br />

.............................<br />

Total<br />

Öffentlicher<br />

Verkehr<br />

52%<br />

54%<br />

...- .<br />

53%<br />

Langsamverkehr<br />

motorisierter<br />

Individualverkehr<br />

Tab. 2.1.3 Heutiger Modal-Split der Pendlerfahrten in Oerlikon (aus Pendlerstatistik VBZ,<br />

basierend aufder VolksZählung 1990 (Bundesamt für Statistik, 1996)).<br />

7%<br />

25% .•..............•.........<br />

13%<br />

41%<br />

21%<br />

34%<br />

2.1.2 Pendlerverkehr von und nach der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />

Auffallend grossist der Zielverkehr von Oerlikon<br />

in die Innensstadt, währenddem die meisten ZupendlerInnen<br />

- wie zu erwarten - aus den direkt <strong>im</strong><br />

<strong>Nord</strong>en, Osten und Westen anschliessenden Quartieren<br />

Affoltern, Seebach und Schwamendingen nach<br />

Oerlikon kommen. Auch hier ist der Quellverkehr..<br />

dem Zielverkehr mengenmässig unterlegen. Die<br />

Situation zeigt sich hier aber wesentlich ausgeglichener:<br />

der Unterschied beträgt lediglich 25%.<br />

. Allerdings hat der Binnenverkehr innerhalb Oerlikons<br />

selbst den grössten Anteil am gesamten Pendlerverkehr.<br />

verkehr zuzurechnen (55-70%). Ziele und Quellen<br />

des Durchgangsverkehrs liegen pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Industriegebiet<br />

Zürich <strong>Nord</strong>, Bereich Thurgau'erstrasse, in<br />

Hagenholz, <strong>im</strong> Glattal, in Seebach sowie in Affoltern,<br />

Höngg und dem L<strong>im</strong>mattal. Grundsätzlich kann gesagt<br />

werden, dass das Strassennetz bereits heute<br />

,weitgehend ausgelastet ist. Am stärksten belastet ist<br />

2.1.3 Heutiger Modal·Split<br />

Der hohe Anteil des Langsamverkehrs (LV, in erster<br />

Linie RadfahrerInnen und Fussgängerlnnen) und<br />

der entsprechend tiefe des motorisierten Individualverkehrs<br />

(MIV) be<strong>im</strong> Quellverkehr ist auffallend und<br />

hält auch den prozentualen Anteil des MIV am Gesamtverkehr<br />

vergleichsweise tief (siehe Tab. 2.1.3).<br />

Ob dieser Modal-Split (prozentuale Verteilung des<br />

Verkehrs auf MIV, 6v und Langsamverkehr) mit fortschreitender<br />

Entwicklung des ZZN aufrechterhalten<br />

werden kann, hängt auch davon ab, ob bei den SBB .<br />

und VBZ die entsprechenden Kapazitäten bereitgestellt<br />

werden können. .<br />

Die zuständigen Stellen bei den VBZ und SBB<br />

müssten noch nach Daten über Auslastungen und<br />

Kapazitäten ihrer Linien von und nach Oerlikon<br />

angefragt werden, 'um die Verkehrskonzepte auch<br />

<strong>im</strong> Bereich des·öffentlichen Verkehrs auf eine solide<br />

Datenbasis zu stellen. Es muss beurteilt werden<br />

können, was für Transportkapazitäten unter Berücksichtigung<br />

des z~sätzlichenVerkehrs und des Modal"<br />

Splits wo bereitgestellt werden müssen.<br />

2.1.4 Verkehrsbelastung <strong>im</strong> ZZN heute<br />

Die Verkehrsbelastung der wichtigsten Kreuzungen<br />

und Strassenachsen (Abb. 2.1.4) wurde <strong>im</strong> Sommer<br />

1993 erhoben. Ein hoher Anteil des <strong>im</strong> Planungs~<br />

gebiet zirkulierenden Verkehrs ist dem Durchgangs-<br />

Abb. 2.1.3 Die Strassengestaltung ist eine wichtige Voraussetzung für ein<br />

sicheres Mitein<strong>and</strong>er von Langsamverkehr und motorisiertem Individualverkehr<br />

(Bild; Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

143


Verkehr_,....- --'- '-- _<br />

Binzmüh/estrasse<br />

brUnnensIrasse<br />

Abb. 2.1.4 Verkehrsbelastung 1993 zu Abendspitzenstunden <strong>im</strong> ZZN (aus Hasler und Partner, 1993).<br />

Schon vorder Realisierong des ZZNsinddie Strossen stark ausgelastet.<br />

• Im ganzen Planungsgebiet<br />

sind zu jedem Realisierungszeitpunkt<br />

max<strong>im</strong>al<br />

4000 Autoabstellplätze zulässig<br />

(Art. 27/1).<br />

• Die Pflichtparkplatzzahl<br />

für Nichtwohnnutzungen<br />

<strong>im</strong> ganzen Planungsgebiet<br />

wird auf 60% herabgesetzt.<br />

Freiwillige Parkplätze dürfen<br />

nur für Wohnbauten<br />

erstellt werden, wobei pro<br />

Bauvorhaben max<strong>im</strong>al ein<br />

Abstellplatz pro Familienwohnung<br />

erlaubt ist (Art.<br />

27/2).<br />

• Die Abstellplätze sind mit<br />

Ausnahme der Besucherparkplätze<br />

grundsätzlich unterirdisch<br />

oder in Parkhäusern<br />

anzuordnen (Art. 27/6).<br />

die als Umfahrung des <strong>Zentrum</strong>s Oerlikon ausgeschiedene<br />

Durchgangsachse Binzmühlestrasse Ost­<br />

Birchstrasse Süd (Hasler und Partner, 1993).<br />

2.2 Verkehr <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild des<br />

ZZN: Planung und Prognosen<br />

2.2.1 Sonderballvorschriften<br />

Gemäss Art. 1 des Entwurfs vom 9. Dezember 1994<br />

(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) bezwecken die Sonderbauvorschriften<br />

(SBV) für das Gebiet <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong> die «Voraussetzungen für eine städtebaulich<br />

und wirtschaftlich tragfahige sowie umweltgerechte<br />

Umstrukturierung und Umnutzung des Gebietes<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> zu schaffen». Speziell ist unter<br />

Artikel 1 erwähnt:<br />

.es sollen die Voraussetzungen für eine gute Erschliessung<br />

des Gebietes durch.öffentliche Verkehrsmittel<br />

geschaffen werden,<br />

• der private Motorfahrzeugverkehr soll innerhalb<br />

des Gebietes begrenzt werden, .<br />

• das Gebiet soll mit einem dichten Netz von Fussund<br />

Radwegen ausgestattet werden.<br />

In Abschnitt 3 «Verkehrserschliessung und Parkierung»<br />

sind folgende Erlasse von grundlegender<br />

Wichtigkeit:<br />

• Die einzelnen geplanten Erschliessungsstrassen<br />

sind spätestens dann zu erstellen, wenn dies<br />

aufgrund baulicher Massnahmen oder Nutzungsänderungen<br />

in den einzelnen Teilgebieten erforderlich<br />

ist (Art. 24/2).<br />

2.2.2 Entwicklllilgsleitbild<br />

. Sinn des geplanten Verkehrskonzepts ist, die <strong>im</strong><br />

Gebiet ZZN geschaffene zusätzliche Verkehrsnachfrage<br />

so zu bewältigen, dass ihre Auswirkungen auf<br />

die Umwelt möglichst gering sind und die städtebaulichen<br />

Qualitäten des Gebietes und seiner Umgebung<br />

verbessert werden.<br />

Der Verkehrsanteil des öffentlichen Verkehrs ist<br />

von heute rund 35% auf 45% anzuheben, der Anteil<br />

der FussgängerInnen und der Veloanteil von 10% auf<br />

ca. 25%. Der MIV-Anteil soll mengenmässig auf dem<br />

heutigen St<strong>and</strong> stabilisiert werden, Was dnerrelativen<br />

Reduktion von 55% auf 30% entspricht. Die<br />

Anzahl der Parkplätze <strong>im</strong> Planungsgebiet wird auf<br />

privatem und öffentlichem Grund auf 4000 beschränkt.<br />

Im ZZN ist geplant, Wohnungen für 5000<br />

BewohnerInnen und 12'000 Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Den BewohnerInnen werden 1500 Parkplätze<br />

zugewiesen, den Arbeitenden 1800 und den BesucherInnen<br />

700. Die Parkplätze werden dabei vorwiegend<br />

in dezentralen Sammelparkierungsanlagen<br />

untergebracht, die ArbeitgeberInnen übernehmen<br />

die Kosten für die ·Arbeitsparkplätze,die übrigen<br />

Parkplätze sind gebührenpflichtig.<br />

Für den Güterverkehr werden keine speziellen<br />

Massnahmen formuliert. Als Anforderung gilt, dass<br />

die Industriegebiete für den Schwerverkehr gut<br />

erreichbar sein müssen (Ruoss & Siress, 1994).<br />

Konzept für den öffentlichen Verkehr<br />

Es sind drei Erschliessungslinien vorgesehen, die<br />

etappenweise realisiert werden. Wie die Etappierung<br />

144<br />

. UNS-Fallstudie '96


________________~<br />

~-------Verkehr<br />

zur Zeit geplant ist, kann Tab. 2.2.2.1 entnommen<br />

werden.<br />

Der geplante hohe ÖV-Antei/ kann nur erreicht<br />

werden, wenn die nötigen ÖV-Linien rechtzeitig zur<br />

Verfügung stehen. Das bedingt, dass in der mittelfristigen<br />

Realisierungsphase allenfalls Anpassungen<br />

des geplanten Netzes notwendig werden. Eventuell<br />

ist auch der Einsatz eines Ortsbusses zu prüfen, falls<br />

z.B. in naher ZukuIift nur die nordwestlichen Gebiete<br />

entlang der Neunbrunnenstrasse überbaut<br />

werden (Hasler und Partner, 1993).<br />

Strassenverkehrsnetzkonzept<br />

Das Basisnetz für die Erschliessung des Planungsgebiets<br />

entspricht dem <strong>im</strong> kommunalen Gesamtplan<br />

der <strong>Stadt</strong> Zürich en,thaltenen regionalen Hauptverkehrsstrassen:<br />

• bestehende Durchgangsachse Binzmühlestrasse<br />

Ost-Birchstrasse Süd,<br />

• geplante unterirdische Birchstrassenverlängerung<br />

zum Anschluss Seebach der A20,<br />

• geplante Verbindung Glaubtenstrasse-Birchstrasse.<br />

Gemäss den Sonderbauvorschriften, Art. 23 Abs. 2<br />

(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) sind die westliche Binzmühlestrasse<br />

und die westliche Neunbrunnenstrasse so<br />

zu gestalten, dass sie nicht mehr als Zufahrt ins<br />

Industriegebiet dienen können.<br />

Die Realisierung der unterirdischen Birchstrassenverlängerung<br />

und der Verbindung Glaubtenstrasse<br />

-Birchstrasse ist fraglich, zumindest wird sie erst zu<br />

einem späteren Zeitpunkt erfolgen.<br />

Die sich daraus ableitenden drei Realisierungsphasen<br />

sind Tab. 2.2.2.2 zu entnehmen.<br />

Es ist weiter geplan, das ganze Gebiet mit einem<br />

feinmaschigen Netz an Fuss-, Radwegen sowie<br />

Quartierstrassen zu überziehen, die für den motorisierten<br />

Individualverkehr (MIV) nicht befahrbar<br />

sein sollen (Hasler und Partner, 1993).<br />

kurzfristig:<br />

mittelfristig:<br />

langfristig:<br />

Buslinie 80, allenfalls mit <strong>and</strong>erer Linienführung<br />

<strong>im</strong> Bereich Bahnhof<strong>Nord</strong>.<br />

Buslinie 80 bis Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />

Buslinie von/nach Seebach mit Linienführung<br />

über Birchstrasse <strong>Nord</strong>-Binzmühlestrasse­<br />

Dynamostrasse Süd-Bahnhof <strong>Nord</strong>. Falls die<br />

Dynamostrasse noch nicht durchgehend<br />

zur Verfügung steht, wird der Bus wie heute<br />

geführt.<br />

Buswendeschlaufe am Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />

Tramlinie auf der Binzmühlestrasse mit der<br />

Verlängerung nach Schwamendingen.<br />

Buslinie von/nach Seebach mit Linienführung<br />

analog zur mittelfristigen Etappe.<br />

Buslinie von/nach Affoltern mit Linienführung<br />

über Neunbrunnenstrasse-Birchstrasse<br />

<strong>Nord</strong>- Binzmühlestrasse~Dynamostrasse<br />

Süd.<br />

Buswendeschlaufe am Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />

Tob. 2.2.2.1 Etappierung der geplanten Erschliessung des ZZN mit dem<br />

öffentlichen Verkehr{ÖV)..<br />

kurzfristig<br />

mittelfristig<br />

bestehendes Strassennetz.<br />

"<br />

Erweiterung des Netzes über die ringförmige<br />

Sammelstrasse, mit Sperrung der Neunbrunnensti'asse<br />

und Binzmühlestrasse West,<br />

jedoch ohne unterirdische Birchstrassenverlängerung.<br />

langfristig<br />

Gesamtnetz mit geplanter Unterirdischer<br />

Birchstrassenverlängerung, allenfalls auch<br />

mit der geplanten kommunalen Verbindung<br />

Glaubtenstrasse-Birchstrasse, parallel zur<br />

S-Bahn als Umfahrung des Gebiets ZZN.<br />

Tob. 2.2.2.2 Etappierung des geplanten Strossenverkehrsnetzes.<br />

Abb. 2.2.2 Eine behindertengerechte Gestaltung der Gehsteige und Haltestellen<br />

sowie der Verkehrsmittel selbst erfordert gesonderte Überlegungen<br />

(Bild: Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96 145


Verkehr ------ -'-- _<br />

sVpmin<br />

sVpmax<br />

Verkehrmin<br />

Verkehrmax<br />

Persönenbewegungen/<br />

Tag·Kategorie<br />

Personenbewegungen/<br />

Tag·Kategorie<br />

Personenbewegungen/<br />

Tag<br />

Personenbewegungen/<br />

Tag<br />

EinwohnerInnen 5000 1.5 2.5 7500 12'500<br />

Arbeitsplätze in:<br />

Dienstleistung 8000 6.0 8.0 48'000 64'000<br />

Industrie' 4000 3.0 4.0 12'000 16'000<br />

öffentliche<br />

Einrichtungen 500 3.0 4.0 1500 2000<br />

Total 69'000 94'500<br />

Tab. 2.2.3.1 Au/grunddes Entwicklungsleitbildes zu erwartender Gesamtverkehr ins ZZN (sVp = spezifisches Verke'hrspotential).<br />

2.2.3 Gesamtverkehr<br />

Der Gesamtverkehr, der durch das ZZN verursacht<br />

wird, lässt sich anh<strong>and</strong> der <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />

'vorgesehenen Anzahl BewohnerInnen und Arbeitsplätze<br />

sowie über das den EinwohnerInnen und<br />

den in den einzelnen DienstzweigenBeschäftigten<br />

verkehrstbeoretisch (Hidber eta!., 1995) zugeordnete<br />

spezifische Verkehrspotential (sVp) abschätzen. Ein<br />

spezifisches Verkehrspotential mit dem Wert von z.B. 2<br />

bedeutet, dass die entsprechende Kategorie (z.B.<br />

best<strong>im</strong>mte Parkplatznutzung), der dieses sVp zugewiesen<br />

wurde, zwei Personenbewegungen prö Tag<br />

induziert oder ausführt. Eine Abschätzung des aufgrund<br />

der geplanten Nutzung zu erwartenden Verkehrs<br />

ist Tab. 2.2.3.1 zu entnehmen.<br />

Der ges~mte, durch das ZZN verursachte Verkehr<br />

wird zwischen 69'000 uQd 94'500 Personenbewegungen<br />

pro Tag betragen. Nach Hasler und·partner<br />

(1993) beträgt das heutige Verkehrsaufkommen <strong>im</strong><br />

ZZN ca. 25'000 Personenbewegungen prö Tag; die<br />

Anzahl der Personenbewegungen wird demzufolge<br />

also aufetwa das dreifache ansteigen. Die Aufteilung<br />

.öffentlicher Verkehr<br />

motorisierter<br />

Individualverkehr<br />

Langsamverkehr<br />

Modal-SpUr laut<br />

Entwicklungsleitbild<br />

45%<br />

30%<br />

25%<br />

Tab. 2.2.3.2 Modal-Split des Gesamtverkehrs.<br />

Verkehrmin<br />

. 31'050<br />

20700<br />

17'250<br />

dieses Verkehrs des mit dem <strong>im</strong> Entwicklungsleit~<br />

bild angestrebten Modal-Split lässt sich Tab. 2.2.3.2<br />

entnehmen.<br />

2.3<br />

Personenbewegungen/<br />

Tag<br />

Widersprüche lind Konflikte des<br />

Entwicklllngsleitbilds<br />

2.3.1 Modal'Split, Allzahl Parkplätze lIach<br />

Elltwicklllllgsleitbild<br />

Laut Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994)<br />

sind <strong>im</strong> Gebiet des ZZN höchstens 4000 Parkplätze<br />

zulässig. Aufgrund der geplanten Bewirtschaftung<br />

dieser Parkplätze kann abgeschätzt werden, wie hoch<br />

der motorisierte Individualverkehr (MIV)<strong>im</strong> ZZN sc;:in<br />

wird. Durch unterschiedliche Bewirtschaftung der<br />

Parkplätze (Zuordnung zu EinwohnerInnen, ArbeitnehmerInnen<br />

oder KundInnen) kann der MIV erhebliche<br />

Unterschiede aufweisen. Die in der Literatur<br />

gefundenen·Werte von spezifischen Verkehrspotentialen<br />

(sVp) für die einzelnen Parkplatzbewirtschaftungen<br />

sind Tab.2.3.1.1 zu<br />

entnehmen.<br />

pie 4000 Parkplätze<br />

Verkehrmax<br />

werden nach Entwicklungsleitbild<br />

auf<br />

die Kategorien Beschäftigte<br />

(1800 Parkplätze),<br />

BewohnerIn-<br />

42'525<br />

............ . nen (1500 Parkplä~ze)<br />

Personenbewegungen!<br />

Tag<br />

28'350<br />

23'625<br />

und BesucherInnen<br />

(700 Parkplätze) aufgeteilt.<br />

Anh<strong>and</strong> der<br />

obigen Literaturwerte<br />

setzten wir für die<br />

146 UNS-Fallstudie '96


________~ ~<br />

Verkehr<br />

einzelnen Kategorien folgende spezifischen.<br />

Verkehrspotentiale:<br />

Beschäftigte und<br />

BewohnerInnen<br />

BesucherInnen<br />

sVp = 2.5<br />

sVp = 19<br />

Die ,Kategorie «BesucherInnen»<br />

schliesst KundInnen sowohl von Einkaufszentren<br />

wie auch von Dienstleistungsbetrieben<br />

mit ein. Ein spezifisches<br />

Verkehrspotential von 20 entspricht<br />

10 Parkplatzbenutzungen pro<br />

Tag; dieser Wert liegt für einen Besucherparkplatz<br />

. sicher am unteren<br />

Ende des Spektrums. Da wirja aber<br />

den durch die Parkplätze entstehenden<br />

Verkehr keinesfalls zu hoch<br />

einschätzen wollen, wählten wir die<br />

jeweiligen sVp am unteren Ende ihres<br />

Wertbereichs.<br />

Derin Tab. 2.3.1.2 berechnete Werl<br />

von 21 '550 Personenwagenbewegungen<br />

pro Tag kann mit einem Wert<br />

für den mittleren. Besetzungsgrad<br />

(1.4 Personen/Wagen; Hidber et al.,<br />

1995) eines PKWs in Personenbewegungen<br />

umgerechnet und damit mit<br />

dem Wert aus Kapitel 2.2.3 GESAMT-<br />

. VERKEHR für den MIV verglichen werden.<br />

Man erhält also 30'110 Personenbewegungenpro<br />

Tag mit MIV,<br />

die 28'350 über den Modal-Split berechneten<br />

Bewegungen gegenüberstehen;<br />

Das Entwicklungsleitbild birgt<br />

hier ein Konfliktpotential, indem es einen<br />

Modal-Splitfordert, der mit 4000 Parkplälzen<br />

schwierig einzuhalten sein wird.<br />

Die einfachste Möglichkeit zur<br />

Einhaltung des Moda/~Splitwäreeine<br />

Reduktion der Parkplatzzahl auf dem<br />

Areal. Durch eine einfache Rechnung<br />

kann gezeigt werden, dass ohne<br />

das Parkplatzverhältnis (BewohnerInnen<br />

37.5%, Beschäftigte 45%,<br />

BesucherInnen 17.5%)·zu verändern,<br />

die Anzahl Parkplätze auf 3750 beschränkt<br />

werden muss, um den motorisierten<br />

Individualverkehr nicht über<br />

2s"'350 Personenbewegungen pro Tag<br />

(entspricht 30% des Gesamtverkehrs)<br />

ansteigen zu lassen.<br />

Es gibt weitere Massnahmen, die<br />

den Anteil des MIV reduzieren und<br />

den öffentlichen Verkehr fördern: ein<br />

Beispiel wäre die Einführung von<br />

Car-Sharing; sie würde einerseits den<br />

Parkplatzzuteüung<br />

BewohDerlnnen<br />

Industrie<br />

Dienstleistung<br />

Einkaufszentrum<br />

sVpmin<br />

2.9<br />

sVpmu<br />

Personenwagenbewegungenffag<br />

Personenwagenbewegungenffag<br />

Tab. 2.3.1.1 Spezifische Verkehrspotenliale (sVp) für unterschiedliche Parkplatznutzungen (Glaser,<br />

Saxer + 'Partner, 1983).<br />

Abb. 2.3.1 Das ZZNproduziert «Verkehr.: Aufdem Areal des ZZN werden heute wie auch in<br />

Zukunft Schienenfahrzeuge hergestellt (Bild: Michael Meier).<br />

Beschäftigte<br />

BewohDerlnnen<br />

Besucherinnen<br />

Total<br />

Arbeitnehmerinnen<br />

Arbeitnehmerinnen<br />

Kundinnen<br />

Anzahl Parkplätze<br />

1'800<br />

1'500<br />

700<br />

4'000<br />

3'750<br />

sV,<br />

2.0<br />

2.5<br />

22A<br />

19A<br />

19<br />

2.5<br />

2.5<br />

2.9<br />

2.2<br />

8.6<br />

25.5<br />

Verkehr<br />

Tab. 2.3.1.2 Durch Parkplätze verursachtes Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN. Mit 4000 Parkplätzen<br />

.dürfte es schwierig sein, den <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild angestrebten Modal-Split einzuhalten.<br />

Personenwagenbewegungenffag<br />

4'500<br />

13'300<br />

21'550<br />

22A<br />

UNS-Fallstudie '96 . 147


Verkehr - _<br />

Modal-SpÜt zugunsten des öffentlichen<br />

lit'rkehrs verschieben, und <strong>and</strong>rerseits<br />

könnte dadurch auch mit weniger Parkplätzen<br />

der gleiche Verkehr bewältigt<br />

werden.<br />

2.3.2 Bedürfnisse der Akteure<br />

Im Rahmen der Fallstudie, wurden<br />

strukturierte Interviews mit 2 VerkehrsplanerInnen,<br />

2 GrundeigentümerInnen<br />

und 2 DienstleistungsanbieterInnen<br />

durchgeführt.<br />

Ein wichtiges Thema um den motorisierten Individualverkehr<br />

sind die Parkplätze. Dass eine ausreichende<br />

Anzahl von ihnen vorh<strong>and</strong>en ist, wird als<br />

wichtiges. Kriterium für eine Investition erachtet. Ausserdem<br />

.zeigt sich aus best<strong>im</strong>mten Antworten aber auch, dass<br />

sich Einige des <strong>im</strong> Kap. 2.3.1 MODAL-SPLIT, ANZAHL<br />

PARKPLÄTZE NACH ENlWICKLUNGSLEITBILD dargelegten<br />

Widerspruchs (Parkplatzzahl-MIV-Menge) noch nicht<br />

bewusst sind. Die St<strong>im</strong>mung, wie sie sich aus den<br />

Antworten ableiten lässt, präsentiert sich v'orsichtig,<br />

konservativ. Die schlechte<br />

Wirtschaftslage ist wohl der<br />

Hauptgrund dafür, dass lieber<br />

an Altemfestgehalten al~ auf<br />

Neues eingegangen wird (z.B.<br />

ablehnende St<strong>im</strong>mung gegenüber<br />

Car-Sharing). In diesem<br />

Sinne ist es zumindest zum<br />

heutigen Zeitpunkt schwierig, die<br />

Investorenbedürfnisse mit der<br />

geplanten Beschränkung auf<br />

4000 Parkplätze zu verein7<br />

baren. Dieser Konflikt wird<br />

die GrundeigentümerInnen<br />

und das Entwicklungsleitbild<br />

aber wahrscheinlich in, einigen<br />

Jahren ernsthaft auf die<br />

Probe stellen, sollte sich die<br />

Wirtschaftslage und/oder die<br />

Risikobereitschaft der InvestorInnen<br />

in Zukunft nicht<br />

entscheidend ändern.<br />

Kapazität Durchgangsverkehr Gesamtverkehr<br />

in Fz./h heute in FZ'/h zur heute in FZ'/h zur<br />

Abendspitzenstd. Abendspitzenstd.<br />

Birchstrasse 1300 700 (70%) 1000<br />

..................... .. ..............<br />

Binzmühlestrasse 1200 940 (70%) 1350<br />

Tab. 2.3.3 Verkehrsaufkommen der Binzmülzle- und Birchstrosse heute. Der Anteil des<br />

Durchgangsverkehrs am Gesamtverkehr beträgtfür beide Strassen 70%.<br />

2.3.3 Strassenverkehrsnetz nach ElItwicklungsleitbild,<br />

zusätzlicher motorisierter Individualverkehr<br />

Als wichtigste Änderungen gemäss den Sonderbauvorschriften,<br />

Art. 23 Abs. 2 (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) ist<br />

geplant, die Binzmühlestrasse West so zu gestalten,<br />

dass sie nicht mehr als Zufahrt ins Industriegebiet<br />

dient (vgI. Kap. 2.2.2 ENlWICKLUNGSLEITBILlJ) und die<br />

l3irchstrasse unterirdisch an die N20 zu verlängern.<br />

Esgilt abzuschätzen, wie sich die geplanten ~Ände­<br />

-rungen zusammen mit dem durch die Umnutzung<br />

des ZZN entstehenden Mehrverkehr auf die Verkehrssituation<br />

auswirken werden.<br />

Wie schon <strong>im</strong> Kap. 2.1.4 VERKEHRSBELASTUNG IM<br />

ZZN HEUTE angesprochen, ist das Strassennetz<br />

bereits heute weitgehend ausgelastet. Es ist damit<br />

zu rechnen, dass es durch den Neuverkehr, durch<br />

die unterirdische Birchstrassenverlängerung und<br />

durch geplante Verkehrsumlagerungen in Oerlikon<br />

(z.B. Sperrung Hofwiesenstrasse) weit über seine<br />

Leistungsfähigkeit belastet wird.<br />

Gemäss den Berechnungen aus Kapitel 2.2.3<br />

GESAMTVERKEHR wird der durch das ZZN verursachte<br />

Abb. 2.3.3 Prognostizierte Verkehrsbelastung zu Abendspitzenstunden <strong>im</strong> ZZN(Hasler undPartner, 1993).<br />

Ohne zusätzliche Massnahmen durfte das zukünftige Verkehrsaufkommen schwierig zu bewältigen sein.<br />

148 UNS-Fallstudie '96


---~--------- Verkehr<br />

motorisierte Individualverkehr mit Modal-Split (Ruoss<br />

& Siress, 1994) <strong>im</strong> besten Fall ca. 20'000 Personenbewegungen/Tag<br />

betragen, was mit einem mittleren<br />

Besetzungsgrad von 1.4 Personen/Wagen ungefähr<br />

14'500 Personenwagenbewegungen/Tag entspricht.<br />

Dies ergibt durchschnittlich auf die Stunde einen<br />

zusätzlichen Ziel-/Quellverkehr von ca. 600 Fz./h.<br />

Durch Überlagerung dieser Verkehrsmenge mit dem ,<br />

heutigen Durchgangsverkehr kann die zukünftige<br />

Belastung grob abgeschätzt werden. Die dazu nötigen<br />

Zahlen wurden Hasler und Partner (1993, S, 8)<br />

entnommen.<br />

Die 600 zusätzlichen Fz./h werden die Kapazitäten<br />

also bis an die absolute Grenze belasten (neu: Birchstrasse<br />

1300 Fz./h, Biilzmühlestrasse 1540 Fz./h).<br />

Dabei ist noch anzumerken, dass der zusätzliche MIV '<br />

mit 20'700 Personenbewegungen/Tag sehr ~ief angesetzt<br />

wurde und dies,e Verkehrsmenge sich natürlich<br />

nicht gleichmässig über 24 Stunden verteilt, sondern<br />

überproportional zu den Spitzenstunden (Abb~ 2.3.3)<br />

anfallen wird. Es ist also damit zu rechnen, dass diese<br />

Strassen auch ohne zusätzliche Massnahmen (beispielsweise<br />

Strassenschliessungen in Oerlikon) überlastet<br />

sein werden.<br />

Eine Sperrung d~r Binzmühlestrasse West führt<br />

noch zu einer Mehrbelastung dieser Strassen, da der<br />

davon betroffene Durchgangsverkehr von 540 Fz./h<br />

auf die Achse Regensbergstrasse-Birchstrasse ausweichen<br />

und die Birchstrasse damit noch zusätzlich<br />

belasten wird.<br />

Eine unterirdische Verlängerung der Birchstrasse<br />

an die A20 hätte eine drastische Erhöhung des<br />

Durchgangsverkehrs auf der Birchstrasse <strong>im</strong> besonderen,<br />

aber auch <strong>im</strong> gesamten ZZN zur Folge. Es<br />

könnten dadurch aber Strassen in Oerlikon vom<br />

Durchgangsverkehr entlastet werden; die Gefahr besteht<br />

jedoch darin, dass durch eine solche Leistungsund<br />

Attraktivitätssteigerung des Strassennetzes die<br />

Gesamtverk~hrsmengestark erhöht würde.<br />

Der durch das ZZN verursachte Mehrverkehr muss<br />

also so tief wie möglich gehalten werden. Gleichzeitig<br />

sollen Massnahmen zur Eindämmung und<br />

Umleitung des Durchgangsverkehrs getroffen werden,<br />

um das Strassenverkehrsnetz nicht übermässig<br />

zu belasten und damit eine akzeptable Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> ZZN gewahrleisten zu können.<br />

3. Vorgehen, Methode<br />

3.1 Bildung der Verkehrsmodelle mit<br />

formativer Szenarioanalyse<br />

Die Teilprojektphase der Synthesegruppe VERKEHR<br />

befasste sich vor allem mit qualitativen und quantitativen<br />

Massnahmen zur Verkehrsbeeinflussung. In<br />

der Schlussphase wurden mit diesem Massnahmenkatalog<br />

Verkehrsmodelle entwickelt, wobei als Ausgangspunkt<br />

das Entwicklungsleitbild diente. Die<br />

verschiedenen Verkehrsmodelle sollen jedoch unterschiedliche<br />

Massnahmen beinhalten, die auch eine<br />

Veränderung zur <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen<br />

Planung bedeuten. Um zu den unterschiedlichen<br />

Verkehrsmodellen zu gelangen, wurde die<br />

Methode derformativen Szenarioanalyse (Scholz et al.,<br />

1996; Schärli & Hassler, 1996) angew<strong>and</strong>t. Dabei ging<br />

es darum, aus der Sicht des Verkehrs widerspruchs-<br />

. freie Verkehrsmodelle (in der Szenarioanalyse spricht<br />

man gewöhnlich von Szenarien) für das ZZN zu entwickeln<br />

(eine Beschreibung der formativen Szenarioanalyse<br />

findet sich <strong>im</strong> Kap. FORMATIVE SZENARIOANA­<br />

LYSE). Globale Einflussfaktoren wie «Verfügbarkeit<br />

von Ressourcen» oder


Verkehr _,..__--~----------_,..__---------- _<br />

• Citylogistik mit flankierenden Massnahmen:. Die Benutzung<br />

der Citylogistik bleibt weiterhin freiwillig,<br />

durch flankierende Massnahmen wird aber deren<br />

Konkurrenzfähigkeit erhöht: Citylogistik-Fahrzeuge<br />

werden bevorzugt, da für sie keine Lieferzeitfenster<br />

gelten und sie keine Einfahrlizenzen<br />

benötigen; das Schienennetz wird opt<strong>im</strong>al ausgelastet;<br />

die Strassen weisen enge Kurvenradien auf<br />

und mittels Steuererleichterungen 'und Subventionen<br />

wird die Beteiligung an der Citylogistik<br />

gefördert.<br />

Die Darstellung aller Einfluss/aktoren mit den dazugehörenden<br />

Ausprägungen finden sich <strong>im</strong> Kap. 6.1<br />

EWFLUSSFAKTOREN.<br />

Da bei einer Szenarioanalyse die theoretische<br />

Anzahl konsistenter Szenarien jeweils gross sein<br />

kann,wurden parallel zur Konsistenzanalyse vier mögliche<br />

Rahmenbedingungen für die Verkehrsmodelle<br />

definiert. ,<br />

• Modell Entwicklungsleitbild: Dieses Modell widerspiegelt<br />

den heutigen St<strong>and</strong> der Planung und<br />

basiert vor allem auf den Sonderbauvorschriften.<br />

• Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert: Dieses Modell<br />

basiert auf dem Modell EntwicklungsIeitbild,<br />

versucht aber durch zusätzliche Massnahmen die<br />

in Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT­<br />

WJCKLUNGSLEITBILDES beschriebenen Schwierigkeiten<br />

zu verringern.<br />

• Modell ÖV-LV max: DiesesModell sieht Massnahmen<br />

vor, die den öffentlichen und den Langsamverkehr<br />

fördern und den motorisierten Individualverkehr<br />

reduzieren: In diesem Modell sollen insbesondere<br />

auch die Anliegen der schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen<br />

besonderes Gewicht erhalten.<br />

• Modell MIV max: Bei diesem Modell soll das zu<br />

. erwartende Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN vor allem<br />

durch den motorisierten Individualverkehr (MIV) bt


-------------'--------------<br />

Verkehr<br />

ermittelt. Die aus der Parkplatznutzung . Industrie<br />

berechnetet MIV-Menge wird vom Mittelwert<br />

des Gesamtverkehrs subtrahiert.<br />

Man erhält so die Restverkehrmenge.<br />

Diese wird <strong>im</strong> Verhältnis 45 zu 25, dem<br />

<strong>im</strong> Entwicklungsleitbild angestrebten<br />

Modal-Split entsprechend (30% MIV,<br />

Dienstleistung<br />

45% Öv, 25% LV), in zwei neue Bereiche<br />

öffentlicher Verkehr (ÖV) und Langsamverkehr<br />

(LV) aufgeteilt. Die Menge an ÖV Wohnen<br />

und LV wird durch die Massnahmen, aus<br />

denen sich die einzelnen Verkehrskonzepte<br />

zusammensetzen, unterschiedlich<br />

beeinflusst. Bei max<strong>im</strong>aler Förderung<br />

wird vom jew~iligen Bereich der Max<strong>im</strong>alwertgenommen,<br />

bei min<strong>im</strong>aler Förderung<br />

entsprechend der kleinste.<br />

Bei Verkehrsmodellen mit starker Fördenlng von<br />

ÖV und LV wird nicht davon ausgegangen, dass der<br />

Verkehr von MIV auf ÖV und LV umgelagert wird.<br />

Die Gesamtverkehrsmenge wird jedoch erhöht;<br />

dieses Phänomen wurde auch nach Einführung der<br />

S-Bahn in Zürich beobachtet (Jenni + Gottardi AG,<br />

1988).<br />

Für die Umrechnung von Personenbewegungen<br />

in Personenkilometer wurde jeweils eine mittlere<br />

Distanz von 500 Metern angenommen, wasungefahr<br />

dem halben Durchmesser des ZZN entspricht.<br />

3.2.2. Güterverkthrabschiitzungen<br />

Zur Berechnung der Güterverkehrflüsse, welche <strong>im</strong><br />

ZZN entstehen werden, wurde ein einfaches Modell<br />

entwickelt:<br />

Das ZZN hat nach Entwicklungsrichtplan eine<br />

best<strong>im</strong>mte, vorgegebene Nutzung, welche in den<br />

Sonderbauvorschriften festgehalten wurde. Diese<br />

Nutzung teilt sich auf in Wohnen, Dienstleistung<br />

und Industrie (die öffentliche Nutzung wurde <strong>im</strong><br />

Modell je nach Nutzungsart entweder zur Dienstleistung<br />

oder Industrie dazugezählt).<br />

Zur Berechnung werden die Bruttogeschossfläche<br />

der Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) sowie<br />

die Arbeitsplatzintensität (Arbeitsplatzzahl pro<br />

Hektare Bruttogeschossfläche) benötigt..<br />

Mittels Umrechnungsformeln, welche den Zusammenhang<br />

zwischen Arbeitsplatzzahl, Bruttogeschossfläche<br />

und Arbeitsplatzintensität sowie dem<br />

Güterverkehrpotential wiedergeben, wurden die<br />

<strong>im</strong> ZZN induzierten Lastwageneinheiten berechnet.<br />

In einem zweiten Schritt wurden diese dann in<br />

LKW-, Lieferwagen- und SBB-Güterwageneinheiten·umgerechnet.<br />

Die Umrechnungsfonnein, die zur Berechnung des<br />

Güterverkehrpotentials angewendet worden sind,<br />

lassen sich Tab; 3.2.2 entnehmen.<br />

LWE(fag= 0.1 *A-4.24 *BGF+0.003 *NBGF<br />

Man beachte, dass anstelle der Bruttogeschossfläche<br />

eigentlich die effektiv nutzbare Fläche benutzt werden<br />

sollte. Dies ist aufgrund der Datengrundlage nicht<br />

möglich (Schirato & Hidber, 1991).<br />

Es resultiert ein Verkehrspotential von 0.32 LWE pro Tag·<br />

und Angestellte (lnfras & Buser +Finger, 1995; Cargonet<br />

AG,1996).<br />

Es resultiert ein Verkehrspotential von 0.00016 LWE pro<br />

Bewohnerln (lnfras & Buser+ Finger, 1995).<br />

Tob. 3.2.2 Umrechnungsformeln zur Berechnung des Güterverkehrpotentiols in Lostwogeneinheiten<br />

(A = Arbeitsplotzzohl, BGF = Bruttogeschossfläche in ho, A/BGF =<br />

Arbeitsplatzintensität, LWE = Lastwageneinheiten..<br />

Es ist zu beachten, dass die Güterverkehrsströme<br />

der Entsorgung (z.B. Kehrichtabfuhr) nicht berücksichtigt<br />

wurden. Dei' dabei entstehende Fehler ist<br />

aber gering, da das Entsorgungspotential viel kleiner<br />

ist als das Versorgungspotential.<br />

Die Güterverkehrpotentiale werden in Lastwageneinheiten<br />

(LWE) pro Tag angegeben. Die Umrechnung<br />

von LWE in LKW (Lastwagen >3.5 t) und<br />

Lieferwagen (Lastwagen


Verkehr ---'- _<br />

heute durch den Verkehr verursachte Indikatorwert<br />

als min<strong>im</strong>aler Nutzen definiert und eine<br />

nachhaltige Belastung als max<strong>im</strong>aler Nutzen. Die<br />

Best<strong>im</strong>mung einer nachhaltigen Belastung basierte<br />

auf den Methoden des Umweltraumes und der<br />

criticalloads (Infras, 1995a).<br />

• Anschliessend galt es, die eigentliche Bewertung<br />

durchzuführen. Dazu musste der Indikatorwert<br />

für die einzelnen Modelle auf quantitative oder<br />

qualitative Art best<strong>im</strong>mt werden.<br />

• Mit der Nutzenfunktion konnte der dem Indikatorwert<br />

entsprechende Nutzen best<strong>im</strong>mt werden.<br />

• Durch die Aggregation der einzelnen Nutzen<br />

wurde der Gesamtnutzen berechnet, der eine Rangfolge<br />

der Verkehrsmodelle angibt und eine grobe<br />

Abschätzung bzgl. Nachhaltigkeit ermöglicht.<br />

3.3.2 Indikatorenset<br />

Die Auswahl der Indikatoren wurde aufgrund von<br />

Literaturstudium und Expertengesprächen getroffen.<br />

Dabei wurden folgende Kriterien angew<strong>and</strong>t:<br />

• Der Indikator musste für die gewählte Definition<br />

von Nachhaltigkeit (vgl.<br />

Kap. NACHHALTIGKElT) von<br />

Bedeutung sein.<br />

• Der Verkehrsanteil an der<br />

gesamten Belastung für. den<br />

Indikator musste relevant<br />

sein, z.B. hat der Eintrag<br />

von Schwermetallen in Böden<br />

sehr langfristige. Auswirkungen<br />

und widerspricht<br />

einem nachhaltigen Verhalten.<br />

Mit der mehrheitlichen<br />

VerWendung von bleifreiem<br />

Benzin· führt der Verkehr<br />

aber nur noch zu geringen<br />

Schwermetallemissionen.·<br />

• Indikatoren, die bereits in<br />

einem <strong>and</strong>eren Indikator<br />

berücksichtigt wurden, sind<br />

weggelassen worden. Beispiel:<br />

der Indikator Verbrauch<br />

fossiler Treibstoffe, der<br />

für eine beschränkte Ressource<br />

steht, wird bereits<br />

<strong>im</strong> Indikator COz berücksichtigt,<br />

der in diesem Sinn<br />

sowohl für den Treibhauseffekt<br />

wie auch. für die beschränkte<br />

Ressource steht.<br />

Tab. 3.3.2 zeigt eine Übersicht<br />

über das Indikatorensystem.<br />

Das Problem bezeichnet die<br />

durch den Verkehr verursach-<br />

Bereich<br />

klassische Umweltindikatoren<br />

Aktivitäten der<br />

AJithroposphäre<br />

Humantoxizität<br />

ten Auswirkungen, welche die Nachhaltigkeit beeinflussen.<br />

Der Indikator istdiejenige Grö'sse, welche<br />

die Auswirkungen qualitativ oder quantitativ beschreibt.<br />

Das in Tab. 3.3.2 beschriebene Indikatorensystem<br />

ist das vollständige. Lücken enthält es evtl. noch <strong>im</strong><br />

BereiCh der sozialen Indikatoren. Ansonsten sind die<br />

wichtigstenAuswirkungen des Verkehrs erfasst, welche<br />

eine nachhaltige Nutzung des ZZN beeinflussen.<br />

Die in Kap. 3,1 BILDUNG DER VERKEHRSMODELLE<br />

MITFORMATIVER SZENARIOANALYSE beschriebenen Verkehrsmodelle<br />

ermöglichen aber nicht in allen Fällen<br />

die Best<strong>im</strong>mung des Indikatorwertes, weshalb die<br />

Indikatoren AnteilEnergie aus KKW, Materialverbrauch<br />

<strong>im</strong> Strassenbelag, Abriss von Verkehrsanlagen, Kostendeckungsgrad,<br />

Betriebskosten und Infrastrukturkosten für<br />

die weitere Bearbeitung weggelassen wurden (siehe<br />

Spalte best<strong>im</strong>mbar in Tab. 3.3.2). Dadurch fällt der<br />

Bereich Wirtschaft aus der Bewertung. Die Gesamtbeurteilung<br />

lässt daher keine abschliessende Aussage<br />

in bezug auf die Nachhaltigkeit zu. Gewisse<br />

wirtschaftliche Überlegungen finden sich jedoch <strong>im</strong><br />

Kap. 5.3 BEWERTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN FOLGEN.<br />

Problemkreis<br />

Treibhauseffekt<br />

Versauerung.<br />

Ozonierung<br />

Versauerung<br />

.............................<br />

Bodenversiegelung<br />

Energieverbrauch<br />

Materialverbrauch<br />

Entsorgung<br />

Soziale Indikatoren Strassengestalturig<br />

Wirtschaft<br />

...........<br />

Sicherheit<br />

Rendite<br />

Indikator<br />

CO~ , .<br />

NO x<br />

S02<br />

. .<br />

Versiegelte Fläche<br />

Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch<br />

Anteil Energie aus KKW<br />

Materialverbrauch <strong>im</strong><br />

Strassenbelag<br />

.......................................<br />

Materialverbrauch durch<br />

Fahrzeuge<br />

Abriss von Verkehrsanlagen<br />

Deponieabfälle<br />

Luftbelastung Smogindex<br />

..............................<br />

durch Schadstoffe<br />

. .<br />

~~rl.zer~~~rlit~t ......... ~~I1.zer~~~rl.e..S~~f~e.....<br />

Lärmbelastung Schallpegel<br />

Behindertengerechtigkeit<br />

........................................................<br />

Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />

...............................................<br />

Unfallrate<br />

Kostendeckungsgrad<br />

.........................<br />

Betriebskosten<br />

Infrastrukturkosten<br />

Tob. 3.3.2 Indikatorensystem ~ur Bewertung eines Verkehrssystems in bezug aufNachhaltigkeit.<br />

best<strong>im</strong>mbar<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

. 1..<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

j<br />

152 UNS·Fallstudie '96


____________~------__,-----------------~-----Verkehr<br />

3.3.3 Systemgrellzell 3.3.4 Defillitioll der Nltzellflllktiollell<br />

Für die Berechnung der Indikatorwerte ist die Festlegung<br />

der Systemgrenzen von grosser Bedeutung.<br />

Die Grenzen des ZZN bieten sich dafür an. Dies<br />

führt aber zu folgenden Verzerrungen:·<br />

• Massnahmen, die nur den Verkehr aus dem ZZN in<br />

umliegende Gebiete verlagern (z.B. Sperrung des<br />

. ZZN für den Durchgangsverkehr), werden positiv<br />

bewertet, was aU$ der Gesamtsicht nicht zutrifft.<br />

• Massnahmen, die vor allem zur Reduktion langer<br />

Fahrten beitragen, werden nicht besser bewertet,<br />

als Massnahmen zur Vermeidung von Kurzfahrten.<br />

Die Wahl <strong>and</strong>erer Systemgrenzen wäre aber mit noch<br />

grösseren Nachteilen verbunden, da sie dann für<br />

jeden Indikator <strong>and</strong>ers definiert werden müssten: Bei<br />

Indikatoren, wo die Immissionen die entscheidende<br />

Grösse sind (z.B. Smogindex, kanzerogene Stoffe),<br />

wären <strong>im</strong>mer noch die Grenzen des ZZN die sinnvollen<br />

Systemgrenzen, bei Emissionsindikatoren<br />

(z.B. COz) müssten die Grenzen so gewählt werden,<br />

dass der grösste Teil der Fahrten enthalten wäre<br />

(Kanton ZH, Schweiz). Auch wären Daten ausserhalb<br />

des ZZN (z.B. bezüglich Fahrtdistahzen) nur<br />

teilweise verfügbar. Daher wurden trotzdem die<br />

Grenzen des ZZN als Systemgrenzen gewählt. Um<br />

die oben dargestellten Verzerrunge-n zu min<strong>im</strong>ieren,<br />

wurdeabe~ der Durchgangsverkehr bei der Bewertung<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Für die Bewertung wurden also nur jene Fahrten<br />

berücksichtigt, die <strong>im</strong> ZZNstattfinden. Das gilt<br />

sowohl für deren Zahl wie auch<br />

für deren Länge. Für die einzelne<br />

Fahrt wurde jedoch die ganze<br />

Prozesskette berücksichtigt: Der grösster<br />

gesamte Prozess «Fahrt eines Nutzen 1<br />

Verkehrsmittels» setzt sich aus<br />

den Unterprozessen «Herstellung»,<br />

«Unterhalt», «Entsorgung<br />

des Verkehrsmittels», «Betrieb<br />

direkt», «Betrieb Precombus;..<br />

tion» und «Infrastruktur» zusammen<br />

(Infras, 1995b). «Precombustion»<br />

bezeichnet jene<br />

Belastungen, die vor der Verbrennung<br />

entstehen, d.h. Umweltbelastungen<br />

der Prospektion (Erkundung<br />

der Rohstoffquelle),<br />

Rohstofförderung und Transport<br />

der Pr<strong>im</strong>ärenergieträger. Von'<br />

diesem Gesamtprozess . fallen<br />

normalerweise nur die Emissionen<br />

aus dem «Betrieb direkt»<br />

<strong>im</strong> ZZN an, für die <strong>and</strong>eren Teilprozesse<br />

ist das ZZN nur der<br />

«Verursacher des Prozesses».<br />

0.9<br />

0.8<br />

0.7<br />

. 0.6<br />

c:<br />

CD<br />

.g 0.5<br />

z<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

\<br />

\<br />

Die multikriterielle Nutzentheorie verlangt für jeden<br />

Indikator.die Definition einer Nutzenfunktion, die sich<br />

aus einer Vorgabe für die Skalierung und die Form der<br />

Funktion zusammensetzt. Die Skalierung wird durch<br />

die Festlegung des am meisten gewünschten (= max<strong>im</strong>aler<br />

Nutzen) und des am wenigsten gewünschten<br />

(= min<strong>im</strong>aler Nutzen) Indikatorwertes definiert (siehe<br />

Abb.3.3.4).<br />

Mit der Form der Funktion kann berücksichtigt<br />

werden, dass eine Veränderung des Indikatorwertes<br />

nicht <strong>im</strong>mer die gleiche Änderung des Nutzens<br />

zur Folge hat. Weist beispielsweise ein toxischer<br />

Stoffeinen Schwellenwert auf, oberhalb dem er akut<br />

toxisch wirkt, n<strong>im</strong>mt der Nutzen um diesen Wert<br />

bedeutend mehr ab als unterhalb. Diesen Zusammenhang<br />

zwischen Indikator und Nutzen liesse sich durch<br />

umfangreiches Literaturstudium oder durch Expertenbefragungen<br />

herleiten. Dies sprengte den Rahmen<br />

dieser Fallstudie, weshalb für alle Indikatoren<br />

eine lineare Nutzenfunktion gewählt wurde.<br />

Die Verkehrsmodelle sollten in bezug auf Nachhaltigkeit<br />

bewertet werden, was' bei der Skalierung<br />

berücksichtigt wurde: Der am meisten gewünschte Indikatorwert<br />

wurde auf dem Niveau einer nachhaltigen.<br />

Belastung für das ZZN definiert. Für den am wenigsten<br />

gewünschten Indikatorwert nahmen wir eine Belastung<br />

an, die ein voll ausgebautes ZZN bei heutigem<br />

Verkehrsverhalten verursachen würde. Die für den<br />

Bereich des Indikators nachhaltige Belastung wurde<br />

Beispiel für Nutzenfunktionen<br />

-----.-- - ........<br />

konkave Funktion<br />

\ ,<br />

\ \<br />

\ \<br />

\ lineare Funktion \<br />

----------~---------------------------------- ------------------------------------~-----------<br />

\ \<br />

, \<br />

, \<br />

konvexe Funktion \<br />

..... .... . \<br />

.... .... \<br />

........ \<br />

....<br />

0.1<br />

kleinster<br />

............<br />

\<br />

Nutzen 0<br />

2.1 7.1<br />

am meisten gewünschter<br />

am wenigsten gewünschter<br />

Indikatorwert CO 2 -Emission (tld) Indikatorwert Indikatorwert<br />

Abb. 3.3.4 Mögliche Nutzenfunktion für die Indikatoren am Beispiel des COz. Gewühlt wurde jeweils<br />

die lineare Funktion.<br />

UNS:Fallstudie '96 153


Verkehr ----:.__..:......: _<br />

Skalierungsmethode<br />

Skala basiert auf heutiger und nachhaltiger<br />

Belastung<br />

Skala durch Wert des besten und<br />

schlechtesten Modells best<strong>im</strong>mt.<br />

Qualitative Best<strong>im</strong>mung: Der Nutzen<br />

wurde direkt aus den gewählten Ausprägungen<br />

best<strong>im</strong>mt<br />

Indikatoren<br />

auf Basis der Umweltraum- und der critical-Ievels- bzw.<br />

-loads-Methode best<strong>im</strong>mt. Bei der Umweltroummethode<br />

wurden aus der weltweit zulässigen Belastung bzw.<br />

einem nachhaltigen Ressourcenabbau über die Bevölkerungszahl<br />

die für ein Gebiet zulässigen Werte<br />

berechnet. Grundlage dafür ist das Gleichverteilungsprinzip,<br />

d.h. jeder Mensch hat das gleiche<br />

Anrecht auf Ressourcenverbrauch. Bei den criticallevels<br />

bzw. -loads wurden die Emissionsziele, ausgehend<br />

von kritischen Konzentrationen bzw. Einträgen<br />

in die verschiedenen Umweltkompart<strong>im</strong>ente, festgelegt.<br />

Kritisch ist eine Menge, falls sie schädliche<br />

Auswirkungen für Mensch, Tier, Pflanzen oder<br />

'Lebensräume verursacht. Für die Schweiz wurden<br />

diese Untersuchungen in einer Studie von Infras '<br />

(l995a) getätigt. Diese Studie enthält auch detaillierte<br />

Angaben zur Methodik.<br />

Die in Infras (1995a) definierten Werte für die<br />

Schweiz mussten auf das ZZN «umgelegt» werden.<br />

Das Flächenverhältnis eignete sich nicht als Umrechnungsfaktor,<br />

da das ZZN als ein dichtbesiedeltes<br />

Gebiet geplant ist, welchem eine höhere, flächenmässige<br />

Umweltbelastung zusteht als weniger dicht<br />

besiedelten Gebieten. Die Umrechnung wurde daher<br />

über den zu erwartenden Verkehr <strong>im</strong> ZZN<br />

<strong>im</strong> Verhältnis zum Gesamtverkehr in der Schweiz<br />

durchgeführt: Gemäss den Verkehrsabschätzungen<br />

dieser Studie werden <strong>im</strong> ZZN pro Tag 69'000 bis<br />

94'500 Verkehrsbewegungen stattfinden, was bei<br />

einer durchschnittlichen Distanz <strong>im</strong> ZZN von 500 m<br />

(halber Durchmesser) zu 34'000 bis 47'000 km pro<br />

Tag führt. Aus der Verkehrsstatistik 1993 (Bundesamt<br />

für Statistik, 1995a) lä,sst sich entnehmen, dass in<br />

der Schweiz in den Bereichen motorisierter Individualverkehr<br />

(MIV) und öffentlicher Verkehr (ÖV) 99'914<br />

Mio. Personenkilometer pro Jahr (ohne Luftverkehr)<br />

zurückgelegt wurden. Die für die Schweiz 1994<br />

ermittelten Verkehrsanteile betragen be<strong>im</strong> MIV 71 %,<br />

be<strong>im</strong> ÖV 20% und be<strong>im</strong> Langsamverkehr (LV) 9%<br />

(Bunqesamt für Statistik, 1995b). Somit beträgt der<br />

verkehrsspezifische Anteil des ZZN an der gesamtco<br />

2 ; NO.; S02; Betriebsenergie<br />

Material fahrzeuge; Deponieabfälle; Smogindex;<br />

k<strong>im</strong>ze'rogene Stoffe; Schallpegel<br />

Versiegelte Flächen; Unfallrate; langsam­<br />

. verkehrsgerechte Strassengestaltung;<br />

Behindertengerechte Strassengestaltung<br />

Tab, 3.3.4 Die drei verwendeten Methoden zurSkalierungder Indikatoren. Nurbei vierIndikatoren<br />

konnte Nachhaltigkeit quantitativ berocksichtigt werden.<br />

schweizerisch zurückgelegten Personenkilometerzahl<br />

rund 0.13%0. Diese Art der Umrechnung vergleicht<br />

nur die Zahl der zurückgelegten Kilometer<br />

und nicht die Art und Weise wie sie zurückgelegt<br />

werden. Dicht besiedelten Gebieten wie Städten<br />

fallt es jedoch einfacher, den Verkehr effizient abzuwickeln,<br />

da stark gebündelte Verkehrsströme entstehen.<br />

Somit wird der Verkehr in Städten mit dieser<br />

Methode bereits heute dem Ziel der Nachhaltigkeit<br />

näherkommen als Verkehr auf dem L<strong>and</strong>. Wieweit<br />

dies erwünscht ist oder eher als Mangel der Methode<br />

betrachtet werden muss, bleibt offen. .<br />

Die Skalierung der Indikatoren ~onnte nicht in jedem<br />

Fall nach obiger Methode durchgeführt werden.<br />

Teilweise waren Referenzwerte für eine nachhaltige<br />

Belastung der Schweiz nicht bekannt. Bei <strong>and</strong>eren<br />

Indikatoren erlaubten die Verkehrsmodelle nur qualitative<br />

Aussagen. Letzteres betrifft insbesondere jene<br />

Indikatoren, die nur schwach mit dem Verkehrsaufkommen<br />

korrelieren. Daher musste bei einigen<br />

Indikatoren die Skalierung mit <strong>and</strong>eren Methoden<br />

erfolgen. Folgende zwei weitere Methoden wurden<br />

angew<strong>and</strong>t:<br />

• Bei quantitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatoren dienten die<br />

,berechneten Werte der Verkehrsmodelle als<br />

Grundlage für die Skalierung. Der Wert des besten<br />

Verkehrsmodells wurde als der am mtJisten gewünschte<br />

Indikatorwert festgelegt, derjenige des<br />

am schlechtesten abschneidenden Modells als der<br />

am wenigsten gewünschte.<br />

• Bei qualitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatorwerten wurde<br />

jeweils direkt aus den gewählten Ausprägungen<br />

ein Nutzen festgelegt.<br />

Tab. 3.3.4 gibt eine Übersicht über die Skalierungsmethode<br />

für die einzelnen Indikatoren. .<br />

Die so definierten Nutzen/unktionen beruhen einerseits<br />

auf Abschätzungen. Andererseits sind verschiedene<br />

Skalierungsmethoden verwendet worden, was<br />

jedoch nur geringe Auswirkungen hat, da nur die<br />

Gewichtung und nicht die Rangfolge derModelle für .<br />

die einzelnen Indikatoren beeinflusst wird. Hingegen<br />

muss bei der Interpretation<br />

in bezug auf Nachhaltigkeit berücksichtigt<br />

werden, dass die Definition<br />

eines nachhaltigen Wertes<br />

nur bei wenigen Indikatoren gelang<br />

(vgl. Kap. 5.2 SIND DIE MODELLE<br />

NACHHALTIG?).<br />

3.3.5 Gewichtung der Indikatoren<br />

Nebst der Definition der Nutzenfunktionen<br />

musste auch jedem<br />

Indikator eine Gewichtung zugewiesen<br />

werden. Die Nutzen der Verkehrsmodelle<br />

für die einzelnen Indi-<br />

154 UNS-Fallstudie '96


.:,-__.:,-<br />

katoren wurden jeweils mit den Gewichten multipliziert,<br />

bevor sie zum Gesamtnutzen zusammengezählt<br />

wurden.<br />

Die Gewichtungen wurden in einer Gruppendiskussion<br />

unter Beteiligten der Fallstudie ermittelt. Dabei<br />

wurden folgende Kriterien berücksichtigt:<br />

• Falls der Verkehrsanteil an der gesamten Belastung<br />

des Indikators hoch ist, erhält dieser Indikator ein<br />

hohes Gewicht.<br />

• Falls der Indikator ein bedeutendes Problem misst,<br />

erhält er ein hohes Gewicht.<br />

• Falls der Indikatorwert nur mit grosser Unsicherheit<br />

best<strong>im</strong>mt werden kann, wird das GeWicht reduziert.<br />

Die genauenGEwIcHTUNGEN FOR DIE EINZELNEN INDI­<br />

KAToRENfindeJ;l sich <strong>im</strong> Kap. 6.2.<br />

3.3.6 Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwerte<br />

Quantitativ best<strong>im</strong>mbare Indikatoren<br />

Die Grundlagen für die Berechnung des Wertes<br />

der quantitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatoren bilden die<br />

Verkehrsabschätzungen für die Modelle und der<br />

dazugehörende Modal-Split. Aus der Zahl der Fahrten<br />

und unter der Annahme einer durchschnittlichen<br />

Länge einer Fahrt von 500 Metern (halber Durchmesser<br />

des ZZN) konnten die Fahrzeugkilometer für<br />

die einzelnen Verkehrsmittel berechnet werden. Mit<br />

Angaben über Emissionen, Ressourcenverbrauch,<br />

Auslastungen und Lebensdauer, die wir der Studie<br />

von Infras (l995b) entnahmen, konnten die Werte<br />

berechnet werden. Genauere Angaben über die<br />

Emissionsfaktoren fin


Verkehr<br />

~_~_~---------__,,____---~----------<br />

• Bei der Anwendung der multikriteriellen Nutzentheorie<br />

wurde für die Nutzenfunktion jeweils ein<br />

linearer Zusammenhang angenommen. Bei der<br />

Skalierung war es nicht möglich, eine einheitliche<br />

Methode anzuwenden.<br />

• Bei der Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwefte konnten nur<br />

Emissionen berücksichtigt werden; obschon teilweise<br />

die Immissionen wichtiger wären. Ebenso<br />

wurde bei Indikatoren, die auf mehreren Stoffen<br />

basieren (z.B. Smogi'ndex) jeweils nur ein Stoff <strong>im</strong><br />

Sinne einer Leitsubstanz berücksichtigt.<br />

• Durch die Wahl der Systemgrenze konnten nur Auswirkungen<br />

<strong>im</strong> ZZN berücksichtigt werqen.<br />

• Die auf Basis der Umweltraummethode definierten<br />

Nachhaltigkeitswerte sind teilweise umstritten.<br />

Insbesondere werden die geographische Lage des<br />

L<strong>and</strong>es und das clamit verbundene Kl<strong>im</strong>a (Breitengrad)<br />

nicht berücksichtigt. Unseres Erachtens ist<br />

aber der Ansatz des Umweltraumes und der criticallevels,<br />

bzw; 40ads geeignet, um Nachhaltigkeit zu<br />

quantifizieren, und die zur Verfügung stehenden<br />

Daten genügen den Ansprüchen dieserStudie.<br />

Die oben beschriebenen Vereinfachungenschränken<br />

die Resultate teilweise ein. Keiner dieser Einwände<br />

stellt aber die angew<strong>and</strong>ten Methoden grundsätzlich<br />

in Frage. Für sensitivere Resultate wäre in erster<br />

Linie eine weitere Verfeinerung der Methode notwendig.<br />

Somit muss festgehalten werden, dass es<br />

mit dieser Methode gelungen ist, Nachhaltigkeit,<br />

definiert über ein Indikatorensystem aus verschiedenen<br />

Wissenschaftsbereichen (Naturwissenschaften,<br />

Sozialwissenschaften und Ökonomie), für einen kleinen<br />

Raum (ZZN) und dessen Teilsystem Verkehr zu<br />

quantifizieren.<br />

4. Ergebnisse<br />

4.1 Massnahmen<br />

4.1.1 Car-Sharing und autofreies Wohnen<br />

Besitzt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ein<br />

Auto, so ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs<br />

(MIV) relativ gering. Der Verzicht auf das<br />

eigene Auto fällt leichter, wenn einerseits die störenden<br />

Auswirkungen des motorisierten Verkehrs wegfallen,<br />

wie dies in einem autofreien Wohnquartier<br />

der Fall ist und <strong>and</strong>ererseits trotzdem zu angemessenem<br />

Aufw<strong>and</strong>ein Auto verfügbar ist (z.B. durch die<br />

Mitgliedschaft bei einer Car-Sharing-Genossenschaft).<br />

Autofreies Wohnen wird über das VerhältniS von<br />

Parkplatzzahl und der Anzahl Wohnungen eines<br />

Quartiers definiert. Die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild für<br />

das ZZN (Ruoss & Siress, 1994) geplanten 0.6 Parkplätze'pro<br />

Wohnung entsprechen einem autoarmen<br />

Wohngebiet. Für ein autofreies Quartier muss die<br />

Parkplatzzahl weiter reduziert werden (auf weniger<br />

.als 0.5 Parkplätze pro Wohnung), was <strong>im</strong> Modell<br />

ÖV-LV max mit den vorgesehenen 518 Wohnparkplätzen<br />

der Fall ist (vgI. Kap. 3.1 BILDUNG DER VER­<br />

KEHRSMODELLE MIT FORMATIVER SZENARIOANALYSE).<br />

Um die positiven Möglichkeiten einer autofreien<br />

Siedlung auf Gestaltungs- und Kostenseite voll auszuschöpfen,<br />

müssen diese schon frühzeitig in die<br />

Planung einbezogen werden: Bei der Strassengestaltung<br />

kann das äusserst min<strong>im</strong>ale motorisierte<br />

Verkehrsaufkommen berücksichtigt und die nicht<br />

durch Parkplätze genutzte Fläche sinnvoll umgenutzt<br />

werden.<br />

Zur Zeit sind in verschiedenen europäischen<br />

Städten autofreie Siedlungen geplant oder teilweise<br />

bereits realisiert. Viel diskutiert wird das «Hollerl<strong>and</strong>-Projekt»<br />

in Bremen. Viel Gewicht wurde dabei<br />

auf juristische Fragen gelegt: Inwiefern lassen die<br />

geltenden Bauvorschriften autofreie Siedlungen zu<br />

(Regdungen über Pflichtparkplätze) und wie kann<br />

sichergestellt werden, dass die BewohnerInnen wirklich<br />

auf den Autobesitz verzichten? Der zweite<br />

Aspekt wurde mit Verzichtsklauseln in Miet- bzw.<br />

Kaufverträgen sichergestellt. Dies schreckte aber<br />

künftige BewohnerInnen eher ab, wie sich bei der<br />

Vermarktung der ersten 22 erstellten Reihenhäuser<br />

zeigte.<br />

In Amsterdam wurde das Problem, wie der Autoverzicht<br />

sichergestellt werden kann, eleganter gelöst:<br />

Auf zwingende Vertragsklauseln wurde verzichtet.<br />

Hingegen wird der Besitz eines Autos durch eine<br />

min<strong>im</strong>ale Parkplatzzahl (30 Parkplätze pro 100 Wehnungtm)<br />

unattraktiv gemacht. Auch wird es für<br />

BewohnerInnen des Amsterdamer «Westerparks»<br />

unmöglich sein, ihr Auto auf benachbarten Strassen<br />

156<br />

UNS-Fallstudie '96


- ~ __'_ ~------~----- Verkehr<br />

<strong>Stadt</strong> und PrQjektname<br />

Anz. Wohnungen/<br />

Arealgrösse<br />

Aktueller St<strong>and</strong><br />

Bemerkungen<br />

Anz.<br />

Parkplätze<br />

Amsterdam:<br />

Paviljoen 1+2<br />

bestehend<br />

Wien:<br />

Alte Sargfabrik<br />

73/0.47 ha<br />

bestehend<br />

Nähe zum <strong>Stadt</strong>zentrum<br />

Bremen:<br />

Hollerl<strong>and</strong> Projekt<br />

210-220/2.6 ha<br />

1. BauabschnittMitte<br />

1996 geplant<br />

<strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>, mot. Verkehr nur in Notfällen,<br />

gute ÖV-Verbindungen und gutes<br />

Fahrwegnetz<br />

30<br />

Hamburg:<br />

Siedlung am Barmbeker<br />

Stichkanal<br />

230/3 ha<br />

Baubeginn voraussichtlich<br />

1996 '<br />

recht zentrale Lage, Mischzone<br />

Wohnen/Gewerbe geplant.<br />

Amsterdam:'<br />

Siedlung am Westerpark<br />

600/7.5 ha<br />

bezugsbereit Sommer<br />

1996<br />

Mot. Verkehr nur in Notfällen<br />

180<br />

Tab. 4.1.1.1 Einige ausgewählte Projekte autofreier Siedlungen in europäischen Städten (Planungsbüro JudAG, 1996).<br />

abzustellen, da dazu eine Anwohnerparkgenehmigung<br />

notwendig ist. Für AutobesitzerInnen bleibt<br />

nur ein weit entfernter St<strong>and</strong>platz oder die Miete<br />

eines tetieren Hochgaragenparkplatzes.<br />

Damit unterscheidet sich das Amsterdamer Modell<br />

kaum mehr von autoarmen Altstädten, wo das Parkplatzangebot<br />

in den meisten Fällen auch sehr begrenzt<br />

ist (vgI. Tab. 4.1.1.1).<br />

Die Attraktivität autofreier Siedlungen kann mit<br />

einem gut integriertenCar-Sharil1g-Angebot gesteigert<br />

werden. Be<strong>im</strong> Car-Sharing besitzen mehrere Personen<br />

gemeinsam ein Auto. Dadurch sinkt die Verfügbarkeit<br />

des Personenwagens, was bei vormaligen<br />

AutobesitzerInnen zu einer Reduktion von rund<br />

50% der Fahrkilometer und zu einer Erhöhung der<br />

Ausgaben für den öffentlichen Verkehr (ÖV) -'- in jedoch<br />

geringerem Ausma~se- führt (vgI.Tab.4.1.1.2).<br />

In der Schweiz gibt es zwei grössere Car-Sharing­<br />

Genossenschaften: Die ATG (Autoteilet~Genossen­<br />

, schaft, 2932 Mitglieder, 171 Fahrzeuge, St<strong>and</strong> 1995)<br />

Distanzen MIV<br />

pro Person<br />

AusgabenÖV<br />

pro Person<br />

km/a % Fr./a %<br />

vorher 7500 100 975 100<br />

nachher 3400 44 1006 103<br />

Tab. 4.1.1.2 Auswirkungen von Gar-Sharing auf das persönliche Verkehrsverhalten.<br />

'Die mit motorisierten Individualverkehrsmitteln (MIV)<br />

zurückgelegte Distanz n<strong>im</strong>mt deutlich ab, während die Ausgaben für den<br />

öffentlichen Verkehr (ÖV) nurleicht steigen (ShareGom, 1995).<br />

unä die ShareCom (2963 Mitglieder, 154 Fahrzeuge,<br />

St<strong>and</strong> 1995), wobei bei der ShareCom neben Autos<br />

auch <strong>and</strong>ere Güter geteilt werden. Bei beiden Genossenschaften<br />

bezahlen die BenutzerInnen die<br />

gefahrenen Kilometer sowie die Benutzungszeit. Bei<br />

kurzen Fahrten sind deshalb die Preise attraktiver als<br />

bei herkömmlichen Mietwagenfirmen, da dort die<br />

Fahrzeuge meistens nur tageweise gemietet werden<br />

können. Die Wartung der Fahrzeuge ist bei den<br />

beiden Organisationen unters'chiedlich geregelt: Bei<br />

ShareCom wird sie ehrenamtlich durch die Mitglieder<br />

durchgeführt, während bei der ATG Garagen diesen<br />

Service übernehmen.<br />

Nebst den Nachteilen, dass die Benutzung des<br />

Autos eingeschränkt ist, der Einsatz besser geplant<br />

werden muss und man ein «fremdes» Auto benutzen<br />

muss, bietet die Mitgliedschaft bei den beiden Car­<br />

Sharing-Genossenschaften auch verschiedene Vorteile:<br />

• Durch die Abrechnung auf Zeit- und Kilometer-<br />

-basis, fallen die hohen Fixkosten weg, was die<br />

Kosten vor allem für Personen mit kleinen jährlichen<br />

Fahrdistanzen spürbar senkt.<br />

• Sind eine grössere Anzahl Personen an der örtlichen<br />

Genossenschaft beteiligt, stehen verschiedene<br />

Fahrzeugtypenzur Auswahl.<br />

• Es wird möglich', ÖV und MIV zu kombinieren: Der<br />

mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossene Teil<br />

des Weges wird mit Bus und Bahn zurückgelegt<br />

während für den schlecht erschlossenen Teil des<br />

Weges an der nächstgelegenen Car-Sharing-Basis<br />

ein Auto abgeholt werden kann.<br />

Nicht genossenschaftlich organisiert ist die CSC<br />

(Car-Sharing Company), die 1995 von der ShareCom<br />

ins Leben gerufen wurde. Diese Aktiengesellschaft<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

157


Verkehr -'--__-:-- --,. _<br />

erfüllt werden. Die Ansprüche·der einzelnen VerkehrsteilnehmerInnen<br />

sind nachfolgend näher dargestellt.<br />

Ansprüche von Sihbehinderten<br />

Sehbehinderte benötigen in erster Linie taktile·Leitsysteme<br />

(Strukturen <strong>im</strong> Belag, Mulden, Rinnen,<br />

Borde, usw.) als Orientierungshilfen. Ebenso trägt<br />

eine kontrastreiche Gestaltung und eine gute, blendfreie<br />

Beleuchtung zu einer besseren Erkennbarkeit<br />

auch bei geringen Sehresten bei. Hindernisse in den<br />

Gehachsen und niveaugleiche Radwege sind zu<br />

vermeiden. Lichtsignale sollten mit akustischen oder<br />

vibrierenden Signalen ergänzt werden. Haltestellen<br />

des öffentlichen Verkehrs sind zusätzlich mit Blindenschrift<br />

zu markieren.<br />

Ansprüche von Gehbehinderten<br />

Für Gehbehinderte sind stufenlose Übergänge von<br />

grosser Bedeutung, was mit der Absenkung von Trottoirs<br />

<strong>im</strong> Bereich von Fussgängerstreifen und mit<br />

Rampen anstelle von Stufen erreicht werden kann.<br />

Treppen sollten mindestens mit einem starken<br />

Geländer versehen werden. Bei der Belagswahl ist<br />

auf eine angemessene Rauhigkeit zu achten, so dass<br />

der Belag einerseits rutschfest ist (keine Steinplatten)<br />

und <strong>and</strong>rerseits nicht zu Vibrationen (Kopfsteinpflaster)<br />

.und Blockierungen (Kieswege) bei<br />

RollstuhlfahrerInnen führt. Als Natursteinbelag eignet<br />

sich beispielsweise Jurakalk.<br />

KOSfC114.1.1 (;or-Shon"l1g-Kol1zepfjürdos ZZN<br />

Ansprüche von Fussgiingerlnnen<br />

Die Gehfläche ist nicht nur Verkehrsfläche, sondern<br />

erfüllt auch wichtige Funktionen als öffentlicher<br />

Raum. Sie wird benutzt zum kommunizieren, flanieren,<br />

musizieren, verweilen, etc. Daher muss sie<br />

recht breit sein. Ebenso bevorzugen Fussgiingerlnnen<br />

direkte, umwegfreie Verbindungen, was durch ein<br />

dichtes Wegnetz sichergestellt werden kann.<br />

ist stärker dienstleistungsorientiert; die Wartung<br />

wird professionell durchgeführt. Die CSC ist insb.<br />

auch eine Alternative für Firmen.<br />

4.1.2 Strassengestaltung<br />

An eine Strasse werden vielfältige und konfliktträchtige<br />

Ansprüche gestellt: So erWarten AutofahrerInnen<br />

beispielsweise ein flüssiges Verkehrsreg<strong>im</strong>e,<br />

VelofahrerInnen benötigen Sicherheit, die öffintliehen<br />

Verkehrsmittel Fahrspuren unabhängig vom Individualverkehr,<br />

Fussgängerlnnen wünschen ruhige ,<br />

Strassen und behinderte Verkehrsteiinehmerlnnen<br />

hiiidernisfreie und mit einem guten Orientierungssystem<br />

ausgestaltete Strassen. Gleichzeitig sollen<br />

all diese Bedürfnisse auf möglichst engem Raum<br />

Ansprüche von Rodfahrerlnnen<br />

Auch RadfahrerInnen brauchen direkte und durchgehende<br />

Verbindungen. Den Verkehr auf Nebenstrassen<br />

zu verlagern ist nur sinnvoll, wenn keine<br />

grossen Umwege entstehen. Die Velostreifen sollten<br />

eindeutig von der Fahrbahn abgehoben'werden, z.B.<br />

durch roten Gussasphalt oder Betonverbundsteine.<br />

Dies gilt insbesondere <strong>im</strong> Bereich von Kreuzungen,<br />

wo die Sicherheit durch vorgezogene Haltebalken<br />

und separat gesteuerte Verkehrsampdn zusätzlich<br />

erhöht werden kann.<br />

Ansprüche des öffentlichen Verkehrs<br />

Damit der öffentliche Verkehr leistungsfähig ist, müssen<br />

Behinderungen durch den motorisierten Individualverkehr<br />

vermieden werden. Dies bedingt ein eigenes<br />

158<br />

UNS-Fallstudie '96


__________~<br />

-----------------------'-----Verkehr<br />

Kosten 4.1.2 Mossnohmenkotologfiir die StrosseTigestoltung <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Ziirich <strong>Nord</strong>.<br />

UNS-Fallstudie '96 159


Verkehr<br />

-'-__~-------------~----------<br />

Verkehrsleitsystem und - wo<br />

nötig - separate Fahrspuren.<br />

Ansprüche des motortsterten<br />

Individualverkehrs<br />

Be<strong>im</strong> motortsterten Individualverkehr<br />

innerorts ist in<br />

erster Linie die Leistungsfähigkeit<br />

der angrenzenden<br />

Verkehrsknoten für die<br />

Kapazität der Strasse ausschlaggebend<br />

und nicht die'<br />

Geschwindigkeit. Ein stetiger<br />

Verkehrsfluss wird bei<br />

Geschwindigkeiten <strong>im</strong> Bereich<br />

von 30km/h erreicht.<br />

Diese Geschwindigkeit ist<br />

vor allem durch bauliche<br />

Massnahmen anzustreben,<br />

wie enge Fahrbahnen, fehlende<br />

Mittelstreifen, etc.<br />

Gefährliche Verkehrssituationen<br />

entstehen besonders<br />

dort, wo sich verschiedene<br />

VerkehrsteilnehmerInnen.<br />

den Raum teilen müssen, wie bei Fussgängerstreifen,<br />

Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Kreuzungen<br />

von Fahrradspuren mit Spuren des motorisierten<br />

Verkehrs usw. Tendenziell soll dabei der/die<br />

schnellere Verkehrsteilnehmerln seine Geschwindigkeit<br />

dem langsameren anpassen. Durch bauliche<br />

Massnahmen kann dies <strong>im</strong> Bereich von Fussgängerstreifen<br />

beispielsweise durch Belagsaufrauhungen<br />

oder der Anpassung des restlichen Strassenniveaus<br />

auf die Höhe der Fussgängerbereiche geschehen.<br />

Durch eine Fahrbahnverengung kann gleichzeitig<br />

die Aufenthaltszeit der Fussgängerlnnen <strong>im</strong> Gefahrenbereich<br />

verkürzt werden.<br />

4.1.3 Citylogistik<br />

Eine Citylogistik baut auf folgender Idee auf: die<br />

Warenströme werden in einem günstig gelegenen<br />

Verteilzentrum an der Peripherie gesammelt und<br />

nachfolge~d gebündelt verteilt. So wird Transportvolumen<br />

effizienter genutzt und es entsteht gesamthaft<br />

weniger Güterverkehr.<br />

Eine'Citylogistik beschränkt sich aber nicht nur<br />

auf die Versorgung mit Gütern, sondern kann auch<br />

die Entsorgung wirtschaftlicher machen; zu Entsorgungsgütern<br />

werden Produkte, Postsendungen und<br />

Abfälle eingerechnet.<br />

Grundsätzlich sind alle Güterverkehrströme Gegenst<strong>and</strong><br />

einer Citylogistik. Das Bündeln der Transporte<br />

setzt jedoch eine gewisse Homogenität der<br />

beförderten Waren vorauS. Aus diesem Grunde wird<br />

Abb. 4.1.2.3 Bahnhof Oerlikon auf der Seite von .Alt-Oerlikon». Für ein lebendiges Quartier wird die<br />

Verbindli~g des alten und neuen Teiles von Oerlikon von grosser Bedeutung sein (Bild: Michael Meier).<br />

sie oft auf unproblematische, nicht zeitkritische<br />

Güter des gewerblichen Lieferverkehrs (Stückgut-,<br />

Kleingut- und Paketsendungen) beschränkt. Montage-,<br />

Baustellen-, Dienstleistungs-, Gefahrengutund<br />

Branchenverkehr werden oft weggelassen.<br />

Vor-lInd Nachteile einer Citylogistik<br />

Vorteile einer Citylogistik :<br />

• geringere Umweltbelastung: Eine Verminderung des<br />

Güterverkehrs hat eine proportionale Reduktion<br />

der Lärmbelästigung und der Erschütterungen zur<br />

Folge. Ausserdem ermöglicht eine Citylogistik den<br />

sinnvollen und wirtschaftlichen Einsatz schadstoffarmer<br />

Fahrzeuge (Elektrofahrzeuge) mit geringem<br />

Energieverbrauch.<br />

• Innenstadtentlastungvom Güterverkehr: Dadurch werden<br />

die Stauhäufigkeit und das Unfallrisiko herabgesetzt<br />

und neue Möglichkeiten der Strassengestaltung<br />

in der Innenstadt bieten sich an (z.B.<br />

engere Kurvenradien)<br />

• finanzielle Einsparungen: Die externen Kosten des<br />

Güterverkehrs für Staat und Gesellschaft werden,<br />

z.B. durch reduzierte Strassenbelastungen, verringert.<br />

Die für die aufwendige Innenstadtbelieferung<br />

aufgewendete Zeit kann von den Spediteuren<br />

wirtschaftlicher genutzt werden.<br />

Nachteile der Citylogistik:<br />

• Das zusätzliche Umladen erhöht<br />

Risiken für die Spediteure.<br />

die Kosten und<br />

160 UNS-Fallstudie '96


_________________________________________Verkehr<br />

Pilotprojekte zurCitylogistik<br />

In der Schweiz wurden bereits verschiedene Pilotprojekte<br />

zur Citylogistik durchgeführt. Sie setzten alle<br />

auf die Freiwilligkeitder TeilnehmerInnen und die<br />

Rahmenbedingungen wurden nicht zugunsten der<br />

Projekte beeinflusst:<br />

• Cargo Ödike fasste die Waren von sieben Geschäften<br />

zusammen.<br />

• Basel Citylogistik bündelte den Lieferverkehr von<br />

zehn Spediteuren inklusive der Post.<br />

• Regiologistic Biel-Bienne sammelte den Güterverkehr<br />

der Region Arc Jurassien auf einer Logistikplattform.<br />

Durch das Studium dieser Projekte lassen sich wichtige<br />

Erkenntnisse in bezug aufeine mögliche Realisierung<br />

einer Citylogistik <strong>im</strong> ZZN ziehen. Sie sind <strong>im</strong><br />

folgenden aufgeführt:<br />

Schlussfolgerungen für eine Realisierung <strong>im</strong> ZZN<br />

Das ZZN ist als Gebiet zu klein, um eine sinnvolle Citylogistik<br />

hier allein au/ziehen zu können. Eine mögliche<br />

Realisierung müsste auch das übrige <strong>Stadt</strong>gebiet mit einbeziehen.<br />

Die Citylogistik darf nicht durch den Staat (<strong>Stadt</strong><br />

und Kanton) aufdoktriniert werden, sondern die<br />

Initiative muss aus der Privatwirtschaft kommen.<br />

Das Güterverkehrszentrum muss als Dienstleistung<br />

angeboten werden und Marktkräfte müssen<br />

zur· Zusammenarbeit wirtschaftlicher Konkurrenten<br />

führen und garantieren die erfolgreiche Durchführung:<br />

Das Festlegen der Rahmenbedingungen und flankierenden<br />

Massnahmen ist eine wichtige Aufgabe<br />

der <strong>Stadt</strong> und des Kantons und kann für den Erfolg<br />

von entscheidender Bedeutung sein. Die in Tab.<br />

Bereich<br />

Anreizsysteme und<br />

Benutzervorteile<br />

Bauleitplanung<br />

Verkehrsplanung<br />

Massnahmen<br />

• Road-Pricing für Nicht-Benutzerlnnen der Citylogistik<br />

• Einfahrlizenzen für Nicht-Benutzerlnnen<br />

• Restriktive Auflagen für Nicht-Benutzerlnnen<br />

• Infrastrukturplanung<br />

• Flächennutzungsplanung<br />

• Klassifizierung der Verkehrsflächen<br />

• Gestaltung der Verkehrsflächen (z.B. engere Kurvenradien)<br />

• Verkehrssystem-Management (opt<strong>im</strong>ale Auslastung des<br />

Schienennetzes)<br />

• Verkehrsleitsysteme<br />

• Routenkonzepte<br />

Tab. 4.1.3 Flankierende Massnalzmen zu einerCitylogistik.<br />

4.1.3 aufgeführten Massnahmen können zum Erfolg<br />

einer Citylogistik beitragen.<br />

Ein Güterverkehrszentrumkann nur erfolgreich<br />

betrieben werden, wenn neben der reinen Anlieferungnoch<br />

weitere Dienstleistungen angeboten<br />

werden, wie z.B. Zwischenlagerung, Stockwerklieferung,<br />

Abfallrücknahme und -entsorgung, Kommissionierung<br />

oder Mehrweggebinde.<br />

Massnahmen <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr<br />

Der öffentliche Verkehr wird in unseren Modellen<br />

grösstenteils mit konventionellen Fahrzeugen (Tram<br />

und Bus) bewältigt. Nicht besprochen wurde bisher<br />

die Möglichkeit einer Feinerschliessun'g, die z.B.<br />

schienengebunden durch ein Monorail oder strassengebundene<br />

Leichtfahrzeuge erfolgen könnte.<br />

Eine Feinerschliessung könnte zur Attraktivitätssteigerung<br />

des öffentlichen Verkehrs einiges beitragen: einerseits<br />

würde damit der Personentransport verfeinert und<br />

flexibler gestaltet werden. Insbesondere die wichtige<br />

Verbindung mit «Alt-Oerlikon» könnte vergleichsweise<br />

ohne grossen Aufw<strong>and</strong> hergestellt werden.<br />

Andererseits bestände die Möglichkeit, diese Fahrzeuge<br />

in den verkehrsarmen Zwischenzeiten <strong>and</strong>eren<br />

Nutzungen - wie z.B. der Citylogistik - zur<br />

Verfügung zu stellen und die Effizienz und Renta~<br />

bilitätdes öffentlichen Verkehrs zu steigern.<br />

Aufgrund einer Diskussion mit Herrn Rüegger<br />

von den VBZ schlagen wir eine einfache Lösung vor:<br />

ein kleines Elektrofahrzeug mit Anhänger (Typ<br />

Expositionsfahrzeug). Die max<strong>im</strong>ale Fahrzeughöhe<br />

würde 2.20 m betragen und mit einer leicht überhöhten<br />

Fussgängerunterführung könnte diese Feinerschliessung<br />

strassenverkehrsunabhängig gestaltet<br />

werden. Damit würde eine <strong>im</strong> Vergleich billige<br />

Verbindung durch das ZZN zu «Alt­<br />

Oerlikon» realisiert und der langfristigen<br />

Etappierung angepasst.<br />

In den verkehrsarmen Stunden<br />

kann das Fahrzeug durch eine s<strong>im</strong>ple<br />

Auswechslung des Anhängers<br />

als Gütertransportmittel <strong>im</strong> Sinne<br />

einer Citylogistik benutzt werden.<br />

Möglich wäre z.B. in den Spitzenzeiten<br />

(7-9 Uhr, 17--19 Uhr) der<br />

Personentransport . in den Teilgebieten<br />

D und B und während<br />

der übrigen Zeit der Gütertransport<br />

. in den Teilgebieten A und C (für<br />

eine allg. Übersicht der Teilgebiete<br />

siehe Abb. 3.1.1 <strong>im</strong> Kap. STADTENT­<br />

WICKLUNG). Die VBZ erachten eine<br />

solche Mischnutzung als positiv und<br />

würde auch die Betreibung übernehmen.<br />

UNS-Fallstudie '96 161


Verkehr<br />

4.2 Verkehrsmodelle .<br />

Ausgehend vom Enrwicklungsleitbild wurden vier<br />

Verkehrsmodelle gebildet. Dazu wurden Leitbilder<br />

definiert, aufgrund derer anschliessend dieentsprechenden<br />

Ausprägungen der einzelnen Einflussfaktoren<br />

ausgewählt wurden (Tab. 4.2). Die Leitbilder für die<br />

einzelnen Modelle lauteten:<br />

• Modell Entwicklungsleitbild: Dieses Modell widerspiegelt<br />

den heutigen St<strong>and</strong> der Planung und<br />

basiert vor allem auf den Sonderbauvorschriften.<br />

• Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert: Dieses Modell<br />

basiert auf dem Modell Entwicklungsleitbild,<br />

versucht aber durch zusätzliche Massnahmen die<br />

in Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT­<br />

WICKLUNGSLEITBILDES beschriebenen Schwierigkeiten<br />

ZU verringern.<br />

• Modell ÖV-LV mox: Dieses Modell sieht Massnahmen<br />

vor, die den öffentlichen undden Langsamverkehr<br />

fördern und den motorisierten Verkehr reduzieren. In<br />

diesem Modell sollen insbesondere auch die An-·<br />

liegen der schwächeren Verkehrsteilnehmerlnnen<br />

besonderes Gewicht erhalten.<br />

• Modell MIV mox: Bei diesem Modell soll das zu<br />

erwartende Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN vor allem<br />

durch den motorisiert~nVerkehr hewältigt werden.<br />

Öffentlicher Verkehr und Langsamverkehr werden<br />

nicht gefördert.<br />

Nachfolgend sind dje Verkehrsmodelle mit ihren<br />

Massnahmen kurz beschrieben.<br />

4.2.1 Modell Elltwicklullgsleitbild<br />

Ausgehend von den Sonderbauvorschriften, dem<br />

Entwicklungsleitbild und weiteren Planungsgrundlagen<br />

wurde auch ein Modell Entwicklungsleitbild<br />

gebildet, welches auf Ausprägungen der Einflussfaktoren<br />

aufbaut. Die bestehenden Planungsgrundlagen<br />

erlaubten nicht, vollständige, vergleichbare Verkehrsmodelle<br />

zu bilden. Es mussten zusätzliche<br />

Annahmen getroffen werden. Sie sind <strong>im</strong> nachfolgenden<br />

Text bezeichnet.<br />

Mossnohmen:<br />

Die Zahl der Besucherparkplätze beträgt 700,. wobei<br />

sie in Parkhäusern zur Verfügung stehen. Zusätzlich<br />

_<br />

Einflussfaktor<br />

Entwicklungsleitbüd<br />

Entwicklungsleitbüd<br />

opt<strong>im</strong>iert<br />

.. ÖV·LVmax<br />

.MIVmax<br />

Bewirtschaftung<br />

Besucherparkplätze<br />

durchschnittliches<br />

Verkehrspotential<br />

durchschnittliches<br />

Verkehrspotential<br />

min<strong>im</strong>ales Verkehrspotential<br />

max<strong>im</strong>ales Verkehrspotential<br />

Anordnung<br />

Besucherparkplätze<br />

nur Parkhäuser<br />

nur Parkhäuser<br />

nur Parkhäuser<br />

am Strassenr<strong>and</strong><br />

Art des Dienstleistungs·<br />

angebotes<br />

durchschnittlich·<br />

durchschnittlich<br />

besucherextensiv<br />

.besucherintensiv<br />

Bewirtschaftung<br />

Arbeitsparkplätze<br />

HerkömmlicheNutzung<br />

Arbeitgeberln fördert<br />

ÖV<br />

Arbeitgeberln fördert<br />

OV<br />

Freigabe ungenutzter<br />

Arbeitsparkplätze<br />

Wohnparkplätze<br />

autoarme Wohnzone<br />

kleines autofreies<br />

Quartier<br />

grosses autofreies<br />

Quartier<br />

autoorientierte Wohnsiedlung<br />

Behindertengerechte<br />

Strassengestaltung<br />

nicht behindertengerecht<br />

min<strong>im</strong>al behindertengerecht<br />

max<strong>im</strong>al behindertengerecht<br />

nicht<br />

behindertengerecht<br />

Langsamverkehrsgerechte<br />

Strassengestaltung<br />

Durchschnittsstrasse<br />

Durchschnittsstrasse Koexistenz Durchschnittsstrasse<br />

Öffentlicher Verkehr<br />

Realisierung Entwicklungsleitbild<br />

EntwickIungsleitplan<br />

mit Feinerschliessung<br />

Entwicklungsleitplan<br />

mit Feinerschliessung<br />

Teilrealisierung des<br />

Entwicklungsleitplans<br />

Güterverkehr<br />

keine lenkenden Massnahmen<br />

'<br />

Citylogistik mit flankie- Citylogistik mit flankie- keine lenkenden Massrenden<br />

Massnahmen renden Massnahmen nahmen<br />

Durchgangsverkehr<br />

durchschnittliche<br />

Attraktivität<br />

durchschnittliche<br />

Attraktivität<br />

min<strong>im</strong>ale Attraktivität<br />

max<strong>im</strong>ale Attraktivität<br />

Tab. 4.2 Wahl der Ausprägungen der Einflussfaktoren fiir die einzelnen Verkehrsmodelle rÖV = öffentlicher Verkehr, LV = Langsamverkehr, MIV,;, motorisierter<br />

Individualverkehr). Die genauen Definitionen zu den einzelnen Ausprägungen finden sich <strong>im</strong> Kap, 6.1 EINFLUSSFAKTOREN.<br />

162 UNS-Fallstudie '96


_________________-'-'-_~<br />

Verkehr<br />

wurde angenommen, dass durch<br />

ein Verkehrsleitsystem frühzeitig<br />

die St<strong>and</strong>orte der freien<br />

Parkplätze angezeigt werden,<br />

was zu einer Reduktion des<br />

Suchverkehrs führt. Die Parkplatzbewirtschaftung<br />

stellt sicher,<br />

dass jeder Besucherparkplatz<br />

ein durchschnittliches,<br />

spezifisches Verkehrspotential (sVp)<br />

von J9 hat (Abschätzung aus<br />

Glaser, Saxer + Partner,.1983).<br />

In den Wohngebieten sind keine<br />

speziellen verkehrsreduzierenden<br />

Massnahmen vorgesehen.<br />

Die Zahl der Bewohnerparkplätze<br />

beträgt 1500.<br />

Die ArbeitgeberInnen stellen<br />

den ArbeitnehmerInnen die<br />

1800 Parkplätze gratis zur Verfügung.•Eine<br />

Förderung zur<br />

Benutzung des öffentlichen Verkehrs,<br />

beispielsweise durch<br />

Abgabe verbilligter Abonnemente,<br />

findet nicht generell statt und bleibt einzelnen<br />

Firmen überlassen (z.B. <strong>im</strong> Rahmen «Bonus­<br />

Regenbogenkarte» des Zürcher Verkehrsverbundes; die<br />

eine verbilligte Abgabe eines Abonnement für den<br />

Zürcher Verkehrsverbund ermöglicht). Das durchschnittliche<br />

spezifische Verkehrspotential der 1800<br />

Arbeitsparkplätze beträgt 2.5. Die Art der Parkplatzbewirtschaftung<br />

beruht auf Annahmen.<br />

Zur Strassengestaltung machen die bestehenden<br />

Konzepte keine Aussagen. Für die Modellbildung<br />

wurde daher angenommen, dass bei der Strassengestaltung<br />

seh- und gehbehindertengerechte Massnahmen<br />

nicht berÜcksichtigt werden. Für die Langsamverkehrsteilnehmerlnnen<br />

werden nur wenige Massnahmen<br />

ergriffen. Die Trottoirs sind schmal, teilweiseltat<br />

es Velostreifen. Ansonsten entspricht die Strassengestaltung<br />

dem vorherrschenden Muster: breite<br />

Fahrbahnen mit Abbiegespuren und schnurgerade<br />

Linienführung.<br />

Im Bereich des öffentlichen Verkehrs werden drei<br />

Erschliessungslinien realisiert (Binzmühlestrasse [als<br />

Tramlinie]; Seebach- Birchstrasse-Bahnhof Oerlikon;<br />

von <strong>Nord</strong>westen her entlang der Neunbrunnenstrasse).<br />

Eine Feinerschliessung mittels eines Elektrofahrzeuges<br />

ist nicht geplant.<br />

Zur Beeinflussung des Güterverkehrs werden keine<br />

Massnahmen ergriffen. Das Speditionszentrum<br />

.bleibt fakultativ.<br />

Be<strong>im</strong> Durchgangsverkehr sind die Planungsgrundlagen<br />

unseres Erachtens nicht konsistent (einerseits<br />

projektierter Autobahnanschluss, <strong>and</strong>ererseits Sperrung<br />

der Binzmühlestrasse). Unser Modell weicht<br />

Abb. 4.2.1 Die Parkplatzbewirtschaftung ist ein wichtiger Einflussfaktor in bezug aufden motorisierten<br />

Individualverkehr (Bild: Michael Meier).<br />

daher von den Planungsgrundlagen ab: Der Durchgangsverkehr<br />

wird nicht vom ZZN ferngehalten. Es<br />

findet weder eine Sperrung der Binzmühlestrasse<br />

statt noch wird Tempo 30 ergriffen. Dafür wird der<br />

<strong>im</strong> regionalen Richtplan vorgesehene Autobahnanschluss<br />

nicht realisiert.<br />

4.2.2 Modell Elltwicklullgsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />

In Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT­<br />

WICKLUNGSLEITBILDS wurden verschiedene Konflikte<br />

des Entwicklungsleitbildesbeschrieben. Im Modell<br />

Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert soll versucht werden,<br />

mit ausgewählten Massnahmen diese Konflikte zu<br />

min<strong>im</strong>iere~. Es werden in erster Linie jene Massnahmen<br />

berücksichtigt, deren Realisierungschancen<br />

recht· hoch sind. Damit sollen best<strong>im</strong>mte Akzente<br />

in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt werden. Ein<br />

Schwergewicht liegt bei der Citylogistik.<br />

Massnahmen:<br />

Das Dienstleistungsangebot entspricht einem durchschnittlichen<br />

Mix, analog dem Entwicklungsleitbild.<br />

Daher wird die Zahl der Besucherparkpllitze bei 700<br />

belassen, wobei sie (wie <strong>im</strong> Modell ÖV-LV max) in<br />

. Parkhäusern zur Verfügung stehen. Ein Verkehrsleitsystem<br />

zeigt die freien Parkplätze frühzeitig an<br />

und vermindert somit den Suchverkehr. Die Besucherparkplätze<br />

werden mit Gebühren belastet und<br />

die Parkzeit auf 60 bis 240 Minuten beschränkt;<br />

daraus resultiert ein spezifisches Verkehrspotential von.<br />

rund 19 FahrzeugbewegungenfTag (Abschätzung aus<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

163


Verkehr ---.,.. - _<br />

Glaser, Saxer + Paruier, 1983). Dieser hohe Verkehrsumsatz<br />

dürfte besonders dem Kleingewerbe entgegenkommen.<br />

Nur Teile der Wohngebiete bestehen aus autofreien<br />

Siedlungen: 50 Wohnparkplätze werden für das Car­<br />

Sharing reserviert. Damit werden ungefähr die Bedürfnisse<br />

von 1000 BenutzerInnen befriedigt und<br />

256 Parkplätzewerden nicht benötigt. Dadurch wird<br />

die Lebensqualität in den Wohngebieten gesteigert.<br />

Die ArbeitgeberInnen fördern die Benutzung der<br />

öffentlichen Verkehrsmittel seitens der MitarbeiterInnen,<br />

indem sie z.B. die bei diesen erhobenen<br />

Parkplatzgebühren zum Kauf von ÖV-Abonnementen<br />

einsetzen. Die Parkplatzgebühren sind vergleichsweise<br />

hoch angesetzt. Die ArbeitgeberInnen fördern<br />

. <strong>im</strong> weiteren «Autopooling» und Alternativmöglichkeiten<br />

mit Veloabstellplätzen, Duschkabinen <strong>im</strong><br />

Büro, Wohnen <strong>im</strong> Quartier. Darum stehen <strong>im</strong> Durchschnitt<br />

20% der vorgesehenen Arbeitsparkplätze<br />

leer, das durchschnittliche spezifische Verkehrspotential<br />

pro Parkplatz sinkt auf 2 Fahrzeugbewegungen/Tag.<br />

Der öffentliche Verkehr wird hiermit ohne Kosten für<br />

die ArbeitgeberInnen gefördert.<br />

Die Strassengestaltung ist nur min<strong>im</strong>al behindertenund<br />

langsamverkeht1gerecht, d.h. es werden keine<br />

Massnahmen, die heute nicht schon Norm sind,<br />

durchgesetzt. Die Strassen entsprechen Durchschnitt,sstrassen<br />

heutigem Muster: breite Fahrbahnen,<br />

gerade Linienführung, schmales Trottoir, evtl.<br />

Velostreifen und die Autos fahren mit normaler<br />

Innerortsgeschwindigkeit. Als einzige Massnahme<br />

zugunsten der Behinderten werden Bürgersteigabsenkungen<br />

vorgenommen.<br />

Be<strong>im</strong> öffentlichen Verkehr werden die drei Erschliessungslinien<br />

des Leitbildes realisiert, ergänzt durch<br />

eine Feinerschliessung mit einem Elektrofahrzeug,<br />

welches das ZZN durchfährt und eine Verbindung<br />

zum alten <strong>Zentrum</strong> Oerlikon sicherstellt. Diese<br />

Feinerschliessung reduziert das Verkehrsaufkommen<br />

lind kann auch für die Citylogistik von Nutzen<br />

sem.<br />

Die Güterversorgung des ZZN ist in diesem Modell<br />

innovativ: Es soll analog dem Modell ÖV-LV maxeine<br />

Citylogistik aufgebaut werden, die mit flankierenden<br />

Massnahmen wie der Bevorzugung von Citylogistik­<br />

Fahrzeugen (kein Lieferzeitfenster und keine Einfahrlizenzen<br />

für diese Fahrzeuge), engen Kurvenradien,<br />

Steuererleichterungen, bzw. Subventionen<br />

für Beteiligte geföIdert wird. Die Citylogistik-Fahrzeuge<br />

sind in erster Linie umweltfreundliche Ökodiesel-<br />

und Elektrofahrzeuge. Ebenso wird das bestehende<br />

Schienennetz opt<strong>im</strong>al ausgelastet, wie es<br />

bereits das Entwicklungsleitbild vorsieht. All diese<br />

Massnahmen führen zu einer ungefähren Reduktion<br />

des Lieferverkehrs um 10% und der Emissionen<br />

um 30%.<br />

Zur Beeinflussung des Durchgangsverkehrs werden<br />

keine spezielle Massnahmen (Strassenschliessungen,<br />

Temporeduktionen) ergriffen. Der Autobahnanschluss<br />

wird nicht realisiert.<br />

4.2;3 Modell öffentlicher Verkehr-Langsamverkehr inax<br />

(ÖV·LV max) .<br />

Be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max werden vor allem der öffentliche<br />

und der Langsamverkehr gefördert; der Anteil des<br />

motorisierten Individualverkehrs soll möglichst gering<br />

gehalten werden. In diesem Modell sollen insbesondere<br />

auch die Bedürfnisse von schwächeren Verkehrsteilnehmerlnnen<br />

(VelofahrerInnen, FussgängerInnen,<br />

Kinder, ältere Menschen und Behinderte)<br />

soweit als möglich berücksichtigt werden.<br />

Die Umsetzung dieses Modells bedingt die Realisierung<br />

unkonventioneller Massnahmen und verlangt<br />

daher Offenheit und Mut für innovative Ideen<br />

und deren konsequente Umsetzung in der Verkehrsgestaltung<br />

von Seiten der Behörden, Investorlnnen<br />

und Planerlnnep.<br />

Massnahmen:<br />

Das Dienstleistungsangebot zieht wenig motorisierte<br />

BesucherInnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze<br />

wird darum um 15% auf 595 reduziert, wobei<br />

sie in Parkhäusern zur Verfügung stehen. Durch ein<br />

Verkehrsleitsystern werden frühzeitig die St<strong>and</strong>orte<br />

der freien Parkplätze angezeigt, was zu einer Reduktion<br />

des Suchverkehrs führt. Der grösste Teil der Besucherparkplätze<br />

besteht aus zeitlich unbeschränkten<br />

Parkplätzen mit Gebühren oder aus blauer Zone.<br />

Dadurch reduziert sich das spezifische Verkehrspotential<br />

eines Besucherparkplatzes von durchschnittlich 19<br />

auf 15 (Glaser, Saxer + Partner, 1983). Die nicht<br />

benötigten 105 Besucherparkplätze werden je zur<br />

Hälfte auf Arbeiter- und Bewohnerparkplätze verteilt.<br />

Die Wohngebiete bestehen ausschliesslich aus<br />

autofreien Siedlungen kombiniert mit einem Angebot<br />

für Car-Sharing. Dadurch wird nur ein Drittel<br />

der Wohnparkplätze benötigt; die restlichen werden<br />

aufgehoben. Somit stehen 518 Parkplätze als St<strong>and</strong>orte<br />

für Car-Sharing-Fahrzeuge und für BesucherInnen<br />

zur Verfügung.<br />

Die ArbeitgeberInnen fördern die Benutzung der<br />

öffentlichen Verkehrsmittel seitens der MitarbeiterInnen<br />

durch eine Vergünstigung der ÖV-Abonnemente<br />

(bzw.durch eine Prämie für Fussgängerlnnen und<br />

VelofahrerInnen), durch Parkplatzgebühren, die<br />

mindestens den effektiven Parkplatzkosten entsprechen,<br />

und durch die Bereitstellung einer guten<br />

Infrastruktur für VelofahrerInnen (Abstellplätze,<br />

Duschmöglichkeiten). Die ArbeitgeberInnen fördern<br />

<strong>im</strong> weiteren «Autopooling». Dadurch reduziert<br />

164<br />

UNS-Fallstudie '96


____:-- '-- -----------:---Verkehr<br />

sich das durchschnittliche spezifische Verkehrspotential<br />

der zur Verfügung stehenden 1852 Arbeitsparkplätze<br />

von 2.5 auf 2:<br />

DieStrassengestaltung ist max<strong>im</strong>al behinderten- und<br />

langsamverkehrsgerechtkonzipiert. Dies bedeutet, dass<br />

auf den Hauptachsen Binzmühle- und Birchstrasse<br />

den Fussgängerlnnen breite Trottoirs und den VelofahrerInnen<br />

abgegrenzte Velostreifen zur Verfügung<br />

stehen. Auf den Nebenstrassen findet kein Durchgangsverkehr<br />

statt. Für Seh- und Gehbehinderte<br />

werden alle möglichen baulichen Massnahmen ergriffen,<br />

.wie abgesenkte, bzw. überall durchgezogene<br />

Trottoirs, Orientierungshilfen für Sehbehinderte mit<br />

blindengerechten Signalen und rollstuhlgerechten<br />

Belägen.<br />

Im Bereich des öffentlichen Verkehrs werden die <strong>im</strong><br />

Entwicklungsleitbild vorgesehenen drei Erschliessungslinien<br />

realisiert (Binzmühlestrasse [als Tramlinie];<br />

Seebach-BircMtrasse-Bahnhof Oerlikon; von<br />

<strong>Nord</strong>westen her entlang der Neunbrunnenstrasse).<br />

Zusätzlich wird die Feinerschliess<strong>im</strong>g mit einem<br />

Elektrofahrzeug sichergestellt, welches das ZZN<br />

durchfährt und eine Verbindung zum alten <strong>Zentrum</strong><br />

von Oerlikon sicherstellt..<br />

Für die Güterversorgung des ZZN steht eine Citylogistik<br />

zur Verfügung, die mit flankierenden Massnahmen<br />

wie der Bevorzugung von Citylogistik-Fahrzeugen<br />

(kein Lieferzeitfenster und Einfahrlizenzen),<br />

engen Kurvenr;ldien und Steuererleichterungen bzw.<br />

Subventionen für Beteiligte, gefördert wird. Ebenso<br />

wird das bestehende Schienennetz opt<strong>im</strong>al aus~<br />

gelastet, wie es bereits das Entwicklungsleitbild<br />

vorsieht. All diese Massnahmen führen zu einer<br />

ungefähren Reduktion des Lieferverkehrs um 10%<br />

und der Emissionen um 30%. _<br />

Der Durchgangsverkehr wird vom ZZN fernge-·<br />

halten: Der Autobahnanschlusswird nicht realisiert,<br />

hingegen wird die Binzmühlestrasse West wie vorgesehen<br />

gesperrt. Als begleitende Massnahme wird<br />

Tempo 30 eingeführt.<br />

plätzen. Bei der Bewirtschaftung werden kurzzeitige,<br />

gebührenpflichtige Parkplätze am Strassenr<strong>and</strong> bevorzugt,<br />

was ein grosses spezifisches Verkehrspotential<br />

(sVp) von 23 (Glaser, Saxer + Partner, 1983) zur Folge<br />

hat. Ein Verkehrsleitsystem, das freie Parkplätze<br />

anzeigt, wird nicht realisiert, was einen erhöhten<br />

Suchverkehr zur Folge hat.<br />

Bei der etappenweisen Realisierung des ZZN<br />

werden anfangs zu viele Wohnparkplätze vergeben, so<br />

dass für die nachfolgenden Wohnbauten zuwenig<br />

Parkplätze zur Verfügung stehen würden. Auf Druck<br />

der Investorlnnen werden die Sonderbauvorschriften<br />

abgeändert, so dass <strong>im</strong> Endausbau den BewohnerInnen<br />

2300 Parkplätze zur Verfügung stehen, entsprechend<br />

der Ptlichtparkplatzzahl der kommunalen<br />

Bau- und Zonenordnung von Zürich.<br />

Arbeitsparkplätze werden abends und an Wochenenden<br />

für BesucherInnen freigegeben, was deren sVp<br />

um 4 Bewegungen pro Tag auf 6.5 erhöht. Die Zahl<br />

der Arbeitsparkplätze wird aber zugunsten der Besucherparkplätze<br />

um 52 auf 1742 reduziert.<br />

Für die Langsamverkehrsteilnehmerlnnen werden nur<br />

wenige- Massnahmen ergriffen: schmale Trottoirs,<br />

4.2.4 Modell motorisierter Individualverkehr max<br />

(MIVmax)<br />

Das Modell MIV max beinhaltet ein Verkehrssystem,<br />

das eine möglichst effiziente Gestaltung des motorisierten<br />

Individualverkehrs (MIV) erlaubt. Massnahmen,<br />

die diesen einschränken, werden kaum ergriffen.<br />

Wenig gefördert werden dagegen der öffentliche<br />

und der Langsamverkehr.<br />

Massnahmen:<br />

Das Dienstleistungsangebot bewirkt hohe Besucherfrequenzen.<br />

Daher wird die Zahl'der Besucherparkplätze<br />

um 15% auf 805 erhöht, je zur Hälfte auf<br />

Kosten von Arbeitsparkplätzen und Wohnpark-<br />

Abb. 4.2.4 Durch den grossen Anteilan Wohnstrossen <strong>im</strong> ZZN könnte das<br />

neue Quartier einegünstige Umgebung/iir den Fahrradverkehr bieten (Bild:<br />

Michael Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

165


Verkehr -'- _<br />

teilweise Velostreifen. Ansonsten entspricht<br />

die Strassengestaltung dem vorherrschenden<br />

Muster: breite Fahrbahnen<br />

mit .Abbiegespuren und schnurgerade<br />

Linienführung.<br />

Von den <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehen<br />

drei Verbindungen des öffentlichen<br />

Verkehrs werden nur zwei realisiert, dafür<br />

wird der Autobahnanschluss realisiert. Nicht<br />

berücksichtigt werden folgende Anliegen:<br />

• behindertengerechte Strassengestaltung,<br />

• flankierende Massnahmen be<strong>im</strong> Güterverkehr,<br />

das Speditionszentrum bleibt<br />

fakÜltativ,<br />

• Massnahmen zur Beschränkung des<br />

Durchgangsverkehrs und Sperrung de'r<br />

Binzmühlestrasse West.<br />

Modell Wohnpark Arbeits- Besucher- Total<br />

plätze parkplätze parkplätze<br />

Entwicklungsleitbild 1500 1800 700 4000<br />

.......................................... .. ................. ............ ...................<br />

Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert<br />

1300 1800 700 3800<br />

................... .. ......................<br />

ÖV-LVmax 518 1852 595 2965<br />

MlVmax 2300 1742 805 4847<br />

Tab. 4.3.1.1 Parkplatzverteilung der einzelnen Modelle. DerEinfluss der unterschiedlichen<br />

Zahl der Wohnparkpliitze (da diese Zahl grosse Unterschiede aufweist) und der<br />

Besuche11Jarkplätze (da diese Parkplätze ein hohes spezifisches Verkehrspotential besitzen)<br />

aufdie Gesamroerkehrsmenge ist etwa gleich gross; die unterschiedliche Zahl der Arbeitsparkplätze<br />

verursachen hingegen nur vernachlässigbar kleine Änderungen der Verkehrsmengen.<br />

4.3<br />

Resultate der Verkehrsabschätzung<br />

für die einzelnen Modelle<br />

4.3.1 Resultate der Personenverkehrsabschätzungen<br />

Eine wichtige Grösse zur Abschätzung der Verkehrsmenge<br />

ist die Parkplatzverteilung. Sie lässt sich aus<br />

den gewählten Ausprägungen der Einflussfaktoren berechnen.<br />

Oie Definition der verschiedenen Ausprägungen<br />

beeinflusstdie Zahl der Arbeitsparkplätze nur<br />

schwach (rund 5% Unterschiede) und wäre eigentlich<br />

vernachlässigbar. Um aber die Ausprägungen<br />

trotzdem korrekt anzuwenden, wird mit den genauen<br />

Zahlen gerechnet. Die Verteilung der Parkplätze auf<br />

die einzelnen Modelle ist in Tab. 4.3.1.1 zusammenfassend<br />

dargestellt.<br />

Jedes der vier Moddle weist einen <strong>and</strong>eren Modal­<br />

Split auf, Den Vorgaben des Entwicklungsleitbildes<br />

am nächsten kommt das<br />

Modell Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert, wobei der<br />

Anteil des motorisierten<br />

Individualverkehrs (MIV)<br />

noch <strong>im</strong>mer leicht zu<br />

h~ch ist. Im Modell ÖV­<br />

LVmax ist der MIV-Anteil<br />

hingegen bereits 7%<br />

kleinerals das Entwicklungsleitbild<br />

vorsieht.<br />

Die grösste Verkehrsmenge<br />

wird durch das<br />

Modell ÖV-LV max verursacht,<br />

am wenigsten durch<br />

das .Modell MIV max,<br />

wobei die Differenz rund<br />

15% beträgt. Diegetroffenen<br />

Massnahmen führen<br />

Verkehrsmodell<br />

Entwicklungsleitbild<br />

Entwicklungsieltbild<br />

opt<strong>im</strong>iert<br />

ÖV-LVmax<br />

MIVmax .<br />

Grösse<br />

somit nicht in erster Linie zu einer Mobilitätseinschränkung,<br />

sondern zu einer Verlagerung zwischen den Verkehrsmitteln.<br />

Die in Tab. 4.3.1.2 dargestellten Resultate basieren<br />

auf der in Kap. 3.2.1 PERSONENVERKEHRSABSCHÄTZUN­<br />

GEN beschriebenen Berechnungsmethode.<br />

Die Unterschiede der Verkehrsmengen für die<br />

einzelnen Verkehrsarten betragen knapp 10% bis<br />

rund 250%. Auch bei einer Annahme eines Fehlers<br />

für die Verkehrsabschätzung von rund 20% sind die<br />

Resultate signifikant verschieden.<br />

4.3.2 Resultate der Güterverkehrabschätzungen<br />

Eine Beschreibung des zugrundeliegenden Güterverkehrmodells<br />

befindet sich in Kap. 3.2.2 GOTER­<br />

VERKEHRABSCHÄTZUNGEN. Im folgendensoll die durch<br />

die Massnahmen gemäss Ausprägungen veränderte<br />

Kilometerleistung für den Güterverkehr berechnet<br />

Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />

Modal-Split<br />

Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />

Modai-Split<br />

Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />

Modal-Split<br />

Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />

Modai-Split<br />

Total<br />

Tob. 4.3.1.2 Resultate der Verkehrsabschlitzungen für die vier Modelle. Die grösste Gesamtmobilität weist dos<br />

ModelIÖV-LV max auf(MIV = motorisierter Individualverkehr, ÖV = öffentlicher Verkehr, LV= Langsamverkehr,<br />

Pkm = Personenkilometer). . .<br />

MIV<br />

24'900<br />

63%<br />

ÖV<br />

15'100 16'600<br />

37% 41%<br />

14'150 19'800<br />

33% 46%<br />

8'750<br />

22%<br />

LV<br />

9'200 40'900<br />

22%<br />

9'550 43'500<br />

22%<br />

10'300 22'600 12'550 45~450<br />

23% 50% 28%<br />

5'700 39'350<br />

14%<br />

166 UNS-Fallstudie '96


~ Verkehr<br />

werden. Dabei ist zu beachten,<br />

dass für die Modelle Entwicklungsleitbild<br />

und MIV max<br />

sowie für Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert und ÖV-LV max je-<br />

•<br />

weHs die gleiche Ausprägung<br />

gewählt wurde.<br />

Mode/le Entwicklungsleitbild<br />

und MIV max (keine lenkenden<br />

Massnahmen)<br />

• Keine Einsparungen durch<br />

Logistikzentrum<br />

• Keine Bevorzugung von<br />

Lieferwagen<br />

• 65% der Anlieferungen geschehen<br />

per Lieferwagen,<br />

35% per LKW. Di~ vorh<strong>and</strong>enen<br />

Geleise werden<br />

für 5% der Transporte verwendet.<br />

Dies bringt eine<br />

Reduktion der LKW Transporte<br />

um 5% (min<strong>im</strong>ale Ausnutzung<br />

der Bahngeleise).<br />

Mode/le 'Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert und ÖV-LV max (City~<br />

logistik mit flankierenden Massnahmen)<br />

• Einsparung (auf sämtliche<br />

Gütertransportmittelgleichmässig<br />

verteilt) durch Logi~<br />

stikzentrum <strong>im</strong> Bereich von<br />

5-10% in der Industrie und<br />

15-20% <strong>im</strong> Dienstleistungssektor.<br />

• 65% der Anliefeiungen finden per Lieferwagen<br />

und 35%per LKW statt. Bei den Baufeldern A und<br />

ewerden 15% der Transporte per Bahn getätigt,<br />

dadurch resultiert eine Einsparung von 10% bei<br />

LKW- und 5% bei Lieferwagentransporten (opt<strong>im</strong>ale<br />

Ausnutzung von Bahngeleisen).<br />

• Bevorzugung von Lieferwagen durch engere Kurvenradien.<br />

(LKW minus 10% der Transportmenge,<br />

Lieferwagen plus 10% der Transportmenge).<br />

Vergleich dl!r Mode/le<br />

In dieser Abschätzung wurde der Einfluss der einzelnen<br />

Ausprägungen nur auf die Kilometerleistung als<br />

einzigen Einflussfaktor hin betrachtet. Auch wenn<br />

sich bei den einzelnen Szenarien wenig Unterschiede<br />

in bezug auf die Gesamtkilometerleistung zu<br />

erkennen sind, so muss dennoch der Einfluss der<br />

Ausprägungen auf zeitliche und räumliche Variabilität<br />

der Verkehi:sflüsse beachtet werden. Insbesondere<br />

dieJlankierenden Massnahmen haben Auswirkungen,<br />

Abb. 4.3.2 Die heute noch bestehenden Anschlussgeleisefallen durch die Realisierungdes ZZNweitgehend weg<br />

(Bild: Michael Meier).<br />

Verkehrsmodelle Fahrzeug Potential Kilometerleistung<br />

Entwicklungsleitbild, LKW 1565-2348LKW(Tag 374-561 km(Tag<br />

MlVmax<br />

LW 2618-3928 LW(Tag 1458-2187 km(Tag<br />

--. ..... .............. ...................... ...................... ....... .......... " ...•..••.••.•..•..•......... . ......<br />

EntwicklunBsleitbild LKW 1187-1890 LKW(Tag 203-322 km(Tag<br />

opt<strong>im</strong>iert, OV·LV max<br />

LW 2418-3845 LW(Tag 1450-2147 km(Tag<br />

Tab. 4.3.2 Resultate der Verkehrsabschätzungen für den Güterverkehr. Da die Kilometerleistung des Güterverkehrs<br />

der einzige Einflussfaktor ist undfürjeweils zwei Modelle die gleiche Ausprägunggewählt wurde,<br />

sinddie Resultatefürjeweils zwei Modelle identisch.<br />

welche sich nicht in einer Reduktion der Kilometer-<br />

_leistung, sondern einer zeitlichen und räumlichen<br />

Kanalisierung der Verkehrsströme niederschlagen. Diese<br />

Kanalisierung - z.B. weg von Wohngebieten - hat<br />

eine, vergleichsweise grosse Auswirkung auf die<br />

Wohnqualität.<br />

4..4 Bewertung_der Modelle<br />

Die Gesamtbewertung bezüglich der Rangfolge<br />

ergibt recht klare Resultate, wie Abb. 4.4.1 zeigt: Das<br />

Modell ÖV-LV max schneidet am besten ab; das<br />

Modell Entwicklungsleitbild liegt etwa gleich auf wie<br />

das Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert; das Mödell<br />

MIV max wird deutlich schlechter eingestuft. Diese<br />

Rangfolge findet sich <strong>im</strong> Grossen und Ganzen auch<br />

für dieeinzelnen Teilbereiche der Bewertung. Nur<br />

<strong>im</strong> Bereich Humantoxizität wird das Modell Entwicklungsleitbildvor<br />

ÖV-LV max eingestuft; <strong>im</strong> Bereich<br />

UNS-Fallstudie '96 167


.<br />

Verkehr ~ _<br />

Verkehrsmodell<br />

Nutzen<br />

ÖV-LV max<br />

Entwicklungsleitbild<br />

Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />

MIVmax<br />

0.656<br />

0.547'<br />

0.546<br />

0.297<br />

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />

111 Umweltindikatoren<br />

111 Aktivitäten der Anthroposphäre<br />

• Humantoxizität<br />

• Soziale Indikatoren<br />

Bewertung für den Bereich «Umweltindikator»<br />

Bewertung fürden Bereich «Aktivitäten der Anthroposphäre»<br />

ÖV·LV""" Entwicklungsleitbild<br />

~<br />

H'""".'..,<br />

E_",,"'1>11d opti""'.i •<br />

ÖV-LV max<br />

Iml:~I'I'}':::I::::::::If.h~I~~':::i::I'~~·:;::~~~·::..-


__________________:-- ~ ____,_----Verkehr<br />

Wie <strong>im</strong> Kap. 3.3.4 DEFINITION DER NUTZENFUNKTIO­<br />

NEN beschrieben wurde, konnten die Nutzenfunktionen<br />

nicht nach einer einheitlichen Methode<br />

definiert werden, was zu unkorrekten Resultaten bei<br />

der Bewertung führen könnte. Darum sind in Abb.<br />

4.4.2 die Resultate einer Bewertung dargestellt, die<br />

nur jene Indikatoren berücksichtigt, für die ein Wert<br />

definiert werden konnte, der auf ein nachhaltiges<br />

Verhalten schliessen lässt.<br />

Da nur sehr wenige Indikatoren eine Bewertung<br />

bzgl. Nachhaltigkeit zulassen, kann die Frage, ob<br />

eines der Modelle dem Anspruch der Nachhaltigkeit<br />

gerecht wird, nicht schlüssig beantwortet werden.<br />

Gewisse Überlegungen zu diesem Punkt finden sich<br />

aber <strong>im</strong> Kap. 5.2 SIND DIE MODELLE NACHHALTIG.~<br />

5. Schlussfolgerungen<br />

5.1 LösJlngsllnsiitze für den Verkehr <strong>im</strong><br />

ZZN<br />

Das Strassennetz in Oerlikon ist bereits heute<br />

weitgehend bis an die obere Kapazitätsgrenz.e ausgelastet.<br />

Hauptverantwortlich dafür ist der hohe<br />

Durchgangsverkehr. Nach der Umnutzung wird die<br />

Anzahl der Personenbewegungen <strong>im</strong> ZZN auf etwa<br />

das dreifache der heutigen Menge ansteigen.<br />

Bei der IJewertung auf Nachhaltigkeit schnitt das<br />

Modell ÖV-LV max, welches die meisten der untersuchten<br />

Massnahmen enthielt, am besten ab. Dahin~<br />

teefolgen gleichauf die Modelle Entwicklungsleitbild<br />

und Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert.<br />

Die Modelle enthalten aber verschiedene innere<br />

Konflikte, die be<strong>im</strong> Modell Entwicklungsleitbild am<br />

stärksten hervortreten und be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max<br />

am schwächsten ausgeprägt sind:<br />

So kann der angestrebte Modal-Split mit der <strong>im</strong><br />

Entwicklungsleitbild vorgesehenen Anzahl und Nutzung<br />

der Parkplätze kaum eingehalten werden. Bei<br />

gleichbleibender Nutzung müsste die Parkplatzzahl<br />

von 4000 auf 3750 reduziert werden. Bei den Modellen<br />

ÖV-LV max und Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert wird<br />

der geforderte Modal-Split über eine Reduktion der<br />

Parkplatzzahl erreicht, die durch die effizientere<br />

Nutzung der einzelnen Parkplätze durch Car-Sharing<br />

notwendig wird.<br />

Die zusätzlich zu erwartende MIV-Menge wird die<br />

Verkehrskapazität in Oerlikon aller Voraussicht nach<br />

überlasten. Dies kann nur vermieden werden, wenn<br />

der Durchgangsverkehr reduziert wird. Das Modell<br />

Entwicklungsleitbild weist den höchsten Anteil an<br />

motorisiertem Individualverkehr aufund dieser Konflikt<br />

dürfte bei ihm somit am stärksten hervortreten.<br />

Die in·den Modellen ÖV-LV max und Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert verwirklichten Massnahinen Citylogistik<br />

und Car-Sharing reduzieren die Gesamtverkehrsbelastung<br />

<strong>im</strong> Gebiet.<br />

Die Investorenbed;jrfnisse können zum heutigen<br />

Zeitpunkt nur schwer mit der geplanten Beschränkung<br />

auf 4000 Parkplätze vereinbart werden. Dieser<br />

Konflikt wird durch keines der drei Modelle gelöst,<br />

ist aber be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max durch die weitgehendste<br />

Reduktion der Parkplätze am stärksten<br />

ausgeprägt. Das Modell ÖV-LV max, das von uns als<br />

nachhaltigstes Modell bewertet wird, weist aber die<br />

höchste Mobilität und damit auch die meisten potentiellen<br />

KundInnen auf. Neue Lösungenbi6ten auch<br />

Chancen, können die Attraktivität des ZZN erhöhen<br />

und schaffen St<strong>and</strong>ortvorteile. Die zentrumsnahe Lage<br />

und die gute Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr<br />

sind opt<strong>im</strong>ale Voraussetzungenfür innovative Verkehrskonzepte.<br />

Aufder Basis von vertieften Studien, die insbe-<br />

UNS·Fallstudie '96<br />

169


Verkehr ~_~ ,.-- _<br />

sondere auch die Nachfrage besser abklören undsomit eine<br />

bessere D<strong>im</strong>ensionierung der Verkehrskonzepte erlauben,<br />

empfehlen wir,dieMassnahmen des Modells ÖV-LVmax zu<br />

verwirklichen.<br />

Entwicklungsleitbild<br />

Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />

Indikatorwert (kg/d)<br />

39<br />

36<br />

5.2 Sind die Modelle nachhaltig?<br />

Betrachtet man jene Indikatoren gesondert, bei der<br />

eine Bewertung in bezug auf die Nachhaltigkeit<br />

gelungen ist, fallt folgendes auf: Die Indikatorwerte<br />

für die einzelnen Verkehrsmodelle lieg~n in einem<br />

kleinen Bereich der möglichen B<strong>and</strong>breite. Die mögliche<br />

B<strong>and</strong>breite ist durch die heutige Belastung und<br />

die nachhaltige Belastung gegeben. Ein Beispiel findet<br />

sich für NO x in Tab. 5.2 Die Werte für die vier<br />

Modelle bewegen sich nur zwischen 34 und 42 kg/d,<br />

während die mögliche B<strong>and</strong>breite 16-69 kg/d beträgt.<br />

Die Best<strong>im</strong>mung der möglichen B<strong>and</strong>breite erfolgte<br />

durch die Abschätzung des Verkehrsanteils<br />

vom ZZN an der Gesamtschweiz (vgl.Kap. 3.3.3<br />

SYSTEMGRENZEN). Diese Abschätzung ist mit einigen<br />

Ungenauigkeiten verbunden. Diese Ungenauigkeiten<br />

führen aber höchsten zu einer Verschiebung dieses<br />

Intervalls und nicht zu einer Verkleinerung. Aus<br />

diesen Überlegungen lässt sich folgender Schluss<br />

ziehen: Die inden Modellen beschriebenen Massnahmen<br />

reichen für die betrachteten Indikatoren nicht aus, um den<br />

Verkehr so stark zu beeinflussen, damit eine nachhaltige<br />

'Verkehrsgestaltung möglich wöre.<br />

Bei dieser Betrachtung nicht b'erücksichtigtwurde<br />

die zeitliche Entwicklung, die Massnahmen wurden<br />

so bewertet, wie wenn sie<br />

auf die heutige Situation<br />

angew<strong>and</strong>t worden wären.<br />

Mitberücksichtigt werden<br />

müsste aber, dass<br />

• zukünftige technische<br />

Entwicklungen umweltfreundlichere<br />

Fahrzeuge<br />

auf den Markt brin- .<br />

gen werden und<br />

• europäische und schweizerische<br />

Verkehrsprognosen<br />

mit einer weiteren<br />

Zunahme der<br />

Mobilität rechnen.<br />

Während der erste Punkt<br />

zu einer Verbesserung der<br />

Situation führt, bewirkt<br />

der zweite das Gegenteil.<br />

Da sie beide von einer<br />

ähnlichen Grössenordnung<br />

sind, dürften sich<br />

die beiden Effekte unge-<br />

ÖV-LVmu<br />

MlVmu<br />

Heutige Belastung<br />

Nachhaltige Belastung<br />

Tab. 5.2 Indikatorwerte für NO.. Die l*rtefür die heutige unddie nachhaitige·<br />

Belastung wurden gemiiss der .Methode, die in Kapitel 3.3.4<br />

DEFINITION DER NUTZENFUNKTIONEN beschrieben ist, berechnet. Referenzwertefür<br />

die Schweiz wurden Infras (J9950) entnommen.<br />

fahr aufheben. Der dadurch gemachte Fehler ist<br />

gering.<br />

Die gebildeten Verkehrsmodelle führen somit<br />

kaum zu ~iner nachhaltigen Verkehrsgestaltung.<br />

Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in erster<br />

Linie auf planerische Massnahmen auf dem Gebiet<br />

des ZZN -beschränken. Um den Verkehr nachhaltig<br />

zu gestalten, sind somit weitere Massnahmen notwendig,<br />

wie<br />

• planerische Massnahmen in einem grässeren<br />

Raum,<br />

• rechtlich~politische Massnahmen (z.B. Preisgestaltung),um<br />

das Verkehrsverhalten grundsätzlich zu<br />

beeinflussen.<br />

Abb. 5.2 l*m wollen wirin Zukunft wiliViel Raum zugestehen? Auch für Verkehrskonzepte eine Schlüsselfrage<br />

(Bild: Michael Meier).<br />

34<br />

42<br />

69<br />

16<br />

170 UNS-Fallstudie '96


--_--'- --'- Verkehr<br />

5.3 Bewertung der wirtschaftlichen Folgen<br />

Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Aspekte der<br />

Verkehrsmodelle müssen zwei Bereiche unterschieden<br />

werden: Einerseits die betriebs- und volkswirtschaftlichen<br />

Kosten für das eigentliche Verkehrssystem<br />

und <strong>and</strong>ererseits die Auswirkungen auf die<br />

Attraktivität des ZZN und das damit verbundene<br />

Verhalten von InvestorInnen und NutzerInnen.<br />

Zum ersten Aspekt sind in letzter Zeit einige<br />

Studien erstellt worden, insbesondere auch <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit Untersuchungen über externe'<br />

Kosten und Nutzen, die <strong>im</strong> Rahmen des NFP <strong>Stadt</strong><br />

und Verkehr (Ecoplan, 1992; Infras, 1992) erstellt<br />

wurden. Dabei zeigte sich, dass die Kosten für den<br />

öffentlichen Verkehr und den motorisierten Individualverkehr<br />

pro Personenkilometer in ähnlichen Grössenordnungen<br />

liegen. Öffentlicher l-erkehr ist besonders<br />

in dicht besiedelten Gebieten wie Agglomerationen<br />

effizient, da dort grosse Auslastungen erreicht werden<br />

können. Der MIV besitzt hingegen in ländlichen<br />

Gebieten Vorteile. Eine Förderung des öffentlichen<br />

. Verkehrs <strong>im</strong> ZZN sollte sich somit auf wirtschaftlicher<br />

Ebene lohnen. Damit aber auch die betriebswirtschaftliche<br />

Rechnung st<strong>im</strong>mt, muss das «Prinzip der·<br />

Kostenwahrheit» umgesetzt werden.<br />

Eine Analyse der Auswirkungen des Verkehrssystems<br />

auf die Attraktivität ist bedeutend schwieriger.<br />

Nebst harten Fakten hängt sie auch sehr stark<br />

von gesellschaftlichen und persönlichen Werthaltungen<br />

(von InvestorInnen, BewohnerInnen, etc.) ab.<br />

Aus Befragungen von Personen verschiedener N utzergruppen<br />

(siehe Kapitel 2.3.2 BEDÜRFNISSE DER<br />

AKTEURE) zeigt sich, dass insbesondere der Parkplatzzahl<br />

eine hohe Bedeutung zugewiesen wird.<br />

Einige der betrachteten Verkehrsrnassnahmen sind<br />

ip.novativ und dementsprechend wenig untersucht.<br />

Dies gilt insbesondere auch für das autofreie Wohnen,<br />

verbunden mit einem Car-Sharing-Konzept. Daher<br />

müsste abgeklärt werden, wie gross die Nachfrage<br />

nach dieser Massnahme ist. Ein autofreies Wohngebiet<br />

<strong>im</strong> Umfang des ganzen ZZN wäre in Europa<br />

aufjeden Fall einmalig.<br />

6. Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen<br />

6.1 EinfIussfaktoren<br />

Die Beschreibung der Einfluss/aktoren mit den dazugehörigen Ausprägungen findet sich In Tab. 6.1; die<br />

Zuordnung der Ausprägungen auf die l-erkehrsmodelle lässt sich Tab. 4.2 entnehmen;<br />

Einflussfaktor Nr. Ausprägung<br />

Bewirtschaftung der<br />

Besucherparkplätze<br />

(Abschätzung aus Glaser,<br />

Saxer +Partner, 1983)<br />

Anordnung der Besucherparkplätze<br />

Al<br />

A2<br />

A3<br />

Al<br />

A2<br />

Min<strong>im</strong>ales Verkehrspotential: Der grösste Teil der Besucherparkplätze besteht aus zeitlich<br />

unbeschränkten Parkplätzen mit Gebühren und blauer Zone. Dadurch weisen die Besucher'<br />

parkplätze ein durchschnittliches sVp von ca. 15 auf. .<br />

Durchschnittliches Verkehrspotential: Viele Besucherparkplätze werden mit Gebühren und<br />

zeitlicher Beschränkung von 60 bis 240 Minuten belastet. Das sVp eines Besucherparkplatzes<br />

beträgt ca. 19.<br />

Max<strong>im</strong>ales Verkehrspotential: Da die meisten Besucherparkplätze mit Gebühren und zeitlicher<br />

Beschränkung von 30 bis 60 Minuten vorgesehen sind, weisen sie ein sVp von ca. 23 auf.<br />

Besucherparkplätze nur in Parkhäusern: Alle Besucherparkplätze sind in Parkhäusern ange·<br />

ordnet. Ein Verkehrsleitsystem zeigt frühzeitig an, wo noch freie Parkplätzesind.<br />

Besucherparkplätze grundsätzlich am Strassenr<strong>and</strong>: Die Anordnung der Besucherparkplätze am<br />

Strassenr<strong>and</strong> führt zuSuchverkehr in den Erschliessungsstrassen.<br />

Tab. 6.1 Beschreibung der Einflussfaktoren mitihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV.; öffentlicher Venchr, MIV= motorisietter<br />

Individualverkehr). Fottsetzung Tab. 6.1 siehe nächste Seite ~<br />

UNS-Fallstudie '96 171


Verkehr ~ _'_<br />

Einflussfaktor<br />

Art des Dienstleistungsangebotes<br />

Bewirtschaftung der<br />

Arbeitsparkplätze<br />

Nr.<br />

Al<br />

A2<br />

A3<br />

Al<br />

A2<br />

A3<br />

Ausprägung<br />

Besucherintensives Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsangebot zieht viele motorisierte<br />

Besucherlpnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze wird um 15% erhöht, wobei die Erhöhung<br />

je zur Hälfte auf Kosten der Arbeits- und Wohnparkplätze geht. -<br />

Durchschnittliches Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsangebot entspricht einem<br />

durchschnittlichen Mix, so dass die Zahl der Besucherparkplätze entsprechend dem heutigen<br />

Konzept ausreichen.<br />

Besucherextensives Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsa.ngebot zieht wenig motorisierte<br />

Besucherinnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze wird um 15% reduziert, wobei die<br />

Parkplätze je zur Hälfte auf Arbeits- und Wohnparkplätze verteilt wird.<br />

ArbeitgeberInnen fördern Ö~ Die Arbeitgeberinnen fördern die BenuJzung der öffentlichen<br />

Verkehrsmittel durch die Mitarbeiterinnen, indem sie den Kauf von O\l-Abonnementen verbilligen.<br />

Für die Arbeitsparkplatz erheben sie kostendeckeride Gebühren. Die Arbeitgeberinnen<br />

fördern <strong>im</strong> weiteren «Autopooling» und Alternativmöglichkeiten mit Veloabstellplätzen,<br />

Duschkabinen <strong>im</strong> Büro, Wohnen <strong>im</strong> Quartier. Dadurch stehen <strong>im</strong> Durchschnitt 20% der vorgesehenen<br />

Arbeitsparkplätze leer, das durchschnittliche sVp pro Parkplatz sinkt auf 2.<br />

ArbeitnehmerInnen übernehmen die Parkkosten: Von seiten der Arbeitgeberinnen werden keine<br />

zusätzlichen Massnahmen ergriffen. Das sVp der Arbeitsparkplätze beträgt 2.3.<br />

Herkömmliche Nutzung der Arbeitsparkplätze: Den Angestellten werden kostenlos Parkplätze<br />

zur Verfügung gestellt. Die Benützung des öffentlichen Verkehrs wird nicht gefördert. Dadurch<br />

weist ein Arbeitsparkplatz ein durchschnittliches sVp von 2.5 auf.<br />

A4 . Freigabe ungenutzter Arbeitsparkplätze für BesucherInnen: Arbeitsparkplätze werden, sofern<br />

sie nicht gebraucht werden, für BesucherInnen freigegeben (z.B. abends, am Wochenende).<br />

Zum durchschnittlichen sVp von 2.5 durch Angestellte, benufzen die Besucherinnen den Parkplatz<br />

mit einem durchschnittlichen sVp von 4, d.h. das sVp der Arbeitsparkplätze beträgt 6.5.<br />

.<br />

Wohnparkplätze Al Grosses autofreies Quartier mit Car-Sharing: Alle Wohnzonendes ZZN werden autofrei geplant.<br />

So können zwei Drittel der Wohnparkplätze gestrichen werden. Die restlichen Parkplätze sind<br />

für Besucherinnen und Car-Sharing-Fahrzeuge reserviert. .<br />

Behindertengerechte<br />

Strassengestaltung<br />

A2<br />

A3<br />

A4<br />

Al<br />

A2<br />

A3<br />

Kleines autofreies Quartier mit Car-Sharing: Nur ein Teil der Wohnzonen wird autofrei geplant.<br />

So kann ein Sechstel der Wohnparkplätze gestrichen werden. Ein Dreissigstel der Wohnparkplätze<br />

wird für das Car-Sharing reserviert.<br />

Autoarme Wohnzonen: Es wird wie geplant eine autoarme Wohnzone mit 1500 Wohnparkplätzen<br />

gebaut.<br />

Autoorientierte Wohnsiedlung: Es werden anfänglich zu viele Parkplätze vergeben. Auf Druck<br />

der Investorinnen werden die Sonderbauvorschriften geändert. So stehen nach Vollrealisierung<br />

des ZZN 2300 Wohnparkplätze entsprechend der heutigen Pflichtparkplatzzahl zur Verfügung.<br />

Max<strong>im</strong>al behindertengerecht: Den Seh- und Gehbehinderten werden alle möglichen baulichen<br />

und technischen Massnahmen zur Verfügung gestellt. Dies beinhaltet u.a. die Absenkung<br />

von Trottoirs, blindengerechte Signale, rollstuhlgerechte Beläge, Orientierungshilfen für Sehbehinderte.<br />

Min<strong>im</strong>al behindertengerecht: Nur Bürgersteigabsenkungen werden berücksichtigt.<br />

Nicht behindertengerecht: seh- und gehbehindertengerechte Massnahmen werden in der<br />

Planung nicht berücksichtigt:<br />

Fortsetzung Tab. 6.1· Beschreibung der Einflussfaktoren mit ihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV = öffentlicher Verkehr,<br />

MIV = motorisierter Individualverkehr).<br />

Fortsetzung Tab. 6.1 siehe nächste Seite-7<br />

172 UNS-Fallstudie '96


_~ ---,- ~ Verkehr<br />

EiDflussfaktor<br />

Langsamverkehrsgerechte<br />

Strassengestaltung<br />

Nr.<br />

Al<br />

A2<br />

A3<br />

Ausprägung<br />

Koexistenz aller VerkehrsteilnehmerI~nen:Neben Langsamverkehr gibt es auf der Binzmühleund<br />

der Birchstrasse auch Platz für OVund MIv. Die Fahrzeuge fahren langsam und gleichmässig.<br />

Durchschnittsstrasse nach gängigem Muster: Breite Fahrbahnen, Abbiegespuren, sch!:lurgerade<br />

Linienführung, schmales Trottoir am R<strong>and</strong>, evtl. Velostreifen, Autos fahren schnell, Uberqueren<br />

der Strasse riskant..<br />

Mehrspurige Strasse: Binzmühle- und Birchstrasse sind nur durch Unterführungen zu queren,<br />

für den Veloverkehr werden keine Massnahmen ergriffen. .<br />

Öffentlicher Verkehr Al Entwicklungsleitbild mit Feinerschliessung: Die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen drei<br />

Linien des öffentlichen Verkehrs werden realisiert (Tramlinie auf der Binzmühlestrasse; Buslinie<br />

Birchstrasse-Bahnhof Oerlikon; Buslinie entlang der Neunbrunnenstrasse), Zusätzlich wird die<br />

Feinerschliessung durch ein kleines Elektrofahrzeug sichergestellt. Es durchfährt das ZZN und<br />

verbindet das neue Quartier mit dem südlichen Bahnhofteil Oerlikons (<strong>Zentrum</strong> Oerlikon).<br />

A2<br />

A3<br />

Realisierung des Entwicklungsleitbilds: Die drei Linien des Entwicklungsleitbildes werden<br />

realisiert. Eine Feinerschliessung ist nicht vorgesehen.<br />

Teilrealisierung des Entwicklungsleitbilds: Eine der beiden <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen<br />

Buslinien wird nicht realisiert.<br />

Güterverkehr<br />

Al . Keine lenkenden Massnahmen: Der Güterverkehr wird gemäss dem Entwicklungsleitbild ausgestaltet.<br />

Das Speditionszentrum bleibt fakultativ.<br />

Güterverkehrreduzierende Massnahmen: Wiederum Wird der Verkehr gemäss dem Entwicklungsleitbild<br />

ausgestaltet, wobei einSpeditionszentrum aber keine Citylogistik errichtet wird.<br />

Gleichzeitig wird mit einer opt<strong>im</strong>alen Auslastung des Schienennetzes <strong>im</strong> ZZN, der Sperrung<br />

gewisser Strassen für den Güterverkehr und engeren Kurvenradien der Güterverkehr reduziert.<br />

A2<br />

A3<br />

A4<br />

Güterverkehrreduzierende und die Politik betreffende Massnahmen: Zusätzlich zu den Massnahmen<br />

der Ausprägung Güterverkehrredu~.ierende Massnahmen werden mittels einer Einfahrvignette<br />

umweltfreundliche Fahrzeuge wie Okodiesel und Elektrofahrzeuge bevorzugt.<br />

Citylogistik: Es wird eine Citylogistik errichtet, deren Benutzung freiwillig bleibt.<br />

Citylogistik mit flankierenden Massnahmen,' Die Benutzung der Citylogistik bleibt weiterhin<br />

freiwillig, durch flankierende Massnahmen wird aber deren Konkurrenzfähigkeit erhöht: Citylogistik-Fahrzeuge<br />

werqen bevorzugt, da für sie keine Lieferzeitfenster gelten und sie keine<br />

Einfahrlizenzen benötigen; das Schienellnetz wird opt<strong>im</strong>al ausgelastet; die Strassen weisen<br />

enge Kurvenradien auf und mittels Steuererleichterungen und Subventionen wird die Beteiligung<br />

an der Citylogistik gefördert.<br />

Durchgangsverkehr· Al Max<strong>im</strong>ale Attraktivität: Der Autobahnanschluss wirdrealisiert, die Strassen sind gut ausgebaut,<br />

der Durchgangsverkehr wird nicht behindert durch Temporeduktion und Strassenschliessung.<br />

A2<br />

A3<br />

Durchschnittliche Attraktivität: Der Autobahnanschluss wird zwar nichtrealisiert, ebenso<br />

werden aber keine Strassenschliessungen und keine Temporeduktionen eingeführt.<br />

Min<strong>im</strong>ale Attraktivität: Der Autobahnanschluss wird nicht realisiert, dafür die vorgesehene<br />

Strassenschliessung. Auf Binzmühle- und Birchstrasse wird Tempo 30 signalisiert. Ein Kreisel<br />

sorgt für eine flüssige Verkehrsabfolge.<br />

Fortsetzung Tab. 6.1 Beschreibung der Einfluss/aktaren mit ihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV = öffentlicher Verkehr,<br />

MIV = motorisierter Individualverkehr). .<br />

UNS-Fallstudie '96 173


Verkehr --,- -'- -'- _<br />

6.2 Beschreibung der Indikatoren und<br />

deren Gewichtung<br />

Die Beschreibung jener Indikatoren, die bei der<br />

Bewertung berücksichtigt worden sind, findet sich<br />

i.n Tab. 6.2.1 Die Gewichtung erfolgte in zwei Stufen:<br />

Zuerst wurde die Gewichtung innerhalb eines Indikatarbereichs<br />

festgelegt, anschliessend wurden die<br />

einzelnen Bereiche unterein<strong>and</strong>er gewichtet. Es<br />

wurden jeweils Werte zwischen 1 und 5 zugewiesen<br />

(siehe Tab. 6.2.2).<br />

Indikator<br />

S02<br />

Bodenversiegelung<br />

Pr<strong>im</strong>ärenergieverbraucl)<br />

Materialverbrauch<br />

Fahrzeuge<br />

Abfälle Reaktordeponie<br />

Smogindex<br />

Kanzerogene Stoffe<br />

Schallpegel<br />

Wirkung<br />

Treibhausgas, Erwärmung<br />

der Erdatmosphäre<br />

Versauerung der Böden<br />

und Bildung von bodennahemOzon<br />

Versauerung der Böden,<br />

Schädigung des Chlorophylls<br />

bei Pflanzen.<br />

Verlust an Nutzungsraum,<br />

Beeinträchtigung<br />

der Biodiversität<br />

Beschränkte Ressourcen<br />

Beschränkte Ressourcen,<br />

'Umweltverschmutzungen<br />

be<strong>im</strong> Abbau.<br />

Entsorgungsproblem<br />

Luftverschmutzung,<br />

Atemwegserkrankungen<br />

Erhöhtes Krebsrisiko<br />

Schlaf-, Kommunikationsund<br />

Leistungsstörungen<br />

Bemerkung und Best<strong>im</strong>mung<br />

Die Gesamtemission von Kohlendioxid wird über die Vorabschätzungen<br />

und den Emissionsfaktoren für die einzelnen Ye'rkehrsmittel berechnet.<br />

.................. ···v········<br />

Die Gesamtemission von Stickoxiden wird analog dem Kohlendioxid<br />

berechnet.<br />

sieheC~.,<br />

Die Best<strong>im</strong>mung erfolgt qualitativ: Bei Einflussfaktoren, die diesen Indikator<br />

beeinflussen wird jeder Ausprägung ein Wert zugewiesen wobei 1eine<br />

max<strong>im</strong>ale und 0 eine min<strong>im</strong>ale Bodenversiegelung bedeutet (Anordnung<br />

Besucherparkplät?e: Al = 004, A2 = 0.8; Wohnparkplätze: Al = 0.3, A2 = 0.6,<br />

A3 =' 0.8, A4 = 1; Offentlicher Verkehr: Al = 0.8, A2 = 0.8, A3 = 0.6). Der<br />

Gesamtwert wird über das arithmetische Mittel berechnet.<br />

Der Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch wird analog dem CO2berechnet, wobei<br />

anstelle von Emissionswerten Energieverbrauchswerte treten.<br />

Be<strong>im</strong> Materialverbrauch wurde der Verbrauch von Metallen (Aluminium,<br />

Gusseisen, Stahl, Kupfer) sowie von Kunststoffen (bilanziert für Pp, Verbrauch<br />

fossiler Brennstoffe) berücksichtigt. Aus der totalen, täglichen<br />

Fahrdistanz für die einzelnen Verkehrsmittel und deren Lebensdauer<br />

wurde der tägliche «Verbrauch» an Fahrzeugen berechnet. Aus Angaben<br />

über Materialverbrauch für ein Fahrzeug konnte somit der totale Materialverbrauch<br />

berechnet werden.<br />

Analog dem Indikator «Materialverbrauch Fahrzeuge» wurde die täglich<br />

anfallende Menge an Abfall für die Reaktordeponie berechnet.<br />

·In der Uteratur (Karl et al., 1988) wird der PSI (Pollutant-St<strong>and</strong>ard-Index)<br />

definiert: Für die Schadstoff<strong>im</strong>missionen von CO, 0 3 , N02, S02 und Staub<br />

wird jeweils ein Indexwert auf einer vorgegebenen Skala best<strong>im</strong>mt.]ener<br />

Schadstoff mit dem höchsten Indexwert gibt die Gesamtgüte der Luft an.<br />

Die einfachen Verkehrsmodelle, die wir betrachtet haben, verunmöglichen<br />

eine Immissionsberechnung und somit eine korrekte Best<strong>im</strong>mung eies<br />

Smogindexes. Daher wurden als Vereinfachung nur die Partikel-Emissionen<br />

be<strong>im</strong> Smogindex berücksichtigt. Die Berechnung erfolgte analog demC02.<br />

Kanzerogene Stoffe sind in erster Linie Dieselruss, PAK und Reifenabrieb<br />

(Wieben et al., 1994). Wiederum müssten die Immissionen best<strong>im</strong>mt<br />

werden. Als notwendige Vereinfachung wurden daher nur die Benzol­<br />

Emissionen berücksichtigt und die Berechnung erfolgte analog zum CO 2 •<br />

Anstelle der Lärm<strong>im</strong>missionen wurde·n die -emissionen bere'chnet analog<br />

dem C02.Lälmemissionen werden als Flächengrösse angegeben, wobei sje<br />

jene Flächen bezeichnen, deren Lärmpegel über 60 dB liegen (Infras,<br />

1995b).<br />

Tab. 6.2.1 Beschreibunider für die Bewertung berücksichtigten Indikatoren räv = öffentlicher ß'rkehr, MIV = motorisierter Individualverkehr, GV =,<br />

Güterverkehr).<br />

Fortsetzung Tab. 6.2.1 siehe nlichste Seite-7<br />

174 UNS-Fallstudie '96


______~--~---------------------------------Verkehr<br />

Indikator<br />

Be4indertengerechtigkeit<br />

Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />

Sicherheit<br />

Wirkung<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung von<br />

Behinderten <strong>im</strong> Verkehr<br />

Gleiche Beh<strong>and</strong>lung aller<br />

VerkehrsteiinehmerInrten<br />

Reduktion der Verkehrsunfälle<br />

Bemerkung und Best<strong>im</strong>mung<br />

Dieser Indikator wird wiederum rein qualitativaufgrund der gewählten<br />

Ausprägungen best<strong>im</strong>mt (siehe BodenversiegeIung). Berücksichtigt werden<br />

die Einflussfaktoren Behindertengerechte Strassengestaltung (Al = 0.2, A2 =<br />

0.6, A3 = 0.8) und Langsamverkehrsgerechte Strassengestaltung (Al = 0.3,<br />

A2= 0.6, A3 =0.8), wobei der Wert 0 hohe Behindertengerechtigkeit und I<br />

niedrige bedeutet. .<br />

Dieser Indikator wird wiederum rein qualitativ best<strong>im</strong>mt (siehe Bodenversiegelung).<br />

Berücksichtigt wird der Einflussfaktor Langsamverkehrsgerechte<br />

Strassengestaltung (Al =.p.3, A2 = 0.6, A3 = 0.8) und die totale<br />

Verkehrsmenge von MlV, GVund OY, wobei die' Zuordnung eines Wertes<br />

analog dem Indikator Sicherheit erfolgt. .<br />

Zur Best<strong>im</strong>mung dieses Indikators wird nur die Verkehrsmenge von MIY, ÖV<br />

und GVberücksichtigt, wobei jenem Verkehrsmodell mit der höchsten<br />

Verkehrsmenge der Wert 0.8 und jenem mit der niedrigsten 0.2 zugewiesen<br />

wird. Die Werte der <strong>and</strong>eren Verkehrsmodelle werden durch lineare Interpolation<br />

best<strong>im</strong>mt. I bedeutet min<strong>im</strong>ale Sicherheit, 0 max<strong>im</strong>ale.<br />

Fortseizung Tab.' 6.2.1 Beschreibung derfür die Bewertung berücksichtigten Indikatoren (OV = Uttentlicher Verkehr, MflT = motorisierter Individualverkehr,<br />

GV = Güterverkehr).<br />

Bereich Gewichtung Indikator<br />

Bereich<br />

Gewichtung<br />

Indikator<br />

Umweltindikatoren 5 C0 2<br />

NO.<br />

S02<br />

........................................<br />

Versiegelte Fläche<br />

5<br />

5<br />

I<br />

3<br />

Aktivitäten der<br />

Anthroposphäre'<br />

2<br />

Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch<br />

................ .<br />

Material Fahrzeuge<br />

Äbiä'ii~i~ Reaktordeponie<br />

5<br />

.•................<br />

2<br />

2<br />

Humantoxizität<br />

3<br />

Smogindex<br />

k.a.n.~~r.o.ge.n.~ Stoffe .<br />

Schallpegel<br />

3<br />

2<br />

5<br />

Soziale Indikatoren<br />

3<br />

Unfallrate<br />

......................-.<br />

Behindertengerechtigkeit<br />

Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />

4<br />

I<br />

3<br />

Tab. '6.2.2 Gewichtung der Bereiche undIndikatoren.<br />

6.3 Skalierllng der Nlltzenfllnktionen.<br />

Im Kapitel 3.3.4 DEFINITION DER NUTZENFUNKTIONEN<br />

wurden einige Indikatoren mit der Berechnung eines<br />

nachhaltigen, bzw. heutigen Wertes skaliert. Zu<br />

diesem Zweck musste die gesamtschweizerische<br />

Belastung auf den Verkehr des ZZN umgelegt<br />

werden. Dazu mussten der Anteil des ZZN am<br />

Gesamtverkehr Schweiz (0.13%0) und der Anteil des<br />

Verkehrs an der Gesamtemission des Indikators<br />

abgeschätzt werden. Für den zweiten Anteil sind<br />

Werte aus demUmweltbericht (Kanton Zürich, 1992)<br />

zu entnehmen. Diese Werte beziehen sich aber nur<br />

auf den Prozess «Betrieb direkt". Zusätzlich musste<br />

also der Anteil des Prozesses «Betrieb direkt» am<br />

Gesamtprozess abgeschätzt werden. Als .Grundlage<br />

dazu dienten die Emissionsfaktoren für die Einzelprozesse<br />

für verschiedene Fahrzeuge und der Modal-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

175


Verkehr -:- _<br />

Indikator CH heute CH Einheit Verkehrs- AnteU ZZN heute ZZN Einheit<br />

nachhaltig anteU Prozess nachhaltig<br />

«Betrieb<br />

direkt))<br />

CO2 4.05*107 1.07 * 10 7 t/a 31% 56% 7.9 2.1 t/d<br />

. .......-. ... .. ...... .............<br />

NO. 1.83 * 10 5 4.27 * 10 4 t/a 67% 63% 69 16 kg/d<br />

.......... ...... ............ .... ........... ..... .......... .. ......... . . ....... ............ ......... ..'.n .... ..... ..........<br />

S02 6.26*10 4 2.58 * 10 4 t/a 9% 5% 41.1 16.9 kg/d<br />

. ........... ............ .........<br />

Pr<strong>im</strong>är- 1.05 * 10 9 2.03 * 10 8 Gj. 31% 54% 215 42 GJ./d<br />

energie<br />

Tab. 6.3 Skalierong der Indikatoren (Spalten ZZNnachhaltig, bzw. ZZNheute). Die WeTte von GH heute undGH nachhaltigstammen aus Infras (1995a),<br />

die Angaben zum Verkehrsanteil aus Kanton Zürich (1992) unddie Spalte Anteil Prozess «Betrieb direkt» sindAbschätzungen aufGrondlagevon Infras<br />

(J995b).<br />

Split, der den Anteil der Fahrzeuge am Gesamtverkehr<br />

angibt. Die Resultate dieser Abschätzungen<br />

sind in Tab. 6.3 zu finden.<br />

Vergleicht man die Werte für den Indikator S02<br />

(siehe Tab. 6.5) für die Verkehrsmodelle mit den in<br />

Tab.· 6.3 berechneten Werten, stellt man fest, dass<br />

einige Werte der Verkehrsmodelle unterhalb des in<br />

Tab. 6.4 definierten Wertbereiches liegen, d.h. die<br />

Verkehrsmodelle wären für den Indikator S02 bereits<br />

übernachhaltig. Zu berücksichtigen ist aber, dass<br />

der Verkehrsanteil (9%) und. der Anteil des Prozess<br />

«Betrieb direkt» am Gesamtprozess (5%) sehr klein<br />

sind und .daher die Abschätzungen eher ungenauer sein<br />

dürften als für <strong>and</strong>ere Indikatoren.<br />

Bei den qualitativ zu best<strong>im</strong>menden. Indikatoren<br />

wurde jeweils «1» als der am wenigsten gewünschte<br />

und «0» als der am meisten gewünschte Wert angenommen.<br />

Für die restlichen Indikatoren wurde die<br />

Skala mittels dem Wert des besten und schlechtesten<br />

Modells best<strong>im</strong>mt.<br />

6.4 Emissionsfaktoren<br />

Für die. Emissionsfaktoren wurden die Prozesse<br />

«Herstellung», «Unterhalt», «Entsorgung», «Betrieb<br />

direkt», «Betrieb Precombustion» und «Infrastruktur»<br />

einbezogen. Die Daten stammen jeweils aus<br />

Indikator<br />

COz<br />

NO, als NOz<br />

SO, als SOz<br />

PKWCH Regionalbus Tram CH·Mix·<br />

CH<br />

.'<br />

321 1360 917<br />

1.51 17.1 5.86<br />

.... .................... .......................<br />

0.86 2.48 2.57<br />

LKW LW Einheit<br />

1170 467 g/Fz.km<br />

.. ..............<br />

12.1 2.35 g/Fz.km<br />

2.19<br />

1.08<br />

g/Fz.km<br />

Pr<strong>im</strong>ärenergie total<br />

5.25 22.8 79.4<br />

20.0<br />

7.82<br />

MJlFz.km<br />

Materialverbrauch Metalle<br />

784 7473 18'748<br />

5408 1328<br />

kg/Fz.<br />

Materialverbrauch Kunststoff<br />

Lärmbelastung<br />

100 798 850<br />

.. ............<br />

65 146 285<br />

230 120<br />

200 74.5<br />

kg/Fz.<br />

mZ/h<br />

Benzol Beti"ieb<br />

0.006<br />

0.4<br />

6.00 *10- 7<br />

0.036<br />

0.009<br />

g/Fz.km<br />

Partikel<br />

0.519<br />

2.75<br />

31.8<br />

2.47<br />

0.791<br />

g/Fz.km<br />

Abfälle Reaktordeponie<br />

265<br />

2760<br />

4550<br />

1290<br />

424<br />

kg/Fz.<br />

Auslastung'<br />

1.4<br />

16.4<br />

28<br />

. Pers./Fz.<br />

Lebensdauer<br />

150'000<br />

540'000<br />

1'115'250<br />

540'000<br />

235'000<br />

Fz.km/Fz.<br />

Tab. 6.4 Emissionsfaktoren, Ressourcenverbrauch, Auslastung undLebensdauerfür die einzelnen Fahrzeugtypen. LW=Lieferwagen; LKW= Lastkraftwagen.<br />

(aus In/ras., 1995b undBUWAL, 1995).<br />

176 UNS-Fallstudie '96


................. .<br />

• • • •• •••••••• •<br />

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o ... 1:1 ...<br />

S


Verkehr .,..- ~-----------'-------<br />

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178<br />

UNS-Fallstudie '96


Griinraum<br />

Inhalt<br />

1. Fragestellung der<br />

SynthesegruppeGRÜNRAuM<br />

2. Erhebung der Ansprüche<br />

der Interessengruppen<br />

3. Ergebnisse<br />

4. Leitbilder für den Grünraum<br />

<strong>im</strong> Teilgebiet D<br />

5. Fazit<br />

181<br />

184<br />

189<br />

199<br />

203<br />

AutorInnen<br />

Matthias Bärlocher<br />

Nikola Patzel<br />

Phillippe Wyss<br />

Peter Frischknechl (Tutor)<br />

OIaf Weber (Tutor)<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen der wissensc1lllftliclten Arbeitsgruppe (Syntltesegruppe GRÜNRAUMJ.<br />

Ladina Filii<br />

Fabian Ittig<br />

Raphael Neuburger<br />

Sabine Frommenwiler<br />

Heinz Krebs<br />

Nikola PatzeI<br />

Fern<strong>and</strong>e·Gächter<br />

Katja Le<strong>im</strong>bacher<br />

NicoleSchiItknecht<br />

Fadri Guidon<br />

Brigitte Lüthi<br />

Colette Seyler<br />

Beat Hauenstein<br />

Sabine Mayer"<br />

Samuel Stahel<br />

Andreas Hein<strong>im</strong>ann<br />

Katharina Merkel<br />

Thomas Stüdeli<br />

Thomas Weden<br />

Philipppe Wyss<br />

. Peter Frischknecht (Tutor)<br />

Corinne Schmidlin (Tutorin)<br />

Regula Steiner (Tutorin)<br />

"OIaf Weber (Tutor)


Grünraum_-'- -:-- _<br />

180 UNS-Fallstudie '96


________________---'<br />

1. Frllgestellungder<br />

Synthesegruppe GRÜNRAUM<br />

1.1 Ausgangslage<br />

Grünräume sind ein wichtiges Merkmal urbaner<br />

Qualität. Sie sind mitbest<strong>im</strong>mend für Wohn-, Freizeit~<br />

und Erholungswert eines <strong>Stadt</strong>gebietes. Vor<br />

dem Hintergrund des Ziels; <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />

(ZZN) einen <strong>Stadt</strong>teil mit hoher Diyhte bei hoher<br />

städtebaulicher Qualität zu schaffen, kommt der<br />

Gestaltung d~s Grünraumes in diesem Gebiet eine<br />

besonders grosse Bedeutung zu. Das «Entwicklungsleitbild<br />

<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (1994) widmet der<br />

Freiraum- bzw. Grünraumgestaltung <strong>im</strong> ZZN daher<br />

auch ein zentrales Kapitel und legt dabei qualitative<br />

und quantitative Ziele fest.<br />

Besondere Erwähnung findet <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />

die (bio)ökologische Ausgleichsfunktion.<br />

Bauten, Anlagen und deren Umschwung sind diesbezüglich<br />

zu opt<strong>im</strong>ieren. Dies kann entsprechend<br />

den konkreten örtlichen Verhältnissen folgende<br />

Massnahmen umfassen:<br />

• wertvolle Naturobjekte zu erhalten,<br />

• unbebaute Flächen nicht zu versiegeln oder zu<br />

entsiegeln,<br />

• Flachdächer zu begrünen,<br />

• Grünflächen artenreich zu gestalten bzw. zu erhalten,<br />

• Lebensräume für Vögel und bedrohte Arten der<br />

Ruderal- und Feuchtst<strong>and</strong>orte zu schaffen bzw.<br />

zu erhalten,<br />

• alle Lebensräume unterein<strong>and</strong>er und mit der<br />

. weiteren Umgebung zu vernetzen.<br />

Das Gebiet <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> soll durch flächige,<br />

lineare und punktförmige Grünraumelemente gestaltet<br />

und gegliedert werden. Daneben entstehen weitere<br />

grössere Grün- und Freiflächen in der Umgebung<br />

von Industrie. und Dienstleistungsgebäuden sowie<br />

Wohnbauten.<br />

Die flächigen Elemente - das sind vier grössere<br />

Parkanlagen - umfassen knapp 10% des gesamten'<br />

Areals und werden den jeweiligen Bedürfnissen der<br />

in unmittelbarer Nähe wohnenden und arbeitenden<br />

BenutzerInnen angepasst. Die Vernetzung der Parkanlagen<br />

ist sowohl aus ökologischen wie städtebaulichen<br />

Gründen wichtig. Dazu dienen lineare<br />

Elemente, Baumreihen und ein wiedergeöffneter<br />

Bach. Die punktförmigen Grünraumelemente, soge~<br />

nannte ~~PocketParks», sind in den dicht überbauten<br />

Arbeitsgebieten Ürte der Erholung und zu diesem<br />

Zweck mit Bäumen, Brunnen und Sitzbänken ausgestattet<br />

(Ruoss & Siress, 1994).<br />

Die auf dem Entwicklungsleitbild (Ruoss & Siress,<br />

1994) basierenden Sonderbauvorschriften (SBV) für<br />

das Gebiet ZZN(<strong>Stadt</strong>. Zürich, 1994) und der zu-<br />

Grünraum<br />

gehörige Bericht nach Artikel 26 der Raumplanungsverordnung<br />

(RPV, Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />

1994) bilden den gesetzlichen Rahmen zur ~~städtebaulich<br />

und wirtschaftlich tragfähigen sowie umweltgerechten<br />

Umstrukturierung und Umnutzung des<br />

Gebietes <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>». In diesen Dokumenten<br />

sind u.a. die Freiflächenziffern (Zahl, Örtlichkeit<br />

und Grösse) festgehalten. Die Grösse der<br />

Freiflächen in Nutzungsbereichen mit Wohnanteil<br />

beträgt total 151 '000 m 2 , davon sind 50'000 m 2 grössere<br />

Parkanlagen (Bericht nach Art. 26 RPV, S. 57).<br />

Die Mindestgrösse der Pocket Parks ist auf 350 m 2<br />

festgelegt (Art. 10 SBV). Es wird auch best<strong>im</strong>mt, dass<br />

Flachdächer begrünt werden müssen, falls sie nicht<br />

als Dachterrasse genutzt werden.<br />

Eine Möglichkeit, bei intensiver Bebauung zusätzlichen<br />

Grünraum zu schaffen, stellen Dächer von in<br />

der Regel einstöckigen Plattformbauten dar. Diese<br />

müssen mit Auf- und Abgängen versehen werden<br />

und können so als begehbarehalböffentliche oder<br />

private Terrassen vielfältig genutzt werden.<br />

1.2 Grundlagen und Ziele der<br />

Synthesegruppe<br />

Der Schwerpunkt der bisherigen Planung <strong>im</strong> ZZN<br />

lag in der Aush<strong>and</strong>lung wirtschaftlicher Interessen<br />

und stadtplanerischer Grundsatzentscheide zur. Zukunft<br />

dieser grössten Industriebrache der Schweiz.<br />

Die Planung der Grünräumeist jedoch noch nicht<br />

sehr weit fortgeschritten.<br />

Im Freiraumkonzept des Entwicklungsleitbildes<br />

ZZN und den darauf basierenden Sonderbauvorschriften<br />

für das ZZN sowie dem zugehörigen<br />

«Bericht nach Artikel 26 der ·Raumplanungsverordn1Jng»<br />

werden die quantitativen Ziele für die<br />

Grünraumgestaltung festgelegt. Bezüglich qualitativer<br />

Gestaltung enthalten diese Planungsdokumente<br />

jedoch nur sehr allgemeine Aussagen, beispielsweise<br />

ein Konzept der Segregation möglicher Nutzungen<br />

auf verschiedene Parks. Es fehlen jedoch klare<br />

Vorstellungen, wie die entstehenden Grünräume<br />

einmal aussehen werden. Dieser Mangel fällt um so<br />

.schwerer ins Gewicht, da keine direkt vergleichbaren<br />

Parkanlagen bekannt sind und neuartige Grünraumelemente<br />

wie Pocket Parks und begrünte Plattformen<br />

vorgesehen sind. Da die Qualität der Grünräume<br />

ein wichtiger weicher St<strong>and</strong>ortfaktor (vgI.Kap.<br />

STADTENIWICKLUNG, Unterkap. 3.3.1 STANDORTFAKTO­<br />

REN) ist, wären diesbezüglich klarere und konkretere<br />

Vorstellungen für die Promotion des Areals von<br />

grosser Bedeutung.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

181


GrüIiraum ~---------------- _<br />

1.3 Ziele<br />

Das Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich - eine am Fall<br />

mitbeteiligte Institution - hat mit Nachdruck auf<br />

den oben angesprochenen Mangel hingewiesen<br />

und der Synthesegruppe GRÜNRAUM vorgeschlagen,<br />

Bilder und Visionen für die verschiedenen Typen<br />

von Grünraumelementen zu entwickeln. In einem<br />

Planungswettbewerb ' könnten diese Bilder und<br />

Visionen als Rahmen für die konkrete Ausgestaltung<br />

vorgegeben werden.<br />

Um in der Fallstudie ein konkretes und möglichst<br />

brauchbares Endprodukt herzustellen, wurden die<br />

Vorstellungen des Gartenbauamtes in die Synthesearbeit<br />

einbezogen. Das auszuarbeitende Leitbild<br />

sollte also einerseits realisierbare Ideen und <strong>and</strong>erseits<br />

neue, visionäre «Bilde!» für' städtische Grünräume<br />

liefern.<br />

Als Untersuchungsgegenst<strong>and</strong> wurde das Teilgebiet<br />

0 des ZZN gewählt (siehe Abb. 2.2.1). Hier<br />

lässt der St<strong>and</strong> der Planung ein Einfliessen der<br />

Ergebnisse auf den weiteren Planungsverlauf zu.<br />

Desweiteren ist in diesem Gebiet ein <strong>Stadt</strong>park<br />

geplant, der sich mitten in einem Quartier befindet,<br />

welches von Dienstleistungs- und Wohnnutzung<br />

geprägt ist und der von hohen Häuserfronten umgeben<br />

ist. Für eben diese Art von Parks fehlen neue<br />

«Bilder», d~h. konkrete Vorstellungen über deren<br />

Gestaltung.<br />

Ein zusätzliches Problem auf dem ZZN-Areal. steIlen<br />

Altlastenverdachtsflächen dar, d.h. mit Schadstoffen<br />

belastete St<strong>and</strong>orte, die zu schädlichen oder<br />

lästigen Einwirkungen auf die Umwelt führen hzw.<br />

führen könnten (Amt für Gewässerschutz und<br />

Wasserbau des Kantons Zürich (AGW), 1993). Einige<br />

Gebiete wurden genauer untersucht (u.a. Jäckli,<br />

1995; Link, 1995; Kap. ALTLASTEN in diesem B<strong>and</strong>),<br />

da für viele Verdachtsflächen entsprechende Daten<br />

fehlen, u.a. auch für 'das Teilgebiet 0, konnten zu<br />

Beginn der Fallstudie jedoch keine abschliessenden<br />

Aussagen über Art \.1.nd Vorkommen vonAltlasten ge'­<br />

macht werden. In unserer Arbeit haben wir aufgrund<br />

der Unsicherheit der bisher vorliegenden Aussagen<br />

eine Nutzungseinschränkung durch Altlasten weitgehend<br />

ausgeklammert. Wirdjedoch beispielsweise eine<br />

Versiegelung anstat! einer Sanierung eventuell belasteter<br />

Flächen durchgeführt, sind einige wichtige Kriterien, die<br />

durch die Synthesegruppe erarbeitet wurden, nur sehr<br />

schwer umsetzen.<br />

Unser Ziel war es, für die Grünräume ein Leitbild zu<br />

erarbeiten, das realisierbare Ideen und visionäre Bilder<br />

für eIne ökologisch, sozial, umwelthygienisch und ökonomisch<br />

positive Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN<br />

vermittelt.<br />

1.4 Normative Grundlagen<br />

Jedes Konzept, wie auch das von uns erstellte Leitbild,<br />

basiert auf einer normativen Grundlage. Diese<br />

wird klar dargestellt, damit Ergebnisse nachvollziehbar<br />

und bewertbar Werden. Unsere ideelle Grundlage<br />

ist das Konzept der Nachhaltigkeit (vgL Kap. NACH­<br />

HALTIGKEIT).<br />

Im folgenden stellen wir kurz dar, was diese<br />

Aspekte der Nachhaltigkeit für das Projekt Grünraum<br />

bedeuten.<br />

1. Ökologische Nachhaltigkeit:<br />

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bieten sich<br />

zwei Bedeutungen an: Im ersten Sinn umfasst der<br />

Begriff die Erhaltung der natürlichen Grundlagen<br />

einer dauerhaften Entwicklung des Menschen, also<br />

z.B. auch die Ressourcenökonomie.<br />

Wir verwenden den. Begriff «ökologisch» hier <strong>im</strong><br />

Sinne von «bioökologisch»: zentraler Wert" ist die<br />

Erhaltung der Biodiversität. Die <strong>Stadt</strong> kann vor allem<br />

dort eine Funktion übernehmen, wo sie Ersatzlebensräume.<br />

für Arten bietet, deren' Existenz in<br />

ihren übrigen Habitaten durch menschliche Aktivitäten<br />

bedroht ist. So leben in Zürich z.B. 100 Pflanzenartel}<br />

der Roten Liste (L<strong>and</strong>olt, 1991), und über 50%<br />

der schweizerischen Alpensegler finden ihre Nistplätze<br />

in urbanen Häuserschluchten (Leutert et aL,<br />

1995).<br />

2. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit:<br />

Städte solkn langfristig Grundlagen für ökonomisches<br />

H<strong>and</strong>eln· bi«ten können. Es muss lohnenswert<br />

sein, dort zu investieren. Eine flexible Reaktion auf<br />

die jeweiligen wirtschaftlichen Anforderungen ist<br />

eine weitere Bedingung für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung.<br />

Die Beteiligten sollen von ihrer Arbeit<br />

gut leben können. Die, öffentlichen und privaten<br />

Grünräume sind wirtschaftlich über die Investitionsund<br />

Unterhaltskosten relevant. Sie wirken aber auch<br />

als weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren auf den wirtschaftlichen<br />

Gesamterfolg der <strong>Stadt</strong>.<br />

3. Umwelthygienische Nachhaltigkeit:<br />

In der Umwelthygiene werden die physischen und<br />

psychischen Rückwirkungen anthropogener Umweltveränderungen<br />

auf das Individuum untersuGht.<br />

Durch ihre ausgleichende Wirkung auf Temperatur<br />

und Wind oderdurch Reduktion der Lärmbelastung<br />

haben Grünräume einen Einfluss auf die Physiologie<br />

des Menschen.<br />

Die <strong>Stadt</strong> ist aber auch ein «Psychotop» (Mitscherlich,<br />

1989). In ihrem Leben in der <strong>Stadt</strong> sollten die<br />

Leute einen Sinn sehen. Nicht nur ist die <strong>Stadt</strong>planung<br />

und -gestaltung ein Produkt der psychischen<br />

Verfassung ihrer Akteure, sie ist auch für die<br />

182<br />

UNS·Fallstudie '96


~---_---------:----------<br />

Grünraum<br />

Psychogenese der jungen EinwohnerInnen wichtig,<br />

weil Innen- und Aussenwelt in Wechselwirkung stehen<br />

(Gebhard, 1993). Die Grünräume beeinflussen<br />

die psychische Verfassung ihrer NutzerInnen über<br />

ihre Ästhetik und Funktion.<br />

4. Soziale Nachhaltigkeit:<br />

Im Rahmen der Gesetze und der ihnen zugrundeliegenden<br />

Normen soll für die Arbeits- und Wohnbevölkerung<br />

eine offene, sichere und gegen Störungen<br />

robuste Gemeinschaft entstehen, die ihren eigenen<br />

Charakter hat, aber auch in Einklang mit den umliegenden<br />

Gebieten und Regionen steht. Zum nachhaltigen<br />

sozialen Leben der Gemeinschaft gehören<br />

auch die demokratische Entscheidungsfindung und<br />

ihre aktive Umsetzung.<br />

trägerInnen . mit den Betroffenen gefällt werden.<br />

Dies ist auch ein Element sozialer Nachhaltigkeit.<br />

So ist eine zügige Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung<br />

wissenschaftlicher Evidenz und der<br />

Interessen der Betroffenen möglich.<br />

Synthesephase I<br />

1.5 Die Organisation der Fallstudienarbeit<br />

der Synthesegruppe GRÜNRAUM<br />

Die <strong>Stadt</strong> ist also Ort wirtschaftlichen H<strong>and</strong>elns,<br />

Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten und Ort<br />

sozialen Lebens. Darüber hinaus wirkt die <strong>Stadt</strong> auf<br />

die Gesundheit des Menschen und sie bildet sich in<br />

seinem «Seelenraum» ab. Sie wirkt also prägend auf<br />

die psychische Struktur des Menschen. Eine um-<br />

. fassende, nachhaltige Planung muss dieSen vier<br />

Funktionen (Wirtschaft, Ökologie, Soziales Leben<br />

und psychophysische Gesundheit) gerecht werden<br />

und zum Ziel haben, sie dauerhaft und <strong>im</strong> positiven<br />

Sinne zu erhalten.<br />

Wir haben die Teilprojekte ÖKOLOGIE, UMWELT­<br />

HYGIENE und SOZIALES durchgeführt, um dort die<br />

Wirkungen der Grünräume auf die Lebensgemeinschaft<br />

der Tiere und Pflanzen, das menschliche Individuum<br />

und das Gemeinschaftsleben des Menschen<br />

zu studieren. Wirtschaftliche Aspekte der Grünraumgestaltung<br />

wurden durch eine Arbeitsgruppe unter<br />

Einbezug von ExpertInnen aus dem Gartenbauamt<br />

und der ökonomischen Wissenschaft und Praxis bearbeitet.<br />

Wie bei allen schlecht definierten Problemen <strong>im</strong><br />

sozialen' Raum ist die Entscheidungsbildung . bei<br />

der Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN eine unter<br />

wissenschaftlichen und politischen Gesichtspunkten<br />

besonders heikle Aufgabe. Uns erscheint folgender<br />

Ansatz vielversprechend: Das Problem erst i) unter<br />

wissenschaftlichen Gesichtspunkten analysieren,<br />

dann ii) in strukturierter Form durch den Filter der<br />

Betroffenen (RepräsentantInnen der Interessengruppen)<br />

schicken und iii) daraus ein möglichst<br />

konsistentes Bild entwickeln, das in der Praxis als'<br />

Entscheidungsgrundlage dient. Die einzelnen, <strong>im</strong><br />

Verlauf der Umsetzung zu treffenden Entscheide,<br />

. sollen in Kooperation der politischen Entscheidungs-<br />

Legende:


Grünraum ---------------~-----'------------ _<br />

So erscheint es folgerichtig, auch die Fallstudienarbeit<br />

kooperativ zu gestalten und die Interessengruppen<br />

frühzeitig an der Meinungsbildung zu<br />

beteiligen. Deshalb hat parallel zur Arbeit der Teilprojekte<br />

ÖKOLOGIE, UMWELTHYGIENE und SOZIALES<br />

eine Arbeitsgruppe eine systematische, kontrollierte<br />

Erhebung der Bewertung des Grünraums durch VertreterInnen<br />

von Interessengruppen (Explorationsparcours,<br />

Scholz et al., 1996) vorbereitet. Mit Hilfe<br />

der von den <strong>and</strong>eren Teilprojekten aufbereiteten<br />

fachlichen Grundlagen wurde dieser Explorationsparcours<br />

durchgeführt (siehe Kap. 2.2 DER EXPLORA­<br />

TIONSPARCOURS).<br />

2. Erhebung der Ansprüche der<br />

Interessengruppen<br />

2.1 Best<strong>im</strong>mung der Interessengruppen<br />

Im Rahmen eines Explorationsparcours (Scholz et<br />

aI., 1996) sollten die Ansprüche verschiedener Interessengruppen<br />

an den Grünraum erhoben werden<br />

(die Methode des EXPLORATIONSPARCOURS wird <strong>im</strong><br />

Kap. 2.2 dargestellt). Hierzu wurden in einem ersten<br />

Schritt die verschiedenen Funktionen des Grünraums<br />

den entsprechenden NutzerInnen aus der Bevölkerung<br />

zugeordnet (Tab. 2.1.1).<br />

Ablauf der Fallstudiellarbeit<br />

In Abb. 1.5 sind das Projektdesign der Fallstudienarbeit<br />

und die darin enthaltenen Prozesse und Produkte<br />

vorgestellt. Die Gliederung beruht auf der<br />

.oben dargestellten Teilprojektstruktur, auf dem falltypischen<br />

Planungsprozess, den Erfahrungen. aus<br />

vorangegangenen Fallstudien sowie forschungsmethodischen<br />

Kenntnissen (Scholz et al., 1995, Kap.<br />

Methoden).<br />

Zu Beginn derArbeit am Projekt «Grünraum» wird<br />

in der Synthesephase I der Gegenst<strong>and</strong> definiert,<br />

die Ziele der Projektphase festgelegt und deren weiterer<br />

Verlauf organisiert. Grundlagen dazu sind i) die<br />

Informationen über das ZZN, die von der Fallstudienkommission'<br />

als Vorbereitung der Projektphase<br />

eingeholt und strukturiert wurden, ii) unsere<br />

normativen Grundlagen und iii) umweltnaturwissen~<br />

schaftliches Fachwissen.<br />

In den Teilprojekten werden gemäss Pflichtenheft<br />

und Zeitplan disziplinär opt<strong>im</strong>ierte Konzepte entwickelt,<br />

die jeweils die ökologische, umwelthygienische<br />

oder soziale Funktion des Grünraumes in<br />

den Vordergrund stellen. Diese· Idealbilder sowie<br />

die ihnen zugrundeliegenden Kriterien wurden <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Befragung durch Interessengruppen<br />

bewertet.<br />

Die Daten aus der Befragung der Interessengruppen<br />

wurden als St<strong>and</strong>punkt der Betroffenen<br />

formuliert. Dieser war eine wichtige Grundlage für<br />

die Synthesephase II, in die zusätzlich das Expertenwissen<br />

und die Kriterien aus der Teilprojektphase<br />

einflossen. Hier wurden die Kriterien vor dem Hintergrund<br />

des umweltnaturwissenschaftlichen Fachwissens<br />

und der Informationen über den Fall auf<br />

Inkonsistenzen übe'rprüft und strukturiert. Wichtigster<br />

Teil der Synthese war die Entwicklung eines<br />

Leitbildes für die Grünräume des Teilgebietes 0<br />

des ZZN" das auf der erarbeiteten Kriterienliste<br />

sowie denSt<strong>and</strong>punkten der Betroffenen basiert.<br />

Funktion<br />

Erholung<br />

...............<br />

Treffpunkt<br />

.....................<br />

Nutzerlnnen/Verantwortliche/<br />

Interessengruppen<br />

Arbeitsbevölkerung, Anwohnerinnen,<br />

Bewohnerinnen,<br />

., ..<br />

Kulturgruppen, Jugendliche, Kinder<br />

.........•..•......................•....••.••.•..•.-.••..•.............<br />

Spielraum<br />

Jugendliche, Kinder<br />

....................<br />

. . .<br />

Bildung<br />

Bioökologische<br />

Funktion ..........................................~ .<br />

Lehrer, Erziehungsdepartement, Eltern<br />

.........................•....... ...•...................<br />

Gartenbauamt (<strong>Stadt</strong>)<br />

Wasser-jKl<strong>im</strong>a- ~tadtentwässerung, Anwohnerinnen,<br />

regulation<br />

Arzte<br />

........................ . .<br />

Erschliessung <strong>Stadt</strong>, Eigner, Investorinnen<br />

........................................<br />

Arbeitsplatz Gärtner, fliegende Händler, Imbisse<br />

budeninhaberinnen<br />

.....•..•.....................•.••.••...<br />

Repräsentation <strong>Stadt</strong>, Eigner, Liegenschaftsbesitzer,<br />

(Steigern der Attraktivität<br />

des <strong>Stadt</strong>teils)<br />

Investorinnen, Kunden, AnwohnerInnen<br />

Tab. 2.1.1 FunktionCl1 des Grünraums undderen NUlZerInnen.<br />

In einem weiteren Schritt wurden aus den NutzerInnen<br />

diejenigen mit den stärksten Interessen ausgewählt<br />

und in fünf Interessengruppen eingeteilt<br />

(Tab. 2.1.2). Im letzten Schritt wurden Personen<br />

festgelegt, welche als VertreterInnen dieser Inter-<br />

Interessengruppe<br />

<strong>Stadt</strong><br />

AnwohnerInnenj<br />

Bewohnerinnen<br />

Arbeitsbevölkerung<br />

'" .<br />

EignerjInvestorInnen<br />

Jugendliche<br />

VertreterInnen<br />

Polizeidepartement Abteilung Sicherheitsdienst,<br />

Gartenbauamt, Sozialamt,<br />

<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

......... ~ ...........•.......................•.•...........<br />

Quartierverein. Gewerbeverein, Verein<br />

zürifüfzgl, AtelierSl, Gemeinschaftszentrum<br />

Oerlikon<br />

.....................................<br />

Arbeiter aus Werkhalle, Lehrer;<br />

VerkäuferInnen, Büroangestellte<br />

.................................................- .<br />

COOP, ASB Immobilien AG, Winterthur<br />

Immobilien, Investorenberaterinnen<br />

...................................................<br />

Lehrlinge, Schülerinnen der Kantonsschule,<br />

Jugendbetreuung<br />

Tab. 2.1.2 Die befragten VertreterInnenjeder Interessengruppe.<br />

184 UNS-Fallstudie '96


__~<br />

-,-__'Grünraum<br />

essengruppen für eine Befragung in Frage kommen.<br />

Für die Befragung haben sich dann die in Tab. 2,1.2<br />

aufgeführten Vetreterlnnen zur Verfügung gestellt.<br />

2.2 Der ExploratioftsparCOJlrs<br />

Durch einen Explorationsparcours (Scholz & Tietje,<br />

1996) sollen Interessen- und Nutzenprofile von<br />

Akteuren hinsichtlich eines best<strong>im</strong>mten Raumes<br />

oder Gebiets erhoben werden. Die Personen sollen<br />

hierbei anh<strong>and</strong> von Modellen und Bildern des<br />

Raumes, ihre. Interessen äussern. Um systematische<br />

Antwortverzerrungen zu vermeiden, bietet es sich<br />

an, indirekte Erhebungsmethoden zur Interessenermittlung<br />

zu verwenden. Als Erhebungsmethode<br />

können Verfahren der multikriteriellen Entscheidungstheorie<br />

verwendet werden. In dieser Untersuchung<br />

wurde das computergestützte Verfahren<br />

MAUD (siehe Kasten 2.2) verwendet. Mit diesem<br />

System wurde von den VertreterInnen der Interessengruppen<br />

eine eindeutige Gewichtung von Kriterien<br />

ermittelt, die den Grünraum <strong>im</strong> ZZN beschreiben.<br />

Die Kriterien entst<strong>and</strong>en aus hierarchisch<br />

geordneten Kriterienbäumen der drei Teilprojekte<br />

UMWELTHYGIENE, SOZIALES und ÖKOLOGIE (vgl. Tab.<br />

2.2.1). Während der Befragung wurden die Testper-<br />

sonen von einem Protokollführer, einem MAUD­<br />

Betreuer und einer Begleitperson betreut. Die· ca. eineinhalbstündige<br />

Befragung beinhaltete folgende<br />

fünf Stationen:<br />

Station 1: Einführung in die Thematik<br />

Mit einer st<strong>and</strong>ardisierten Vorgehensweise wurde in<br />

die Thematik eingeführt. Dies geschah unter <strong>and</strong>erem<br />

anh<strong>and</strong> eines ca. 0.5 m Z grossen Gipsmodells<br />

des Teilgebiets D <strong>im</strong> ZZN (vgl. Abb. 2.2.1). Nach<br />

Erläuterungen, wo das ZZN entstehen wird und wo<br />

die Problematik der Umnutzung eines Industrieareals<br />

liegt, wurde auf die fünf Freiraumtypen <strong>im</strong><br />

Teilgebiet D hingewiesen (linienförmige Elemente,<br />

öffentliche Dachterrassen (Plattformbauten), Flachdächer,<br />

Pocket Parks und der <strong>Stadt</strong>park).<br />

Station 2: Eingangsfrage<br />

Als erste Aufgabe erhielten die Prob<strong>and</strong>Innen die<br />

Frage, welche Erwartungen sie, in der Rolle als<br />

InteressenvertreterInnen, an öffentliche Freiräume<br />

in der <strong>Stadt</strong> haben.<br />

Dabei wurde speziell darauf hingewiesen, dass<br />

der/die Prob<strong>and</strong>In die. Erwartungen als Vertreterln<br />

seiner/ihrer Interessengruppe (


Grünraum --.,- _<br />

nischen Aspekte. Die drei Gestaltungen wurden den<br />

Prob<strong>and</strong>Innen mit Natur, Gesundheit und Mensch vorgestellt.<br />

Die Reihenfolge der drei Teile wurde bei jedem/r<br />

Prob<strong>and</strong>In zufällig gewählt. Am Ende der<br />

Diashow wurde der/die Prob<strong>and</strong>In aufgefordert, die<br />

bevorzugte Variante. anzugeben.<br />

Station 4: Complltergestiitzte Kriterienbewertllng<br />

In den Teilprojekten UMWELTHYGIENE, SOZIALES und<br />

ÖKOLOGIE wurden 26 Kriterien für Grünräume erarbeitet<br />

(Kap. 3.1) Mit Hilfe des Entscheidungshilfesystems<br />

MAUD wurde eine Teilmenge dieser<br />

Kriterien bewertet. Hierzu wurden die Kriterien zum<br />

Teil zusammengefasst (Tab. 2.2.1). Schliesslich wurden<br />

acht mehr oder weniger unabhängige Kriterien<br />

formuliert und zur Bewertung der Wichtigkeit vorgelegt.<br />

Diese Kriterien wurden mit einem kurzen<br />

Text erläutert, der den'Prob<strong>and</strong>Innen während der<br />

Befragung zur Verfügung st<strong>and</strong>.<br />

Um die Gewichtung der Kriterien durch die InteressenvetreterInnen<br />

erheben zu können, mussten<br />

zuvor die Varianten hinsichtlich der Kriterien auf<br />

einer Skala von 1 (schlecht) bis 9 (gut) bewertet<br />

werden. Die Werte einer Nullvariante, die aufgrund<br />

technischer Anforderungen von MAUD erforderlich<br />

war, wurden bei allen Kriterien auf den Wert 5<br />

gesetzt (Tab. 2.2.1).<br />

Station 5: fragebogen<br />

Abschliessend konnte ein Grossteil der Kriterien aus<br />

den Teilprojekten in einem Fragebogen (siehe Tab.<br />

2.2.2) auf einer siebenstufigen Skala (1: auf keinen<br />

Fall, 7: auf jeden Fall) beurteilt werden. .<br />

MAUD·Kriterium (entsprechende Originalkriterien) .<br />

Variante<br />

Ökologie<br />

Variante<br />

Umwelthygiene<br />

Variante<br />

Sozial<br />

Naturnähe: naturfern(I)/naturnah (9)<br />

(Boden den verschiedenen Nutzungen anpassen; einhe<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ortgerechte<br />

Pflanzen in verschiedenen Vegetationsstufen fördern;. Naturerlebnis<br />

fördern; natürliche Versickerung und Verdunstung fördern;<br />

naturverträgliche.Pflegeart)<br />

9<br />

4<br />

4<br />

Artenvielfalt: klein (1)/gross (9)<br />

(Lebensansprüchen potentieller Tierarten gerecht werden; verschiedene<br />

ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen)<br />

8.4<br />

5<br />

4<br />

Ver~inderung störender Einßüsse: vermindert nicht (1)/vermindert (9)<br />

(Allergene und Gifte von Pflanzen vermeiden; Eintrag schädlicher Stoffe<br />

vermindern; Lärmemission vermindern; Luftverschmutzung vermindern;<br />

Unfallgefahr min<strong>im</strong>ieren)<br />

4<br />

9<br />

6<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung: keine (l)/volle (9)<br />

(Mitbest<strong>im</strong>mung)<br />

2<br />

4<br />

8<br />

Nutzung: einheitlich (1)/vielfältig (9)<br />

(Anreiz für kulturelle Aktivitäten bieten; Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten;<br />

Kommunikation und Beobachten unterstützen; Kr<strong>im</strong>inalität<br />

und V<strong>and</strong>alismus einschränken) .<br />

2<br />

5<br />

8<br />

Zugänglichkeit: beschränkt (1)/volfzugänglich (9)<br />

(Bewegung ermöglichen; Rückzugsmöglichkeiten für Menschen anbieten;<br />

Zugänglichkeit und Begehbarkeit fördern)<br />

2<br />

7.4<br />

7<br />

Kl<strong>im</strong>a: nicht ausgleichend (l)/ausgleichend (9)<br />

(Kl<strong>im</strong>a ausgleichen [Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind, Sonne/Schatten»<br />

4<br />

9<br />

6<br />

Unterhaltskosten: hoch (1)/tief (9)<br />

(K~sten)<br />

8.5<br />

4<br />

3<br />

Tob. 2.2.1 Best<strong>im</strong>mung der Kriterienwerte der drei Varianten durch die Synthesegroppe Grfinraum. Der Idealpunkt liegtjeweils bei neun. Aus technischen<br />

Grfinden wurde eine Nullvariante eingeführt, deren sämtliche Werte auffünfgesetzt wurden.<br />

186 UNS-Fallstudie '96


_----'~-----------'---------------------<br />

Grünraum<br />

Fragebogen .<br />

Wie sollen ~ffentliche Freiräume gestaltet werden? Ich mächte, dass...<br />

... bei der Bepflanzung Arten bevorzugt werden, die keine allergischen Reaktionen hervorrufen (Allergie).<br />

... viele Bäume vorh<strong>and</strong>en sind, um eine angenehme Luftfeuchtigkeit und Beschattung zu ermöglichen (Beschattung).<br />

... auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger verzichtet wird (Chemikalien).<br />

... Raum für eigenes Entdecken und Gestalten, insbesondere für Kinder, vorh<strong>and</strong>en ist (Entdecken).<br />

... ich mich <strong>im</strong> Park erholen kann (Erholung).<br />

... öffentliche Freiräume für alle ohne grosse Hindernisse erreichbar sind (Erreichbarkeit).<br />

... die Farbe grün in öffentlichen Freiräumen vorherrscht (Grüne Farbe)~.<br />

... Pflanzenarten gesetzt werden, die empfindlich auf Luftschadstoffe reagieren, um die Luftverschmutzung zu dokumentieren<br />

(Indika~orpflanzen).· .<br />

... Verpflegungs- und Einkaufsmöglichkeiten vorh<strong>and</strong>en sind (KOIlsummöglichkeiten).<br />

... kulturelle Aktivitäten möglich sind (Kultur).<br />

... der Verkehrslärm abgeschirmt wird (Lärm).<br />

... Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden (Lebensraum).<br />

... ich in öffentlichen Freiräumen die Natur erleben kann (Naturerlebnis).<br />

... bei der Pflege"von öffentI. Freiräumen der Natur freien Lauf gelassen wird (Natürliche Entwicklung).<br />

... öffentliche Freiräume mit dem umliegenden Kulturl<strong>and</strong>lWaId ökologisch verbunden sind (Ökologie).<br />

... Picknickmöglichkeiten vorh<strong>and</strong>en sind (Picknick).<br />

... ich mich an stille Orte zurückziehen kann (Rückzugsmöglichkeit).<br />

... ich mich sicher fühlen kann, insbesondere nachts (Sicherheit).<br />

... grosse, betretbare Flächen für Sport und Spiel vorh<strong>and</strong>en sind (Sport).<br />

... die Bepflanzung die Luft von Staub reinigt (Staub).<br />

... ich in öffentlichen Freiräumen <strong>and</strong>ere Leute treffen kann (Treffpunkt).<br />

... die Unfallgefahr, insbesondere für Kinder,gering ist (Unfallgefahr).<br />

... die Unterhaltskosten möglichst gering sind (Unterhaltskosten).<br />

... eine vielseitige Struktur (Hügel, Bäume, Sträucher, etc.) geschaffen wird (Vielseitige Struktur).<br />

... viele Wasserelemente, wie Tümpel, Bäche und Springbrunnen vorh<strong>and</strong>en sind (Wasserelemente).<br />

. ... Pflanzenarten gesetzt werden, die bei uns auchwild vorkommen (Wilde Pflanzen).<br />

... jederWinkel von öffentlichen Freiräumen frei begehbar ist (Zugänglichkeit).<br />

Tob. 2.2.2 Die Fragen aus dem Fragebogen (Teilansicht).<br />

Kosten 2.2 Programme au/derBasis der Multiattribuliven Nutzentheorie (MA UT).<br />

Fortsetzung Kosten 2.2 siehe nächste Seite-t<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

187


Grünraum<br />

_<br />

Fortslitzung Kasten 2.2 Programme aufderBasis der Multiattnbutiven Nutzentheone (MAUT).<br />

188 UNS·Fallstudie '96


_________________________~<br />

Grünraum<br />

3. Ergebnisse<br />

3.1 Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />

für die Grünraumgestaltung<br />

Der vorliegende Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />

wurde in den Teilprojekten aus der Literatur sowie<br />

mittels Expertengesprächen erarbeitet und in der<br />

Synthesephase II zusammengefasstsowie auf Inkonsistenzen<br />

überprüft. Die Kriterien sind zum grossen<br />

Teil der entsprechenden Literatur entnommen. Die<br />

Reihenfolge ist alphabetisch geordnet und hat keine<br />

Bedeutung für die Wichtigkeit der Kriterien.<br />

Allergene lind Gifte VOlt Pflanzen vermeiden<br />

(Wüthrich, 1994)<br />

Immer häufiger treten bei Menschen Allergien gegen<br />

verschiedenste Stoffe auf. Um diesem Umst<strong>and</strong><br />

Rechnung zu tragen, ist e-s wichtig, dass Pflanzen<br />

vermieden werden, die dafür bekannt sind, besonders<br />

häufig allergische Reaktionen hervorzurufen.<br />

Es kann Aufklärung über giftige und allergene<br />

Pflanzen, z.B. mit Hinweisschildern, angeboten<br />

werden. -<br />

Anreiz für kllltllrelle Aktivitäten bieten<br />

(Korosec-Sertaty, 1990)<br />

Kulturelle Aktivitäten stellen einen Anreiz für<br />

Menschen dar, den Grünraum zu nutzen und sich mit<br />

<strong>and</strong>eren Menschen zu treffen. Da bei der Planung<br />

nicht klar ist, welche Bedürfnisse die Menschen<br />

haben, sollen ihnen Mittel und Räume geboten<br />

werden, die sie selbständig nach<br />

ihren Bedürfnissen nutzen können:<br />

Openairbühne, Kunstwerke, Kleinkunstpavillon,<br />

etc.<br />

Durch kulturelle Anlässe kann<br />

unter Umständen der Erholungswert<br />

des Grünraumes für ParkbesucherInnen,<br />

welche vorwiegend Ruhe<br />

suchen, sinken. Dies sollte vor allem<br />

bei der Planung von Veranstaltungen<br />

<strong>im</strong> Grünraum beachtet werden.<br />

Auch hier besteht ein Konflikt mit den Rückzugsmöglichkeiten<br />

für Mensch und Natur. Eine Lösung<br />

ist nur mit der Partizipation späterer NutzerInnen an ­<br />

der Planung möglich.<br />

Boden den verschiedenen Nlltzllngen anpassen<br />

(SlIkopp &Wittig, 1993)<br />

Die möglichen Nutzungsarten hängen von der<br />

Bodenbeschaffenheit ab. Der Boden muss den Belastungenauch<br />

st<strong>and</strong>halten können. Flächen sollen<br />

nur versiegelt werden, wenn ein dringliches Bedürfnis<br />

dafür ausgewiesen werden kann und keine<br />

<strong>and</strong>ere Möglichkeit besteht. Plätze, die viel betreten<br />

werden,solltentrittfest sein (Kies, Schotterrasen,<br />

etc.). Die Altlasten müssen entsprechend der Nutzung<br />

saniert werden.<br />

Einhe<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ortgerechte Pflanzen in<br />

verschiedenen Vegetatiollsstllfen fördern<br />

(Ökoskop, 1995; Kowarik, 1989; SlIkopp & Wittig, 1993)<br />

Die Pflanzen, die in den verschiedenen Grünraumtypen<br />

angepflanzt werden, sollten wenn möglich<br />

einhe<strong>im</strong>isch und vor allem an die gegebenen verschiedenen<br />

St<strong>and</strong>orte angepasst sein. St<strong>im</strong>men die<br />

St<strong>and</strong>ortbedingungen, können sich diese Pflanzen<br />

halten, so dass sie nicht durch «Allerweltsarten» verdrängt<br />

werden. Auch in B1l,1menbeeten und Kübeln<br />

können einhe<strong>im</strong>ische Wildblumen gepflanzt werden.<br />

Die Verwendung einhe<strong>im</strong>ischer Arten wirkt sich<br />

positiv auf die Artenvielfalt bei Tieren aus. Die<br />

Mehrzahl der einhe<strong>im</strong>ischen Wirbellosen weist ein<br />

relativ kleines Nahrungsspektrum auf, d.h. sie benö-<br />

BewegllngermögUchen<br />

Bewegung gehört zu den Grundbedürfnissen<br />

des Menschen. Die<br />

Bewegung in den Grünräumen soll<br />

deshalb ermöglicht werden: keine<br />

Verbote, Möglichkeit zum Ausüben<br />

von Trendsportarten, Spielplätze mit<br />

Gestaltungsmöglichkeiten, Rasenspielflächen.<br />

Abb.3.1.1 Schotterrasen als Möglichkeit, einen Boden ohne Versiege/ung begehbar undbefahrbar<br />

.zu machen. -<br />

UNS-Fallstudie '96 189


Grünraum '-- _<br />

tigen für ihre Entwicklung und ihr Überleben ganz<br />

best<strong>im</strong>mte Pflanzenarten. Fremdländische Arten<br />

können ihnen keinen Ersatz bieten.<br />

Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten<br />

Für viele arbeitende Menschen ist die Mittagspause<br />

die einzige Zeit, die sie <strong>im</strong> Grünraum verbringen<br />

können (Ergebnis eigener Erhebungen <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Fallstudie). Deshalb ist es wichtig, dass Einkaufs-<br />

und Verpflegungsmöglichkeiten in der Nähe<br />

angeboten werden und Sitzgelegenheiten vorh<strong>and</strong>en<br />

sind. Diese sollen aber nicht mit einem Konsumationszwang<br />

verbunden sein. Mögliche Einrichtungen<br />

sind Kipsk, Snackbar und Feuerstelle.<br />

Eintrag schädlicher Stoffe vermindern<br />

(Leutert et al., 1995)<br />

Luft, Wasser und Boden sind sauber zu halten und<br />

anthropogene Stoffeinträge sind so weit als möglich<br />

zu verhindern bzw. zu vermIndern. Ein aus ökologischer<br />

Sicht opt<strong>im</strong>aler ,Grünraum kann sich nur<br />

bei min<strong>im</strong>alem Stoffeintrag entwickeln. Bei grosser<br />

Luftverschmutzung werden sich vor allem empfindliche<br />

Pflanzen- und Tierarten nicht etablieren<br />

können.<br />

Auf den Einsatz von Giften (Biozide, Lacke, Hölzschutzmittel),<br />

Düngemittel, Streusalz <strong>im</strong> Winter, etc.<br />

soll deshalb verzichtet werden. Anstelle von Streusalz<br />

können die Wege gekiest, ges<strong>and</strong>et oder mit<br />

Sägemehl bestreut werden, zudem sollen möglichst<br />

Naturprodukte oder giftklassefreie Mittel verwendet<br />

werden.<br />

Klein" und grossräumige Vernetzungselemente schaffen<br />

(Kuhn et al., 1992; Sukopp &Wittig, 1993)<br />

Die in einer <strong>Stadt</strong> vorkommenden naturnahen<br />

Flächen oder <strong>and</strong>ere für Tiere und Pflanzen wertvolle<br />

Strukturen (z.B. Wochenstuben für Fledermäuse<br />

oder Nistgelegenheiten für verschiedene<br />

Vogelarten) sind 'oft abgetrennt. von Gebieten ähnlicher<br />

Ausprägung, d.h. sie sind verinselt. Dabei<br />

. muss auch beachtet werden, dass es Tierarten gibt,<br />

die ein nebenein<strong>and</strong>er von verschiedenen Lebensräumen<br />

- geographisch oder zeitlich - brauchen<br />

(z.B. Nahrungssuche und Brutgelegenheiten).<br />

Daraus resultiert, dass be<strong>im</strong> Schaffen von neuen<br />

Lebensräumen für Tiere und Pflanzen <strong>im</strong>mer darauf<br />

geachtet werden muss, dass ein Kontakt zu <strong>and</strong>eren<br />

Lebensräumen ähnlicher Ausprägung möglich ist.<br />

Auch für dasZZN gelten die allgemein in der Literatur<br />

aufgeführten Massnahmen.<br />

• Vernetzungselemente erhalten, aufwerten und<br />

vermehren:<br />

Bestehende, naturnahe Verbindungsstrukturen<br />

(z.B. Böschungen, Hecken, Bahnareale, Ufer der<br />

Bäche und Flüsse) entsprechend pflegen und<br />

aufwerten oder neu schaffen. Ausbreitungsbarrieren<br />

wo möglich durch 'geeignete Massnahmen<br />

überwindbar machen (Amphibienunterführungen,<br />

. Ökobrücken).<br />

• Korridore zwischen Siedlungsraum und umgebendem<br />

Kulturl<strong>and</strong> oder Wald fördern:<br />

Bahnareale und -böschungen, .Flüsse und Bäche<br />

mit ihren Böschungen sind als verbindende Korridore<br />

zu, erhalten und wo J1löglich aufzuwerten,<br />

so dass die Ausbreitung von<br />

Tieren und Pflanzen gefördert<br />

wird.<br />

• Schaffen bzw. Zulassen von<br />

Saumbiotopen und Kleinelementen.<br />

Abb. 3.1.2 Bewachsene Steinmauer als Beispielfür ein kleinriiumiges Vernetzungselement.<br />

Kl<strong>im</strong>a ausgleichen (Temperatur,<br />

Luftfeuchtigkeit, Wind, Sonne/<br />

Schatten) ,<br />

(Andritzky, 1981; Kaerkes, 1987;<br />

Kiese, 1995; Kutler, 1993)<br />

Das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a wird häufig als<br />

extrem empfunden. Pflanzen<br />

entziehen durch ihre Verdunstungstätigkeit<br />

ihrer Umgebung<br />

Wärme und wirken so ausgleichend<br />

auf das städtische Kl<strong>im</strong>a.<br />

Bäume haben als Schattenspender<br />

eine wichtige Bedeutung.<br />

Andererseits ist es wichtig,<br />

dass genügend offene Flächen<br />

190<br />

UNS-Fallstudie '96


------------------------ Grünraum<br />

(Wiesen, Wasserflächen) vorh<strong>and</strong>en sind, die eine<br />

Abstrahlung und Durchlüftung erlauben. Je nach Art<br />

der Bebauung sollten Baumreihen und Hecken als<br />

Windbrecher gepflanzt oder durch sinnvolle Anordnung<br />

thermisch unterschiedlicher Flächen die Luftzirkulation<br />

gefördert werden:<br />

• Schachbrettartige Anordnung thermisch unterschiedlicher<br />

Flächen,<br />

• windbrechende Strukturen (Hecken, Wälder,<br />

Mauern),<br />

• technische Strukturen zur Beschattung (Sonnensegel,<br />

Sonnenstoren).<br />

Kommunikation und Beobachten unterstützen<br />

Zwischenmenschliche Interaktion ist eine der am<br />

häufigsten anzutreffende Tätigkeit von Menschen<br />

in Grünräumen (Ergebnis eigener Erhebungen <strong>im</strong><br />

Rahmen der Fallstudie). Es sind Anreize nötig, um<br />

sich <strong>im</strong> Grünraum aufzuhalten, um hinzusehen, zu<br />

beobachten und zu kommunizieren. UnterstÜtzende<br />

Strukturen hierfür sind Sitzgruppen, mobile Stühle<br />

und Tische, Treppen, Strassencafe, Bar, Quartiertreffpunkt.<br />

Kosten<br />

Bei den ökonomischen Aspekten muss zwischen<br />

Investitionen für die Erstellung des Parks und den<br />

Unterhaltskosten unterschieden werden. Während<br />

die Investitionskosten relativ unabhängig von der Art<br />

des Parks sind, können die Unterhaltskosten je nach<br />

Ausprägung des Parks um einen Faktor grösser als<br />

10 differieren. So rechnet beispielsweise das Gartenbauamt<br />

der <strong>Stadt</strong> Zürich für den Stadelhoferl'latz,<br />

einer kleineren konventionellenParkanlage, die auf<br />

soziale Bedürfnisse· ausgerichtet ist, mit Pflegekosten<br />

von etwa 25.- Fr. pro m Z und Jahr. Diese<br />

hohen Unterhaltskosten setzen sich zur Hälfte aus<br />

der Pflege der Grünanlage und der Einrichtung zu"'<br />

sammen. Die <strong>and</strong>ere Hälfte wird für die Reinigung<br />

der Anlage als Folge des enormen Nutzungsdrucks<br />

benötigt. Bei der Parkanlage Irchel, die naturnah<br />

. angelegt ist, fallen mit etwa 2.- Fr. pro m Z 'und Jahr<br />

wesentlich tiefere Kosten an. Diese Unterschiede<br />

der Pflegekosten treten auch bei privaten Grünanlagen<br />

auf. Eine Grossbank <strong>im</strong> Raum Zürich rechnet<br />

mit rund 12.- bis 13.- Fr. pro m Z und Jahr bei<br />

konventionellem Umgetiungsgrün: hingegen nur<br />

mit 4.- Fr. pro m Z und,Jahr bei naturnahem Umgebungsgrün<br />

(persönliche Mitteilung Grünraumverantwortlicher<br />

Schweizerische Kreditanstalt, Uedihof<br />

Zürich). Generell kann daher gesagt werden, je<br />

stärker die ökologischen Kriterien bei der Gesta.ltung<br />

mitberücksichtigt werden, desto günstiger sind<br />

später die Pflegekosten. Ein weiterer Kostenfaktor<br />

stellen V<strong>and</strong>alenakte dar. Massnahmen, die V<strong>and</strong>alismuS<br />

einschränken - wie verschiedenartige Nutzung<br />

auch nachts und Mitbest<strong>im</strong>mung durch Arbeits- und<br />

Wohnbevölkerung zur Erhöhung der Identifikation<br />

mit den Grünanlagen - können daher kostensenkend<br />

wirken.<br />

Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus einschränken<br />

(Newman, 1972)<br />

Kr<strong>im</strong>inalität, V<strong>and</strong>alismus und fehlende Sicherheit<br />

sind häufig anzutreffende Probleme öffentlicher<br />

Freiräume. Damit der Grünraum von möglichst<br />

vielen Menschen benutzt wird, ist es wichtig, dass<br />

Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus möglichst nicht vorkommen,<br />

die Sicherheit also gewährleistet ist.<br />

Der Grünraum soll durch verschiedene Nutzungen<br />

belebt werden. Es ist deshalb wichtig, dass auch<br />

abends verschiedenste Aktivitäten ausgeübt werden<br />

können. Abends sollten RestaurantS geöffnet sein<br />

und kulturelle Aktivitäten stattfinden. Dies ist insbesondere<br />

in jenen Bereichen ganz ~ichtig, wo der<br />

Anteil der Arbeitsbevölkerung grösser ist als jener<br />

der Wohnbevölkerung.<br />

Je mehr sich die MitbewohnerInnen durch Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

einen Bezug zum Grünraum schaffen,<br />

ein Gefühl aufbauen, dass sie hierfür Verantwortung<br />

übernehmen, desto eher sind sie bereit; sich für ihn<br />

einzusetzen und ihn zu nutzen und zu pflegen. Dies<br />

erhöht die Sicherheit.<br />

Halb zerstörte Gegenstände fördern den Drang<br />

zu V<strong>and</strong>alismus. Sie sollten deshalb sofort repariert<br />

werden.<br />

Sobald Orte vorh<strong>and</strong>en sind, die eine gewisse<br />

Rückzugsmöglichkeit bieten, ist die Gefahr von<br />

Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus erhöht. Diese Gefahr<br />

kann durch möglichst starke Nutzung des Grünraumes,<br />

Miteinbezug der NutzerInnen bei der Planung<br />

und eventuell durch Patrouillen vermindert werden.<br />

Liirm<strong>im</strong>missionell vermindern<br />

(Andritzky, 1981; Dilhinden & Pfäffli, 1995)<br />

Das Wohlbefinden des Menschen ist sehr stark von<br />

Lärmeinflüssen abhängig. Darunter fallen sowohl<br />

Verkehrslärm als auch Lärm der direkt durch den<br />

Menschen entsteht.<br />

Die wirkungsvollste Massnahme wäre, den Verkehr<br />

möglichst stark zu vermindern. Wenn dies nicht<br />

durchführbar ist, kann ein Sichtschutz vor der<br />

Lärmquelle bereits einen grossen Einfluss auf das<br />

Empfinden des Lärms haben. Dieser Sichtschutz<br />

kann mit Hecken, Waldstreifen und begrünten<br />

Lärmschutzwänden erfolgen.<br />

Lärm - bedingt durch menschliche Nutzungen ­<br />

kann mit räumlicher und zeitlicher Trennung der<br />

f<br />

I<br />

)<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

191


Grünraum<br />

_<br />

durch besonders dichte Dornenhecken erreicht<br />

werden. Diese Massnahme ist eine Alternative zu<br />

Verboten.<br />

Schächte, Zäune und <strong>and</strong>ere Fallen für Tiere<br />

sollten vermieden oder mit Massnahmen für Tiere<br />

ungefahrlich gemacht werden (Gitter, Zäu'ne, etc. so<br />

montieren, dass beispielsweise Durchschlupfmöglichkeiten<br />

für Igel entstehen).<br />

Es besteht ein Konflikt mit dem Kriterium Anreiz<br />

für kulturelle Aktivitäten bieten. Damit die Lebensansprüche<br />

der Tiere nicht zu stark beeinträchtigt<br />

werden, sollten Grossanlässe möglichst vermieden<br />

werden und gewisse Gebiete von menschlicher<br />

Nutzung freigehalten werden.<br />

Abb. 3.1.3 Beispiel für Bäume als Sicht- und Schal/schutz gegen Lärm<strong>im</strong>missionen.<br />

verschiedenen Nutzungen vermindert werden. Die<br />

Installation von Lärmschutzwänden ist kostenintensiv.<br />

Deshalb besteht ein Konflikt mit dem Kriterium<br />

Kostenverträglichkeit. Aus diesem Grund sollte der<br />

Lärm möglichst an der Quelle min<strong>im</strong>iert werden.<br />

Lebensansprüchen potentieller Tierarten gerecht<br />

werden (Sukopp & Wittig, 1993) .<br />

Die vielfaltigen Nutzungen in der <strong>Stadt</strong> ergeben<br />

die Grundlage für eine vielfaltige Siedlungsnatur.<br />

Diese Vielfaltigkeit ist zu erhalten und zu fördern,<br />

indem z.B. die Lebensansprüche potentieller Tierarten<br />

(Nistplätze, Sitzwarten, Überwinterungsmöglichkeiten,<br />

etc.) beachtet, die Überlebensfahigkeit<br />

von Tierpopulationen langfristig gesichert und Lebensräume<br />

fürsiedlungstypische Arten geschaffen<br />

werden.<br />

Die NutzerInnen der verschiedenen Grünräume<br />

sollten über die AnsprÜche der verschiedenen Tiere<br />

informiertwerden und dadurch mehr Verständnis für<br />

gewisse Nutzungseinschränkungen aufbringen.<br />

Es braucht Bereiche, die für den Menschen nur<br />

schwer oder gar nicht erreichbar sind. Dies kann<br />

Luftverschmutzung vermindern<br />

(Corra, 1995; Dahinden & Pfdffli, 1995; Lendholt, 1975)<br />

Für die Gesundheit aller Lebewesen (inkI. Menschen)<br />

ist gute Luft sehr wichtig. Luftverschmutzung<br />

durch Abgase und Staub von Autos und Heizungen<br />

stellen ein grosses Problem in der <strong>Stadt</strong> dar.<br />

Durch Fassadenbegrünung, Hecken, Alleen, Wiesen,<br />

etc. kann <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>gebiet die Pflanzenoberfläche<br />

vergrössert werden, was sich positiv auf die Filterung<br />

des Staubes aus der Luft auswirkt.<br />

Schadgase können nur in sehr beschränktem Masse<br />

mit Pflanzen vermindert werden. Allerdings stellt<br />

eine attraktiv gestaltete Umgebung eine Chance dar,<br />

dass die Leute eher zu Fuss gehen und dass dadurch<br />

indirekt die Luftverschmutzung vermindert werden<br />

kann.<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung (Fischer, 1995; Dienel,1992)<br />

AnwohnerInnen und BenutzerInnen der Grünräume<br />

müssen in die Planung einbezogen werden. Auch<br />

nach der Eröffnung ist es wichtig, dass auf neue Ansprüche<br />

eingegangen werden kann. Die Akzeptanz<br />

und Toleranz sowie die Bereitschaft, zum Grünraum<br />

Sorge zu tragen, steigen durch den Einbezug der<br />

Bevölkerung in die Planung.<br />

Der Einbezug kann durch moderierte Diskussionen,<br />

Befragungen oder Abst<strong>im</strong>mungen erfolgen.<br />

Durch den Prozess der Mitbest<strong>im</strong>mung kann es zu<br />

Widersprüchen mit <strong>and</strong>eren Kriterien kommen. In<br />

Diskussionen sollen jedoch für alle Parteien annehmbare<br />

Lösungen gefunden werden.<br />

Naturerlebnis fördern (Gebhard, 1993)<br />

Kinder sowie Erwachsene sollen zur Natur eine Beziehung<br />

aufbauen können. Je mehr die Menschen<br />

die Natur schätzen und bewundern, um so mehr tragen<br />

sie Sorge zu ihr. Natur erleben beginnt schon vor<br />

der Haustüre, also auch in der <strong>Stadt</strong>. Meist sind es<br />

192<br />

UNS-Fallstudie '96


________________________________________Grünraum<br />

schon kleine Dinge, die ein eindrückliches Erlebnis<br />

ermöglichen. Damit sich die Menschen aber in den<br />

verschiedenen Grünräumen wohl fühlen, ist es sehr<br />

wich'tig, dass diese ansprechend gestaltet werden.<br />

Möglichkeiten, um die Natur zu entdecken, zu<br />

erleben und zu gestalten, sollen angeboten werden<br />

(z.B. verschiedene Düfte, Naturgeräusche, offene<br />

Bodenoberflächen, Wege zum Barfussgehen, Wasserflächen,<br />

Weiher, Bäche, Sukzessionsflächen, Streicheltierzoo,<br />

sich jahreszeitlich ändernde Vegetation,<br />

Blumenbeete und Rabatten, Asthaufen, Trockenmauern,<br />

Lehmgruben, etc.).<br />

Natürliche VersickerrlIIg und Verdunstung fördern<br />

Das anfallende Regenwasser soll via Pflanzen verdunsten<br />

oder <strong>im</strong> Boden versickern. Da be<strong>im</strong> Verdunsten<br />

von Wasser die Umgebungsluft abgekühlt<br />

wird, kmn ein angenehmeres, kühleres <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a<br />

geschaffen und zusätzlich die Spitzenbelastung der·<br />

Kanalisation reduziert werden (Corra, 1995).<br />

Es sollen verschiedene Feuchtbiotope geschaffen<br />

werden, die eine hohe Verdunstungsrate aufweisen.<br />

Solche könnten beispielsweise auch auf Flachdächern<br />

als Pfützen und Tümpel angelegt werden.<br />

Im ganzen Areal soll ein möglichst hoher Anteil<br />

begrünter Flächen angestrebt werden. Fassadenbegrünung<br />

und unversiegelte Böden, welche eine<br />

allmähliche Verdunstung und Versickerung zulassen,<br />

sollen gefördert werden. Flächen, die aufgrund ihrer<br />

Nutzung nicht zwingend versiegelt sein müssen, so<br />

z.B. Trottoirs und wenig befahrene Strassen, können<br />

mit durchlässigen Belägen versehen werden, z.B.<br />

Kies respektive Rasengittersteine, welche ein<br />

Wachstum von trittfesten<br />

Pflanzen zulassen. An den<br />

Rändern von gekiesten Fusswegen<br />

kann sich eine magere<br />

Wegr<strong>and</strong>vegetation entwikkeIn,<br />

welche für viele Insekten<br />

Lebensraum bietet..<br />

Ein Konflikt besteht mit<br />

dem Kriterium Böden den verschiedenen<br />

Nutzungen anpassen.<br />

Dieser Konflikt entsteht vor<br />

allem, wenn Böden versiegelt<br />

werden müssen, um sozialen<br />

Nutzungen gerecht zu werden.<br />

• Bestehende Naturwerte erkennen<br />

• Entwicklungspotentiale erkennen<br />

• Ökologische Absichten festlegen<br />

• Nutzung und Gestaltung festlegen<br />

• Organisatorische Rahmenbedingungen abklären<br />

• Bereiche unterschiedlicher Pflegeintensität festlegen<br />

Biozide und Dünger sollen weder auf dem Areal<br />

noch in der näheren Umgebung verwendet werden.<br />

Spontanbegrünung ist vorzuziehen. Dies bedeutet<br />

aber, dass der Natur Zeit gelassen werden muss.<br />

Eingriffe können nicht in einem best<strong>im</strong>mten Turnus<br />

durchgeführt werden, sondern es braucht aufmerksame<br />

Beobachtung und Geduld. Sonst übliche<br />

Massnahmen wie Entfernen von P.flanzenmaterial<br />

und Totholz sowie Bewässerung sollen - wo <strong>im</strong>mer<br />

möglich - nicht ausgeführt werden.<br />

Orientierung gewährleisten<br />

(Bonnes & Secchiaroli, 1995) .<br />

Auch Ortsunkundige sollen die Grünräume benutzen<br />

und sich wohl fühlen können, ohne sich zu verirren.<br />

Es sind Orientierungspunkte zu schaffen wie<br />

Skulpturen, Wasserspiele, Brunnen, etc. Diese spielen<br />

dabei auch eine wichtige Rolle als Treffpunkte.<br />

Rückzugsmöglichkeiten für Menschen anbieten<br />

(eanter, 1983; Kaplan, 1983)<br />

Damit Menschen sich von den Stressoren (wie Lärm,<br />

Schadstoffe, Hektik) der <strong>Stadt</strong> erholen können,<br />

brauchen auch sie Rückzugsmöglichkeiten. Diese<br />

müssen für die Menschen einladend gestaltet<br />

Naturverträgliche Pflegeart<br />

(Leuten et al., 1995)<br />

Differenzierte Pflege hat eine<br />

enorme Gestaltungskraft. Leutert<br />

et aI. (1995) formulieren<br />

folgende Pflegegrundsätze:<br />

Abb. 3.1.4 Feuchtbiotop als Beispielfür die Förderung natürlicher Versickerung undVerdunstung.<br />

UNS-Fallstudie '96 193


Grünraum ...,.-__----:- ...,.- _<br />

werden und Ruhe und Entspannung ermöglichen,<br />

wie z.B. durch schützende Bepflanzung, Hecken mit<br />

Nischen, Pergolen, Wasserspiele, Skulpturen, Mauern,<br />

Arkaden, Steinen und Sitzgelegenheiten. Hier<br />

besteht ein Konflikt mit dem Kriterium Kr<strong>im</strong>inalität<br />

und V<strong>and</strong>alismus, der durch eine starke Identifikation<br />

der NutzerInnen mit «ihrem» Grünraum gelöst werden<br />

kann.<br />

Ulifallgefahrell mill<strong>im</strong>ierell<br />

Die Grünräume sollen so geplant und gepflegt werden,<br />

dass die Gefahr eines Unfalles min<strong>im</strong>al ist (z.B.<br />

durch übersichtliche Weggestaltung und sichere<br />

Wegführung). Behinderte sollen bei der Planung miteinbezogen<br />

werden, damit sie nicht von der Nutzung<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Verällderbarkeit·<br />

Ansprüche und Anforderungen an den Grünraum<br />

sowie seine Nutzungszusammensetzung können sich<br />

schnell ändern. Diesem Umst<strong>and</strong> sollte bei der<br />

Planung Rechnung getragen werden~ D.h. es sollen<br />

keine aufwendigen, fixen Installationen angelegt<br />

werden, die durch die sich ändernden Bedürfnisse<br />

der NutzerInnen an Wert verlieren.<br />

. Verschiedelle ökologisch wertvolle Lebensrällme<br />

schaffell (SIlkol'l' & Wirtig, 1993)<br />

In einer mosaikartigen Flächenstrukturund einer<br />

abwechslungsreichen Reliefgestaltung mit unterschiedlicher<br />

Substratdickekönnen sich verschiedene<br />

<strong>im</strong> Siedlungsraum ökologisch wertvolle Lebensräume,<br />

Nischen (trocken, feucht, warm, schattig,<br />

nährstoffarm, etc.) ausbilden:<br />

• verzahnte Lebensräume, Buchten<br />

• Oberflächen genügend porös, spaltig,nuh<br />

• sonnige St<strong>and</strong>orte<br />

• Mauern mit Ritzen<br />

Durch das Anlegen von Kraut-, Busch- und Baum-.<br />

schicht entstehen auch in der Vertikalen unterschiedliche<br />

Strukturen.<br />

Die Schaffung von ökologisch wertvollen Lebensräumen<br />

steht in einem gewissen Widerspruch mit der<br />

uneingeschränkten Begehbarkeit der Grünflächen.<br />

Neben vielen Pflanzenarten, die erst aufgrund von<br />

Störungen gedeihen, können sich <strong>and</strong>ere nur entwickeln,<br />

wenn sie nur wenig durch äussere Einflüsse ,<br />

gestört werden. Sollen also auch solche Arten eine<br />

Chance haben, ist eine gewisse Abschrankung dieser<br />

Gebiete unvermeidbar.<br />

Durch das Anpflanzen eines üppigen Vegetationsstreifens<br />

(z.B. dichte Hecke) können diese Lebensräume<br />

vor dem Betreten durch die Parkbesuche-<br />

rInnen geschützt werden. Die Abschrankung durch<br />

Verbote sollte möglichst vermieden werden, da diese<br />

von den ParkbesucherInnen <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />

Vegetationsbarrieren negativer empfunden werden.<br />

.'Vielseitige Nlltzlllig<br />

Die Ansprüche der Menschen an den Grünraum<br />

unterscheiden sich stark vonein<strong>and</strong>er. Durch die<br />

Konzeption der Grünräume soll möglichst vielen<br />

Anforderungen Rechnung getragen werden. Um<br />

Fehlplanungen zu vermindern, sollen die NutzerInnen<br />

in den Entscheidungsprozess miteinbezogen<br />

werden.<br />

Zllgällglichkeit Illid Begehbarkeit förderll<br />

Damit ein Gebiet genutzt werden kann, muss es gut<br />

erreichbar sein. Nur wenn der Grünraum für alle<br />

begehbar ist, wird er auch genutzt.<br />

Stationen von öffentlichen Verkehrsmitteln in der<br />

unmittelbaren Nähe sowie sichere Fusswege zum<br />

Gebiet sollen eingeplant werden.<br />

Es sind verschiedene Wege in verschiedenen<br />

Ausgestaltungen anzulegen: Kieswege, Kopfsteinpflaster,<br />

Rasen, etc. Rasenflächen und Wiesen sollen<br />

benutzt werden dürfen. Wo <strong>and</strong>ere Bedürfnisse <strong>im</strong><br />

Vordergrund stehen, sollen die BesucherInnen auf<br />

klar begrenzten Wegen. durch das Gebiet geführt<br />

werden.<br />

3.2 Ergebnisse des Explorationsparcours<br />

3.2.1 Statioll 1: Eillfiihrllllg ill die Thematik<br />

In der Eingangsfrage wurden die Prob<strong>and</strong>Innen<br />

aufgefordert, eigene Kriterien für Grünräume in der<br />

<strong>Stadt</strong> zu nennen (Tab. 3.2.1). Bei den Nennungen der<br />

Befragten wird deutlich, dass Grünräume in erster Linie<br />

dem Menschen zu Gute kommen sollen. Nur einmalwird<br />

das Stichwort «Lebensraum für Tiere und Pflanzen»<br />

als ökologisches Kriterium genannt - durch eine Fachperson<br />

des Gartenbauamts. Nahezu alle <strong>and</strong>eren Kriterien<br />

beziehen sich auf die menschliche Nutzung der<br />

Grünräume. Auch der Anspruch, dass «grün dominant»sein<br />

sollte, bezieht sich auf die menschliche<br />

Wahrnehmung. Es werden damit keine ökologischen<br />

Forderungen verknüpft.<br />

3.2.2 Varialltell Natllr, Melisch, Geslllldbeit<br />

Unmittelbar nach der Diashow gefiel sieben Personen<br />

das Naturbild am besten. Fünf entschieden<br />

sich für das Bild Mensch und vier für Gesundheit<br />

(Abb.3.2.2.1).<br />

194<br />

UNS-Fallstudie '96


________________________________________Grünraum<br />

Begriff<br />

öffentlich zugänglich<br />

..........................................<br />

grün dominant<br />

.......................................<br />

Kinder/Spielfläche<br />

........ .. ..<br />

kein Verkehr/Autos<br />

......................................<br />

Sicherheit (i' Überfall)<br />

.............., .<br />

Anzahl<br />

Nennungen<br />

Perspektive<br />

6 S<br />

5 U<br />

. .<br />

5 S<br />

.......................................<br />

5 S<br />

..................................<br />

4 S<br />

. .<br />

4 U<br />

..•...........•...•..•...........<br />

4 S<br />

. .<br />

4 S<br />

................ .. .<br />

3 S<br />

........................<br />

3 S<br />

...................<br />

3 S<br />

.....................<br />

3 U<br />

.................................<br />

2 S<br />

...................<br />

2 S<br />

.................................................<br />

2 U<br />

................. . .<br />

2 S<br />

2 S<br />

.................. .. . .<br />

Abwechslung in Struktur/Gestaltung<br />

..........................................................<br />

soziale Durchmischung<br />

...........-....•........•..................•..............<br />

Verpflegung (Imbiss, Restaurant)<br />

....................................................<br />

Sicherheit (Kinder)<br />

...... .. .<br />

Arbeitnehmer/Mittagspause<br />

.•...................••..•.............<br />

sich bewegen können<br />

......... . .<br />

Wiese/offene Fläche<br />

..................................<br />

Geschäfte<br />

......................<br />

familienfreundlich<br />

..•..•....•..•............•..••..•...•........<br />

Ruhe<br />

.................<br />

Treffpunkt<br />

.........................<br />

Erreichbarkeit<br />

....................<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

.............................. .<br />

Anwohnerinnen<br />

Lebe~~~~~~' iÜ~Tie~e ~~~i pri~~~e~"<br />

1 S<br />

..............................<br />

1 S<br />

..........................<br />

1 Ö<br />

Tab. 3.2.1 Anzohl spontaner Nennungen von Kriterien und deren Perspektive.<br />

S = Soziol, U = {Jmwelthygiene, 0 = Okologie. Die Kategorisierong der Perspektiven<br />

richtet sich noch den erarbeiteten Kriterien der Teilprojekte.<br />

Die anschlies;end durchgeführte MAUD-Befragung<br />

ergab jedoch ein <strong>and</strong>eres Bild: Mensch und<br />

Gesundheit liegen etwa gleichauf, doch Not!tr schneidet<br />

<strong>im</strong> Durchschnitt der Befragten deutlich schlechter<br />

ab. (Abb. 3.2.2.2). Zwischen diesen drei Varianten<br />

tritt ein statistisch signifikanter Unterschied auf<br />

(Friedman-Test: p = 0.04).<br />

Für die Verschiebung bei der Bewertung des<br />

Naturbildes bietet sich folgende Erklärung an: In der<br />

8..,.----"'---........--------a.-----"'--------r<br />

7<br />

Diashow werden fast ausschliesslich visuelle<br />

Eindrücke vermittelt, ohne die Konsequenzen<br />

dieser positiven Eindrücke zu berücksichtigen,<br />

wie z.B. geringe Mitbest<strong>im</strong>mung und Nutzungseinschränk:ungen<br />

bei der ökologischen<br />

Variante. Bei der Befragung mit MAUD wurde<br />

jedoch der Nutzen dieser positiven Eindrücke<br />

geringer gewichtet als <strong>and</strong>ere Kriterien. Dabei<br />

kommt hinzu, dass sowohl das Mensch- als auch<br />

das Gesundheitsbild aus ökologischer Perspektive<br />

günstig gestaltet sind. Die in MAUD<br />

vorgegebene Bewertung für die .ökologischen<br />

Kriterien sind also auch bei den Varianten<br />

Mensch und Gesundheit relativ hoch (vgl. Kap.<br />

3.2.3 COMPUTERGESTOTZTE KRITERIENBEWER­<br />

TUNGMAUD). Die Ökologievariante verliert dadurch<br />

ihre positive Bewertung, da der Wunsch<br />

nach vielfältiger Nutzung eines Grünraumes,<br />

den der opt<strong>im</strong>alen ökologischen Gestaltung<br />

überwiegt.<br />

3.2.3 Computergestützte Kriterienbewertung<br />

MAUD<br />

Im Rahmen der MAUD-Befragung konnten die<br />

Vertreter der Interessengruppen die oben dargestellten<br />

Grünraumkriterien bewerten. Diese<br />

Gewichtung wird jeweils auf Werte zwischen<br />

ound 1 normiert. Das Ergebnis dieser Gewichtung<br />

wird in Abb. 3.2.3.1 dargestellt. Die Interessengruppen<br />

unterschieden sich statistisch<br />

signifikant (Varianzanalyse mit Messwiederholung:<br />

p = 0.04). Deutliche Favoriten sind die beiden Kriterien<br />

Naturniihe und Mitbest<strong>im</strong>mung mit den Werten<br />

0.19 bzw. 0.16. Ebenfalls wichtig schienen denBefragten<br />

billige Unterhaltskosten (0.13) und eine vielfiiltige<br />

Nutzungsmäglichkeit (0.12). Die Kriterien Verminderung<br />

der. Einflüsse, gute Zugiinglichkeit, Kl<strong>im</strong>aausgleich<br />

und grosse Artenvielfalt stehen mit einer mittleren<br />

Gewichtung von 0.1 Punkten <strong>im</strong> Hintergrund.<br />

o<br />

o<br />

r L<br />

6<br />

5<br />

3<br />

2<br />

.8<br />

g1<br />

~.6<br />

o<br />

';:<br />

C!J .4<br />

.2<br />

$~.~<br />

o<br />

o+----e-------e-----~~--+<br />

o<br />

Natur Mensch Gesundheit<br />

Abb. 3.2.2.1 Beurteilung der drei Bilder noch der Diasnow.<br />

Natur<br />

Mensch<br />

Abb. 3.2.2.2 Boxplot der Bildbewertung in MA UD.<br />

Gesundheit<br />

UNS-Fallstudie '96 195 .


Grünraum -------- _<br />

0.2<br />

0.18<br />

0.16<br />

0.14<br />

c:n<br />

§ 0.12<br />

ti 0.1<br />

! 0.08<br />

0.06<br />

0.04<br />

0.02<br />

o<br />

.Kriterien<br />

Abb. 3.2.3.1 Die Gewichtung der Kriterien <strong>im</strong> Überblick.<br />

Im Gegensatz zu spontanen Äusserungen sind in<br />

der MAUD~Befragungdie sozialen Kriterien nicht<br />

mehr in gleiehem Masse vorrangig. Es zeigt sich, dass<br />

bei der Vorgabe von Kriterien aus ökologischen und<br />

umwelthygienischen Perspektiven diese als ähnlich<br />

wichtig eingestuft werden.<br />

Aufteilung nach Interessengruppen<br />

Eine Aufschlüsselung nach den fünf Interessengruppen<br />

ergibt ein relativ einheitliches Bild (siehe<br />

Abb.3.2.3.2). Lediglich die Gewichtungen der beiden<br />

Kriterien Mitbest<strong>im</strong>mung und Naturnähedurch<br />

die «Jugendlichen» weisen sehr hohe Werte auf,<br />

.4<br />

-0-<br />

.35 -0-<br />

--l:!r-<br />

.3<br />

--<br />

.25<br />

t::<br />

Cl)<br />

~ .2<br />

:=<br />

~<br />

.15<br />

.1<br />

.05<br />

0<br />

C><br />

C<br />

~Z<br />

C><br />

C<br />

::l<br />

E<br />

1 .c<br />

~<br />

Cl) Cl)<br />

"0'"<br />

C Cl)'::l '"<br />

:0 "E<br />

(j)Ui<br />

-:m<br />

Q;<br />

.~<br />

Cl)<br />

t::<br />

«<br />

während die Gewichtung der übrigen<br />

Kriterien dagegen deutlich unter den<br />

Werten der <strong>and</strong>eren Interessengruppen<br />

liegt. Dies ist darauf zurückzuführen,<br />

dass bei der MAUD-Befragung der Jugendlichen<br />

die beiden Kriterien von je<br />

einem/einer Prob<strong>and</strong>In als absolut<br />

wichtig bewertet wurden. Dabei<br />

bekamen die betreffenden Kriterien<br />

je 1 Punkt. Die übrigen Kriterien wurden<br />

somit automatisch mit 0 Punkten<br />

bewertet. Werden die Resultate der<br />

betreffenden zwei Befragungen als Ausreisser<br />

gestrichen, weisen die Gewichtungen<br />

der Kriterien durch die Jugendlichen<br />

ausgeglichene Werte auf.<br />

Die Gruppe


_________,___~-----------------,___-'--------------Grünraum<br />

Die Mitbest<strong>im</strong>mungsmäglichkeit ist den<br />

«AnwohnerInnen» und «Jugendlichen»<br />

sehr wichtig. Auffallend ist die geringe<br />

Gewichtung dieses Kriteriums, durch<br />

die «Investorlnnen». Sie unterscheiden<br />

sich damit deutlich von den übrigen<br />

Interessengruppen.<br />

Werden bei den «Jugendlichen» die<br />

beiden Ausreisser gestrichen, liegen bei<br />

der Gewichtung der Kriterien Naturnähe,<br />

Verminderung von stärenden Einflüssen<br />

und Artenvielfalt sämtliche Interessengruppen<br />

relativ nahe beisammen.<br />

Bei der Gewichtung der Unterhaltskosten<br />

heben sich die «Investorlnnen»<br />

deutlich von den restlichen Interessengruppen<br />

ab. Neben den «Investoren»<br />

scheinen lediglich noch für die<br />

«Arbeitsbevölkerung» tiefe Unterhaltskosten<br />

einen wichtigen Aspekt darzu-<br />

. stellen. Die Kostenfrage wird vor allem<br />

von den «Jugendlichen» als vollkommen<br />

unwichtig bewertet. Hier besteht<br />

ein statistisch signifikanter Unterschied<br />

zwischen den Gruppen (Varianzanalyse:<br />

p = 0.01).<br />

Clusterlllllllyse der MAUD·Kriteriell<br />

.24 ....---L__.........__......._---''--_---L__.........-'-_.......__'--..,...<br />

.22<br />

.2<br />

.18<br />

t:: .16<br />

~<br />

(j) .14<br />

~<br />

:E .12<br />

Das Kriterium Kl<strong>im</strong>aausgleich ist für die «InvestorInnen»,<br />

die «Vertreterlnnen der <strong>Stadt</strong>» und die<br />

«Anwohnerlnnen» relativ wichtiger als für die befragten<br />

«Arbeitenden» und «Jugendlichen». In Tab.<br />

3.2.3 sind je die drei wichtigsten Kriterien jeder<br />

Interessengruppe zusammengestellt.<br />

Durch die jeweils nach Personen und nach Kriterien<br />

durchgeführten Clusteranalysen (complete-linkage<br />

Verfahren, max<strong>im</strong>ale euklidische Abstände) konnten<br />

keine Cluster ermittelt<br />

werden, die auf Unterschiede<br />

hinsichtlich<br />

der Kriterienbewertung<br />

zwischen den <strong>im</strong> voraus<br />

definierten Gruppen<br />

hinweisen könnten.<br />

Einzig jeweils zwei VertreterInnen<br />

der <strong>Stadt</strong><br />

liegen bezüglich ihrer<br />

Gruppe<br />

Aussagen nahe beiein<strong>and</strong>er.<br />

Anwohner 2<br />

Ansonsten sind Arbeiter<br />

oft VertreterInnen verschiedener<br />

Gruppen<br />

Investoren<br />

2<br />

ein<strong>and</strong>er ähnlicher als Jugendliche<br />

2<br />

die VertreterInnen einer<br />

Gruppe unter sich, d.h.<br />

<strong>Stadt</strong><br />

die Unterteilung der<br />

.1<br />

.08<br />

.06<br />

cu<br />

Cl<br />

':1 '" ~<br />

li:<br />

'"<br />

.= cu<br />

Cl 0<br />

.lC .lC<br />

cu i'J .=<br />

.= '"<br />

~ cu .= .l:l<br />

,," 'G 1lI<br />

Cl<br />

.. Cl .=<br />

:I cu .. 11<br />

:I N .. cu .1lI<br />

,. .. 1>1I<br />

'0 S :I<br />

-0-<br />

-0-<br />

Cl<br />

C<br />

::;,<br />

S<br />

z<br />

Investoren<br />

Andere<br />

Abb. 3.2.3.3 Mittelwerte der Beurteilung der Kriterien; .Investoren» <strong>im</strong> Vergleich mit der<br />

Gesamtheit der restlichen Gruppen.<br />

Tob. 3.2.3 Rangfolgen der drei wichtigsten Kriterien jeder Interessengruppe.<br />

Testpersonen nach ihren Interessengruppen manIfestiert<br />

sich in den Resultaten nicht.<br />

Konkrete Kriterien wie Naturnähe und Mitbe~<br />

st<strong>im</strong>mung werden besser bewertet als eher abstrakte<br />

Begriffe wie Artenvielfalt und Kl<strong>im</strong>aausgleich. Das<br />

aus ökologischer Sicht enttäuschende Abschneiden<br />

dieser aus naturwissenschaftlicher Sicht elementaren<br />

Faktoren hebt aber gerade die Wichtigkeit des<br />

(nota bene gut bewerteten) Faktors Mitbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong><br />

Grünraum heraus. Erst durch einen interaktiven<br />

Umgang mit der Problematik und mit der Erfahrung<br />

aus Erfolgen und Misserfolgen können die Anwoh-<br />

Z ~ t;; ~ N Bemerkungen<br />

....<br />

3 ...... r~~~llJläs~i~~. ~~'v.ich.tll!l&. .~ll~r..K.r.it~ri.eIl<br />

2 3 ...... ~~&.~IIJl~~~i~~qe~i~~~I1~aller ~ri~eri~n<br />

3 1 Unterhaltskosten und Kl<strong>im</strong>aausgleich<br />

.~elltli~~ .~ch.ti~~~.als .~i~. a.11~.e.r~I1........<br />

1 3 Ausreisser<br />

.......... . . . . . . . . . . . . . . ... . . ....<br />

1 3 2 regelmässige Gewichtung aller Kriterien<br />

UNS-Fallstudie '96 197


Grünraum -----------------<br />

nerInnen die Natur vor der Haustüre<br />

richtig nutzen und geniessen.<br />

Allgemein ist die Bewertung<br />

jedoch relativ ausgewogen, was<br />

auch daran liegen mag, dass es<br />

schwierig war, vonein<strong>and</strong>er unabhängige<br />

Kriterien zu formulieren<br />

(Naturnähe beinhaltet ja in gewisser<br />

Weise Artenvielfalt). Jedoch<br />

wird deutlich, dass <strong>im</strong> Zweifelsfalle<br />

diejenigen Kriterien als<br />

wichtiger erachtet werden, die<br />

sich direkt auf den Menschen<br />

beziehen.<br />

3.2;4 fragebogen<br />

Alle Fragen wurden durchwegs<br />

positiv bewertet (Abb. 3.2.4); angefangen<br />

bei den beiden Fragen,<br />

ob man sich in Grünflächen<br />

erholen und treffen können soll, mit<br />

je 6.5 Punkten (Max<strong>im</strong>alpunktzahl<br />

7), bis zu der Frage, ob auf<br />

gegenüber Schadstoffen empfindliche<br />

Indikatorpjlanzen gesetzt werden<br />

soll, mit <strong>im</strong>merhin noch 4.5 Punkten.<br />

Einzig die Frage, ob öffentliche<br />

Wege asphaltiert werden<br />

sollen, erhielt bloss 2.1 Punkte <strong>im</strong><br />

Schnitt. Dies liegt daran, dass hier<br />

die Frage negativ formuliert war<br />

(bei umgekehrter Fragestellung<br />

entspräche dies also einem Wert<br />

um 5 herum).<br />

Allergie jiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii.iiiiiiiiiiiil----~------:-----:-l<br />

Beschattung )11 .<br />

Entdecken<br />

Chemikalien Erholung f~~~~~~~5~~~~~~S::~.<br />

Erreichbarkeit<br />

GrOne Farbe )I•••••••<br />

Indikator-Pflanzen )11__ :<br />

Konsummöglichkeit ••••••••<br />

Ku~ur•••••_ I<br />

Lebensraum<br />

l~~~~~~~f:::~~.I.-<br />

Naturerlebnis<br />

Lärm<br />

NatOrliche Entwicklung<br />

Ökologie<br />

Picknick .<br />

ROckzugsmöglichkeit ':::::::::::~ .._<br />

Sicherheit )<br />

Sport • •<br />

Staub • 11IIIII _<br />

Treffpunkt<br />

Unfallgefahr<br />

Unterhaltskosten )11I••••-<br />

Vielseitige Struktur )11•••••••••_<br />

Wasserelemente )11•••••••<br />

4<br />

I<br />

Wilde Pflanzen ••••••••••••••••<br />

Zugänglichkeit ~~~~~---LI-~~---__J.------~<br />

5 6<br />

Mittelwerte der Antworten<br />

Abb. 3.2.4 Die Beurteilung der Kriterien <strong>im</strong> Durchschnitt aller Interessengruppen. Für die exakten<br />

Fragestellungen vgl. Tab. 2.2.2.<br />

7<br />

Aufteilung noch Interessengruppen<br />

Es bestehen keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />

zwischen den Interessengruppen hinsichtlich<br />

der Beantwortung des Fragebogens. Jedoch<br />

können Fragen hervorgehoben werden, bei denen.<br />

die Gruppen auf einem hohen Punkteniveau auffällig<br />

nahe beiein<strong>and</strong>er liegen: Treffpunkt, Erholung<br />

und Lärm.<br />

Anderseits gibt es einzelne Interessengruppen, die<br />

in verschiedenen Fragen deutlich tiefer liegen als die<br />

übrigen, auch wenn die Unterschiede infolge der<br />

kleinen Stichprobenzahl nicht signifikant sind:<br />

• die «Arbeitsbevölkerung» bei den Fragen nach<br />

der Bedeutung der Erreichbarkeit? kultureller<br />

Aktivitäten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln<br />

und Dünger<br />

• die «Anwohner» bei der Frage, ob allergie<strong>im</strong>slösende<br />

Pflanzen gepflanzt werden sollen<br />

• die «<strong>Stadt</strong>» bei der Frage, ob eine vielseitige Struktur<br />

wichtig sei<br />

• die «Investoren» bei der Frage, ob eine Vernetzung<br />

mit dem umliegenden Grünl<strong>and</strong> wichtig sei<br />

• die «Investoren» bei der Frage nach der SiCherheit<br />

(die bei ihnen höher liegt als bei den übrigen Interessengruppen).<br />

198 UNS-Fallstudie '96


__~<br />

4. Leitbilder für den Grünraum<br />

<strong>im</strong> Teilgebiet D<br />

In der Synthesephase II wurde aus den Ergebnissen<br />

der Befragung der Prob<strong>and</strong>en <strong>im</strong> Explorationsparcours<br />

und den Kriterien aus den Teilprojekten<br />

eine Leitidee aus sieben Punkten entwickelt. Die<br />

Punkte I, II und V stützen sich dabei besonders auf<br />

die empirische Befragung der InteressenvertreterInnen,<br />

während die Punkte III und IV vorwiegend auf<br />

den erarbeiteten Kriterien der Teilprojekte basieren.<br />

Die Punkte VI und VII betreffen eher den Planungsund<br />

Realisierungsprozess und lassen sich nicht<br />

direkt aus den Teilprojekten a.bleiten.<br />

4.1 Leitidee<br />

I<br />

II<br />

III<br />

Das Wohlbefinden des einzelnen Menschen<br />

und des Menschen in der Gruppe steht bei der<br />

Freiraurngestaltung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

Die Struktur der Grünräume soll vielfältige<br />

Nutzungen zulassen und auch für Veränderungen<br />

~ffen sein. Dies. unterstützt das sozhde<br />

Gefüge und verhindert einseitige Nutzungen<br />

öffentlicher Räume. Die Grünräume sollen insbesondere<br />

auf die Bedürfnisse der Arbeits- und<br />

Wohnbevölkerung ausgerichtet sein, die in der<br />

Nähe lebt. Die NutzerInnen werden in die Planung<br />

der öffentlichen Grünräume einbezogen.<br />

Naturnahe Freiräume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />

individuelle und soziale Wohlbefinden durch<br />

ihre Erholungsfunktion, ihren Naturerlebnis-<br />

Grünraum<br />

wert sowie durch die ausgleichende Wi.rkung<br />

auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />

IV Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge<br />

bedarf einiger, weniger intensiv genutzter ürte.<br />

V Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />

Nutzen für den Menschen soll die ökologischere<br />

Variante bevorzugt werden. Bei der<br />

Gestaltung sind st<strong>and</strong>ortgerechte; einhe<strong>im</strong>ische<br />

Pflanzen zu wählen. Eine naturnahe Pflege<br />

bringt geringe Kosten mit sich und überlässt der<br />

Natur eine gewisse Eigendynarnik.<br />

VI Die Grünräume sollen nicht isoliert·geplant<br />

werden, sondern in die Infrastruktur einbezogen<br />

werden. Wichtig ist auch die sichere Erreichbarkeit.<br />

VII Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />

sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert<br />

sein:<br />

Wie bereits <strong>im</strong> Kap. 1.3 ZIELE dargelegt, gehen die<br />

Leitbilder davon aus, dass keine Nutzungseinschränkung<br />

durch Altlasten erfolgt. Eine wesentliche Einschränkung<br />

der Gestaltungsmöglichkeiten beispielsweise<br />

durch eine Versiegelung des Bodens, welche<br />

eine Entwicklung von gesunden Bäumen verhindern<br />

würde, hätte zur Folge, dass eine beträchtliche<br />

Anzahl der erarbeiteten Kriterien unter erschwerten<br />

Bedingungen umzusetzen wäre.<br />

In der abschliessenden Phase der Fallstudie<br />

versuchte man zu ermitteln, wie sich die Leitidee in<br />

den verschiedenen Grünraumtypen umsetzen liesse.<br />

Hierfür wurden schriftliche und gezeichnete Bilder<br />

erstellt, die aber nicht als konkrete Planungsvorschläge<br />

zu sehen sind, sondern helfen sollen, den<br />

generellen, auf der Leitidee basierenden Charakter<br />

der verschiedenen Grünräume zu<br />

erfassen. Die Graphiken wurden von<br />

einem Zeichner angefertigt, der während<br />

der Diskussion der Leitidee und<br />

den daraus abgeleiteten Leitbildern<br />

anwesend war und auf dieser Basis<br />

Skizzen zu den verschiedenen Grünraumtypen<br />

entwarf. Die Synthesegruppe<br />

GRONRAUM beurteilte diese<br />

Skizzen nach der inhaltlichen Kongruenz<br />

mit den schriftlichen Texten.<br />

Mit diesen Rückmeldungen erarbeitete<br />

der Zeichner die definitiven<br />

Zeichnungen.<br />

Abb.4.2 Der<strong>Stadt</strong>park, umgeben von Hochhäusern (Zeichnung: Thomos C. Bien).<br />

4.2 Der <strong>Stadt</strong>park<br />

Der <strong>Stadt</strong>park soll den vielfältigen<br />

Nutzungsansprüchen in einem dicht<br />

besiedelten Gebiet gerecht werden.<br />

Die vielseitige Nutzung wird durch<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

199


..<br />

Grünraum<br />

----,-__~----~----------------------------<br />

eine mosaikartige Anordnung verschiedener Flächen<br />

gewährleistet. Trotz städtisch zentraler Lage ermöglicht<br />

der Park Erholung und Ruhe und vermittelt<br />

zugleich Naturnähe.<br />

Um die Mitbest<strong>im</strong>mung der Bevölkerung zu<br />

ermöglichen, werden 'die verschiedenen Interessengruppen<br />

so früh wie möglich in die Planung miteinbezogen.<br />

Auf allfällige Verbesserungswünsche<br />

wird regelmässig eingegangen.<br />

Rund ein Drittel des Parks besteht aus einer<br />

Wiese, die von einem lichten 'Streifen aus Bäumen<br />

und Büschen umgeben ist. Dort könnten verschiedene<br />

Anlässe (z.B. Parkfest, Quartierfest) stattfinden.<br />

Die Wiese ist an einem Ende durch einen<br />

bogenförmigen Hügel begrenzt, der zum Zeitungslesen,<br />

Sonnen, Picknicken und Spielen einlädt, oder<br />

auch als Arena für kulturelle Veranstaltungen verwendet<br />

werden kann. .<br />

Die übrige Fläche wird in verschiedene, abwechslungsreiche<br />

Bereiche unterteilt. Eine Ruderalfläche<br />

steht den Kindern zumSpielen zur Verfügung. Wenn<br />

es die Altlastensituation zulässt, können die !=hundmauern<br />

der abgerissenen Gebäude darauf als Spiel~<br />

platz dienen. Interessante Naturbeobachtungen sind<br />

auf der Wasserfläche mit feuchtbiotopähnlicher<br />

Umgebung möglich. An einem Treffpunkt mit Kiosk<br />

und Feuerstelle besteht die Gelegenheit, bis am<br />

späten Abend beisammen zu sein. Nischen, die von<br />

Büschen und Bl1!men umgeben und auf dem ganzen<br />

Parkgelände verteilt sind, bieten Sitzgelegenheiten<br />

zum Lesen und zum Betrachten der umliegenden,<br />

blumenreichen Magerwiesen.<br />

Die gesamte Fläche des Parks. wird naturnah<br />

gepflegt. Daher wird - wann <strong>im</strong>mer möglich - auf<br />

den Einsatz von Düngern und Pestiziden verzichtet.<br />

Einhe<strong>im</strong>ischen und st<strong>and</strong>ortgerechten Pflanzenarten<br />

wird der Vorzug gegeben.<br />

4.3 Die Pocket Parks<br />

Die sogenanntenPocketParks sollen einerseits einem<br />

angenehmen Durchgang zwischen den Gebäuden<br />

dienen und <strong>and</strong>ererseits durch die darin enthaltene<br />

Bepflanzung und <strong>and</strong>eren Angeboten zum Verweilen<br />

oder Mittagessen einladen oder auch als Kinderspielplatz<br />

dienen.<br />

Die umliegenden hohen Häuser prägen diese<br />

Parks, durch die ein Mergel-/Kiesweg führt. Der<br />

Sonneneinfall ist stark beschränkt und nur ein Teil<br />

des Bodens wird von Sonnenstrahlen erreicht.<br />

Sitzgelegenheiten (auch grössere Steinblöcke) und<br />

ein Trockenrasen prägen die Sonnenseite. Dort können<br />

in den Ecken verschiedene Kletterpflanzen wie<br />

der Efeu gut wachsen. Die wenigen grossen Bäume<br />

die hier anzutreffen sind, haben lichtes Blattwerk.<br />

,. ..<br />

f' .<br />

4\ .....<br />

.~<br />

Abb. 4.3Pocket Parks als Durchgänge zwischen den Gebäuden und zur<br />

Nutzungfürdie AnwohnerInnen (Zeichnung: Thomas C. Bieri).<br />

Im schattigeren Bereich versickert in einer flachen<br />

Mulde das von den Dächern abgeleitete Regenwasser.<br />

Dieser kleine, seichte Teich ist von einer für<br />

Feuchtgebiete typischen Vegetation aus Halbschatten<br />

liebenden Wald- ~nd Feuchtpflanzen umr<strong>and</strong>et.<br />

Die Zugänge dieser Parks sind bewachsen und<br />

laden so Aussenstehende ein, den Park zu betreten.<br />

Ein Teil der Fläche innerhalb wird nicht <strong>im</strong> voraus<br />

geplant sondenl. kann aktuellen Bedürfnissen entsprechend<br />

genutzt werden. Je nach Anteil von EinwohnerInnen<br />

oder Arbeitsbevölkerung, die den Park<br />

aufsuchen, können verschiedene Elemente die Parkausstattung<br />

erweitern. So sind wahrscheinlich bei<br />

.hohem Wohnanteil ein S<strong>and</strong>haufen, etwas Holzmaterial<br />

oder eine Spielfläche beljebte Angebote.<br />

Falls die HauptnutzerInnen jedoch Arbeitende aus<br />

der Umgebung sind, die in ihrer Pause in den Park<br />

gehen, ist ihnen wahrscheinlich mit mehreren Sitzplätzen<br />

und eventuell einer Verpflegungsmöglichkeit<br />

besser gedient.<br />

4.4 Die verschiedenen Verkehrsflächen<br />

Die Verkehrsflächen dienen pr<strong>im</strong>är der Fortbewegung<br />

von FussgängerInnen, Rad- und AutofahrerInnen.<br />

Diese Flächen werden unter ökologischen<br />

Gesichtspunkten opt<strong>im</strong>iert.<br />

200<br />

UNS-Fallstudie '96


______________________________________---.,.<br />

Grünraum.<br />

----i.­<br />

I<br />

-- ,<br />

L-<br />

I<br />

Quartierstrosse<br />

Die Strasse ist nicht von Autos dominiert. Sie ist<br />

vielmehr Spiel- und Lebensraum für Kinder und<br />

Erwachsene.<br />

Ein asphaltierter Weg mit grossflächigen Einbuchtungen<br />

wird von Autos, RollschuhfahrerInnen<br />

und <strong>and</strong>eren benutzt. Die breiten R<strong>and</strong>streifen<br />

werden von den AnwohnerInnen auf vielfältige Art<br />

genutzt und gepflegt. Niederschlagswasser wird in<br />

einem kleinen Kiesbett abgeleitet. Die Häuserfassaden<br />

sind begrünt.<br />

Abb. 4.4 Beispielfür die ökologische Gestaltung von Verkehrsflächen. Die<br />

. Vernetzungselemente habe sowohl verkehrsleitende als auch ijkologische Eigenschaften<br />

(Zeichnung: Thomas C. Bien).<br />

Strosse<br />

Die Grundlage dieses Bildes einer stark<br />

befahrenen Strasse ist das Gestaltungskonzept<br />

der Binzmühlestrasse der Synthesegruppe<br />

VERKEHR:<br />

Auf VelofahrerInnen und FussgängerInnen<br />

wird speziell Rücksicht genommen.<br />

Es gilt deshalb generell Tempo 30. Der<br />

Strassenraum ist nicht nur Verkehrsfläche,<br />

sondern auch sicherer Lebens- und Aufenthaltsraum<br />

für die Menschen.<br />

Ein mässig bewachsener Mittelstreifen<br />

aus Schottemisen mit vereinzelten Bäumen<br />

und Buschgruppen trennt die beiden<br />

Fahrbahnen für Autos und Busse von~<br />

ein<strong>and</strong>er.<br />

Die acht Meter breiten Seitenflächen<br />

bieten Platz für Fussgängerlnnen, VelofahrerInnen,<br />

Strasseneafes, Büsche, etc.<br />

Ein geteerter Weg durchzieht die Seitenfläche.<br />

Links und rechts des Weges<br />

befinden sich unregelmässig angeordnete<br />

Büsche und bewachsene Kiesflächen.<br />

Entlang den Häusern gibt es zudem<br />

Geschäftsauslagen, Strasseneafes, Verweilflächen<br />

und da und dort einen Trampelpfad.<br />

4.5 Die Flachdächer<br />

Die Flachdächer sind nicht öffentlich begehbare<br />

Flächen. Dies hat den Vorteil, dass sich die Natur<br />

ungestört entfalten kann. Denn die dort entstehenden<br />

Pflanzen und kleinen Pfützen, die einen grossen<br />

Teil .der anfallenden Niederschläge verdunsten,<br />

haben eine ausgleichende Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />

Ebenso bieten begrünte Dachflächen einen<br />

Lebensraum für Tiere wie Insekten und Vögel.<br />

Das Bodenmaterial auf· den Dächern besteht aus<br />

verschiedenen Arten, Formen und Grössen von<br />

Gesteinen, sowie aus Humus. Die Schichten werden<br />

unterschiedlich hoch aufgetragen, so dass eine Art<br />

Relief entsteht, das eine Grundlage für ein Mosaik<br />

verschiedenster Pflanzengesellschaften bildet. So<br />

Abb. 4.5 Beispielfürextensiv bepflanzte Flachdächer. Siehaben einepositive Wirkungauf<br />

das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a (Zeichnung: T!Jomas C. Bien). .<br />

UNS-Fallstudie '.96<br />

201


Grünraum ---':--'- _<br />

wachsen auf trockenem, steinigem Untergrund eher<br />

wärmeresistente Pflanzenarten, aufHumus hingegen<br />

einhe<strong>im</strong>ische Krautpflanzen, die besonders viel<br />

Wasser verdunsten. Pflanzen haben zudem eine<br />

isolierende Wirkung und tragen zum Wärmehaushalt<br />

-der Gebäude bei.<br />

Die Pflege dieser Dächer erfordert nur einen<br />

geringen' Aufw<strong>and</strong>, da diese Flächen mehr oder<br />

weniger sich selbst überlassen werden.<br />

4.6 Auf den Plattformen<br />

Die Plattformen sind halböffentliche Räume, die in<br />

Privatbesitz, aber öffentlich zugänglich sind. Eine<br />

wichtige Voraussetzung für deren Akzeptanz und<br />

intensiven Nutzung schafft die auf individuelle<br />

Bedürfnisse abgest<strong>im</strong>mte kooperative Planung der<br />

Detailgestaltung. .<br />

Die Plattformen eignen sich besonders für soziale<br />

Kontakte, aber auch für den Rückzug durch Ruhe~<br />

suchende und je' nach Grösse der Plattform können<br />

beide Nutzungen getrennt oder auch auf derselben<br />

Fläche stattfinden. Dazu sollen einladende und<br />

interessant gestaltete Treppen die Menschen von der<br />

---'--_ _---_.<br />

Strasse herauflocke.n. Es gibt auch einen kinderwagen-<br />

und rollstuhlgerechten Aufgang.<br />

Im Laufe der Zeit können sich die Bedürfnisse der<br />

NutzerInnen verändern. Deswegen ist es wichtig,<br />

dass der Bodenbelag auf die variierenden Ansprüche<br />

hin geändert werden kann, indem er weitgehend<br />

unversiegelt bleibt. So kann z.6. feiner Kies oder<br />

S<strong>and</strong> als Unterlage von Sitzbereichen vor Cafes<br />

dienen. Ebenso sollten mobile Elemente zum Einsatz<br />

kommen, indem z.B. Wege mit Platten gelegt<br />

werden. Diese ermöglichen zudem Menschen mit<br />

Rollstühlen und Kinderwagen eine Benutzung der<br />

Plattform.<br />

Die Plattformen sollten aber auch am Abend<br />

belebt sein, was durch Bars und Restaurants, die<br />

besonders abends geöffnet sind, gefördert wird.<br />

Pergolen und einzelne .Sträucher oder Bäume<br />

bilden Nischen, die von Einzelnen als Rückzugsund<br />

Erholungsmöglichkeit genutzt werden können.<br />

Gleichzeitig dienen sie als Sichtschutz vor neugierigen<br />

Blicken aus umliegenden Gebäuden. Hüfthohe<br />

Hecken und Geländer am R<strong>and</strong>e der Plattform beugen<br />

Unfallen vor.<br />

An ürten, die wenig betreten werden, kann<br />

sich die Vegetation unbeeinflusst entwickeln. Der<br />

Mensch n<strong>im</strong>mt nur durch fördernde,<br />

naturverträgliche Pflege an diesen<br />

ürten auf die Vegetation Einfluss ­<br />

ein Vorgehen, das nur geringe Kosten<br />

verursacht. An vom Menschen<br />

gestalteten Plä.tzen lassen sich z.B.<br />

Blumen in Töpfen anpflanz«n.<br />

Die gesamte Vegetation auf der<br />

Plattform bietet Lebensraum für Insekten<br />

und Vögel. Das Beobachten<br />

dieser Tiere und auch die sich'mit<br />

den Jahreszeiten verändernde Vegetation<br />

ermöglicht den Menschen,<br />

die Natur auch auf der Plattform<br />

zu erleben. Eine weitere belebende<br />

Anregung der Sinne, aber auch<br />

Entspannung bietet ein plätscherndes<br />

Wasserspiel.Wasser und Pflanzen<br />

tragen zu einem angenehmen<br />

Kl<strong>im</strong>a auf der Plattform bei.<br />

Abb. 4.6 Aufden Plattformen können beispielsweise Cofes eingerichtet werden (Zeichnung: Thomos<br />

C. Biet-i).<br />

202 UNS-Fallstudie '96


________________________________________Grünraum<br />

.5. Fazit<br />

5.1 Zum normativen St<strong>and</strong>punkt<br />

der Synthese<br />

Wir haben in der Teilprojektphase bewusst drei<br />

verschiedene normative St<strong>and</strong>punkte eingenommen:<br />

den bioökologischen, den umwelthygienischen und<br />

den sozialen. Von jedem St<strong>and</strong>punkt aus entwickelten<br />

wir je ein disziplinär opt<strong>im</strong>iertes Idealbild für<br />

die Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN, das die jeweilige<br />

Funktion der Grünräume aufwerten sollte.<br />

Durch die Befragung der VertreterInnen der Interessengruppen<br />

gewannen wir deren normativen St<strong>and</strong>punkt<br />

hinzu.<br />

Es entst<strong>and</strong> nun die Frage nach der Rolle, die<br />

durch den/die Umweltnaturwissenschafterln eingenommen<br />

werden kann:<br />

a) Der/die ökologisch engagierte UmweltnaturwissenschafterIn<br />

Er/sie vertritt die Interessen d~r Ökologie, erstens<br />

bioökologisch auf das ZZN bezogen, zweitens global<br />

vor dem Hintergrund des Konzeptes der «Nachhaltigkeit»<br />

(vgl. Kap. 1.2 GRUNDLAGEN UND ZIELE DER<br />

SYNTHESEGRUPPE). Ökologisch engagierte UmweltnaturwissenschafterInnen<br />

sind <strong>im</strong> ZZN Akteure unter<br />

vielen.<br />

b) Der/die vermittelnde UmweltnaturwissenschafterIn<br />

Umweltnaturwis.senschafterlnnen sind Experten <strong>im</strong><br />

Lösen realer ökologischer Probleme (Frischknecht,<br />

1996). Deshalb wird innerhalb des gesellschaftlichen<br />

.Rahmens ein realisierbares Pareto-Opt<strong>im</strong>um als<br />

Lösung des Interessenkonflikts <strong>im</strong> ZZN gesucht.<br />

Hier sind die Umweltnaturwissenschafterlnnen also<br />

nicht Akteure, sondern Mediatoren in einem sozialen<br />

Verh<strong>and</strong>lungsprozess. Mediatorlnnen benötigen<br />

Wissen über den gesamten, komplexen Verh<strong>and</strong>lungsgegenst<strong>and</strong>.<br />

Sie können ihr Wissen als Infor~<br />

mation in die Verh<strong>and</strong>lungen einbringen, behalten<br />

aber <strong>im</strong>mer eine grundsätzlich «neutrale» Position.<br />

Die Rolle des/der vermittelnden, moderierenden<br />

Naturwissenschafterln wurde in den Raum-Nutzungs­<br />

Verh<strong>and</strong>lungen der UNS-Fallstudien 1994 und 1995<br />

(Scholz et al., 1995, 1996) sowie in <strong>and</strong>eren Projekten<br />

(Renn, 1994b; Renn & Webler, 1992) eingenommen.<br />

Der vorliegende Ansatz<br />

Innerhalb des vorliegenden Projekts wurde bei<br />

der Formulierung der Syntheseidee die Position<br />

(b) des/der vermittelnden Umweltnaturwissenschafterln<br />

eingenommen. Da bereits ·aus der Befragung<br />

ersichtlich war, dass sich die VertreterInnen der<br />

Interessengruppen in ihren wese.ntlichenAnliegen<br />

nicht signifikant unterschieden, konnte deren St<strong>and</strong>punkt<br />

auch ohne moderierte Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

darstellt werden. Die Leitplanken zur<br />

Ausgestaltung der wichtigsten Anliegen der InteressenvertreterInnen<br />

sind vom St<strong>and</strong>punkt (a), dem<br />

des/der ökologisch engagierten UmweltnaturwissenschafterIn,<br />

formuliert.<br />

5.2 Methodendiskussion<br />

Der Hauptbest<strong>and</strong>teilder vorliegenden Untersuchung,<br />

die sozialwissenschaftliche Erhebung der<br />

Kriterienbewertung durch VertreterInnen verschiedener<br />

Interessengruppen, wurde mit einem sogenannten<br />

Explorationsparcours durchgeführt. Diese<br />

Methode beinhaltete <strong>im</strong> wesentlichen die Befragung<br />

anh<strong>and</strong> von MAUD und einen Fragebogen zur<br />

Erfassung der Bewertung einer weiteren Anzahl von<br />

Kriterien zur Grünraumgestaltung.<br />

Insgesamt .kann festgestellt werden, dass die<br />

getroffenen statistischen Signifikanzaussagen aufgrund<br />

der Fallzahl von n = 20 bei fünf Interessengruppenmit<br />

Vorsicht interpretiert werden müssen.<br />

Dass trotzdem einige der Hypothesen über Unterschiede<br />

zwischen den Interessengruppen hinsichtlich<br />

ökologischen, ökonomischen und sozialen<br />

Gestaltungskriterien (z.B. Unterschiede zwischen<br />

«Investorlnnen» und <strong>and</strong>eren Gruppen) bestätigt<br />

werden konnten, spricht für den gewählten Ansatz.<br />

Der Ansatz der multiattributiven Entscheidungstheorie<br />

geht davon aus, dass sich die Lösung komplexer<br />

Entscheidungsprobleme durch die Gewichtung<br />

von Einzelkriterien finden lässt. Dies gilt sicher<br />

für Personen, die eine eher analytische Art der<br />

Problemlösung bevorzugen (Scholz, 1987). Bei eher<br />

intuitiv entscheidenden Personen kann dieser Ansatz<br />

zu Fehlklassifikationen führen.· Ein Beispiel<br />

hierfür ist die Fokussierung nur eines Kriteriums zur<br />

Entscheidungsfindung durch zwei Personen (vgl.<br />

Kap. 3 ERGEBNISSE). Diese Problematik ist innerhalb<br />

der Untersuchung zwe<strong>im</strong>al aufgetreten.<br />

Für die Bewertung durch MAUD wurden drei<br />

soziale, zwei ökologische, zwei umwelthygienische<br />

und ein ökonomisches Kriterium ausgewählt. Die<br />

soziale Variante könnte dadurch bei der Berechnung<br />

des Gesamtnutzens der einzelnen Varianten<br />

überbewertet worden sein. Bei einer geringeren<br />

Betonung der sozialen Kriterien durch die Befragten<br />

kann jedoch auch der umgekehrte Effekt auftreten.<br />

Die soziale Variante wird hierdurch unterbewertet.<br />

Wie in vielen Untersuchungen zur Kriterienbewertung,<br />

konnten die TeilnehmerInnnen der Untersuchung<br />

nur vorgegebene Kriterien, deren Idealpunkt<br />

theoretisch abgeleitet wurde, bewerten.<br />

Durch die Vorgabe der wissenschaftlich begründeten<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

. 203


Grünraum ...:.... ~<br />

Kriterien kann man einerseits weitere Kriterien,<br />

die den Befragten wichtig sind, nicht erfassen, hat<br />

aber <strong>and</strong>ererseits die Möglichkeit, quantitativer<br />

Hypothesenprüfungen. In der vorliegenden Untersuchung<br />

waren z.B. die beiden ökologischen Kriterien<br />

Naturnähe und Artenvielfalt für einzelne Befragte<br />

schwer unterscheidbar. Zusammen könnten diese<br />

beiden Kriterien deshalb <strong>and</strong>ers gewichtet worden<br />

sein, ~ls wenn nur nach einem Kriterium Naturnah<br />

undmöglichst vielfältig gefragt worden wäre.<br />

Um genaue Aussag~n über die Reliabilität und<br />

Validität der Ergebnisse von MAUD machen zu<br />

können, sind jedoch systematische exper<strong>im</strong>entelle<br />

oder quasi-exper<strong>im</strong>entelle Analysen notwendig. Den<br />

AutorInnen sind solche Prüfungen jedoch nicht<br />

bekannt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind Bewertungen<br />

in dieser Hinsicht spekulativ.<br />

Der Vorteileines Verfahrens wie MAUD liegt unter<br />

<strong>and</strong>erem darin, verschiedene Kriterien vergleichen<br />

zukönnen und festzulegen, welches Kriterium wichtiger<br />

erscheint. Die <strong>im</strong> Anschluss an die MAUD­<br />

Untersuchung durch einen Fragebogen einzeln zu<br />

bewertenden Kriterien, wurden allesamt ähnlich<br />

hoch bewertet. Anh<strong>and</strong> dieses Fragebogens konnte<br />

also nicht zwischen der Wichtigkeit verschiedener<br />

Kriterien der Grünraumgestaltung für verschiedene<br />

Interessengruppen diskr<strong>im</strong>iniert werden. Dagegen<br />

traten bei der MAUD-Untersuchung statistisch signifikante<br />

Unterschiede hinsichtlich der Bewertung<br />

der Kriterien auf.<br />

Die Stärke der gesamten Untersuchung liegt sicher <strong>im</strong><br />

Bereich der Integration bzw. Synthese von Erkenntnissen<br />

aus verschiedenen Disziplinen. Die Entwicklung von<br />

Kriterien zur Grünraumgestaltung <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong> wurde hierdurch interdisziplinär angegangen. VielleiCht<br />

ist gerade diese Herangehensweise ein Grund<br />

für die Ähnlichkeit der Kriterienbewertung durch<br />

die verschiedenen Interessengruppen, Auf Seiten<br />

der Methoden ist zu erwähnen, dass es wenige Feldstudien<br />

<strong>im</strong> Bereich der ~ngew<strong>and</strong>te~· Freiraumplanung<br />

gibt, die ähnlich breit abgestützte sozialwissenschaftliche<br />

Erhebungsmethoden angew<strong>and</strong>t<br />

haben, um Interessen' von NutzerInnen in die Planung<br />

einzubeziehen.<br />

5.3 Ergebnisdiskussion<br />

Der Kriterien- undMassnahmenkatalog zur Gestaltung<br />

des Grünraumes <strong>im</strong> ZZN wurde aus Literatur zu<br />

den Bereichen Ökologie, Umwelthygiene und den<br />

Sozialwissenschaften erstellt. Dieser Katalog kann<br />

für zukünftige Ausschreibungen als Grundlage<br />

dienen. Hierbei wurde darauf geachtet, dass sich die<br />

Kriterien aus den verschiedenen Bereichen nicht<br />

widersprechen. Im Rahmen einer Konsistenzanalyse<br />

wurde deutlich, dass mehr getan werden muss als<br />

einfach die verschiedenen Kriterien nebenein<strong>and</strong>er<br />

aufzulisten. Gerade Kriterien der Bereiche Ökologie<br />

und Soziales widersprechen sich möglicherweise. In<br />

letzter Konsequenz kann es beispielsweise aus ökologischen<br />

Gründen sinnvoll sein, die menschliche<br />

Nutzung best<strong>im</strong>mter Grünräume zu verhindern. Jedoch<br />

kommen diese Grünräume dann nicht der<br />

menschlichen Nutzung zugute.<br />

Bei der Befragung der Interessengruppen wurde<br />

jedoch deutlich, dass aus der Sicht der Interessengruppen<br />

Grünräume in erster Linie den Menschen zugute<br />

kommen sollen. Ökologische Kriterien treten bei der<br />

freien Meinungsäusserung zunächst in den Hintergrund.<br />

Aufgrund visueller Wahrnehmungen gewinnt der Faktor<br />

Ökologie stark an Bedeutung. In der «ganzheitlichen»<br />

Betrachtung. der Diashow wurde die Ökologievariante<br />

bevorzugt. Dies ändert sich jedoch durch ein<br />

eher analytisches Herangehen an diese Varianten. Da die<br />

Ökologicvariante - wie oben erwähnt - einige Kf.iterien<br />

enthält, die die menschliche Nutzung des Grünraums<br />

einschränken und die <strong>and</strong>eren Varianten hinsichtlich ökologischen<br />

Kriterien nur unwesentlich hinter der Ökologievariante<br />

abfallen, wird jetzt die Sozialvariante bevorzugt.<br />

Diese ambivalente Haltung wird auch durch die<br />

starke Gewichtung der Kriterien Naturnähe und<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung deutlich. Beide Kriterien sind für<br />

Grünräume erwünscht. Denkbar für die Gestaltung<br />

der Grünräume ist die Zusammenarbeit 'zwischen<br />

ÖkologieexpertInnen und NutzerInnen.<br />

Die befragten Investorlnnen bewerten die Kriterien<br />

<strong>and</strong>ers als die restlichen Interessengruppen. Für sie sind<br />

die Unterhaltskosten, die der Grünraum verursacht,<br />

wichtiger und das Kriterium Mitbest<strong>im</strong>mung bei der<br />

Gestaltung des Grünraums unwichtiger als den<br />

<strong>and</strong>eren Gruppen. Es stehen also Kostenaspekte<br />

<strong>im</strong> Vordergrund. Die Nutzung des Grünraums ist für<br />

die «InvestorInnen» weniger von Interesse. Insgesamt<br />

sind die Interessengruppen jedoch hinsichtlich der Bewertung<br />

der verschiedenen Grünraumvarianten relativ homogen.<br />

Grössere Konflikte sind hier nicht zu erwarten.<br />

Dieses Ergebnis zeigt jedoch, wie wichtig es auch<br />

bei der ökologischen Gestaltung von Grünräumen ist, die<br />

Kostenfrage mit einzubeziehen. Sie kann ja sogar ein<br />

Argument für die ökologische Gestaltung sein, da<br />

solche Grünraumtypen relativ kostengünstig sind.<br />

Ähnliche Überlegungen sollten auch für soziale Kri-<br />

. terien wie die Mitbest<strong>im</strong>mung durch NutzerInnen<br />

angestellt werden. Vielleicht können ja durch die<br />

Übernahme von Verantwortung durch NutzerInnen<br />

auch Pflegekosten eingespart Werden.<br />

Das Leitbild für die Grünräume <strong>im</strong> ZZN lässt sich<br />

durch folgende Kriterien charakterisieren:<br />

• Das Wohlbefinden des Menschen steht <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

204<br />

UNS-Fallstudie '96


________~ ~<br />

_'_<br />

~<br />

Grünraum<br />

• Grünräume sollen vielfältige Nutzul1gen zulassen<br />

und auch für Veränderungen offen sein.<br />

• Naturnahe Freiräume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />

Wohlbefinden durch ihre Erholungsfunktion, ihren<br />

Naturerlebniswert sowie durch die ausgleichende<br />

Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />

• Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge bedarf<br />

einiger, weniger intensiv genutzter Orte.<br />

• Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />

Nutzen für den Menschen soll die ökologischere<br />

Variante bevorzugt werden.<br />

• Die Grünräume sollen nicht isoliert geplant werden, '<br />

sondern in die Infrastruktur einbezogen werden.<br />

• Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />

sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert sein.<br />

Durch diese Kriterien wird der integrativeAnsatz<br />

des durchgeführten Projekts deutlich. Es wird hier<br />

versucht, die Kriterien pareto-opt<strong>im</strong>al zu gestalten.<br />

Die Bereiche Ökologie, Soziales und Umwelthygiene<br />

sollen also soweit opt<strong>im</strong>iert werden, bis kein Bereich<br />

etwas hinzugewinnen kann, ohne dass ein <strong>and</strong>erer<br />

Bereich etwas verliert.<br />

5.4 Nutzen der Arbeit der Synthesegruppe<br />

GRÜNRAUM<br />

Neben ihrem Nutzen als Lehrveranstaltung soll die<br />

Fallstudie einen wissenschaftlichen Nutzen und<br />

einen Anwendupgsbezug (praktischer Nutzen) aufweisen.<br />

Praktischer Nutzen: Auf Anregung des Gartenbauamtes<br />

der <strong>Stadt</strong> Zürich wurde ein Leitbild erarbeitet,<br />

das als Grundlage für Ausschreibungen für die Grünraumgestaltung<br />

<strong>im</strong> ZZN dienen kann. Es bleibt<br />

zu hoffen, dass, die erarbeiteten Ergebnisse und<br />

«Bilder" den Vorstellungen des' Gartenbauamtes gerecht<br />

werden und tatsächlich als Grundlage dieser<br />

Ausschreib\lngen veJ,Wendet werden können.<br />

Wissenschaftlicher Nutzen: Der gewählte Weg - die<br />

Entwicklung eines Leitbildes auf der Grundlage<br />

einer sozialwissenschaftlichen Befragung von Interessengruppen<br />

und einer umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Kriterienliste- stellt für diese Art von Planung<br />

Neul<strong>and</strong> dar. Aufbauend auf diesem Ansatz<br />

sollte als näch~ter Schritt eine nochmalige Bewertung<br />

des Leitbildes durch die InteressenvertreterInnen<br />

erfolgen.<br />

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UNS-Fallstudie '96<br />

205


Grünraum<br />

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206 UNS-Fallstudie '96


AltlastelJbearbeitulJB <strong>im</strong>· ZZN<br />

I<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung<br />

2. Grundlagen<br />

3. Die Syntbese<br />

4. Scblussbemerkungen<br />

209<br />

212<br />

228<br />

242<br />

Autor/n"en<br />

jörg Cahenzli<br />

Susanne U1bricb<br />

Armin Heitzer (Tutor)<br />

Ruedi Schwarzenbacb (Tutor)<br />

Aufbauend aufden Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Synthesegruppe ALTLASTEN)<br />

Nadine Braucbli .rene Lenggenbager Barbara Sintzel<br />

jörg Cabenzli Micbael Rist Markus Stutz<br />

Urban Frei Annette Rust Susanne U1bricb<br />

Rol<strong>and</strong> Friedli Daniel Seiler Adrian Wiedmer<br />

Daniel Halder Rol<strong>and</strong> Steinmann Pia Würscb<br />

BettinaHess Marcus Sialm Oliver Zenklusen<br />

Martin Kayser Tobias Siegfried· Markus Berli ('!'Utor)<br />

Armin Heltzer (Tutor)<br />

Stefan Miscbke (Tutor)<br />

Ruedi Schwarzenbacb (Tutor)<br />

jÜfg Stäuble (Tutor)


AÜlasten<br />

-,-_<br />

208 UNS-Fallstudie '96


___________________-:----'-__--'-<br />

Altlasten<br />

1. Einführung<br />

1.1 Ausgangslage<br />

.Auf dem Areal <strong>Zentrum</strong> ZÜrich <strong>Nord</strong> (ZZN) bestehen<br />

verschiedene Altlastenverdachtsflächen. Bei<br />

Verdachtsflächen h<strong>and</strong>elt es sich um vermutete, aber<br />

noch nicht nachgewiesene, mit Schadstoffen belastete<br />

St<strong>and</strong>orte, die zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen<br />

auf die Umwelt führen können (AGW,<br />

1993). Heute prägen Industriebauten und Industriebrachen<br />

sowie zu einem kleineren Teil auch Schrebergärten,<br />

Mehr- und Einfamilienhäuser das Gebiet.<br />

Laut Entwicklungsleitbild (Ruoss & Siress, 1994;<br />

vgI. Kap. DER FALL) soll eine Mischnutzung des<br />

Areals angestrebt werden, die ein Mitein<strong>and</strong>er von<br />

Industrie, Dienstleistung und Wohnen mit der entsprechenden<br />

Lebensqualität erlaubt. Die Altlastenproblematik<br />

stellt somit eine wichtige Rahmenbedingungen<br />

für die Realisierung des «Entwicklungsleitbildes»<br />

dar.<br />

Die Bearbeitung der Altlastenproblematik erfolgte<br />

in der UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />

ausschliesslich auf dem Areal Stierenried. Dies, weil<br />

für dieses Gebiet bereits umfassende Untersuchungen<br />

vorlagen.<br />

Heute wird <strong>im</strong> Stierenried bereits gebaut. Eine der<br />

Grundeigentümerlnnen <strong>im</strong> ZZN, die Asea Brown<br />

Boveri AG, vertreten durch die ABB Immobilien AG,<br />

Baden, fasst ihre Aktivitäten (Produktion, Forschung,<br />

Engineering) <strong>im</strong> Rahmen der Umnutzungen <strong>im</strong><br />

Teilgebiet A, dem Stierenried, zusammen.. Erstellt<br />

werden ein Engineering-Gebäude TaRO I, in dem<br />

die· Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zusammengefasst<br />

werden sollen, und eine Fabrikationshalle<br />

TaRO 11.<br />

1988 nahm das kantonale Amt für Gewässerschutz<br />

und Wasserbau (AGW) zum ersten Mal Kontakt mit<br />

der ABB Immobilien AG auf. Damals teilte das AGW<br />

der ABB mit, dass auf ihrem Areal ein Altlastenverdacht<br />

bestehe. 1994 beschloss die ABB, aufdem<br />

Areal Stierenried das Projekt TaRO I und 11 zu realisieren.<br />

Über das Ausrnass der Altlast war man sich<br />

damals noch nicht <strong>im</strong> klaren. Für genauere Untersuchungen<br />

wurde ein geologisches Büro mit der<br />

Altlastenbearbeitung beauftragt.<br />

Bereits Ende 1994 verfügte das AGW, dass die<br />

Altlast, bei welcher es sich vorwiegend um Altablagerungen<br />

industrieller Herku·nft h<strong>and</strong>elte, nicht<br />

gesamthaft dekontaminiert werden müsse. Der Entscheid<br />

für eine Sicherung dieser eigentlichen Deponie<br />

wurde. am 23. Januar 1995 definitiv gefallt. Die<br />

Deponie Stierenried soll in Zukunft durch eine<br />

Oberflächenabdichtung und Drainagen zur Fixierung<br />

des Grundwasserspiegels trocken gehalten und<br />

somit gesichert werden. Verhältnismässigkeits- und<br />

gesamtökologische Überlegungen waren nach Aussagen<br />

der Gutachter Gründe für diesen Entscheid.<br />

1.2 Fragestellungen und Zielsetzung<br />

Die Altlast auf dem Stierenried stellt eine wichtige<br />

Rahmenbedingung für das auf dem Areal stattfindende<br />

«Flächenrecycling» dar. Brachliegende<br />

Flächen werden dabei neu genutzt, <strong>and</strong>ere werden<br />

dadurch frei. Nachdem der Entscheid für eine<br />

Sicherungsmassnahme bereits erfolgt ist, stellt sich die<br />

Frage nach der Opt<strong>im</strong>ierung·der Altlastenbearbeitung<br />

bei derartigen Vorhaben. Auch die Frage nach<br />

den angestrebten Zielen bei einer Altlastenbearbeitung<br />

und den dazu zu betrachtenden Aspekten und<br />

Kriterien ist nicht abschliessend geklärt. Als übergeordnete<br />

Fragestellung wurde in der Synthesegruppe<br />

folgender Arbeitstitel gewählt:<br />

Diese Fragestellung bedingte die Bearbeitung der<br />

Altlastenproblematik auf verschiedenen Ebenen.<br />

1. Beurteilung von verschiedenen Sanierungsvarianten<br />

Hier sollte untersucht werden, welche Sanierungsverfahren<br />

für die Deponie Stierenried in Frage kom- .<br />

men. Dazu waren ein gründliches Verständnis des<br />

Falls sowie Kenntnisse über die technischen Möglichkeiten<br />

und Kosten der einzelnen Sanierungsverfahren<br />

notwendig.<br />

Dieser Teil der Synthese sollte Wege aufzeigen,<br />

wie Sanierungsvarianten bewertet werden könnten.<br />

Als Voraussetzung dafür wurden Begriffe wie «Verhältnismässigkeit»<br />

und «Nachhaltigkeit» analysiert.<br />

2.Altlosten in einem sich verändernden Umfeld<br />

Die Geschichte der Deponie Stierenried erfasste die<br />

zeitliche D<strong>im</strong>ension dieses Altlastenproblems und<br />

lieferte Ansätze, wie die Entstehung neuer Altlasten<br />

vermieden werden könnte.<br />

Prognosen über die Zukunft der Altlast Stierenried<br />

wurden <strong>im</strong> .zusammenhang mit veränderten Rahmenbedingungen<br />

erstellt. Dies beinhaltet auch<br />

Aussagen darüber, was die Deponie Stierenried in<br />

Zukunft für das ehemalige Industrieareal ZZN und<br />

seine weitere Nutzung bedeuten wird.<br />

3. Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung<br />

Für eine effizientere Bearbeitung von Altlastenfällen<br />

kann auch die Zusammenarbeit unter den Betroffenen<br />

opt<strong>im</strong>iert werden. Das Aufzeigen von Inter-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

209


Altlasten --- _<br />

essen- und Verfahrenskonflikten diente als Basis für<br />

einen Entwurf eines «effizienten Entscheidungsmanagements<br />

von Altlastenfallen~). Diese Anregungen<br />

betreffen Verfahrensabläufe 'innerhalb von<br />

Ämtern sowie zwischen Amt und Bauherr.<br />

Aufgrund von Protokollanalysen der zurückliegenden<br />

Altlastenverh<strong>and</strong>lungen zum Fall Stierenried,<br />

Interviews mit den beteiligten Akteuren und der<br />

Auswertung eines Planspiels sind Vorschläge erarbeitet<br />

worden, um den Prozess der Entscheidungsfindung<br />

zu opt<strong>im</strong>ieren. Im Rahmen des. Planspieles<br />

wurde der Verh<strong>and</strong>lungsprozess mit fachkompetenten<br />

Hochschulassistenten s<strong>im</strong>uliert.<br />

Mit dem Bewertungsrasterfür die Auswahl von<br />

Sanierungsvarianten und dem Verfahrensvorschlag<br />

,zur' Einbeziehung zukünftiger Entwicklungen auf<br />

heutige Entscheitlungen wollten wir Behörden und<br />

Bearbeitungsbüros ansprechen. Die Thesen zur<br />

Opt<strong>im</strong>ierung der Altlastenbearbeitung könnten für<br />

BesitzerInnen' altlastenverdächtiger Grundstücke<br />

und Bauherren, die auf ihrem Grundstück unerwarteterweise<br />

eine Altlast entdeckt haben, von Interesse<br />

sein.<br />

1.3 SyntlJesekonzept lind VorgelJensweise<br />

Das Vorgehen der Gruppe wurde auf die Untersuchung<br />

der Entscheidungsprozesse <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit der Altlastenproblematik des Stierenrieds<br />

ausgerichtet. Dabei wurden zuerst die Entscheidungsgrundlagen<br />

wie die stoffliche Situation, die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen, die mö~lichen<br />

Sanierungsalternativen und die Rollen der' Akt~ure<br />

untersucht.<br />

Für die Zusammenführung dieser Grundlagen<br />

wurde ein eigenes Synthesekonzept (siehe Abb.<br />

1.3.1) entwickelt. Ausgehend von einer Fallanalyse<br />

anh<strong>and</strong> bestehender Datengrundlagen wurden dabei<br />

verschiedene Sanierungsalternativen verglichen und<br />

bewertet. Dies entspricht einem Vorgehen analog<br />

zum Risikoh<strong>and</strong>lungsmodell (Scholz et al., 1996a).<br />

Konkret wurde versucht, verschiedene Möglichkeiten<br />

dei Sanierung des Stierenrie4s so zu bewerten,<br />

dass auch zukünftige Entwicklungen der Rahmenbedingungen<br />

in die Überlegungen einbezogen wurden.<br />

Um die Bewertung aus einer längerfristigen<br />

Perspektive vorzunehmen, wurde versucht, 'die<br />

'Unsicherheiten zukünftiger Entwicklungen in sogenannten<br />

Zukunftsbildernzu erfassen. Die Zukunftsbilder<br />

umfassen die qualitative Beschreibung eines<br />

möglichen Zukunftszust<strong>and</strong>es und des Weges zu diesen<br />

Zuständen. Die Bewertung erfolgte dann aus der<br />

Perspektive dieser Zukunftsbilder.. Das' Vorgehen<br />

der Erfassung von möglichen Zukunftszuständel1: in<br />

Zukunftsbildern lehnt sich eng an die Szenarioanalyse<br />

an, stelltjedoch <strong>im</strong> Gegensatz zur formativen<br />

Szenarioanalyse ein rein qualitatives Vorgehen dar.<br />

Die eigentliche Bewertung der Sanierungsvarianten<br />

wurde auf die multiattributive Entscheidungstheorie<br />

abgestützt (vgl.' Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRONRAUM).<br />

Zur Strukturierung der Bewertungsvorgängewurde<br />

ein computergestütztes Entscheidungshilfesystem<br />

(Logica/ Decisions) verwendet.<br />

Das gewählte Synthesemodell lässt sich auch als<br />

eine Form des Brunswikschen Linsenmodells<br />

(Scholz et aI., 1996b) begreifen (siehe Abb. 1.3.2).<br />

Ausgehend von einer Charakterisierung des Falls<br />

und der möglichen H<strong>and</strong>lungsalternativen wird aus<br />

der Perspektive dreier Zukunftsbilder (SI bis S3)<br />

eine Bewertung durchgeführt und die Bewertungen<br />

anschliessend verglichen.<br />

Nach der Zieldefinition wurden vier Gruppen<br />

gebildet, die während den fünf Wochen der 2. Fallstudienphase<br />

(sog. «Teilprojektphase») folgende<br />

Teilprojekte bearbeiteten:<br />

Das Teilprojekt STOFFLICHE VERGANGENHEIT,<br />

GE-,<br />

GENWART UND ZUKUNFT DER ALTLAST STIEREN/lIED<br />

erstellte mit Hilfe der vorliegenden Untersuchungsberichte<br />

der Altlast Stierenried (Jäckli, 1995a und<br />

1995b; Link, 1995) Unterlagen zur Charakterisierung<br />

Sanierungsvarianten<br />

Bewertung der Varianten unter den<br />

verschiedenen ZUkunftsblIdem<br />

Vergleich der verschiedenen<br />

Bewertungen<br />

Charakterisierung<br />

des Falls und der<br />

Sanierungsvarianten<br />

Sanierungsvarianten z. B.:<br />

• Nullvariante<br />

• SicherungJKonservierung<br />

• Teilsanierung<br />

• Totalsanierung!<br />

Dekontamination<br />

Wirtschaft<br />

Gesellschaft<br />

Ökologie<br />

Technik "<br />

GeselzelPolnik<br />

Bewertung der Varianten<br />

unter Zukunftsbild 1<br />

Bewertung der Varianten<br />

unter Zukunftsbild 2<br />

Bewertung der Varianten<br />

unter Zukunftsbild 3<br />

Abb. 1.3.1 Vorgehen: Anh<strong>and</strong>von<br />

Zukunftsbildern<br />

wurden die Varianten bewertet<br />

und die verschiede:<br />

nen Bewertungen unterein<strong>and</strong>er<br />

verglichen.<br />

210<br />

UNS-Fallstudie '96


~ --,- Altlasten<br />

Charakterisierung des<br />

Falls und der Sanierungsmassnahmen<br />

Bewertung der Sanierungsvarianten<br />

und Vergleich der<br />

Bewertungen<br />

Abb. 1.3.2 Analogie des gewählten<br />

Synt!lesekonzepts zum Brunswiksc!len<br />

Linsenmodell. Von einer Fall- und<br />

Massna!lmenbesc!lreibung werden die<br />

Mossna!lmen unter versc!liedenen Zukunftsbilderu<br />

bewertet und dadurc!l<br />

versuc!lt,.eine langfristige Perspektive<br />

einzune!lmen.<br />

der Altlast in ihrer historischen, technischen, stofflichen<br />

und räumlich-zeitlichen D<strong>im</strong>ension. Dabei<br />

wurden die Grundlagen für die weitere Synthesearbeit<br />

erstellt.<br />

Im Teilprojekt SANIERUNGS- UND. SICHERVNGS­<br />

VARIANTEN IM ZZNwurden mögliche Massnahmenfür<br />

die Sanierung oder Sicherung der Altlast Stierenried<br />

erarbeitet. Nach einer Einarbeitung in die Sanierungstechnik<br />

und in die Methoden zur Auswahl<br />

von Sanierungsverfahren wurden einige sinnvoll<br />

erscheinende Massnahmen ausgewählt. In einem<br />

2. Schritt wurden diese genauer beschrieben. Die<br />

Ergebnisse beruhen auf Literaturarbeit, Dokumentenanalysen<br />

und einer qualitativen Bewertung der<br />

Sanierungsvariantenanh<strong>and</strong> eines von diesem Teilprojekt<br />

erstellten Kriterienkatalogs.<br />

Die Hauptaufgabe des Teilprojektes DIE GESETZE<br />

UND IHRE WIRKUNG AUF DIE ALTLAST IM ZZN best<strong>and</strong><br />

in der Aufarbeitung der' relevanten rechtlichen<br />

Grundlagen. Schwerpunkte waren dabei die gesetzlichen<br />

Grundlagen auf kantonaler wie auch auf<br />

Bundesebene, die Ziele der Altlastenbearbeitung<br />

, <strong>im</strong> K~nton Zürich, rechtliche Fragen der Haftung<br />

sowie die Klärung der Begriffe «verhältnismässig»<br />

und «wirtschaftlich tragbar». In'der Bearbeitung<br />

auftauchende Gesetzeslücken wurden zusammengetragen.<br />

Die Betrachtung der Wirkungspfadeund<br />

Schutzgüter <strong>im</strong> Stierenried war eine weitere Grundlage<br />

zur vergleichenden Bewertung der Massnahmen<br />

in der Synthesephase.<br />

Das vierte Teilprojekt ENTSCHEIDUNGSMANAGEMENT<br />

IN DER ALTLASTENBEARBEITUNG leistete einen Beitrag,<br />

die Altlastenproblematik <strong>im</strong> Stierenried aus Sicht der<br />

Betroffenen besser zu verstehen. Dazu wurden die<br />

wichtigsten Akteure identifiziert sowie Abläufe und<br />

Charakteristika der Entscheidungsfindung unter-,<br />

sucht. In einem weiteren Schritt wurden altlastentypische<br />

Konflikte identifiziert und analysiert. Aus<br />

diesen Grundlagen wurden Thesen zu einem opt<strong>im</strong>alen<br />

Entscheidungsmanagement entwickelt. Die<br />

Arbeit basierte <strong>im</strong> wesentlichen auf der Analyse<br />

von Sitzungsprotokollen, Interviews mit Akteuren<br />

und einem Planspiel.<br />

Ansc;:hliessend wurden die in der Teilprojektphase<br />

evaluierten Sanierungsvarianten bewerret (siehe<br />

Abb. 1.3.1). Zu diesen zählten die Sicherung mittels<br />

Obetflächenabdichtung, die Hydraulische in situ Sanierung,<br />

die Bodenwäsche und die sog. Nullvariante. Bei<br />

der Erarbeitung der Bewertungskriterien stützte sich<br />

die Synthese auf ,ein mögliches Bewertungsraster,<br />

um die Varianten anh<strong>and</strong> der Diskrepanze"n zwischen<br />

Zielen,(z.B. 'Grenzwerten) und den Eigenschaften<br />

von Lösungen (z.B. erreichbaren Werten) zu 'ver~<br />

gleichen und zu bewerten. Um die Altlast in einem<br />

sich ändernden Umfeld zu beh<strong>and</strong>eln, wurden parallel<br />

dazu drei Zukunftsbilder entwickelt, auf deren<br />

Grundlage die Tauglichkeit der vier Sanierungsvarianten<br />

in den nächsten 70 Jahren beurteilt werden,<br />

konnte. Die Zukunftsbilder dienten dazu, die Bewertung<br />

aus der Sicht möglicher Zukunftszustände<br />

vorzunehmen. Der Bewertungsschritt wurde mit<br />

Hilfe des Computerprogramms Logical Decisions<br />

(Smith, 1995) vorgenommen. Abschliessend wurden<br />

die Bewertungen bezüglich ihrer Bewertungsstruktur<br />

verglichen. '<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

211


Altlasten .,..- _<br />

2. .Grundlagen<br />

Altlasten sind mit Schadstoffen belastete St<strong>and</strong>orte<br />

von Ablagerungen, Anlagen und Unfallen, für die<br />

nachgewiesen ist, dass sie zu schädlichen oder lästigen<br />

Einwirkungen auf die Umwelt führen oder bei<br />

denen die Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen<br />

entstehen (BUWAL, 1995). Altlasten werden begrifflich<br />

oft in Altst<strong>and</strong>orte und Altablagerungen unterteilt.<br />

Bei Altst<strong>and</strong>orten h<strong>and</strong>elt es sich um alte Industrieoder<br />

auch Bergwerkst<strong>and</strong>orte, während Altablagerungen<br />

geordnete oder ungeordnete Deponien von<br />

Industrie, Gewerbe- oder Siedlungsabfällen umfassen<br />

können (Bank, 1993). Zu einer Altlast gehören<br />

auch die sich an diesen St<strong>and</strong>orten befindlichen,<br />

mit Schadstoffen belasteten Feststoffe wie Bausubstanz,<br />

Boden und Untergrund (BUWAL, 1995).<br />

Übersichten zur Altlastensituation sowie zu Zielsetzungen<br />

und Vorgehen bei der Altlastenbearbeitung<br />

in der Schweiz und <strong>im</strong> Kanton Zürich finden sich in<br />

BUWAL (1,994) und AGW (1993). Eine neuere allgemeine<br />

Übersicht zur Altlastensituation in Deutschl<strong>and</strong><br />

findet sich in RSU (1995).<br />

2.1<br />

Altlastenbezogene Arealgeschichte<br />

Die nachfolgenden Ausführungen zur Arealgeschichte<br />

basieren auf den Ausführungen in Jäckli (1995a).<br />

Für eine ausführliche Darstellung der Arealgeschichte<br />

vgl. Kap. DER FALL<br />

Abb. 2.1.2 Skizze zurAblagerungsweise.<br />

Abb. 2.1.1 Heute wertlen nach tlem Aushub 4er Altablagerungentlie verschietlenen Fraktionen tlirekt auf<br />

tier Baustelle voneinantlergetrennt. Zut/em wert/en recyclierbare ot/er verwertbare unt/ brennbare Materialien<br />

aussortiert (BiM: Michael Meier).<br />

Deponie<br />

Die 1886 gegründete MaschinenJabrik Oer/ikon<br />

(MFO) kaufte zwischen 1914 und 1919 das Gebiet<br />

Stierenried zur Erweiterung ihres Industrieareals.<br />

Nachdem anfänglich auf dem Areal für die eigene<br />

Gasproduktion noch Torf abgestochen worden war,<br />

wurde das Riedl<strong>and</strong> nach Ende des ersten Weltkrieges<br />

sukzessive aufgefüllt (Abb. 2.1.2). Zur Ablagerung<br />

gelangten v.a. Produktionsabfalle, d.h. Giessereis<strong>and</strong>e,<br />

Schlacken, Metallreste, Isolationsmaterial,<br />

etc. Das Areal Stierenried wurde als «firmeneigene<br />

,Grossdeponie» verwendet, bis 1965 die umfangreichen<br />

Ablagerungen eingestellt wurden.<br />

Zwischen 1920 und 1982 wurden auf der Deponie<br />

verschiedene Produktionsgebäude, Prüfanlagen und<br />

Lagerhallen gebaut. Diese verursachten durch den<br />

Bau und Betrieb eine Verunreinigung der Bausubstanz<br />

und des Untergrundes u.a. mit Kohlenwasserstoffen<br />

(KW), Polyzyklischen aromatischen<br />

Kohlenwasserstoffen (PAK), chlorierten Kohlenwasserstoffen<br />

aus Lösungsmitteln (CKW), Polychlo-<br />

. rierten Biphenylen (PCB),<br />

Phenolen und Asbest.<br />

Es ist anzunehmen, dass<br />

von allen Produktionsstufen<br />

<strong>im</strong> Laufe der Jahrzehnte<br />

Abfalle auf der Deponie<br />

Stierenried abgelagert wurden.<br />

Die Mengen einzelner<br />

Abfallgattungen sind durch<br />

geschichtliche Rekonstruktionen<br />

nicht mehr lokalisierbar.<br />

Die historischen<br />

Nachforschungen lassen jedoch<br />

die Vermutung zu,<br />

dass die Deponie Stierenried<br />

zu 80% aus Abfallen der<br />

Graugussherstellung besteht.<br />

Bei den restlichen<br />

20% h<strong>and</strong>elt es sich um bedingt<br />

brennbare Abfalle<br />

wie lackisoliertes Kupfer,<br />

nicht brennbare Fabrikabfalle<br />

wie Isolatoren und<br />

Metalllegierungen, Bauschutt<br />

und Gartenabfalle.<br />

212 UNS-Fallstudie '96


-- ------------Altlasten<br />

2.2 Die Altlast, eine Übersicht<br />

2.2.1 Inventar der Deponie<br />

Das gesamte Deponievolumen auf dem Areal<br />

Stierenried wird auf 350'000m 3 geschätzt, wovon<br />

ca.. 180'000 m 3 <strong>im</strong> Projektgebiet des TaRO I und<br />

TaRO II liegen (Jäckli, 1995a; vgl. a. Abb. 2.2.1.2).<br />

Der {\nalyse.der verschiedenen Sanierungsvarianten<br />

legen wir ein Volumen von 180'000 m 3 zugrunde.<br />

Die durchgeführten Sondierungen konnten die<br />

Vermutung bestätigen, dass der Aufbau der Auffüllung<br />

aufgrund der Ablagerungsweise sehr heterogen<br />

ist. Die Mächtigkeit der Auffüllung beträgt generell<br />

3-4 m, an vereinzelten Stellen auch bis zu 6 m. Das<br />

Auffüllmaterial besteht aus Produktionsabfällen der<br />

ehemaligen MFO wie Schlacke, Giessereis<strong>and</strong>,<br />

Plastik, Porzellanteilen, Kunstharz, Draht, allerlei<br />

Metallteilen, vermischt mit Abbruchmatvrial, d.h.<br />

Ziegelsteinen, Betonbruchstücken, Glas und Holz.<br />

Es wurden auch Autoreifen, Textilreste und Grasreste<br />

gefunden. Diese deuten darauf hin, dass auch<br />

Hauskehricht und Grünabfälle abgelagert worden<br />

sind.<br />

Zur Abschätzung der Gesamtmenge an Schadstoffen<br />

in der Deponie wurden die verschiedenen<br />

Proben analysiert und die Konzentrationen mit Hilfe<br />

des geschätzten Deponievolt<strong>im</strong>ens auf das Projektgebiet<br />

hochgerechnet (Link, 1995). .J)ie Ble<strong>im</strong>enge<br />

wurde in der Deponie auf 57 Tomien geschätzt, die<br />

Belastung durch Zinn auf 17 Tonnen. Es wird angenommen,<br />

dass sich 14 Tonnen Nickel und 19b Tonnen<br />

Kohlenwasserstoffe <strong>im</strong> Projektgebiet des TaRO<br />

befinden. In Tab. 2.2.1 (siehe<br />

nächste Seite) werden die<br />

Schadstoffe angeführt, bei<br />

denen ein Teil der Proben die<br />

Richt- oder Grenzwerte überschreiten.<br />

Die· Detailuntersuchungen<br />

zeigten, dass das Deponiematerial<br />

in einigen Proben<br />

hohe Gehalte an Metallen<br />

und organischen Verbindungen<br />

(KW, PAK) aufweist.<br />

==-F----<br />

A<br />

TaRO 11<br />

Projektareal «Stierenried.<br />

_-----1<br />

=----- .. I<br />

nstrasse _ ~<br />

Neunbrunne<br />

__- . . I<br />

-<br />

TaRO I<br />

-<br />

G><br />

f---<br />

'"<br />

f---<br />

~<br />

üi<br />

f---- .


Altlasten ~_'_ _<br />

Stoff<br />

geschätzte Menge<br />

(tl<br />

mittlere Konzentration<br />

(mg/kgTSI<br />

Richt-oder Grenz~<br />

wert für Inertstoffqualität<br />

(mg/kgTSI<br />

Anteil der Messwerte<br />

über dem'<br />

Richtwert<br />

Kommentar<br />

Arsen<br />

Kupfer<br />

Quecksilber<br />

Zink<br />

4<br />

390<br />

175<br />

190<br />

14<br />

0.24<br />

11<br />

1083<br />

500<br />

38% Interventionswert:<br />

2000mg/kg;<br />

ökotoxisch poten-<br />

.................. . ~ierende Wirkung<br />

0.7<br />

2<br />

10% Interventionswert:<br />

486<br />

528<br />

39<br />

1000<br />

500<br />

10<br />

Interventionswert:<br />

......................................................................................................................................s.~IJ.lWJ


-'---------------,------- ----~------- Altlasten<br />

ZuF<br />

68'000 -'-181'000<br />

Abb. 2.2.2.2 Schätzung der Sicker- und Grundwosser/lüsse (in nz3 pro<br />

Jahr) <strong>im</strong> Stierenriid (NS = Niederschlag, AL = Altlast Stierenried, SW =<br />

.Sickp-wossermenge, ZuF =Grundwasserzufluss, GW=Grundwasser, AbF<br />

= Grundwasserabfluss).<br />

Weiter wurden in einigen Fassungen Anzeichen für<br />

eine starke Sauerstoffzehrung festgestellt, welche<br />

einerseits mit der Auffüllung des Stierenrieds zusammenhängen<br />

könnte, jedoch auch von naturbedingter<br />

Sauerstoffarmut<strong>im</strong> ehemaligen Torfgebiet herrühren<br />

könnte.<br />

2.2.3 Beillstllllg VOll Sickerwllsser, Grlllldwllsser IIlId<br />

Bodellglls<br />

Für die Detailuntersuchungen wurden verschiedene<br />

Arten von Wasserproben entnommeQ (Jäckli, 1995a):<br />

- Auf dem Areal wurde das Deponiesickerwasser .<br />

direkt beprobt.<br />

.-Entlang der Mischwasserkanalisation der Neunbrunnenstrasse<br />

und Birchstrasse, die als· Drainagen<br />

wirken, konnten Grundwasserproben entnommen<br />

werden.<br />

• Zudem wurden Grundwasserproben aus Bohrungen<br />

gepumpt (vgI. auch Tab. 2.2.3)..<br />

Die Messwerte untei"lagen starken zeitlichen und<br />

örtlichen Schwankungen. Die örtlichen Unterschiede<br />

sind auf die Heterogenität der Ablagerungen<br />

und Fliessverhältnisse zurückzuführen. Die zeitlichen<br />

Schwankungen können durch veränderte<br />

Umwelteinflüsse wie z.B. Niederschlagsmenge erklärt<br />

werden.<br />

Sickerwasser<br />

Die Deponiesickerwasser unterScheiden sich qualitativ<br />

stark vom Grundwasser. Im Gegensatz zum<br />

Grundwasser weisen die Deponiesickerwasser eine<br />

erhöhte elektrische Leitfähigkeit auf, was auf eine<br />

gewisse Belastung hindeutet. Bei den Untersuchungen<br />

wurden unter <strong>and</strong>erem die folgenden anorga-<br />

.nischen und organischen Stoffe nachgewiesen: Aluminium,<br />

Arsen, Barium, Bor, Chrom, Eisen, Kupfer,<br />

Zink, CKW, BTX (Benzol, Toluol; Xylol) und Naphthalin.<br />

Belastung des Grundwassers<br />

Das Grundwasser wurde an folgenden Stellen beprobt:<br />

Grundwasserfassungen Stierenried, Portier<br />

und Wohlfahrtshaus, bei neun verfilterten Bohrungen<br />

sowie bei 36 Einläufen in die Kanalisation.<br />

Parameter<br />

geschätzte<br />

Hintergrundbelastung<br />

höchster<br />

gemessener<br />

Wert<br />

Verordnung über<br />

AbwassereiDIeitungen (VAE),<br />

QuaIitätszieIe für FIiessgewässer oder<br />

EinIeitbedingungen für Gewässer<br />

SChweizerisches Lebensmittelbuch<br />

(SLB), ToIeranzwerte<br />

Vergleich mit Richt·bzw. Grenzwerten<br />

KW<br />

PAK<br />

0.56 mg/I<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

7.5 mg/I<br />

0.8 mg/I<br />

2.5 ).Ig/l<br />

10 mg/I VAF.<br />

10 mg/I VAF.<br />

0.2).1gjI SLB<br />

CKW<br />


Altlasten ~ _<br />

Neben der generell zwar tieferen elektrischen Leitfähigkeit<br />

<strong>im</strong> Grundwasser gegenüber dem Sickerwasser<br />

wurden dennoch· unter <strong>and</strong>erem die folgenden<br />

anorganischen und organischen Stoffe in jeweils<br />

unterschiedlichen Konzentrationen festgestellt: Barium,<br />

Bor, Chrom, Quecksilber, Zink,. Ammonium,<br />

Nitrit, Eisen, Mangan, CKW, Xylol, Benzol.<br />

In der Folge werden die höchsten Belastungen für<br />

einige Parameter wiedergegeben (Tab. 2.2.3). Die<br />

Messungen eines Brunnens werden separat ange- .<br />

führt, da sie als «Hintergrundbelastung» des Grundwassers<br />

auf dem Stierenned gelten könnten.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass<br />

das Deponiesickerwasser örtlich und zeitlich stark<br />

variierende Belastungen aufwies und die Anforderungen<br />

an die Einleitung in die Kanalisation stellenweise<br />

nicht zu erfüllen vermochte. Stoffliche<br />

Belastungen des Grundwassers <strong>im</strong> unmittelbaren<br />

Abströmbereich der Deponie wurden ebenfalls festgestellt.<br />

Gas<br />

Die Heterogenität der Einlagerungen widerspiegelten<br />

sich auch in der unterschiedlich starken Gasproduktion.<br />

Besonderes Augenmerk verdient die<br />

Methanproduktion. An einigen ürten liegen die<br />

Methankonzentrationen <strong>im</strong> Bodengas mit 5.7%<br />

leicht über der unteren Explosionsgrenze. Daneben<br />

wurden vereinzelt leicht erhöhte Gehalte an Wasserstoff<br />

und Kohlendioxid festgestellt.<br />

2.2.4 RisikoQbschiitzfllIg<br />

Die Risikoabschätzung spielt in der Altlasten-Detail~<br />

untersuchung eine zentrale Rolle. Damit sollen<br />

mögliche Schäden, die durch eine Altlast entstehen<br />

. könnten, erkannt und charakterisiert werden, sowie<br />

Entscheidungsgrundlagen zur Bearbeitung der Altlast<br />

geschaffen werden. Der Risikobegriff <strong>im</strong>pliziert<br />

in diesem Zusammenhang, dass die Folgen einer<br />

H<strong>and</strong>lung bzw. einer Situation ungewiss sind. Da-<br />

Schadstoffpotential<br />

Sonderabfall<br />

Brauchwasser bzw. Aushub Freisetzurigs-<br />

Industrieareal ---j-~-----r- potential<br />

Trinkwasser bzw.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

Exposition und Bedeutung<br />

der Schutzgüter<br />

Abb. 2.2.4 Schematische Darstellung zurCharakterisierong des Risikopotentials<br />

bei Altlosten (noch BUWAL, 1994).<br />

durch kommt der Charakterisierung von Unsicherheiten<br />

in der Risikoabschätzung eine besondere<br />

Bedeutung zu. '.<br />

Ein allgemeines Leitbild zur Risikoabschätzung<br />

wurde zu Beginn der 80er Jahre von der US National<br />

.Academy of Sciences entwickelt und von den Umweltbehörden<br />

der USA (USEPA) in die Praxis übernommen.<br />

Dieses Leitbild setzt sich aus den nachfolgenden<br />

Schritten zusammen (vgl. a. Suter H, 1993):<br />

Zunächst erfolgt eine Beschreibung der Gefährdungssituation.<br />

Dies geschieht durch eine Charakterisierung<br />

der Schadstoffquelle, der relevanten<br />

Umweltkompart<strong>im</strong>ente sowie der zu berücksichtigenden<br />

und betroffenen Schutzgüter.<br />

Aufbauend auf diesen Grundlagen erfolgt eine<br />

Analyse der Expositionssituation der betroffenen<br />

Schutzgüter sowie der daraus resultierenden möglichen<br />

Auswirkungen. Die Berechnungen dazu basie~<br />

ren in der Regel - neben fallspezifischen Daten ­<br />

auch auf Modellannahmen und Extrapolationen von<br />

relevanten Datengrundlagen.<br />

Mit diesen Berechnungen soll eine quantitative<br />

Abschätzung der von einer Altlast ausgehenden Risiken<br />

ermöglicht werden. Von zentraler Bedeutung<br />

dabei ist eine Charakterisierung der in solchen Berechnungen<br />

<strong>im</strong>mer vorh<strong>and</strong>enen Unsicherheiten,<br />

mit ihren Ursachen und möglichen Auswirkungen.<br />

Als letzte Stufe des Leitbildes ist schliesslich ein<br />

falladäquates Risikomanagement sicherzustellen.<br />

Diese Art der quantitativen Risikoabschätzung<br />

unterscheidet sich grundsätzlich von epidemiologischen<br />

.Risikountersuchungen. In epidemiologischen<br />

Untersuchungen werden direkt Daten von betroffenen<br />

Schutzgütern - z.B. Menschen in belasteten<br />

Gebieten - erhoben und Hypothesen zu Schadstoffwirkungen<br />

mit geeigneten statistischen Methoden<br />

überprüft (Covello & Merkhofer, 1993).<br />

Irn Kanton Zürich sind gemäss Leitfaden zur Altlastenbearbeitung<br />

des AGW<strong>im</strong> Rahmen einer Risikoanalyse<br />

die kurz-, mittel-, und langfristigen Auswirkungen<br />

der Belastungen auf Mensch und Umwelt<br />

unter Beachtung der Schutzziele darzustellen (AGW,<br />

1993). Es ist also zunächst die Frage zu beantworten:<br />

«Was kann geschehen?» Die möglichen Auswirkungensind<br />

für alle, <strong>im</strong> kantonalen Abfallgesetz für die<br />

Sanierung von Altlasten festgelegten, Sanierungsziele<br />

abzuschätzen. Als Hauptkriterien dienen dazu<br />

das Schadstoffpotential, das Freisetzungspotential sowie<br />

die Exposition und Bedeutung der Schutzgüter<br />

(BUWAL, 1994). Diese Kriterien zur Charakterisierung<br />

eines Schadenrisikos sind in Abb. 2.2.4<br />

graphisch dargestellt. Aus dem Volumen des durch<br />

die Bewertung entstehenden «Quaders» ergibt sich<br />

schliesslich das von der Altlast ausgehende Risikopotential.<br />

Der H<strong>and</strong>lungsbedarf ist um so grösser, je<br />

grösser das Volumen ist..<br />

216<br />

UNS·Fallstudie '96


------'--------------,--<br />

Als nächster Schritt einer Risikoabschätzung ist<br />

mit der Risikobewertung die Frage zu beantworten:<br />

«Was darf geschehen?» Dabei sind die Resultate der<br />

Risikoanalyse mit den vorh<strong>and</strong>enen Schutzzielen für<br />

die betroffenen Schutzgüter zu vergleichen und zu<br />

bewerten. Von praktischer"Bedeutung ist in diesem<br />

Zusammenhang, ob auch unabhängig von einem<br />

Bauvorhaben belastungsmindernde Massnahmen zu<br />

ergreifen sind (AGW, 1993).<br />

In der für die Altlast Stierenned durchgeführten<br />

Risikobeurteilung wurden die möglichen Umweltauswirkungen<br />

der Deponie abgeschätzt (Link, 1995).<br />

Als Grundlagen dienten Daten aus Boden-, Sickerund<br />

Grundwasseruntersuchungen. Den Unsicherheiten,<br />

die sich aus der Datenvariabilität ergaben,<br />

wurde durch konservative Annahmen Rechnung getragen.<br />

Die Ergebnisse aus den verschiedenen Untersuchungen<br />

wurden verglichen, zusammengefasst<br />

und es wurde der Ist-Zust<strong>and</strong> der Deponie charakterisiert<br />

und Zukunftsprognosen ohne Berücksichtigung<br />

einer Zust<strong>and</strong>sänderung angestellt.<br />

Zusammenjassungeiniger Ergebnisse aus Link (1995)<br />

Der organische Anteil <strong>im</strong> Deponiegut, v.a. Kohlenwasserstoffe<br />

sowie PAK und PCB, ist gering bis sehr<br />

gering. An lokalen Stellen mit erhöhtem Gehalt an<br />

organischen Stoffen ist der Zust<strong>and</strong> einer stabilen<br />

Methangärung erreicht.<br />

Bei denBchwermetallen sind v.a. Kupfer, Zink und<br />

Blei problematisch. Für Blei konnte ein annähernd<br />

erzähnlicher "Zust<strong>and</strong> angenommen werden. Die<br />

Löslichkeiten für Kupfer und Zink lagen <strong>im</strong> Übergangsbereich<br />

zwischen einem erzähnlichen Zust<strong>and</strong><br />

und einem Metall-Hydrox:id-Schlamm.<br />

Von den übri'gen vorgefundenen Substanzen war<br />

Arsen von Bedeutung. Unter Berücksichtigung der<br />

aus den Messungen resultierenden Unsicherheiten<br />

wurde für die Berechnungen einer Freisetzung vom<br />

«ungünstigsten Fall» ausgegangen. Dabei wurde<br />

selbst unter diesen Annahmen noch eine relativ hohe<br />

spezifische Freisetzungsrate festgestellt. Unter Berücksichtigung<br />

der geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

wurden die ausgewaschenen Konzentrationen<br />

und Frachten jedoch als tolerierbar<br />

bezeichnet.<br />

Zur Charakterisierung der aktuellen Situation<br />

wurde festgestellt, dass mit Ausnahme des Arsens<br />

von umweltverträglichen Stoffflüssen ausgegangen<br />

werden kann. Plötzliche Steigerungen der Freisetzungen<br />

irgendwelcher Stoffe können ohne Zust<strong>and</strong>sänderung<br />

ausgeschlossen werden. Die Deponie befindet<br />

sich somit in einem stabilen Zust<strong>and</strong>.<br />

Auch für die" Zukunft werden die Stoffflüsse als<br />

weiterhin umweltverträglich beurteilt: Bei den organischen<br />

Stoffen kann innerhalb der nächsten 100<br />

Jahre eine nennenswerte, ·transformationsbedingte<br />

Altlasten<br />

Abnahme erwartet werden. Die Freisetzung der<br />

erzähnlichen Stoffe wurde als äusserst gering eingeschätzt:<br />

Ginge man von einer konstanten Auswaschungsrate<br />

aus, wären bei den angenommenen<br />

Halbwertzeiten Restbelastungen von 1% der Masse<br />

<strong>im</strong> Deponiekörper bspw. bei Kupfer erst nach über<br />

750'000 Jahren, bei Arsen jedoch «bereits» in rund<br />

800 Jahren erreicht.<br />

2.3 Übersicht Gesetzesgrundlagen<br />

2.3.1 Gesetze und Regelungen auf Bundesebene<br />

Ehemalige Abfallablagerungen und durch Betrieb<br />

und Unfälle verunreinigte Industriest<strong>and</strong>otte gefahrden<br />

den Menschen und seine natürliche Umwelt und<br />

verursachen grosse Mengen von verschmutztem Aushub.<br />

Allgemeine rechtliche Grundlagen, die zur Altlastenbearbeitung<br />

beigezogen werden können, finden<br />

sich <strong>im</strong> Bundesgesetz über den Umweltschutz<br />

(USG) vom 7.10.1983 (St<strong>and</strong> 1. Okt. 1991) und altlastenspezifisch<br />

in der USGrev vom 21. Dez. 1995,<br />

<strong>im</strong> Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz<br />

[GSchG]) vom 24. Jan. 1991 und<br />

in verschiedenen Verordnungen. Eine Übersicht"<br />

über die Rechtsgrundlagen für den Vollzug der Altlastenbearbeitung<br />

findet sich in AGW (1993), AGW<br />

(1996), BUWAL (1994), BUWAL (1996).<br />

Kriterien des Umweltschutzgesetzes<br />

Art. 1 Abs. 1" USG erklärt Menschen, Tiere und<br />

Pflanzen,deren Lebensgemeinschaften und Lebensräume<br />

zum Schutzobjekt gegen .schädliche<br />

oder lästige Einwirkungen und hebt insbesondere<br />

die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit als anzustrebendes<br />

Ziel hervor (Gefahrenabwehr). Im Vorsorgeprinzip,<br />

wonach potentiell schädliche oder lästige<br />

Einwirkungen möglichst frühzeitig begrenzt werden<br />

sollen (Art. 1, Abs. 2 USG), kommt der Gedanke des<br />

umweltgerechten Verhaltens und der Nachhaltigkeit<br />

zum Ausdruck.<br />

Das in Art. 2 enthaltene Verursacherprinzip überträgt<br />

die Kosten für Massnahmen nach dem Umweltschutzgesetz<br />

dem/der VerursacherIn. Gemäss Art. 59<br />

können Kosten für Sanierungs- oder Sicherungsmassnahmen,<br />

die von der zuständigen Behörde zur<br />

Gefahrenabwehr getroffen werden, auf den/die VerursacherIn<br />

überbunden werden.<br />

In der Revision des USG von 1995 findet man.<strong>im</strong><br />

Abschnitt «Sanierung von Deponien und <strong>and</strong>eren<br />

durch Abfalle belastete St<strong>and</strong>orte» in den Art. 32c-e<br />

konkretere Vorgaben für den Umgang mit Altlasten:<br />

In Art. 32c wird die Sanierungspflicht geregelt. Da~<br />

bei sorgen die Kantone für eine Sanierung, wenn von<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

217


Altlasten ,---- --- _<br />

Deponien oder durch Abfälle belasteten St<strong>and</strong>orten<br />

schädliche oder lästige Auswirkungen ausgehen<br />

oder die Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen<br />

entstehen. Zusätzlich erstellen sie einen öffentlich<br />

zugänglichen Altlastenkataster.<br />

Art.32d regelt das Tragen der Kosten. Gemäss<br />

Abs. 1 werden die Kosten nach wie vor auf den/die<br />

Verursacherln übertragen. Abs. 2 regelt die Verteilung<br />

der Kosten bei mehreren VerursacherInnen,<br />

wobei jedeR Beteiligte die Kosten entsprechend<br />

seinem Anteil an der Verursachung zu tragen hat.<br />

Wer aber lediglich BesitzerIn einer Deponie oder<br />

eines kontaminierten St<strong>and</strong>ortes ist, trägt keine<br />

Kosten, wenn:<br />

• er/sie bei Anwendung der gebotenen Sorgfaltspflicht<br />

von der Belastung keine Kenntnis haben<br />

konnte,<br />

• die Belastung ihm/ihr keinen Vorteil verschaffte<br />

und<br />

• ihm/ihr aus der Sanierung kein Vorteil erwächst.<br />

. Nach der Rechtsprechung und der Literatur ist<br />

der/die VerursacherIn <strong>im</strong> Sinne des polizeirechtlichen<br />

Begriffes als «Störer» zu verstehen. Es wird<br />

zwischen dem «Zust<strong>and</strong>s-» und dem «Verhaltens-»<br />

oder «H<strong>and</strong>lungsstörer» unterschieden (Pelloni,<br />

1995). Als «Verhaltensstörer» wird die- oder derjenige<br />

bezeichn~t, welcheR mit ·seinem Verhalten<br />

unmittelbar eine polizeiwidrige Gefahr oder Störung<br />

verursacht hat. Als «Zust<strong>and</strong>sstörer» gilt die- oder<br />

derjenige, die/der über die Sache, die den ordnungswidrigen<br />

Zust<strong>and</strong> verursacht, die Gewalt hat. Als<br />

EigentümerIn, Mieterln oder Pächterln verfügt<br />

man über diese Gewalt. Pr<strong>im</strong>är muss aber der


______________________________________--'-<br />

Altlasten<br />

<strong>and</strong>ererseits den mit ihr verbundenen Nachteilen für<br />

die unmittelbar davon Betroffenen. Das Problem,<br />

welches daraus resultiert, ist das der Massnahmengewichtung.<br />

Im Extremfall wird dieses nur durch<br />

das Willkürverbot begrenzt. Massnahmen, die jedoch<br />

<strong>im</strong> Sinne der Gefahrenabwehr getroffen werden,<br />

werden davon ausgenommen.<br />

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen öffentlichem<br />

Interesse und ·der Zumutbarkeit einer<br />

Massnahme ist sehr schwierig zu beantworten. Oft<br />

betrachtet man sie aus einer rein ökonomischen<br />

Perspektive, also nach der wirtschaftlichen Tragbarkeit.<br />

, f1..S_CH_lITZ_._G_UT_L_UFT_·<br />

-lr---- ......~~~-+<br />

,.---------+--------'.."<br />

I <strong>im</strong>mission Immission<br />

.--1..----., USG'LRV USG'LRV<br />

Beh<strong>and</strong>ung<br />

SCHlITZGUT<br />

OBERBODEN<br />

USGlVSBo<br />

Emission ~----'---f<br />

Immission<br />

Vero"*'tmg 0..<br />

Abwa..orelnl.<br />

Einloitbodingtmg<br />

Kanalisation<br />

ImmIMIon<br />

ARA<br />

I<br />

Emission<br />

SCHlITZGUT<br />

OBERFLAECHEN­<br />

GEWAESSER<br />

GschG<br />

Vo",,,*,tmgO.<br />

_o"'n/.<br />

(Quo/iti/lSZiol)<br />

ElnlOhtungsgoS81Z<br />

zumGschGZH<br />

VWF<br />

Immission<br />

Vo",ntnung O.<br />

Ab_I.<br />

Emission<br />

I<br />

<strong>im</strong>mission<br />

Emission<br />

SCHlITZGUT<br />

GRUNDWASSER<br />

GschG<br />

EinfOhrungsge.<br />

zumGschGZH<br />

VWF<br />

I<br />

Emission<br />

Schutzgiiter und WirkungspflJde<br />

MENSCH<br />

BVAJSGlFW<br />

TIER<br />

BVAJSG<br />

PFLANZEN<br />

BVAJSG<br />

Abb. 2.3.1 Schutzgiiter ul1d Wirkul1gspfade <strong>im</strong> Stiermriedmit Verweism aufdiejeweils releval1tm Gesetze ul1d<br />

Verordl1ul1gel1. (Durch die Pfeilstärkenwird die Bedeutul1g des jeweiligm Pfades ausgedrückt).<br />

FW<br />

SLB<br />

Der Sinn der Umweltschutzgesetzgebung liegt darin,<br />

Menschen, Tiere, Pflanzen und die entsprechenden<br />

Lebensgemeinschaften und -grundlagen zu schützen.<br />

In den. Gesetzen sind dazu zwei zentrale Prinzipien<br />

verankert: das Vorsorgeprinzip und das Prinzip<br />

der Verhliltnismlissigkeit. Diese müssen .bei allen<br />

Schutzmassnahmen beachtet werden.<br />

Um den Schutz der Umwelt zu konkretisieren,<br />

werden sogenannte Schutzgüter definiert. Diese<br />

umfassen Lebewesen wie Menschen, Tiere und<br />

Pflanzen sowie Umweltkompart<strong>im</strong>ente wie Wasser,<br />

Luft und Boden, welche<br />

das Leben stark beeinflussen<br />

und deren ,natür-<br />

,licher Zust<strong>and</strong> eine<br />

Grundvoraussetzung für<br />

gesundes Leben ist.<br />

Grundsätzlich sind bei<br />

Immlsslon--'<br />

einer Altlast zunächst<br />

drei Hauptpfade zu betrachten.<br />

,Über Emissionen<br />

beeinträchtigt werden<br />

können die Schutzgüter<br />

Boden, Wasser<br />

SCHlITZGUT<br />

und<br />

I - -"- e Immission - -JIl<br />

I<br />

I<br />

Immission _J<br />

SCHlITZGUT<br />

TRINKWASSER<br />

Immission -~-+_...<br />

VerordnungO. ----~------------ Immission --+<br />

AbwsSS8ff1in/.<br />

Immission<br />

Elnloilboefngung<br />

BRAUCHWASSER<br />

Lufi. Selbstverständlich<br />

gibt es noch eine grössere<br />

Anzahl <strong>and</strong>erer, indirekter<br />

Wege, über welche<br />

Schädigungen erfolgen<br />

können. Diese müssen<br />

ebenfalls berücksichtigt<br />

werden, wenn Lebewesen<br />

bedroht sind. Ein<br />

besonderes Augenmerk<br />

muss der Nahrungskette<br />

gelten, da sich' dort<br />

Schadstoffe anreichern<br />

können.<br />

Im Falle des Stierenrieds<br />

ist der Pfad aus der Deponie<br />

ins Grundwas,ser<br />

(Abb. 2.3.1)' besonders<br />

wichtig. Die Gründe dafür<br />

sind folgende: die<br />

Emissionen in die Luft<br />

sind verhäItnismässig gering,<br />

da die Deponie zur<br />

überwiegenden Mehrheit<br />

aus anorganischem<br />

Material besteht, so dass<br />

die Gasentwicklung min<strong>im</strong><br />

ist. Infolge der Überbauung<br />

oder natürlichen'<br />

Abdeckung sind. direkte<br />

..<br />

I,<br />

UNS-Fallstudie '96. 219


Altlasten ---' --, _<br />

Staubemissionen ebenfalls weitgehend ausgeschlossen.<br />

In erster Näherung kann dieser Wirkungspfad<br />

also vernachlässigt werden. Be<strong>im</strong> Schutzgut Boden<br />

ist die Situation etwas <strong>and</strong>ers. Entscheidend ist<br />

hier, dass es kaum Boden gibt, welcher unabhängig<br />

vom Grundwasser verschmutzt werden könnte. Von<br />

einer namh~ften ungesättigten Bodenzone, welche<br />

durch die Deponie beeinträchtigt werden könnte,<br />

kann also nicht die Rede sein. Aus diesen Gründen<br />

ist es durchaus gerechtfertigt, in erster Näherung nur<br />

den Wirkungspfad über das Wasser zu berücksichtigen.<br />

Der Wasserhaushalt der Deponie Stierenried wird<br />

durch Niederschläge beeinflusst, die zu einer Beeinträchtigung<br />

des Grundwassers führen. Für die<br />

Zukunft ist eine separate Fassung des Grundwassers<br />

und eine Ableitung in ein Fliessgewässer geplant,<br />

damit die öffentliche Kanalisation entlastet wird.<br />

Dabei istzu untersuchen, ob das abdrainierte Wasser<br />

die Einleitbedingungen in ein Fliessgewässer erfüllt.<br />

Wäre dies nicht der Fall, so müsste eine Abwasserreinigungsanlage<br />

gebaut werden, um das anfallende<br />

Grund- und Deponiesickerwasser zu reinigen. Eine<br />

<strong>and</strong>ere Möglichkeit wäre, das belastete Grundwasser<br />

weiterhin zur bestehenden ARA zu leiten.<br />

Problematisch ist <strong>im</strong> FilII des Stierenrieds die Einbeziehung<br />

von Grenzwerten. Die Verwendung der<br />

Grenzwerte für Trinkwasser ist <strong>im</strong> Fall des Stierenrieds<br />

wenig sinnvoll, da eine Trinkwassernutzung<br />

auch für die Zukunft ausgeschlossen werden kann.<br />

Mit der neuenSituation der Einleitung der Drainage<br />

in einen Vorfluter, kommt die Verordnung über<br />

Abwassereinleitungen zur Anwendung. Dabei muss<br />

darauf geachtet werden, dass durch die Verdünnung<br />

<strong>im</strong> Oberflächengewässer die geltenden Qualitätsziele<br />

eingehalten werden können.<br />

2.3.2 Gesetze und Regelungen auf Kantonsebene<br />

Im Kanton Zürich ist das Amtfür Gewlisserschutz und<br />

Wasserbau (AGW) für Altlastenfälle zuständig. Das<br />

AGWist für den Vollzug der Ausführungsgesetze und<br />

-verordnungen verantwortlich. Eine Übersicht zu<br />

den kantonalen Gesetzesvorgaben findet sich in<br />

AGW (1993), AGW (1994) und AGW (1996).<br />

Sanierungsziele .<br />

Im Gesetz über die Abfallwirtschaft des Kanton<br />

Zürich vqm 25. September 1994 wird die Altlastenbearbeitung<br />

auf kantonaler Ebene geregelt. Darin<br />

wurden u.a. allgemeine Sanierungsziele und weitere<br />

bei der Altlastensanierung zu berücksichtigende<br />

Grundsätze festgelegt. Die Sanierungsziele sind in<br />

Form einer nach Prioritäten organisierten Kaskade<br />

vorgegeben (AGW, 1993, Suter, 1995):<br />

1.Priorität: Wiederherstellung des natürlichen Stoffhaushalts<br />

2. Priorität: Wiederherstellung aller Nutzungsmöglichkeiten<br />

3.Priorität: Erhaltung der aktuellen oder einer <strong>and</strong>eren<br />

zweckmässigen Nutzung<br />

4. Priorität: Nutzungseinschränkungen<br />

Mit der ersten Ebene, der Wiederherstellung des<br />

natürlichen Stoffhaushaltes wird versucht, das <strong>im</strong><br />

USG verankerte Vorsorgeprinzipumzusetzen. Statt<br />

vom Vorsorgeprinzip könnte man auch von Nachhaltigkeit<br />

sprechen.<br />

Die letzte Priorität, die Nutzungseinschränkung,<br />

kann als reine Gefahrenabwehr bezeichnet werden.<br />

Zusätzlich zu dieser Kaskade der Sanierungsziele<br />

sind folgende Grundsätze zu beachten:<br />

a: Altlasten sind so zu beh<strong>and</strong>eln, dass ausschliesslich<br />

verwertbare und endlagerfähige Stoffe verbleiben.<br />

b:Belastungen durch Altlastensanierungen sind auf<br />

.das technisch Machbare und wirtschaftlich Zumutbare<br />

zu beschränken.<br />

. c: Das Deponieren von Altlasten kann höchstens<br />

dann bewilligt werden, .wenn der Nachweis erbracht<br />

wird, dass eine Beh<strong>and</strong>lung nicht oder nur<br />

teilweise möglich ist.<br />

d:Die Sanierung darf insgesamt nicht zu einer höheren<br />

Umweltbelastung führen als durch sie behoben<br />

wird.<br />

Gemäss dem Leitbild der schweizerischen- Abfallwirtschaft<br />

(BUWAL, 1986) soll ein Entsorgungssystem<br />

nur zwei Arten von Abfällen produzieren,<br />

nämlich wiederverwertbare Stoffe und endlagerfähige<br />

Stoffe. Ziel der Altlastensanierung muss also<br />

die Entfernung von Schadstoffen aus kontaminierten<br />

Bau- und Bodenmaterialien sein, so dass die Materialien<br />

möglichst wieder eingesetzt werden können.<br />

Aufkonzentrierte Schadstoffe müssen so beh<strong>and</strong>elt<br />

werden, dass sie einer Verwertung, 'der gesicherten<br />

Verbrennung oder der Endlagerung zugeführt werden<br />

können.<br />

Weitere, bei der Altlastenbearbeitung. zu berücksichtigende<br />

kantonale Rechtsgrundlagen sind in der<br />

Wegleitung für die Klassierung von Bauabfällen<br />

(AGW, 1994) vorgegeben.<br />

.2.3.3 Ausblick in die weitere Zukunft<br />

Die Lebensdauer der <strong>im</strong> Areal Stierenried durchgeführten<br />

Sicherung wird auf ca. 70 Jahre geschätzt<br />

(vgl. Kap. 1.1 AUSGANGSLAGE). Dies bedeutet, dass <strong>im</strong><br />

Zeitraum der nächsten 50 bis 90 Jahre wieder eine<br />

Sanierung oder Sicherung mit den entsprechenden<br />

Kosten ins Haus steht. Wer dann diese Kosten trägt,<br />

ist eine Frage, die noch nicht geklärt wurde.<br />

Ein «kleines Gedankenexper<strong>im</strong>ent» dazu: Die<br />

Altlast wird <strong>im</strong> Areal ZZN <strong>im</strong> Jahr 2950 <strong>im</strong>mer noch<br />

220<br />

UNS-Fallstudie '96


____________~ --'- Altlasten<br />

als Altlast gesehen, und die zukünftigen Lebensumstände<br />

sind mit den heutigen vergleichbar. Nach<br />

dem dann geltenden USG (so es dann noch existiert)<br />

könnteeine Verursacherhaftung <strong>im</strong>mer noch aktuell<br />

sein. Das würde heissen, dass die ABB wiederum die<br />

Kosten zu übernehmen hätte.<br />

Was ist aber, wenn die ABB nicht mehr existiert?<br />

Gemäss heutigem USG müsste dann der/die<br />

EigentümerIn des Stierenrieds die Kosten tragen. Die<br />

zukünftigen EigentümerInnen dieses Areals wären<br />

z.B. die heutigen InvestorInnen. Wissen diese heute,<br />

dass in einem halben Jahrhundert evtI. einiges an<br />

Kosten auf sie zukommen wird? Werden dafür schon<br />

mögliche Rückstellungen geplant und vorgenommen?<br />

Ein möglicher Zahler könnte aber auch die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> sein. Denn schliesslich hat die Baudirektion<br />

die Sicherung abgesegnet. Warum sollte also einE<br />

InvestorIn für etwas bezahlen, was erst durch das<br />

Verhalten des Kantons und der <strong>Stadt</strong> - nämlich die<br />

Bewilligung; eine Sicherung zu erstellen - ermöglicht<br />

wurde?<br />

Durch die Verschiebung der endgültigen Sanierung,<br />

d.h. Dekontamination, werden auch die Kosten<br />

dafür weit in die Zukunft verschoben. Ob das erstens<br />

besonders nachhaltig und zweitens so geschickt ist,<br />

kann bezweifelt werden. .<br />

2.4 Sanierungsmöglichkeiren<br />

Die zur Abwehr und Beherrschung von Umweltauswirkungen<br />

von Altlasten erforderlichen Sanierungsmassnahmen<br />

werden in vier Gruppen eingeteilt<br />

(Neteler, 1995):<br />

• Dekontaminationsmassnahmen<br />

• Sicherungsmassnahmen<br />

• Schutz- und Beschränkungsmassnahmen<br />

• Umlagerungen<br />

Durch eine Dekontaminationsmassnahme· wird die <strong>im</strong><br />

Untergrund befindliche Schadstoffquelie beseitigt<br />

und zukünftige Emissionen aus der Altlast verhindert.<br />

Man unterscheidet dabei zwischen Verfahren,<br />

die·den Schadstoff zerstÖren und solchen bei denen·<br />

der Schadstoff nur separiert wird. Zu den ersten<br />

zählen thermische und mikrobiologische Verfahren.<br />

Aktive pneumatische Massnahmen, aktive hydraulische<br />

Massnahmen und chemisch-physikalische<br />

Wasch-, Extraktions- und Trennverfahren sind Massnahmen<br />

bzw. Verfahren, bei denen der Schadstoff<br />

separiert wird. Durch Reduktion bzw. Beseitigung<br />

des Schadstoffpotentials ist das Kurz- undLangzeitrisiko<br />

klein. Die Sanierungskosten nehmen ein brei~<br />

tes Spektrum ein.<br />

Durch eine Sicherung wird durch Unterbrechung<br />

der Transferpfade das Freisetzungspotential einge-<br />

schränkt. Da die Barrieren irgendwann erneuert werden<br />

müssen, ist das Langzeitrisiko grösser als bei den<br />

Dekontaminationsmassnahmen. Die Kosten für eine<br />

Sjcherungsmassnahme liegen in der Regel zwischen<br />

den Kosten für Dekontaminationsmassnahmen und<br />

denjenigen von Schutz- und Beschränkungsmassnahmen.<br />

Die Betriebs- und Übefwachungskosten<br />

können jedoch beträchtlich sein.<br />

Durch Schutz- und Beschriinkungsmassnahmen werden<br />

ausgewählte Schutzgüter, i.d.R. der Mensch, vor<br />

schädlichen Immissionen bewahrt. Zu diesen Massnahmen<br />

zählen Baubeschränkungen, Absperrungen<br />

und Überwachungen. Da weder die Schadstoffquelle<br />

entfernt noch mögliche Transportpfade unterbrochen<br />

werden und die Nutzungsbeschränkungen<br />

missachtet werden könnten, ist das Langzeitrisiko<br />

gross. Die Kosten für die technischen Massnahmen<br />

sind sehr gering, die gesellschaftlichen Kosten können<br />

jedoch gross sein.<br />

Bei der Umlagerung wird das Material ausgekoffert<br />

und unbeh<strong>and</strong>elt auf eine Deponie gebracht. Da das<br />

Altlastenproblem zwar lokal behoben wird, global<br />

betrachtet jedoch nur eine Problemverschiebung<br />

stattfindet, ist diese Massnahme in den meisten Fällen<br />

aus abfallwirtschaftlicher und abfalltechnischer<br />

Sicht bedenklich und zu vermeiden. Im Einzelfall<br />

kann damit jedoch eine Verringerung der Exposition<br />

von Schutzgütern erreicht werden.<br />

Je nach Ort der Durchführung werden die Verfahren<br />

in die sogenannten in situ und ex situ (on-site<br />

und off-site) Massnahmen unterteilt. Bei der in situ<br />

Beh<strong>and</strong>lung bleibt der kontaminierte Boden oder<br />

die Altablagerung an Ort und Stelle <strong>im</strong> Untergrund.<br />

Das Beh<strong>and</strong>lungsmedium wird von aussen in die Altlast<br />

eingebracht. Bei den ex-situ Verfahren wird das<br />

Altlastenmaterial ausgekoffert und entweder an Ort<br />

und Stelle in mobilen Anlagen (on-site) oder an<br />

einem <strong>and</strong>eren Ort in stationären Anlagen (off-site)<br />

beh<strong>and</strong>elt. Weiterführende Angaben finden sichu.a.<br />

in Bank (1993) und Franzius et aI. (1995).<br />

2.4.1 Auswahl VOll Sallierullgsverfahrell - allgemeill<br />

Zur Bewertung und Auswahl von Sanierungsverfahren<br />

werden in einer· Machbarkeitsstudie die nach<br />

dem St<strong>and</strong> der Technik zur Verfügung stehenden<br />

Verfahren und Massnahmen in bezug auf ihre Anwendbarkeit<br />

und Eignung für den konkreten Einzelfall<br />

überprüft. Nach Neteler (1995) gliedert sich<br />

diese Machbarkeitsstudie in folgende Schritte:<br />

• Ausschluss und Vorauswahl<br />

• Abwägung und Wichtung<br />

• Kostenschätzung und Kosten-Nutzen-Analyse<br />

• Sanierungsvorschlag<br />

Durch den Ausschluss und die Vorauswahl sollen die<br />

ungeeigneten von den prinzipiell geeigneten Sanie-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

221


Altlasten-:-- ~ _,_-------------------<br />

Ausschlusskliterien<br />

: Indikatoren<br />

Bewertungskriterien<br />

: Indikatoren<br />

Bodenspezifische Eignung<br />

• Korngrössenverteilung<br />

• Porosität<br />

• Durchlässigkeit<br />

• Feuchtegehalt<br />

• natürliche organische<br />

Inhaltsstoffe<br />

• etc.<br />

geplante Nutzung<br />

: • Mischnutzung<br />

: • Industriest<strong>and</strong>ort<br />

: • Wohnen<br />

: • etc.<br />

.........................................................., ······· ..···,··· .. ··· .. ··.. ·· .. ·· .. ·· .. ·· .. ··· ..·..·.. ·1········ : : .<br />

Schadstoffspezifische Eignung • einzelne Schadstoffe Sanierungserfolg<br />

• komplexe Schadstqffgemische<br />

• etc.<br />

Entwicklungstechnische<br />

Verfügbarkeit<br />

• Entwicklungsst<strong>and</strong><br />

• Referenzen<br />

• etc.<br />

.'(Grad der) Schadstoffentnahme<br />

: • (Grad der)<br />

· Schadstoffzerstörung<br />

bzw. -umw<strong>and</strong>lung<br />

• (Grad der) Schadstoff<strong>im</strong>mobilisierung<br />

: • Langzeitüberwachung<br />

: • Eigenschaftendes beh<strong>and</strong>el-<br />

· ten Bodens .<br />

: • etc.<br />

Mobilität von Reststomin/Risiko: • Wasserpfad<br />

· • Luftpfad<br />

: • Feststoffpfad<br />

: • Erfüllungsrisiko<br />

: • etc.<br />

.........................................................., ·.. ·.. ··· ······ .. ·· ·· .. ·1························· : : ..<br />

Zeitliche Verfügbarkeit,<br />

Sanierungsdauer<br />

Arbeitssicherheit<br />

Sicherheit der Bevölkerung<br />

• möglicher Beginn der<br />

Massnahme<br />

• möglicher Beginn der<br />

Wirksamkeit<br />

• Beginn der vollen<br />

Wirksamkeit<br />

• Dauer der Wirksamkeit<br />

• etc.<br />

• Unfallgefahr<br />

i Gesundheitsgefährdung<br />

• etc.<br />

• Entnahmeort<br />

• Beh<strong>and</strong>lungsort<br />

• Transport<br />

• etc.<br />

rechtliche Aspekte<br />

Akzeptanz<br />

Emission, Energieeinsatz,<br />

Stoffeinsatz, Reststoffe<br />

: • Grenzwerteinhaltung<br />

• erforderliche Genehmigung<br />

• Haftung .<br />

• Gewährleistung<br />

• Behördliche Einschränkung<br />

• etc.<br />

• Bevölkerung<br />

• Verwaltungsbehörden<br />

• Fachbehörden<br />

• Politische Instanzen<br />

• etc.<br />

: • Lärm<br />

• Erschütterung<br />

• Luftverurireinigung<br />

: • Pr<strong>im</strong>ärenergie<br />

: • Energie für Transport<br />

· • Betriebsstoffe<br />

• gefährliche Chemikalien<br />

: • Wasser<br />

• Anteil Feststoffe<br />

• Deponieklasse<br />

• Anteil Abwasser<br />

· • erforderliche Aufbereitung<br />

: • etc.<br />

..........................................................: · ·· .. ····· .. ·· .. ·.. ··· · ····· .. 1····················· : , .<br />

Kosten<br />

: • Planungskosten<br />

: • Investitionskosten<br />

:. Beh<strong>and</strong>lungskosten<br />

'.Transport<br />

: • Entsorgung<br />

• Monitoring<br />

Tab. 2.4.1 Ausschluss- undBewertungskriterien, mit denen die Sonierungsvoriollten verglickenwurden(verändef1 nock Neteler, 1995).<br />

222 UNS-Fallstudie '96


---'----'-----------------_,...-__-'-- -'-- -'--'_Altlasten<br />

rungsverfahren anh<strong>and</strong> naturwissenschaftlich-technischer<br />

Kriterien in bezug auf das spezielle Sanierungsvorhaben<br />

getrennt werden. In der Abwägung<br />

und Wichtung wird die technische Machbarkeit prinzipiell<br />

geeigneter Verfahren nutzenwertanalytisch<br />

detailliert geprüft. In der Kostenschätzung werden die<br />

Kosten möglicher Verfahrensalternativen verglichen.<br />

Aufbauend auf diesen Arbeitsschritten wird <strong>im</strong> Anschluss<br />

eine spezifische Auswahl oder Reihenfolge<br />

von Sanierungsverfahrendurch Nutzwert-Kosten-Gegenüberstellungen<br />

vorgeschlagen.<br />

Zur Vereinfachung werden nach Neteler (1995) in<br />

der Vorauswahl die Sanierungsverfahren nur auf deren<br />

Eignung in bezug auf die Bodenart und Schadstoffgruppe<br />

überprüft. Die Abwägung und Wichtung sollen<br />

nach den Hauptkriterien Wirksamkeit, Verfügbarkeit,<br />

Umweltvertäglichkeitund Sicherheit, die durch Unterkriterien<br />

weiter spezifiziert werden, bewertet werden.<br />

Die Kriterien werden sowohl argumentativ als<br />

auch quantitativ mit Hilfe von Wichtllngsformularen<br />

beurteilt.<br />

'<br />

Dieser Verfahrensvorschlag wurde von uns folgendermassen<br />

modifiziert:<br />

Der umfassende Kriterienkatalog ztlr «Abwägung<br />

und Wichtung» wurde auf 13 Kriterien re,duziert<br />

(Tab. 2.4.1). Mit Hilfe dieses Kriteriensets, unterteilt<br />

in Ausschluss- und Bewertungskriterien, wurden die<br />

prinzipiell geeigneten Sanierungsverfahreri rein qualitativ<br />

beurteilt. Es wurden keine Nutzwert-Kosten­<br />

Gegenüberstellungen durchgeführt.<br />

2.4.2 Vora"swahl "nd prinzipiell geeignete Verfahren<br />

Die prinzipiell geeigneten Verfahren wurden mit<br />

Hilfe von Tabellen (vgl. Neteler, 1995,8.78 und 80)<br />

ermittelt. In diesen Tabellen wird aufgelistet, welche<br />

Verfahren für welche Bodengruppen bzw. Schadstoffgruppen<br />

geeignet, geeignet mit Einschränkungen<br />

bzw. ungeeignet sind.<br />

Aufgrund dieser Tabellen wurden folgende Verfahren<br />

näher betrachtet:<br />

• Thermische Verfahren<br />

• Mikrobiologische Verfahren<br />

• Wasch- und Extraktionsverfahren<br />

• Hydraulische Verfahren<br />

• Sicherung<br />

Bei thermischen Verfahren werden durch die Zufuhr<br />

von Energie in Form von Wärme Schadstoffe zerstört<br />

bzw. eingebunden. Das Verfahren wurde für die Altlast<br />

Stierenried nicht weiter beh<strong>and</strong>elt, da die entwicklungstechnische<br />

Verfügbarkeit in der Schweiz<br />

ungenügend ist, und die hohen Schadstoffkonzentrationen,<br />

insbesondere Schwermetalle, nicht el<strong>im</strong>iniert<br />

werden können.<br />

Mikrobiologische Verfahren nützen den natürlichen<br />

Vorgang der Veränderung organischer Stoffe (Abbau<br />

oder Mineralisation) durch Mikroorganismen. Auch<br />

dieses, Verfahren wurde ausgeschieden, da Schwermetalle<br />

in erhöhten Konzentrationen für Mikroorganismen<br />

toxisch sein können und somit den'<br />

. mikrobiellen Abbau von organischen Schadstoffen<br />

hemmen oder ganz unterbinden. Auch h<strong>and</strong>elt es<br />

sich bei Schwermetallen um von Mikroorganismen<br />

nicht abbaubare Substanzen,. und eine Trennung<br />

des Untergrundmateriales vom Stierenried in mit<br />

organischen Schadstoffen und mit Schwermetallen<br />

belastete Fraktionen ist nicht möglich.<br />

Die übrigen Verfahren werden <strong>im</strong> folgenden Kap.<br />

2.4.3 SANIERUNGSVARIANTEN beschrieben.<br />

2.4.3 Sanier"ngsvarianten<br />

N"llvariante<br />

Bei der Nullvariante wird die Altlast nicht speziell<br />

beh<strong>and</strong>elt. Der Niederschlag wäscht die Deponie<br />

langsam aus (Abb. 2.4.3.1). Auf dem Gebiet des<br />

Stierenrieds wird nicht gebaut, da sonst saniert<br />

werden müsste. Die bestehenden Gebäude können<br />

weiterhin genutzt werden. Das Schad- und Freisetzungspotential<br />

sowie die Exposition der Schutzgüter<br />

bleiben somit bestehen (Abb. 2.4.3.2).<br />

tAuswaschung<br />

Exposition und Bedeutung<br />

der Schutzgüter<br />

Abb. 2.4.3.1 Schematische Darstellung der<br />

Nullvariante.<br />

Vorteile dieser Variante sind, dass keine Sanierungskosten<br />

anfallen, und die Schadstoffe nicht<br />

oberirdisch verschleppt, sondern langsam ausgewaschen<br />

werden. Dadurch werden keine neuen<br />

hochbelasteten St<strong>and</strong>orte wie Deponien geschaffen.<br />

Das Schadstoffpotential n<strong>im</strong>mt langsam <strong>im</strong> Laufe<br />

der Zeit ab.<br />

Nachteile: Das Gebiet Stierenried kannaufgrund<br />

der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen (kantonales Abfallgesetz)<br />

nicht weiter genutzt werden. Die Schadstoffbelastung<br />

wird nicht beseitigt, und das Areal bleibt<br />

so für lange Zeit unbenutzbar und verschmutzt kon­<br />

·tinuierlich das Grundwasser.<br />

Freisetzungspotential<br />

Abb. 2.4.3.2 Bewertung der<br />

Altlast vor Ergreifen einer<br />

Massnahme' zur·Gefahrenabwehr(nach<br />

BUWAL, 1994).<br />

UNS-Fallstudie '96 223


Altlasten -'--- _<br />

Sicherung<br />

Durch eine Sicherung soll der Transport und die<br />

.Ausbreitung von Schadstoffen, die Schadstofftransmission,<br />

durch bautechnische Massnahmen wie<br />

Oberflächenabdichtungen, vertikale Abdichtungen<br />

und/oder nachträgliche Sohleabdichtungen, unterbunden<br />

werden.<br />

Im Stierenned ist das Gelände flach. Die Altlast<br />

liegt oberhalb des Grundwasserspiegels. Die Schadstoffe<br />

werden nicht durch das Grundwasser, sondern<br />

durch versickerndes Niederschlagswasser ausgewaschen.<br />

Die Seesed<strong>im</strong>entschichten sind rel.ativ<br />

wasserundurchlässig. Aus diesen Gründen genügte<br />

eine Oberflächenabdichtung mit Abführen des<br />

Regenwassers oberhalb der Abdichtung und Gasdrainage<br />

unter der Abdichtung (vgl. Abb. 2.4.3.3).<br />

miteingeschlossen. Dabei h<strong>and</strong>elt es sich um belastetes<br />

Material, das für den Leitungsbau ausgehoben<br />

werden muss.<br />

Zu den Vorteilen dieser Sicherungsvononte zählen,<br />

dass die Schutzgüter durch das eingeschränkte<br />

Freisetzungspotential kaum beeinträchtigt werden.<br />

Ausserdem ist dieses Projekt kostengünstig, u.a. weil<br />

grosse Teile bereits versiegelt sind oder durch die<br />

Neubauten versiegelt werden. Im Projektgebiet<br />

TORO wird die gesamte Oberfläche durch Gebäude<br />

bzw. eine speziell zu errichtende Oberflächenabdichtung<br />

versiegelt sein.<br />

Ein Nachteil dieser Massnahme ist, dass die Altlast<br />

nicht beseitigt, sondern konserviert wird. Die<br />

Lebensdauer der Abdichtungwird auf ca. 70 Jahre<br />

geschätzt. Spätestens dann muss eine neue Massnahme<br />

ergriffen werden. Das Problem wird also.<br />

nicht gelöst, sondern nur auf spätere Generationen<br />

verschoben.<br />

tAuswaschung<br />

keine Auswaschung<br />

Abb. 2.4.3.3 Schematische Darstellung der Alt/ost vor und noch der<br />

Sicherung.<br />

Durch diese Massnahme sollen die Auswaschung<br />

der Schadstoffe durch den einsickernden Niederschlag<br />

und die Emission von Gasen verhindert<br />

werden. Der Wirkungspfad zwischen Altlast und<br />

Schutzgut wird für die Lebensdauer der Abdichtung<br />

unterbrochen.. Das Schadstoffpotential und die theoretisch<br />

möglichen Auswirkungen aufdie Schutzgüter<br />

bleiben bestehen, das Freisetzungspotential wird<br />

jedoch vorübergehend eingeschränkt (Abb. 2.4.3.4)~<br />

Freisetzungspotential<br />

Exposition und Bedeutung<br />

der Schutzgüter<br />

Abb.2.4.3.4 Veränderung des von<br />

der Alt/ost ausgehenden Risikos<br />

durch die Sicherung.<br />

Laut Sanierungsuntersuchung (Jäckli, 1995b) betragen<br />

die totalen Ko!'ten für das Projekt TORO<br />

mit Triage ca. 7.2 Mio. Fr. Dieser Betrag beinhaltet<br />

die Kosten für die Abdichtung, die Retention und<br />

für Drainageleitungen und Deponiegasfassungen.<br />

Ausserdem sind auch die Kosten für eine Beh<strong>and</strong>lung<br />

des Bodenmaterials und für die Bodenwäsche<br />

Wasch- und Extraktionsverfahren<br />

Bodenwaschanlagen basieren auf dem Prinzip der<br />

Nassextraktion von Schadstoffen mit Wasser als<br />

Extraktionsmittel und der Auftrennung des Materials<br />

in verschiedene Korngrössenfraktionen.(LfU,<br />

1993). Je nach Art der vorliegenden Kontamination<br />

werden <strong>im</strong> Bedarfsfall Säuren, Laugen, Oxidationsmittel,<br />

Tenside oder weitere Hilfschemikalien zur<br />

Intensivierung des Extraktionsvorganges zugesetzt<br />

(Eberhard, Firmendokumentation). Dadurch gelingt<br />

es, Schadstoffe entweder aus dem Bodenauszuwaschen<br />

oder gar zu zerstören. Die ausgewaschenen<br />

Schadstoffe reichern sich <strong>im</strong> Feinschlamm und/oder<br />

<strong>im</strong> Extraktionsmittel an. Diese müssen als Sonderabfall<br />

entsorgt werden. Übrig bleibt relativ sauberes<br />

Material, das wieder eingebaut werden kann.<br />

Die Eberhord Recycling AG (1995) mit St<strong>and</strong>ort in<br />

Rümlang sowie d~e Firma NUVAG Umweltschutz AG in<br />

Winterthur bieten dieses Verfahren an. Da dieses<br />

Verfahren bereits erprobt ist und sich für ein breites<br />

Schadstoffspektrum eignet, könnte es für die Altlast<br />

Stierenned eingesetzt werden.<br />

Durch diese Massnahme wird die Altlast entfernt<br />

(Abb. 2.4.3.5). Der Niederschlag kann wieder<br />

versickern. Das Schadstoffpotential wird reduziert<br />

. .<br />

t Regen t<br />

tAuswaschung<br />

tRegen t<br />

Abb. 2.4.3.5 Schematische Darstellung der Alt/ost vor und. noch der<br />

Anwendung des Wasch- undExtraktionsverfahrens.<br />

t<br />

Versickerung<br />

224 UNS-Fallstudie '96


----------------------- Altlasten<br />

potential SChads.~.<br />

.<br />

..<br />

I<br />

~ Freisetzungspotential<br />

Exposition und Bedeutung<br />

der Schutzgüter<br />

Abb. 2.4.3.6 Reduktion<br />

des Schadstoffpotentials<br />

noch der Anwendung des<br />

Wasch- und Extraktionsveifahrens.<br />

(Abb. 2.4.3.6) und es sollten dadurch kaum mehr<br />

Emissionen entstehen. Die Orundwasserbelastung<br />

n<strong>im</strong>mt ab und verschwindet bei der Sanierung der<br />

gesamten Deponie Stierenriid ganz.<br />

Vorteile dieser Massnahme sind, dass es sich um<br />

ein erprobtes und kontrollierbares Verfahren h<strong>and</strong>elt.<br />

Das Verfahren eignet sich für ein breites Schadstoff­<br />

.spektrum, und die Beh<strong>and</strong>lungsdauer ist relativ kurz.<br />

Nachteile dieser Variante sind, dass es sich dabei<br />

um ein relativ teures und energieintensives Verfahren<br />

h<strong>and</strong>elt. Bodenwaschverfahren kosten nach Selke<br />

& Hoffmann (1995) zwischen 320.- und 1280.­<br />

Fr./m 3 • Energie wird für den Transport des Aushubmaterials<br />

und für die Beh<strong>and</strong>lung benötigt. Für die<br />

Beh<strong>and</strong>lung müssen je nach Situation neben .Wasser<br />

auch noch Säure oder Lauge als ExtraktionsmitteI<br />

eingesetzt werden. Ausserdem werden die Schadstoffe<br />

nicht el<strong>im</strong>iniert sondern aufkonzentriert und<br />

verlagert.<br />

Hydra"lisches in sir" Sanier"ngsverfahren<br />

Durch' gezielte Beeinflussung der Wasserströmung<br />

mittels Pumpen oder Drainagen wird verschmutztes<br />

Sicker- oder Grundwasser gesammelt und anschliessend<br />

gereinigt. Die Reinigung erfolgt sinnvollerweise<br />

in einer Schmutzwasserreinigungsanlage, welche<br />

speziell für die jeweilige Altlast konstruiert wird. Das<br />

gereinigte Wasser wird entweder abermals versickert<br />

oder einer ARA zugeführt. Damit wäre es möglich,<br />

die Schadstoffe in der Deponie auszuwaschen.<br />

Im Fall der Altlast Stierenried könnten zur Fassung<br />

des Wassers schon bestehende Drainagen genutzt<br />

und mit Brunnen ergänzt werden. Das gesammelte<br />

Schmutzwasser könnte mit einer auf dem Areal<br />

erbauten Schmutzwasserreinigungsanlage gesäubert<br />

werden (Abb. 2.4.3.7). Aus der Kiesschicht könnten<br />

max<strong>im</strong>al 300 I Wasser pro Minute gepumpt werden.<br />

~ Regen ~<br />

Dazu sind ungefahr 10 Vertikalfilterbrunnen notwendig,<br />

die bis in eine Tiefe von 10 m reichen<br />

müssen. Durch eine Abdichtung des Deponiekörpers<br />

mittels Dichtwänden könnte das Einzugsgebiet und<br />

damit die zu pumpende Grundwassermenge eingeschränkt<br />

werden. In bezug auf Kohlenwasserstoffe<br />

(KW) und Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

(PAK) verspricht das Verfahren teilweise geeignet<br />

zu sein. Schwermetalle werden durch diese<br />

Beh<strong>and</strong>lung jedoch nur begrenzt erfasst.<br />

Durch diese Massnahme wird das Schadstoffpotential<br />

langsam reduziert (Abb. 2.4.3.8). Die Auswaschung<br />

der KW ist möglich, für PAK ist diese Massnahme<br />

nur beschränkt geeignet, die Freisetzung der<br />

Schwermetalle ist jedoch äusserst gering. Das von<br />

der Altlast ausgehende Gefahrenpotential wirdsomit<br />

nur zum Teil reduziert.<br />

Exposition und Bedeutung<br />

derSchutzgüter<br />

Abb. 2.4.3.8 Veränderung<br />

der von der Altlast ausgehenden<br />

Gefahr durch die<br />

Hydraulische in situ Sanierung.<br />

Schadstoffpotential<br />

Freisetzungspotential·<br />

Da die Beh<strong>and</strong>lung vor Ort erfolgt, sind keine<br />

Transporte nötig. Das Erdreich wirdso belassen wie<br />

es ist und braucht nicht umgelagert zu werden. Bezüglich<br />

"Abwasserbeh<strong>and</strong>lung kann auf Erfahrungen<br />

mit Verfahren, wie sie bei der Sondermülldeponie<br />

Kölliken angewilndt wurden, zurückgegriffen werden.<br />

Nachteilig wirkt sich aus, dass die Schadstoffauswaschung<br />

nicht wirklich kontrolliert werden kann.<br />

Die Beh<strong>and</strong>lung n<strong>im</strong>mt relativ viel Zeit in Anspruch.<br />

Durch die jährlich anfallenden .Kosten wird dieses<br />

Verfahren auch relativ teuer. Nach unseren Abschätzungen<br />

müsste man für denFall Stierenried mit rund<br />

72 Mio. Fr. rechnen. Dieser Betrag setzt sich aus den<br />

einmaligen Kosten für die Planung, für Investitionen<br />

und für die Entsorgung zusammen sowie aus den<br />

jährlichen Ausgaben für die Beh<strong>and</strong>lung und das<br />

Monitoring, die sich über die gesamte Sanierungsdauer<br />

kumulieren. Die Abschätzung erfolgte in<br />

Anlehnung an die Anlage in Kölliken, die um ungefahr<br />

'/3 grösser ist als dasStierenried. Bei den kumulierten<br />

Kosten gingen wir von der Annahme aus, dass<br />

die Altlast 70 Jahre überWacht wird.<br />

~ Auswaschung<br />

Abb. 2.4.3.7 Schematische Darstellung der Altlast vor und noch der<br />

Anwendungder Hydraulischen in situ Sanierong.<br />

2.5 Die Akteure<br />

Mit «Akteuren" werden die eigentlichen EntscheidungsträgerInnen<br />

(Investorlnnen und Kreditgebednnen)<br />

bezeichnet, sowie Betroffene und Personen<br />

UNS-Fallstudie '96 225


Altlasten ~----------------------------------<br />

oder Institutionen, welche direkt <strong>im</strong> Rahmen von<br />

Verh<strong>and</strong>lungen oder auch indirekt auf Entscheidungen<br />

Einfluss n.ehmen.<br />

2.5.1 Das Akteurnetz<br />

Um eine Vorstellung über die Zusammensetzung<br />

der Akteurengruppe eines Entscheidungsfindungsprozesses<br />

<strong>im</strong> Bereich Altlastensanierung zu erhalten,<br />

wurden die Sitzungsprotokolle der Berater- und<br />

Expertenrunde <strong>im</strong> Fall Stierenried <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit der Realisierung der Bauprojekte TaRO I<br />

,und TORO II analysiert. Diese Gesprächsrunde traf<br />

sich inregelmässigen Abständen über einen Zeitraum<br />

von zwei Jahren.<br />

Aus der Häufigkeit der in diesen Protokollen ersichtlichen<br />

Interaktionen zwischen den einzelnen<br />

Akteuren und einigen Interviews mit ExponentInnen<br />

dieser Entscheidungsträgerparteien wurde ein<br />

Netz der Akteure erstellt.<br />

Hier zunächst eine komplette, Liste der <strong>im</strong> Altlastenfall<br />

Stierenried beteiligten Akteure:<br />

• Bauherrin: ASEA Brown Boweri AG vertreten<br />

durch ABB Immobilien AG (ABB)<br />

• Ehe~alige NutzerInnen: ehemalige ABB­<br />

MitarbeiterInnen (Schrebergärten)<br />

• Künftige NutzerInnen: ABB Hochspannungstechnik<br />

AG, ADtranz<br />

• AnwohnerInnen: Durch Umwelteinflüsse •<br />

Belästigte<br />

• Kant. Ämter: Amtfür Gewässerschutz und Wasserbau<br />

des Kantons Zürich (AGW)<br />

• Städt. Ämter: Bauamt I (Tiefbauamt), BauamtII<br />

(Hochbauamt); Baupolizei, AmtfürIndustrie und<br />

Gewerbe, Amtfür Gesundheit und Umwelt, Gartenbauamt<br />

• InvestorInnen: Miteigentümergemeinschaft,<br />

Federführung Winterthut' Versicherungen<br />

• Architekt: Theo Hotz AG<br />

• Deponieplaner: Rytec AG<br />

• Generalunternehmer: Oerlikon Bührle Immobilien<br />

AG (lMAG)<br />

• Geologie: Büro Dr. H. Jäckli AG<br />

• Hochbauingenieure: Basler & Hoffmann AG,<br />

E. Toscano AG<br />

• L<strong>and</strong>schaftsplaner: Büro lktsch<br />

• <strong>Stadt</strong>planer: BüroU. Roth (ur)<br />

• Tiefbauingenieure: H. U. Peter AG<br />

• Arealgeschichte: Peter Link AG<br />

Die Analyse der Protokolle zeigte, dass am eigentlichen<br />

Entscheidungsprozess nur wenige Akteure<br />

beteiligt waren. Die Hauptakteure in der Detail- und<br />

Sanierungsuntersuchung waren die ABB, die IMAG,<br />

das AGW, die <strong>Stadt</strong>behörden, die Büro Dr. Jäckli AG<br />

und das Büro U. Roth.<br />

Die EntscheidungsträgerInnen<br />

Die ABB will auf ihrem Areal die Projekte TaRO I<br />

und IIrealisieren. Da es sich bei


_________________--.,._,......- ,......- ...,....-----'__Altlasten<br />

schieden für ökologische Aspekte ein. Das Tiefbauamt<br />

ist für das Erstellen von Tiefbauten zuständig.<br />

Das Büro U. Roth ist Planungsbeauftragter der<br />

Grundeigentümerlnnen <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />

(ZZN). Es koordiniert und vermittelt in dieser Funktion<br />

zwischen Anliegen <strong>im</strong> Projekt TaRO und dem<br />

Gesaintprojekt ZZN.<br />

Häufigkeit der Kontakte<br />

AJ.lfgrund der regelmässigen, alle zwei Wochen<br />

stattfindenden Sitzungen mit allen Beteiligten hatten<br />

die Hauptakteure regen K


Altlasten --'- ---'- _<br />

n<strong>im</strong>mt und das Vorgehen <strong>im</strong> Sinne der Amtsstelle<br />

kontrolliert. Dies entspricht weitgehend der üblichen<br />

Praxis. Die Sachbearbeiterlnnen des AGW sirid<br />

nur in Einzelfällen vor Ort. Diese Art des Vollzugs<br />

mit einer Eigenkontrolle der Bauherrin durch einen<br />

Gutachter bedingt jedoch, dass der Kontaktzwischen<br />

dem Konzeptveraritwortlichen und dem Amt<br />

ungehindert wahrgenommen werden kann.<br />

Die ExpertInnen befinden sich somit in einer<br />

Doppelfunktion, die der eines Vermittlers sehr<br />

nahe kommt. Daraus resultiert nicht zuletzt auch ein<br />

enormes Mass an Verantwortung, welches auf den<br />

Schultern der ExpertInnen la!ltet.<br />

So fordert die Grundeigentümerin einen kostengünstigen<br />

und in vernünftiger Zeit realisierbaren<br />

Sanierungsvorschlag, welcher das Bauprojekt als<br />

solches nicht in Frage stellt. In dieser ersten Phase<br />

der Erarbeitung des Sanierungsprojektes definiert<br />

sich das AGW als prüfende Fachstelle und bewertet<br />

die Vorschläge der ExpertInnen auf Gesetzeskonformität<br />

und Praxistauglichkeit. Das AGWbetont in<br />

bezug auf den Fall, dass die Zusammenarbeit mit<br />

der Büro Jäckli AG in jeder Beziehung auf einer<br />

Vertrauensbasis stattf<strong>and</strong>. Die Ausarbeitung eines<br />

Sanierungsprojektes mit einem max<strong>im</strong>alen Konsens<br />

seitens der Akteure und opt<strong>im</strong>aler Aussicht auf<br />

Bewilligung, ist das Hauptziel diese'r Phase.<br />

In der zweiten Phase fällt dem Experten, als Vera~twortlicher<br />

der Sanierung, die Überwachung der<br />

Sanierungsarbeiten zu. Wiederum prallen hier die<br />

unterschiedlichen Interessen der.Grundeigentümerin<br />

und des AGW aufein<strong>and</strong>er, d.h. wirtschaftliche<br />

bzw. private versus öffentliche Interessen.<br />

Es ist erfreulich, dass gerade in diesem komplexen<br />

Fall, welcher sozusagen als Präzedenzfall für weitere<br />

Altlastenbearbeitungen dieser Grössenordnung<br />

dienen kann, zwischen den einzelnen Akteuren relativ<br />

schnell eine Vertrauensbasis entstehen konnte,<br />

auf deren Grundlage eine erfolgreiche Bearbeitung<br />

der zahlreichen, natürlichen Konflikte möglich war<br />

und ist.<br />

3. Die Synthese .<br />

Anschliessend an die Aufarbeitung der Grundlagen<br />

zum Entscheidungsprozess bei, der Altlastenbearbeitung<br />

auf dem Stierenried wurden die verschiedenen<br />

Sanierungsalternativen beurteilt. Diese Bewertung<br />

erfolgte mit verschiedenen generellen Entwicklungsperspektiven,<br />

wie sie in den holzschnittartigen<br />

Zukunftsbildern formuliert wurden. In Analogie zum<br />

Brunswikschen Linsenmödell (vgI. Kap. 1.3 SYN­<br />

THESEKONZEPT UND VORGEHENSWEISE) werden die <strong>im</strong><br />

Kap; 2 beh<strong>and</strong>elten GRUNDLAGEN wieder zu einem<br />

«Ganzen» zusammengesetzt, um die zu Beginn angeführten<br />

Synthesefragen beantworten zu' können.<br />

Zusätzlich wurden auch die Rolle und das eigene<br />

Rollenverständnis der Akteure der Entscheidurigen<br />

auf dem Stierenried erfasst.<br />

3.1 Beurteilung verschiedener<br />

Sanierungsverfahren<br />

3.1.1 Kriterien<br />

In der Synthesephase 11 wurden aufgrund der Ergebnisse<br />

aus der Teilprojektphase Kriterien und<br />

Indikatoren erarbeitet (Tab. 3.1.1), unter deren Gesichtspunkt<br />

die Sanierungsvarianten für die Altlast<br />

Stierenried bewertet wurden. Diese Kriterien, Indi~<br />

katören und ihre Ausprägungen für die jeweilige<br />

Variante dienten als Grundlage für die Anwendung<br />

des Computerprogramms Logical Decisions (Smith,<br />

1995; vgI. Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap~ GRÜNRAUM). Sowohl die<br />

Kriterienliste als auch gewisse Ausprägungen wurden<br />

in der Gruppe diskutiert. Andere Ausprägungen<br />

wurden anh<strong>and</strong> von Literaturangaben und Modellrechnungen<br />

abgeschätzt.<br />

3.1.2 Ausprägungen<br />

Ausprägungen sind die konkreten, zu einem Indikator<br />

gehörenden Werte, die einer best<strong>im</strong>mten SaIiierungsvariante<br />

entsprechen. Als Beispiel werden hier<br />

die Ausprägungen zweier Indikatoren angeführt:<br />

Energie fir Massnahme<br />

Der Energieaufw<strong>and</strong>wurde mittels Literaturangaben<br />

und des Ökobilanzprogramms SIMA abgeschätzt<br />

(Heijungs, 1992). Das Programm best<strong>im</strong>mt<br />

aufgrund der benötigten Stoffe und deren Mengen<br />

den totalen Energieinhalt. Es werden dabei sämtliche<br />

vorangehenden Energieinputsberücksichtigt,<br />

die zur Herstellung und zum Einbau. der Stoffe<br />

.benötigt werden). Bei unserer Abschätzung wählten<br />

wir die Systemgrenzen derart, dass bei der Sicherung<br />

22$<br />

UNS·Fallstudie '96


______~<br />

____:-------------Altlasten<br />

Kriterium<br />

Schadstoffpotential nach erfolgter<br />

Massnahme<br />

Freisetzungspotential nach erfolgter<br />

Massnahme<br />

Exposition nach der Massnahme·<br />

Hilfs- und Rohstoffe<br />

Energie für Massnahme<br />

Abfall/Recycling<br />

Umwelteinwirkungen durch die<br />

Massnahme<br />

Kosten<br />

Erreichte Sanierungszielebene<br />

Grenzwerte/Qualitätsziele<br />

..<br />

Indikator<br />

Schadstoffpotential wird mit 0 oder 1 ausgedrückt. Es wird betrachtet, ob mit der Sanierungs:<br />

variante: kurzfristig (ca. 5-10 Jahre) das Schadstoffpotential merklich verringert wird. Es<br />

erfolgt dabei keine Gewichtung der einzelnen Schadstoffe. .<br />

«Belastungspunkte» von 0 bis 3. Die Immobilisierung wird dabei als Unterbindung des Ausbreitungspfades<br />

des Schadstoffes durch die Massnahme verst<strong>and</strong>en.<br />

................. •<br />

. .<br />

Qualitative Abschätzung der Gefährdung der Schutzgüter nach erfolgter Sanierung; dreistufige<br />

Bewertungsskala (0: keine Belastung; 1: mässige Belastung; 2: grosse Belastung)..<br />

Hilfs- und Rohstoffe für bauliche Massnahmen und den Chemikalieneinsatz in Tonnen.<br />

Energieaufw<strong>and</strong> für den Bau und den Betrieb der Massnahme in MJ.<br />

Belastungspunkte (0: kein Abfall; +: wenig; ++: viel +++: sehr viel Abfall; -: Abfall kann<br />

recycliert werden). . .<br />

Vierstufige Bewertungsskala(O: keine Belastung, 1: geringe Belastung, 2: mässige Belastung,<br />

3: starke Belastung).<br />

Planungs- und Baukosten bzw. Durchführungskosten sowie alIfällige Beh<strong>and</strong>lungs- und<br />

Monitoringkosten über 70 Jahre in Fr.<br />

vgI. Sanierungszielkaskade Kap. 2.4.1 AUSWAHL VON SANJERUNGSVERFAHREN:- ALLGEMEIN.<br />

Erfüllung 7verschiedener Grenzwerte bzw. Qualitätsziele (vgI. Kap. 3.1.2 AUSPRAGUNGEN)<br />

(Anzahl der erfüllten Anforderungen: 0/7 kleinster Wert (kein Grenz- bzw. Richtwert wird eingehalten);<br />

V7 grösstmöglicher Wert).<br />

. Tob. 3.1.1 Kriterien undIndikatoren, mit denen die Sonierongsvorionten beurteilt wurden.<br />

auch die Zementherstellung für die Stabilisierungsschicht<br />

berücksichtigt wurde. Bei der Bodenwäsche<br />

hingegen wurde weder die Erstellung der Anlage<br />

noch die Beh<strong>and</strong>lung der Restfraktion bilanziert<br />

(Tab. 3.1.2.1).<br />

Sicherung<br />

Bodenwäsche<br />

berücksichtigte Prozesse<br />

Asphalt, Zementstabilisation,<br />

Transport<br />

Waschprozess, Transport<br />

Energieinhalt<br />

1.95 * 10 8 MJ.<br />

1.64 * 10 7 MJ,<br />

Abfall/Recycling<br />

Abfall und Recyclinggrad wurden mit folgendem, semiquantitativemVorgehen<br />

abgeschätzt (Tab. 3.1.2.2).<br />

Bei anfallendem AbWasser sowie zu deponierenden<br />

Feststoffen wurden Belastungspunkte<br />

verteilt. «0» bedeutet kein Abfall,<br />

«+++» bedeutet sehr viel Abfall. «-»<br />

bedeutet, es kann· Abfall recycliert<br />

werden. Dabei werden Outputs aus<br />

dem System «Deponiekörper und<br />

seine Installationen» betrachtet. So bekommt<br />

beispielsweise die Nullvariante<br />

«++» für das belastete Abwasser, das<br />

in einer öffentlichen ARA gereinigt<br />

werden muss. Indessen wird bei der<br />

Hydraulischen in situ Sanierung das<br />

Abwasser innerhalb des Systems - in<br />

der extra dafür errichteten Kläranlage -<br />

Nullvariante<br />

Sicherung<br />

Bodenwäsche<br />

Hydraulisches<br />

in situ<br />

Verfahren<br />

Hydraulische<br />

in situ<br />

sanierung<br />

Kläranlage, Pumpen,<br />

Dichtw<strong>and</strong><br />

2.32 * 10 7 MJ.<br />

Tob. 3.1.2.1 Ergebnisse der Berechnungen des Energieoujwondes.<br />

belastetes<br />

Wasser<br />

belastete<br />

Feststoffe<br />

++ 0<br />

0 0<br />

0 +++<br />

0 ++<br />

Tob. 3.1.2.2 Abschiitzungjürdie Abjollbelostung.<br />

Recyclinggrad<br />

..<br />

UNS-Fallstudie '96 229<br />

o<br />

o<br />

o<br />

Total<br />

2<br />

o<br />

2<br />

2


Altlasten -:-- ---, ~ ~ _<br />

gerelmgt. Es wird kein belastetes Abw~sser in die<br />

öffentliche ARA abgegeben. Der Bau dei Installationen<br />

wird nicht betrachtet. .<br />

3.2 Altlasten in einem sich ändernden<br />

Umfeld<br />

Um die Altlast in einem sich ändernden Umfeld zu<br />

beurteilen, wurden Zukunftsbilder entworfen. Zwei<br />

Gesichtspunkte waren dafür von Bedeutung:<br />

• Das Eintreten eines Zukunftsbildes darf sich nicht<br />

auf unwahrscheinliche Ereignisse stützen.<br />

• Das Eintreten eines Zukunftsbildes darf nicht auf<br />

einem inkonsistenten Argumentarium aufbauen.<br />

Zukunftsbilder<br />

Ein Zukunftsbild, welches sich auf eine veränderte<br />

Auslegung der Gesetze stützt, erfüllt beide Anforderungen<br />

und trägt zudem der Tatsache Rechriung,<br />

dass Veränderungen <strong>im</strong> Vollzug der Gesetze anstehen,<br />

sobald weite,re Grenzwerte zur Verfügung<br />

stehen. Ebenfalls eingeschlossen ist eine Veränderung<br />

der Risikowahrnehmung, die einen direkten<br />

Einfluss auf den Vollzug der Gesetzte hat. Dazu<br />

kommen wirtschaftliche Veränderungen, die sich<br />

ebenfalls auf das gewählte Zukunftsbild auswirken<br />

können. Aus diesen Gründen einigten wir uns auf<br />

das Zukunftsbild «Strenger Vollzug», bei dem wir<br />

von einem verschärften Vollzug der altlastrelevanten<br />

Gesetze ausgingen. Dem Zukunftsbild «Lascher<br />

Vollzug» legten wir einen weniger strikten Vollzug<br />

dieser Gesetze zu Grunde. Das Umfeld dieser<br />

Zukunftsbilder wird <strong>im</strong> folgenden näher beh<strong>and</strong>elt.<br />

Be<strong>im</strong> dritten Zukunftsbild «Business as usual» nahmen<br />

wir an, dass die zukünftigen Rahmenbedingungen<br />

den heutigen entsprechen.<br />

Zukunftsbild «Strenger Vollzug»<br />

Beschreibung des Umfeldes ~wie kann ein solcher Zust<strong>and</strong><br />

entstehen.<br />

• Die Werthaltung gegenüber der Umwelt hat zugenommen:<br />

In den letzten Jahren ereigneten sich einige<br />

Unfälle <strong>im</strong> Zusammenhang mit Altlasten, 'bei<br />

denen grosse Mengen an Trinkwasser verunreinigt<br />

wurden, was grosse Sanierungskosten nach sich<br />

zog. Sanierungsgelder mussten dabei oft von der<br />

öffentlichen H<strong>and</strong> aufgebracht werden, da VerursacherInnen<br />

nicht mehr zu finden waren. Dies<br />

hat auch Auswirkungen auf die Politik. Vermehrt<br />

werden Poli,tikerlnnen gewählt, die sich nicht nur<br />

für ökonomische Belange einsetzen, sondern auch<br />

ökologische Aspekte für wichtig erachten.<br />

Der Boden wird als wichtige Resso'urceverst<strong>and</strong>en,<br />

.die es zu schützen gilt.<br />

Der Ausbildungsst<strong>and</strong> . bezüglich Umweltwissen<br />

konnte durch eine intensive Umweltpädagogik<br />

stark verbessert werden.<br />

• Die Hochkonjunktur:<br />

Die Schweizer Wirtschaft hat sich in den letzten<br />

Jahren gut erholt und man befindet sich in einer<br />

Zeit der Hochkonjunktur. Der Schweiz ist es gelungen,<br />

dem Konkurrenzdruck aus dem Ausl<strong>and</strong><br />

st<strong>and</strong>zuhalten, indem das Bildungsniveau hochgehalten<br />

werden konnte und viel Know-how,vorh<strong>and</strong>en<br />

ist.<br />

Die Bevölkerung lebt in guten ökonomischen Verhältnissen,<br />

Arbeit ist genügend vorh<strong>and</strong>en und das<br />

soziale System funktioniert gut. Auch die Überalterung<br />

der Bevölkerung stellt keine unlösbaren<br />

Probleme dar.<br />

In diesem Kl<strong>im</strong>a hat die Ökologie einen hohen<br />

Stellenwert und Gesetze werden diesbezüglich<br />

angepasst. Der Bodenpreis ist aufgrund der grossen<br />

Nachfrage hoch. Damit gewinnt der Boden auch<br />

ökonomisch an Bedeutung.<br />

• Die Umweltsituation:<br />

Durch die starke Bedrohung des Bodens und des<br />

Grundwassers in den vergangenen Jahren wurde<br />

eine starke technische Entwicklung bezüglich der<br />

Sanierung von Altlasten initiiert. Auch führt der<br />

konsequente Vollzug des USG zu einer konsequenteren<br />

Altlastenbearbeitung und einer Vermeidungvon<br />

Emissionen.<br />

Bundesebene<br />

Der Bundesrat legt, entsprechend der ihm in Art. 33<br />

USG eingeräumten Befugnis, Richtwerte für die<br />

Beurteilung der Bodenbelastung derart fest, dass Belastungen<br />

unterhalb dieser Werte die Fruchtbarkeit<br />

des Bodens auch langfristig nicht beeinträchtigen.<br />

Ausserdem legte er Anforderungen an die Wasserqualität<br />

der unterirdischen Gewässer (Grund- und<br />

Quellwasser) fest (Art. 9 Abs. '2 GSchG). Die Werte<br />

werden entsprechend der «Holl<strong>and</strong>liste » (BUWAL,<br />

1996) festgelegt.<br />

'Der Vollzug der Umweltschutzgesetzgebung wird<br />

<strong>im</strong> Sinne der Prävention voll auf das Vorsorgeprinzip<br />

(Art. 1 Abs. 2 USG) ausgerichtet.<br />

Kantonsebene<br />

Im Sinne von Art. 32c USGrev sorgen die Kantone<br />

dafür, dass Altlasten saniert werden. Den kantonalen<br />

Vollzugsbehörden wird mit den neuen Richt-/Grenzwerten<br />

ein besseres Instrumentarium zur Beurteilung<br />

der Umweltverträglichkeit von Althlsten zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

Im Sinne der oben genannten Prävention sind als<br />

Sanierungsziel die mit einer Altlast verbundenen<br />

230<br />

f<br />

UNS-Fallstudie '96


----"'-------------_---------<br />

---------Altlasten<br />

Schadstoffgehalte und Schadstoffflüsse auf ein Mas's<br />

zurückzuführen, das dem natürlichen Stoffhaushalt<br />

entspricht. Dies ist technisch möglich und wirtschaftlich<br />

tragbar. Die Altlasten werden SO beh<strong>and</strong>elt,<br />

dass nur verwertbare und endlagerfähige Stoffe<br />

entstehen (§ 32 Abs. 1 Abfallgesetz Kt. ZH).<br />

Zllkllnftsbild «Lascher Vollzllg»<br />

Beschreibung des Umfeldes- wie kann ein solcher Zust<strong>and</strong><br />

entstehen.<br />

• Die Werthaltung gegenüber der Umwelt n<strong>im</strong>mt ab:<br />

DieUmweltproblematik hat in der Bevölkerung in<br />

den letzten fünf Jahren an Bedeutung verloren.<br />

.Dies ist einerseits damit verbunden, dass durch<br />

neue Gesetze Grundlagen geschaffen wurden,<br />

welche den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt<br />

zum Ziel haben und <strong>and</strong>ererseits, dass die rezessionsbedingten<br />

Probleme zuoberst auf der Prioritätenliste<br />

stehen. Es ist davon auszugehen, dass<br />

dieser Trend anhält, wenn keine gravierenden Umweltschäden<br />

auftreten. Damit wird dieses Thema<br />

auch für die Medien <strong>im</strong>mer uninteressanter.<br />

Diese allgemeine Grundhaltung beeinflusst die<br />

Zusammensetzung der politischen L<strong>and</strong>schaft. Es<br />

werden Leute gewählt, die sich für wirtschaftliche<br />

Anliegen einsetzen. Dazu kommt der Druck aus<br />

Wirtschaftskreisen, die ihre Interessen vertreten<br />

haben wollen (Lobbying). Die PolitikerInnen .<br />

legen weniger Wert auf einen strikten Vollzug der<br />

Anliegen des USG.<br />

In der Ausbildung verliert die Umwelterziehung<br />

an Bedeutung. Dies führt zu einer geringeren<br />

Sensibilisierung in Umweltfragen.<br />

• Die wirtschaftliche Entwicklung ist negativ:<br />

Im Rahmen der Globalisierung wird der Kostendruck<br />

auf inländische Unternehmungen <strong>im</strong>mer<br />

grösser. Somit werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

zu einemProduktionsfaktor. Eine<br />

.strenge Umweltschutzgesetzgebung bringt Auflagen<br />

und Kosten mit sich. Um die Abw<strong>and</strong>erung<br />

der Unternehmen zu verhindern und um die<br />

strukturelle Arbeitslosigkeit klein zu halten, werden<br />

Ausnahmebewilligungen in grossem Mass<br />

erteilt.<br />

Der Bodenpreis ist aufgrund der geringen. Nachfrage<br />

tief. Damit verliert der Boden indirekt an<br />

Bedeutung und wird nicht mehrals schützenswert<br />

betrachtet. Der Vollzug erfolgt nicht konsequent.<br />

• Umweltbelastung:<br />

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden nicht<br />

mehr weiterentwickelt. Innovationen bleiben aus.<br />

Ein verschärfter Vollzug ist technisch und wirtschaftlich<br />

nicht tragbar. Die Schutzgüter sind<br />

keine knappen Güter, und müssen deshalb nicht<br />

besonders geschützt werden.<br />

Bundesebene<br />

Auf die Festlegung von weiteren Richtwerten zur<br />

Beurteilung der Bodenbelastung von Altlasten und<br />

Anforderungen an die Grundwasserqualität durch<br />

den Bundesrat wird weiterhin verzichtet..<br />

Ziel der Umweltschutzgesetzgebung ist der Schutz<br />

von Menschen, Tieren und Pflanzen, ihrer Lebensgemeinschaften<br />

und Lebensräume gegen schädliche<br />

und lästige Einwirkungen und die Erhaltung der<br />

Bodenfruchtbarkeit, wobei die Interpretation der<br />

«Gefährdung der Schutzgütec» grosszügig ausgelegt<br />

wird und teilweise vorh<strong>and</strong>ene Grenzwerte ignoriert<br />

werden. Der Vollzug beschränkt sich einzig auf die<br />

Gefahrenabwehr.<br />

Kantonsebene<br />

Den kantonalen Vollzugsbehörden fehlen brauchbare<br />

Kriterien zur Beurteilung d~r Umweltverträglichkeit<br />

von Altlast~n. Die Sanierung von Altlasten<br />

ist wirtschaftlich nicht tragbar ur:td die Technologien<br />

dazu sind nicht verfügbar. Zudem stehen.wirtschaftliche<br />

Aspekte teilweise den Umweltproblemen<br />

als übergeordnete oder gleichwertige Interessen<br />

gegenüber. Die in der kantonalen Gesetzgebung<br />

festgelegten Ausführungsbest<strong>im</strong>mungen werden so<br />

angewendet, dass <strong>im</strong> Sinne der Gefahrenabwehr<br />

lediglich Nutzungseinschränkungen vorgenommen<br />

werden;<br />

3.3 Bewertung der Sanierungsvarianten<br />

. 3.3.1 Grllndlagen<br />

In den vorangehenden Kapiteln wurde beschrieben,<br />

welche Kriterien zur Bewertung der vier Sanierungsvarianten<br />

massgebend sind. Ebenso wurden dort<br />

zwei Zukunftsbilder entworfen, aufderen Grundlage<br />

die Tauglichkeit der vier Sanierungsvarianten für<br />

den Altlastenfall Stierttnried in den nächsten 70 Jahren<br />

bewertet werden kann.<br />

In diesem Kapitel soll das Vorgehen zur Auswahl<br />

der geeignetsten Sanierungsvariante aufgezeigt werden.<br />

In einem ersten Bewertungsschritt wird von einer<br />

Situation ausgegangen, wie sie den heutigen Gegebenheiten<br />

entspricht. Im Sinne eines «Business<br />

as usual» nennen wir diesen Fall « Zukunftsbildl»<br />

oder S1.<br />

In einem zweiten Schritt wollen wir eine Beurteilung<br />

bezüglich den"beiden, <strong>im</strong> Kap. 3.2 ALTLASTEN .<br />

IN EINEM SICH ÄNDERNDEN UMFELD beschriebenen,<br />

zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten vornehmen<br />

und auf diese Weise zu einer favorisierten<br />

Sanierungsvariante gelangen. Diese zukunftsorientierte<br />

Bewertung beinhaltet nun auch die Kriterien<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

231


Altlasten__-'-- '-- ---,. _<br />

H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />

Altlast Stierenried<br />

Abb. 3.3.1 Übersicht der Bewertungsschritte in der Synthesephase.<br />

81 82 83<br />

P22<br />

Kriterien kann heute mit Hilfe von<br />

Computersoftware auf den Grundlagen<br />

der Entscheidungstheorie bearbeitet<br />

werden.<br />

Das Programm Logical Decisions<br />

bietet uns eine praktische und angemessene<br />

Anwendung dieses Problemlösungskonzeptes.<br />

Wir entschieden<br />

uns deshalb für dieses Entscheidungshilfeprogramni<br />

zur Auswahl einer<br />

opt<strong>im</strong>alen Sanierungsvariante.<br />

welche in den Postulaten der Nachhaltigkeitsbetrachtung<br />

enthalten sind.<br />

Den einen Fall in diesem zweiten Bewertungsschritt,<br />

den «Strengen Vollzug» nennen wir «Zukunftsbild<br />

2» oder S2, den ~Laschen Vollzug»<br />

nennen wir «Zukunftsbild 3»· oder S3. Abb. 3.3.1 soll<br />

diesen Ablauf nochmals verdeutlichen.<br />

3.3.2 Bewertllllg mit Hilfe VOll LogicalDecisiolls<br />

Um unter den unterschiedlichen Sanierungsvarianten<br />

eine opt<strong>im</strong>ale· Auswahl treffen zu können, ist<br />

ein Vergleichund eine Bewertung der Nutzen dieser<br />

einzelnen Varianten erforderlich. Eine derartige Entscheidungsfindung<br />

unter Berücksichtigung mehrerer<br />

Strllktllr IIlId Arbeitsweise VOll Logical Decisiolls<br />

Um zur Auswahl einer opt<strong>im</strong>alen Sanierungsvariante<br />

zu gelangen, erhielten die einzelnen Varianten den<br />

Stellenwert von Bewertungszielen. Im weiteren wurden<br />

Kriterien definiert, welche es erlaubten, diese<br />

Hauptziele zu charakterisieren. Diese Kriterien wurden<br />

wiederum mittels Indikatoren zu quantifizieren<br />

versucht. Diese entspricht der Gliederung wie sie <strong>im</strong><br />

Logical Decisions (Smith, 1995) verwendet wird, um<br />

bezüglich irgend einer Problematik, eine Entscheidung<br />

zwischen mehreren Alternativen zu treffen.<br />

Abb. 3.3.2 verdeutlicht die <strong>im</strong> Programm angewendete<br />

Hierarchie.<br />

Das Programm gliedert sich in 4 Teile:<br />

1. die eigentliche Strukturierung des Problems in<br />

Ziele, Unterziele, Kriterien und Unterkriterien<br />

anh<strong>and</strong> eines Strukturdiagrammes,<br />

2. die Eingabe der Ausprägungen der einzelnen<br />

Kriterien und Nutzenfunktionen,<br />

3. die Gewichtung der Kriterien gegenein<strong>and</strong>er und<br />

4. die Analyse der Resultate.<br />

Abb. 3.3.2 Entscheidungsbaum <strong>im</strong> Programm Logical Decisions.<br />

Bewertllllgsziel, Kriteriell IIlId IndikatoreIl<br />

<strong>im</strong> Logical Decisiolls<br />

Jede Bewertung zielt auf einen Vergleich verschiedener<br />

Alternativen ab. Dazu müssen bei allen Alternativen<br />

dieselben Aspekte betrachtet werden. Die<br />

verschiedenen Aspekte haben dabei oft einen unterschiedlichen<br />

Stellenwert, sowohl vomProblemfeld<br />

her als auch aus der Sicht der Bewertenden. Es ist<br />

daher sinnvoll, diese Dinge differenziert zu betrachten,<br />

um eine Bewertung nachvollziehbar zu gestalten.<br />

In der Regel werden die verschiedenen zu betrachtenden<br />

Aspekte als Kriterien bezeichnet, ihr<br />

Stellenwert als Gewichtung. Die Kriterien und ihre<br />

Gewichtungen sowie die dazugehörigen Zielvorstellungen<br />

nennt man Bewertungsstrukturen.<br />

Ein Kriterium stellt eigentlich.ein theoretisches<br />

Konstrukt dar, dem beobachtbare Sachverhalte zugeordnet<br />

werden müssen (Schnell, 1993). Diese<br />

beobachtbaren Sachverhalte werden als Indikatoren<br />

232<br />

UNS-Fallstudie '96


---~-----:-------------- --:. ~ AItlasten<br />

bezeichnet und stellen die eigentlichen «Messgrössen»<br />

der Kriterien dar.<br />

Werden nun verschiedene Alternativen verglichen,<br />

so wird zuerst die Ausprägung, d. h. der konkrete Wert<br />

des Indikators ermittelt. Die erhaltenen Werte der<br />

Indikatoren können kombiniert werden und ordnen<br />

so den Kriterien einen Wert zu. Die Gewichtung der<br />

Kriterien ist dann ein individueller Schritt, der von<br />

verschiedenen Personen auch unterschiedlich vorgenommen<br />

wird.<br />

Für die Bewertung der verschiedenen Sanierungsvarianten<br />

wurde ebenfalls eine solche Bewertungsstruktur<br />

aufgebaut. Es gibt für die Auswahl von<br />

Sanierungsvarianten verschiedene Bewertungssysteme,<br />

die dabei als Grundlage verwendet werden<br />

können.<br />

Es wurde darauf geachtet, das Kriteriensystem so<br />

einfach wie möglich zu gestalten, um die Übersichtlichkeit<br />

und H<strong>and</strong>habbarkeit zu wahren. Für die einzelnen<br />

Sanierungsvarianten wurden die Ausprägungen<br />

best<strong>im</strong>mt und als Grundlage für den eigentlichen<br />

Bewertungsschritt bereitgestellt.<br />

Nach der Definition der Ziele und Unterziele (Abb.<br />

3.3.2) für das Entscheidungshilfeprogramm Logical<br />

Decisions wurde für jeden Indikator eine Nutzen/unktion<br />

best<strong>im</strong>mt. Im folgenden wird dies an einem<br />

Beispie~ dargelegt:<br />

Die Umweltauswirkung einer Massnahme selbst<br />

wurde als Indikator für die Umweltverträglichkeit<br />

dieser Massnahme gewählt.<br />

Bei der Definition der Nutzen/unktion wurde nun in<br />

der Arbeitsgruppe der Nutzen bzw. Schaden dieser<br />

Umweltauswirkungen diskutiert. Es ist dabei offensichtlich,<br />

dass eine möglichst tiefe Um.weltbelastung<br />

durch die Massnahme selbst den grössten Nutzen<br />

darstellt und dass eine hohe Belastung einem<br />

entsprechend tiefen Nutzen entspricht. Die Nutzenfunktion<br />

wurde daher so aufgestellt, dass der Massnahme<br />

mit der tiefsten Umweltbelastung der Nutzen<br />

1 zugeordnet wurde, derjenigen mit der höchsten<br />

Belastung der Nutzen o. Dazwischen wurde die Nutzenfunktion<br />

als linear angesehen.<br />

Für die betrachteten Zukunftsbilder wurde die<br />

Nutzenfunktion leicht verändert: Be<strong>im</strong> Zukunftsbild<br />

«Strenger Vollzug» wurde angenommen, dass jede<br />

Belastung zu vermeiden sei, d.h. die Funktion lällt<br />

steil ab und erhält einen Knick (siehe Tab. 3.3.2). Für<br />

das Zukunftsbild des «Laschen Vollzugs», bei dem es<br />

um die Gefahrenabwehr geht, wurde· angenommen,<br />

die Abwendung der Gefahr habe absolute Priorität,<br />

und die Umweltbelastung durch die Massnahme<br />

selbst sei weniger relevant.<br />

3.3.3 Resrlltate der Bewertrlngen<br />

In den Abb. 3.3.3.1 bis 3.3.3.3 haben die einzelnen<br />

Balken die Bedeutung der Gesamtsumme der<br />

Nutzen für die betrachteten Teilaspekte «Kosten»,<br />

«Sanierungserfolg», «Umweltverträglichkeit» und<br />

«Recht». In Tab. 3.3.3 ~ird eine Übersicht mit Gewichtung<br />

der einzelnen Beurteilungskriterien gegeben.<br />

Die intera~tiveBewertung am Computer wurde<br />

von den Mitgliedern der Synthesegruppe Altlasten<br />

durchgeführt, allesamt Studierende des Studienganges<br />

Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />

Zürich.<br />

Das Zrlkrlnfrsbild «Brlsiness as USrlal»<br />

Die K<strong>and</strong>idatlnnen (in Abb. 3.3.3.1 bis 3.3.3.3 als<br />

Rater bezeichnet), welche eine Bewertung der Sanierungsvarianten<br />

unter dem Zukunftsbild «Business<br />

as usual» vornahmen, tendieren zusammen mit der<br />

Entscheidungshilfe zur Sicherung. Diese ist aber hart<br />

gefolgt von der Bodenwäsche und der Nullvariante<br />

(Abb. 3.3.3.1). Die Hydraulische in situ Sanierung<br />

fällt klar ab. Sie wurde von keinem/r K<strong>and</strong>idatln mit<br />

Hilfe des p.rogramms ausgewählt..<br />

Dass zwei dieser Varianten in der Gesamtnutzenbetrachtung<br />

sehr nahe beiein<strong>and</strong>er .liegen und die<br />

Wahl somit nicht eindeutig ausfällt, weist auf eine<br />

Schwierigkeit hin, welcher die EntscheidungsträgerInnen<br />

(ABB, AGW, <strong>Stadt</strong>) in der Realität auch begegnet<br />

sind. Auch bei unterschiedlicher Gewichtung<br />

der Einzelbeiträge zum Gesamtnutzen kann ein<br />

ähnlicher Gesamtnutzen resultieren. Dies ist z.B.<br />

dann der Fall, wenn einmal ökologischen Aspekten<br />

bz~. einmal ökonomischen Aspekten ein stärkeres<br />

Gewicht beigemessen wird.<br />

Die IX<strong>and</strong>idatlnnen gewichteten die Umweltverträglichkeit<br />

und die Einhaltung des Rechts <strong>im</strong><br />

Durchschnitt leicht stärker als die Kosten. Bezüglich<br />

Indikator<br />

Business as usual·<br />

Strenger Vollzug<br />

Lascher Vollzug<br />

Umweltauswirkungen der<br />

Massnahmen selbst<br />

Nutzen<br />

:LUrnW-_<br />

Tab. 3.3.2 Darstellung der Nutzenfunktionen für die drei Zukunftsbilder, Beispiel (UntW = Umweltauswirkung).<br />

UNS-Fallstudie '96 233


Altlasten '-- -'-- _<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

,0.1<br />

o<br />

Bodenwäsche<br />

Sicherung<br />

Abb. 3.3.3.1 Gesomtnutzen der Sonieningsvorionten <strong>im</strong> Zukunftsbild «Business os usuol».<br />

der Kosten gab es beachtliche Differenzen bei den<br />

verschiedenen K<strong>and</strong>idatlnnen: die Gewichtung geht<br />

'von 0.06 bis 0.5. Die <strong>and</strong>eren Kriterien wurden aber<br />

relativ einheitlich gewichtet. Diese Resultate sind<br />

aus den Abbildungen nicht ersichtlich.<br />

Das Zukunftsbild «Strenger Vollzug))<br />

Szenario «Business as usuab><br />

hydraulische<br />

in Sit4 Sanierung<br />

Dass be<strong>im</strong> Zukunftsbild «Strenger Vollzug» die<br />

Bodenwiische gewinnt, scheint recht plausibel. Bei<br />

dieser Variante wird eine Totalsanierung, d.h. eine<br />

max<strong>im</strong>ale Entfernung der Schadstoffe, angestrebt,<br />

mit der die gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen erfüllt<br />

werden sollen. Da sich bei diesem Zukunftsbild die<br />

Schweizer Wirtschaft in Hochkonjunktur befindet,<br />

spielen die Kosten eine geringe Rolle. Dies kommt<br />

bei der Gewichtung durch die K<strong>and</strong>idatlnnen klar<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

o<br />

Bodenwäsche<br />

Sicherung<br />

hydraulische<br />

in situ Sanierung<br />

Nullvariante<br />

Szenario «Strenger Vollzug»<br />

Nullvariante<br />

Abb.3.3.3.2 Gesomtnutzen derSonierungsvorionten <strong>im</strong> Zukunftsbild 'Strenger Vollzug».<br />

Ili Rater 14<br />

• Rater 15<br />

11I Rater 16<br />

• Rater 17<br />

• Rater1B'<br />

D Mittelwert<br />

Ili Rater 1<br />

• Rater2<br />

Ili Rater3<br />

D Rater4<br />

• Rater5<br />

Ili Rater6<br />

• Rater7<br />

D Mittelwert<br />

zum Ausdruck (Tab. 3.3.3).<br />

Dieses Resultat, das mit Hilfe<br />

der Methode Logical Decisions<br />

eruiert wurde, weist darauf<br />

hin, dass die B odenwiische eine<br />

sinnvolle Lösung ist, wenn'<br />

finanziellen Fragen wenig<br />

Gewicht beigemessen wird.<br />

Die <strong>and</strong>eren Kriterien wur- .<br />

den ähnlich gewichtet.<br />

Es war unerwartet, dass die<br />

Hydraulische in situ Sanierung<br />

gleich gut wie die Nullvariante<br />

bewertet wurde. Ausschlaggebend<br />

dafür könnten etwa<br />

das hohe Risiko dieses Verfahrens<br />

sowie der enorme<br />

Energieverbrauch sein. Weiter<br />

könnten einerseits gewisse<br />

Inkonsistenzen bei der Kriterienauswahl<br />

und der Aufstellung der Ausprägungen<br />

ausschlaggebend sein, <strong>and</strong>ererseits eine punktuelle'<br />

Extrembeurteilung eines/r einzelnen Bewertenden.<br />

Das Zukunftsbild fiLascher Vollzug~<br />

Betrachtet man den mittleren Nutzen der Sanierungsvarianten,<br />

so tritt in diesem Zukunftsbild die<br />

Sicherung deutlich hervor. Bei sämtlichen K<strong>and</strong>idatlnnen<br />

rangiert die Sicherung auf Platz eins. Die<br />

Bodenwiische und die Nullvariante unterscheiden sich<br />

nicht wesentlich. Je nach K<strong>and</strong>idatln sind sie auf<br />

Platz zwei, drei und einmal sogar vier. Am schlechtesten<br />

schneidet die Hydraulische in situ Sanierung ab.<br />

Sie wird von fünf der sechs Bewertenden auf Platz<br />

vier eingestuft (Abb. 3.3.3.3). Es fallt weiter auf, dass<br />

die Gesamtrangfolgen bei den Zukunftsbildern «Lascher<br />

Vollzug» und<br />

«Business as usual»<br />

eine grosseÜbereinst<strong>im</strong>mung<br />

besitzen.<br />

Be<strong>im</strong> Versuch dieses<br />

Resultat zu er-'<br />

klären, können die<br />

Daten aus der Tab.<br />

3.3.3 mit den durchschnittlichen<br />

Kriteriengewichtungen<br />

weiterhelfen.<br />

Ihr ist zu<br />

,entnehmen, dass von<br />

den Beurteilenden<br />

die Kosten als wichtigstes<br />

Kriterium eingestuft<br />

wurde. Dies<br />

lässt sich mit. den<br />

schlechten wirtschaft-<br />

234 UNS-Fallstudie '96


___-----------'-------~---------'--------'-..:...-------Altlasten<br />

lichen Voraussetzungen erklären,<br />

die diesem Zukunftsbild zugrunde<br />

liegen. Die kostengünstige<br />

Lösung der Sicherung schneidet<br />

deshalb am besten ab, während<br />

die kostspielige Variante der<br />

Hydraulischen in situ Auswaschung<br />

nicht konkurrenzfähig ist.<br />

Weiter kann aus den Daten der<br />

Tab. 3.3.3 entnommen werden,<br />

dass der Umweltverträglichkeit<br />

die . tiefste Priorität b~igemessen<br />

wurde. Dem Zukunftsbild<br />

«Lascher Vollzug» liegt keine<br />

strenge Einhaltung der Grenzwerte<br />

zugrunde. Eine vollständige<br />

Sanierung, wie sie etwa eine<br />

Bodenwäsche bietet, ist deshalb<br />

nicht oberstes Ziel.<br />

Vergleich der verschiedenen<br />

ZRkRnftsbilder<br />

In Tab. 3.3.3 sind die Gewichtungen<br />

für die' vier Kriterien<br />

zusammengefasst, Kursivgedrur;kte<br />

Werte zeichnen sich durch eine<br />

besonders hohe Bewertung des<br />

Nutzens aus. Diese Kriterien<br />

haben entsprechend grossen Ein~<br />

fluss auf das Endresultat. Andererseits<br />

können sich hier Fehler<br />

O.S<br />

0.2<br />

0.1<br />

o<br />

Bodenwäsche Sicherung hydraulische<br />

in situ Sanierung<br />

Szenario «LascherVollzug»<br />

Nullvariante<br />

Abb.3.3.3.3 Gesamtnutzen derSanierungsvarianten <strong>im</strong> Zukunftsbild «Loseker Vollzug•.<br />

Zukunftsbild<br />

Kosten<br />

............••..••........ .<br />

.Sil~~r.IIJl1t~~r:'.()Ii. .<br />

Umweltverträglichkeit<br />

.................... .<br />

Recht<br />

in der Abschätzung der Ausprägungen, der Nutzenfunktionen<br />

usw. besonders starkfortpflanzen. Dieser<br />

Umst<strong>and</strong> müsste durch eine Sensitivitätsanalyse<br />

weiter geprüft werden.<br />

3.3.4 DiskRssion der Ergebnisse Rnd Methoden<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die<br />

Hydraulische in situ Sanierung sowie die Nullvariante<br />

für eine Altlastenbeh<strong>and</strong>lung des Areals Stierenried<br />

als ungeeignet beurteilt wurden. Sie werden in keinem<br />

Zukunftsbild als geeignet eingestuft. Die Siche-<br />

. rung und die Bodenwäsche sind in Abhängigkeit der<br />

Gegebenheiten denkbar. Je nach gesetzlichem Umfeld<br />

ist die c:;ine oder die <strong>and</strong>ere Variante zu bevorzugen.<br />

Die Prüfung mittels einer Sensitivitätsanalyse<br />

würde es allenfalls ermöglichen, eine eindeutigere<br />

Wahl zwischen diesen zwei verbleibenden Varianten<br />

zu treffen. Um präzisere Aussagen zu ermöglil;:hen,<br />

müsste die erarbeitete Datenbasis erweitert und<br />

einer genaueren statistischen Prüfung unterzögen<br />

werden.<br />

Ob die verschiedenen Zukunftsbilder <strong>im</strong> Entscheidungsmodell<br />

abgebildet werden können und ob<br />

Business as usual<br />

0.214<br />

..................<br />

0.213<br />

...............................<br />

0.317<br />

0.256<br />

Strenger Vollzug<br />

0.07<br />

..................<br />

0.368 ............... .<br />

0.26<br />

. .<br />

0.303<br />

111 RaterS<br />

• Rater9<br />

111 Rater 10<br />

D Rater 11<br />

• Rater 12<br />

• Rater 13<br />

D Mittelwert<br />

Lascher Vollzug<br />

0.652<br />

0.113<br />

0.06 ..............<br />

0.179<br />

Tob. 3.3.3 Gewiektung der einzetnen Kriterien als Durckseknitt oller K<strong>and</strong>idatInnen IHr die drei<br />

Zukunltsbilder.<br />

damit eine" Variantenbewertung unter verschiedenen<br />

Zukunftsbildern vorgenommen werden kann, war für<br />

uris zu Beginn noch eine Frage und deren Realisierung<br />

ein Wagnis.<br />

Das Entscheidungshilfeprogramm Logical Decisions<br />

, ist ein geeignetes Werkzeug zur Variantenbewertung.<br />

Es zwingt die BenutzerInnen, eine strukturierte<br />

Analyse des Problems durchzuführen (Ziele, UnterzieIe)<br />

sowie eine bewusste Gewichtung der Kriterien<br />

und Unterkriterien vorzunehmen. Die Ausgabe<br />

der Resultate erlaubt eine transparente Darstellung<br />

des Entscheidungsvorschlags. Das Programm bietet<br />

verschiedene zusätzliche Analyse- und Darstellungsmöglichkeiten<br />

an, wie Sensitivitätsanalysen für Gewichtungsverschiebungen,<br />

Rangfolge mit Nutzenanteilen<br />

der einzelnen'Kriterien am Gesamtnutzen<br />

und graphische Ausgabe der eigenen Gewichtung.<br />

(versteckte) Bewertungen<br />

Im folgenden wird nun kurz auf einige versteckte<br />

Bewertungen eingegangen: .<br />

Auf den ersten Blick erscheint die Struktur in<br />

Logical Decisions einleuchtend und einfach verständlich.<br />

Aber nur mit den Nutzenfunktionen und der<br />

.~<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '96 . 235


Altlasten ~ ----, -,-- _<br />

Gewichtungsphase ist noch nicht alles genannt, was<br />

wirklich Einfluss aufdie Bewertung haben kann:<br />

a)Auswahl der Kriterien<br />

Die mehr oder weniger bewusste Selektion von<br />

Kriterien wird die Endbewertung sicherlich stark<br />

prägen.<br />

b)Skalierung der Ausprägungen<br />

Für jedes Kriterium sind dessen Ausprägungen zu<br />

skalieren, wobei eine Bewertung vorgenommen<br />

wird. Wenn beispielsweise für . das Kriterium<br />

«Kosten" ein grosser Skalenbereich angenomm~n<br />

wird, die spezifischen Ausprägungen der Varianten<br />

aber nahe beiein<strong>and</strong>er liegen, so erhalten auch<br />

die schlechten Varianten noch einen relativ hohen<br />

Nutzen.<br />

c)Festlegung der Nutzenfunktionen<br />

. Mit der Festlegung der Nutzenfunktionen wird<br />

die Rangfolge der Varianten stark beeinflusst. Da<br />

die Nutzenfunktionen beliebig definiert werden<br />

können, ist es wichtig, jede Funktion gründlich<br />

zu diskutieren.<br />

d)Auswahl der Vergleichskriterien<br />

Sobald mehr als zwei Kriterien zu einem Unterziel<br />

vorh<strong>and</strong>en sind, kann ausgewählt werden, welche<br />

Kriterien mit welchen verglichen 'Yerden sollen.<br />

Auch dadurch können unbewusst Bewertungen<br />

einfliessen, die ungeschickte Kriterienkombinationen<br />

generieren und somit ein verzerrtes Bild<br />

schaffen.<br />

e)Hierarchie der Bewertung<br />

. Oft wird erst bei den Besprechungen eines Resultates<br />

klar, weshalb gewisse Gewichtungen vom Programm<br />

in dieser Weise verwendet wurden. Alle<br />

Gewichtungen addieren sich zu 1 und beruhen auf<br />

relativen Vergleichen von Kriterien. Zur Konsistenzanalyse<br />

kann man sich auch die (nicht selber best<strong>im</strong>mten,<br />

sondern durch das Programm berechneten)<br />

übrigen Vergleiche anzeigen lassen und sie<br />

unter Umständen revidieren.<br />

Diese Ergebnisse illustrieren die vielseitigen Anwendungsmäglichkeiten<br />

dieser Methode zur systematischen<br />

und logischen Strukturierung des Bewertungsprozesses<br />

und als wertvolle Unterstützung der<br />

Entscheidungsfindung bei der praktischen Auswahl<br />

einer geeigneten Sanierungsmassnahme.<br />

3.4 Opt<strong>im</strong>ierung·der<br />

Entscheidungsfindung<br />

3.4.1 Ziele<br />

Um die Altlastenproblematik <strong>im</strong> Stierenried aus Sicht<br />

der Betroffenen besser zu verstehen und Thesen<br />

zu einem opt<strong>im</strong>alen Entscheidungsmanagement<br />

zu entwickeln, identifizierten wir die wichtigsten<br />

Akteure und untersuchten Abläufe und Charakteristika<br />

der Entscheidungsfindung. Altlastentypische<br />

Konflikte wurden in. einem weiteren Schritt analysiert<br />

und bildeten eine Grundlage für die Formulierung<br />

von Thesen zu einer Opt<strong>im</strong>ierung der<br />

Entscheidungsfindung <strong>im</strong> Umgang mit Altlasten.<br />

Unsere Arbeit basierte <strong>im</strong> wesentlichen auf<br />

• der Analyse von Sitzungsprotokollen,<br />

• Interviews mit Akteuren aus dieser Problematik<br />

und<br />

• Beobachtungen aus einem die Entscheidungssituation<br />

s<strong>im</strong>ulierenden Planspiel.<br />

Die Entscheidung für eine Sanierungsvariante war <strong>im</strong><br />

Fall Stierenried bereits gefallen: Eine Oberflächenabdichtung<br />

und die vorsorgliche Erstellung einer<br />

Drainage zur Fixierung des Grundwasserspiegels auf<br />

heutigem Niveau sollen das Grundwasser schützen<br />

und die Deponie trocken halten. Ziel war es nun<br />

zu untersuchen, wie es· zu diesem Entscheid kam.<br />

Insbesondere war von Interesse, wer in welcher<br />

Form an diesem Prozess beteiligt war, und welche<br />

Sachzwänge und Entscheidungen schliesslich zur<br />

aktuellen Situation führten.<br />

Produkt 1: Akteure ulld BeziehulIgslletz<br />

Die wichtigen Akteure wurden identifiziert,gruppiert<br />

und unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />

bezüglich folgender Punkte untersucht:<br />

• Zielvorstellungen und Verh<strong>and</strong>lungspositionen der<br />

Akteure<br />

• Konflikte unter den Akteuren auf Interessen-,.<br />

Verfahrens- und Sachebene<br />

• Kriterien, welche bei Entscheidungen zur Anwendung<br />

kommen<br />

• Auftragslage und finanzielle Abhängigkeiten<br />

Graphiken sollten einen Eindruck von der Akteur­<br />

L<strong>and</strong>schaft und den entscheidenden strukturellen<br />

Veränderungen <strong>im</strong> Verlauf der Verh<strong>and</strong>lungen vermitteln:<br />

Wer verh<strong>and</strong>elte in welcher Phase der<br />

Planung mit wem und welche Konflikte traten auf<br />

zwischen welchen Verh<strong>and</strong>lungspartnerInnen?<br />

Produkt 2: Ablaufder Verhalldlullgell Ulld<br />

ElltscheidulIgsfilldulIg<br />

Es gibt unterschiedliche Vorstellungen davon, wie<br />

die Zusammenarbeit unter den Bet~offenenund der<br />

Verlauf der Verh<strong>and</strong>lung~nbei der Altlastenbearbeitung<br />

aussehen sollen. Idealvorstellungen eines solchen<br />

Entscheidungsfindungsprozesses wollten wir<br />

mit den Prozessen vergleichen, wie sie einerseits <strong>im</strong><br />

Stierenried und <strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong> Planspiel abgelaufen<br />

sind. Auf diese Weise lassen sich Ursachen von altlastentypischen<br />

Konflikten leichter dem Verfahren<br />

oder den divergierenden Interessen einzelner Ver-<br />

236<br />

UNS-Fallstudie '96


__________________________~_ ___'__ _'__<br />

Altlasten<br />

treterInnen der beteiligten Parteien zuordnen. Als<br />

eigentliches Produkt sollten aus dieser Arbeit Entscheidungsdiagramme<br />

entstehen.<br />

Prodllkt 3: Das Plallspiel<br />

Die Schlüsselakteure wurden in einem s<strong>im</strong>ulierten<br />

Verh<strong>and</strong>lungsprozessdurch Personen vertreten, welche<br />

in Bezug zum Fall Stierenried nicht vorbelastet<br />

waren. Unsere Absicht war es, kompetente Fachleute<br />

mit unterschiedlichem Ausbildongshintergrund für<br />

das Planspiel zu gewinnen (siehe Kasten 3.4.1).<br />

Dies ist uns auch gelungen, die Zusammensetzung<br />

der Runde best<strong>and</strong> aus je zwei JuristInnen, ÖkonomInnen<br />

und Umweltnaturwissenschafterlnnen,<br />

also BerufsvertreterInnen wie sie auch <strong>im</strong> Verh<strong>and</strong>lungsprozess<br />

des realen Falles anzutreffen waren. In<br />

deren Rollenbeschriebe flossen Informationen aus<br />

der Protokollanalyse, sowie auch aus den Interviews<br />

mit ein. Den VertreterInnen der verschiedenen<br />

Akteure gaben wir knappe, aber hinreichende Informationen<br />

mit, um eine annähernd realistische S<strong>im</strong>ulation<br />

der Verh<strong>and</strong>lungen zu erreichen.<br />

Alle wurden unmittelbar vor Diskussionsbeginn<br />

nochmals gründlich auf ihre Rolle als Verh<strong>and</strong>lungspartnerIn<br />

vorbereitet (Zielvorstellungen, Kriterien,<br />

etc.) sowie mit der Problematik und dem H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />

vertraut gemacht. Anschliessend an die Diskussion<br />

kommentierten die TeilnehmerInnen ihren<br />

Entscheid vor dem Hintergrund der Zukunftsbilder,<br />

welche in: der Synthesephase entwickelt wurden.<br />

Thesellpapier zlIm Elltscheidllllgsmallagemellt<br />

Aus dem Vergleich zwischen den Resultaten der<br />

Protokollanalyse, den Befragungen und dem Planspiel<br />

sollen jene Konflikte hervorgehoben werden,<br />

welche für Altlastenverh<strong>and</strong>lungen typisch sind.<br />

Uneinigkeiten dürften sich sowohl aus dem Verfahren<br />

als auch aus den unterschiedlichen Zielvorstellungen<br />

der beteiligten Akteure ergeben. In Form<br />

eines Thesenpapiers möchten wir die entscheiden...<br />

den Konflikte charakterisieren und Ansätze füreine<br />

noch effizientere Bearbeitung von Altlastenfällen<br />

liefern.<br />

3.4.2 Die Allfällge - der Verlallf<br />

Erste Anzeichen eines Altlastenverdachtes<br />

Die erste Kontaktaufnahme zwischen der ABB und<br />

dem AGW erfolgte 1988. Damals teilte das AGW der<br />

ABB mit, dass auf ihrem Areal ein Altlastenverdacht<br />

bestehe. 1994 beschloss die ABB, auf dem Areal<br />

Stierenried das Projekt TORO I und n zu realisieren.<br />

Zu diesem Zeitptinkt war man sich über das Ausrnass<br />

der Altlast noch nicht <strong>im</strong> klaren.<br />

Kasten 3.4.1 Das Planspiel (vgl. allen Kap. PLANSPIEL).<br />

Städtebaulicher Wettbewerb<br />

Zwischen 1988 und 1994 wurde ein städtebaulicher<br />

Wettbewerb (<strong>Stadt</strong> Zürich et aI., 1991) ausgeschrieben,<br />

den Silva Ruoss mit ihrem Architekturbüro<br />

gewann. Für die Detailplanung TORO I und' II beauftragte<br />

1994 die ABB die Oerlikon-Bührle Immobilien<br />

AG (IMAG) als Generalunternehmerin und die Theo<br />

HolZ AG als ,Architekten. Die Büro Jäckli AG wurde<br />

mit der Altlastenbearbeitung beauftragt.<br />

Der Entscheidfür eine best<strong>im</strong>mte Sanierungsvariante<br />

Bereits Ende 1994 war klar, dass die Altlast nicht<br />

gesamthaft saniert werden muss. Der Entscheid für<br />

die Sicherung wurde am 23.1.95 definitiv gefällt. Da.,.'<br />

bc::i waren der Konkurrenzdr~ckdurch <strong>and</strong>ere St<strong>and</strong>orte,<br />

die extrem hohen Kosten der. alternativen<br />

Sanierungsmethoden und eine Min<strong>im</strong>ierung des<br />

Risikos durch die Sicherung Grundlagen für diesen<br />

Entscheid.<br />

Die Form der Kommunikation<br />

Danach konnte die Altlast gemäss dem vorgeschriebenen<br />

Ablauf durch das AGWbearbeitet werden. Um<br />

die Kommunikation zwischen dem AGW, den EignerInnen<br />

und der <strong>Stadt</strong> zu verbessern und anfallende<br />

Probleme schnell lösen zu können, entschloss man<br />

sich zu Besprechungen in einem vierzehntägigen<br />

Rhythmus. So konnte der langwierige Zirkularweg<br />

. umgangen werden und das Verfahren opt<strong>im</strong>al bearbeitet<br />

werden.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

237


Altlasten ~ __'______,_------------------<br />

Stellenwert der Altlastenbearbeitung<br />

Im Verlauf der Untersuchungen wurde für die ABB<br />

die Bedeutung der Altlastenbearbeitung zur effizienten<br />

Realisierung des Projektes TaRO I und 11<br />

in ihrem vollen Umfang ersichtlich. Am 16;5.95<br />

wurde .schliesslich die Detailuntersuchung definitiv<br />

bewilligt.<br />

Das Baubewilligungsverfahren<br />

Das Gesuch um Baubewilligung wurde von derABB<br />

am 10.3.95 eingereicht.<br />

Für den Rückbau der Abbruchobjekte wurdeseparat<br />

eIn Sanierungsprojekt erstellt. Das Sanierungsprojekt<br />

«Bausubstanz» wurde am 28.6.95 eingereicht.<br />

ABB Grundstückeigentümerin<br />

Vorsitzende der Baukommission<br />

TORO 11<br />

Meinung zur sanierungs- Ziele der Altlasten-<br />

Iö~ng<br />

bearbeitung<br />

Opt<strong>im</strong>ale Lösung <strong>im</strong><br />

Sinne von ökologischen<br />

und ökonomischen<br />

Kriterien<br />

Nachhaltigkeit und<br />

Verhältnismässigkeit<br />

in Einklang bringen<br />

(<strong>im</strong> Sinne einer wirtschaftlichen<br />

Lösung)<br />

Kriterien bei der<br />

Altlastenbearbeitung<br />

.. speziell wirtschaftliche<br />

Kriterien<br />

• Konkurrenzdruck und<br />

Einhaltung der Gesetze<br />

(Grenzwerte in der·<br />

Schweiz viel zu hoch)<br />

Beurteilung des- Risikos<br />

Die Situation wird<br />

eindeutig verbessert<br />

IMAG<br />

Gesamtprojektleitung<br />

Vertretbare und für<br />

die Umwelt akzeptable<br />

Lösung<br />

Einhaltung des Sanierungsprojektes<br />

• wirtschaftlich vertretbar<br />

• ökologisch akzeptabel<br />

• schnell realisierbar<br />

Keine Gefahr für die<br />

Zukunft (sonst hätte<br />

AGWnicht eingewilligt)<br />

Büro lackli AG<br />

Altlasten Experte/<br />

Gutachter<br />

Entscheid aus heutiger<br />

Sicht opt<strong>im</strong>al, allerdings<br />

nicht unbedingt nachhaltig,<br />

da Schadstoffpotential<br />

konserviert wird<br />

Schutzgüter sehr wichtig,<br />

fehlende Klarheit in<br />

bezug auf Schutzziele,<br />

fünrtzu Konflikten<br />

• Grundwasserschutz<br />

• Schadstoffpotential<br />

• Nutzstoffpotential<br />

Gering,die Altlast ~iegt<br />

bereits 31 Jahre dort und<br />

es ist nichts passiert<br />

AGW<br />

Vertreter der Vollzugsbehörde,<br />

Berater<br />

Opt<strong>im</strong>ale Lösung,<br />

v.a. vertretbar für den<br />

Bauherrn<br />

Öffentliches Interesse<br />

muss <strong>im</strong>mer gewährleistet<br />

sein. Bei weitergehenden<br />

Forderungen,<br />

Abschätzung von Grenznutzen/Grenzschaden<br />

• Schuti des Grundwassers<br />

• Wahrung der öffentlichen<br />

Interessen<br />

• verhältnismässige<br />

Lösungen<br />

für die nächsten 50 bis<br />

100 Jahre kein Risiko, bei<br />

Grundwasserverschmutzung<br />

Wasseraufbereitung<br />

Hochbauamt<br />

Vertreter der Verwaltungs-<br />

und Vollzugsbehörde<br />

Opt<strong>im</strong>ale Lösung:<br />

Altlastenbearbeitung<br />

kostet nicht allzu viel<br />

und die ABB kann das<br />

Projekt in der Schweiz<br />

realisieren<br />

Grundwasser darf nicht<br />

beeinträchtigt werden.<br />

Bauherrschaft muss von<br />

den Ämtern beratend<br />

unterstützt werden.<br />

• Grundwasserschutz<br />

• Wirtschaftlichkeit<br />

• Realisierbarkeit<br />

Nach der Sicherung ist<br />

das Risiko kleiner als<br />

jetzt<br />

Gartenbauamt<br />

Vertreter der Verwaltungs-<br />

und Vollzugsbehörde<br />

Die Sanierung ist ökologisch<br />

nicht opt<strong>im</strong>al da<br />

Eingriff in natürlichen<br />

Stoffhaushalt, Sanierung<br />

stellt Kompromiss dar<br />

Ökologische Ausgleichsflächen<br />

müssen vorh<strong>and</strong>en<br />

sein, Freiflächen<br />

nur dort, wo keine<br />

Altlasten sind, sonst<br />

Altlasten beseitigen<br />

• Bioökologische Kriterien<br />

(Eidechsenpopulation)<br />

•-Psychologische Kriterien<br />

• Verhältnismässigkeit<br />

Die Deponie bleibt<br />

unverändert, Monitoring<br />

ist ja vorh<strong>and</strong>en<br />

<strong>Stadt</strong>enrwiisserung Nicht gut, Altlast hätte Das Grundwasser darf • Einleitbedingungen Kein grosses Risiko<br />

Vertreter der Verwalentsorgt<br />

werden müssen nicht verschmutzt sind einzuhalten<br />

tungs- und Vollzugswerden,<br />

auch wenn • Deponiewasser nicht in<br />

dieses nicht genutzt wird Kläranlage, da sonst<br />

behörde<br />

Schwermetalle <strong>im</strong> Klärschlamm<br />

.... ,....................., .. ........................<br />

Büro U. Roth Opt<strong>im</strong>al, jedoch nicht Sicherung opt<strong>im</strong>al, so • technisch realisierbar Kein Problem, <strong>im</strong><br />

Planungsbeauftragter<br />

ideal, ist technisch dass Restrisiko möglichst<br />

Schadenfall nur lokale<br />

realisierbar. wirtschaft- klein, Sicherung auf • wirtschaftlich mach- Verschmutzung<br />

ZZN<br />

lieh machbar, ökologisch unbest<strong>im</strong>mte Zeit<br />

bar und ökologisch<br />

sinnvoll<br />

sinnvoll<br />

Tob. 3.4.3 Beurtei/ungskrirerien der EntscheidungsträgerInnen.<br />

238 UNS-Fallstudie '96


-- ~ ___.,._--~------------Altlasten<br />

Am 30.6.95 wurde die Baubewilligung aufgrund<br />

des Vorentscheides vom 16.5.95 erteilt.<br />

Der Bericht der Sanierungsuntersuchung wurde<br />

am 28.7.1995 eingereicht.<br />

Die Bewilligung der Sanierungsuntersuchung erfolgte<br />

am 10.10.95 vom AGW. Be<strong>im</strong> Sanierungsprojekt<br />

entst<strong>and</strong> dann eine Verzögerung und das AGW<br />

drängte, das Sanierungsprojekt wenigstens teilweise<br />

vorzulegen. Das Sanierungsprojekt konnte erst viel<br />

später eingereicht werden, da zuerst eine Lösung mit<br />

dem Gartenbauamt betreffend. der Parks gefunden<br />

werden musste.<br />

Am 29.3.96 ist das Sanierungsprojekt schliesslich<br />

eingereicht worden.<br />

So wurde also die Realisierung des Projektes innert<br />

den vorgesehenen Fristen (nämlich bis 1997) möglich,<br />

was auf eine opt<strong>im</strong>ale Zusammenarbeit mit<br />

grossen Konzessionen allerseits zurückzuführen ist.<br />

3.4.3 Allswertllng der Interviews mit den<br />

Entscheidllngstriigerlnnen<br />

Wie aus der Auswertung der Interviews (Tab. 3.4.3)<br />

ersichtlich wird, sind für die meisten Beteiligten am<br />

Entscheidungsprozess die Kriterien Wirtschaftlichkeit,<br />

zeitliche Realisierung und Sicherheit von zentraler Bedeutung.<br />

Ausser für die <strong>Stadt</strong>entwässerung und das<br />

Gartenbauamt spielen ökologische Kriterien eine untergeordnete<br />

Rolle. Sie ha.tten be<strong>im</strong> Entscheidungsprozess<br />

für die Sanierungsvariante einen geringen<br />

Einfluss. Die Max<strong>im</strong>alforderung nach<br />

einer Totalsanierung wäre sowohl aus<br />

rechtlich-politischen als auch wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht umsetzbar<br />

gewesen.<br />

• A: Interessenkonflikte<br />

• B: Verfahrenskonflikte<br />


Altlasten--; -'-- _<br />

2. Ein Park aufAltlasten oder ein altlastenfreier Park auf<br />

Strassenniveau<br />

Aufgrund der Tatsache, dass die Altlastenproblematik<br />

in der frühen Planungsphase nicht, oder nur<br />

ungenügend berücksichtigt wurde, ergibt sich in der<br />

Folge die Notwendigkeit, Parkanlagen auf den Altlasten<br />

zu bauen. Diese Freiflächen, sind nun nach<br />

Meinung der Bauherrschaft die idealen Orte um<br />

überschüssiges Aushubmaterial (l5'000 m 3 ) unter<br />

der Parkfläche - d.h. unter eiper 1.5 Meter mächtigen<br />

Erdschicht und einer Oberflächenabdichtung ­<br />

zu deponieren.<br />

Das Gartenbauamt hat hingegen völlig <strong>and</strong>ere Vorstellung<br />

von einem Park. Von Seiten des Amtes wird<br />

geäussert, es müsse eben gerade in einem Park der<br />

vertikale Aufbau des Untergrundes st<strong>im</strong>men. Es wird<br />

vertreten, dass alleine schon <strong>im</strong> Begriff «Park» diese<br />

Aussage Selbstverständlichkeit ist. Die ursprüngliche<br />

Forderung eines altlastenfreien Volksparks<br />

wurde bereits früh aufgegeben. Die <strong>Stadt</strong> beharrt<br />

jedoch weiterhin auf der Abdeckung mit einer<br />

1.5 Meter mächtigen Erdschicht. Ein weiterer Dorn<br />

<strong>im</strong> Auge des Gartenbauamtes ist die Tatsache, dass<br />

durch den Einbau der Altlast der ganze Park auch<br />

über der Höhenkote der Strasse zu liegen käme, was<br />

gemäss Gartenbauamt wiederum gegen den Park auf<br />

Altlasten sprechen würde.<br />

Die Argumentation in diesem Konflikt reduzierte<br />

sich schliesslich wieder auf wirtschaftlicheAspekte.<br />

Eine erforderliche Wäsche des überschüssigen Aushubs<br />

(falls der Einbau <strong>im</strong> Park nicht bewilligt wird)<br />

würde nach dem Büro ur mit erheblich negativen<br />

Folgen für die Bauherrschaft verbunden sein. Der<br />

Konflikt dauert <strong>im</strong>mer noch an (St<strong>and</strong>: Juni 1996),<br />

eine Lösung ist noch nicht in greifbarer Nähe.<br />

3. Werkleitungen in der Altlast<br />

Die <strong>Stadt</strong>entwässerung wollte einer <strong>im</strong> Altlastenmaterial<br />

versenkten Werkleitung nicht' zust<strong>im</strong>men,<br />

da ihres Erachtens die Arbeitssicherheit <strong>im</strong> Falle von<br />

Wartungsarbeiten nicht gegeben ist. Es musste also<br />

mit der Bauherrin eine Lösung gefunden werden,<br />

welche einerseits den Forderungen der <strong>Stadt</strong>entwässerung<br />

gerecht wurde und <strong>and</strong>ererseits auch wirtschaftlich<br />

verhältnismässig war. Im weiteren sollte<br />

diese Lösung dem Konzept der Gesamtversiegelung<br />

des Gebietes entsprechen.<br />

Gemeinsam mit dem Umweltbüro konnte eine<br />

konsensfahige Lösung gefunden werden. Man entschied<br />

sich dafür, die Leitungen in einer altlastenfreien<br />

Wanne zu führen.<br />

B:Verfahrenskonflikte<br />

1. Zeitpunkt derKontaktaufnahme<br />

Das AGW hat bereits 1988 die ABB auf die heikle<br />

Altlastensituation <strong>im</strong> Stierenried hingewiesen. Die<br />

ABB unternahm aber zu diesem Zeitpunkt noch<br />

keine weitergehenden Schritte. Eine <strong>im</strong> Frühjahr<br />

1994 an die Büro Jäckli AG in Auftrag gegebene<br />

Detailuntersuchung erschien dann <strong>im</strong> Winter 94/95.<br />

Da die ABB unter enormem Zeitdruck operierte,<br />

wurden zur Verbesserung der Koordination zwischen<br />

Altlastenbearbeitung und Bauprojekt wie bereits<br />

erWähnt zweiwöchentliche Sitzungen mit, den Beteiligten<br />

einber~fen.<strong>im</strong>weiteren Bearbeitungsverlauf<br />

zeigte sich, dass einmal verlorene Zeit nicht mehr<br />

aufgeholt werden kann. Das Sanierungsprojekt geriet<br />

gegenüber dem Bauprojekt ins Hintertreffen,<br />

sodass diese zwei Bearbeitungsbereiche ab sofort<br />

getrennt werden mussten - das Sanierungsptojekt<br />

wurde vom Bauprojekt entkoppelt. Dieser Sachverhalt<br />

erlaubte eine provisorische Baubewilligung zu<br />

einem Zeitpunkt, an dem das Sanierungsprojekt<br />

noch nicht bewilligt war.<br />

2. Ansprechpartnerlnnen undBewilligungen<br />

Das Projekt TaRO I und 11 zeichnet sich durch<br />

seinen enormen Umfang aus. Gerade auch in bezug<br />

auf die Einhaltung des rechtlich vorgeschriebenen<br />

Ablaufs werden an die Akteure höchste Anforderungen<br />

'gestellt. Als Beispiel eines Konfliktes, welcher<br />

sich aufgrund der komplexen rechtlichen Lage<br />

und den verschiedenen administrativen Einheiten<br />

Bund-Kanton-<strong>Stadt</strong> ergibt, soll hier die SBB-Geleiseführung<br />

<strong>im</strong> <strong>Nord</strong>osten des Stierennedareals erwähnt<br />

werden. Die Geleiseführung wurde vom Bund<br />

genehmigt und von der Bauherrschaft als abschliessende<br />

Bewilligung interpretiert. In diesem Verfahren<br />

wurde aber die Baupolizei übergangen und musste<br />

nachträglich um eine Genehmigung der Geleiseführung<br />

ersucht werden.<br />

C:Sachkonflikte<br />

Hydrologische Situation <strong>im</strong> Stierenried<br />

Während den Detailuntersuchungen zur Altlastensituation<br />

auf dem Stierenried kam es zwischen dem<br />

AGWund dem Gutachterbüro zu einem Sachkonflikt<br />

wegen noch bestehender Unklarheiten über die<br />

hydrologische Situation. In der Folge mussten weitergehendedetaillierte<br />

Untersuchungen angestellt<br />

werden (siehe auch Cl in Abb. 3.4.4).<br />

3.4.5 Schlussfolgerungen<br />

Aufgrund von Analysen der zurückliegenden sowie<br />

der aktuellen Konfliktsituationen <strong>im</strong> Altlastenprozess<br />

Stierenried ergaben unsere Analysen, dass die<br />

Altlastenbearbeitung vor· allem von Interessenkonflikten<br />

dominiert war.<br />

240<br />

UNS-Fallstudie '96


------- ----------------------------__Altlasten<br />

3.4.6 Planspiel<br />

Wie eingangs erwähnt, wurden die Schlüsselakteure<br />

der realen Entscheidungssituation in einem s<strong>im</strong>ulierten<br />

Verh<strong>and</strong>lungsprozess durch Personen vertreten,<br />

welche vor dem Planspiel keine Kenntnisse bezüglich<br />

des Altlastfalles Stierenried hatten. Unsere Absicht<br />

war es, kompetente Fachleute mit unterschiedlichem<br />

Ausbildungshintergrund für das Planspiel zu<br />

gewinnen.<br />

Das AGW sowie die <strong>Stadt</strong> waren durch je eineN<br />

UmweltnaturwissenschafterIn und eineN Juristln<br />

vertreten. Die ABB wurde von zwei WirtschaftswissenschafterInnen<br />

dargestellt.<br />

Alle TeilnehmerInnen hatten ihr Studium bereits<br />

abgeschlossen und verfügten, wie sich be<strong>im</strong> Spiel<br />

herausstellte, bereits über einen' guten Fundus <strong>im</strong><br />

Umgang mit derart praktischen und komplexen Pro~<br />

blemen. Alle MitspielerInnen erhielten vorgängig<br />

ein kleines Dossier mit dem notwendigen Faktenwissen<br />

aus den einzelnen Teilprojektgruppen und<br />

wurden unmittelbar vor Diskussionsbeginn nochmals<br />

gründlich auf ihre Rolle als Verh<strong>and</strong>lungspartnerInnen<br />

vorbereitet (Zielvorstellungen, Kriterien,<br />

etc.) sowie mit der Problematik einer Altlasten­<br />

'bearbeitung und dem H<strong>and</strong>lungsbedarf vertraut<br />

gemacht. Anschliessend an die Diskussion kommen~<br />

tierten die TeilnehmeiInnen ihren Entscheid vor<br />

dem Hintergrund der Zukunftsbilder, welche in der<br />

zweiten Synthesephase entwickelt worden waren.<br />

Zum Ablauf der Planspielveranstaltung<br />

Nach einer kurzen Einführung mit BegrüssUng<br />

hatten die einzelnen SpielteilnehmerInnen einen<br />

Fragebogen mit Kriterien zur Bewertung von Sanie~<br />

rungsvarianten auszufüllen. Auf einer Bewertungs~<br />

skala mussten dabei die SpielteilnehmerInnen die<br />

Wichtigkeit verschiedener Kriterien beurteilen. Dieser<br />

Fragebogen wurde von den K<strong>and</strong>idatlnnen zum<br />

Schluss der Veranstaltung noch einmal bearbeitet.<br />

Damit wurde versucht, einen allfalligen W<strong>and</strong>el in<br />

den Bewertungstrukturen der einzelnen TeilnehmerInnen<br />

zu eruieren.<br />

Die eigentliche Diskussionsphase dauerte rund<br />

zwei Stunden. Dieser ganze Prozess wurde für die<br />

Auswertung auf Video aufgezeichnet und von fünf<br />

Personen zusätzlich protokolliert.<br />

Die Gesprächsrunde wurde von einem Gesprächsleiter<br />

geführt und von einem Fachexperten unterstützt,<br />

bddebeteiligt <strong>im</strong> Bemühen, bei Fragen zur<br />

Klärung beizutragen, aber ansonsten den Gesprächsverlauf<br />

nicht aktiv zu beeinflussen.<br />

Nach Beendigung der eigentlichen Hauptdiskussion<br />

wurdenden MitspielerInnen die Zulmnftsbilder<br />

vorgestellt, welche unsere Prognosen einer zukünfti-<br />

gen Entwicklung <strong>im</strong> Bereich der Altlast enthielten.<br />

Anschliessend hatten die einzelnen Parteien, also<br />

AGW, ABB und <strong>Stadt</strong>, ihren gefallten Sanierungsentscheid<br />

vor diesem neuen Hintergrund, kritisch<br />

zu kommentieren. Also in dem Sinne, «was hätte ich<br />

<strong>and</strong>ers gemacht, wenn ...".<br />

Auswertung des Planspiels<br />

Von den SpielorganisatorInnen wurden anschliessend,<br />

einerseits, auf Grund der Dokumentationen<br />

der Protokoll<strong>and</strong>en und <strong>and</strong>ererseits anh<strong>and</strong> des<br />

Videos, acht heikle/sensible Phasen <strong>im</strong> Ganzen Entscheidungsprozess<br />

definiert. In diesen Phasen waren<br />

wichtige Sachverhalte verh<strong>and</strong>elt worden und die<br />

Te~lnehmerInnenwaren sehr engagiert aufgetreten.<br />

Ein Expertengremium aus Mitstudierenden bewertete<br />

mit Hilfe eines st<strong>and</strong>ardisierten Fragebogens<br />

und anh<strong>and</strong> des Videos die Parteien <strong>im</strong><br />

Planspiel bezüglich ihrer Position zu diesen acht<br />

heiklen Situationen.<br />

Grundlegende Aussagen, die aufgrund des übereinst<strong>im</strong>menden<br />

Eindruckes aller SpielbeobachterInnen<br />

formuliert werden konnten, flossen bereits<br />

jetzt in die weitere Beurteilung des Entscheidungsfindungsprozesses<br />

bei der Altlastenproblematik<br />

Stierenried mit ein.<br />

In einer anschliessenden Semesterarbeit sollten<br />

die interessanten und aufschlussreichen Informationen<br />

noch weiter zu fassbaren Resultaten aufgearbeitet<br />

und in übersichtlicher Weise dargestellt<br />

werden (vgL auch Kap. PLANSPIEL).<br />

Unseres Erachtens bietet das Planspiel eine gute<br />

Vergleichsmöglichkeit zum tatsächlich abgelaufenen<br />

Prozess der Entscheidungsfindung. Unter dem Vor~<br />

behalt, dass sich das'planspiel zwar eventuell auf<br />

sachlich nicht ganz übereinst<strong>im</strong>mende Annahmen<br />

stützt, aber der Prozesscharakter der Entscheidungsfindungs-Problematik<br />

trotzdem beobachtet werden<br />

kann, erscheint uns dies zweckmässig.<br />

Interessanterweise gelangten auch die TeilnehmerInnen<br />

des Planspieles zum seiben Sanierungsentscheid,<br />

wie die Akteure in der Realität. Und der<br />

Eindruck, den wir BeobachterInnen vom Spielverlauf<br />

gewonnen hatten, war, dass ein echtes, zähes<br />

Ringen um diesen Entscheid stattgefunden hatte.<br />

Keine Partei hatte es der <strong>and</strong>eren leicht gemacht.<br />

Schliesslich haben die ökonomischen Argumente ­<br />

zusammen mit der Gefahr eines St<strong>and</strong>ortverlustes<br />

mit seinen negativen Auswirkungen für die <strong>Stadt</strong><br />

Zürich .und den Vorteilen der Sicherungsvariante ­<br />

überwogen.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

241


Altlasten_'-- ---------,------ _<br />

4. Schlussbemerkungen<br />

4.1 Beurteilung verschiedener<br />

Sanierungsmassnahmen<br />

4.1.1 Vergleich der vier Varianten<br />

Die nachvollziehbare Bewertung und Auswahl von<br />

geeigneten Sanierungsmassnahmen stellt ein komplexes<br />

Entscheidungsproblem dar. Eine wichtige<br />

Voraussetzung zur·systematischen Beh<strong>and</strong>lung solcher<br />

Probleme ist eine konzeptionelle und operationale<br />

Organisation der BearbeitUlig. Einen anschaulichen<br />

konzeptionellen Rahmen zur Dekomposition<br />

des Bewertungsproblems Sanierungsmassnahme und<br />

zur anschliessenden Synthese der Ergebnisse stellt<br />

das Brunswiksche Linsenmodell dar. Die Dekomposition<br />

des Problems best<strong>and</strong> aus den Schritten<br />

«Ableitung von geeigneten Beurteilungskriterien»,<br />

«Festlegung geeigneter Indikatoren» und «Erfassung<br />

der massnahmenspezifischen Ausprägungen».<br />

Während sich die Kriterienauswahl als wenig problematisch<br />

zeigte, gestaltete sich die Auswahl<br />

geeigneter Indikatoren und die Festlegung von<br />

deren Ausprägungen als wesentlich schwieriger. Die<br />

anschliess'ende Synthese lieferte schliesslich das<br />

Problem, einzelne Kriterien mit unterschiedlichen<br />

D<strong>im</strong>ensionen zu einer Gesamtbewertung zu aggregieren.<br />

Dieser Gewichtungs- und Bewertungsprozess<br />

konnte mit Hilfe der Computer-Software Logical<br />

Decisions (LD) systematisch unterstützt und einer<br />

kritischen Analyse zugänglich gemacht werden. Dabei<br />

ist es möglich, die Ansichten verschiedener am<br />

Arbeitsprozess Beteiligter zu einer Gesamtbewertung<br />

zu integrieren. Deutlich wurden bei der<br />

Anwendung von LD auch die unterschiedlichen<br />

Ebenen, auf welchen der Bewertungsprozess durch<br />

Entscheide beeinflusstwerden kann.<br />

Aus den Resultaten der Anwendung von LD zeigte<br />

sich, dass unter Annahme von aktuellen gesetzlichen<br />

und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowohl<br />

die Sicherung als auch die Bodenwäsche als «nützliche»<br />

Varianten zu betrachten sind und sich eindeutig von<br />

der Hydraulischen in situ Sanierung und der Nullvariante<br />

unterscheiden. Diese Resultate sindplausibel,<br />

insbesondere vor dem Hintergrund der in<br />

Realität gewählten Sanierungsvariante. Aufgrund<br />

der sehr nahe. beiein<strong>and</strong>er liegenden Gesamtnutzen<br />

von Sicherung und Bodenwäsche war es jedoch nicht<br />

möglich, einer dieser beiden Varianten eindeutig<br />

den Vorzug zu geben. Hierzu ist es notwendig, die<br />

Ergebnisse unter Beiziehen zusätzlicher Gesichtspunkte<br />

kritisch zu analysieren.<br />

Diese Ergebnisse illustrieren die praktischen<br />

Anwendungsmöglichkeiten .dieser Methode, zur<br />

systematischen Strukturierung des Bewertungsprozesses<br />

und als wertvolle Unterstützung der Entscheidungsfindung<br />

bei der Auswahl einer geeigneten<br />

Sanierungsmassnahme.<br />

4.1.2 Nachhaltigkeit<br />

Ein zentrales Anliegen der heutigen Umweltpolitik<br />

stellt die Umsetzung einer' nachhaltigen H<strong>and</strong>~<br />

lungsweise dar. Die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung,<br />

ökologische,ökonomische sowie gesellschaftliche<br />

Anliegen in unsere Technologien und<br />

.H<strong>and</strong>lungsweisen zu integrieren und in einem<br />

erweiterten räumlichen und zeitlichen Betrachtungsrahmen<br />

zu beurteilen, verlangt nach der Entwick.,<br />

lung geeigneter Nachhaltigkeitskriterien.<br />

In einer synthesegruppenübergreifenden Arbeitsgruppe<br />

NACHHALTIGKElT einigte man sich auf die<br />

Postulate des interdepartementalen Ausschusses Rio<br />

(IDARio, 1995; IDARio, 1996; vgl. Kap. NACHHALTIG­<br />

KElT) als Grundlage für eine Beurteilung von H<strong>and</strong>lungen<br />

bezüglich ihres Beitrages zu einer nachhaltigen<br />

Entwicklung. Die folgenden Postulate betreffen<br />

das Problem der Altlastenbeh<strong>and</strong>lung:<br />

• Absorptionsfähigkeit von Ökosystemen<br />

Bei der Belastung der Umwelt durch Abfalle und<br />

Emissionen ist sicherzustellen, dass die Verschmutzungsrate<br />

gleich hoch oder unter der<br />

Absorptionsrate der Umwelt liegt.<br />

• Nicht abbaubare Schadstoffe<br />

Nicht abbaubare Schadstoffe dürfen nur so weit in<br />

die Umwelt emittiert werden, dass deren Akkumulation<br />

,nie zu einer Schadstoffkonzentration führt,<br />

welche Menschen, Tiere und Pflanzen gefahrdet.<br />

• Grossrisiken<br />

Unfallrisiken mit Auswirkungen auf Menschen<br />

und Biosphäre sind nur so weit zuläs'sig, als sie auch<br />

bei demgrösstmöglichen Schadereignis keine dauerhaftenBchäden<br />

über mehrere Generationen von<br />

Menschen, Pflanzen, Tieren oder Ökosystemen<br />

verursachen können.<br />

• Nicht regenerierbare Ressourcen<br />

Die Verbrauchrate nicht erneuerbarer Energieressourcen<br />

und <strong>and</strong>erer nicht erneuerbarer Rohs~offe<br />

muss auf die Dauer so zurückgehen, dass<br />

die verbleibenden nutzbaren Reserven nie völlig<br />

erschöpft werden. Die Materialkreisläufe müssen<br />

geschlossen werden.<br />

• Humanität undEthik<br />

In jeder Gesellschaft müssen die langfristig kollektiven<br />

Interessen für eine nachhaltige Entwicklung<br />

möglichst gut in Einklang mit den individuellen<br />

Interessen ihrer einzelnen Mitglieder gebracht<br />

werden. Eine humane Perspektive nachhaltiger<br />

Entwicklungverlangt, dass Menschen ihre persönlichen<br />

und kollektiven Wertvorstellungen und ihre<br />

242<br />

UNS-Fallstudie '96


------'--- ~ Altlasten<br />

H<strong>and</strong>lungsmuster überprüfen.' Die Gesellschaft<br />

(Staat, Wirtschaft und die Individuen) muss eine<br />

«neue Ethik» entwickeln, welche die ökologischen<br />

Nachhaltigkeitspostulate mit «hoher Lebensqualität»<br />

vereinbart.<br />

Prüfung der Sanierungsmassnahmen auf Nachhaltigkeit<br />

Die Postulate, angew<strong>and</strong>t auf das Problem der Altlasten,<br />

verlangen <strong>im</strong> Prinzip natürlich deren Vermeidung.<br />

Altlasten sind Produkte nichtnachhaltiger<br />

H<strong>and</strong>lungsweisen. Um eine Altlastenbearbeitung auf<br />

ihre Nachhaltigkeit hin zu prüfen, müssen sowqhl<br />

die Sanierungsmethode selbst als auch ihr Resultat<br />

in einem erweiterten räumlich-zeitlichen Rahmen<br />

betrachtet werden.<br />

In einem ersten Schritt sollen nachfolgend nun die<br />

einzelnen Varianten qualitativ daraufhin untersucht<br />

werden, gegen welche Postulate verstossen wird.<br />

Die Nullvariante - der Ist~Zust<strong>and</strong> - bietet keine<br />

für eine .nachhaltige Entwicklung wünschenswerte<br />

Situation. Bei den Emissionen (v.a. dem Oeponiesickerwasser)<br />

werden nicht- bzw. schwer abbaubare<br />

und toxische Stoffe in die Umwelt emittiert. Auch<br />

wenn diese Eintragsraten aus einer Einzelfallperspektive<br />

betrachtet klein sind, tragen sie dennoch zu<br />

einem Gesamtproblem bei, welches sich aus vielen<br />

solcher Punktquellen zusammensetzt. Längerfristig<br />

ist nicht sichergestellt, dass eine langsame Akkumulation<br />

solcher Schadstoffe in der Umwelt nicht<br />

zu einer GeHihrdung von Menschen, Tieren, Pflanzen<br />

und ihren Lebensräumen führen könnte.<br />

Mit der Sicherung werden zwar keine Schadstoffe<br />

.mehr in die Umwelt emittiert, doch das Schadstoffpotential<br />

bleibt erhalten<br />

auch wenn das Risiko für<br />

eine Grundwasserkontamination<br />

momentan sehr gering ist.<br />

Als wichtig zu betrachten ist<br />

die Tatsache, dass eine Sicherung<br />

der Altlast durch Abdichtunglediglich<br />

eine Massnahme<br />

auf Zeit ist. Einerseits<br />

besteht die·Problematik<br />

der technischen Sicherheit,<br />

die, mit zunehmendem Alter<br />

der Sicherungsmaterialien abn<strong>im</strong>mt.<br />

Andererseits ist auch<br />

zu berücksichtigen, dass die<br />

Nutzungsdauer von Industriegrundstücken<br />

in der Regel<br />

nur einige]ahrzehnte beträgt.<br />

Somit werden nachfolgende<br />

Generationen vor einem ähnlichen<br />

Problem stehen wie<br />

es heute bereits existiert. In<br />

diesem Zusammenhang stellen sich natürlich insbesondere<br />

Fragen bezüglich zukünftiger Verantwortlichkeiten<br />

und finanzieller Haftungen. Zum<br />

Einordnen der Sicherungsmassnahmebezüglich Nachhaltigkeit<br />

besteht also generell noch ein Klärungsbedürfnis.<br />

Bei der Bodenwiische wird für eine grosse Fläche<br />

wieder eine multifunktionelle Nutzungsmöglichkeit<br />

hergestellt, da belastete Aushubmaterialien durch<br />

«saubere» ersetzt werden. Als weiterer positiver<br />

Effekt wird mit der Bodenwiische eine Wiederverwertung<br />

von gewaschenem «sauberem» Aushubmaterial<br />

angestrebt, d.h. ein Beitrag zur Schonung einer<br />

Ressource geleistet. Diesen positiven Effekten sind<br />

jedoch die aus der Bodenwiische resultierenden, mit<br />

aufkonzentrierten Schadstoffen belasteten· Abfälle<br />

gegenüberzustellen,. die je nach·· Schadstoffart einer<br />

Weiterbeh<strong>and</strong>lung' zu unterziehen sind oder deponiert<br />

werden müssen. Auch ist zu bedenken, dass<br />

die Massnahme Wasser, Hilfsstoffe und Energie<br />

benötigt.<br />

Bei der Hydraulischen in situ Sanierung würden für<br />

die Betreibung der Kläranlage sowohl Hilfsstoffe als<br />

auch Energie benötigt. Zwar wird durch die Massnahme<br />

das Schadstoffpotential langsam verringert,<br />

die Deponie als solche bleibt jedoch über sehr lange<br />

Zeit bestehen. Auch sind bei dieser Massnahme<br />

die für zukünftige Generationen entstehenden langfristigen<br />

Betreiberkosten der Anlage zu berücksichtigen.<br />

Diese kurze Betrachtung der Beh<strong>and</strong>lungsvarianten<br />

verdeutlicht, dass jede der in Betracht gezogenen<br />

Massnahmen in irgendwelcher Form gegen einzelne<br />

oder mehrere der Nachhaltigkeitspostulate verstÖsst.<br />

Abb. 4.1 Eine zu Beginn derFal/studie durcngcfiinrte Exkursion zurSondef711iil/deponie Kölliken bracnte<br />

uns aufden Gedanken, die dort erkobenen Daten zurAbscniitzungfiirdie Hydrauliscne in siiu Sanierung<br />

zu 'Oerwenden (Bild: Micnacl Meier).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

243


Altlasten --------'-------------------- _<br />

Wichtig bei solchen Betrachtungen ist, zu berück­<br />

.sichtigen, dass die Erfüllung einzelner Postulate<br />

nicht auf Kosten <strong>and</strong>erer stattfindet und dass aus<br />

einer Massnahme eine Verbesserung der Gesamtsituation<br />

resultiert.<br />

4.2 Altlasten in einem sich ändernden<br />

Umfeld<br />

4.2.1 Prognosen (Politik, Technik, Recht, Wirtschaft)<br />

Ein Problem bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit<br />

von, Massnahmen stellen die Unsicherheiten bei<br />

der Beschreibung der Bedürfnisse und Wünsche<br />

zukünftiger Generationen dar. Diesen Unsicherheiten<br />

wurde in Form von Zukunftsbildern Rechnung<br />

getragen. Dazu wurden mögliche zukünftige<br />

Entwicklungen und die resultierenden Rahmenbedingungen<br />

definiert. Mit den Annahmen von<br />

zwei extremen Situationen - «Strenger Vollzug und<br />

«Lascher Vollzug - konnten in Kombination mit<br />

der Entscheidungshilfemethodik Logical Decisions,<br />

die Varianten unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />

beurteilt werden. Die Verschiedenheit ergibt sich<br />

hauptsächlich aus unterschiedlichen Werthaltungen<br />

und daraus resultierenden Gewichtungen der Bereiche<br />

«Wirtschaft», «Umwelt», «Technik», «Gesellschaft»,<br />

«Recht und «Politik».<br />

4.2.2 Bewertung der Sanierungsvarianten<br />

Die Bewertung der Beh<strong>and</strong>lungsvarianten unter<br />

den verschiedenen Rahmenbedingungen resultierte<br />

in deutlichen Unterschieden der Massnahmenrangfolge.<br />

Mit dem Zukunftsbild «Strenger Vollzug als<br />

Werthaltung <strong>im</strong> Hintergrund zeichnete sich die<br />

Bodenwäsche als Massnahme der Wahl aus. Dies<br />

erscheint plausibel, da aus lokaler Perspektive betrachtet<br />

eine dauerhafte Problemlösung resultiert;<br />

unter Erfüllung der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen. Da<br />

für dieses Zukunftsbild angenommen wurde, dass<br />

sich die Schweizer Wirtschaft in Hochkonjunktur<br />

befin,det, wurde dem Faktor Kosten weniger Bedeutung<br />

beigemessen. Dies kam aus der Gewichtung<br />

durch die K<strong>and</strong>idatInnen deutlich zum Ausdruck.<br />

Betrachtet man den mittleren Nutzender Sanierungsvarianten<br />

für das Zukunftsbild «Lascher Vollzug<br />

so zeichnet sich die Sicherung als Methode der<br />

Wahl aus. Dieses Resultat ist insofern plausibel, als<br />

dass bei knappen finanziellen Ressourcen dennoch<br />

die rechtlichen Rahmenbedingungen auch <strong>im</strong> Um­<br />

~eltbereich einzuhalten sind. Für dieses Zukunftsbild<br />

wurden von allen bis auf einen K<strong>and</strong>idaten die<br />

Kosten als wichtigstes Kriterium gewichtet. Dies<br />

widerspiegelt die Annahme von schlechten wirt-<br />

schaftlichen Rahmenbedingungen, welche diesem<br />

Zukunftsbild zugrunde gelegt wurden.<br />

Betrachtet man diese Ergebnisse von Logical Decisions<br />

in einem Gesamtkontext, so lässt sich festhalten<br />

das die erhaltenen Lösungen plausibel und nachvollziehbar<br />

sind. So resultierten aus verschiedenen<br />

s<strong>im</strong>ulierten Werthaltungen klar unterscheidbare<br />

Lösungen. Solche Lösungen könnten als Diskussionsgrundlage<br />

für reale Entscheidungsprozesse<br />

dienen. Es ist klar, dass die Qualität der Lösungen<br />

in starkem Masse von den Informationsgrundlagen,<br />

die in das Logical Decisions~Modeil einfliessen und<br />

V01l1 Aufbau des Logical Decisions-Modells abhängen.<br />

Auch spielt die Sachkompetenz der Personen eine<br />

Rolle, die die Bewertung ausführen. Aus diesen<br />

Gründen sollten die Resultate nicht als fertige Problemlösungen<br />

betrachtet werden sondern als eine<br />

systematische Hilfe zur Entscheidungsfindung. In<br />

dieser Hinsicht stellt Logical Decisions auch ein für<br />

die Praxis zumindest als prüfbar zu betrachtendes<br />

methodisches Integrations- und Entscheidungshilfe­<br />

Werkzeug dar.<br />

4.3 Opt<strong>im</strong>ierungder<br />

Entscheidungsfindung<br />

Thesen zu einem opt<strong>im</strong>alen Entscheidungsmanagement<br />

Die folgenden Thesen wurden aufgrund der Protokollanalysen<br />

und der Auswertung der Interviews,<br />

sowie des Planspieles formuliert. Weiter liessen sich<br />

diese Thesen zum Teil auch aus den beobachteten<br />

Konflikten ableiten. Mit diesen Thesen soll in<br />

keiner Weise Kritik an dem <strong>im</strong> Stierenried gewählten<br />

Vorgehen geübt werden. Die Thesen basieren auf<br />

der Analyse des Altlastenfalls Stierenried während der<br />

Fallstudie und sollen als Opt<strong>im</strong>ierungsansätze für<br />

zukünftige Altlastenbearbeitungsprozesse ähnlicher<br />

Art verst<strong>and</strong>en werden.<br />

1. Altlastendialog<br />

Besteht auf einem Baugrundstück ein Altlastenverdacht,<br />

so sollte die Altlastensituation möglichst früh<br />

abgeklärt werden, um sie bei der Planung berücksichtigen<br />

zu können. Sonst kann es zu erheblichen<br />

Verzögerungen des Bauprozesses kommen.<br />

Gerade aus dem Interessenkonflikt um die Parkanlagen<br />

auf dem ABB-Areal geht hervor, dass die<br />

Problematik der Altlasten bei der Planung zu wenig<br />

berücksichtigt worden ist.<br />

Sind alle Beteiligten über die Altlastensituation<br />

auf dem aktuellen Informationsst<strong>and</strong>, können Probleme<br />

schon früh erkannt und diskutiert werden, was<br />

in jedem Fall zu einer Verringerung der Folgekosten<br />

führt.<br />

244<br />

UNS-Fallstudie '96


________________________________________--'-_Altlasten<br />

2. Zusammenarbeit Ämter-Eignerlnnen<br />

Be<strong>im</strong> Auftreten von Altlasten ist es ein Vorteil, wenn<br />

EignerInnen und Ämter schon in der Anfangsphase<br />

eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Zusammenarbeit<br />

anstreben, um die Probleme, die sich<br />

aus den Altlasten ergeben, opt<strong>im</strong>al bearbeiten zu<br />

können.<br />

Diese Zusammenarbeit hat <strong>im</strong> Falle des Stierenrieds<br />

gut funktioniert. Die Kooperation der verschiedenen<br />

Beteiligten in einer Projektgruppe, die sich regelmässig<br />

trifft, hatte sich sehr bewährt. So können<br />

anfallende Probleme schneller und überhaupt effizienter<br />

bearbeitet werden.<br />

Auch <strong>im</strong> Planspiel hatte sich gezeigt, dass die<br />

Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten in<br />

Form einer Projektgruppe innert kurzer Zeit zu einer<br />

konsensfähigen Lösung führen konnte.<br />

3. Zusammenarbeit amtsintern<br />

Amtsinterne Projektgruppen für Altlasten innerhalb<br />

der <strong>Stadt</strong> führen zu einer besseren Koordination und<br />

zu einem besseren Informationsfluss. Die verschiedenen<br />

Amtsstellen (z.B. der <strong>Stadt</strong>) treten als Einheit<br />

nach aussen und können so ihre Interessen besser<br />

vertreten. Auch für die EignerInnen ist somit durch<br />

den klaren Verh<strong>and</strong>lungspartner eine opt<strong>im</strong>ale Kommunikation<br />

gewährleistetet.<br />

Insbesondere bei den städtischen Behörden best<strong>and</strong>en<br />

gelegentlich einige Koordinationsprobleme.<br />

So wurde zum Beispiel die <strong>Stadt</strong>entwiisserung erst<br />

zu einem relativ späten Zeitpunkt.zugez,ogen. Auch<br />

waren die einzelnen Interessen der <strong>Stadt</strong>in diesem<br />

Fall nicht koordiniert.<br />

Zudem ist auch in unserem Planspiel deutlich geworden,<br />

dass bei einer Zusammenarbeit innerhalb<br />

der verschiedenen städtischen und kantonalen Behörde<br />

eine <strong>and</strong>ere Verh<strong>and</strong>lungsstruktur möglich ist.<br />

So konnten am einen Ort Kompromisse bzgl. Ökologie<br />

gemacht werden und an einem <strong>and</strong>eren Ort dafür<br />

ökologische Ausgleichsflächen eingeh<strong>and</strong>elt werden.<br />

4. Realisierungshorizont<br />

Die EignerInnen sollten sich darum bemühen, die<br />

Altlastenbearbeitungen termingerecht abzuwickeln,<br />

da sie sonst auch mit einer Verzögerungder Bauzeit<br />

zu rechnen haben, was mit hohen Folgekosten verbunden<br />

ist.<br />

Auch auf dem Areal Stierenried führte die späte<br />

Eingabe des Sanierungsprojektes zu einer gewissen<br />

Zeitverzögerung, welche sich dann jedoch durch<br />

eine opt<strong>im</strong>ale Verh<strong>and</strong>lungspraxis noch in Grenzen<br />

halten liess.<br />

5. Die ökologische Verantwortung<br />

EignerInnen neigen dazu, ökologische Verantwortung<br />

auf die Ämter und ExpertInnen abzuschie-<br />

ben. Deshalb müssen sie bei der Sanierungslösung<br />

darauf;mfmerksam gemacht werden, dass sie für die<br />

Lösung verantwortlich sind und dass bei Problemen<br />

grosse Folgekosten auftauchen können. Insbesondere<br />

überdie Unsicherheit einer Risikoabschätzung<br />

sollte mansich auf allen Seiten bewusst sein.<br />

Diese Haltung hat sich in den Interviews stark<br />

manifestiert. Liegt ein Bericht über die Risiken einmal<br />

vor, machen sich die Beteiligten darüber nur<br />

noch geringe Gedanken, denn sie stellen die ExpertInnen<br />

nicht in Frage. Das gleiche konnte bei der<br />

Sicherungslösung beobachtet werden, die Verantwor~<br />

tung wurde grösstenteils auf das AGW abgeschoben.<br />

Im Planspiel liessen sich solche Mechanismen des<br />

Delegierens' von Verantwortung auch feststellen.<br />

Hier wurde die Verantwortung für die Berücksichtigung<br />

ökologischer Aspekte zum Beispiel gerne dem<br />

AGW überlassen.<br />

6. Die Rolle der ExpertInnen<br />

ExpertInnen befinden sich in einer Doppelrolle. Es<br />

entspricht, der gängigen Praxis <strong>im</strong> Kanton Zürich,<br />

dass die GutachterInnen sowohl die Altlastuntersuchungen<br />

erarbeiten, als auch die konkrete Ausführung<br />

des Sanierungsprojektes auf der Baustelle<br />

überwachen. Diese Art' des Vollzuges mit einer<br />

Eigenkontrolle des Bauherren durch eine Gutachterin<br />

oder einen Gutachter bedingt jedoch, dass.der<br />

Kontakt zwischen dem/der Konzeptverantwortlichen<br />

und dem AGW ungehindert wahrgenommen werden<br />

kann.<br />

Auf der <strong>and</strong>eren Seite stehen die PlanerInnen und<br />

BeraterInnen zum Teil unter starkem Druck der EignerInnen,<br />

extrem kostenmin<strong>im</strong>ale und zeitsparende<br />

Projekte zu realisieren.<br />

Es ist daher von grosser Wichtigkeit, dass sich die<br />

GutachterInnen dieser Doppelrolle und eier damit<br />

verbundenen Verantwortung bewusst sind.<br />

In heiklen Fragen kann es manchmal für eine<br />

Amtsstelle; sinnvoll sein, ein Gegengutachten bei<br />

einer unabhängigen Fachstelle einzuholen.<br />

I<br />

~..<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

245


Altlasten<br />

_<br />

Literatur<br />

AGW (1993). Altlastenbearbeitung: Einführung in die Altlastenpraxis<br />

des Kantons Zürich. Zürich: Amt für Gewässerschutz und<br />

Wasserbau des Kantons Zürich.<br />

AGW (1994). Wegleitung für die Klassierung von Bauabfallen.<br />

Zürich: Amt für Gewässers


Wasserhaushalt<br />

I<br />

II<br />

I"halt<br />

1. Einführung<br />

2. Vorgehen und Methoden<br />

3. Ergebnisse<br />

4. Interpretation und<br />

Schlussfolgerungen<br />

249<br />

250<br />

256<br />

273<br />

Autorl""e"<br />

Brigitte Eggmann<br />

Patrik Lengacher<br />

Felil Ramisch<br />

Michael Koucky·(Tutor)<br />

Jürg Stünzi (Tutor)<br />

Aufbaue"d auf de" Ergeb"isse" der wisse"schaft'iche" Arbeirsgruppe (Sy"thesegruppe WASSERHAUSHALT)<br />

Regula Billeter . Barbara Horlacher Anita Müller<br />

Andrea Ciani Natascha Kljun Daniel Niederhauser<br />

Brigitte Eggmann S<strong>and</strong>ra Kunz Manuel Pesaro<br />

Nikolai FischerPatrikLengacher<br />

Felil Ramisch<br />

Barbara Fuchs Martin Märki Patrick Reichmuth<br />

Gian Andrea Gliott Christoph Meier Martin Röösli<br />

Andreas Vögelin<br />

Johannes Heeb (Tutor)<br />

Michael Koucky (Tutor)<br />

Martin S<strong>im</strong>on (Tutor)<br />

Werner S<strong>im</strong>on (Tutor)<br />

Jürg Stünzi (Tutor)


Wasserhaushalt --'- _<br />

248 UNS-Fallstudie '96


_______~------------------------<br />

Wasserhaushalt<br />

1.<br />

1.1<br />

Der Studiengang Umweltnaturwissenschaften will<br />

die Fähigkeit vermitteln, die Wechselwirkungen<br />

zwischen dem Menschen und seiner belebten<br />

wie unbelebten Umwelt zuerkennen und zu verstehen.<br />

Eine spezifisch umweltnaturwissenschaftliche<br />

Arbeitsweise ist der Systemansatz und die<br />

Untersuchung dynamischer Entwicklungen. Der<br />

. Wasserhaushalt eines Areals kann als klassischer<br />

Untersuchungsgegenst<strong>and</strong> aufgefasst werden.<br />

Zum Wasserhaushalt eines Gebietes gehören Para~<br />

meter wie Niederschlag, Versickerung, Grundwasserneubildung,<br />

Zu- und Abflüsse sowie die Speicherkapazität<br />

des Areals für Wasser.<br />

Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete untersteht<br />

einer Einflussdynamik von Bebauungs- und Bepflanzungsgrad<br />

sowie von der Art des Entwässerungsnetzes<br />

und des künstlichen Wasserzuflusses (v.a.<br />

Trinkwasser). Gerade Industrieareale zeichnen sich<br />

durch das Vorliegen weiträumiger, versiegelter Flächen<br />

aus. Dieser Aspekt, der in Abb. 1.1 aufscheint,<br />

soll in unserer Arbeit aufgegriffen werden.<br />

1.2<br />

Einführung<br />

Allgemein<br />

Ziel<br />

Ziel der Synthesegruppe ist es, den Wasserhaushalt<br />

des Teilgebietes 0 des ZZN-Areals zu verstehen und<br />

Abb. 1.1 Indpstrieareale weisen typischerweise grossflächige Bauten (Produktionshollen) und. befestigte Fahr-,<br />

Umschlags- undLagerplätze auf, welche grosse versiegelte Flät;hen bilden. Bei der Entwässerung solcherAreale<br />

müssen - gerade bei Gewitterregen - bedeutende Wasserjlüsse weggeführt werden. (Bild: Jürg Stünzi).<br />

abzubilden sowie gesamtheitliche Opt<strong>im</strong>ierungsmöglichkeiten<br />

aufzuzeigen.<br />

Wir möchten herausfinden, welche Massnahmen<br />

es braucht, um einen anthropogen beeinflussten<br />

Wasserhaushalt opt<strong>im</strong>al zu steuern. Der Umgang mit<br />

Wasser wird nicht nur auf siedlungswasserbaulicher<br />

Ebene, sondern auch innerhalb der Gebäude unter<br />

die Lupe genommen. Gerade <strong>im</strong> Hinblick auf das<br />

Konzept Nachhaltigkeit müssen Entwicklungen von<br />

ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu<br />

den Umweltauswirkungen in Bezug gesetzt werden.<br />

Als Resultat bzw. Produkt werden<br />

• eine modellhafte Abwägung der Wirkung möglicher<br />

Einflussfaktoren unter verschiedenen wirtschaftlichen<br />

und sozialen Rahmenbedingungen<br />

angestrebt und<br />

• Kosten-Nutzen-Verhältnisse verschiedener Massnahmen<br />

untersucht, die PlanerInnen und Bewilligungsbehörden<br />

Strategien für ein ökologisch<br />

. nachhaltiges und ökonomisch tragbares Wassermanagement<br />

aufzeigen und ein für die Entscheidung<br />

nutzbares Instrument liefern.<br />

Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind <strong>im</strong><br />

speziellen an die folgenden' Akteure und Behörden<br />

gerichtet:<br />

1 BauherrelI: Es werden Massnahmen vorgestellt,<br />

welche <strong>im</strong> Sinne eines ökologischen Leitbildes in<br />

Erwägung gezogen werden sollen. Es sind dies<br />

einerseits Technologien zur Einsparung von Trinkwasser,<br />

<strong>and</strong>ererseits auch besondere Elemente zur<br />

Gestaltung von Gebäuden und der Umgebung wie<br />

beispielsweise Fassadenbegrünung<br />

oder regenwassergespiesene<br />

Oberflächengewässer.<br />

Z Plallerlllllell: Wir hoffen<br />

auf einen Einbezug der<br />

von uns geprüften und<br />

angeregten Massnahmen.<br />

Insbesondere soll<br />

aber das vorgelegte Wasserhaushaltsmodell<br />

(Modelisystem<br />

Stella II) als<br />

EDV-Werkzeug für eine<br />

interaktive Evaluation<br />

planerischer Lösungen<br />

einbezogen und weiterentwickelt<br />

werden.<br />

3 Behördell (<strong>Stadt</strong>entwässerung,<br />

Amt für Gewässerschutz<br />

und Wasserbau<br />

[AGW]): Durch die Diustellung<br />

der dynamischen<br />

Wasserhaushaltsprognosen<br />

wird Spielraum<br />

für eine wesentlich<br />

UNS-Fallstudie '96 249


Wasserhaushalt<br />

_<br />

differenziertere Aush<strong>and</strong>lung der Abwassermengen<br />

aus dem Areal in die städtische Kanalisation<br />

geschaffen. Anstelle einer starren Mengenschwelle<br />

können die Behörden der <strong>Stadt</strong>entwässerung spezifischere<br />

Retentionsvorgaben einbringen und die<br />

Gebühren verursachergerechter festlegen.<br />

1.3 fallbezug<br />

Es zeichnet sich ab, dass auf dem ZZN-Areal vielerorts<br />

Flächen versiegelt werden müssen, um die<br />

Gefahr von Grundwasserkontaminationen durch Altlasten<br />

(vgI. Kap. ALTLASTEN) zu verhindern. Dadurch<br />

werden, massive Störungen des natürlichen Wasserhaushaltes<br />

in Kauf genommen.<br />

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es für ein<br />

derart grosses Areal von besonderer Bedeutung, alle<br />

Möglichkeiten eines intelligenten Wassermanagements<br />

aufzuzeigen und abzuwägen.<br />

. Drei Gründe haben uns bewogen, das Teilgebiet 0<br />

für unsere Untersuchungen auszuwählen:<br />

• Die Planung ist erst so weit fortgeschritten, dass<br />

unsere Resultate nO,ch einfliessen bzw. von Bauherren,<br />

PlanerInnen und Bewilligungbehörden der<br />

<strong>Stadt</strong> einbezogen werden können.<br />

• Dieses Teilareal hat mit seiner vorgesehenen,<br />

gemischten Nutzung (Dienstleistungen, Kultur,<br />

Freizeit und Wohnen) Modellcharakter und ist<br />

repräsentativ für das ganze ZZN-Areal (vgI. Ruoss<br />

& Siress, 1994).<br />

• Die Datenlage über dieses Teilgebiet ist relativ<br />

gut.<br />

2. Vorgehen und Methoden<br />

2.1 Übersicht<br />

Der Ablauf der Fallstudie ist In drei Phasen gegliedert:<br />

In der ersten Synthesephase haben wir uns mit<br />

dem Fall «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» bekannt gemacht,<br />

das Areal studiert, Aufgaben und Fragen definiert,<br />

die bearbeitet werden sollen und die Methoden ausgewählt.<br />

In der zweiten Phase, der Teilprojektphase, ist<br />

die Synthesegruppe zur Bearbeitung der verschiedenen<br />

Themenbereiche in sechs Teilprojektgruppen<br />

WASSERHAUSHALT, WASSERMANAGEMENT, GEBÄUDE,<br />

RAHMENBEDINGUNGEN BEZÜGLICH POLITIK, RECHT UND<br />

ÖKONOMIE und MODELLIERUNG aufgeteilt worden.<br />

Eine Koordinierungsgruppe (Metagruppe) hat die<br />

Koordination und Kommunikation zwischen den<br />

Teilprojekten übernommen und gewährleistet.<br />

In der abschliesseIiden dritten Phase wurden die<br />

Ergebnisse der Teilprojekte zu einer Synthese integriert.<br />

Um das Wasserhaushaltsmodell und das Modell<br />

der Rahmenbedingungen zu erstellen, zu prüfen und<br />

auszuwerten, wurden Detailbetrachtungen aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln mit den in diesem Kapitel<br />

beschriebenen Methoden zu ganzheitliChen Aussagen<br />

verknüpft.<br />

Der Verlauf unserer Synthesearbeit ist in Abb. 2.1<br />

als Gesamtfigur dargestellt.<br />

Im folgenden werden die wichtigsten Begriffe in<br />

Abb. 2.1 kurz erläutert:<br />

Der erste Fragenkomplex (Fragenkomplex 1) n<strong>im</strong>mt<br />

Bezug auf die Rahmenbedingungen, d.h. die externen<br />

Einflussfaktoren: Unter welchen Rahmenbedingungen<br />

werden (technische) Massnahmen realisiert,<br />

die. sich auf den Wasserhaushalt beziehen? Aus-<br />

.gehend von einerformativen Szenarioanalyse (4 konsistente<br />

Szenarien) werden in einem sogenannten<br />

Wirkmodell Rahmenbedingungen (Soft Model, Stella II)<br />

Sätze von Eingabegrössen (Sets) für das Wasserhaushaltsmodell<br />

entworfen.<br />

Der Fragenkomp/ex 2 ~efasst sich mit wasserhaushaltsbezogenen<br />

Massnahmen, d.h. mit den internen<br />

Einflussfaktoren. Die unterschiedlichen Auslegungen<br />

technischer Massnahmen werden hier als Varianten<br />

bezeichnet. Die Festlegung der 16 Sets, welche<br />

die Eingabegrössen des Wasserhaushaltsmodells,<br />

. best<strong>im</strong>men, ist in Kap. 2.3.3 SETS UND VARIANTEN<br />

beschrieben. Jedes Set besteht einerseits aus «Lochkarten»,<br />

welche die <strong>im</strong> Wasserhaushaltsmodell wirksamen<br />

Annahmen - Regelgrössen wie z.B. die Fläche<br />

der realisierten Gründächer - festlegen,<strong>and</strong>ererseits<br />

aus «Kassenzetteln», cl.h. Auflistungen von Kosten'<br />

der Massnahmen.<br />

250<br />

UNS-Fallstudie '96


-'-<br />

---------------------'-----------'----Wasserhaushalt<br />

Outputs<br />

14 I<br />

lLLJ<br />

LiiJ<br />

Variantenbildung<br />

1<br />

sets<br />

lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII<br />

lilIIIIIlIII<br />

lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII•<br />

ill<br />

• lilIIIIIlIII• lilIIIIIlIII• lilIIIIIlIII•<br />

Befragung<br />

Szenarienanalyse !<br />

I<br />

t<br />

Umweltbezogene Bewertung<br />

Im Fragenkomplex 3 finden sich die eigentlichen<br />

Fragen der lokalen Niederschlagsund<br />

Abflussdynamik: Welche Abflussspitzen<br />

erzeugt ein Gewitterregen? Welche Abflussmengen<br />

entstehen bei anhaltenden Niederschlägen<br />

(Langzeitereignis)? Wie wird die<br />

Aufteilung der Wasserpfade bei den verschiedenen,<br />

.technischen Massnahmen langfristig<br />

beeinflusst?<br />

Das Wasserhaushaltsmodellliefert mit jedem<br />

. S<strong>im</strong>ulationslauf einen spezifischen Ergebnissatz<br />

(Output) der dynamischen Verteilung der<br />

Wasserflüsse auf die verschiedenen Pfade.<br />

Aus den Abflusskurven werden die massgeblichen<br />

Abflussmengen, Dämpfungen, etc.<br />

abgelesen.<br />

Der Bewertungsblock umfasst die multidttnbutive<br />

Bewertung(LogicalDecisions) der Wirkungen,<br />

welche hier zu einem umweltbezogenen<br />

Index aggregiert werden. Ein massgeblicher<br />

Schritt, die Gewichtung der Wirkungen, erfolgte<br />

durch eine entsprechende Befragung;<br />

dahinter steht die Fragestellung (Fragenkomplex<br />

4), ob in den drei Befragungsgruppen<br />

eine unterschiedliche Gewichtungseinschätzung<br />

erkennbar ist. Neben den umweltbezogenen<br />

Bewertungsansätzen wurden Wirtschajtlichkeitsberechnungen<br />

duichgeführt,'welche<br />

als Bewertungsindex den Net Present Value<br />

(NPV) einbringen.<br />

Die Auswertung erfolgt durch mathematische<br />

und graphische Analysen der beiden<br />

Bewertungsindices und wird <strong>im</strong> Kap. 4<br />

INTERPRETATION. UND SCHLUSSFOLGERUNGEN zu<br />

erkenntnisbezogenen Aussagen und den entsprechenden<br />

Schlussfolgerungen zusammengeführt.<br />

Auf dieser Basis werden die abschliessend<br />

aufgeführten Anregungen und<br />

Ideen zum Wassermanagement abgeleitet.<br />

Wlrkmodell<br />

RahmenbedIngungen<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

Wirtschaftlichkeitsbewertung<br />

Anregungen,<br />

Ideen<br />

Abb. 2.1 Vorgehensübersicht der Synthesearbeit. Ausgehend von<br />

den <strong>im</strong> Text beschriebenen Fragestellungen (Fragenkomplexe)<br />

können diefolgenden Vorgehensschritte unterschieden werden:<br />

Rahmenbedingungen: Ausgehend von einerformativen Szenarioanalyse<br />

(4 konsistente Szenarien) werden in einem Wirkmodell<br />

Rahmenbedingungen (Soft Model)Annahmenbündei (Sets) definiert<br />

(vgl. Kap.' 2.3.3 SETS UND VARIANTEN). Das Wassemaushaltsmodell<br />

wird von den einzelnen technischen' Massnahmen<br />

(welche als Sets zusammengefasst sind) beeinflusst. DementsprechendergibtjederS<strong>im</strong>ulationslaufeinen<br />

spezifischen Ergebnissatz<br />

(Output), welcher die dynamische Verteilung der Wasserjlüsse auf<br />

die verschiedenen Pfade beschreibt. Die Bewertung umfasst einen'<br />

umweltbezogenen Index (LogicaI.Dedsions), der durrh eine Befragung<br />

gewichtet wurde sowie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung,<br />

welche als Bewertung.rindex den NPV (Net P1-esent Value) vorlegt.<br />

Die Auswertung umfasst graphische Analysen der beiden Bewertungsindices,<br />

insbesondere eine Kosten-Wirksamkeits-Analyse<br />

(Rentabilitäts-Nutzen-Diagramm) der Szenarien und Varianten.<br />

UNS-Fallstudie '96 251


Wasserhaushalt<br />

2.2 Systemabgrenzung<br />

Räumlich entspricht die Begrenzung des hier untersuchten<br />

Systems den Grenzen des Teilgebietes 0<br />

innerhalb des Planungsgebietes "<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong>" (vgl. Abb. 3.1.1 <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNG).<br />

Für den Wasserfluss sind die folgenden Quellen und<br />

Senken massgebend:<br />

Quellen:<br />

• Niederschlag (Regen, Schnee, Tau, etc.)<br />

• Trinkwasserversorgung<br />

Senken:<br />

• Evapotranspiration<br />

• Abwasser (Kanalisation)<br />

• Reinwasser (abzuführendes Regenwasser, etc.)<br />

• temporäre "Störfall»-Senke·bei starken Regenereignissen,<br />

wenn das Areal teilweise überschwemmt<br />

wird.<br />

Eine projektierte Regenwasserleitung, die das Teilgebiet<br />

0 durchquert, wurde nicht in unsere.Betrachtungen<br />

einbezogen.<br />

Der zeitliche Betrachtungsrahmen n<strong>im</strong>mt Bezug<br />

auf die folgenden Zeiträume:<br />

Die Analyse der Niederschlagsdaten umfasst die<br />

Jahre 1-990-1996. Die Prognosen beziehen sich auf<br />

einen Zust<strong>and</strong> des Areals, welcher dem Realisierungszust<strong>and</strong><br />

2015/2025 gemäss Planungsbericht<br />

ZZN entspricht. Die ökonomischen Untersuchungen<br />

zum Gegenwartswert (NPV) von Massnahmen<br />

wurden für eine zu erwartende Nutzungsdauer der<br />

Anlagen von 20 Jahren berechnet.<br />

-'--<br />

Preise, Verfügbarkeit und Akzeptanz den Wasserverbrauch<br />

und die Realisierung von Massnahmen<br />

(z.B. Gründächer) <strong>im</strong> Planungsgebiet beeinflussen.<br />

Mit der Methode der formativen Szenarioanalyse<br />

(Scholz et al., 1996; vgl. Kap. FORMATIVE SZENARIO­<br />

ANALYSE) können diese Szenarien vergleichbar und<br />

widerspruchsfrei erzeugt werden.<br />

Für die Szenarienerstellung und die Best<strong>im</strong>mung<br />

sinnvoller Modellzusammenhänge und Rahmenbedingungen<br />

wurden betroffene EntscheidungsträgerInnen<br />

und ExpertInnen beigezogen. Als erstes<br />

wurde eine mögliChst vollständige Liste von Einflussfaktoren<br />

geschaffen (Brainstorming). In einem<br />

zweiten Schritt wurden die wichtigsten Einflussfaktoren<br />

nach Relevanzkriterien ausgewählt und<br />

die notwendigen Definitionen und Abhängigkeiten<br />

festgelegt. Dabei wurde auf die Erkenntnisse aller<br />

Teilprojektgruppen zugegriffen. Die ausgewählten<br />

externen Einflussfaktoren und ihre Definitionen<br />

sind aus Tab. 2.3.2 ersichtlich.<br />

Es wurden vier konsistente Szenarien ausgewählt<br />

und für die weitere Untersuchung verwendet. Das<br />

Szenario definiert via ein Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />

(Soft Model, siehe Kasten 2.3.2) mehrere Regelgrössen<br />

(z.B. Gründachanteil, Grauwasseranlagen,<br />

Wasserverbrauch) für das Wasserhaushaltsmodell.<br />

2.3.3 Sets lind Varianten<br />

Es wurde angestrebt, die Auswirkungen der vier<br />

Szenarien und der technischen Massnahmen zu<br />

2.3 Rahmenbedingungen<br />

2.3.1 Systemeigenschaften<br />

Die grundlegenden Prozesse und Systemeigenschaften<br />

wurden in der Synthesephase I durch<br />

Literaturstudium und Gespräche mit Fachleuten<br />

(siehe Kasten 2.3.1) erarbeitet. Dabei wurden die<br />

Systemgrenzen festgelegt und mögliche Systementwicklungen<br />

geprüft. Zusätzlich haben sich die<br />

Studierenden der Teilgruppe durch Literaturrecherehen<br />

ins Thema eingearbeitet. Zitierte und weiterführende<br />

Literatur sind in der Literaturliste am<br />

Schluss des Kapitels aufgeführt.<br />

2.3.2 Szenarioanlllyse<br />

'Um das Wasserhaushaltsmodell und die Bewertungen<br />

in einen sinnvollen· Kontext zu stellen, wurden<br />

Zukunftsszenarien . mit verschiedenen wirtschaftlichen<br />

und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

entworfen. Die Rahmenbedingungen werden als die<br />

externen Einflussfaktoren aufgefasst, welche .über<br />

Kosten 2.3.1 Übersiclttderverwendeten GrundlogenliterotTJr.<br />

252 UNS-Fallstudie '96


d d d, d ••<br />

_____________________------<br />

Wasserhaushalt<br />

Einflussfaktoren<br />

Trinkwasserpreis<br />

•••••••••••••••••••••••••••••••• v •••••••<br />

Abwasserpreis<br />

Hochwasserschutzgesetzgebung<br />

.................................. . .<br />

Gewässerschutzgesetzgebung<br />

Wirtschaftswachstum<br />

......................... .<br />

Bedürfnis nach Natur<br />

Definition<br />

Preis, der für einen Kubikmeter Trinkwasser bezahlt werden muss.<br />

................ . .<br />

Preis, der für einen Kubikmeter Wasser bezahlt werden muss, der ins Kanalisationsnetz<br />

abgegeben wird.<br />

Ten4en~en in der Hoch~asserschutzgesetzgebung. d<br />

................................................•..•........y....................... . .<br />

Tendenzen in der Gewässerschutzgesetzgebung. Besonders zu beachten sind dabei Einleitbedingungen,<br />

der Schutz des Grundwassers und die Sicherung der natürlichen Funktion des<br />

Wasserkreislaufs.<br />

. . .. ......•.....................•... . .<br />

Subventionen für Investitionen Subventionen für Investitionen in wasserbauliche und sanitärtechnische Anlagen.<br />

. .. .. .......•... . .<br />

Umgang mit Wasser<br />

Akzeptanzmasszahl, welche angibt, inwiefern Wasser als wertvolle Ressource geachtet und<br />

beh<strong>and</strong>elt wird.<br />

................ .<br />

Technische Entwicklung<br />

Entwicklung der Zunahme des BruttO-Inl<strong>and</strong>-Produktes (BIP) der Schweiz.<br />

..........................................................................................................................................<br />

Akzeptanzmasszahl, welche angibt, wieviel Natur (Gründächer, Teiche, Grünflächen) <strong>im</strong> Siedlungsraum<br />

erwünscht und akzeptiert ist.<br />

. . & .<br />

Entwicklung neuer Verfahren und Technologien <strong>im</strong> Bereich des Wassersparens.<br />

. .......•... .. .. .. . .•..•...................................•..•....•...........................•.....•......<br />

Politik Mass der Begünstigung (bzw. Behinderung) wasse~baulich innovativer und unterstützender<br />

politischer Einflüsse (z.B. durch eine siedlungswasserwirtschaftliche Lobby).<br />

Tab. 2.3.2 Beschreibung der externen Einfluss/aktoren, welchefür die Szenarienentwicklung einbezogen wurden.<br />

Kasten 2.3.2 System Dynamics und Stella 1I.<br />

UNS-Fallstudie '96 253


Wasserhaushalt '-- _<br />

untersuchen. Dazu wurden zunächst mit dem Wirkmodell<br />

Rahmenbedingungen vier Sätze von Regelgrössen<br />

(Sets) best<strong>im</strong>mt. Für eine zusätzliche Analyse<br />

der Wirkung der Massnahmen wurden die vier von<br />

den Szenarien entworfenen Sets durch Variantensets<br />

ergänzt (vgl. Abb.2.3.3.l). Bei den Varianten sind<br />

interne Einflussfaktoren, nämlich die drei Regelgrössen<br />

Gründachanteil, offene Wasserläufe und<br />

Grauwasseranteil systematisch variiert. Zur leichteren<br />

Unterscheidung und Übersicht sind den Varianten<br />

1-4 folgende Begriffe zugeordnet:<br />

Variante 1: max<strong>im</strong>al<br />

• höchster Gründachanteil<br />

• offener Wasserlauf (Reinwasserkanal)<br />

• höchster Anteil Grauwassernutzung<br />

Variante 2: min<strong>im</strong>al<br />

• geringster Gründachanteil<br />

• keine offenen Wasserläufe<br />

• geringer· Anteil Grauwassernutzung<br />

Variante 3.~ innovativ<br />

• mittlerer Gründachanteil<br />

• keine offenen Wasserläufe<br />

• hoher Anteil Grauwassernutzung<br />

Variante 4: mittel<br />

• mittlerer Gründachanteil .<br />

• keineoffenen Wasserläufe<br />

• geringer Anteil Grauwassernutzung<br />

16<br />

•<br />

Sets<br />

Abb.2.3.3.1 Verkniipfungvon<br />

Szenarien und Varianten zur<br />

Konstruktion der 16 Sets (vgl.<br />

Abb.2.3.3.2).<br />

Variante 1<br />

max<strong>im</strong>al<br />

Variante 2<br />

min<strong>im</strong>al<br />

Variante 3<br />

innovativ<br />

Variante 4<br />

mittel<br />

SzenarioA<br />

Wirtschaft<br />

Szenario B<br />

Krise<br />

SzenarioC<br />

Umdenken<br />

Szenario D<br />

Experten<br />

Abb. 2.3.3.2 Übersicht der verwendeten Regelgrossen-Sets.<br />

Dos Wosserhaushaltsmodell wird determiniert durch Säize von je vier Regelgrössen, die hier als Sets bezeichnet werden. Dabei wird.unterschieden<br />

zwischen der Regelgrösse I (Wasseroerbrauch in I/Pers. Tag), welche durch die Szenarienftx vorgegeben ist, undRegelgrässen ll, weIche<br />

als technische Auslegungen variiert werden können (Gründachanteilin % dergesamten Daclzfläche, GrauwassernufZung in I/Pers. Tag).<br />

Die Sets Al, BZ, C3 und D4 (schattiert) entsprechen den durch die Szenarien best<strong>im</strong>mten Auslegungen (Werten), die iibrigen Sets sind<br />

Permutationen beziiglich der Regelgrössen ll. .<br />

254 UNS-Fallstudie'96


_________________-'-- -------------' -,--_Wasserhaushalt<br />

Durch die Kombination von Szenarien und Varian-..<br />

ten ergibt sich, wie in Abb. 2.3.3.1 dargestellt, eine<br />

Gesamtzahl von 16 Sets.<br />

In der Abb. 2,.3.3.2 ist die Gesamtheit der verWendetenSets<br />

schematisch dargestellt. Aus den hierwiedergegebenen<br />

Angaben wird die Konstruktion der<br />

Sets aus den Regelgrössen I und 11 bzw. der Zusammenhang<br />

zwischen Szenarien und Varianten ersichtlich.<br />

Dieses varianzanalytische Design erlaubt die<br />

spätere Auswertung der Effekte, bezogen auf Szenarien<br />

und Varianten (Split). Den Sets wurde zusätzlich<br />

eine Masszahl zur Erholungsraumqualität zugeordnet<br />

(Tab. 3.6.1.) sowie eine Kostenzusammenstellung<br />

als Basis für die Wirtschaftlichkeitsberechnung.<br />

grösse (d.h.ein Zahlenwert aus der ModelIierung)<br />

~nd eine Nutzenfunktion zugeordnet werden (vgl.<br />

Kap. 3.6.3 MESSGRÖSSEN).<br />

Die Kriterien wurden in einen Fragebogen aufgenommen<br />

und von drei Befragungsgruppen in eine<br />

Gewichtung gebracht. Die drei Gruppen waren:<br />

l.die Studierenden der Synthesegruppe WASSER-<br />

HAUSHALT,<br />

2..die fünf Tutoren und<br />

3. die drei Experten.<br />

Die Schaffung dieses Bewertungskonstruktes erfordert<br />

sehr viel generelle und spezifische System-.<br />

kenntnis und wurde stark auf die Experten abgestützt.<br />

2.4 Wasserhaushaltsmodell 2.6 Ökonomische Untersuchungen<br />

Das Wasserhaushaltsmodell s<strong>im</strong>uliert die dynamische<br />

Verteilung der Wassermengen auf die verschiedenen<br />

Pfade. Die Grundlage zum Aufbau des Modells<br />

ist'der Massenerhaltungssatz (Input = Output) für<br />

Wasser. Die Bilanzierung der Wasserflüsse entspricht<br />

einer Stoffflussanalyse (Baccini, 1994).<br />

Das Wasserhaushaltsmodell fasst alle Erkenntnisse<br />

und Annahmen über .die Wasserflüsse zusammen.<br />

Wie das Wirkmodell Rahmenbedingungen wurde es mit<br />

dem ModelIierungsprogramm Stella 1/ erstellt. Das<br />

Modell wurde für zwei zeitliche Auflösungen ausgelegt.<br />

Das Kurzzeitmodell mit einer Auflösung von<br />

zehn Minuten ermöglicht die ModeIIierung kurz"'<br />

fristiger Regenereignisse. Für langfristige Betrachtungen<br />

wurde ein Langzeitmodell mit einer Auflösung<br />

von einem Tag geschaffen.<br />

Das Modell wird determiniert durch ·Sätze von<br />

Stellgrössen (Sets) und erzeugt aus Eingabedaten<br />

(Klillladaten)· die entsprechenden Modellausgaben.<br />

Mit jedem der eingegebenen Sets Al, A2, ..., 04<br />

wurde ein S<strong>im</strong>ulationslauf durchgeführt bzw. ein<br />

Modellausgabensatz (Output) erzeugt. Die Outputs<br />

bestehen aus den Verlaufskurven aller Wasserflüsse<br />

für die Kurz- und Langzeitbetrachtungen, aus denen<br />

die massgeblichen Abflussmengen, Dämpfungen,<br />

etc. abgelesen werden (vgI. Abb. 3.5.3.2).<br />

Ner Presellr Val.e<br />

Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wurde der<br />

betriebswirtschaftliehe .Aspekt in den Vordergrund<br />

gestellt, da dieser bei einer Massnahmenevaluation<br />

durch einen Bauherrn von besonderem Interesse<br />

sein dürfte. Deshalb wurde eine Rentabilitätsberechnung<br />

durchgeführt, weIche den Nutzen einer<br />

Massnahme aufzeigt. Die Berechnung erfolgte nach<br />

der Methode des Net Present Value (Volkart, 1994), die<br />

<strong>im</strong> Kasten 2.6 kurz erläutert ist.<br />

Für jeden Modelloutput werden die Investitionsund<br />

Unterhaltskosten, die Rentabilität von Ein~<br />

sparungen und der NPV berechnet. Die Resultate<br />

sind <strong>im</strong> Lichte der in den getroffenen Annahmen.<br />

liegenden Unsicherheiten zu interpretieren.<br />

2.5 Bewertung<br />

Für die Bewertung der Modelloutputs wurde eine<br />

multiattributiveEntscheidungsanalyse durchgeführt. Zur<br />

Anwendung gelangte dazu das Computerprogramm<br />

Logical Decisions (Smith, 1995). In einem ersten<br />

Schritt wurden die bewertungsrelevanten Kriterien<br />

best<strong>im</strong>mt. Einzelne Kriterien set~en sich dabei aus<br />

Unterkriterien zusammen, wie dies aus Tab. 3.6.1<br />

ersichtlich ist. Jedem Kriterium muss eine Mess-<br />

Kosten 2.6 Net Present Va/ue-Methode (NPV).<br />

UNS-Fallstudie '96 255


Wasserhaushalt--,- ~~ ~ _<br />

3.<br />

Ergebnisse<br />

In diesem Kapitel werden die entwickelten Szenarien<br />

und Annahmen sowie die Ergebnisse der<br />

umweltbezogenen Untersuchungen und der Rentabilitätsberechnungen<br />

beschrieben.<br />

3.1 Rahmeubediuguugeu<br />

3.1.1 Szenarien<br />

In der Szenarioanalyse (vgI.- auch Kap. FORMATIVE<br />

SZENARIOANALYSE) wurden für die in Tab. 2.3.2 aufgelisteten<br />

Einflussfaktoren verschiedene Ausprägungen<br />

definiert. Beispielsweise wurden be<strong>im</strong> Einflussfaktor<br />

Trinkwasserpreis zwei Stufen angenommen<br />

(Stufe 1: sinkender oder gleichbleibender Preis,<br />

Stufe 2: steigender Preis). Indem alle Ausprägungen<br />

der zehn Einflussfaktoren variiert werden, erhält<br />

man 2304 mögliche Kombinationen. Aus einer mittels<br />

Konsistenzanalyse best<strong>im</strong>mten Teilmenge dieser<br />

Kombinationen (ca. 40 hinreichend konsistente Szenarien)<br />

wurden vier Szenarien ausgewählt, die sich<br />

deutlich in ihren Ausprägungen unterscheiden. Sie<br />

.können wie folgt beschrieben werden:<br />

Szenario A: Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong><br />

Die Umweltkrise der 70er bis 90er Jahre hat in<br />

der Bevölkerung zu einem Umdenken geführt. Ein<br />

erhöhtes BedÜrfnis nach Natur und nachhaltigem<br />

Umgang mit Ressourcen ist spürbar. Dies zeigt sich<br />

unter <strong>and</strong>erem in einem sparsamen Umgang mit<br />

Wasser und einer verschärften Umweltgesetzgebung.<br />

Die neuen Vorschriften sind in der Bevölkerung<br />

breit abgestützt und daher leicht durchsetzbar. Die<br />

Kosten für die Abwasserentsorgung werden ganz vom<br />

VerursacherInnen bezahlt. Die Öffentliche H<strong>and</strong><br />

unterstützt durch Subventionen Private bei wasser-·<br />

sparenden Massnahmen. Die boomende Wirtschaft<br />

begünstigt die Entwicklung innovativer Technologien<br />

(vgl. Kap. 4.1, Szenario WIRTSCHAFTLICHER<br />

AUFBRUCH <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNC).<br />

Szenario B:'Krise<br />

Die wirtschaftliche Lage der Schweiz ist· sehr<br />

schlecht. Entsprechend sind keine ·finanziellen<br />

Mittel für Subventionen und technische Entwicklungen<br />

auf dem Gebiet wassersparender Anlagen<br />

vorh<strong>and</strong>en: Eine ganz von den VerursacherInnen<br />

gedeckte Abwa.sserentsorgung ist aus wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht durchsetzbar. Auch lässt die<br />

ökonomische Krise das Bedürfnis nach Natur in den<br />

Hintergrund treten. Entsprechend wird der Umgang<br />

mit Wasser eher verschwenderischer, so dass' das<br />

Trinkwasser knapp wird und sein Preis steigt.<br />

Szenario C: Umdenken<br />

Trotz der wirtschaftlich sehr schlechten Lage werden<br />

unter dem Einfluss der Deregulierungsrufe von den<br />

VerursacherInnen gedeckte Abwasserentsorgungs~<br />

gebühren eingeführt.· Gleichzeitig steigt auch der<br />

Trinkwasserpreis. Dies führt dazu, dass sich Investitionen<br />

in die Entwicklung innovativer Techniken<br />

auf dem Gebiet des Wassersparens und der Abwasserentsorgung<br />

lohnen, auch wenn dafür keine<br />

Subventionen vorh<strong>and</strong>en sind und aufgrund eines<br />

sinkenden Naturbedürfnisses in der Bevölkerung<br />

eher eine Lockerung der Gewässerschutzgesetzgebung<br />

zu erwarten ist. Der sparsame Umgang mit<br />

Wasser' ist. also weniger auf ein ökologisches Umdenken<br />

zurückzuführen als auf einen verstärkten<br />

finanziellen Druck auf den Einzelnen.<br />

Szenario D: Experten<br />

Aus den Aussagen von Experten über die zu erwartenden<br />

Veränderungen der Rahmenbedingungen<br />

ergab sich ebenfalls ein konsistentes Szenario. Die<br />

Experten sagen voraus, dass sich der Trinkwasserpreis<br />

in der nächsten Zeit nicht wesentlich verändern<br />

wird, da die Gebühren <strong>im</strong> wesentlichen von<br />

konstanten Fixkosten abhängen. Hingegen sind<br />

verursachergerechte Abwasserentsorgungsgebühren<br />

wahrscheinlich. Im Bereich der Hochwasser- und<br />

Gewässerschutzgesetzgebung sind keine Änderungen<br />

zu erwarten. Dasselbe gilt für das Bedürfnis nach<br />

Natur und dem Umgang mit Wasser. Es ist allerdings<br />

eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums aufgrund<br />

einer allgemeinen Strukturkrise zu erwarten,<br />

was zusammen mit den erhöhten Abwasserentsorgungsgebühren<br />

zu einem technischen Entwicklungsschub<br />

<strong>im</strong> Bereichwassersparender Massnahmen<br />

führt. .<br />

Übersicht über die 4 Szenarien<br />

Jedem Szenario entspricht eine definierte Wirkungskombination<br />

von Einflussfaktoren. Auf dieser<br />

Grundlage wurden je spezifische Ausprägungen und<br />

daraus Annahmen in numerischen Einheiten abgeleitet.<br />

Für einzelne Einflussfaktoren (z.B. Politik)<br />

mussten relative Einheiten definiert werden. Die<br />

Wirkungskombinationen, Ausprägungen und Werte<br />

sind in Tab.3.!.1 wiedergegeben.<br />

256 UNS-Fallstudie '96


--------------------~----'-<br />

~-----:...----_Wasserhaushalt<br />

EiDflussfaktor<br />

SzenarioA:<br />

Wirtschaftlicher<br />

<strong>Aufbruch</strong><br />

SzenarioB:<br />

Krise<br />

SzenarioC:<br />

Umdenken<br />

Szenario D:<br />

&perten<br />

Referenz<br />

Trinkwasserpreis<br />

Wert (Fr./m 3 )<br />

steigend<br />

3.90<br />

steigend<br />

3.90<br />

steigend<br />

3.90<br />

sinkend oder<br />

gleichbleibend<br />

1.50<br />

BUWAL,1994<br />

Bauamt 11,<br />

Zürich, 1993<br />

Abwasserpreis<br />

Wert (Fr./m 3 )<br />

kostendeckend<br />

nicht<br />

kostendeckend<br />

3.- .<br />

kostendeckend<br />

kostendeckend<br />

4.-<br />

4.-<br />

4.-<br />

Müller R., 1996<br />

BUWAL,1993<br />

Hochwasserschutz (Vorschriften) .<br />

Wert (0-5 r.E.; 5: streng)<br />

Verschärfung<br />

4<br />

Status Quo<br />

3<br />

Status Quo<br />

3<br />

Status Quo<br />

3<br />

Krejci et aI., 1994<br />

Gewässerschutz (Gesetzgebung)<br />

Wert (0-5 r.E.; 5: streng)<br />

Verschärfung<br />

4<br />

Lockerung<br />

2<br />

Lockerung<br />

2<br />

Status Quo<br />

3<br />

Krejciet aI., 1994<br />

VGL,1993<br />

Subventionen für Investitionen vorh<strong>and</strong>en keine<br />

keine<br />

Wert: Investitionskosten (%) 19 o 0<br />

keine<br />

o<br />

BUWAL,1993<br />

Umgang mit Wasser<br />

Ausprägung (0- 5 r.E.; 5: bewusst)<br />

.sehr sparsam<br />

4.5<br />

gleichbleibend<br />

3<br />

sehr sparsam<br />

4.5<br />

gleichbleibend<br />

3<br />

VGL,1995<br />

Wirtschaftswachstum<br />

Wert: jährliche Zunahme BIP<br />

(heute =1.5%)<br />

Beschleunigung<br />

3<br />

Verlangsamung<br />

0.5<br />

Verlangsamung<br />

0.5<br />

Verlangsamung<br />

0.5<br />

Porter, 1989<br />

Bedürfnis nach Natur<br />

Wert (0-5 r.E.; 5: hoch)<br />

erhöht<br />

4.3<br />

gleichbleibend<br />

oder geringer<br />

3<br />

gleichbleibend<br />

oder geringer •<br />

3'<br />

gleichbleibend<br />

oder geringer<br />

3<br />

BUWAL, 1995c<br />

Technische Entwicklung<br />

Wert (0-2 r.E.; 2: hoch)<br />

innovativ<br />

2<br />

nicht innovativ<br />

1<br />

innovativ<br />

2<br />

innovativ<br />

2<br />

Politik<br />

Wert (0-5 r.E.; 5: p~ogressiv)<br />

progressiver<br />

3.5<br />

konservativer<br />

2<br />

progressiver<br />

3.5<br />

gleichbleibend<br />

3<br />

Tab.3.1.1 tJbersicht über die vier Szenarien: Ausprägungen und 1*11e inMasseinheiten. Die Wette bilden die Eingabegrossen für dos unten beschriebene<br />

Wirkmodell Rohmenbedingungen. r.E.: relative Einheiten; BIP: Bruttoinl<strong>and</strong>produkt.<br />

3.J.2 Wirkmodell Rllhmenbeding'lIIgen<br />

In einem nächsten Schritt wurde das Wirkmodell<br />

Rahmenbedingungen (vgl. Kap. 2.3 ·RAHMENBEDINGUN­<br />

GEN) durchgerechnet. Es liefert als Ergebnis die in<br />

Abb. 2.3.3.2 aufgeführten 16 Sets, welche die Eingabegrössen<br />

des Wasserhaushaltsmodells bilden.<br />

3.2 Der Wasserhaushalt des Areals<br />

Übersicht<br />

Es wird hier ein kurzer Überblick der wichtigsten<br />

Systemgrössen gegeben, welche die Grundlage des<br />

Wasserhaushaltsmodells bilden. Die Angaben stammen<br />

aus der <strong>im</strong> Teilprojekt WASSERHAUSHALT AREAL erarbeiteten<br />

Best<strong>and</strong>saufnahme.<br />

Unter dem Begriff Wasserhaushalt eines Gebietes<br />

versteht man das Zusammenwirken der Parameter<br />

Niederscltlag, Versickerung (Grundwasserneubildung),<br />

. Verdunstung, Zu- und Abflüsse sowie Speicherung. Als<br />

Berechnungsgrundlage für die Wasserbilanz wurde<br />

folgende Gleichung benutzt:<br />

N+Z·V·G ·AS= A, wobei:<br />

N = Niederschlag<br />

Z = Zufluss<br />

V =Verdunstung<br />

G '" Versickerung (Grundwasserneubildung)<br />

AS =Änderung der gespeicherten Wassermenge (Speicheränderung)<br />

A =Abfluss<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

257


Wasserhaushalt<br />

_<br />

Teilgebietes. Die Trinkwasserversorgung<br />

ist deshalb der einzige Zufluss.<br />

Abb. J.2.1 Vereinfachtes Schema einer Wasserbilanz, unterlegt mit dem Teilgebiet D des ZZN­<br />

Areals (Luftbiidausschnitt). Zuflüsse (Z) undNiederschläge (N) müssen gleich derSumme von<br />

Verdunstung (V), Grundwasserneubildung (G), Abfluss (A) undSpeicheränderung (AS) sein.<br />

Niederschlag (N)<br />

Es wurde der Wasserhaushalt über die Zeitspanne<br />

von 1990 bis 1996 untersucht und <strong>im</strong> speziellen die<br />

folgenden zwei Regenereignisse ausgewählt:<br />

• Regenereignis vom 6.-7. Juli. 1993: An diesen zwei<br />

Julitagen wurde 64.4 mm Niederschlag gemessen.<br />

Fast die gesamte Menge fiel während drei kurzen,<br />

ca. 1 Stunde dauernden Spitzenereignissen innerhalb<br />

von sieben Stunden. Zeitweise fielen bis zu<br />

14 mm in 10 Minuten. Die Regenereignisse folgten<br />

auf eine Trockenperiode.<br />

'<br />

• Regenereignis vom 18.-20. Mai 1994: Die Niederschlagsmeng~<br />

während dieser drei Tage betrug<br />

108.7 mm. Es regnete während 24 Stunden mit<br />

Spitzenwerten bis 2 mm in 10 Minuten. Kurz bevor<br />

dieser tägige Dauerregen einsetzte, hatte es<br />

schon zwe<strong>im</strong>al für wenige Stunden geregnet. Nach<br />

dem Hauptereignis dauerte es 18 Stunden bis der<br />

Regen erneut einsetzte.<br />

Diese beiden Episoden stellen Extremereignisse<br />

dar. Gerade in der Region Zürich <strong>Nord</strong> traten damals<br />

lokale Überschwemmungen auf, da die Kapazität von<br />

Vorflutern und Kanalisation überschritten war.<br />

Die Daten für die Niederschlagswerte wurden<br />

von der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt<br />

(SMA, 1996) zur Verfügung gestellt.<br />

Zufluss (Z)<br />

Es gibt keinen natürlichen Zufluss <strong>im</strong> Teilgebiet D.<br />

Sämtliche Kanalisationsleitungen von höher gelegenen<br />

Gebieten verlaufen entlang der Grenze des<br />

Verdunstung (V)<br />

Versickerung (G)<br />

Im Teilgebiet 0 liegt keine nennenswerte<br />

Grundwasserneubildung vor, da<br />

ein Grossteil der Fläche versiegelt ist,<br />

bzw. abgedichtet werden wird. Bei<br />

sehr beschränkter Schluckfahigkeit des<br />

Bodens liegt hier ein relativ hoher<br />

Grundwasserspiegel vor. Eine oberflächliche<br />

Versickerung in den Wurzelraum<br />

der Vegetationsflächen ist an sich<br />

erwünscht. Demgegenüber sollte jedoch<br />

eine Speisung des Grundwasserleiters<br />

(durch Tiefensickerung) nicht<br />

künstlich, unterstützt werden, da ein<br />

Teil des Grundwassers in die Kanalisation<br />

exfiltriert (Drainage) und der<br />

. Grundwasserspiegel wegen der Altlasten<br />

nicht ansteigen sollte. Grundwasserförderung<br />

kann als negative Versickerung<br />

interpretiert werde'n.<br />

Die Verdunstung besteht aus<br />

• der Evaporation: Verdunstung von freien Wasseroberflächen<br />

und benetzten Flächen sowie<br />

• der Transpiration: Abgabe von Wasserdampf durch<br />

die oberirdischen Organe der Pflanzen.<br />

Die Gesamtheit dieser Vorgänge wird als Evapotranspiration<br />

bezeichnet, derjenige Teil des Niederschlags,<br />

der von der Vegetationsdecke vor Erreichen<br />

des Boden~abgefangen wird, als Interzeption.<br />

Eine kl<strong>im</strong>atische Kenngrösse ist die potentielle<br />

Evapotranspiration. Sie wird mit der' Formel von<br />

Haude berechnet, die für mitteleuropäische Verhältnisse<br />

geeignet ist. Diese Formel berücksichtigt<br />

die' Temperatur, die Luftfeuchtigkeit (jeweils um<br />

14.00 Uhr) und einen empirischen Monatskoeffizien-<br />

, ten (Dyck & Pers


------------------ ,....-__--'-- Wasserhaushalt<br />

Diese Prozesse bedürfen einer dynamischen Betrachtung<br />

und werden in Kap. 3.3 WASSERBAULICHE<br />

MASSNAHMEN und 3.5.2 SPEICHER beh<strong>and</strong>elt.<br />

Abfluss (A)<br />

Der Abfluss ist die zu berechnende GrÖsse. Es<br />

werden zwei Abflusspfade unterschieden:<br />

• der Schmutzwasserkanal in die Kläranlage (oder<br />

bei starken Regenfällen in den Vorfluter) sowie<br />

• der Reinwasserkanal in den Vorfluter Binzmühlebach.<br />

3.3 'WasserbaulicheMassnahmen<br />

3.3.1 Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete<br />

Durch die vom Menschen geschaffenen Elemente<br />

wird der natürliche Wasserhaushalt in bebauten Gebieten<br />

erheblich beeinflusst, Diese Elemente sind<br />

vor allem:<br />

• Bebauungsgrad: das Verhältnis der bebauten zur<br />

gesamten Fläche,<br />

• Versiegelungsgrad: das Verhältnis der undurchlässigen<br />

zur gesamten Fläche (auf dem betrachteten<br />

Areal ca. 8Q%),<br />

• künstlicher Zufluss (v.a~ Trinkwasser),<br />

• das Entwässerungsnetz, bestehend aus der oberund<br />

unterirdischen Kanalisation.<br />

Diese Elemente bewirken, dass der Abfluss erhöht<br />

wird. Die Grundwasserneubildung wird durch den<br />

hohen Versiegelungsgrad, verdichtete Böden sowie<br />

durch die Einengung der natürlichen Überflutungsgebiete<br />

vermindert o.der unterbunden. Andererseits<br />

wird dem Untergrund Wasser aus defekten Trinkund<br />

Abwasserleitungen zugeführt. Diese Netzverluste<br />

können beachtlich sein.<br />

Folgende bauliche Einrichtungen, die den lokalen<br />

Wasserhaushaltbeeinflussen können, wurden untersucht:<br />

• begrünte Dachflächen<br />

• Rückhalt in der Kanalisation<br />

• Rückhalt auf Parkplätzen<br />

• Retentionsbecken<br />

• Schmutzwasserspeicher<br />

• Grundwasserförderung<br />

Mit diesen Einrichtungen lassen sich zum Teil<br />

Abflussmengen reduzieren (erhöhte Evapotranspiration)<br />

und Abflussspitzen dämpfen (Retention).<br />

3.3.2 Begrünte Dachflachen<br />

Begrünte Dächer (Abb. 3.3.2) weisen eine bewachsene<br />

Deckschicht (Substratschicht) auf. Die Vegetation<br />

verstärkt die Evapotranspiration, so dass <strong>im</strong><br />

Abb. 3.3.2 Dachbegrünungen halten Regenwa$ser zurück, $enken die umperamr$chwankungen<strong>im</strong><br />

Gebäude unddämmen Lärm (Bild: M. Thommen;<br />

aU$ BUWAL, 1995a).<br />

Jahresmittel nur ca. 30% des Niederschlages, der auf<br />

ein begrüntes Dach fällt, abfliesst. Ebenso vermag<br />

ein Gründach beachtliche Mengen von Wasser für<br />

kurze Zeit zu speichern und danach gleichmässig<br />

wieder abzugeben, was für die Siedlungsentwässerung<br />

sehr wünschenswert ist (BUWAL, 1995a).<br />

Begrünte Dächer beeinflussen nicht nur den Siedlungswasserhaushalt,<br />

sondernhaben weitere Vorteile<br />

allgemeiner Art: Sie bringen Kühlung des Gebäudes<br />

durch Verdunstung, verringern die Temperaturschwankungen<br />

<strong>im</strong> Gebäude (Kl<strong>im</strong>atisierungseffekte),<br />

sie filtern die Luft, dämmen statt reflektieren den<br />

Lärm und können architektonische Akzente setzen<br />

(vgI. Kap. 4.5 DIE FLACHDÄCHER der Synthesegruppe<br />

GRO!{RAUM).<br />

Es wird zwischen extensiver und intensiver Dachbegrünung<br />

unterschieden. Die Unterschied~ sowie<br />

Vor- und Nachteile sind in Tab. 3.3.2 summarisch<br />

aufgezeigt.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

259


Wasserhaushalt__.,..- ------------ _<br />

Art der Dachbegrinung<br />

Substratmächtig-keit<br />

extensiv<br />

bis 15 cm<br />

intensiv<br />

mehr als 15 cm<br />

Besucherparkplätze voraussichtlich<br />

unterirdisch oder überdeckt<br />

gebaut (Parkgaragen, -häuser).<br />

Art des Substrates<br />

Anzahl Substratschichten<br />

Bepflanzung<br />

Kosten<br />

Dachbelastung<br />

Vorteile<br />

Nachteile<br />

Kunstsubstrat, B<strong>im</strong>sstein,<br />

Rindenschrot<br />

meistens eine<br />

Gräser, Sedum-Arten<br />

(Fetthenne)<br />

28.- bis 45.- Fr./m 2<br />

100 bis 150 kgjm 2<br />

• kann nachträglich aufgebaut<br />

werden<br />

• meist ohne statische<br />

Probleme möglich<br />

• billiger<br />

• geringere Retentionsleistung<br />

komplex<br />

meistens mehrere<br />

.auch mit Bäumen und<br />

Sträuchern<br />

mindestens 50.- Fr./m 2<br />

>150 kgjm 2<br />

• grössere Rückhaltefähigkeit<br />

und Verdunstung<br />

• grösserer Artenreichtum,<br />

vielfältigere<br />

Lebensgemeinschaft<br />

• muss von Anfang an in<br />

die Gebäudeplanung mit<br />

einbezogen werden<br />

Tab. 3.3.2 Übersicht über Dachbegriinungen. Es wird zwischen extensiver undintensiver Auslegung<br />

unterschieden. Im oberen Teil der Tabelle sind Kennwerte angegeben,.<strong>im</strong> unteren Teil Vor- undNachteile<br />

zusammengefasst (Büsser, 1996).<br />

3.3.5 Retentionsbecken<br />

Im Teilgebiet B gegen die Neunbrunnenstrasse<br />

ist ein Retentionsbecken<br />

geplant. Dort istein Anteil<br />

von 500 bis 600 m 3 für die Entwässerung<br />

von Regenwasser aus<br />

dem Teilgebiet 0 vorgesehen.<br />

Dieses Wasser wird als Reinwasser<br />

in den Binzmühlebach geleitet.<br />

Die erlaubte und geplante max<strong>im</strong>ale<br />

Einleitung in den Binzmühlebach<br />

beträgt 25 1/s Eberli,<br />

1996).<br />

In der heute vorliegenden Kanalisation<br />

muss bei Spitzenbelastungen<br />

vermischtes Schmutzwasser<br />

in den Leutschenbach'und die<br />

Glatt abgegeben werden (Regenentlastung).<br />

In Zukunft werden<br />

zusätzliche Regenbecken realisiert,<br />

so dass diese Regenentlastuilgen<br />

weitgehend vermieden<br />

werden können.<br />

3.3.3 Rückhalt in der Kanalisation<br />

Die Kanalisation ~nd Gullies weisen eine geringfügige<br />

Speicherkapazität auf. Aufgrund eines 1:4000<br />

Kanalisationsplanes (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) wurden für<br />

das Teilgebiet 0 die folgenden Volumina abgeschätzt:<br />

• Reinwasserkanäle 207 m 3<br />

• Schmutzwasserkanäle 247 m 3<br />

(inkl. Restspeichervermögen der Gullies)<br />

3.3.4 Rückhalt aRf Parkpliitzen<br />

Bei Parkflächen für Autos kann der Abfluss gedrosselt<br />

werden, so dass bei Starkregen ein kurzfristiger<br />

Einstau von wenigen Zent<strong>im</strong>etern entsteht.. Bei<br />

Rasengitter-Parkplätzen mit Sohlenabdichtung unter<br />

der Humusschicht kann noch ein zusätzliches Retentionsvoh<strong>im</strong>en<br />

erzeugt werden.<br />

Unter der Annahme, dass auf dem Areal 0.5 ha<br />

Rasengitter-Parkplätze entstehen (ca. 400 Parkplätze),<br />

könnte bei einem jährlichen Starkniederschlag<br />

ein Retentionsvolumen von 17 m 3 und bei einem<br />

10-]ahres-Regen von 45 m 3 erreicht werden (AGW,<br />

1991; Gujer, 1995).<br />

Die Anzahl Parkplätze aufdem gesamten Areal des<br />

ZZN ist auf 4000 beschränkt und wird bis auf einige<br />

3.3.6 SchmRtzwasserspeicher<br />

Alle bisher aufgeführten Massnahmen verringern vor<br />

allem die durchschnittliche Wassermenge und die<br />

Abflussspitzen; Schmutzwasserspeicher verändern<br />

zusätzlich die Wasserqualität.<br />

Im Schmutzwasserspeicher wird stark verschmutztes<br />

Wasser zwischengespeichert und zu geeigneter<br />

Zeit abgegeben. Dadurch kann einerseits die ARA<br />

gleichmässiger belastet werden, <strong>and</strong>ererseits wird<br />

das Schmutzwasser bei Regenfallen zurückgehalten,<br />

damit es bei einer allfalligen Entlastung nicht direkt<br />

in den Vorfluter gelangt.<br />

Im MODELL DER WASSERFLÜSSE (Kap. 3.5) werden<br />

Schmutzwasserspeicher nicht berücksichtigt, weil<br />

die Schmutzwassermengen mengenmässig nicht ins<br />

Gewicht fallen.<br />

3.3.7 GrRndwasserförderang<br />

Als ästhetische wasserbauliehe Komponente wurde<br />

von der Synthesegruppe GRÜNRAUM ein offenes<br />

Gerinne für Regenwasser diskutiert. Damit dieser<br />

Bach oder Kanal auch bei Trockenwetter Wasser<br />

führt, muss neben dem retendierten Dachwasser<br />

noch weiteres Wasser bereitgestellt werden. Dakein<br />

eingedohlter Bach durch das Teilgebiet führt und die<br />

260 UNS-Fallstudie '96


______________---,--~<br />

..,...._---'-'---------Wasserhaushalt<br />

Nutzung von Trinkwasser für diesen Zweck unsinnig<br />

ist, kommt hier in Frage, eine der auf dem Areal<br />

bestehenden Grundwasserförderungen zu reaktivieren.<br />

Dazu könnte eine kleine, z.B. mit Solarenergie<br />

gespiesene Pumpe betrieben werden, welche das<br />

Gerinne in Perioden mit wenig Niederschlägen versorgt.<br />

3.4 Gebäude<br />

3.4.J Übersicht<br />

Dieses Kapitel zeigt Möglichkeiten auf, in den<br />

Gebäuden Trinkwasser zu sparen und Abwasser<br />

zu vermeiden. Die Aufbereitung von Trinkwasser<br />

ist teuer und benötigt viel Energie, ebenso die Ab-<br />

I<br />

wasserreinigung. Wassersparen lohnt sich für die/den<br />

EinzelneN <strong>im</strong>mer, da heute eine mengenabhängige<br />

Trinkwassergebühr gezahlt wird. Wird vermehrt<br />

Trinkwasser gespart, so steigen wegen des hohen<br />

Fixkostenanteils der Wasserversorgung von 85-90%<br />

die Trinkwasserpreise an - insbesondere wenn das<br />

Wasserversorgungssystem trotz reduzierten<br />

Verbrauchs weiter ausgebaut<br />

wird. Die Grösse bzw. Leistung des Versorgungssystems<br />

hängt von den Spitzenbelastungen<br />

ab. Für die Allgemeinheit<br />

lohnt sich deshalb Wassersparen v.a.<br />

dann, wenn die Spitzen gedämpft<br />

werden können und infolgedessen auf<br />

einen weiteren Ausbau der Versorgung<br />

verzichtet werden kann. .<br />

Im Teilgebiet 0 sollen in Zukunft<br />

1930 Personen wohnen und 4300 Menschen<br />

in Dienstleistungsbetrieben arbeiten.<br />

Für unsere Betrachtung schien es<br />

uns aus zwei Gründen sinnvoll, diese<br />

beiden Nutzungstypen zu trennen: Erstens<br />

sind die Anteile der verschiedenen<br />

60<br />

50<br />

l6'<br />

~ 40<br />

c<br />

:::l<br />

C<br />

~ 30<br />

Q)<br />

.Q.<br />

..<br />

K20<br />

~<br />

...J 10<br />

Nutzungsarten (WC, Dusche, Waschmaschine)<br />

sehr unterschiedlich und<br />

zweitens weichen die Benutzungszeiten<br />

stark vondn<strong>and</strong>er ab. Wir gehen davon<br />

aus, dass <strong>im</strong> Rahmen einer Projektierung<br />

die. unten aufgeführten Massnahmen in eine<br />

opt<strong>im</strong>ierte Gesamtauslegung gebracht werden. Dazu<br />

gehören auch Abwägungen, welche Brauchwasserqualität<br />

wozu benötigt wird und in welches Verhältnisqualitative<br />

und quantitative Aspekte der Versorgungssicherheit<br />

und der TriIikwassereinsparung zu<br />

bringen sind.<br />

Die hier aufgeführten Massnahmenvorschläge sind<br />

zweifelsohne opt<strong>im</strong>istisch und in individueller oder<br />

umweltnaturwissenschaftlicher Art perspektivengebunden.<br />

Eine Zusammenstellung von Anmerkungen<br />

o<br />

und Einwänden von GesprächspartnerInnen und<br />

KocceferentInnen findet sich <strong>im</strong> Kasten 3.4.4.<br />

3.4.2 Wohnhaus<br />

Heutzutage werden in einem Wohnhaus durchschnittlich<br />

180 I Wasser pro Person und Tag verbraucht<br />

(Bauamt n der <strong>Stadt</strong> Zürich, 1993). Ein.<br />

Drittel davon wird für die WC-Spülung und ein weiteres<br />

Drittel für Dusche und Bad benötigt (BUWAL,<br />

1994).<br />

WassersJlarende Armaturen<br />

Mit Sanitärtechnik, die heute normalerweise bei<br />

Neuinstallationen verwendet wird, kann der Trinkwasserverbrauch<br />

um 40% reduziert werden (auf ca.<br />

107 l/Pers.Tag). Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um Einrichtungen<br />

wie variierbare Toilettenspülwassermenge,<br />

lufteinpedende Armaturen, wassersparende Waschund<br />

Geschirrspülmaschinen. Diese Einrichtungen<br />

bedeuten keine Komforteinbusse und werden bei<br />

Neubauten <strong>im</strong> Normalfall eingesetzt.<br />

11II Normal<br />

I!!l St<strong>and</strong>ard heute<br />

Abb.3.4.2 Wosseroerbrouch in Litern pro Person und Tog. -N0171101» ist der heute liNiche<br />

Wosseroerbrauch. Mit -St<strong>and</strong>ardheute» ist der Verbrauch mit heute h<strong>and</strong>elsüblichen A1711aturen<br />

bezeichnet. Die Reduktionen bei den wes beruhen aufvoriierbaren Spülwosse1711engen, .<br />

bei Bad, Dusche und Lavabo auf lufteinperlenden A1711oturen. Modeme Wasch- und<br />

Geschirrspülmaschinen benötigen bedeutend weniger Wosser.<br />

Diese Massnahmen reduzieren nicht nur die<br />

durchschnittlichen Wassermengen, sondern auch<br />

den Spitzenverbrauch, welcher eine massgebliche<br />

Auslegungsgrösse der Versorgung darstellt.<br />

Nutzung von Regenwasser<br />

Für eine weitgehende RegenwasserIiutzung sind<br />

sehr grosse Speichervolumina notwendig, was die<br />

Kosten in die Höhe treibt. Ausserdem reicht die<br />

Dachfläche, die in den geplanten Wohngebäuden pro<br />

UNS-Fallstudie '96 261


Wasserhaushalt --'- -c- ....:...-__<br />

Kopf zur Verfügung steht, für die Deckung der in<br />

Wohnhäusern benötigten Wassermengen nicht aus.<br />

Es ist aber sinnvoll, Regenwasser für die Garteribewässerung<br />

zu nutzen, weil<br />

- das Wasser in der Zeit anfällt, in der es auch<br />

gebraucht wird (Sommer), .<br />

-dazu keine Filtration des Dachwassers nötig ist<br />

und.<br />

- einfache und günstige Regenwasserspeicher (z.B.<br />

Regentonnen) für die Gartenbewässerung ausreichen.<br />

Mit diesen einfachen Einrichtungen kann der durchschnittliche<br />

Trinkwass'erverbrauc,h um 9 l/Pers.Tag<br />

reduziert werden.<br />

Gragwasserngtzgng<br />

Unter Grauwasser versteht man alles anfallende Abwasser<br />

aus dem Haushalt mit Ausnahme des Toilettenabwassers.<br />

Hygienische Überlegungen bewogen<br />

uns dazu, für die weitere Verwendungdes Abwassers<br />

nur dasjenige aus Dusche, Bad und den Lavabos zu<br />

verwenden. Nach einfacher Reinigung kann dieses<br />

in einem Tank gespeichert werden (Nolde, 1995).<br />

Die anfallende Grauwassermenge beträgt 44 l/<br />

Pers.Tag und ist ziemlich konstant. In den Ferien,<br />

wenn viele Leute nicht zu Hause sind, wird proportional<br />

zu den abwesenden Personen auch weniger<br />

Wasser verbraucht.<br />

Für die WC-Spülung, die Waschmaschine, dieR-einigung<br />

und die Autoreinigung kann Grauwasser benutzt<br />

werden. Die benötigte Menge dazu beträgt ca.<br />

41 l/Pers.Tag. Es gibt schon heute Waschmaschinen,<br />

welche mit Grauwasser oder Regenwasser betrieben<br />

werden können. Für die Schlussspülung wird gereinigtes<br />

Regenwasser oder Trinkwasser eingesetzt.<br />

Eine dynamische S<strong>im</strong>ulation mit Slella II ergab,<br />

dass ein Tank von 20 m 3 Inhalt für das garize Teilgebiet<br />

0 ausreichen würde, um ständig genügend<br />

Grauwasser zur Veifügung zu haben.<br />

Mit den oben beschriebenen Massnahmen kann<br />

der Trinkwasserverbrauch von 180 l/Pers.Tag auf<br />

57 l/Pers.Tag reduziert werden. Es würde also nur<br />

noch rund ein Drittel des heutigen Trinkwassers<br />

gebraucht (vgl. Abb. 4.1). Nach unserem Dafürhalten.<br />

ist eine weitere massgebliche Senkung des Verbrauchs<br />

nur noch über spezifische Verhaltensänderungen<br />

der BewohnerInnen zu erreichen.<br />

der gesamte Verbrauch an Toilettenspülwasser mit<br />

Regenwasser decken (Pütz, 1992). Da alle Gebäude<br />

<strong>im</strong> betrachteten Teilgebiet zu mindestens 66% für<br />

Dienstleistungen genutzt werden und <strong>im</strong> Wohnbereichaufeine<br />

weitreichende Regenwassernutzung<br />

verzichtet wird, reicht die anfallende Wassermenge<br />

aus, und es entsteht kein Problem mit der Verteilung<br />

, des Wassers auf die einzelnen Gebäude. Um den<br />

Bedarfan Spülwasser durchgehend mit Regenwasser<br />

zu decken, wäre für die Dienstleistungsgebäude auf<br />

dem Teilgebiet 0 ein Speichervolumen von total<br />

1000 m 3 nötig.<br />

3.4.4 Weitergehende Massnahmen<br />

Die <strong>im</strong> folgenden eingebrachten Vorschläge sind<br />

zum Teil für den Fall «ZZN» nicht uneingeschränkt<br />

realisierbar, einige erachten wir aber auch als mögliche<br />

und vielleicht in näherer Zukunft bedeutsame<br />

Alternativen zu heutigen Technologien. Auch tragen<br />

nicht alle diese Vorschläge zur Verminderung des<br />

Wasserverbrauchs oder der Schmutzstofffracht bei,<br />

sondern zur Steigerung der Lebensqualität.<br />

Urinse,ariergng<br />

Mit speziellen, in Schweden bereits erprobten Toilettenschüsseln<br />

(Abb. 3.4.4) kann der Urin ohne<br />

Komforteinbusse separat abgeführt und in einem<br />

.Speichertank gesammelt werden. Der gespeicherte<br />

3.4.3 Dienstleistgngsgebägde<br />

Auch für Dienstleistungsgebäude sind wassersparende<br />

Armaturen geeignet und heute üblich. Für eine<br />

sinnvolle Grauwassernutzung fällt allerdings nicht<br />

genügend Wasser an. Dafür lässt sich bei den <strong>im</strong><br />

Teilgebiet Ö geplanten Dienstleistungsgebäuden<br />

Abb. 3.4.4 Der Urin wird bereits in der Schüsselgetrennt unddann sepo~<br />

roter Beh<strong>and</strong>lung zugeführt (Bild: WM-Ekologen).<br />

262<br />

UNS-Fallstudie '96


----~---'-------------'------__~__,_-----------Wasserhaushalt<br />

Urin kann entwederabgepumpt werden, oder - wie<br />

neuste Forschungsprojekte der EAWAG, (TA, 1996)<br />

vorschlagen· - ferngesteuert zu einem best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitpunkt über da~ Kanalisationssystem abgeführt<br />

werden. Der so gesammelte Urin enthält sehr viel<br />

Stickstoff (Harnstoff; % der Stickstofffracht <strong>im</strong><br />

Abwasser stammen aus dem Urin) und lässt sich entweder<br />

direkt in der L<strong>and</strong>wirtschaft verwenden oder<br />

zu H<strong>and</strong>elsdünger verarbeiten. Diese Massnahme<br />

vermindert die Stickstof(fracht in.der Kläranlage. Da<br />

die Stickstoffel<strong>im</strong>ination (Nitrifikation, Denitrifikation)<br />

eine ganz wesentliche Auslegungsgrösse von<br />

Kläranlagen darstellt, sind hier bedeutende Einsparungen<br />

möglich. Auch unter dem Gesichtspunkt<br />

der Stoffkreisläufe ist dieses Verfahren zu begrüssen.<br />

Um die Technik der Urinseparierung anwenden zu<br />

kÖnnen, wird bei der Toilette eine zweite, kleinere<br />

Abflussleitung benötigt. Selbst wenn 'bei einem<br />

Neubau heute noch keine Urinseparierung vorgesehen<br />

ist, erscheint es sinnvoll, bereits be<strong>im</strong> Bau<br />

vorsorglich eine zusätzliche Abflussleitung zu installieren.<br />

So kann später einfach und kostengünstig auf<br />

Urinseparierung umgestellt werden.<br />

Bereits vereinfachte Ausführungen, bei denen der<br />

Urin zu geeignetem Zeitpunkt dosiert in die Kläranlage<br />

abgegeben wird, sind schon sehr effektiv,<br />

indem die Ammoniumkonzentration <strong>im</strong> Abwasser<br />

konstanter gehalten werden kann. Da die benötigte<br />

Beckengrösse für die zweite Reinigungsstufe in der<br />

Kläranlage proportional zu den Konzentrationsschwankungen<br />

ist (Gujer, 1995), könnten damit<br />

. erhebliche Bau-, Sanierungs- und Betriebskosten<br />

eingespart werden.<br />

Kompost·WC<br />

Mit einem Kompost-WC kann der Wasserverbrauch<br />

der Toilette auf 0 bis 0.2 l/Pers.Tag gesenkt werden,'<br />

je nach gewählter Ausführung. Dies ist natürlich<br />

der ult<strong>im</strong>ative Wassersparer, da das WC neben der<br />

Dusche den grössten Wasserverbrauch .<strong>im</strong> Haushalt<br />

verursacht. Allerdings ist anzufügen, dass bei Gebäuden<br />

mit Grauwasserspülungen die Trinkwassereinsparung<br />

ebenso hoch ausfällt. Die beiden.Systeme<br />

unterscheiden sich pr<strong>im</strong>är in der Qualität des Abwassers,<br />

nicht in dessen Menge.<br />

Der entstehende Fäkalienkompost und der Urin<br />

sind hervorragend als Dünger brauchbar und belastendie<br />

Kläranlagen nicht mehr. Selbstverständlich<br />

soll hier nicht einfach ein zusätzlicher Stickstoffüberschuss<br />

in die L<strong>and</strong>wirtschaft abgeladen werden;<br />

.vielmehr müsste eine abgest<strong>im</strong>mte Substitution<br />

<strong>and</strong>erer Stickstoffträger (H<strong>and</strong>elsdünger) erfolgen.<br />

Eine zusätzliche Nutzung der Fäkalien könnte<br />

über eine Vergärung zwecks Biogaserzeugung erfolgen<br />

(Jarlöv, 1995).<br />

Kosten 3.4.4 Alltithesen- die VOll Gespriichsportl1er/l1l1en ul1dKorrejerentIl1l1en<br />

geiiusserten Meil1ul1gen brauchen sich l1icht mit denjel1igen der<br />

Autor/lilien zu decken.<br />

Pflanzenkläranlage<br />

In einer Pflanzenkläranlage wird die Reinigungsleistung<br />

durch den Mikroorganismenbesatz auf den<br />

Pflanzen und durch die Pflanzen selbst bewerkstelligt.<br />

Sie kann horizontal auf einem Dach (sofern<br />

die architektonischen Voraussetzungen gegeben<br />

sind), vertikal entlang einer Hausfassacle oder llm<br />

Boden als «Biotop" realisiert werden~ Pflanzenkläranlagen<br />

tragen dann zum Wassersparen bei, wenn sie<br />

zur Grauwasseraufbereitung eingesetzt werden. Das<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

263


Wasserhaushalt ~ ~ _:__--------------------<br />

Wasser aus der Anlage kann direkt als Brauchwasser<br />

<strong>im</strong> Haushalt genutzt werden und teilweise wieder<br />

in die Pflanzenkläranlage zurückgeleitet werden<br />

(ausser WC-Abwasser). Bei einer gut funktionierenden,<br />

Pflanzenkläranlage treten keine Geruchsprobleme<br />

auf~<br />

Pflanzenkläranlagen können so ausgelegt werden,<br />

dass das Wasser direkt in einen Vorfluter eingeleitet<br />

wird. Damit wird die teure und aufwendige Reinigung<br />

in einer konventionellen Kläranlage umgangen.<br />

Falls eine Pflanzenkläranlage auf Flachdächern <strong>im</strong><br />

Teilgebiet o erwogen würde, müsste dazu rund ein<br />

Drittel der Dachfläche eingesetzt werden.<br />

Wie bei der Urinseparierung kann auch hier Stickstoff<br />

in den natürlichen Kreislauf überführt werden,<br />

bevor er in die Kläranlage gelangt (Billeter et al., in<br />

Vorbereitung).<br />

weitere Zukrlliftsvisionen:<br />

• Wasserspielplatz, Schw<strong>im</strong>mteich oder Badebiotop auf<br />

Dächern oder in Innenhöfen.<br />

•' Wasserkaskaden .oder Wasserspiele mit Regenrinnen<br />

entlang der Fassaden: ein gestalterisches Element,<br />

das nicht nur den Kindern Freude macht.<br />

• Grünfassade: Kühlung <strong>im</strong> Sommer - Isolation <strong>im</strong><br />

Winter. Ein gestalterisches Element mit Retentionswirkung.<br />

'<br />

• Ein Aquarium, das sich als Röhrensystem durchs<br />

Gebäude zieht. Aquarien, Fische wirken beruhigend<br />

und faszinieren.<br />

• Vertjcal Sw.amp: Statt eine Pflanzenkläranlage aufs<br />

Dach zu bauen, kann man sie auch vertikal an der<br />

Fassade aufhängen. Damit wird eine grosse Fläche<br />

wieder lrei für <strong>and</strong>erweitige Nutzung, z.B. für<br />

einen Schw<strong>im</strong>mteich, einen Dachgarten, Sonnenkollektoren<br />

oder ein Gründach.<br />

3.5 Die ModellierJlug der Wasserfliisse<br />

3.5.1 Übersicht<br />

Das Wasserhaushaltsmodel/ bildet die wesentlichen<br />

Wasserflüsse ab, wie sie in den vorhergehenden<br />

Kapiteln beschrieben werden. .<br />

Für jede Variante unter jedem Szenario (16 Datensets)<br />

wurde eine Langzeit- und zwei Kurzzeits<strong>im</strong>ulationen<br />

durchgeführt.<br />

• Die Langzeits<strong>im</strong>ulationmodelliert den Wasserhaushalt<br />

der Jahre 1990 bis 1995 in Tagesschritten.<br />

• In der Kurzzeits<strong>im</strong>ulation wurden die' beiden<br />

Starkregenereignisse vom 5.-7. Juli 1993 und vom<br />

18.-20. Mai 1994 untersucht (siehe Kap. 3.2 DER<br />

WASSERHAUSHALT DES AREALS, Abschn. Niederschlag).<br />

Die zeitliche Auflösung beträgt 10 Minuten.<br />

Weitere Modelläufe wurden für Plausibilitätstests<br />

und Sensitivitätsabschätzungen durchgeführt; diese<br />

Zwischenergebnisse sind hier nichtwiedergegeben.<br />

Aus der Abb. 3.5.2 sind die Module des Modells<br />

ersichtlich. Im folgenden wird jedes Modul kurz<br />

beschrieben. Die ModeHe für die Langzeit- und die<br />

Kurzzeits<strong>im</strong>ulation sind weitgehend identisch. Einzelne<br />

kurzzeitige Effekte wie Abflussverzögerungen<br />

bei Gründächern oder <strong>im</strong> Kanalsystem bleiben <strong>im</strong><br />

Langzeitmodell unberücksichtigt.<br />

3.5.2 Speicher<br />

Vegetlltion (V)<br />

Die Vegetation wird durch Regen-, Bewässerungsund<br />

Bodenwasser gespiesen. Es gibt zwei mögliche<br />

Abflüsse: Ein Teil des Wassers verdunstet, das restliche<br />

Wasser gelangt in den Boden. Be<strong>im</strong> Langzeitmodell<br />

wird angenommen, dass die durchwurzelte<br />

Bodenschicht alles Wasser aus kurzen Regenereignissen<br />

(weniger als ein Tag) zu schlucken vermag.<br />

Kurzzeitig kann das Anfallen von Regenwasser das<br />

Schluckvermögen übertreffen. Dies wird be<strong>im</strong> KurzzeitmodeH<br />

mit einem Zwischenspeicherberücksichtigt<br />

(hicht abgebildet).<br />

Boden (B)<br />

Für das Wasser, das den Boden erreicht, stehen drei<br />

mögliche Wege zur Verfügung. Ein konstanter Teil<br />

verlässt den Boden als Sickerwasser und gelangt ins<br />

Grundwasser. Ist der Vegetationsspeicher leer, so<br />

wird ein Teil von den Pflanzen aufgenommen und<br />

fliesst zurück in die Vegetation. Dieser Rückfl'uss<br />

ergibt sich aus der Verdunstungsleistung der Vegetation.<br />

Das restliche Wasser wird von Drainageleitungen<br />

gesammelt und in den Reinwasserkanal abgegeben.<br />

Reinw,lsserk,ln,l' (RK)<br />

Die Reinwasserkanalisation führt Regenwasser<br />

(Überlauf des Regenwasserspeichers) und Bodenwasser<br />

(Drainage). Ein Teil der Reinwasserkanalisation<br />

ist in der Variante 1 «max<strong>im</strong>al» als offenes<br />

Gerinne (Kanal) ausgelegt, welches zeitweise mit<br />

Grundwasser versorgt wird (vgl. Kap. 3.3 WASSER­<br />

BAULICHE MASSNAHMEN).<br />

Bei der Modellierung wird davon ausgegangen,<br />

dass die Kapazität der Reinwasserkariäle auch bei<br />

Starkregenereignissen nicht überschritten wird.<br />

Modelliert wurde be<strong>im</strong> Kurzzeitmodell zusätzlich<br />

die zeitliche Verschiebung und Verminderung der<br />

Abflussspitzen während des Durchflusses durch die<br />

Kanäle.<br />

264<br />

UNS-Fallstudie '96


Cl<br />

Z<br />

In<br />

..;.,<br />

~<br />

c;;<br />


Wasserhaushalt ---:~ ___'_ ~---'------~--- _<br />

Retentionsbeclcen (R)<br />

Das Retentionsbecken <strong>im</strong> Teilgebiet B erhält Was~<br />

ser aus dem Reinwasserkanal. Es können max<strong>im</strong>al<br />

25 Liter Wasser pro Sekunde in den Binzmühlebach<br />

abgeben werden. Ist der Wasseranfall aus den Regenwasserkanälen<br />

grösser, wird das Wasser bis zu einem<br />

Volumen von 600 m 3 aufgestaut (siehe Kap. 3.3.5<br />

RETENTIONSBECKEN). Eine Überschreitung dieses<br />

Volumens entspricht einem Störfall (Entlastung oder<br />

Überflutung des Beckens).<br />

Regenwasserspeicher (RWS)<br />

Wasserlieferanten für den Regenwasserspeicher sind<br />

alle Dachflächen. Von dort gelangt·das Wasser in das<br />

Gebäude zur Regenwassernutzung, falls eine solche<br />

vorgesehen ist. Wasser aus dem vollen Regenwasserspeicher<br />

oder von Dächern und Vegetationsflächen,<br />

die nicht an das Becken angeschlossen sin,d, gelangt<br />

in die Reinwasserkanäle.<br />

Gründächer (GD)<br />

Niederschläge, die auf Gründächer fallen, werden zu<br />

einem beachtlichen Teil durch Verdunstung wieder<br />

an die Atmosphäre abgegeben. Der Rest fliesst verzögert<br />

in den Regenwasserspeicher oder den Reinwasserkanal<br />

ab. Das Modell geht von einer extensiven<br />

Begrünung der Dächer aus.<br />

modelliert. Das gesammelte Wasser verdunstet nach<br />

Regenende mit einer temperaturabhängigen Verdunstungsfunktion.<br />

Beider Langzeits<strong>im</strong>ulation ist dieser<br />

Effekt in das Modul Strassen und Plätze integriert<br />

und deshalb aus der Abb. 3.5.2 nicht ersichtlich.<br />

Kanalisation (K)<br />

Die Schmutzwasserkanalisation führt Regenwasser<br />

von Strassen und Plätzen, Fremdwasser (v.a. abdrai-<br />

. niertes Grundwasser) und häusliche Abwässer. Übersteigt<br />

der Wasseranfall das Schluckvermögen der<br />

Kanalisation, kommt es zu einem StörfaU(Rückstau).<br />

Be<strong>im</strong> Kurzzeitmodell wird die zeitliche Verschiebung<br />

und Verminderung der Abflussspitze berechnet.<br />

Gebäude und Haushalt (G&H)<br />

Die Versorgung der Gebäude erfolgt aus dem Trinkwassernetz<br />

und dem Regenwasserspeicher. Grauwassernutzung<br />

äussert sich <strong>im</strong> Modell durch den<br />

reduzierten Trinkwasserbedarf. Das Abwasser gelangt<br />

in die Kanalisation, die abgegebene Menge<br />

unterliegt tageszeitlichen Schwankungen;<br />

3.5.3 Die Ergebnisse<br />

Für die Bewertung wurden mit den Modellen folgende<br />

Grössen berechnet:<br />

Dächer (D)<br />

In allen Varianten verbleibt noch ein· beachtlicher<br />

Teil der Dachfläche konventionell gestaltet. Es<br />

wird der. Benetzungsverlust und die Verzögerung<br />

des Abflusses berücksichtigt. Das Benetzungswasser<br />

verdunstet mit einer temperaturabhängigen Verdunstungsfunktion.<br />

Strassen und Plätze (S&P)<br />

Strassen und Plätze werden durch Regenwasser<br />

benetzt. Dabei verdunstet ein erster Anteil als Benetzungsverlust.<br />

Das restliche Wasser fliesst in die<br />

Kanalisation ab. Der Einstau auf Parkplätzen wird<br />

hier vernachlässigt (vgl. Kap, 3.3.4 ROCKHALT AUF<br />

PARKPLÄTZEN).<br />

Mulden<br />

Der Bodenbelag von Strassen und Plätzen ist rauh<br />

und teilweise uneben. Mit Mulden sind hier kleine<br />

und grössere Bereiche bezeichnet, in denen sich das<br />

Regenwasser ansammelt und nicht abfliessen kann.<br />

,Mulden werden daher wie kleine Retentionsbecken<br />

Langzeitmodel/:<br />

• durchschnittliche Wassermenge in der Schmutzwasserkanalisation<br />

,<br />

• durchschnittliche Wassermenge <strong>im</strong> Vorfluter<br />

• Evapotranspiration<br />

Kurzzeitmodel/:<br />

• max<strong>im</strong>ale Wassermenge In der Schmutzwasserkanalisation<br />

.<br />

• max<strong>im</strong>ale Wassermenge<strong>im</strong>Vorfluter.<br />

• Spitzenverschiebung in der Schmutzwasserkanalisation<br />

(Regenfall-Abfluss)<br />

• Spitzenverschiebung <strong>im</strong> Vorfluter (Regenfall-Abfluss)<br />

Die durchschnittliche Belastung der Schmutzwasserkanalisation<br />

variiert aufgrund des unterschiedlichen<br />

Trinkwasserverbrauchs um bis zu 22%. Die geringste<br />

Belastung tritt bei den Szenarien A und C (Wirtschaft<br />

und Umdenken) mit den Varianten 1 und 3 (max<strong>im</strong>al<br />

und innovativ) auf. Die grösste Wassermenge wird<br />

b,ei Szenario B (Krise) mit den Varianten 2 und 4<br />

(min<strong>im</strong>al und mittel) abgegeben.<br />

Im Kurzzeitmodell ergeben sich keine Unter-.<br />

schiede in der Schmutzwasserkanalisation, da Dachwasser<br />

durch den Reinwasserkanal in den Vorfluter<br />

266<br />

UNS-Fallstudie '96


_______________________--,-- ~ ~ ~Wasserhaushalt<br />

1: max<strong>im</strong>al<br />

2: min<strong>im</strong>al<br />

.Sl<br />

.~ - 3: innovativ<br />

~<br />

4: mittel<br />

o 50 100 150 200<br />

max<strong>im</strong>aler Abfluss <strong>im</strong> Vorfluter (in Vs)<br />

250 300<br />

Abb. 3.5.3.1 Der max<strong>im</strong>ale Abfluss inden.<br />

Votfluter während eines Starkregenereignisses<br />

für jede Variante. Der max<strong>im</strong>ale<br />

Abfluss ist vor allem vom Griindachanteil<br />

abhängig. Griindächer sind zur Dämpfung<br />

von Abflussspitzen sehr gut geeignet. Im<br />

betraf;!lteten Starkregenereiguis wird der<br />

Binzmühlebach vollständig überflutet. Bei<br />

einem solchen Stötfall fliesst das Wasser,<br />

das nicht aufgenommen werden kann, über<br />

die Strasse in die Schmutzwasserkanalisation.<br />

Die mittleren Wassermengen unterschieden<br />

sich in den verschiedenen Varianten<br />

weit fJl!eniger stark.<br />

abgeleitet wird. Die Unterschiede<strong>im</strong> Abwasseranfall<br />

aus deI!- Haushalten fällt bei den' Untersuchten,<br />

starken Niederschlägen nicht ins Gewicht.<br />

Die durchschnittliche Evapotranspiration unterscheidet<br />

sich in den verschiedenen Varianten um bis<br />

zu 18%, wobei hohe Gründachanteile erwartungsgemäss<br />

zu erhöhter Evapotranspiration.führen. Bei<br />

diesen Varianten treten auch die geringsten Spitzenabflüsse<br />

in den Vorfluter auf (siehe Abb. 3.5;3.1).<br />

Hier liegen Unterschiede bis zu 86% vor.<br />

Bei den hier untersuchten extremen Starkregenereignissen<br />

wird das Retentionsbecken überflutet<br />

und der Binzmühlebach dürfte stellenweise über die<br />

Ufer treten. Nicht berücksichtigt wurde, dass dann<br />

rückgestautes Wasser an verschiedenen Stellen in<br />

die Schmutzwas~erkanalisationeintreten dürfte. Insgesamt<br />

ergeben sich jedoch auch für diese Störfälle<br />

bedeutende Unterschiede <strong>im</strong> Ausrnass. Je nach<br />

Variante unterscheiden sich die Belastungsspitzen<br />

um bis zu 50%. Bezüglich des Einflusses von GrÜn-.<br />

dächern ergab die Untersuchung eine Halbierung<br />

der Spitzenbelastung der Schmutzwasserkanalisation<br />

bei einem Gründachanteil von 100% gegenüber der<br />

Situation ohne Gründächer (0%).<br />

Gründächer wirken sich einerseits in einer massi­<br />

. ven Dämpfung der Abflussspitzen aus (Reduktion<br />

der Amplitude), <strong>and</strong>ererseits führen sie zu einer Ver-<br />

.zögerung der Abflussspitzen (Phasenverschiebung).<br />

Diese beiden, für die Kanalisationsbewirtschaftung<br />

sehr erwünschten Phänomene sind in Abb. 3.5.3.2<br />

dargestellt.<br />

3.6 Umweltbezogene Bewertung<br />

3.6.1 Das hierarchische Kriteriensystem<br />

Für die umweltbezogene Bewertung der Ergebnisse<br />

aus dem. Wirkmodell Rahmenbedingungen und dem<br />

Wasserhaushaltsmodell wurde eine multikriterielle<br />

Entscheidungsanalyse durchgeführt. In Abst<strong>im</strong>mung<br />

auf das verwendete EDV-Werkzeug Logical Decisions<br />

80<br />

70<br />

60<br />

---Regenfall<br />

- - - -Abfluss normales Dach<br />

-Abfluss Gründach<br />

0.J---~--=i~==+~-+-~~~~~+S.:::::.-+---+:::::::'....._<br />

o<br />

2 3 456 7 8 9 10<br />

Zeit in Stunden<br />

Abb.3.5.3.2 Verlaufdes Niederschlagereignisses<br />

vom 6.Juli 1993. Die gestrichelte<br />

Liniegibtden berechneten Abfluss von einem<br />

normalen Flachdach, die fette von einem<br />

begriinten Dach an. Beide Dächervermögen .<br />

den ersten Regenschub zu schlucken (DiJmpfung<br />

100%). Der zweite Regenschub wird·<br />

vom konventionell gestalteten Dach nur<br />

noch t<strong>im</strong> 45% gedämpft, während das<br />

Griindach die SpitZe noch um 89% zu reduzieren<br />

vermag. Die dritte Spitze wird vom<br />

normalen Dach um 55% und vom Griin­<br />

Mmumn%u~~frDk~itze~~<br />

schiebungist be<strong>im</strong> konventionellen Dach mit<br />

einer Viertelstunde wesentlich kürzer als<br />

be<strong>im</strong> Griindach (2 bis 2lf4 Stunden).<br />

UNS-Fallstudie '96 267<br />

/


••••• h. • • • ..<br />

Wasserhaushalt<br />

_<br />

Kriterium<br />

Datenquelle<br />

1 ll~~serverbrauch Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />

2 Spitzenbelastung der Abwasseranlagen<br />

...............- .<br />

2.1 Spitzenbelastung Kanalisation<br />

........... .,.. . .. ..................... ............- ..................<br />

2.1.1 Verschiebung des Wasserfrachtmax<strong>im</strong>ums Wasserhaushaltsmodell<br />

.................................................................................- .<br />

2.1.2 Verminderung der Spitzenbelastung Wasserhaushaltsmodell<br />

2.2 Spitzenbelastung Vorfluter<br />

..........................................................................-..... . .<br />

2.2.1 Verschiebung des Wasserfrachtmax<strong>im</strong>ums . Wasserhaushaltsmodell<br />

.................... . .<br />

2.2.2 Verminderung der Spitzenbelastung Wasserhaushaltsmodell<br />

3<br />

3.1<br />

3.2<br />

...c· .<br />

3.3<br />

4<br />

5<br />

Dauerbelastung der A~seranlagen<br />

...................••...••.•............................•..•.....••..•.•........•.................•.....•.•...............................••..•..••.•..•....<br />

Dauerbelastung Kanalisation<br />

............. pa~.e.r~p'~i~lJll:~ .Y?r.~IJ~e.r ..<br />

Evapotranspiration<br />

SChmutzstoffkonzentration <strong>im</strong> Wasser<br />

Erholungsraumqualität<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

....•.••....••.•..•...................... ; .....<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />

Tab. 3.6.1 Bewertungskriterien:<br />

Für die Gewichmng<br />

wurdenjeweils alle Kriterien<br />

einer Hierarchiesmfe gegenein<strong>and</strong>er<br />

gewichtet. Die für<br />

die Bewertung eingesetzten<br />

. Werte für jedes Kriterium<br />

stammen aus den in der<br />

Spalte «Datenquelle» aufgeführten<br />

Modellen.<br />

(vgl. Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRÜNRAUM) wurde für das<br />

vorliegende Bewertungsproblem ein hierarchisches<br />

Kriteriensystem (Tab. 3.6.1) konstruiert.<br />

3.6.2 Gewichtultg der Kriterielt<br />

Für die Gewichtung der Kriterien wurden mittels<br />

Fragebogen drei Personengruppen befragt. Eine<br />

Gruppe best<strong>and</strong> aus drei Experten, eine weitere<br />

aus den fünf Tutoren und die dritte aus 18 Studierenden<br />

der Synthesegruppe WASSERHAUSHALT. Der<br />

Vergleich der erhaltenen Gewichtungen zeigt eine<br />

weitgehende Übereinst<strong>im</strong>mung aller drei Gruppen<br />

(Abb. 3.6.2.1). Die statistische Auswertung ergab,<br />

dass für alle Fragen ( 1-5', Hauptkriterien) keine signifikanten<br />

Unterschiede nachweisbar sind (Varianz~<br />

analyse und nichtparametrische Tests).<br />

Dies kann als eine gewisse Bestätigung<br />

der Verlässlichkeit der Gewichtung aufgefasst<br />

werden. Für die <strong>im</strong> folgenden<br />

80%<br />

verwendete Gewichtung wurde daher<br />

70% jeweiis der Durchschnittswert der drei<br />

Gruppeninittelwerte (Abb. 3.6.2.2) eingesetzt.<br />

40-60<br />

Wichtigkeit in Punkten (0 bis 100)<br />

0-20<br />

Abb. 3.6.2.1 Verteilungen der drei Prob<strong>and</strong>engruppen (Experten, Tutoren, Smdierende)<br />

aus der·Gewichtungsbefragung am Beispiel der Frage 2 (Kriterium «Spitzenbelasmng der<br />

Abwasseranlagen»). Die Übereinst<strong>im</strong>mung der Verteilungen ist sehr hoch.<br />

3.6.3 Messgrösselt<br />

Jedem Kriterium muss eine Messgrösse<br />

zugeordnet werden. Im vorliegenden<br />

Fall sind die Messgrössen keine Messwerte,<br />

sondern berechnete Prognosewerte<br />

der oben beschriebenen Modelle.<br />

Der Nutzen einer Messgrösse wird<br />

durch eine Nutzenfunktion best<strong>im</strong>mt.<br />

Die Festlegung der adäquaten Nutzenfunktionen<br />

für jedes Kriterium erfordert<br />

generelles und spezifisches Know-how<br />

über die Systemeigenschaften. Die Nutzenfunktionen<br />

wurden in enger Zusammenarbeit<br />

mit den Experten konstruiert:<br />

268 UNS-Fallstudie '96


----------------.,..---------- ~Wasserhaushalt<br />

1 - Trinkwasserverbrauch<br />

2 - Spitzenbelastungen<br />

der Abwasseranlagen<br />

3 - Dauerbelastung der<br />

Abwasseranlagen<br />

4 - Konzentration <strong>im</strong><br />

Abwasser·<br />

5 - Erholungsraumqualität<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />

Abb. 3.6.2.2 Gewichtung der umweltbezogenen Bewertungskriterien ous der Befrogung (Experten,<br />

Tutoren, Studierende). Die Unterteilung derKriterien ist <strong>im</strong> Text (oben) erlöutert. Dos höchste Gewicht<br />

wirdübereinst<strong>im</strong>menddem Kriterium 2 .SpitzenbelostungderAbwosseronlogen» zugemessen;<br />

S,itzenbelast'IlIg:<br />

S,itzenverschiebung in der<br />

Kanalisation und <strong>im</strong> Vorfluter<br />

Die Spitzenverschiebung ist die<br />

Zeit zwischen max<strong>im</strong>alem Niederschlag<br />

und max<strong>im</strong>alem Abfluss.<br />

Spitzenvers~hiebungen sind erwünscht,<br />

damit nicht alles Wasser<br />

gleichzeitig in die Kanalisation oder<br />

den Vorfluter fliesst. Bei zu grosser<br />

Retention besteht die Gefahr, dass<br />

ein erneuter Regenguss auf bereits<br />

volle Speichereinrichtungen fällt<br />

und somit nicht gefasst werden<br />

kann.<br />

Trinkwasserverbrauch<br />

Im Teilgebiet 0 werden heute Werte bis 7 l/s erreicht.<br />

Der heutige Trinkwasserverbrauch entspricht<br />

dem geringsten Nutzen. Bei einem min<strong>im</strong>alen<br />

Trinkwasserverbrauch von 57 l/Pers.Tag (vgl. Kap.<br />

3.4 GEBÄUDE) - das entspricht 2.5 l/s - ergibt sich ein<br />

max<strong>im</strong>aler Nutzen. Es wurde eine lineare Nutzenfunktion<br />

eingesetzt.<br />

S,itzenbelastung: Max<strong>im</strong>ale Abflussmenge in der<br />

Kanalisation und <strong>im</strong> Vorfluter<br />

Solange die gesamte Abflussmenge bei einem Starkregenereignis<br />

von der Kanalisation oder dem Vorfluter<br />

gefasst werden kann, ist der Nutzen max<strong>im</strong>al.<br />

Überläuft die Kanalisation, so ist der Nutzen min<strong>im</strong>al.<br />

Die Nutzenfunktion für den Vorfluter ist in<br />

Abb.3.6.3 graphisch dargestellt und erläutert.<br />

Nutzen<br />

Durchschnittlicher Wasserfluss durch· die Kanalisation<br />

Der Min<strong>im</strong>alwert liegt.bei 190 m 3 pro Tag und wird<br />

einem max<strong>im</strong>alen Nutzen zugeordnet. Dies entspricht<br />

dem Anfall des häuslichen und industriellen·<br />

Abwassers ohne Be<strong>im</strong>ischung von Regenwasser. Der<br />

Max<strong>im</strong>alwert liegt bei 730 m 3 pro Tag. Dies. entspricht<br />

dem Abwasser inklusive 90% des Regenwassers<br />

(10% Verdunstung). Der Nutzen ist in diesem<br />

Bereich linear abhängig von der Wassermenge.<br />

Dauerbelastung des Vorfluters f;<br />

Qie dem Vorfluter übergebene Wasserme~ge soll<br />

möglichst konstant sein. Überflutung hat einen<br />

min<strong>im</strong>alen Nutzen, ebenso das Trockenfallen.<br />

Mittlere Eva,otrans,iration<br />

Die Verdunstung liegt zwischen 10% und 80% des<br />

Niederschlags. Das Min<strong>im</strong>um würde dann erreicht,<br />

wenn das ganze Areal ein geteerter Platz wäre und<br />

das Regenwasser sofort abfliessen würde. Das Max<strong>im</strong>um<br />

würde erreicht, wenn das ganze Areal aus<br />

intensiv begrünten Dächern bestehen würde. Hohe<br />

Verdunstungsraten shld erwünscht, da sie die Kläranlagen<br />

entlasten und das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a verbessern. In<br />

diesem Bereich ist der Nutzen linear von der Verdunstung<br />

abhängig.<br />

25 Max. Abflussmenge <strong>im</strong> Vorfluter 350<br />

(Liter/Sekunde)<br />

Abb.3.6.3 Die Nutzenfunktion für dos Kriterium .mox<strong>im</strong>ole Abflussmenge»<br />

ist bis zur FossungskopozitötfJon 251/s max<strong>im</strong>ol (also Nutzen = 1).<br />

Oberschreitet die zujliessende Wossermenge 25 I/s, treten (noch Füllung<br />

des Retentionsbeckens) über die Hochwosserentlostung mit zunehmendem<br />

Abfluss grossere Schode~srisiken om Vorfluter und dessen Umfeld auf<br />

(Oberschwemmungen).<br />

Schmutzsto(fkonzentration<br />

Unter der Schmutzstoffkönzentration wird die<br />

Schmutzfracht pro Volumen des häuslichen und<br />

industriellen Abwassers verst<strong>and</strong>en.<br />

Das Ziel ist eine Erhöhung der Konzentration,weil<br />

so die Leistung der Kläranlage verbessert wird. Nach<br />

eigenen Berechnungen ist max<strong>im</strong>al eine Erhöhung<br />

um den Faktor 2.5 möglich, was dem·höchsten<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

269


Wasserhaushalt<br />

-------_~ __<br />

Nutzen entspricht; bei kleineren<br />

Konzentrationswirkungen<br />

n<strong>im</strong>mt der Nutzen linear ab.<br />

Erholllngsrallmqllalität<br />

Dieser Wert berücksichtigt<br />

die vom Wasser ausgehende.<br />

Erholungsraumqualität. Er<br />

n<strong>im</strong>mt Bezug auf die Grösse<br />

Wohnraumattraktivitiitaus dem<br />

Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />

u.nd bewertet das<br />

Vorh<strong>and</strong>ensein eines offenen<br />

Wasserlaufes <strong>im</strong> Areal.<br />

3.6.4 Ergebnisse<br />

C<br />

'Ql<br />

.>< c<br />

~<br />

E<br />

::J<br />

Ö «<br />

Szenario<br />

Die Bewertung wurde für<br />

die. beschriebenen Datensets<br />

(vgl. Abb. 2.3.3.2), durchgeführt.<br />

Die Resultate der Bewertungen<br />

sind in Abb. 3.6.4<br />

wiedergegeben. Szenarien<br />

und Varianten sind hier nach<br />

aufsteigendem Nutzen sortiert.<br />

Wie aus dieser Abbildung ersichtlich ist, sind die<br />

aus der aigregierten Bewertung des umweltbezogenen<br />

Nutzens erhaltenen Werte hochkorreliert. In<br />

allen Szenari,en kommen die Wirkungen der Varian-<br />

, ten (i.e. der Summe der technischen Massp.ahmeri)<br />

<strong>im</strong> gleichenSinne zur Geltung, indem eine Rangfolge<br />

1: max<strong>im</strong>al- 3: innovativ - 4: mittel- 2: min<strong>im</strong>alerzeugt<br />

wird. Das heisst, dass sich die umweltbezogenen<br />

Massnahmen (z.B. der Gründachanteil) unabhängig<br />

von den (hier einbezogenen) Rahmenbedingungen<br />

positiv auswirken. Je mehr und je vollständiger die<br />

Massnahmen umgesetzt werden, desto höher ist der<br />

umweltbezogene Nutzen.<br />

Die Aussage verdeutlicht in ihrer Richtungssicherheit,<br />

dass die einzelnen Massnahmenbündel keine<br />

negativen Wechselwirkungen aufweisen.<br />

,Bei der Bewertung der Szenarien werden sinnvollerweise<br />

die vier Sets Al, B2, C3 und D4 verglichen.<br />

Die Rangfolge der Szenarien von A (Szenario A<br />

Wirtschaft mit Variante I max<strong>im</strong>al) mit dem höchsten<br />

Umweltnutzen zu C, D und B (Szenario B Krise mit<br />

Variante 2 mittel) als tiefstem Wert entspricht den<br />

Implikationen der Szenariokonstruktion. Am wünschenswertesten<br />

sind die Szenarien Wirtschaft und<br />

Umdenken, welche zu ausgeprägter Bereitschaft zur<br />

Realisierung wassersparender und abflussdämpfender<br />

Massnahmen führen. Bemerkenswert ist, dass<br />

der allerhöchste umweltbezogene Nutzen für Set Cl<br />

ausgewiesen ist, wenn unter den Rahmenbedingun-<br />

Variante<br />

Abb.3.6.4 Die Bewel1ungder Varianten unterden verschiedenen Szenarien. Der min<strong>im</strong>ale umweltbezogene<br />

Nutzen entspricht der Zahl 0, der max<strong>im</strong>ale 1. Den grössten umwe!tbezogenen Nutzen erhalten wir <strong>im</strong> Szenario<br />

C «Umdenken» bei der max<strong>im</strong>alen Ausbauvariante 1 mit grossen Gründach- und Grauwassernutzungsanteilen<br />

sowie einem offenen Kanal als Gestaltungse!eme1Jt.<br />

3.7<br />

c<br />

~ .4 :::3<br />

Z<br />

Qj<br />

c:<br />

Q)<br />

Cl<br />

o<br />

N<br />

Q)<br />

g<br />

~<br />

E<br />

:::3<br />

gen von Szenario C Umdenken alle technischen Massnahmen<br />

max<strong>im</strong>al umgesetzt werden,wie dies für Szenario<br />

A Wirtschaft charakteristisch ist. Demgegenüber<br />

ist die «Krise» selbstverständlich nicht wünschenswert,<br />

unter <strong>and</strong>erem da in diesem Szenario kaum<br />

Bereitschaft für Umweltmassnahmen besteht.<br />

3.7.1 Kosten<br />

Betriebswirtschaftliche Betrachtungen<br />

In diesem Kapitel werden die Investitions- und die<br />

Unterhaltskosten für<br />

• Gründächer,<br />

• offene Wasserläufe sowie<br />

• Grauwasser- und Regenwassernutzungsanlagen betrachtet.<br />

Die Angaben beruhen auf folgenden Grundlagen:<br />

Grlindächer<br />

Es existieren drei technische Ausführungen von begrünten<br />

Dächern:<br />

• Min<strong>im</strong>alausführung eines. exrensiven Gründaches,<br />

• Normalausführung extensiv,<br />

• intensives Gründach, das zusätzliche statische Verstärkungen<br />

erfordert.<br />

Wie auch <strong>im</strong> Wasserhaushaltsmodell, wurde hier nur<br />

die Normalvariante eines extensiven Gründaches be-<br />

270 UNS-Fallstudie '96


-------, W'asserhaushalt<br />

rücksichtigt. Nach Herstellerangaben (Büsser, 1996)<br />

. betragen die Kosten 45.40 Fr./m 2 • Bei einer totalen<br />

Dachfläche von 73'899 m 2 <strong>im</strong> Teilgebiet 0 ergibt<br />

dies Gesamtinstallationskosten von 3.35 Mio. Fr. Die<br />

Unterhaltskosten konnten nicht ermittelt werden,<br />

dürften aber für den gewählten Typ relativ klein<br />

sem.<br />

Offene WlIsserlä"fe<br />

Aus unserer Perspektive kann die Idee, Reinwasserkanäle<br />

als offene Wasserläufe an der Oberfläche<br />

zu führen, als positives Element für die Wohn- und<br />

Erholungsraumqualität <strong>im</strong> Areal erachtet werden.<br />

Um eine befriedigende Wirkung zu erhalten, wird<br />

das Heraufpumpen von Grundwasser (das hier sowieso<br />

drainiert werden muss) dafür ins Auge gefasst,<br />

da das Gerinne sonst während längerer Zeit <strong>im</strong> Jahr<br />

trockenliegen würde. Deshalb haben wir die Varianten<br />

offener Reinwasserkanal und kein offener Wasserlauf<br />

berücksichtigt. Es wurde von einer Länge des Kanals<br />

von 400 m durch das Teilgebiet 0 ausgegangen.<br />

Für einen unterirdischen Regenwasserkanal wurdenVergleichskosten<br />

von 2800.- Fr. pro Laufmeter<br />

eingesetzt (Milojevic, 1996). Der offene Meteorwasserkanal<br />

wurde mit 3000.- Fr. pro Laufmeter<br />

veranschlagt, so dass sich die Gesamtkosten bei<br />

400 Metern Länge auf 1.2 Mio. Fr. belaufen. Die<br />

Unterhaltskosten konnten nicht verlässlich quantifiziert<br />

werden. Sie sind nicht vernachlässigbar, da eine<br />

gesteuerte Grundwasserpumpe erforderlich wäre.<br />

Eine noch weitergehende Lösung wäre das Schaffen<br />

eines naturnahen Bachlaufd. Dazu kann als<br />

Kostengrundlage die Bachöffnung Le<strong>im</strong>bach (Räbsamen,<br />

1988) herangezogen werden. Be<strong>im</strong> Le<strong>im</strong>bach'<br />

h<strong>and</strong>elte es sich um die Renaturierung eines kanalisierten<br />

Bachlaufes. Die Kosten betrugen 5680.- Fr.<br />

pro Laufmeter. Für den Bau eines neuen Baches<br />

müssten rund 5000.- Fr./m veranschlagt werden. Die<br />

totalen Kosten für einen entsprechenden Bach betragen<br />

somit ca. 2 Mio. Fr. Die Unterhaltskosten und<br />

der Bedarfan Pumpwasser dürften noch höher liegen<br />

als be<strong>im</strong> offenen ReinwasserkanaI.<br />

Grll"·. "nd RegenwlIssern"tz"ngsllnlllge<br />

Für die Wohngebäude wurde eine Grauwassernutzung,<br />

für die Bürogebäude eine Regenwassernutzungsanlage<br />

geplant. Laut Angaben über realisierte,<br />

vergleichbare Vergleichsanlagen ist mit Investitionskosten<br />

in der Grössenordnung von 500.- Fr. pro m 3<br />

für Leitungsnetz und Speichertank zu rechnen. Das<br />

benötigte Speichervolumen für eine Anlage <strong>im</strong> Teilgebiet<br />

0 beträgt rund 1000 m 3 • Dabei ist zu beachten,<br />

dass für die Grauwassernutzung nu,r ein kleiner<br />

Teil dieses Volumens benötigt wird, der G~ossteil<br />

wird für die Regenwasserspeicherung benötigt. Die<br />

Investitionskosten belaufen sich also auf 0.5 Mio. Fr.<br />

für die Grau- und Regenwassernutzungsanlagen in<br />

allen Gebäuden.<br />

Die Kosten für den jährlichen Unterhalt betragen<br />

(nach Angaben aus den Referenzanlagen) ca. 3% der<br />

Investitionskosten, also 15'000.- Fr. Die Nutzungsdauer<br />

wurde konservativ auf 20 Jahre geschätzt.<br />

Ausgehend davon betragen die Investitionskosten<br />

bei den Varianten 1 und 3 (max<strong>im</strong>al und innovativ,<br />

26% Grau- und Regenwassernutzung) 130'000.- Fr.<br />

und bei den Varianten 2 und 4 (min<strong>im</strong>al und mittel,<br />

6% Nutzung) 30'000.- Fr. Diese Annahmen gehen<br />

hier von einer vereinfachenden, linearen Beziehung<br />

zwischen Anlagengrösse und Kosten aus.<br />

3.7.2 Einspllr"ngen<br />

Bei der Dachbegrünung ergibt sich heute keine<br />

Kosteneinsparung, weil bei den Meteorwassergebühren<br />

dafür keine Tarifreduktion gewährt wird. Die<br />

Begrünung von Flachdächern ist in den Sonderbauvorschriften<br />

des ZZN allerdings vorgeschrieben.<br />

Ebenso ist der Nutzen offener Wasserläufe bezüglich<br />

Erholungsraumwert rein <strong>im</strong>materiell und wird hier<br />

nicht monetär quantifiziert. Einzig aus der Regen-<br />

Szenario Variante Preise pro m 3<br />

1 max<strong>im</strong>al 2 min<strong>im</strong>al 3 innovativ 4 mittel Trinkwasser Abwasser<br />

A Wirtschaft 161'000.- Fr. 54'000.-Fr. 161'000.- Fr. 54'000.- Fr. 3.90 Fr. 4.00 Fr.<br />

•....................... ,...................................•...•....•......•....•...•..•..•..•- ••.•..••.................•.•.......•............................................................•..•..•.••.••..•....<br />

BKrise' 141'000.- Fr. 47'000.- Fr. 141'000.- Fr. 47'000.- Fr. 3.90 Fr. 3.00 Fr.<br />

CUmdenken 16i,ööö:~·F~:·· 54'000.~F~:·· ·i61;öoö.~· Fr. 54'000.- Fr. .... iiiO·Fr. 4.00 Fr;<br />

......................................•.....••.••.•_....... . ,.......•..••........•.•.•.....••.......••.••.••..•••.••••.........................................................<br />

.J>..~r.t~Il.......... 112'000.- Fr. 38'000.- Fr. l~~'OO~.~F~ 3s.~~~~:~F.r: l:~~~r 1:00 Fr.<br />

eingesparte<br />

Wassermenge 31'390 m 3 10'585 m 3 31'390 m 3 10'585 m 3<br />

Tob. 3.7.2 Einsparungen bei Grau- und Regenwossemutzung nacn Abzug der Ertragssteuer (sielze aucn <strong>im</strong> folgenden Kap. 3.7.3).<br />

UNS-Fallstudie '96 271


Wasserhaushalt_--' ----, --' ~ _<br />

und Grauwassernutzung ist<br />

ein Gewinn durch Einsparung<br />

von Trinkwassergebühren zu<br />

erzielen (vgl. Tab. 3.7.2). Die<br />

Vermeidung von Abwasser<br />

wiederum wird heute nicht<br />

abgegolten.<br />

3.7.3 Rentabilitiitsrechnung<br />

Zur Berechnung der Rentabilität<br />

wurde die Methode des<br />

Net Present Value (NPV) verwendet.,<br />

Für die Diskontierungsrate<br />

wurde ein Zinssatz<br />

von 5% für risikolose Anldhen<br />

eingesetzt (Grundlage dafür:<br />

Zukunftsbezogene Schätzung<br />

mit der längsten Staatsobligation,<br />

Obligation 4% Eidg.<br />

94/14, Kurs 91 % am 20.6.1996).<br />

Darauf wurde eine Risikoprämie<br />

von 4% geschlagen.<br />

Der Steuersatz wurde als 35%<br />

Ertragssteuer (für Aktiengesellschaften) angenommen<br />

(Schüepp, 1996). Der NPV wurde in einem<br />

Stelltl II-Modell berechnet.<br />

Griindiicher<br />

Da die Gründächer keinen Ertrag abwerfen, ist der<br />

Net Present Value negativ. Die NPV-Werte für die vier<br />

Varianten betragen:<br />

1: max<strong>im</strong>al -1 '542'000.- Fr.<br />

2: min<strong>im</strong>al -440'000.- Fr.<br />

3: innovativ -714'000.- Fr.<br />

4: mittel -632'000.- Fr.<br />

Offene Wasserliiufe<br />

Da bei .den offenen Wasserläufen<br />

keine Betriebskosten<br />

berücksichtigt wurden, ist der<br />

NPV gleich der Investition.<br />

Der in Variante. 1 vorgesehene<br />

offene Reinwasserkanal entspricht<br />

deshalb einem NPV<br />

von -1.2 Mio. Fr.; bei den<br />

übrigen Varianten entfallen<br />

diese Investitionen (NPV = 0).<br />

2: min<strong>im</strong>al<br />

Variante<br />

Abb. 3.7.3.1 Net Present Va/ue der Grau- und Regenwassemutzungfür alle Varianten in den vier Szenarien<br />

(Sortiert nach NPV).<br />

wassernutzung nicht nur bei den verschiedenen<br />

Varianten, sondern auch mit jedem Szenario; Die<br />

NPV-Werte sind in Abb. 3.7.3.1 graphisch dargestellt.<br />

Sehr deutlich ist dabei der Unterschied zwischen<br />

der Variantengruppe rechts (Varianten 3 und 1) mit<br />

wesentlich höherem NPV als die beiden Varianten<br />

links (2 und 4). Die hohen NPV-Werte der ersten<br />

Gruppe kommen durch die ausgeprägte Einsparung<br />

von Trinkwasser zust<strong>and</strong>e, welche sich aus den Grau-<br />

1'000'000 Fr.<br />

500'000 Fr.<br />

oFr.<br />

ii:<br />

-500'000 Fr. Z<br />

lD<br />

-1'000'000 Fr. ~<br />

I­<br />

-1'500'000 Fr.<br />

-2'000'000 Fr.<br />

Grag· gnd Regenwasserngtzung<br />

Da in den Szenarien unterschiedliche<br />

Wasserpreise angenommen<br />

wurden, ändert sich<br />

der NPV für Regen- und Grau-<br />

Szenario<br />

1: max<strong>im</strong>al<br />

Variante<br />

Abb. ·3.7.3.2 Der gesamte Net Pf'lIsent Va/ue (Gründlicher, offener Wasser/auf sowie Grau- und Regenwassemutzulig)<br />

der Varianten in den vier Szenarien (sortiert nach NPV).<br />

272 UNS-Fallstudie '96


_____----' ~ Wasserhaushalt<br />

und Regenwassernutzungsanlagen ergeben. Beispielsweise,<br />

ergibt sich in Variante 1 bei einer Investition<br />

von 130'000.- Fr. in solche Anlagen je nach<br />

Szenario ein NPV von 0.9 bis 1.4 Mio. Fr. Diese<br />

Investitionen können somit als durchaus rentabel<br />

angesprochen werden.<br />

Die Rentabilitiit der Varianten<br />

In Abb. 3.7.3.2 ist der totale NPV für alle Varianten in<br />

allen Szenarien dargestellt. Hier schlagen die hohen<br />

Investitionen .für Gründächer und insbesondere für<br />

den offenen Reinwasserkanal voll durch. Aus der<br />

betriebswirtschaftlichen Perspektive ist, unabhängig<br />

von den Rahmenbedingungen (Szenarien), nur die<br />

Massnahmenkombination Variante 3 innovativ einigermassen<br />

rentabel. In dieser Variante werden die<br />

Einsparungen aus der Grau- und Regenwassernutzung<br />

voll- ausgeschöpft, ohne jedoch Geld in<br />

einen teuren oberflächlichen Reinwasserkanal zu<br />

investieren.<br />

4. Interpretation und<br />

Schlussfolgerungen<br />

4.1 Erkenntnisse zum<br />

Trinkwasserverbrauch<br />

Eine gute Trinkwasserversorgung ist ein wichtiges<br />

Merkmal unseres Wohlst<strong>and</strong>es - und wir lassen<br />

sie uns einiges kosten. Insbesondere in Kap. 3.4 GE­<br />

BÄUDE wird aufgezeigt, dass Wassersparen in grösserem<br />

Umfang möglich ist. Wie Abb. 4.1 zeigt, kann der<br />

durchschnittliche Wasserverbrauch gesenkt werden<br />

- ja er wird bei Neubauten, wie sie <strong>im</strong> ZZN geplant ­<br />

sind, ohnehin geringer, da mit den heute üblichen<br />

neuen Armaturen weniger Wasser verbraUcht wird.<br />

Da die Kapazität der Wasserversorgung auf Verbrauchsspitzen<br />

ausgelegt wird, ist es insbesondere<br />

von Bedeutung, dass durch diese Massnahmen auch<br />

die Bedarfsspitzen gebrochen werden können. Diese<br />

Entwicklung muss bei der Planung von Ausbau und<br />

Sanierung von Versorgungssystemen berücksichtigt<br />

werden. Es dürfte nachzuweisen sein, dass die Förderung<br />

wassersparender Einrichtungen für die Allgemeinheit<br />

kostengünstiger ausfällt als ein forcierter<br />

Ausbau auf derVersorgungsseite.<br />

verbleibender<br />

Trinkwasserverbrauch<br />

32%<br />

heute übliche<br />

neue Armaturen<br />

40%<br />

AM. 4.1 Mögliche Reduktion des Trinkwosseroerbrouchs durch die *,rwendung<br />

heute üblicher neuer Annoturen (73 I/Pers.Tog), Regenwossernutzung/ür<br />

Pjlonzenbewiisserung (9 IIPers.Tog) und GrouwossernulZung<br />

(41 I/Pers. Tog). Bei Neubouten wird der Anteil «heute übliche neue Annoturen»<br />

heute 0 priori eingesport.<br />

4.2 Erkenntnisse-aus dem<br />

Wasserhaushaltsmodell<br />

Der umweltbezogene Nutzen der Massnahmenbündel<br />

(Varianten, Abb. 3.6.4) wird hier pr<strong>im</strong>är aus<br />

der Perspektive Wasserbau und Gewässerschutz aufgefasst.<br />

Dieser Nutzen hat aber auch potentielle<br />

ökonomische Vorteile. Mit potentiell ist gemeint,<br />

dass kleiner ausgelegte Kläranlagen, Trinkwasserversorgungssysteme<br />

und Kanalisationen ausreichen<br />

würden. Sind diese Infrastrukturanlagen aber bereits<br />

gebaut oder werden sie aus <strong>and</strong>eren Gründen erweitert,<br />

dann kann mit diesen Massnahmen kein<br />

wesentlicher ökonomischer Nutzen erzielt werden.<br />

Es ist auffällig, dass die vier Varianten in allen<br />

Szenarien <strong>im</strong>mer die gleiche Reihenfolge bezüglich<br />

des Nutzens aufweisen. Das bedeutet, dass der<br />

Nutzen mit zunehmendem Gründachanteil und zunehmender<br />

Grauwassernutzung ansteigt, und zwar<br />

in allen Szenarien.<br />

In jedem Falle schneiden die Varianten <strong>im</strong> Szenario<br />

Umdenken knapp vor den entsprechenden<br />

Varianten <strong>im</strong> Szenario Wirtschaft am besten ab.<br />

Innerhalb aller Szenarien bringt die Variante 1<br />

(max<strong>im</strong>al: Gründächer, Grauwassernutzung und offener<br />

Kanal) den höchsten Nutzen.<br />

Hinter diesem Ergebnis steht die hohe Gewichtung<br />

der Problematik der Spitzenbelastung von Ka-<br />

UNS-Fallstudie '96 273


Wasserhaushalt__----'--,- ---------------,- _<br />

nalisations- und Kläranlagen (vgl. Abb. 3.6.2.2). Die<br />

hydraulischen Überlastungssituationen führen in der<br />

Kanalisation zur Abgabe von Schmutzwasser in die .<br />

Vorfluter (Regenentlastung), und in der Kläranlage<br />

zu verminderter Reinigungsleistung (z.B. bzgl. Stickstoffel<strong>im</strong>inatiori).<br />

Hier scheint die Problematik auf,<br />

dass eine Auslegung der Kläranlagen auf Spitzenb~lastungen<br />

derart teuer wird, dass wir sie uns<br />

nicht über längere Zeit werden leisten können.<br />

Diese Erkenntnis soll die Suche nach aufrechterhaltbaren<br />

und nachhaltigen Lösungen von<br />

den «End-of-Pipe-Massnahmen» (Kläranlagen)<br />

auf die quellnahen Elemente (Gründächer,<br />

Speicher-WC, etc.) lenken.<br />

0.65<br />

0.6<br />

C 0.55<br />

Gewinns aus den entsprechenden Investitionen (vgl.<br />

Kap. 3.7 BETRIEBsWIRrscHAFTLlCHE BETRA9HTUNCEN).<br />

Die in Abb. 4.4 vorgelegte Darstellung dieser beiden<br />

Indikatoren zeigt die Unterschiede der untersuchten<br />

Szenarien und Varianten sehr deutlich auf:<br />

Szenarien: Die beiden Szenarien C Umdenken und<br />

A Wirtschaft setzten sich sowohl bezüglich umwelt-<br />

SzenarioC<br />

Umdenken<br />

. 4.3 Erkenntnisse aus der<br />

Rentabilitiitsrechnung'<br />

Die Ergebnisse der Rentabilitätsberechnungen<br />

(Abb. 3.7.3.1) zeigen sehr deutlich auf, dass der<br />

betriebswirtschaftliche Nutzen mit zunehmender<br />

Grau- und Regenwassernutzung in allen<br />

vier Szenarien gesteigert werden kann.<br />

Offene Wasserläufe und Dachbegrünungen<br />

reduzieren die Rentabilität (siehe Abb. 3.7.3.2)<br />

weil den Investitionen keine monetären Einsparungen<br />

gegenüberstehen.<br />

Es ist überraschend, dass Grau- und Regenwassernntzungen<br />

sehr rentabel sind. Di.e Net<br />

Present Value-Berechnungen zeigen, dass Anlagen<br />

zur Grau- und Regenwassernutzung heute mit<br />

Investitionskosten von bis zu 450.- Fr. pro Person<br />

durchaus rentabel sind.<br />

4.4 Schlussfolgerungen:<br />

Ökologie, Wirtschaftlichkeit<br />

und Nachhaltigkeit<br />

Zur Orientierung in komplexen Problemfeldern<br />

wie bei Umweltmanagemententscheiden<br />

wird heute zunehmend die Kosten-Wirksamkeits­<br />

Analyse eingesetzt. Diese Methodik strebt eine<br />

synoptische Darstellung von «Nutzen» und<br />

«Aufw<strong>and</strong>» verschiedener. Lösungsvorschläge<br />

an. Im vorliegenden Fall wurde mit der multiattributiven<br />

Bewertung ein Indikator «umweltbezogener<br />

Nutzen» geschaffen, der die<br />

umweltschonende, «nützliche» Wirkung von<br />

Massnahmenbündeln (Varianten) quantifiziert.<br />

Die Aufw<strong>and</strong>seite wiederum wird nicht als<br />

Aufrechnung der Investitions- und Unterhaltskosten<br />

allein ausgewiesen, sondern als Ne! Present<br />

Value (NPV), d.h. als Gegenwartswert des<br />

~ :::3<br />

~ 0.5<br />

0><br />

c<br />

0><br />

Cl<br />

2 0.45<br />

0>'<br />

:3<br />

ä)<br />

~E 0.4<br />

:::3<br />

c<br />

0.35<br />

0.3 +---.............---t----_--.............---t"--__1<br />

-2'000'000 -1'500'000 -1'000'000 -500'000 0<br />

0.65<br />

0.6<br />

18<br />

'5<br />

z<br />

G> c 0.5<br />

0><br />

Cl<br />

o<br />

~<br />

.0 0.45<br />

l E<br />

.:::3 0.4<br />

0.35<br />

Rentabilität: NPV in Fr.<br />

o<br />

500'000<br />

1'000'000<br />

0.3 +-~-.......--_---+---_-...;-_-----t<br />

-2'000'000 ·1 '500'000 -1 '000'000 -500'000<br />

Rentabilität: NPV in Fr.<br />

500'000 1'000'000<br />

Abb. 4.4 Darstellung des umweltbezogenen Nutzens gegen die Rentabilität (NPV)<br />

als Kosten-Wirksamkeits-Diagramm. Oben: Übersicht der Szenarien. Die aus den<br />

Szenarien direkt abgeleiteten Varianten sind durch ausgefüllte Symbole hervorgehoben<br />

(Sets AI, B2, C3 und D4). Unten: Dieselbe Darstellung wie oben mit<br />

Hervorhebung der Varianten, welche sich als gut abgrenzbare Clusterplazieren. Die<br />

Regressionslinie deutet den angestrebten Trend an (ohne Einbezug von Variante 1).<br />

274 UNS-Fallstudie '96


---------------------- Wasserhaushalt<br />

bezogenem Nutzen als auch bezüglich NPV deutlich<br />

von den beiden <strong>and</strong>ern ab. Die nutzenbezogenen<br />

Unterschiede zwischen den Szenarien bleiben in<br />

allen Varianten mehr oder weniger unverändert. .<br />

Varianten: Die Varianten lokalisieren sich als relativ<br />

geschlossene Gruppen (Cluster) <strong>im</strong> Kosten-Wirksamkeits-Diagramm.<br />

In dieser Form lässt das Diagramm<br />

keinen Zweifel, dass das Massnahmenbündel<br />

der Variante 3 innovativ ökologisch wünschbar und<br />

wirtschaftlich sinnvoll ist.<br />

Für eine Opt<strong>im</strong>ierung der Umweltqualität stellt<br />

sich die Frage, weshalb die Variante 1 max<strong>im</strong>al eine<br />

derart geringe Rentabilität aufweist. Die Ursache<br />

liegt in (heute) unrentablen Investitionen, insbesondere<br />

in die Massnahme «offener Reinwasserkanal».<br />

Ein Opt<strong>im</strong>ierungsansatz könnte darin bestehen,<br />

die Rentabilität dieses Massnahmentyps durch veränderte<br />

Gebührenstrukturen für Abwasser und<br />

Meteorwasser so zu verändern, dass die Variante 1 in<br />

die rechte obere Ecke des Diagramms gerückt wird.<br />

Diese Veränderung der Rahmenbedingungen wird<br />

als machbar erachtet. Sie kann <strong>im</strong> Sinne eines nachhaltigen<br />

Umweltmanagements eine zielführende<br />

Wirkung entfalten, wenn der Trend «steigender ökologischer<br />

Nutzen mit steigendem wirtschaftlichen<br />

Anreiz» für die H<strong>and</strong>lungsträgerInnen sichtbar gemacht<br />

werden kann.<br />

Wie oben beschrieben, entspricht der umweltbezogene<br />

Nutzen pr<strong>im</strong>är einem Nutzen für die<br />

öffentliche H<strong>and</strong> bzw. für die Volkswirtschaft..Betriebswirtschaftlich<br />

gibt es nur bei denjenigen Massnahmen<br />

eine positive Korrelation zwischen Nutzen<br />

und Rentabilität, bei denen eine Einsparung eines<br />

Gutes (Trinkwasser) sich als Vermei,dung von Kosten<br />

auswirkt. Die Wirkung der Massnahmen kann wie<br />

folgt zusammengefasst werden:<br />

• Grau- und Regenwassernutzung ist für Private'<br />

rentabel, für die öffentliche H<strong>and</strong> aber allenfalls<br />

insofern problematisch, als dass Einnahmen aus<br />

den Trinkwassergebühren verloren gehen.<br />

• Begrünte Dächer sind.für die Privaten heute nicht<br />

rentabel, während die Siedlungsentwässerung von<br />

niedrigeren Wassermengen (bei höheren Schmutzstoffkonzentrationen)<br />

profitieren kann, ohne dass<br />

sich die Einnahmen verringern. Ein Grund dafür<br />

liegt in den' Meteorwassergebühren, die für alle<br />

Dachtypen gleich sind. Zur Förderung von Dachbegrünungen<br />

wäre eine differenzierte Anpassung<br />

der Meteorwassergebühren wünschenswert. Dadurch<br />

könnte mit einer einfachen Tarifmassnahme<br />

ein Signal gegeben werden, welches ökologisch<br />

und ökonomisch in die richtige Richtung weist.<br />

• Für dieUrinseparierung (Kap. 3.4.4 WEITERGEHEN­<br />

DE MASSNAHMEN) gilt dasselbe: Für Private bedeutet<br />

sie, eine Mehrinvestition, von der die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> profitieren kann. Hier könnte auf der<br />

Basis des Verursacherprinzips eine Tarifdifferen~<br />

zierung erfolgen, welche für die Abwasserbeh<strong>and</strong>lung<br />

nachhaltige Konsequenzen hätte: Statt dass<br />

die öffentliche H<strong>and</strong> in die Kläranlagen (Ausbau<br />

und Opt<strong>im</strong>ierung der Nitrifikations- und Denitrifikationsstufe)<br />

investiert, würde die Stickstofffracht<br />

an der Quelle massiv reduziert bzw. umverteilt.<br />

4.5 Anregungen an die<br />

H<strong>and</strong>lulJgstriigerlnnen<br />

Der heute noch wenig verbreitete Einsatz der oben<br />

genannten Einrichtungen (Grau- und Regenwassernutzung,<br />

Gründächer und Urinseparierung) ist<br />

pr<strong>im</strong>är eine Fehlwirkung von Preissignalen, welche<br />

von der Verrechnung der Abwassergebühren nac'h<br />

Trinkwasserbezug sowie der pauschalen Berechnung<br />

der Meteorwassergebühr nach Dachfläche ausgehen.<br />

Deshalb möchten wir hier das Anliegen zur Differenzierung<br />

der Gebühren an die Gesetzgeber.und<br />

Vollzugsverantwortlichen herantragen.<br />

Den Bauherren wird empfohlen, die heute schon<br />

rentablen Anlagen zur Grau- und Regenwassernutzung<br />

in ihre Vorhaben zu integrieren. Zusätzlich<br />

könnten vorsorgend bauliche Massnahmen realisiert<br />

werden, welche die Nachrüstung von zukünftig voraussichtlich<br />

rentablen Einrichtungen ermöglichen<br />

(z.B. zusätzliche Urinleitung für eine separate Urinverwertung).<br />

Diese vorsorgende Perspektive richtet sich auch<br />

an die PlanerInnen. Ihnen soll zudem mit dem aufgezeigten<br />

methodischen Evaluationsweg aufgezeigt<br />

und begründet werden, welche siedlungswasserbaulichen<br />

Massnahmen aus umweltnaturwissenschaft~<br />

licher Sicht als nützlich; rentabel und empfehlenswert<br />

eingestuft werden. Ferner steht das vorgelegte<br />

Wasserhaushaltsmodell zur Verfügung, um als Opt<strong>im</strong>ierungswerkzeug<br />

(EDV-Tool) für verschiedenste<br />

Fragestellungen interaktiv eingesetzt und genutzt zu<br />

werden.<br />

4.6 Anregungen zur Fallstudie<br />

4.6.1 Anmerkungen zum Vorgehen<br />

In der Arbeit der Synthesegruppe wird eine Entwicklung<br />

sichtbar, welche für die Bearbeitung von<br />

Fallstudienthemen mit naturwissenschaftlichem<br />

Schwerpunkt eine richtungsweisende Gesamtfigur<br />

aufweist. An die Problemanalyse, bezogen auf den<br />

naturwissenschaftlichen Gegenst<strong>and</strong> und die betriebswirtschaftlichen<br />

Aspekte, fügt sich vor dem<br />

Hintergrund der Szenarien- und Variantenkonstruktion<br />

eine transparente Syntheseleistung. Sie umfasst<br />

UNS·Falistudie '96<br />

275


Wasserhaushalt ~ _'_ __,_----------~-<br />

.die Verbindung der NPV-Rentabilitätsberechnung<br />

mit der multiattributiven Nutzenbewertung zu einer<br />

Kosten-Wirksamkeits-Darstellung.<br />

4.6.2 Kritische Stellungnahme zu den Resultaten und<br />

weiterführende Untersuchungen<br />

Nach Bearbeitung der Resultate können einige kritische<br />

Anmerkungen sowie Anregungen zu weiteren<br />

Untersuchungen gegeben werden:<br />

• Die Verlässlichkeit (Reliabilität) der gesamten<br />

Methodik sollte kritisch untersucht werden. Dazu<br />

wären Sensitivitätsanalysen ·der Vorgehensschritte<br />

(insbesondere der multiattributivenBewertung)<br />

einzeln und <strong>im</strong> Gesamtzusammenhang durchzuführen.<br />

Auch das Sichtbarmachen <strong>im</strong>pliziter<br />

Wertungen könnte noch besser herausgearbeitet<br />

werden.<br />

• Die vier Varianten sind zum Teil zu ähnlich, sie<br />

sollten einen grösseren Bereich von Möglichkeiten<br />

abdecken.<br />

• Die gewählten Starkregene:reignisse riefen bei<br />

jeder Variante einen Störfall <strong>im</strong> Vorfluter hervor<br />

(Überlastung). Es müsste genauer untersucht werden,<br />

wieviel Dachwasser hier in die Kläranlage<br />

abfliessen würde. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass dieses Wasser über die Hochwasserentlastung<br />

in den Leutschenbach oder in die Glatt gelangen<br />

würde - nun aber vermischt mit Schmutzwasser.<br />

• Die Aufteilung der Entwässerungsfrage in die hier<br />

pr<strong>im</strong>är untersuchten quantitativen Aspekte und<br />

die qualitativen Gesichtspunkte kann nicht voll<br />

befriedigen: Beispielsweise ist für einen Vorfluter<br />

nicht unbedingt die max<strong>im</strong>ale hydraulische Überlastung<br />

am kritischsten. Vielmehr können grösste<br />

Schadenereignisse (z.B. Fischsterben) dann auftreten,<br />

wenn bei kleineren, lokalen Niederschlagsereignissen<br />

ein Schmutzwasserschwall einer Regenentlastung<br />

auf einen Niedrigwasser-führenden<br />

Vorfluter trifft.<br />

• Es wurde bei der ModelIierung von einem Trennsystem<br />

(Dachwasser und übrige Abwässer) ausgegangen.<br />

Unter Umständen wird aber nur ein Teil<br />

der Dächer an einen Reinwasserkanal angeschlossen<br />

werd,en.<br />

• Für einzelne Aussagenbereiche müssten zusätzlich<br />

die Entwicklungen der umgebenden Gebiete - v.a.<br />

. <strong>im</strong> Einzugsgebiet des Binzrnühlebachs - mitberücksichtigt<br />

werden, um sinnvolle Opt<strong>im</strong>ierung/:lvarianten<br />

konzipieren zu können.<br />

• Bei der Rentabilitätsrechnung sollten die Grauund<br />

die Regenwass,ernutzung einzeln beh<strong>and</strong>elt<br />

werden. So ist eine detailliertere Aussage üb~r die<br />

Wirtschaftlichkeit der einzelnen Anlagen möglich.<br />

• Die uns verfügbaren Kostenangaben stellen z.T.<br />

keine verlässliche Grundlage dar: Nachträglich<br />

wurde beispielsweise moniert, dass die Erstellung<br />

einer offenen Reinwasserrinne <strong>and</strong>ernorts auch<br />

mit dem halben Kostenaufw<strong>and</strong> realisiert werden<br />

konnte.<br />

• Eine mögliche Änderung der Rahmenbedingung,<br />

welche hier nicht einbezogen wurde, ist die<br />

, Option, dass die Trinkwassergebühren aufgrund<br />

ihres hohen Fixkostenanteils in Anschlusskosten<br />

(Infrastrukturaufw<strong>and</strong>) und Verbrauchskosten (pro<br />

m 3 verbrauchtes· Trinkwasser) aufgeteilt werden<br />

könnten.<br />

276<br />

UNS-Fallstudie '96


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278 UNS-Fallstudie '96


Gebäude: Umweltma~agement<br />

in der Bauplanung<br />

Inhalt<br />

1. Einführung<br />

2. Der Fall: «Ententeich», TORO I<br />

und die ABB·Umweltpolitik<br />

3. Grundlagen: Ökologie<br />

und Umweltmanagement<br />

<strong>im</strong> Bailprozess<br />

4. Von den Umweltzielen zur.<br />

Information: Daten zur<br />

Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN<br />

5. Implementation von Umweltmanagement:<br />

Von der<br />

Information zur Entscheidung<br />

281<br />

284<br />

288<br />

293<br />

304<br />

Autoren<br />

Jörg Hunziker<br />

Marcel Niederer<br />

Markus ScheUer<br />

Swen Vermeul (Schlussredaktion)<br />

Harald A. Mieg<br />

(Tutor, Schlussredaktion)<br />

,<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Synthesegruppe GEBÄUDE)<br />

Lukas Ackermann<br />

Stefan Bertschi<br />

DanielBürgi<br />

Adrian Busin<br />

Inez Colyn<br />

Thomas Frei<br />

Paul Gähwiller<br />

Hans Giger<br />

JörgHunziker<br />

Alex<strong>and</strong>er Jäger<br />

Mischa Judex<br />

Thomas Klaus<br />

Marcel Niederer<br />

Jakob Rieder<br />

Sabine Ruckstuhl<br />

Markus Scheller<br />

Urs Schön<br />

Swen Vermeul<br />

Laurent Willi<br />

Andreas Zbinden<br />

Ellen Meyrat (Tutorin)<br />

Harald A. Mieg (Tutor)<br />

Johann Schregenberger (Tutor)<br />

OIaf Tietje (Tutor)<br />

Otto Erb (Berater)


Gebäude_~<br />

_<br />

280 UNS-Fallstudie '96


------,--------_---------- ~ Gebäude<br />

1. Einführung<br />

«Ökologie ist ein' Qualitätsst<strong>and</strong>ard <strong>im</strong> Bauwesen»,<br />

heisst es in einer neuen Studie zum Umweltmanagement<br />

von Hochbauprojekten, gemeinsam herausgegeben<br />

vom Amt für Bundesbauten und der Schweizerischen<br />

Bankgesellschaft. Weiterhin heisst es dort: «In<br />

Zukunft sollen die Umweltbelange systematisch in<br />

die Planung und Realisierung eines Bauvorhabens<br />

sowie die Bewirtschaftung von Gebäuden einfliessen.»<br />

(Amt für Bundesbauten & SBG, 1996, S. 2).<br />

Die Bauwirtschaft hat nicht erst jetzt ökologische<br />

Fragen entdeckt. Auch die UNS~Fallstudie'95<br />

«Industrieareal Sulzer-Escher Wyss» (Scholz et aI.,<br />

1996), unterstützt vom Schweizerischen Baumeisterverb<strong>and</strong>,<br />

war ganz dem Thema «Umwelt und Bauen»<br />

gewidmet. Doch die Zukunft der Bauwirtschaft stellt<br />

sicl} derzeit nicht sehr hoffnungserweckend dar.<br />

E. Somm, Präsident und CEO der ABB Schweiz, resümiert:<br />

«Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Bau- und<br />

Immobilienwirtschaft in einer Krise .steckt.<br />

Deutliche Zeugen dieser Tatsache sind der all~<br />

gemeine Preiszerfall, die fast 10'000 Konkurse,<br />

d,iees 1995 in der Baubranche gab[,] und der ­<br />

mit 50'000, oder rund 1,5% des Wohnungsbest<strong>and</strong>es<br />

- <strong>im</strong> Vergleich zu früheren Jahren wesentlich<br />

höhere Leerwohnungsst<strong>and</strong>. Besonders drastisch<br />

zeigt sich das· Problem bei den Geschäftsliegenschaften,<br />

und der volkswirtschaftliche Schaden<br />

ist riesengross, wenn man die Abschreibungen<br />

der Banken, die in den letzten Jahren in Milliardenhöhen<br />

lagen, berücksichtigt.» (Sornm, 1996,<br />

S.1).<br />

Damit ist das Spannungsfeld aufgezeigt, in dem sich<br />

die Synthesegruppe GEBÄUDE bewegte: Einerseits<br />

Forderungen nach einer vermehrten Berücksichtigung<br />

ökologischer Anliegen, auf der <strong>and</strong>eren Seite<br />

die Krise der Bau- und Immobilienwirtschaft. In diesem<br />

Spannungsfeld bewegen sich auch die Versuche<br />

der Implementation von Umweltmanagement <strong>im</strong><br />

Bauwesen, mit der sich dieSynthesegruppe GEBÄUDE<br />

beschäftigte. Ein Schlagwort in diesem Zusammenhang<br />

ist «ISO 14001».<br />

1.1 ISO 14001 1<br />

Der künftige H<strong>and</strong>lungsbedarf für ökonomische<br />

wie au~h ökologische Verbesserungen liegt pr<strong>im</strong>är in<br />

der Planung neuer Produkte und Transformations-<br />

I Das Kap. l.I über ISO 14001 entst<strong>and</strong> in enger Zusammenarbeit<br />

mit Prof. Rainer Züst. dem hiermit für seine Unterstützung ganz herzlich<br />

gedankt sei.<br />

prozesse. Dies ist <strong>im</strong> wesentlichen darin begründet,<br />

dass 90-95% der Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungskosten,<br />

die dem Unternehmen über alle<br />

Lebensphasen anfallen, bereits in der Planungs- und<br />

Entwicklungsphase festgelegt werden (vgI. Züst,<br />

199qa und b). In einem ähnlichen Ausrnass verhält es<br />

sich auch mit den Umweltbelastungen. Die unternehmerische<br />

Selbstverantwortung bezüglich der<br />

Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen ist deshalb<br />

von grösster Bedeutung (vgI. Dyllick, 1994;<br />

Plötz & Speerli, 1995).<br />

Von der internationalenH<strong>and</strong>elskammer (lCC) wurde<br />

bereits in der zweiten Hälfte der 80er Jahre das<br />

Modell einer freiwilligen Umweltschutzkontrolle<br />

entwickelt. Damit sollen alle Bereiche eines Unternehmens<br />

durch klare Verfahrensvorschläge für den<br />

Umweltschutz aktiviert werden. Das Prinzip der<br />

freiwilligen Selbstregulierung der Wirtschaft stützt<br />

sich <strong>im</strong> Konzept der Ice auf zwei Grundannahmen<br />

(vgI. ICC, 1991, S. 63):<br />

• Die Selbstregulierung ist bei richtiger Anwendung<br />

häufig wirksamer als die Einführung von Gesetzen<br />

oder Vorschriften. .<br />

• Eine übermässige Zunahme von gesetzlichen oder<br />

behördlichen Regelungen wirkt kontraproduktiv.<br />

Gesetze veraltern zudem schnell und sie können<br />

auch nicht alle Fälle abdecken.<br />

Anfangs der 90er Jahre begann die International'<br />

Organization for St<strong>and</strong>ardization (ISO) <strong>im</strong> Bereich<br />

des Umweltmanagements mit der Normungsarbeit.<br />

Seit 1996 liegt die Norm ISO 14001 «Umweltmanagementsysteme»<br />

vor~ Sie ist bedeutsam für jede<br />

Art von Organisationen. Als «Organisation» bezeichnet<br />

die ISO 1,4001 eine Gesellschaft, eine Körperschaft,<br />

einen Betrieb, ein Unternehmen, eine Behörde<br />

oder Institution sowie Teile oder Kombination<br />

davon, eingetragen oder nicht, öffentlich oder privat,<br />

mit eigenen Funktionen und eigener Verwaltung.<br />

Die ISO 14001 bezweckt in erster Linie die Verbesserung<br />

der unternehmerischen Umweltleistung<br />

bezogen auf ihre Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen<br />

und beinhaltet Anforderungen, die <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Zertifizierung objektiv auditiert werden<br />

müssen.<br />

Das Umweltmanagementsystem (nach ISO 14001,<br />

1996 bzw. CEN, 1996, Anhang Al) sollte die Organisation<br />

in die Lage versetzen,<br />

• eine für sie angemessene Umweltpolitik einzuführen;<br />

• die spezifischen Umweltaspekte zu ermitteln, die sich<br />

aus früheren, laufenden oder geplanten Tätigkeiten,<br />

Produkten und Dienstleistungen der Organisation<br />

ergeben, um die bedeutsamen Umweltauswirkungen<br />

festzustellen;<br />

• die relevanten rechtlichen Forderungen zu ermit"<br />

teln;<br />

I~<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

281


Gebäude ---: _<br />

• Prioritäten zu. setzen und geeignete umweltbezogene<br />

Zielsetzungen undEinzelziele festzulegen;<br />

• eine Organisationsstruktur und ein oder mehrere<br />

Umweltprogramme einzuführen, um die Umweltpolitik<br />

zu <strong>im</strong>plementieren und die umweltbezogenen<br />

Zielsetzungen und Einzelziele zu erreichen;<br />

• Planung, Lenkung, Überwachung, Korrekturmassnahmen,<br />

Audit- und Bewertungsverfahren zu erleichtern,<br />

um sicherzustellen, dass sowohl die Umweltpolitik<br />

erfüllt wird, als auch das Umweltmanagement­<br />

SYl;)tem angemessen bleibt;<br />

• sich an sich verändernde Umstände anpassen zu<br />

können. Es gilt der Grundsatz der kontinuierlichen<br />

Verbesserung.<br />

Die Norm ISO 14001 besitztu.a. zwei Besonderheiten,<br />

die die Eigenschaften eines Umweltmanagementsystems<br />

wesentlich beeinflussen. Das Unternehmen<br />

muss einerseits die bedeutenden spezifischen<br />

Umweltaspekte aus seinen Tätigkeiten,<br />

.Produkte und Dienstleistungen - bezogen auf die<br />

entsprechenden lokalen; regionalen und globalen<br />

Umweltprobleme - selbst best<strong>im</strong>men. Diese Beurteilung<br />

geschieht auf Basis von Elementarflüssen.<br />

Diese Resultate sind notwendig, damit· eine um-<br />

Überprüfung durch die oberste<br />

Leitul1g<br />

Überwachung und<br />

Korrekturmassnahmen<br />

- Überwachung u.nd Messung<br />

- Abweichungen. Korrektur- und<br />

VOlSorgemassnahmen<br />

- Aufzeichnungen und Protokolle<br />

- UMS-Audits<br />

Plal1ung<br />

• Umweffspezifische Aspekte<br />

- RechUiche und <strong>and</strong>ere Anforderungen<br />

- Zielsetzungen und Ziele<br />

• Umweffmanagementprogramme<br />

Durchführung<br />

Umweltpolitik<br />

Abb. 1.1 Modellfür die Implementation eines Umweltmanagementsystems nach/SO 14001 (GEN, 1995,<br />

S. 5). Deutlich wird der Grondsatz der kontinuierlichen Verbesserong.<br />

fassende und nicht nur punktuelle Umweltpolitik<br />

erstellt und wirkungsvolle Massnahmen best<strong>im</strong>mt<br />

werden können. Andererseits sollen kontinuierliche<br />

Verbesserungen des Umweltmanagementsystems zu<br />

weiteren Verbesserungen der umweltorientierten<br />

Leistung führen (vgl. Abb. 1.1). In der Praxis sind<br />

deshalb vertiefte Kenntnisse über das Unternehmen,<br />

die Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen<br />

nötig.<br />

1.2<br />

UmweltspezifischeAspekte in der<br />

Bauplanung und die Fragestellung der<br />

Synthesegruppe GEBÄUDE<br />

Eine Grundaussage der UNS-Fallstudie '95 «Umwelt<br />

und Bauen» lautete: Will man umweltspezifische<br />

Aspekte berücksichtigen, so müssen sie möglichst<br />

früh in die Planung einbezogen werden; denn<br />

in der Planung werden die richtungsweisenden Entscheide<br />

getroffen (Scholz et al., 1996; Scholz, 1996b).<br />

Die Bedeutung der Planung <strong>im</strong> Bauwesen kann nicht<br />

hoch genug eingeschätzt werden (IP Bau, 1994).<br />

Fragen wir nach den umweltspezifischen<br />

Aspekten<br />

der Bauplanung, so müssen<br />

wir uns mit der Tatsache<br />

ausein<strong>and</strong>ersetzen, dass Gebäude<br />

in' einem Lebenszyklusstehen.<br />

Gebäude<br />

werden geplant, gebaut, ge-<br />

- nutzt, vielleicht mehrmals<br />

umgenutzt, um schliesslich<br />

abgebrochen zu werden.<br />

Alle diese 'Phasen umfassen<br />

eine grosse Zeitspanne. Die<br />

Lebensdauer der Gebäude,<br />

die derzeit <strong>im</strong> ZZN errichtet<br />

werden, kann die Lebensdauer<br />

ihrer Erbauer deutlich<br />

Überschreiten. Im Impulsprogramm<br />

«IP Bau» des<br />

Bundesamtes für Konjunk~<br />

turfragen verglich man den<br />

Lebenszyklus eines Gebäudes<br />

und die Kosten für<br />

der Bauteilgruppen sogar<br />

für einen Zeitraum von 120<br />

Jahren.<br />

Aus umweltnatur'\vissenschaftlicher<br />

Sicht wäre es<br />

wünschenswert, dass der/die<br />

PlanerIn zu jedem Strich seines/ihres<br />

Planungsentwurfes<br />

sieht, welche Auswirkungen<br />

282 UNS-Fallstudie '96


_____--:-<br />

Gebäude<br />

auf die Umwelt damit verbunden wären (vgI. Scholz<br />

et al., J 996, Kap. Einleitung); aus Sicht des Planers<br />

bzw. der Planerin sind <strong>and</strong>ererseits nur einfache,<br />

praktikable Massgaben annehmbar, die zudem die<br />

Planung als «kreativen Prozess» nicht einschränken.<br />

Dies muss kein Widerspruch sein. Je nach «Fokus»<br />

oder «Auflösung» der Fallbetrachtung erhalten die<br />

einzelnen «Striche» <strong>and</strong>eres Gewicht: mal sieht man<br />

die Umwelteinwirkungen einzelner Gebäude, mal<br />

die Grundzüge der <strong>Stadt</strong>entwicklung oder der Unternehmenspolitik.<br />

Mit diesen verschiedenen Sichtweisen musste sich<br />

die Synthesegruppe GEBÄUDE konkret ausein<strong>and</strong>ersetzen.<br />

Die Idee des Lebenszyklus' von Gebäuden<br />

bildete den Ausgangspunkt der Fragestellung der<br />

Synthesegruppe GEBÄUDE: Wie können die umweltspezifischen<br />

Aspekte, die sich in den Gebäude­<br />

Lebenszyklen finden lassen, in ein gesamthaftes<br />

Umweltmanagement in der Bauplanung integriert<br />

werden? Und welchen Anteil können daran die<br />

Umweltnaturwissenschaften haben?<br />

I<br />

l-<br />

I<br />

I I<br />

Kosten 1.2· Lebenszyklus eines Gebäudes unddie Teilprojekte der Synthesegroppe<br />

Gebäude.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

283


Gebäude ...,.- ...,.- --'- _<br />

2. Der Fall: «Ententeich", TORO I<br />

und die ABB-Umweltpolitik<br />

Von den vielen bestehenden und geplanten Gebäuden<br />

wurden zwei für eine nähere Betrachtung ausgewählt:<br />

• Das Projekt «Ententeich», als Beispiel einer geplanten<br />

Umnutzung, einem. <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit dem ZZN aus ökologischer Sicht brisanten<br />

Thema. Der «Ententeich» wird in den weiteren<br />

Betrachtungen klar <strong>im</strong> Vordergrund stehen.<br />

• Das Projekt «TaRO h, als Beispiel eines Büroneubaus,<br />

der sich in der AusfÜhrung befindet.<br />

Zum Fall gehören aber nicht nur die Gebäude<br />

sondern auch die Umweltpolitik der ABB. Sie ist<br />

Rahmen und - nach ISO 14001 - auch Voraussetzung<br />

für ein Umweltmanagement.<br />

2.1 Der «Ententeich» und der<br />

Umnutzungsentscheid<br />

Der Name «Ententeich» rührt, wie sich leicht erahnen<br />

lässt, von einem Ententeich, der der Bebauung<br />

weichen musste. Das Gebäude «Ententeich»<br />

wurde 1951 ursprünglich als Industriegebäude gebaut<br />

und benutzt. Dort wurden Maschinenteile<br />

Bauherrin<br />

(ABB Immobilien AG)<br />

/<br />

'"<br />

Architekturbüro<br />

Generaluntemehmer<br />

(Max Schönenberg u. Partner) (Gianesit Hofmann)<br />

Abb. 2.1.4 Beteiligte Akteure am Projekt -Ententeich•.<br />

hergestellt. 1963 wurde das Gebäude um ein Stockwerk<br />

erweitert. In den späten 80er Jahren wurde der<br />

«Ententeich» zu einem Bürogebäude umgenutzt.<br />

Die hohen Räume dieses Industriebaues wurden<br />

nicht mehr gebraucht, und es wurden Zwischenböden<br />

eingebaut. Damit wurde das Gebäude sechsstöckig.<br />

per «Ententeich» besitzt drei Erschliessungstürme<br />

auf seiner Westseite. Das Gebäudevolumen<br />

beträgt etwa 38'000 m 3 • .<br />

Der bestehende «Ententeic;h» wurde in eine Industriel<strong>and</strong>schaft<br />

gebaut. Die Architektur des «Enten-<br />

. teichs» spiegelt auch die Architektur der ihn um- .<br />

gebenden Gebäude wider (vgl. Abb. 2.1.1 bis 2.1.3).<br />

Das Umfeld des «Ententeichs» wird durch den<br />

Gesamtplan <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> entscheidend<br />

Abb. 2.1.1 Gesamtansicht des -Ententeichs" urspriinglich ein Industriebau zurProduktion von Maschinenteilen (Bild: Mischa Judex),<br />

284 UNS-Fallstudie '96


i! In<br />

..;.,<br />

~<br />

rn<br />

2Cl.<br />

·23.97 LIFTHOTOREtlRAUH<br />


Gebäude -'-- -'-- '-<br />

verändert. Es wird voraussichtlich als einziges altes<br />

Gebäude <strong>im</strong> Areal bestehen bleiben. Durch die piazierung<br />

des öffentlichen Parks <strong>im</strong> Westen wird sich<br />

die Wirkung des Gebäudes verändern: Es kommt<br />

repräsentativ an der farkseite zu stehen.<br />

Der «Ententeich» besitzt als Tragstruktur ein<br />

Betonskelett, weIches sich in einem guten Zust<strong>and</strong><br />

befindet. Eine Umnutzung in ein Wohngebäude ist<br />

von der Tragfahigkeit her kein Problem. Dies gab<br />

unter <strong>and</strong>erem den Aus~chlag für eine Umbauentscheidung.<br />

Die Stockwerkhöhe <strong>im</strong> Erdgeschoss und<br />

<strong>im</strong> ersten Stock ermöglicht den Einbau einer Galerie;<br />

dadurch werdenzweigeschossige Wohnungen<br />

ermöglicht (vgl. Abb. 2.1.3). In den <strong>and</strong>eren Stockwerken<br />

reicht die Geschosshöhe dafür nicht aus, was<br />

in überdurchschnittlichen Raumhöhen resultiert.<br />

1992 wurde ein öffentlicher Ideenwettbewerb<br />

ausgeschrieben, weIcher Lösungen zur anstehenden<br />

Gestaltung der von Baustruktur freien Räume<br />

und der eventuell verwendbaren Altbausubstanz<br />

erbringen sollte. Damals war das Gebäude «Ententeich»<br />

bereits zur Umnutzung vorgesehen. Es war<br />

allerdings eine Mischnutzung geplant. Die Idee der<br />

ABB, einer Zwischennutzung für eigene Bürobedürfnisse,<br />

wurde wieder verworfen.<br />

Im Frühjahr 1995 erteilte die ABB Immobilien AG<br />

den Auftrag zu einer Vorstudie, die den «Ententeich"<br />

.als Wohngebäude vorsah. Ein provisorischer<br />

Entscheid fiel zugunsten der Vorprojektstudie von<br />

Max Schönenberg u. Partner.<br />

2.2 Die Baustelle TORO I<br />

Aufdem mit Altlasten kontaminierten «Stierenried»<br />

entstehen die Gebäude TORO I und 11. Der Name<br />

«Toro» Oat. taurus = Stier) ist in Anspielung auf<br />

das Stierenried gewählt. Das Stierenried wurde bereits<br />

<strong>im</strong> Kap. ALTLASTEN vorgestellt. TaRO ist das erste<br />

Projekt, das auf dem ZZN-Areal realisiert wird.<br />

TaRO I wird ein fürifgeschossiges Bürogebäude mit<br />

integriertem Parkhaus (vgl. Abb. 2.2), TaRO 11 eine<br />

Produktionshalle für total über 1200 Beschäftigte.<br />

Das Investitionsvolumen für TaRO beträgt rund<br />

130 Millionen Franken (TaRO Info 1/95, S.1).<br />

TaRO I befindet sich in einer fortgeschrittenen<br />

Abb. 2.2 TORO I, ein fünfgeschossiges Bürogebäude mit integriertem Parkhaus, das erste Projekt, das aufdem ZZN-Areal realisiert wird (lJild: Gomet<br />

Photo AG, Zürich).<br />

286 UNS-Fallstudie '96


__________________________________________Gebäude<br />

Phase des Ausbaues, bei TaRO 11<br />

wird zur Zeit der Rohbau fertiggestellt.<br />

Edwin Somm, Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />

der ABB Schweiz, bezeichnet<br />

TaRO als «Jahrhundertwerk»:<br />

«TORO ist das erste Projekt <strong>im</strong><br />

Rahmen der geplanten Um- und<br />

Neunutzung der Industrieareale in<br />

Zürich-Oerlikon. Die städtebaulichen<br />

und planungsrechtlichen Leitplanken<br />

für dieses Jahrhundertwerk<br />

wurden gemeinsam von Behörden<br />

und Grundeigentümern, unter Federführung<br />

des Bauamtes 11, mit<br />

dem «Entwicklungsleitbild <strong>Zentrum</strong><br />

Zürieh <strong>Nord</strong>» und den Sonderbauvorschriften<br />

ZZN entwickelt und definiert.<br />

TaRO und «<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong>» gehören untrennbar zusammen.»<br />

(TaRO Info 1/95 S. 1).<br />

Das Projekt TaRO wird von der ABB<br />

Schweiz und einer Investorengemeinschaft<br />

getragen. Die Projektleitung wurde<br />

der Oerlikon-Bührle Immobilien AG als<br />

Totalunternehmerin 2 übertragen.<br />

2.3 Die Umweltpolitik der ABB<br />

Für das Jahr 1995 veröffentlichte die<br />

ABB einen «Environmental Management.<br />

Report», ihren zweiten jährlichen<br />

Umweltbericht auf Konzernebene. 3 Dort<br />

wird die Umweltpolitik der ABB explizit<br />

definiert. Für die ABE als Industrieunternehmen<br />

<strong>im</strong> Energiesektor ist ein<br />

Kernelement der Begriff der «ÖkoeffizIenz»:<br />

«Eco-efficiency combines ecology<br />

<strong>and</strong> economy <strong>and</strong> translates the<br />

vision of sustainable development<br />

into a process of continually <strong>im</strong>proving<br />

both environmental performance<br />

<strong>and</strong> business performance... In ABB,<br />

eco-efficiency .is the goal for our<br />

processes <strong>and</strong> products througho,ut<br />

their life cycles, from design through<br />

use, reuse, disposal <strong>and</strong> recycling.»<br />

(ABB, 1996a, S. 5).<br />

Kosten 2.3 Interview mit Andreos Steiner, ABB Schweiz, über die Einjührong der Nonn<br />

ISO 14001.<br />

2 «Totalunternehmer. beschreibt ein best<strong>im</strong>mtes Vertragsverhältnis, in dem der Bauherr für die gesamte Planung und Bauausführung eine einzige Unternehmung.beauftragt.<br />

Ein «Genetalunternehmer. wird i.d.R. für die Bauausführung beauftragt, nicht jedoch für die Planung.<br />

3 Jucker (1996) hat die Umweltberichte von Schweizer Unternehmen analysiert und festgestellt, dass diese vornehmlich von Fachpublikum gelesen<br />

werden; Jucker empfiehlt zielgruppenspezifische Umweltberichte.<br />

4 Am 10.9.96 hat die Geschäftsleitung der ARR Immobilien AG entschieden, sich bis 1998 ISO 14001 zertifizieren zu lassen.<br />

UNS-Fallstudie '96 287


Gebäude -'-- ~_-----'---- _<br />

Im Umweltbericht der ABB Schweiz führt Andreas<br />

Steiner, Mitglied der Geschäftsleitung der ABB<br />

Schweiz, dazu aus:<br />

«Ökoeffizient ist ein Unternehmen, wenn es<br />

hochwertige Produkte mit einem min<strong>im</strong>alen<br />

Verbrauch an Rohstoffen oder Energie hersteIft.<br />

Ökologie und Wirtschaftlichkeit sind kein<br />

"Widerspruch mehr. Sie gehen H<strong>and</strong> in H<strong>and</strong>:<br />

Denn der schonende Umgang mit der Natur ist<br />

auch ein schonender Umgang mit der Ressource<br />

Geld. Je weniger Strom, Gas und Öl wir benötigen,<br />

um eine Gasturbine herzustellen, um so<br />

weniger belasten wir die Umwelt und um so<br />

niedriger sind unsere Kosten. Beides nützt dem<br />

Kunden. Ökoeffizienz wird in den nächsten<br />

Jahren zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor<br />

werden.» (ABB, 1996b, S. 2-3).<br />

.<br />

Und er fügte hinzu:<br />

«Bis 1998 wollen alle Tochtergesellschaften<br />

das Gütesiegel der Umweltnorm ISO 14001 erhalten».<br />

Wir befragten Herrn Steiner zum Umweltmanagement<br />

bei der ABB Schweiz <strong>im</strong> allgemeinen und der<br />

ABB Immobilien AG <strong>im</strong> besonderen (siehe Kasten<br />

2.3).<br />

3. Grundlagen:<br />

Ökologie und Umwelt- "<br />

management <strong>im</strong> Bauprozess<br />

3.1 Die (planerische) Perspektive des '<br />

Umweltmanagements<br />

Mit dem Begriff des Umweltr,nanagements verbindet<br />

man die gezielte Erfassung und Verminderung ökologischer<br />

Belastungen und Risiken in allen Tätigkeitsbereichen<br />

der Unternehmung und über alle<br />

Stufen der ökologischen Produktlebenszyklen hinweg<br />

- von der Rohstoffgewinnung ganz am Anfang,<br />

über die Produktion, die Distribution, den Konsum<br />

bis zur Entsorgung der Produktrückstände am Ende<br />

des «Produktlebens» (vgl. Dyllick, 1990).<br />

Mit dem Umweltmanagement wird die Selbst~<br />

best<strong>im</strong>mung und Selbstverantwortung der Unternehmen<br />

in Umweltangelegenheiten gefördert. Ein<br />

Unternehmen kann sich selbständig umsetzbare und<br />

nachprüfbare Umweltziele setzen und diese umsetzen.<br />

Damit wird VQn einem reaktiven Verhalten zu<br />

einem aktiven Verhalten übergegangen. Umweltprobleme<br />

<strong>im</strong> Unternehmen werden rechtzeitig erkannt<br />

und es können planvoll geeignete Massnahmen zur<br />

Problembewältigungergriffen werden.<br />

Wie auch be<strong>im</strong> Qualitätsmanagement entst<strong>and</strong> das<br />

Umweltmanagement aus dem Bedürfnis, die Umweltleistungen<br />

verschiedener Unternehmen einer<br />

Branche bewerten zu können. Dies ist am einfachsten<br />

möglich, wenn die angewendeten Verfahren<br />

st<strong>and</strong>ardisiert werden. Als Ergänzung zur der seit<br />

längerem bestehenden Qualitätsmanagement-Norm<br />

ISO 9001 wurde auf internationaler Ebene die Umweltmanagement-Norm<br />

ISO 14001 erarbeitet. Parallel<br />

dazu hat die Europäische Union die Norm EMAS<br />

eingeführt (Environmental Management <strong>and</strong> Audit<br />

Scherne), welche sich inhaltlich weitgehend mit ISO<br />

14001deckt (vgl. Dyllick, 1994).<br />

Für die Erstellung und die Anwendung eines<br />

.Umweltmanagerrientsystems werden Zertifikate erteilt:<br />

Die Leistungsfähigkeit einer Firma <strong>im</strong> Bereich<br />

Umwelt wird in regelmässigen, meistens dreijährlichen<br />

Intervallen laufend getestet. Die Prüfungen,<br />

«Audits», genannt, tragen dazu bei, dass die Umweltleistung<br />

laufend verbessert wird. In der Schweiz<br />

waren bis <strong>im</strong> Mai 1996 einige Dutzend Unternehmungen<br />

aufgrund des Normentwurfs ISO 14001<br />

zertifiziert, jedoch noch keine aus der Planungs- oder<br />

Baubranche.<br />

Umsetzullg VOll Umweltmallagemellt - eill Modell<br />

Das Basler Öko-Controlling-Konzept stellt, auf der<br />

Basis von EMAS und ISO 14001, ein entsprechendes<br />

288<br />

UNS-Fallstudie '96


-------------------------------_~<br />

Gebäude<br />

Managementkonzept für Einzelbetriebe<br />

vor (Schaltegger &<br />

Sturm, 1995), Es hilft bei<br />

der Analyse von ökologischen<br />

Schwachstellen <strong>im</strong> Betrieb und<br />

unterstützt die ausführenden<br />

ManagerInnen bei Planung,<br />

Steuerung und Kontrolle der<br />

Umwelteinwirkungen und unterscheidet<br />

fünf Module (siehe<br />

Abb. 3.1). Zur Erfassung von<br />

ökologisch wirksamen Stoff- und<br />

Energieflüssen von Unternehmen<br />

wird in der Praxis das Konzept<br />

der Schadschöpfung angewendet.<br />

Sie ist das Korrelat zur<br />

Wertschöpfung und wird definiert<br />

als .die Summe aller durch betriebliche<br />

Wertschöpfungs- bzw.<br />

Leistungsprozesse verursachten<br />

und nach ihrer relativen ökologischen<br />

Schädlichkeit beurteilten<br />

Stoff- und Energieflüsse.<br />

Abb. 3.1 Aufbau eines Umweltmanagementsystems (UMS), aufgeteilt in fünf Module (nach Sehaltegger<br />

& Sturm, 1995).<br />

Die in Abb. 3.1 dargestellten Module seien <strong>im</strong><br />

folgenden genauer erläutert:<br />

Modul Ziele:' Grundlage des Öko-Controlling sind<br />

Ziele. Sie haben Koordinations-, Steuerungs- und<br />

Kontrollfunktion.<br />

Modul Information: Hier geht es um die Erfassung<br />

von Stoff- und Energieflüssen einerseits und die<br />

Ermittlung von Umweltkosten <strong>and</strong>ererseits.<br />

Modul Entscheidung: Die Rohdaten müssen in der<br />

Regel noch entscheidungsorientiert aufbereitet, d.h.<br />

gewichtet und zusammengefasst werden. Dies ist<br />

Aufgabe des/der Öko-Controllerln bzw. des Öko­<br />

Controlling-Stabs. Die Aufbereitung erfolgt in zwei<br />

zusammenhängenden Schritten, nämlich der Beur­<br />

·teilung der Daten sowie der Bildung von Indikatoren<br />

und Indizes. Die daraus erhaltenen Umweltkennzahlen<br />

sind Massstäbe für die verursachte Schadschöpfung,<br />

die nun in Relation zu ökonomischen Grössen<br />

gesetzt werden kann.<br />

Modul Steuerung und Umsetzung: Nachdem aufgrund<br />

der beurteilten Inventardaten die Prioritäten bezüglich<br />

der ökologischen H<strong>and</strong>lungsfelder (z.B. Treibhauseffekt)<br />

festgelegt wurden, müssen Steuerungsgrössen,<br />

operative Vorgaben bzw. Erfolgsmassstäbe<br />

(Benchmarks) sowie Massnahmen, Termine und<br />

Budgets festgelegt werden.<br />

Modul Kommunikation: Untern<strong>im</strong>mt eine Firma<br />

Umweltschutzanstreng<strong>im</strong>gen, so soiIen diese kommuniziert<br />

werden. Entscheidend ist dabei die Frage,<br />

mit. wem, weshalb, was, wie, wann kommuniziert<br />

werden soll. Wesentlich ist, dass die vermittelten<br />

Informationen Antworten auf Fragen geben, die<br />

von den Anspruchsgruppen auch tatsächlich gestellt<br />

werden.<br />

Das BaslerÖko-Controlling-Konzept stellt ein <strong>im</strong>plementiertes<br />

Umweltmanagementsystem dar. 5 Dieses<br />

Modell steht in der Tradition einfacher (aber praxisorientierter)<br />

Management- und Planungsmodelle. Es<br />

wird uns <strong>im</strong> weiteren Text als ein Orientierungspunkt<br />

dienen. Die Frage, die sich für die Umweltnaturwissenschaften<br />

stellt, ist: Wo könnte in einem<br />

solchen Modell ihr Beitrag liegen? Für das Modell<br />

scheint die Antwort klar: Die Umweltnaturwissenschaften<br />

liefern die Inforrnation. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive stellt sich die Frage<br />

der Umweltinformation etwas <strong>and</strong>ers dar.<br />

3.2 Die umweltnaturwissenschaftliche<br />

Perspektive: Umweltziele und<br />

ökologische Kriterien<br />

Wenn in dem Modell für ein Umweltmanagementsystem<br />

von «Rohdaten» die Rede ist, die unmittelbar<br />

in eine Entscheidung einfliessen, so ist das aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive' eine verkürzte<br />

Sicht. Es stellt sich nämlich das Problem der<br />

Bewertung: Umweltdaten müssen nach ökologischen<br />

Gesichtspunkten bewertet und gewichtet werden;<br />

die bewerteten Daten enthalten ein guten Teil an<br />

5 Zur betriebsorganisatorischen Frage der Implementation vgl. z.B. Plötz<br />

& Speerli (I995).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

289


Gebäude -'-- _<br />

ProblemlSystem<br />

(initial focal variable)<br />

Perzeptoren<br />

(Elemente der Ökobilanz)<br />

Wahrnehmung!<br />

Bewertung!<br />

Erkenntnis<br />

(terminal focal<br />

variable)<br />

Fall, System,<br />

Gegenst<strong>and</strong>,<br />

Variante,<br />

Alternative<br />

Ökobilanz,<br />

Bewertung<br />

Abb. 3.2.1 VOflfehen ei"er Okobila"z i" der A"wendrmg, daflfestellt am «Bro"swikschen Li"senmodell»: Ei" Fall (Ii"ker<br />

Kasten) wirdmittels der Okobila"z-Kriterien (mittlere Kästen) bewertet; das Eflfeb"is istei"e Gesamtsicht, die Okobila"z (rechter<br />

Kasten). Die Okobila"z hilft, wie ei"e L<strong>im</strong>e oder ci" Prisma den betrachteten FallaufzuschlüsseI" u"ddie Bewertu"g wiederum<br />

i" ci"em Mass (der Umweltbel~tu"g) bzw. ei"igen wenigen Massen zu verdichte" (aus Scholz & Tietje, 1996, S. 49).<br />

interessante<br />

Freizeitmöglichkeiten<br />

Erhalt von<br />

QualitätIAnzahl<br />

Arbeitsplätze<br />

j..----./<br />

angemessene<br />

Kapitalverzinsung<br />

ausgeprägte<br />

Nutzungsdurchmischung<br />

Fördern<br />

ökolog.<br />

Bewusstseins<br />

<strong>im</strong> Bauwesen<br />

Erhalt der<br />

St<strong>and</strong>ortatlraktivität<br />

quantitativ~ GeWässerschUtz<br />

naturnahes Areal<br />

Fördern des Wissens um<br />

Wechselwirkungen, etc.<br />

(allgJBauen)<br />

Biozönose<br />

(Vielfalt und<br />

St<strong>and</strong>ortgerechtigkeit)<br />

qualitativ<br />

keine anthropogen<br />

verursachte<br />

Kl<strong>im</strong>averänderung<br />

Ressourcenschonung<br />

bei.der<br />

MaterialhersteIlung<br />

be<strong>im</strong><br />

Energieverbrauch<br />

bei der<br />

Energieprodul


--------_----_~ - Gebäude<br />

Theorie undtheoriegeleiteten Schätzungen. Ökologische<br />

Kriterien, z.B. die Versiegelung und Flächeninanspruchnahme<br />

durch Bauvorhaben, müssen<br />

in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden.<br />

Dies geschieht z.B. in einer Ökobilanz. Abb. 3.2.1<br />

zeigt in einem Linsenmodell, wie eine Ökobilanz zu<br />

einer Bewertung führt. Das Linsenmodellgibt uns den<br />

Orientierungspunkt für ein Verständnis der umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Perspektive.<br />

Die Sichtweise der Umweltnaturwissenschaften<br />

orientiert sich an den natürlichen Stoffkreisläufen<br />

(z.B. Baccini & Bader, 1996). Umweltziele sind in<br />

dieser Hinsicht abgeleitete Grössen, auch wenn sie<br />

be<strong>im</strong> Umweltmanagement - auch auf kommunaler<br />

Ebene oder in der Gesetzgebung - an vorderer Stelle'<br />

stehen müssen. Solche Ziele zu best<strong>im</strong>men und<br />

dafür messbare Grössen zu entwickeln ist eine<br />

Aufgabe der Umweltnaturwissenschaften. Da bei<br />

«Umweltzielen» soziale und wirtschaftliche Überlegungen<br />

hineinspielen müssen, kommen die Umweltnaturwissenschaften<br />

um eine «ganzheitliche»<br />

Sichtweise nicht herum - und bewegen sich nicht<br />

<strong>im</strong>mer auf sicherem Terrain.<br />

Die Norm ISO 14001 gibt wohlweislich keinerlei<br />

inhaltliche Umweltziele vor. Die Umweltziele einer<br />

Unternehmung ergeben sich aus der generellen<br />

Umweltpolitik und einer Analyse der umweltspezifischen<br />

Aspekte der Unternehmung. Die UNS­<br />

Fallstudie '95 «Umwelt und Bauen>; hat versucht,<br />

sowohl die Ziele der Bauherrschaft als auch mögliche<br />

Umweltziele zu best<strong>im</strong>men (vgI. Abb. 3.2.2). Ähnliche<br />

Indikatoren für «Nachhaltigkeit» in der Bauwirtschaft<br />

finden sich in der neuerl «Infras»-Studie,<br />

d.h. einer neuen Studie der Koordinationsgruppe des<br />

Bundes für Energie- und Ökobilanzen (1996, S. 17ff)<br />

zur «Nachhaltigkeit des Bauens in der Schweiz».<br />

, 3.3 Auf dem Weg zu einer Perspektiven­<br />

Synthese: Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung<br />

und das Ökologie-Planungs-Problem<br />

Statt konkreter Umweltziele nennt die ISO 14001­<br />

Norm ein Grundp~inzipfür ein Umweltmanagement,<br />

nämlich die kontinuierliche Verbesserung. Dieses<br />

Prinzip hat auch <strong>im</strong> bereits zitierten Umweltbericht<br />

des ABB-Konzerns Niederschlag gefunden; als zentral<br />

wird dort der Begriff der «Eco-efficiency» bzw.<br />

«Ökoeffizienz» geh<strong>and</strong>elt. Der Begriff der «Ökoeffizienz»<br />

hat den Nachteil, dass bei einer systematischen<br />

Unterscheidung zwischen Effizienz und<br />

Effektivität ein wichtiges Element der Ökoeffizienz<br />

fortzufallen droht. Effektivität meint: die gesetzten<br />

Ziele werden erreicht. Effizienz meint: die Zielerreichung<br />

erfolgt. unter sparsamem Einsatz der<br />

Mittel. Ein Blumenbeet mit einem Bagger umzugraben,<br />

mag effektiv, also wirkungsvoll sein; (ökologisch)<br />

effizient ist es.nicht. «Ökoeffizienz», so betrachtet,<br />

würde nur nach dem Mitteleinsatz<br />

(Effizienz), nicht jedoch nach den unmittelbar erwünschten<br />

Umweltwirkungen fragen (Effektivität).<br />

Auch Masse. für ökologische Schadschöpfung, wie sie <strong>im</strong><br />

Umweltmanagement vorgesehen sind, betonen eher<br />

die Effizienz und lassen die erwünschten Umwelteffekteundefiniert.<br />

6<br />

Ökologische Opt<strong>im</strong>ierullg<br />

Kontinuierliche Verbesserung kann auch durch «ökologische<br />

Opt<strong>im</strong>ierung» erreicht werden. Mathematisch<br />

gesehen bedeutet Opt<strong>im</strong>ierung die Suche nach<br />

einem Extremwert einer Funktion mehrerer Veränderlicher<br />

- z.B. der Indikatoren für Nachhaltigkeit.<br />

Die Abhängigkeit dieser Zielfunktion von den Variabien<br />

muss dabei mathematisch eindeutig best<strong>im</strong>mt,<br />

d.h. formal best<strong>im</strong>mt sein. In der Praxis ist eine<br />

solche Bedingung nicht <strong>im</strong>mer erfüllt. Das Wort<br />

«Opt<strong>im</strong>um» entstammt dem Lateinischen und meint<br />

«Das Beste» <strong>im</strong> Unterschied zum (bloss) numerisch<br />

«Grössten», das mit dem Wort «Max<strong>im</strong>um» bezeichnet<br />

wird.<br />

Für die ökologische Opt<strong>im</strong>ierung betrachten wir das<br />

Verhältnis 'von negativen bzw. positiven Umweltauswirkungen<br />

und finanziellem Nutzen bzw. Aufw<strong>and</strong><br />

einer betrieblichen Tätigkeit. Im Sinne einer<br />

kontinuierlichen Verbesserung könnte man die ökologische<br />

Opt<strong>im</strong>ierung wie folgt verstehen: Max<strong>im</strong>ierung<br />

des Verhältnisses zwischen ökologischem<br />

Mehrnutzen und dem dazu nötigen Mehraufw<strong>and</strong>.<br />

Demnach gilt es für das Umweltmanagement, einen<br />

max<strong>im</strong>alen Umweltnutzen (Effekt) unter effizientem<br />

Mitteleinsatz zu erreichen.<br />

Opt<strong>im</strong>ierung ist manchmal nur als Prozess praktikabel.<br />

In best<strong>im</strong>mten mathematischen Opt<strong>im</strong>ierungsansätzen<br />

gibt es neben Lösungen mit Hilfe von<br />

geschlossenen Formeln auch Verfahren der Iteration.<br />

Dabei wird ein Startwert mit schrittweisen Verbesserungen<br />

einem opt<strong>im</strong>alen Wert angenähert. Eine<br />

Opt<strong>im</strong>ierung in der Praxis wird Iterationsverfahren<br />

ähneln müssen. Dabei gilt es allerdings zu beachten,<br />

dass, wie in der Mathematik, nicht in jedem Fall das<br />

wirkliche Opt<strong>im</strong>um gefunden werden kann. In der<br />

Mathematik ist zum einen ein geeigneter Startwert,<br />

<strong>and</strong>ererseits auch die Effizienz des Verfahrens<br />

wesentlich. Auf praktische Probleme übertragen<br />

bedeutet dies, dass entsprechende Verbesserungs-<br />

6 Genaugenommen müsste man zwischen Effektivität, (ökonomischer)<br />

Effizienz und (ökologischer). Verhältnismässigkeit unterscheiden<br />

(Scholz, 1996a). Demnach könnte es durchaus (ökonomisch gesehen)<br />

effizient sein, für ein Blumenbeet einen Bagger zu gebrauchen; die Umweltauswirkungen<br />

wären jedoch nicht verhältnismässig.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

291


Gebäude<br />

_<br />

80.<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Möglichkeit<br />

Kosten zu<br />

beeinflussen<br />

Vorbere~g.<br />

Ausführung<br />

Abb. 3.3.1 Zeit-Wirkungs-Kurve: Am Anfong- in der Plonungsphose - istder Entscheidungsspielroum<br />

omgrössten. Diegrossten Kostenfolgen hingegen in den späteren Phosen des Gebäude-Lebenszyklus' (noch<br />

Koordinotionsgroppe des Bundes für Energie- und Ökobilonun, 1994, S. 13).<br />

strategien selber auch optImIert werden können.<br />

Zum <strong>and</strong>eren sind sinnvolle Ansatzpunkte wichtig.<br />

Das Ökologie·Planungs-Problem<br />

Die Kriterien einer Ökobilanz leiten sich direkt aus der<br />

Analyse von Umweltproblemen ab. Beispiele dafür<br />

sind der Treibhauseffekt (Emission von<br />

Treibhausgasen) oder Radioaktivität. Wir<br />

wollen solche Kriterien <strong>im</strong> weiteren als<br />

ökologische Kriterien· <strong>im</strong> engeren Sinne bezeichnen<br />

und sie von abgeleiteten Kriterien<br />

wie der Ökoejfizienz oder Massen zur<br />

ökologischen Opt<strong>im</strong>ierung und ökologischen<br />

Schadschöpfung unterscheiden. Welche<br />

Stellung können nun ökologische Kriterien<br />

in der Bauplanung haben? Betrachten<br />

wir hierzu den Bauablauf und die<br />

sogenannte «Zeit-Wirkungs-Kurve» (vgl.<br />

Abb. 3.3.1 und 3.3.2). Es zeigt sich, dass<br />

der Entscheidungsspielraum am Anfang<br />

eines. Bauprojektes grösser ist als gegen<br />

Ende. Mit Fortschreiten des Projektes<br />

sind die Entscheidungen der vorangegangenen<br />

Pla.nungsschritte nur noch mit<br />

zunehmend <strong>im</strong>mer grösserem Aufw<strong>and</strong><br />

korrigierbar.<br />

Erschwert wird die Situation durch die<br />

Arbeitsteiligkeit <strong>im</strong> Baugewerbe. Bauherrschaft,<br />

Planung und Bauausführung<br />

liegen selten in einer H<strong>and</strong>, ganz zu<br />

schweigen vom Rückbau. Diese Abgrenzung<br />

von Entscheidungskompetenzen<br />

macht es dem/der Planerln nicht leicht,<br />

I<br />

alle Aspekte - inklusive der<br />

umweltspezifischen Aspekte ­<br />

<strong>im</strong> Blick zu behalten.<br />

Für die B~reiche des Bauwesens<br />

gibt es ökologische Kriterien,<br />

die allgemein anerkannt<br />

sind und auf naturwissenschaftlichen<br />

Methoden beruhen (z.B.<br />

Recyklierbarkeit, Min<strong>im</strong>ierung<br />

von Material- und Energieflüssen,<br />

Verwendung schadstoffarmer<br />

Materialien, lange Lebensdauer,<br />

Emissionsreduktion<br />

u.a.). Hierbei h<strong>and</strong>elt es sich<br />

meist um ökologische Kriterien <strong>im</strong><br />

engeren Sinne. Sie sind allerdings<br />

erst dann anwendbar, wenn der<br />

Detailierungsgrad des Projektes<br />

schon hoch ist, also ih einer<br />

späten Projektphase. Für die<br />

frühzeitige Planung - etwa auf<br />

Quartierebene - sind ökologische<br />

Kriterien <strong>im</strong> engeren Sinne als Entscheidungshilfe wenig<br />

hilfreich. Das Problem, dass anerkannte ökologische<br />

Kriterien (<strong>im</strong> engeren Sinn) in einer frühen Planungsphase<br />

wegen des mangelnden Detailierungsgrads<br />

nicht praktikabel sind, in den späteren Phasen<br />

aber insgesamt weniger Wirkung zeitigen, bezeichnen<br />

wir als «Okologie-Planungs-Problem».<br />

Abb. 3.3.;! Bouobloufschemo: Der Spielroum für eine Einflussnohme ouf Umweltouswirkungen<br />

n<strong>im</strong>mt kontinuierlich ob (nflch SIA 19950, 1~9).<br />

Zeit<br />

292 UNS-Fallstudie '96


__________________________________________Gebäude<br />

4. Von den Umweltzielen zur<br />

Information: Daten zur<br />

Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN<br />

Das Umweltmanagement macht erforderlich, dass zu<br />

den festgelegten Umweltzielen die nötigen Daten<br />

und Informationen erhoben werden. Ziel der Synthesegruppe<br />

GEBÄUDE war es, für die verschiedenen<br />

Phasen des Gebäude-Lebenszyklus' die Anwendung<br />

von ökologischen Kriterien und umweltnaturwissenschaftlich·en<br />

Methoden am Beispiel der ZZN­<br />

Gebäudeplanung aufzuzeigen. Untersucht wurden<br />

• umweltspezifische Aspekte in der Bauausführung<br />

am TORO I,<br />

• das Problem des Rückbaus des «Ententeichs»<br />

unter der Frage: Umbau oder Neubau?,<br />

• die Frage der Nutzung des «Ententeichs».<br />

4.1 Ausführung: Ökologie in der<br />

Bauausführung<br />

Die Rohbauausführung<br />

von TORO I liegt in<br />

den Händen der Bauunternehmung<br />

SchIittIer<br />

AG, Niederurnen. Zur<br />

Zeit der Fallstudie befindet<br />

sich TORO I <strong>im</strong> Rohbau. In der UNS-Fallstudie<br />

'95 «Umwelt und Bauen" wurde ein Werkblatt<br />

zu «Bauen & Ökologie» entworfen. Es enthält eine<br />

Sammlung von Kriterien zu ökologischen Anliegen<br />

mit Bezug· auf den gesamten Ablauf eines Bauprojektes<br />

(vgl. Abb. 4.1.1). Die aufgeführten Kriterien<br />

zeigen, dass eine umfassende Untersuchung der<br />

umweltspezifischen Aspekte eines konkreten Bauvorhabens<br />

über die Betrachtung der Abläu~e auf<br />

Werkblatt<br />

11.a giftklasselreie Baustoffe<br />

11.b.lormaldehydfreie Baustoffe<br />

11.c Baustoffe mit selbstst. Regulierung Inrienkl<strong>im</strong>a<br />

12.b Schallschutzfenster<br />

25.a Umw<strong>and</strong>lungseffizienz erhöhen<br />

23.c· langlebige Baumaterialien<br />

23.e Baustoffe mit geringer grauer Energie<br />

23.1 Rückbaugerecht bauen<br />

23.h Verhältnis Stabilität.Materialmenge opt.<br />

23.i Recyclingmaterial einsetzen<br />

26.a Baustoffe die weilerverwendbar ....<br />

28.a 143.a Kies- stall Asphaltplätze<br />

29.a Bodenversiegelung niedrig halten<br />

29.d Sickerpackung lalls Grundwasserleiler angeschn.<br />

211.a naturnahe Gewässerveroauung<br />

212.e Emissionsarme Feuerung<br />

43.b Rasengillersteine verwenden<br />

44.b Etappierung - aktives suchen, öffnen von FreIlI.<br />

51.c An abe Inhaltsstoffe<br />

12.c Störende Lärmquellen <strong>im</strong> Gebäude vermeiden<br />

25.b Wärmeruckgewinnung<br />

210.c Emissionsverminderung in Gewässer<br />

213.a 1213.b nicht-ozonschädigende Baumaterialien<br />

213.c Ersatz 1Nichteinsatz von FCKW-haltigen Kühlanlagen etc.<br />

44.1 Nutzungsform Freillächen z.T. offenlassen<br />

53.b MessprOjekte als Erfolgskontrolle<br />

25.h Gebäudeautomalisierun<br />

27.c Baumaschinen, Aullagelläche<br />

210.e Vorsichtsmassn. Bauvorgang (Öl)<br />

210.1 Richtlinien AGW<br />

28.b Vorsichtsmassn. Bauprozess, Betriebsphase<br />

210.d biolog. gut abbaubare Produkte·verwenden<br />

212.c Emissionsverminderun Ozonvorläuler<br />

23.d lange Nutzung. hohe Ausnutzung<br />

23.g 126.d Materiallrennung Abbruch<br />

43.d Selbsterhalt Ruderalllächen<br />

51.e Gestal1un sm' I. Mietverträ n<br />

AM. 4.1.1 Auszug aus dem Werkblatt «Bauen & Ökologie» (verlindet1e Darstellung). Der Auszug zeigt umweltbezogene Kriterien, die für die Bauausführongrelevantwerden<br />

(Scholz etai., 1996, S.132/f). .<br />

UNS-Fallstudie '96 293


Gebäude ~ _<br />

der Baustelle hinausreicht,<br />

hierzu gehören auch die<br />

Fragen des Umgangs mit<br />

Baumaterialien, Bauabfällen<br />

und Altlasten sowie Fragen<br />

der Auswirkungen auf den<br />

Wasserhaushalt des· Areals.<br />

Ziel unserer Untersuchung<br />

war eine Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />

umweltspezifischer Aspekte<br />

in der Bauausführung am<br />

TORO I <strong>im</strong> Sinne einer<br />

«ökologischen Buchhaltung»<br />

(Müller-Wenk, 1978; Braunschweig,<br />

1988). Für spezifische<br />

Aspekte zu ALTLASTEN<br />

und WASSERHAUSHALT sei auf<br />

die entsprechenden Kapitel<br />

in diesem B<strong>and</strong> verwiesen.<br />

Es wurde eine Experten-<br />

Abb. 4.1.2 Baustelle TORO /(Bild: Michael Meier).<br />

befragung» durchgeführt. 7<br />

Hierzu befragten wir zwei<br />

wichtige Entscheidungsträger<br />

der Bauausführung am TORO I, den Baustellenchef<br />

und ein Mitglied der Geschäftsleitung<br />

der verantwortlichen Bauunternehmung. Abb. 4.1.3<br />

gibt einen Überblick über das Vorgehen.<br />

Best<strong>and</strong>esallfnahme IIl11welrspezifischer Aspekte in der<br />

Ballallsfiihrllng<br />

Die Informationen aus diesen zwei Interviews<br />

wurden zu der Best<strong>and</strong>esaufnahme in Tab. 4.1 verarbeitet.<br />

Sie gibt einen Überblick, in welchem Ausmass<br />

. die ökologischen Anliegen be<strong>im</strong> Bau des<br />

TORO I von der Bauunternehmung wahrgenommen<br />

werden.<br />

• Externe ökologisclie Vorgaben: Es gibt ein Reglement<br />

der Oerlikon-Bührle (erarbeitet von Basler & Hofmann)<br />

mit speziellen Best<strong>im</strong>mungen zur Entwässerung.<br />

• Hilfsstoffe: Verwendung finden lösungsmittelfreie<br />

Reinigungsmittel; chemische Zusatzmittel in Beton'kommen<br />

vor allem <strong>im</strong> Winter vor.<br />

• Abfall: Hervorzuheben ist, dass sich die Abfalltrennung<br />

auf der Baustelle durchgesetzt hat; Abfälle<br />

werden zu Recyclingmaterial aufbereitet.<br />

• Wasser: Nicht opt<strong>im</strong>al ist bei der Bauausführung<br />

von TORO I der Wasserhaushalt. Bei starken<br />

Regenfällen konnte kein geschlossener Kreislauf<br />

garantiert werden.<br />

• Arbeitssicherheit: Zu nennen sind SUVA-Vorschriffür<br />

Vorgesetzte,<br />

ten, Ausbildung und Schulung<br />

Hinweistafeln.<br />

• Logistik und Baustellentransporte: Leerfahrten werden<br />

vermieden.<br />

Besichtigung Baustelle I-__~ Literaturstudium<br />

mit Tutor<br />

1. Fragenkatalog<br />

Interview mit<br />

Baustellenchef TORO 1<br />

Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />

7 Allgemeine l,iteraturgrundlage: Basler & Hofmann (1995), J;lWI-Bau<br />

(1991), DBV (1992), Schwarz (1991), Weibel & Stritz (1995).<br />

8 Nicht erwähnt sind hier die Umweltschutzvorschriften (USG, TVA u.a.).<br />

Auch <strong>im</strong> Anhang zum Generalunternehmer-{rotalunternehmer-Vertrag»<br />

der ARR werden allgemeine Richtlinien und Empfehlungen genannt.<br />

Eine aktuelle Liste über Richtlinien und Empfehlungen zum Thema<br />

«Umwelt und Bauen» findet sich in· der Broschüre «Umweltmanagement<br />

von Hochbauprojekten» (Amt für Bundesbauten & SBG, 1996).<br />

Erfahrungstag auf TORO 1<br />

Abb. 4.1.3 Expertenbefragung zur Bauausjührung am TORO I. Befragt<br />

wurden der Baustellenchef und ein Mitglied der Geschäftsleitung der<br />

verantwortlichen Bouunternehmung.<br />

294 UNS-Fallstudie '96


_______________________________~<br />

Gebäude<br />

Umweltspezifischer<br />

Aspekt<br />

Ausführung bei TaRO I<br />

Umweltspezifischer<br />

Aspekt<br />

Ausführung bei TaRO I<br />

Externe ökologische<br />

Vorgaben<br />

Die Vorgaben betreffen:<br />

I Pfahlfundation (Lärmemission,<br />

Pfählmethode),<br />

'Abfallentsorgung,<br />

I Arbeitssicherheit,<br />

I Arbeitsorganisation (Arbeitsvorbereitung,<br />

Abläufe, Infrastruktur).<br />

Abfallkonzept<br />

(FortS.)<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Instruktionen des Poliers und<br />

Baustellenchefs [~10e, 28b).<br />

Trennsystem nach Holz, Alteisen,<br />

Bauschutt sowie Mischmulden [23g,<br />

26d).<br />

Nicht zuletzt wegen finanziellen<br />

Anreizen (vgI. Preisliste für Muldenabfuhr<br />

MUZ).<br />

Hilfsstoffe<br />

Baustoffe<br />

Recycling<br />

Winter<br />

zu finden in: 8<br />

I «ABB Toro I, Zürich-Oerlikon<br />

Arbeitssicherheitsplan - Baumeisteraushub»<br />

(Basler & Hofmann, I99S)<br />

mit Vorgaben <strong>im</strong> Umweltbereich,<br />

I «Spezielle Best<strong>im</strong>mungen»<br />

(Peter AG, 8~Januar 1996) zum<br />

Bereich Baustellenentwässerung,<br />

I Gesetzgebung und Verordnungen<br />

des Bundes, des Kantons und der<br />

Gemeinde,<br />

I «einschlägigE:» SIA-Normen, -Richtlinien<br />

und -Dokumente,<br />

I «Bauabfälle gut organisiert und<br />

sauber getrennt», ein H<strong>and</strong>buch der<br />

<strong>Stadt</strong> Winterthur, Departement<br />

Bauen und Entsorgung.<br />

I. «MUZ-Entsorgt Ulllweitbewusst»,<br />

eine Broschüre der Muldenzentrale,<br />

I SUVA-Vorschriften.<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Lösungsmittelfreie Reinigungsmittel,<br />

keine napthalinhaltigen Betonzusatzmittel<br />

[2IOc),<br />

Schalholzbeh<strong>and</strong>lung [SIe),<br />

Schalöl als Trennmittel auf Phenolharzschalen<br />

[Ila, 2IOd).<br />

Biologisch abbaubare Öle [2IOd).<br />

Sekundärbaustoffverwendung:<br />

Aufbereitung von Abbruchmaterial<br />

und Wiederverwendung dieses<br />

Materials seit12 Jahren.<br />

Chemische Zusatzmittel für bessere<br />

Verarbeitung notwendig.<br />

Kontrolle<br />

Mengen<br />

Sonderabfälle<br />

Probleme<br />

Wasser<br />

Infrastruktur<br />

Altlasten<br />

Umgang<br />

Arbeitssicherheit<br />

[2IOe)<br />

Schulung<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Kontroilfunktion des Poliers,<br />

wöchentliche Rapporte.<br />

In den verschiedenen Bauphasen<br />

fallen die Abfälle sehr unterschiedlich<br />

an: Aushub und Infrastruktur,<br />

Rohbau, Innenausbau.<br />

Keine Sonderabfälle in der Rohbauphase<br />

[Ila).<br />

I Das Ba:unebengewerbe bei der Innenausbauphase<br />

ist bezüglich Abfalltrennung<br />

wenig sensibilisiert.<br />

Zudem l<strong>and</strong>en vor allem in dieser<br />

Phase Kühlschränke und Computer<br />

.in den Mulden der Baustelle.<br />

I Bei Normalbetrieb gelangt kein<br />

verschmutztes Wasser in die Kanalisation<br />

[210c/d/e/f)..<br />

I Absetzbecken: geschlossener<br />

Wasserkreislauf.<br />

. I Spezielle Waschstellen für Fahrzeuge.<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Kein Aushubmaterial verlässt das<br />

Areal [21Of).<br />

Entferntes Material muss an best<strong>im</strong>mten<br />

Orten und mit Täfelchen<br />

markiert gehäuft werden.<br />

Ausbildung für Vorgesetzte und<br />

Poliere.<br />

AbfaU.<br />

Abfallkonzept<br />

I Ökologische Abfallbewirtschaftung:<br />

Separaterfassung von Materialkategorien<br />

auf der Baustelle, Aufbereitung<br />

von Abbruchmaterial und<br />

Wiederverwendung dieses Materials<br />

seit 12 Jahren [2IOf, 26a, Vermeidung:<br />

23c/f, 26a).<br />

• Abfalltrennung nach Konzept der<br />

Muldenzentrale hat sich durchgesetzt..<br />

Massnahmen<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Tafeln mit Hinweisen: z.B. Helmtragepflicht.<br />

Helme, Schutzbrillen, H<strong>and</strong>schuhe,<br />

robuste Schuhe, ete.<br />

Spezielle Schutzmassnahmen <strong>im</strong><br />

Umgang mit Altlasten [210f).<br />

Tob. 4.1 Bestondesoufnohme umweltspezifischer Aspekte inder Bouousführong om TOROI (Die [Ziffern] beziehen sich oufdos Werkblott _Bouen &<br />

Ökologie», vgl. Abb. 4.1.1) Fortsetzung Tob. 4.1 siehe nächste Seite ~<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

295


Gebäude --' _<br />

Umweltspezifischer<br />

Aspekt<br />

Logistik und BaustellentraDSporte<br />

[28b]<br />

Logistik<br />

Transporte<br />

Einkauf<br />

Lieferanten<br />

Werkhof<br />

Baustelle<br />

Maschinen [27c]<br />

Einkauf<br />

Techriik.<br />

Energie<br />

Winter<br />

Treibstoffe<br />

Sonstiges<br />

Gipser<br />

Ausführung bei TORO I<br />

• Auslasten von Maschinen und<br />

Transportfahrzeugen (Vermeiden<br />

von Leerfahrten durch Kombination<br />

mit<strong>and</strong>eren Baustellen oder <strong>and</strong>eren<br />

Firmen) [25a]. Bemerkung: für einen<br />

Auftrag in Berlin hat SchUtt/er ein<br />

externes internationales Lastwagenunternehmen<br />

verpflichtet.<br />

• In Rohbauphase kein Problem (kaum<br />

Aushub).<br />

• Eine vertiefte ökologische Prüfung<br />

der Lieferanten ist nicht möglich<br />

[Sie].<br />

• Vom Werkhof aus wird nur Baustellen-Inventarmaterial<br />

bestellt.<br />

• Das meiste Material wird direkt von<br />

der Baustelle bestellt.<br />

• Seit 3Jahren wurden keine grösseren<br />

Investitionen getätigt [25a].<br />

• Neuester St<strong>and</strong> der Technik wird mit<br />

alten Maschinen nicht erreicht.<br />

• Bauen <strong>im</strong> Winter ist mit Elektrizitätsund<br />

Treibstoffaufw<strong>and</strong> verbunden<br />

[25a].<br />

• Verwendung von Öko"Diesel bei zur<br />

Zeit rund der Hälfte der Maschinen.<br />

• Verwendung von Mineral- anstatt<br />

.Kunststoffabrieb [Ila/c, 23e, Sie].<br />

• Einkauf' Die Beachtung von Umweltaspekten von<br />

Lieferanten und Produkten (Ökobilanzen, Umwelterklärungen)<br />

ist nur sehr beschränkt durchführbar.<br />

• Maschinen: Seit drei Jahren wurden keine grossen<br />

Investitionen in Maschinen getätigt.<br />

• Energie: Das Bauen <strong>im</strong> Winter ist problematisch<br />

(Beton-Zusatzmittel, enormer Elekrizitäts- und<br />

Treibstoffaufw<strong>and</strong>). Es wird Öko-Diesel verwendet.<br />

Umweltmllllllgemellt ill der Blluullterllehmullg<br />

Das verantwortliche Bauunternehmen will nach<br />

eigenem Bekunden kein «frommes BekC;fnntnis» zur<br />

Ökologie abgeben. Die wirtschaftliche Lage sei zur<br />

Zeit derart angespannt, dass in der Baubranche<br />

ökonomische Überlegungen dominieren. Neben der<br />

Rezession spielt sicher auch die Grössenordnung des<br />

Bauprojekts eine wichtige Rolle.<br />

Wie steht es mit der Einführung eines Umweltmanagementsystems?<br />

Das Baugewerbe befasst sich<br />

derzeit anscheinend noch nicht mit dem Umweltmanagement<br />

nach ISO 14001. Die Sehlittler AG zum<br />

Beispiel ist momentan mitten in den Vorbereitungen<br />

zur Einführung eines Qualitätsmanagements nach<br />

ISO 9001. Die Bereitschaft für ein Umweltmanagementsystem<br />

scheint vorh<strong>and</strong>en, kommt aber noch<br />

nicht zum Zuge.<br />

Die umweltllllturwissellschllftliche Perspelctive<br />

Bei der Bauausführung am TaRO I liessen sich die<br />

umweltspezifischen Aspekte unmittelbar ermitteln<br />

und auflisten. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive ist eine ökologische Buchhaltung einC;f<br />

sinnvolle aber nicht ausreichende Massnahme. Die<br />

Daten müssen bewertend aggregiert werden. Wie<br />

dies erfolgen kann, zeigen wir am Beispiel der Frage<br />

«Umbau oder Neubau?» am Fall des «Ententeichs».<br />

Verputz<br />

Pumpen<br />

• «Ökologischer» Verputz (ohne<br />

chemische Zusatzmittel) ist nicht<br />

gut verarbeitbar,trotzdem kann eine<br />

Firma über den Bauherr ihr Produkt<br />

einbringen.<br />

• Elektropumpe vs. Dieselpumpe:<br />

Elektropumpe zwar ökologischer<br />

aber Investition momentan in bezug<br />

auf Gewinn zu hoch und Arischluss<br />

ist in rund 15% der Baustellen nicht<br />

gewährleistet.<br />

Fortsetzung Tab. 4.1 Best<strong>and</strong>esaufnahme umweltspezifischer Aspekte in<br />

der Bauausführungam TORO I (Die [Ziffern] beziehen sich aufdas Werkblatt<br />

«Bauen & Ökologie», vgl Abb. 4.1.1)<br />

4.2 Rückbau: Stoffflussanalyse der<br />

Varianten «Neubau» und «Umbau»<br />

Für die Antwort auf die<br />

Frage, ob ein Gebäude<br />

um- oder neugebaut<br />

.werden sollte, müssen<br />

Vergleichsdaten für<br />

Um- und Neubauten<br />

herangezogen werden. Mit best<strong>im</strong>mten umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Methoden wie den Ökobilanzen<br />

und Stoffflussanalysen (vgl. Scholz & Tietje,<br />

1996) können solche Daten für konkrete Fälle aggregiert<br />

werden. Wir wollen diese Untersuchung etwas<br />

296 UNS-Fallstudie '96


_____________________________________-'--<br />

Gebäude<br />

ausführlicher darstellen, weil es sich hier um einen<br />

«klassischen» Fall der Anwendung umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Methoden und ökologischer Kriterien<br />

h<strong>and</strong>elt. Ein wichtiges Untersuchungsziel dieser<br />

Untersuchung ist somit, die Tauglichkeit einer mit<br />

relativ wenig Aufw<strong>and</strong> betriebenenStoffflussanalyse<br />

als Entscheidungsinstrument zu prüfen. Dazu werden<br />

bewusst vereinfachende Annahmen getroffen,<br />

die den Ansprüchen einer allfälligen Anwendung des<br />

Vorgehens in der Praxis Rechnung tragen.<br />

4.2.1 Fragestellung<br />

Die Hypothese, sich dem Ziel der nachhaltigen Bauwirtschaft<br />

mit vermehrtem Umbau zu nähern oder<br />

vielleicht es sogar zu erreichen, geht darauf zurück,<br />

dass die Erstellung und der Rückbau einen bedeutenden<br />

Teil der Stoffflüsse <strong>im</strong> Lebenszyklus eines<br />

Gebäudes verursachen (vgl. Preisig & Viriden, 1995).<br />

Deshalb soll am Beispiel des «Ententeichs» abgeklärt<br />

werden, ob - oder in welchen Fällen - sich diese<br />

Forderung nach mehr Umbau mit einer Stoffflussanalyse<br />

aus den vorausgesetzten Zielen (nachhaltiges,<br />

umweltschonendes Bauen) ableiten lässt.<br />

Eine Quantifizierung von Stoff- und Materialflüssen<br />

allein hat nur geringe Aussagekraft, solange nicht<br />

ihre Bedeutung für das gesteckte Ziel diskutiert<br />

wird. Daher wird eine Bewertung der vorgefundenen<br />

Flüsse mit Hilfe der ökologischen Kriterien einer<br />

Ökobilanz durchgeführt und so ein Brückenschlag<br />

von der verfügbaren Information zu einerentscheidungsrelevanten<br />

Bewertung versucht.<br />

4.2.2 Die Methode der Stoffflussanalyse<br />

Wenn man die Anthroposphäre mit ihren wirtschaftlichen<br />

und sozialen Aktivitäten als Organismus<br />

auffasst, können seine<br />

StoJfwechselprozesse mit Hilfe<br />

einer Stoffflussanalyse<br />

(Baccini & Bader, 1996)<br />

beschrieben werden. Eine<br />

solche Stoffflussanalyse kann<br />

als regional, stoff- und<br />

güterbezogen charakterisiert<br />

werden, weil diejenigen<br />

Stoffflüsse quantifiziert<br />

werden sollen, die<br />

mit den Güterflüssen einer<br />

Region verbunden sind.<br />

Für das formale, mathematische<br />

Modell, das hinter<br />

der Stoffflussanalyse steht,<br />

sind weitere Voraussetzungen<br />

und vereinfachende<br />

Annahmen nötig, dam,it die<br />

Baustoffaufbereitung<br />

Baustoffe<br />

Anforderungen der Machbarkeit, Repräsentativität,<br />

Einfachheit und Transparenz des Modells gewährleistet<br />

werden können, Die Vereinfachungen werden<br />

so gewählt, dass das resultierende Vorgehen entsprechenden<br />

Vereinfachungen und Annahmen einer<br />

Anwendung in.der Praxis möglichst'ähnlich ist.<br />

Das resultierende Stoffflussschema ist in Abb.<br />

4.2.2 dargestellt. Hier wird ersichtlich, wie die erwarteten'<br />

Stoffflüsse <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer<br />

Neugestaltung des «Ententeichs» grob in zwei<br />

Hauptströme unterteilt werden können (vgI. Koordinationsgruppe<br />

des Bundes für Energie und Ökobilanzen,<br />

1994):<br />

• Zum Upstream gehört die Herstellung der Baustoffe.<br />

• Der Downstream schliesst die Entsorgung von<br />

Abfällen und Recycling mit ein.<br />

Die Quantifizierung der Stoffflüsse wird auf das<br />

Gebäude «Ententeich» beschränkt. Erst bei der<br />

danach durchgeführten Bewertung dieser Flüsse<br />

mit Hilfe einer Ökobilanzrechnung werden auch die<br />

Prozesse ausserhalb dieser Systemgrenze berücksichtigt.<br />

Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um die Prozesse wie<br />

die Bereitstellung 'Von Baustoffen und deren Entsorgung<br />

, nach einem Rückbau (vgI. Abb. 4.2.2).<br />

4.2.3 Die zwei Szenarien: Umbau und Neubau<br />

Um die Fragestellung, ob sich verm~hrtes Umbauen<br />

ökologisch lohnt, mit einer Stoffflussanalyse bearbeiten<br />

zu können, müssen die grundsätzlichen Alternativen<br />

(Umbau vs. Neubau) konkretisiert werden.<br />

Dem Vergleich der beiden Szenarien Umbau und<br />

Neubau liegen Studien vom Büro Max Schönenberg u.<br />

Partner zugrunde. Für den Umbau beziehen wir uns<br />

auf eine Vorprojektstudie, während dem Ne1.!bau<br />

nicht viel mehr als eine Projektskizze und mündliche<br />

Ententeich<br />

-Umbau oder<br />

- Neubau<br />

rezyklierbare Stoffe<br />

Abb, 4.2.2 Übersicht über die bilanzie11en Stoffflüs$e undihre Einteilung in • Upstream» und .Downstream»:<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '96 297


Gebäude ~---'------------------------ __'_ _<br />

Grundlagen der<br />

Berechnung<br />

Grundfläche<br />

Bruttogeschossfläche<br />

Anzahl Wohnungen<br />

Umbau<br />

• Baupläne aus den<br />

Jahren 1951-1963<br />

• Vorprojektstudie des<br />

Architekturbüros.Max<br />

Schönenberg u. Partner<br />

1'800 m 2<br />

9'400 m 2<br />

Tab. 4.2.3 Vergleich der Varianten Umbau undN(ubau:<br />

Neubau<br />

Auskünfte des Architekten zugrunde liegen. Dabei<br />

unterscheiden sich die beiden Alternativen «Umbau»<br />

und «Neubau» in erster Linie bezüglich der<br />

Bruttogeschossfläche, während Gebäudehöhe und<br />

-tiefe praktisch identisch sind (siehe Tab. 4.2.3). Die<br />

grossen Stockwerkhöhen des bestehenden Gebäudes<br />

führen dazu, dass be<strong>im</strong> Umbauprojekt die Bruttogeschossfläche<br />

relativ zum Volumen deutlich kleiner<br />

ist. Be<strong>im</strong> Umbau wird das bestehende Gebäude bis<br />

auf den Rohbau, be<strong>im</strong> Neubau vollständig rückgebaut.<br />

Sieht man von der Möglichkeit ab, dass der<br />

Aushub desNeubaus mit Altlastenkontaminiert sein<br />

könnte, erfüllen beide Szenarien die Auflagen der<br />

Sonderbauvorschriften.<br />

Bei der Berechnung der Daten wurden folgende<br />

Annahmen getroffen:<br />

• Der Rückbau bis auf das Betonskelettdes bestehenden<br />

Gebäudes wurde bei der Berechnung des<br />

Downstreams für beide Gebäude nicht berücksichtigt<br />

(Ausbau, Abbruch; siehe Abb. 4.2.3), da die<br />

Totalabbruch,<br />

Neubau<br />

::::J<br />

~<br />

.s::<br />

o<br />

a:<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

QQQ<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

•••<br />

Umbau<br />

~<br />

~<br />

46<br />

nicht quantifiziert,<br />

variantenunabhängig<br />

quantifizierter Teil<br />

r - -«i_I- - - - _.- - _.<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

nicht quantifiziert,<br />

variantenunabhängig<br />

Ausbau Abbruch<br />

Rohbau Abbruch<br />

Projektskizze des<br />

Architekturbüros Max<br />

Schönenberg u. Partner<br />

1'800 m 2<br />

12'400 m 2<br />

64<br />

entsprechenden Materialflüsse für<br />

beide Szenarien identisch sind. Entscheidend<br />

war hier die Berechnung<br />

des «ausgeweideten» Betonskeletts,<br />

welches nur be<strong>im</strong> Neubauszenario<br />

vollständig rückgebaut werden<br />

muss. Be<strong>im</strong> Umbau betraf das nur<br />

einiger Zwischendecken und Brüstungen.<br />

• Bei der Berechnung der Neuinstallationen<br />

beschränken wir uns bei<br />

beiden Szenarien auf die Berechnung<br />

eines Gebäudes <strong>im</strong> Rohbauzust<strong>and</strong><br />

(Gebäude ohne Innenausbau<br />

wie z.B. sanitäre und elektrische Installationen,<br />

Böden, etc.). Wir gehen<br />

davon aus, dass dieseAnnahme bei den vorliegenden<br />

Szenarien gerechtfertigt ist, da der weitere<br />

Ausbau (je Quadratmeter Bruttogeschossfläche)<br />

etwa die gleichen Materialflüsse auslösen würde<br />

(Ausbau neu; siehe Abb. 4.2.3).<br />

. 4.2.4 Durchführung<br />

Es stellte sich während der Arbeit heraus, dass die<br />

Hauptstoffströme (Upstream und Downstream, vgl.<br />

Abb. 4.2.2) nicht auf dieselbe Art untersucht werden<br />

konnten, . weil für eine Ökobilanzierung der Bauabfalle<br />

keine Daten verfügbar sind.<br />

Upstream<br />

Mit Hilfe der Pläne (vgl. Tab. 4.1) wurden die in den<br />

beiden Szenarien verwendeten Bauelemente und<br />

ihre Flächengrössen ermittelt und daraus mit Hilfe<br />

der SIA-Dokumentation 0123 die Mengen der verwendeten<br />

Baustoffe berechnet. Die ermittelten<br />

Daten wurden vom Planungsbüro Hans Frei und Co.<br />

AG validiert.<br />

Diese Stoffmassen (Umbau und Neu.bau) des Upstream<br />

konnten dann mit einer Ökobilanzierung<br />

bewertet werden. Dabei wurde das Computerprogramm<br />

SIMA V2.1 eingesetzt (vgl. Schol:~ et al.,<br />

1996), das auf einer umfangreichen Datenbank<br />

basiert und für jeden erfassten Baustoff (der SIA­<br />

Dokumentation 0123) die insgesamt bei dessen<br />

Herstellung verursachten Umweltauswirkungen berechnet.<br />

Dabei werden beispielsweise auch die für<br />

die Betonproduktion nötigen Gebäude und deren .<br />

Baustoffe (also u.a. wiederum Beton) berücksichtigt.<br />

Rohbau,neu<br />

Ausbau,neu<br />

Abb. 4.2.3 Schematischer Vergleich der Stoffflüsse der beiden Szenarien.<br />

Einbezogen wurde nurder Rohbau, da sich be<strong>im</strong> Ausbau keine wesentlichen<br />

Unterschiede ergeben. .<br />

Downstream<br />

Zur BiIanzierung der durch den Rückbau des<br />

«Ententeichs» ausgelösten Stoffflüsse (Downstream)<br />

wurden die Kubaturen der einzelnen Baustoffe aus<br />

298 UNS-Fallstudie '96


-'-----'------,--- --'- ~ ~ ,.__-Gebäude<br />

den Bauplänen des Gebäudes «Ententeichs» aus den<br />

Jahren 1951-1963 ermittelt. Wir beschränkten uns<br />

dabei aufdie Stoffe Beton, Stahlarmierungen und Backsteine.<br />

Für die Bewirtschaftung der anfallenden Abfälle<br />

gab es zur Zeit unserer Untersuchung keine speziellen<br />

Konzepte, weshalb wir vom derzeit <strong>im</strong> Kanton<br />

Zürich üblichen Vorgehen ausgingen. Im Rahmen<br />

des sogenannten «Erfahrungstages» (vgl. Kap. ORGA­<br />

NISATION) konnten zwei Abfallsortieranlagen vorOrt<br />

besichtigtwerden. Ein Interview mit einem Vertreter<br />

vom ARVSchweiz (Abbruch-, Aushub- und Recyclingverb<strong>and</strong>)<br />

lieferte.weitere Informationen. Letztendlich<br />

war es aber mir niöglich, die Kubaturen der<br />

anfallenden Bauabfälle zu best<strong>im</strong>men, während der<br />

weitere Weg der Stoffe lediglich qualitativ beschrieben<br />

werden konnte.<br />

4.2.5 Ergebnisse<br />

Gewichtung der Daten<br />

Vom ökologischen St<strong>and</strong>punkt aus, bei dem lediglich<br />

die Grösse der Umweltauswirkungen betrachtet wird<br />

(vgl. Ökobilanz der Architekturvarianten der UNS­<br />

Fallstudie '95), scheint ein Umbau von vornherein<br />

vorteilhafter als die Erstellung eines Neubaus (vgl.<br />

auch Preisig & Viriden, 1995). Wenn jedoch durch<br />

eine <strong>and</strong>ere· Bauweise der Nutzen des Neubaus<br />

wesentlich grösser ist, kann dieser St<strong>and</strong>punkt allein<br />

nicht mehr befriedigen. Um einen adäquaten Vergleich<br />

zwischen den untersuchten Szenarien zu ermöglichen,<br />

mussten die verursachten ökologischen<br />

Auswirkungen relativ zum erreichten Nutzen betrachtet<br />

werden. Deshalb werden die Ergebnisse mit<br />

der Bruttogeschossfläche des jeweiligen Szenarios<br />

gewichtet, indem sie durch die Bruttogeschossfläche<br />

(in m 2 ) des entsprechenden Objekts dividiert werden.<br />

Dieser gesellschaftlich-ökologische St<strong>and</strong>punkt<br />

(vgl. Ökobilanz der Architekturvarianten der UNS­<br />

Fallstudie '95) setzt voraus, dass man die Bewertung<br />

des Nutzens mit Hilfe der verfügbaren Nutzfläche<br />

abschätzten kann. Andere (z.B. ästhetische) Kriterien<br />

bleiben dabei quantitativ unberücksichtigt.<br />

Massenbilanzen der mineralischen Baustoffe<br />

Zur Verifizierung der Daten für die Stoffflussanalyse<br />

und die Ökobilanzierung wurden Zahlen aus dem<br />

statistischen Jahrbuch «Kanton Zürich in Zahlen<br />

1996» (Statistisches Amt des Kt. Zürich, 1996) herangezogen.<br />

Die totale Bruttogeschossfläche des Kantons<br />

musste mit Hilfe des Gebäudevolumens und<br />

der durchschnittlichen Stockwerkhöhe abgeschätzt<br />

werden; Für die durchschnittliche Stockwerkhöhe<br />

wurde gemäss Herrn Frei, Planungsbüro Frei und<br />

Kt. Zürich<br />

Neubau<br />

Umbau<br />

o 300 600 900 1200 1500<br />

kg/m 2 BGF<br />

IlllI Abbruch lllI Neue Materialien I<br />

Abb. 4.2.5.1 Vergleich der Flüsse an mineralischen Baustoffen (Durthschniuswerte<br />

<strong>im</strong> Kanton Zürich und Daten der beiden Szenarien; BGF =<br />

Bruttogeschossfläche).<br />

Partner, eine Grösse von 2.7 m angenommen. Diese<br />

Zahlen des Kantons Zürichsind somit mit den grössten<br />

Unsicherheiten behaftet und können deshalb nur<br />

zur groben Abschätzung mit den <strong>and</strong>eren Resultaten<br />

verglichen werden.<br />

Für den Vergleich der erfassten Daten mit diesen .<br />

Werten aus der Literatur konnte nur die mineralische<br />

Fraktion herangezogen werden. Die Resultate sind<br />

in der Abb. 4.2.5.1 graphisch dargestellt. Es zeigt<br />

sich, dass' die für den Neubau benötigten Massen<br />

etwa dem Durchschnittswert des Kantons Zürich<br />

entsprechen. Aussagekräftiger ist das Verhältnis der<br />

Zahlen der Abbruchrnassen zwischen den beiden<br />

untersuchten Projekten (jeweils nur Abbruch aus<br />

dem Rohbauzust<strong>and</strong>). Dabei schneidet der Umbau<br />

erwartungsgemäss deutlich besser ab.<br />

Upstream<br />

Trotz des geringeren Massenverbrauchs für das Umbauprojekt<br />

ist der Massenverbrauch des Upstream pro<br />

Quadratmeter Bruttogeschossfläche (BGF) für das<br />

Umbauszenario zum Teil erheblich grösser (>100%)<br />

als für den Neubau. Dies gilt in erster Linie für die<br />

Materialien, welche für die Fassadenkonstruktion<br />

verwendet werden (Aluminium, PVC, Glas). Sie<br />

schlagen aufgrund der grossen Stockwerkhöhe bezogen<br />

auf die Bruttogeschossfläche besonders stark zu<br />

Buche.<br />

Dieses Faktum schlägt dann inder Ökobilanz des<br />

Umbaus durch. Im Vergleich zum Neubau schneidet<br />

er weniger gut ab, als aufgrund der Massen (Abb.<br />

4.2.5.2) hätte erwartet werden können. Dadurch wird<br />

deutlich, dass der Materialwahl für eine günstige<br />

Ökobilanz eine wichtige Rolle zukommt (siehe auch<br />

Resultate der Fallstudie '95, Scholz et al., 1996,<br />

S. 16lff). Darüberhinaus zeigt sich, dass ein Umbau<br />

nicht in jedem Fall die ökologisch bessere Variante<br />

darstellt.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

299 .


Gebäude: ~ ____'_<br />

Downstream<br />

Trennung der Stoffe:<br />

Die gesetzliche Grundlage für die Entsorgung<br />

von BauabfäIIen bietet die Technische<br />

Verordnung für Abfälle (TVA).<br />

Das Bauwesen hat darauf basierend<br />

Konzepte erarbeitet, welche u.a. in der<br />

Empfehlung 430 des SIA «Entsorgung<br />

von Bauabfällen» (SIA, 1993) und <strong>im</strong><br />

RahmeIikonzept «Abfalltrennung auf der<br />

Bau,stelle mit dem Mehr-Mulden-Konzept»<br />

des Schweizerischen Baumeisterverb<strong>and</strong>es<br />

(SBY, 1995) beschrieben werden.<br />

Dieser hat es sich auch zum Ziel<br />

gemacht, die durch die Baubranche ausgelösten<br />

Stofffkreisläufe zu schliessen,<br />

was durch Recycling erreicht werden<br />

kann.<br />

Vor der Entsorgung der abgebrochenen<br />

Bausubstanz steht <strong>im</strong> Normalfall ein<br />

Trennungsprozess. Dieser beginnt meist<br />

auf der Baustelle. In der SIA-Empfehlung<br />

430 (1993) werden Materialgruppen<br />

unterschieden. Nach Massgabe der örtlichen<br />

Verhältnisse und der Verwertungsund<br />

Entsorgungsmöglichkeiten sind die<br />

Materialgruppen Bauschutt und Bausperrgut<br />

nach Fraktionen getrennt zu erfassen.<br />

Deponieren:<br />

AIsDeponien für den Aushub dienen alte<br />

Kiesgruben. In diesen dürfen keine weiteren<br />

Abfälle gelagert werden (Grundwassergebiete).<br />

Im Kanton Zürich gibt es<br />

keine Inertstoffdeponien, obwohl sie in<br />

der Technischen Verordnung für Abfälle<br />

(TVA) vorgesehen. sind. Mischabbruch<br />

wird deshalb auf Reaktordeponien (z.B.<br />

Hanegg) geführt. Die Verbrennung von<br />

Abfällen geschieht entweder in Kehrrichtverbrennungsanlagen<br />

oder - bei<br />

sauberem Holz - in Holzschnitzelfeuerungen.<br />

PVC Schlag/est<br />

Konventioneller Innenpulz<br />

S<strong>and</strong>/Kies/Geröll gewaschen<br />

o<br />

50 Prozent<br />

Abb. 4.2.5.2 Die (relativ zur Brottogeschossfläche) gewichteten Baustoffmassen der<br />

Umbauvariantein Prozent des Neubaus (= 100%).<br />

Umwel1belaslung<br />

Abwärme<br />

radioaktive Emissionen<br />

Flächeninanspruchnahme<br />

Ozonschichtabbau<br />

Eutrophierung<br />

Versauerung<br />

Ökotoxizilät (aquatisch)<br />

Ressourcenverbrauch<br />

liiiiillliiiEE:::~<br />

Glas Alu<br />

Glaswolle<br />

MagerbetonPC150<br />

Polymerbilumen-DB<br />

PE-Folie<br />

Zement-Unterlagsboden<br />

Armierungsstahl<br />

Beton PC300<br />

Bilumenklebemasse kalt<br />

Kalks<strong>and</strong>stein<br />

Einschicht-Gipspulz<br />

Verlängerter Mörtel<br />

Backstein<br />

Kleber<br />

Steinwolle<br />

Stahl niedriglegiert<br />

Kunstfaser Vlies/Filz<br />

Konventioneller Aussenputz<br />

Energieinhalt<br />

Photochemische Oxidantien<br />

Humantoxizilät (Luft)<br />

o 20 40 Prozent 60 80 100<br />

Abb. 4.2.5.3 Die Resultate der Ökobilanz für den Umbau <strong>im</strong> Vergleich zum Neubau<br />

(= 100%). Die ökologischen Auswirkungen des Umbaus liegen mit 60-70% des Neubaus<br />

prozentualhöher als die entsprechenden Baustoffmassen (siehe Abb. 4.2.5.2).<br />

Recycling:<br />

Mengenmässig den grössten Anteil an<br />

den Bauabfällen machen mineralische·<br />

Baustoffe (v.a. Beton und Backsteine)<br />

aus. Sie können als Kiesersatz wiederverwendbar<br />

gemacht werden. Je nach Güte der<br />

Trennung und nach Inhaltsstoffen ergeben sich<br />

unterschiedliche Qualitäten. Hohe Ansprüche stellt<br />

Betonkies, während etwa für Füllungen auf der<br />

Baustelle auch Material mit einem grossen Anteil<br />

an Backstein Verwendung findet. 16% der neu verbauten<br />

Baustoffe stammen zur Zeit aus Recyclingmaterial,<br />

der Anteil an Betonkies ist allerdings noch<br />

gering. 9<br />

9 Auskunft Peter Staub, Geschäftsleiter des Abbruch-, Aushub- und Recyclingverb<strong>and</strong>es<br />

(ARV) Schweiz<br />

100<br />

150<br />

300 UNS-Fallstudie '96


_________________________________________Gebäude<br />

Baurestmassen:<br />

Das Schicksal der Abfälle der jeweiligen Szenarien<br />

konnte somit nur abgeschätzt, aber nicht genügend<br />

gut beschrieben werden, um die Bewertung nach<br />

ökologischen Kriterien in Zahlen zu fassen. Das Verhältnis<br />

der anfallenden Baurestmassen ist allerdings<br />

so eindeutig, dass dem Umbau aus dieser Sicht klar<br />

der Vorzug zu geben ist (vgl. Abb. 4.2.3).<br />

4.2.6 Bewertung<br />

Die durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass<br />

der Umbau' des «Ententeichs» nach ökologischen<br />

Kriterien «besser» als ein Neubau abschneidet. Dieses<br />

Ergebnis bleibt evident, trotz der folgenden Einschränkungen,<br />

für deren Abschätzung ergänzende<br />

Methoden in die Anwendung der Stoffflussanalyse<br />

integriert werden müssen:<br />

Relevanz<br />

Die dargestellte Stoffflussanalyse beschränkt sich<br />

auf die Hauptbest<strong>and</strong>teile des Rohbaus. Unberücksichtigt<br />

bleiben<br />

a)Nebenbest<strong>and</strong>teile (z. B. Schwermetalle) <strong>im</strong> Rohbau,<br />

deren ökologische Bedeutung <strong>im</strong> Zwischenlager<br />

«Bauwerk Schweiz» bisher nicht geklärt ist;<br />

b)der Ausbau, dessen ökologische Auswirkungen<br />

(angefangen von Wohngiften bis hin zu grauer<br />

Energie) sicher gross sind, aber <strong>im</strong> Vergleich zum<br />

Rohbau hinsichtlich der Relevanz (noch) nicht<br />

abgeschätzt werden können;<br />

c)die Nutzung, die einengrösseren Anteil an ökologischen<br />

Auswirkungen produziert als der Rohbau<br />

(vgl. Scholz et al., 1996).<br />

Unterschiede zwischen Umbau und Neubau durch<br />

Nebenbest<strong>and</strong>teile, Ausbau und Nutzung könnenwie<br />

die Berücksichtigung der Bruttogeschossfläche<br />

gezeigt hat - einen grossen Einfluss auf den Vergleich<br />

der ökologischen Auswirkungen <strong>im</strong>plizieren.<br />

Unsicherheit<br />

Die verwendeten Daten stammen aus sehr heterogenen<br />

Quellen und werden trotzdem (methodisch<br />

mit der Stoffflussanalyse) gleichbeh<strong>and</strong>elt. Dies<br />

erzeugt sowohl quantitative Unsicherheiten(Grösse<br />

und Abweichung der Ergebnisse vom «wahren»<br />

Resultat) als auch qualitative Unsicherheiten (Festlegung<br />

von Systemgrenzen, Auswahl von Materialien,<br />

Bewertung).<br />

Verallgemeinerung<br />

In Abweichung vom grundsätzlichen Konzept der<br />

Stoffflussanalyse wurde nur ein Gebäude untersucht.<br />

Ein vergleichbares Ergebnis wäre für die <strong>and</strong>eren,<br />

ähnlich konstruierten Nachbargebäude auf dem<br />

ZZN zu erwarten. Wegen der Verschiedenartigkeit<br />

von Baukonstruktionen (z.B. Fassaden) ist ein generelle<br />

Verallgemeinerung nicht möglich, <strong>im</strong> Einzelfall<br />

kann eine vergleichende Prüfung sinnvoll sein (unter<br />

Berücksichtigung der spezifischen 'Konstruktionen<br />

des «Ententeichs»-Gebäudes und (les zu vergleichenden<br />

Gebäudes). .<br />

4.3 Nutzung: Nutzungsvarianten des<br />

«Ententeichs»<br />

Werfen wir, bevor wir<br />

zur Frage der Nutzung<br />

übergehen, kurz einen<br />

Blick zurück auf die<br />

Stoffflussanalyse. Die<br />

Stoffflussanalyse ergab<br />

einen ökologischen Vorzug für einen' Umbau des<br />

«Ententeichs», verglichen mit einem möglichen<br />

Neubau. Dies unterstützt die Entscheidung der ABS<br />

für eine Umnutzung. Die Entscheidung für einen<br />

Umbau ist also <strong>im</strong> Sinne einer ökologischen, Opt<strong>im</strong>ierung.<br />

Die Frage, die sich anschliesst, lautet:<br />

«Welche Nutzung ist sinnvoll? Ist hier eine ökologische<br />

Opt<strong>im</strong>ierung möglich?».<br />

Die Stoffflussanalysearbeitet mit quantifizieren­<br />

.den, naturwissenschaftlichen ökologischen Kriterien<br />

<strong>im</strong> engeren Sinne. Die Frage der Nutzung bzw. der<br />

Nutzungsplanung von Gebäuden erfordert jedoch<br />

die Anwendung zusätzlicher Kriterien. Hierzu gehört<br />

die ZZN-Leitfrage nach Lebensqualität und Urbanität<br />

eines neuen <strong>Stadt</strong>teils. Hierzu gehören auch Fragen<br />

der gemeinsamen Betrachtung von Wirtschaftlichkeit<br />

und Soziolverträglichkeit. Für solche Fragen müssen<br />

besondere Methoden der Erhebung und Aggregierung<br />

der Daten herangezogen werden. Die Fallstudie<br />

nutzt hierzu insbesondere die Methoden der<br />

Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen und der Multiattributiven<br />

Entscheidungstheorie (Scholz & Tietje, 1996). Im<br />

folgenden wird die Bewertung möglicher Nutzungen<br />

des «Ententeichs» mit Hilfe Multiattributiver Entscheidungverfahren<br />

untersucht.<br />

4.3.1 Zur Umnutzung des «Ententeichs» - Die<br />

Ausgangslage<br />

Es scheint sinnvoll, den «Ententeich>, mit Wohnungen<br />

umzunutzen, vor allem weil die Lage am Park<br />

und die hohen Decken der unteren Werkhalle interessante,<br />

qualitativ hochstehende Wohnungen erlauben.<br />

Die von der <strong>Stadt</strong> für das ZZN geforderte<br />

Nutzungsdurchmischung wird erfüllt, aber nicht<br />

innerhalb eines einzelnen Gebäudes sondern <strong>im</strong><br />

gesamten Areal realisiert. In einem Interview der<br />

r<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

301


Gebäude --'-__- ...,.-__<br />

Opt<strong>im</strong>ale Nutzung<br />

Gesamtziel<br />

Machbarkeit<br />

Teilziel<br />

Abb. 4.3.1 Biiroflure <strong>im</strong> «Ententeich», eine Nutzung aus den 80erJahren:<br />

~lche neue Nutzung ist denkbar.? (Bild: Michael Meier).<br />

Zweckmllssigkelt<br />

Teilziel<br />

Synthesegruppe GEBÄUDE<br />

Immobilien AG, hierzu an:<br />

merkte Alex Reck, ABB<br />

«Im Bereich «Ententeich» hat die ABB für<br />

Wohnungen gekämpft. Der Markt reagiert jedoch<br />

empfindlich auf vorgeschriebene Erdgeschossnutzungen<br />

wie Läden, etc. So stehen<br />

(in Zürich) eine Anzahl Ladenpassagen leer, weil<br />

sie nicht an einer guten Passantenlage liegen<br />

oder sich die Struktur und Kultur des Quartiers<br />

verändert hat.»<br />

Der Entscheid.zur Umnutzung des «Ententeichs»<br />

fiel sehr früh. Der ökologische Aspekt spielte nicht<br />

die ausschlaggebende Rolle, sondern - so Herr Beck<br />

- in einer Pr<strong>im</strong>ärbetrachtung der Bedarf an Büroräumen<br />

seitens der ABB. Nachdem sich die Situation<br />

für Büroräume gebessert hatte, wurde eine weitere<br />

Umnutzung des «Ententeichs» geprüft, da sich auch<br />

gezeigt hatte, dass die Gebäudetiefe nicht ideal ist<br />

für Büroräume und eine Wohnnutzung geeigneter<br />

wäre.<br />

Abb. 4.3.2.1 Kriterien zurBewertung der Nutzungsvarianten des «Ententeichs».<br />

Es gibt Kriterien (hier «Teilziele» genannt), die genereller Natur<br />

sind wie «Machbarkeit», «Sozialverträglichkeit», «Umweltverträglichkeit»,<br />

«Zweckmässigkeit», unduntergeordnete Kriterien: z.B. wird «Machbarkeit»<br />

durch finanzielle, technische und organisatorische Indikatoren<br />

gemessen.<br />

4.3.2 Bewertung von Nurzungsalrernativen des<br />

«Enrenreichs»<br />

Betrachtet wurden vier Nutzungsvarianten:<br />

• Dienstleistungs- und Gewerbenutzung (DL&G)<br />

• Wohnnutzung<br />

• Mischnutzung Wohnen/DL&G<br />

• Mischnutzung Wohnen/DL&G/Kultur.<br />

Diese vier Varianten sollten nun von mehreren<br />

Akteuren, die wesentlich an der Planung zur Um-<br />

302<br />

UNS-Fallstudie '96


___________________--------------------<br />

Gebäude<br />

Gewicht<br />

in%<br />

Bauherrin<br />

Machbarkeit<br />

32.3<br />

Sozialver- Umweltver- Zweckträglichkeit<br />

träglichkeit mässigkeit<br />

25.7<br />

19.4<br />

22.6<br />

Architekturbüro<br />

25<br />

25<br />

25<br />

25<br />

zürifüfzg!<br />

20.7<br />

27.6<br />

27.6<br />

24.1<br />

Abb. 4.3.2.2 Umnutzung des .Ententeichs»: Befragte Akteure; zürifüfzg!<br />

n<strong>im</strong>mt eine Aussenperspektive ein.<br />

Tab. 4.3.2 Gewichte der Faktoren in Prozent.<br />

100<br />

10 Logical Decisions erlaubt es, den einzelnen Indikatoren eigene Nutzenfunktionen<br />

zu;wordnen. Zum Beispiel könnte der,-Nähe zu den' Läden»·<br />

Nutzen exponentiell mit der Distanz abnehmen. Im unseren Fall wurden<br />

diese Nutzenfunktionen jedoch alle linear gesetzt. Die St<strong>and</strong>ardfrage<br />

für die Indikatoren lautete dazu: - Wie schätzen Sie [Indikator] bezüglich<br />

der Nutzung [Alternative] ein?» Ein Wert zwischen 0 (schlecht, nicht<br />

opt<strong>im</strong>al, negativ, etc.) und 100 (gut, opt<strong>im</strong>al, positiv, etc.) musste von den<br />

Befragten angegeben werden<br />

'<br />

90<br />

80<br />

70<br />

c: 60<br />

CD<br />

.!::!<br />

~ 50<br />

nutzung des «Ententeichs» betei~<br />

ligt sind, bewertet werden (vgl.<br />

Abb. 4.3.2.2). Exemplarisch befragt<br />

wurde je ein Vertreter von:<br />

• der ABB Immobilien AG und<br />

• dem beauftragten Architekturbüro.<br />

Um eine Aussensicht von Seiten<br />

der QuartieranwohnerInnen zu ermöglichen,<br />

wurde 'auch ein Vertreter<br />

vom Verein zürifüfzg! einbezogen.<br />

Zum Einsatz kam eine computergestützte<br />

Methode zur. multi~<br />

attributiven Bewertung, genannt<br />

Logical Decisions, eine Weiterentwicklung<br />

zu MAUT (Multiattributive<br />

Nutzentheorie; vgl.<br />

Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRONRAUM). Die<br />

Bewertung erfolgte anh<strong>and</strong> von<br />

Kriterien für gesellschaftliche Vorhaben<br />

aus der Studie «Ökosozial:<br />

Die Schweizer Städte vor sozialen<br />

und ökologischen Herausforderungen<br />

des Spätindustriellen Zeitalters»,<br />

durchgeführt <strong>im</strong> Auftrag des Schweizerischen<br />

Nationalfonds (Arend, 1993). Abb. 4.3.2.1 zeigt<br />

die Art und den Zusammenhang der Kriterien lO , Abb.<br />

4.3.2.3 zeigt die Ergebnisse.<br />

. Die Nutzungspräferenzen der Bauherrin (ABB<br />

Immobilien AG) und des Architekten (Schönenberg<br />

u. Partner) unterscheiden sich kaum. Wohnen steht<br />

an erster Stelle, die Dienstleistungs-/Gewerbenutzung<br />

an letzter. Dies entspricht der vom Bauherrn<br />

getroffenen Entscheidung für eine Wohnnutzung.<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

o<br />

Bauherrin<br />

Architekturbüro<br />

zürifüfzgl<br />

Abb. 4.3.2.3 Ergebnisse der Bewertung der Nutzungsvarianten des .Ententeichs» (Methode: Logical<br />

Decisions/MA UT). Die reine Wohnnutzung wird von den EntscheidungträgerInnen favorisiert,<br />

die Alternative .Dienstleistungen undGewerbe» schneidetgenerellam schlechtesten ab. Von Seiten des<br />

Vertreters der Quartieranwohner wird eher eine .Iokale» Durchmischung gewünscht (DL = Dienstleistung).<br />

Aus' Sicht von zürifüfzg! relativieren sich die Bewertungen<br />

für die möglichen Nutzen; auch eine Dienstleistungs-/Gewerbenutzung<br />

scheint präferabel.<br />

4.3.3 Weitere Umnlltzllngen?<br />

Im gleichen Teilgebiet wie der «Ententeich» befinden<br />

sich drei weitete Backsteingebäude, die momentan<br />

hauptsächlich, als Bürogebäude genutzt werden<br />

und deren Zust<strong>and</strong> vermutlich eine Umnutzung<br />

erlauben würde. Die Erhaltung des früheren Industriecharakters<br />

des Areals hängt vor,allem von den<br />

bestehenden Strukturen ab. Eine alleinige Umnutzung<br />

des «Ententeichs» als Prestigeobjekt und<br />

Einzelsymbol für die vergangene Produktionsstätte<br />

<strong>im</strong>~itten von Neubauten kann inUllseren Augen.<br />

dem besonderen Qualitätsanspruch des «neues Wohnens<br />

an altem Industriest<strong>and</strong>ort» nicht genügen.<br />

I<br />

I<br />

UNS·Fallstudie'96 303


Gebäude<br />

5. Implementation von<br />

UmweltmalJagement: Von der<br />

Information zur Entscheidung<br />

In den vorangegangenen Kapiteln wurde gezeigt,<br />

welche Informationen zu umweltspezifischen<br />

Aspekten der Bauplanung be<strong>im</strong> ZZN zu gewinnen<br />

sind und welche Methoden hierbei zum Einsatz<br />

gelangen können. In dem eingangs vorgestellten<br />

Modell für ein Umweltmanagementsystem (vgI.<br />

Abb. 3.1) müssen die Umweltziele und die Daten zu<br />

Entscheidungen aggregiert werden. So kann etwa die<br />

Stoffflussanalyse helfen, die Entscheidung für oder<br />

gegen einen Umbau zu unterstützen. Eine Bewertung<br />

von Nutzungsvarianten mithilfe Multikriterieller<br />

Entscheidungsmethoden kann helfen, die Nutzungsentscheidung<br />

zu treffen.<br />

Dieses abschliessende Kapitel greift noch einmal<br />

die Ausgangsfragestellung auf. Es geht darum:<br />

1. Wie lässt sich ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauprozess<br />

<strong>im</strong>plementieren? Wir werden hier noch<br />

einmal die Funktion ökologischer Kriterien erörtern<br />

und die Kriterien der Bauträgerwettbewerbe<br />

der <strong>Stadt</strong>Wien vorstellen.<br />

2. Welchen Anteil können umweltnaturwissenschaftliche<br />

Methoden bei der Entscheidungsunterstützung<br />

<strong>im</strong> Umweltmanagement von Bauprozessen<br />

gewinnen? Wir können auch fragen: Wie lassensich<br />

die gewonnenen Daten sinnvoll bewerten? Denn genau<br />

darum geht es: Daten zu umweltspezifischen<br />

Aspekten hinsichtlich der gewählten Ziele und der<br />

möglichen Entscheidungen zu bewerten.<br />

Wir werden abschliessend einige Überlegungen zur<br />

Wirtschaftlichkeit und zum Verhältnis von Planungsund<br />

umweltnaturwissenschaftlicher Perspektive einbeziehen.<br />

5.1 Planung: Ba"plan"ng "nd<br />

Umweltmanagement<br />

Wie lässt sich ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauprozess<br />

<strong>im</strong>plementieren? Das betriebsorganisatorische<br />

Problem, das sich mit der Einführung von Umweltmanagementsystemen<br />

verbindet, kann hier nicht<br />

diskutiert werden. Vielmehr wird hier noch einmal<br />

d'er konkrete Nutzen von ökologischen Kriterien und<br />

Indikatoren erörtert. Daran anschliessend stellen wir<br />

ein konkretes Beispiel aus dem Bauw~sen der <strong>Stadt</strong><br />

11 Informationen zur Bauherrin - der ABB Immobilien AG - und zum beauftragten<br />

Architekturbüro entstammen den Interviews, die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit der Befragung zur Nutzungsbewertung des «Ententeichs»<br />

geführt wurd,en (vgl. Kap. 4.3 NUTZUNG: NUTZUNGSVARIANTEN DES «ENTEN­<br />

TEICHS»).<br />

Wien vor und vergleichen die dort genutzten Kriterien<br />

mit der Situation am ZZN.<br />

5.1.1 Ökologische Kriterien als GrJlndlage (iir das<br />

Umweltmanagement<br />

Bauplanung umfasst mehrere Teilphasen vom Auftrag<br />

bis zur Projektphase. In jeder Planungsphase<br />

werden eine Menge ökologisch relevanter Entscheidungen<br />

getroffen, welche die Entscheidungsfreiheit<br />

und damit die ökologischen Optionen späterer Phasen<br />

einschränken. Will man ökologische Anliegen wirkungsvolleinbringen,<br />

so müssen diese «phasengerecht», d.h.<br />

angepasst unddifferenziert, eingebrachtwerdl/n. Dies war,<br />

wie erwähnt, eine der Grundaussagen der UNS-Fallstudie<br />

'95 «Umwelt und Bauen». Um - <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Umweltmanagements - ökologisch opt<strong>im</strong>ale<br />

Entscheide treffen zu können, braucht es Ziele,<br />

Kriterien und Daten. Diese sind aber nicht für jede<br />

Phase gleich. So ist in der Vorstudienphase die Frage,<br />

ob umgenutzt oder neu gebaut wird, ein wichtiges<br />

Kriterium; in der Planung der Ausführungsphase<br />

hingegen ist u.a. die Wahl von umweltfreundlichen<br />

Materialien wesentlich, und in der Bauausführung<br />

selbst ist z.B. das Recyklieren von Bauabfallen<br />

wichtig.<br />

Es taucht die Frage auf, ob es allgemeine Kriterien_<br />

gibt, die sich für jede Projektphase anwenden lassen.<br />

Gemeint sind Kriterien, die in der Bauplanung Anwendung<br />

finden und die die relevanten umw~ltspezifischen<br />

Aspekten des weiteren Bauprozesses<br />

einbeziehen. Gesucht ist eine Lösung für das Ökologie-Planungs-Problem,<br />

dass anerkannte ökologi-<br />

. sche Kriterien in einer frühen Planungsphase wegen<br />

des mangelnden Detailierungsgrads nicht .praktikabel<br />

sind, in den späteren Phasen aber viel weniger<br />

Wirkung haben.<br />

5.1.2 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> «Ententeich<br />

Be<strong>im</strong> Projekt «Ententeich» st<strong>and</strong>en Zweckmässigkeit,<br />

Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

Das vorliegende Projekt entspricht in bezug<br />

auf Ökologie dem «state of the art» und soll nicht<br />

als Vorzeigemodell in bezug auf Ökologie dienen.<br />

Am Projekt «Ententeich» können zum Thema<br />

«Ökologie und Planung» insbesondere die folgenden<br />

Punkte-hervorgehoben-werden: 1L .. ------<br />

• Hinsichtlich Ökologie sind in den Sonderbauvorschriften<br />

und <strong>im</strong> Leitbild ZZN einige Angaben<br />

gemacht worden.<br />

• Der Architektenvorschlag .zur Umnutzung des<br />

«Ententeichs» wurde <strong>im</strong> Ideenwettbewerb des<br />

ZZN gefallt.<br />

• Eine zusätzliche Umnutzung von Gebäuden ist<br />

nicht vorgesehen.<br />

_<br />

304<br />

UNS-Fallstudie '96


_____----: ----: Gebäude<br />

I<br />

!-<br />

I<br />

Kpsten 5.1.2 Expertenplenum zum Ökologie-Planu'lgs-Problem.<br />

• Im Vorprojekt «Ententeich» wurden von Seiten<br />

der ABB keine Vorgaben bezüglich Ökologie gemacht.<br />

• Für das Projekt «Ententeich» waren auf Seiten der<br />

ABB Immobilien AG ökologische Überlegungen<br />

nicht relevant, denn es wurden Nutzungsideen<br />

gesucht; ökologische Opt<strong>im</strong>ierung st<strong>and</strong> nicht zur<br />

Diskussion.<br />

• Das beauftragte Architekturbüro besitzt weder ein<br />

allgemeines noch ein formelles ökologisches Leitbild.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

305


Gebäude --:- ~ _<br />

Ökologische Aspekte werden nicht<br />

als eigene Ziele betrachtet, sie werden<br />

jedoch <strong>im</strong> Ansatz in der Planung berücksichtigt.<br />

Viele ökologische Anliegen<br />

gelten 'als' selbstverständlich.<br />

Auch wenn das beauftragte Architekturbüro<br />

keinen speziellen Anspruch<br />

aufeine ökologische Vprreiterrolle hat,<br />

ist es gleichw:ohl bestrebt, ökologisch<br />

«a jour» zu sein.<br />

• Be<strong>im</strong> beauftragten Architekturbüro<br />

wurden noch keine spezifisch ökologischen<br />

Überlegungen angestellt (z.B.<br />

Haustechnik, alternative Energienutzung,<br />

etc.), dies sei in diesem<br />

Stadium der Planung noch «zu früh».<br />

Das Ökologie-Planungs-Problem (vgl.<br />

Kap. 3.3 AUF DEM WEG ZU EINER PER­<br />

SPEKTIVEN-SYNTHESE...) 'zeigt sich also<br />

auch an der Planung zum «Ententeich».<br />

Hierzu veranstaltete die S.ynthesegruppe<br />

GEBÄUDE ein Expertenplenum<br />

(Kasten 5.1.2). Welche Mög\ichkeiten<br />

für die ökologische Opt<strong>im</strong>ierung siCh<br />

auf kommunaler Ebene ergeben, wollen<br />

wir mit einem Exkurs über die ersten<br />

beiden BauträgerWettbewerbe der <strong>Stadt</strong><br />

Wien aufzeigen.<br />

5.1.3 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong><br />

Ballträgerwettbewerb der <strong>Stadt</strong> Wien<br />

Die <strong>Stadt</strong> Wien hat 1995 damit begonnen,den<br />

aus öffentlichen Mitteln<br />

geförderten Wohnbau auf der Basis von<br />

öffentlich ausgeschriebenen Bauträgerwettbewerben<br />

abzuwickeln. Angestrebt<br />

werden Kostensenkungen <strong>im</strong> Geschosswohnbau<br />

bei gleichzeitiger' Anhebung<br />

der planerischen und umwelttechnischökologischen<br />

Qualitäten. Für die Ausschreibung<br />

wurden eine Reihe von<br />

Kriterien und Kennzahlen für die Bereiche<br />

P/anungsqualität,Ökonomie und<br />

Umwe!tre!cvanz/Ök%gie entwickelt, anh<strong>and</strong><br />

derer die· eingereichten Projekte<br />

von einer unabhängigen Fachjury (zusammengesetzt<br />

"aus zwei Architektln-.<br />

nen, zwei Kommunaipolitikerlnnen und<br />

zwei ÖkologInnen) vergleichend beurteilt<br />

werden.<br />

Als Beurteilungsgrundlage . dienen<br />

st<strong>and</strong>ardisierte Ausschreibungsunterlagen,<br />

die sich aUS einem allgemeinen<br />

Teil (Kennziffern des Bauvorhabens),<br />

einer Bauheschreibung (Konstruktion,<br />

Kasten 5.1.3.1 Indikatoren in der baulichen Praxis nach Robert Korab, ÖstefTeichisches<br />

Ökologie-Institutfür angew<strong>and</strong>te Umweltforschung (Korab, 1996).<br />

306<br />

UNS·Fallstudie '96


-------------------------- Gebäude<br />

Technik, Materialien) und einem Bogen zu besonderen<br />

Elementen der Ausführung zusammensetzen.<br />

Die Kriterien sollen laufend verbessert werden<br />

mit dem Ziel, definierte und transparente St<strong>and</strong>ards<br />

zur umwelttechnisch-ökologischen Beurteilung von<br />

Wohnbauvorhaben zu schaffen. Fernziel ist es, umwelttechnisch-ökologische<br />

Anforderungen als H<strong>and</strong>lungsroutinen<br />

in das Planungs- und Baugeschehen<br />

zu integrieren und den Wohnbau quasi "«von innen»<br />

durch Sensibilisierung, Weiterbildung und Aktivierung<br />

der beteiligten Akteure zu reformieren. Dabei<br />

wird den folgenden Punkten besondere Beachtung<br />

geschenkt:<br />

• Es soll eineprojektbezogene Opt<strong>im</strong>ierung umwelttechnischer<br />

und stadtökologischer Lösungen,<br />

abgest<strong>im</strong>mt auf St<strong>and</strong>ort und Thema des jeweiligen<br />

Bauvorhabens erreicht werden.<br />

• Investitionen in' <strong>Stadt</strong>ökologie, Umwelttechnik<br />

und hohe Planungsqualität sollen aus einer langfristigen<br />

Perspektive getätigtwerden.<br />

• Bereits in der Frühphase sollen Bauvorhaben so<br />

konzipiert" und realisiert werden, dass möglichst<br />

geringe externe Kosten oder Folgekosten <strong>im</strong> Bereich<br />

Umweit-Soziales-Mieterbelastung entstehen;<br />

weg vom Wegschauen vor den Folgewirkungen,<br />

Verantwortung für die Folgen übernehmen.<br />

• Insbesondere sollen «gesamtkostenverträgliche»<br />

Mehrkosten akzeptiert werden, wenn sie eine<br />

Entlastung der MieterInnen von Folgekosten<br />

(Betriebskosten, Erhaltungskosten) bewirken und<br />

damit den Gesamtwohnungsaufw<strong>and</strong> verringern,<br />

bei gleichen" zukünftigem Wohnungsaufw<strong>and</strong> eine<br />

Erhöhung der Wohn-, Gebäude- und Wohnumfeldqualität<br />

bewirken, externe Umweltkosten oder<br />

soziale Folgekosten min<strong>im</strong>ieren.<br />

• Mittelfristig sollen siedlungs-, stadt- und bauökologische<br />

und umwelttechnische St<strong>and</strong>ards für<br />

den Wohnbau geschaffen werden. Zur Schaffung<br />

der St<strong>and</strong>ards ist die Idee der Bauträgerwettbewerbe<br />

dem Weg der Konkurrenz um Wohnbauförderungsmittel<br />

verpflichtet und verwendet Normen<br />

zur Kontrolle der ausgewählten Angebote. Mit der<br />

Konkurrenz findet auch eine Umdefinition des/der<br />

WohnbauträgerIn statt: er/sie wird zum Anbieter<br />

einer «Dienstleistung Wohnbauschaffung» und ist<br />

nicht länger ProduzentIn für einen Massenmarkt in<br />

einer «geschützten Werkstätte».<br />

Mit diesen Grundsätzen wurde in der <strong>Stadt</strong> Wien<br />

bereits nach kurzer Zeit <strong>im</strong> Bereich Ökologie einiges<br />

erreicht. So ist zum Beispiel der Niedrigenergiest<strong>and</strong>ard<br />

<strong>im</strong> Wohnbau, der jahrelang mit dem Hinweis<br />

auf zu hohe Kosten zurückgewiesen wurde, seit<br />

den ersten Bauträgerwettbewerben zum de~facto<br />

St<strong>and</strong>ard <strong>im</strong> Wiener Wohnbau geworden. Die ersten<br />

beiden Bauträg~rwettbewerbezeigte auch ein erfreuliches<br />

Ergebnis in wirtschaftlicher Hinsicht: Die<br />

Kosten 5.1.3.2 Literatur zu den Bautriigerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien.<br />

durchschnittlichen Baukosten der Siegerprojekte<br />

liegen 15% tiefer als die früheren Projekte. Die Bauplanung<br />

der <strong>Stadt</strong> Wien fügt sich in ein Gesamtkonzept<br />

von <strong>Stadt</strong>planung zu der auch eine aktive<br />

Bürgerbeteiligung gehört (vgI. Kasten 5.1.3.2).<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

307


Gebäude<br />

_<br />

5.1.4 Das Wiener Modell und die Planung ffEntenteich»<br />

Kriterien gemäss Wiener Moden RahmenbediDgungen und Ziele Planung «Ententeich»<br />

Sonderbauvorschriften<br />

(Entwurf<br />

Dezember 1994)<br />

Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />

(Anhang zum General-/<br />

Totalunternehmer-Vertrag<br />

der ABB, Juni 1995)<br />

(Quellen: Vorprojekt,<br />

Interview mit ABB, mit<br />

dem Architekturbüro)*<br />

1. Bautechnik/·<br />

Haustechnik<br />

1.1 Energieverbrauch • Spezifischer äquivalenter<br />

Transmissionswärmeverlust<br />

• Energiesparendes<br />

Bauen durch passive<br />

Solarenergienutzung<br />

• Energiebedarf,<br />

Abwärme und Abluft<br />

min<strong>im</strong>ieren<br />

• Eher negative<br />

Energiebilanz für<br />

Glasfassade nach<br />

Westen<br />

• Dachsanierung<br />

geplant<br />

• Südwestfassade in<br />

Glas und Metall<br />

• Gebäudeausrichtung<br />

gegeben<br />

1.2 EDergieversorgung • Heizsystem (z.B.<br />

duale Versorgung<br />

Fernwäme-Solar oder<br />

Fernwärme-Wärmerückgewinnung;<br />

Brennwerttechnik,<br />

Niedertemperaturheizung,<br />

Regelungstechnik)<br />

• Einsatz von Alternativenergien<br />

(z.B.<br />

aktive Solarenergienutzung.<br />

Wärmepumpen)<br />

• Wärmerückgewinnung<br />

(aus Abluft,<br />

Abwasser)<br />

1.3 Wasser • Brauchwassernut­<br />

.zung<br />

• Grauwasserrecycling<br />

• Haushaltswasserzähler<br />

(Kaltwasserzähler)<br />

• Der Energiebedarf<br />

für Raumheizung<br />

und Warmwasser ist<br />

durch Fernwärme zu<br />

decken, soweit er<br />

nicht durch erneuerbare<br />

Energien oder<br />

Abwärme gedeckt<br />

wird. (Art. 29)<br />

• Das unverschmutzte<br />

Meteorwasser ist in<br />

geeigneter Weise dem<br />

Grundwasser, Vorflutern<br />

oder Retentionsflächen<br />

zuzuführen.<br />

• Meteorwasser, das<br />

nicht versickert<br />

werden darf, ist<br />

<strong>im</strong> Sinne von Art. 7<br />

GSchG und nach<br />

Massgabe des generellen<br />

Entwässerungsplans<br />

abzuleiten<br />

(Art. 30).<br />

• Abwasser min<strong>im</strong>ieren<br />

durch wassersparende<br />

Armaturen und<br />

Geräte<br />

• Regenwassernutzung<br />

(WC,etc.)<br />

Tob. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwetfbeweroen der <strong>Stadt</strong> Wien (Korob, 1996) undderPlanung zum «Ententeich» (GSchG = Gewässerschutzgesetz;<br />

LSV = Liirmschutzverordnung; EFH = Einfamilienhaus).<br />

" Die Interviews mitABB undArchitekturbüro wurden nicht analog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwarten.<br />

Fortsetzung Tob. 5.1.4siehe nächste Seiten -7<br />

308 UNS-Fallstudie '96


______'__ ~ _'__ _'__ Gebäude<br />

Kriterien gemäss Wiener Modell RahmenbediDgungen und Ziele Planung «Ententeich"<br />

Sonderbauvorschriften<br />

(Entwurf<br />

Dezember 1994)<br />

Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />

(Anhang zum General-/<br />

Totalunternehmer-Vertrag<br />

der ARB, Juni 1995)<br />

(Quellen: Vorprojekt,<br />

Interview mit ARB, mit<br />

dem Architekturbüro)*<br />

1.4 Innovative Technik • (v.a. innovative) bauund<br />

haustechnische<br />

Infrastruktur (z.B.<br />

mehrschalige kl<strong>im</strong>aregulierende<br />

Fassadensysteme,<br />

Einsatz<br />

von hochtransparenter<br />

Wärmedämmung)<br />

2. Bauökologie,<br />

'ressourcenschonendes<br />

Bauen<br />

2.1 Baustoffe und<br />

Baumaterialien<br />

• Verwendung von<br />

Materialien mit geringem<br />

Energieinhalt<br />

und möglichst umweltfreundlichem/r<br />

Produktzyklus,<br />

Produktlinie, bzw.<br />

Ökobilanz<br />

• Verwendung nachwachsender<br />

Materialien<br />

'und Rohstoffe<br />

• Trennbarkeit und<br />

Wiederverwertbarkeit<br />

(Wiederverwendung/<br />

Recovering, Wiederverwertung/Recycling)<br />

der Bauwerkskomponenten<br />

<strong>im</strong><br />

Abbruchfall<br />

• Geringer Energieaufw<strong>and</strong><br />

und schadstoffarme<br />

Herstellung,<br />

Regenerierbarkeit<br />

und Wiederwerwendbarkeit<br />

• Verzicht auf umweltschädliche<br />

Werkstoffe<br />

(z.B. einhe<strong>im</strong>isches<br />

Holz verwenden)<br />

• Gezielter Rückbau:<br />

Abfalltrennung,<br />

Recycling<br />

• Wohntrennwände:<br />

Calinosteine<br />

• Fassade: Backstein<br />

(alt), Glas/Metall<br />

• Glas-/Metallfassade.<br />

Gründe: Licht, Sicht<br />

auf Park<br />

2.2 Konstruktion<br />

• Aufbau und Zusammenwirken<br />

der<br />

Einzelbauteile (z.B.<br />

Atissenw<strong>and</strong>aufbau:<br />

mehrschaliger oder<br />

einschaliger Aufbau,<br />

hinterlüftete Fassaden)<br />

• Verarbeitung der Baustoffe<br />

(z.B. geklebter<br />

oder gedübelter<br />

Vollwärmeschutz)<br />

....bei Gebäuden mit<br />

einer Gebäudehöhe<br />

von mehr als 5 m<br />

sind nur Flachdächer<br />

oder Pultdächer mit<br />

einer Neigung von<br />

max<strong>im</strong>al 1O' gestattet<br />

(Art. 20) (dies ist eine<br />

Voraussetzung für<br />

die Realisierung von<br />

Gründächern).<br />

• Charakter des Gebäudes<br />

wird erhalten<br />

• Stahlprofile<br />

• Sanitärkonstruktion:<br />

je ein Strang pro<br />

Einheit,<br />

daher: Materialverbrauch,<br />

Wartung,<br />

Isolation opt<strong>im</strong>al<br />

• Bestehende Konstruktion<br />

wird genutzt<br />

• Zwischenböden<br />

• «EFH» <strong>im</strong> Gebäude<br />

• Interessante, Iiftähnliche<br />

Wohnungen<br />

• Charakter eines<br />

schönen Industriebaus<br />

erhalten<br />

Forsetzung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich.<br />

Fortsetzung Tob. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />

UNS-Fallstudie '96 309


Gebäude<br />

_<br />

Kriterien gemäss Wiener Moden .Rahmenbedingungen und Ziele Planung «Ententeich»<br />

Sonderbauvorschriften<br />

(Entwurf<br />

Dezember 1994)<br />

Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />

(Anhang zum General-j<br />

Totalunternehmer-Vertrag<br />

der ABR, Juni 1995)<br />

(Quellen: Vorprojekt,<br />

Interview mit ABR, mit<br />

dem Architekturbüro)*<br />

2.3 Bauphysikalischkl<strong>im</strong>atische<br />

Qualität<br />

der Konstruktionselemente<br />

und<br />

Bauteile<br />

• Wärmetechnische<br />

Qualität der Bauteilej<br />

Wärmedämmung<br />

(Aussenbauteile,<br />

Fenster)<br />

• Dampfdiffusionsoffenheit,<br />

Schadstofffreiheit,<br />

Auswirkungen<br />

auf das Innenraumkl<strong>im</strong>a<br />

• Neue Dachisolation<br />

gemäss St<strong>and</strong> der<br />

Technik<br />

• Eher negative<br />

Energiebilanz für<br />

Glasfassade nach<br />

Westen<br />

3. Wohnökologie<br />

3.i Materialien und<br />

Ausführungsqualität<br />

(Innenausbau)<br />

• Materialien und<br />

Ausführungsqualität<br />

<strong>im</strong> Innenausbau (z.B.<br />

Zwischenw<strong>and</strong>aufbau,<br />

Bodenbeläge,<br />

Innenanstriche und<br />

Farben), bewertet<br />

hinsichtlich Materialqualität,<br />

Behaglichkeit/lnnenraumkl<strong>im</strong>a,<br />

Schadstofffreiheit<br />

• Wohnungsinterne<br />

Wände: Backstein und<br />

Gips<br />

• Innen: Weissputz,<br />

Metalltreppen,<br />

Zementmörtelunterlagen,<br />

Parkettböden<br />

3.2 SChalltechnische<br />

Qualität<br />

• Schalltechnische<br />

Qualität der Bauteile<br />

(Aussenwände,<br />

Wohnungstrennwände,<br />

Fenster)<br />

• Empfindlichkeitsstufe<br />

111 gemäss Art. 43 LSV,<br />

d.h. mässig störende<br />

Betriebe sind zugelassen<br />

(Art. 8)<br />

• Lage an wenig<br />

befahrener Strasse<br />

• Tiefgarageneinfahrt<br />

auf Bahnhofseite<br />

3.3 Besonnung und<br />

Belichtung<br />

.• Besonnung und<br />

Belichtung der Wohnund<br />

Aufenthaltsräume<br />

• Sonnenschutzgläser<br />

aufgrund ganzjähriger<br />

Tageslichteinbusse<br />

<strong>im</strong> Innenraum<br />

vermeiden<br />

• Gebäudeausrichtung<br />

gegeben<br />

• Grosse Glasflächen<br />

auf Ost-und Westseite<br />

• «Wintergarten» (eher<br />

Gemeinschaftsraum)<br />

lässt licht in die<br />

Wohnungen hinein<br />

3.5 Elektrosmog<br />

• Netzfreischalter<br />

• Erdstrahlung mit<br />

den massiven Stahlbetonböden<br />

stark<br />

abgelenkt<br />

3.6 Raumkl<strong>im</strong>a<br />

• Strahlungsheizung<br />

3.7 Private Freiräume<br />

und Grünflächen<br />

(sofern nicht unter<br />

4. erfasst)<br />

• Angehote an privaten<br />

und wohnungsbezogenen<br />

Freiräumen.<br />

und Grünflächen<br />

(sofern sie unmittelbar<br />

zur Steigerung<br />

der Wohnqualität<br />

beitragen und nicht<br />

unter 4. erfasst sind)<br />

• Kleine Gärten/Vorgärten<br />

ForsetzungTab.5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum .Ententeich»<br />

Fortsetzung Tab. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />

310 UNS-Fallstudie '96


____________-----------------------------Gebäude<br />

Kriterien gemäss Wiener Modell Rahmenbedingungen und Ziele Planung ~Ententeich»<br />

Sonderbauvorschriften<br />

(Entwurf<br />

Dezember 1994)<br />

Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />

(Anhang zum General-/<br />

Totalunternehmer-Vertrag<br />

der ARB, Juni 1995)<br />

(Quellen: Vorprojekt,<br />

Interview mit ARB, mit<br />

dem Architekturbüro)*<br />

4. <strong>Stadt</strong>ökologie,<br />

Freiraum,<br />

Grünraum<br />

4.1 Flächenverbrauch<br />

• Flächenverbrauch/<br />

Flächenintensität<br />

(beinhaltet u.a. auch<br />

innovative Stellplatzlösungen,<br />

Sammelgaragen;<br />

geringer<br />

Flächenverbrauch für<br />

Garagenerschliessung<br />

und für die Erschliessung<br />

allgemein,<br />

sofern damit nicht<br />

die Freiraumqualität<br />

erhöht wird)<br />

• Tiefgarage<br />

• Parkplatz-Sharing mit<br />

Bürogebäude<br />

4.2 Versiegelung<br />

• Verslegelungsgrad<br />

• Parkplätze: Versiegelnde<br />

Beläge<br />

vermeiden (Schotterrasen,<br />

Rasengittersteine)<br />

• Versiegelung durch<br />

Tiefgarage neben<br />

dem Gebäude<br />

4.3 Wasserhaushalt<br />

• Niederschlagswasserversickerung<br />

• Das unverschmutzte<br />

Meteorwasser ist in<br />

geeigneter Weise dem<br />

Grundwasser, Vorflutern<br />

oder Retentionsflächen<br />

zuzuführen.<br />

Meteorwasser, das<br />

nicht versickert werden<br />

darf, ist <strong>im</strong> Sinne<br />

von Art. 7 GSchG und<br />

nach Massgabe des<br />

generellen Entwässerungsplans<br />

abzuleiten<br />

(Art. 30).<br />

• Dach- und Platzentwässerung:<br />

Möglichkeit der<br />

Entwässerung vor<br />

Ort<br />

• «Keine Dachbegrünung»<br />

(allgemeine<br />

Aussage)<br />

4.4 Begrünung<br />

• Dachbegrünung,<br />

Fassadenbegrünung<br />

• Flachdächer sind zu<br />

begrünen, soweit<br />

dadurch die ordentliche<br />

Nutzung der<br />

Gebäude nicht übermässig<br />

erschwert<br />

wird (Art. 20).<br />

4.5 Grünflächenqualität<br />

• Ökologische Qualität<br />

der Grünflächen<br />

• he<strong>im</strong>ische Gräser,<br />

Magerwiesen, Biotope<br />

anstelle von Zierras~n<br />

• he<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ort­<br />

~ypische Pflanzen<br />

4.6 Nutzbarkeit<br />

• Nutzbarkeit der<br />

Freiräume und<br />

Gemeinschaftsflächen<br />

• Tiefgarage<br />

Fortsetzung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich» (GSchG<br />

= Gewässerschutzgesetz; LSV= Lärmschutzverordnung; EFH =Einfamilienhaus).<br />

.. Die Interviews mit ABB undArchitekturbüro wurden nichtanalog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwarten.<br />

Fortsetzung Tab. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />

UNS-Fallstudie '96 311


Gebäude -:-- -:-- _<br />

Kriterien gemäss Wiener Modell Rahmenbedingungen und Ziele Planung ccEntenteich"<br />

Sonderbauvorschriften<br />

(Entwurf<br />

Dezember 1994)<br />

Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />

(Anhang zum General-/<br />

Totalunternehmer-Vertrag<br />

der ABB, Juni 1995)<br />

(Quellen: Vorprojekt,<br />

Interview mit ABB, mit<br />

dem Architekturbüro)*<br />

4.7 Gemeinschaftseinrichtungen<br />

.. Angebot an Gemeinschaftseinrichtungen<br />

<strong>im</strong> Wohnumfeld<br />

.. Gl!meinschaftsräume<br />

<strong>im</strong> Parterre<br />

.. Mögliche Gemeinschaftsräume<br />

<strong>im</strong><br />

Treppenhaus<br />

4.8 Städtebau<br />

.. Städtebauliche<br />

Konfiguration (Zusammenspiel<br />

von<br />

Gebäude und Frei-<br />

, raum)<br />

.. Abst<strong>and</strong> zu Nachbargrundstücken<br />

9 m,<br />

zu Strassen 6 m ,<br />

.. Park<br />

.. Ohne Park kein<br />

Wohnen<br />

.. Gemäss Leitbild:<br />

Nähe zum Park,<br />

Neben Bürogebäuden<br />

4.9 Entsorgung<br />

.. Entsorgung und Müll<br />

(z.B. Mülltrennung,<br />

Eigenkompostierung)<br />

.. Abfiille (Art. 30)<br />

.. Altlasten (Art. 32)<br />

.. Abfall min<strong>im</strong>ieren<br />

Fortset;r,ung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Hauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich» (GSchG<br />

= Gewässerschut;r,geset;r,; LSV= Lärmschut;r,verordnung; EFH = Einfamilienhaus),<br />

.. Die Interoiewsmit AHH undArchitekturbüro wurden nichtanalog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwat1en.<br />

5,1.5 Bauplanungs·Umweltmanagement in der ABB<br />

Der Konzern ABB hat eine stark differenzierte<br />

Matrixstruktur, in der sich eine Organisation nach<br />

Geschäftsbereichen und eine Regionalorganisation<br />

kreuzen. Einige Bereiche wurden in den letzten<br />

Jahren «outgesourct", z.B. wurde die ABB-Gebäudebewirtschaftung<br />

auf dem ZZN-Areal an die heutige<br />

Göhner Merkur-Gruppe verkauft. Im Laufe der Zeit<br />

entst<strong>and</strong>en viele selbständige ABB-Tochtergesellschaften<br />

und Zulieferfirmen, die über Kapitalanteile der<br />

ABB oder Dienstleistungen mit der ABB verbunden<br />

sind. Schon von daher ist die Implementation eines<br />

Umweltmanagements in allen ABB-Konzernbereichen<br />

nicht als einfach zu beurteilen. Die ABB Immobilien<br />

AG hat sich am 10.9.96 entschieden, sich bis 1998<br />

nach ISO 14001 zertifizieren zu lassen.<br />

Kasten 5,1,5 Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit,<br />

312 UNS- Fallstudie '96


----------'--------------_------_-----------Gebäude<br />

Es gibt gerade in der ABB gute<br />

Ansätze für ein umfassendes<br />

Umweltmanagement. Alle Firmen<br />

der ABB Schweiz sind - so Alois<br />

Sonnenrnoser, Mitglied der Geschäftsleitung<br />

derABB Schweiz­<br />

'zertifiziert nach der ISO-Norm<br />

9001 und haben mithin ein Total­<br />

Quality-Management eingeführt; die<br />

Firmen werden jährlich auf ihre<br />

«Fähigkeit der kontinuierlichen<br />

Verbesserung» hin bewertet (Sonnenmoser,<br />

1996, Kap. 3.3). Gerade<br />

in der Verbindung von Qualitätsmanage~ent<br />

(ISO 9001) und Umweltmanagement<br />

(ISO' 14001) besteht<br />

heute eine Chance zu einer<br />

effektiven und effizienten Implementaiion<br />

von Umweltmanagement<br />

(vgl. z.B. SBV, 1995). Überlegungen<br />

z;ur Wirtschaftlichkeit<br />

von Umweltschutz bzw. Umweltmanagement<br />

werden auch in der<br />

ABB angestellt (vgl. Kasten 5.1.5).<br />

Auch die Bauplanung der ABB<br />

wurde bereits von nenen Konzepten<br />

zur umfassenden Qualitätssicherung betroffen.<br />

Für das «Konnex»-Bürogebäude in Baden wurde<br />

eine «Gesamtlösung» in den elektrorelevanten Bereichen<br />

wie «Schaltanlagen», «Telekommunikation»,<br />

«Beleuchtung«, «Gebäudeleitsysteme», etc.<br />

gesucht. Die ABB bietet sich hier als «Elektro<br />

Fach-GU» (G~neralunternehmerin) an und zwar als<br />

«Partner über den gesamten Gebäude-Lebenszyklus<br />

(Planung, Realisierung, Betrieb»> (Fässler, 1996).<br />

Ähnliche Gesamtlösungen könnten auch für die ABB<br />

Immobilien AG interessant sein. So könnte eine ISO<br />

14001-Zertifizierung zu einem wirklichen «Gütesiegel»<br />

<strong>im</strong> Sinne der ABB-Geschiiftsleitung werden.<br />

5.2<br />

Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong><br />

Umweltmanagement durch<br />

umweltnaturwissenschaftlich~<br />

Methoden<br />

Die Perspektive des Planers oder der Planerin ist<br />

von der Perspektive der Umweltnaturwissenschaften<br />

verschieden. Die Umweltnaturwissen,schaften fragen<br />

nach der Validität und Güte von ökologischen Kriterien.<br />

Kriterienlisten wie etwa bei den Wiener<br />

Bauträgerwettbewerben müssen sich einer genaueren<br />

Untersuchung unterziehen lassen. Für PlanerInnen<br />

und EntscheidungsträgerInnen <strong>im</strong> Bauprozess<br />

gelten <strong>and</strong>ere Massstäbe, z.B. Praktikabilität und<br />

umweltnaturwissenschaftliche<br />

Methoden<br />

(inkl.Synthesemethoden)<br />

Abb. 5.2.1 Umweltnaturwissenschaftliche' Methoden können zur Entscheidungsunterstützung in<br />

einem Umweltmanagementsystem dienen (umweltnaturwissenschaftliche Aspekte kommen auch bei der<br />

Zie1fi,!dung undinsbesondere der Datenerhebung zum Tragen).<br />

Kosteneffizie.nz. Aus dieser Sicht gewinnen die<br />

Kriterien der Wiener Bauträgerwettbewerbe dadurch<br />

an Gewicht, dass sie bereits erfolgreich angew<strong>and</strong>t<br />

werden konnten.<br />

Die Implementation eines Umweltmanagementsystems<br />

ist noch einmal eine <strong>and</strong>ere Aufgabe. Für<br />

ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauablauf muss das<br />

Verhältni-s von einem betrieblichen Management<br />

und einem Projektumweltmanagement geklärt werden.<br />

Ein Projektumweltmanagement müsste alle<br />

an einem Projekt beteiligten Prozesse erfassen (z.B.<br />

zur Entwicklung und Fertigung eines best<strong>im</strong>mten<br />

Produktes); dies würde nur einen Teil der'betrieb:'<br />

lichen Abläufe erfassen, müsste jedoch u. U. externe<br />

Prozesse (z.B. Zulieferer) mit einbeziehen. Die Konzepte<br />

hierfür sind nur <strong>im</strong> Ansatz entwickelt (vgl. z.B.<br />

Lutz et al., 1995).<br />

Im Prinzip kann auch die Normenfamilie ISO<br />

140QO das gesamte Baumanagement - von der Planung<br />

bis über die Bauausführung hinaus - als eine<br />

«Organisation» erfassen. Eine sinnvolle Ergänzung<br />

zur Norm ISO 14001 stellt in dieser Hinsicht<br />

die ISO 14004 (1996) «Environmental Management<br />

System - General Guidelines on Principles, Systems<br />

<strong>and</strong> Supporting Techniques» dar. Diese Norm befasst<br />

sich damit, wie ein wirkungsvolles Umweltmanagementsystem<br />

aufgebaut werden kann. Für<br />

die Beurteilung der umweltorientierten Leistungen<br />

stehen zudem die ISO 14031 «Environtnental Performance<br />

Evaluation» und die ISO 14040-43 «Life<br />

l­<br />

I<br />

UNS.Fallstudie'96 313


Gebäude:<br />

_<br />

Cycle Assessment» zur Verfügung. Beide Normen<br />

sind in einem fortgeschrittenen Entwurfsstadium.<br />

Die Arbeit der Synthesegruppe GEBÄUDE wollte<br />

aufzeigen, wie umweltnaturwissenschaftlicheAspekte<br />

in einem Umweltmanagementsystem zum Tragen<br />

kommen können. Ein Beitrag besteht, wie diskutiert,<br />

darin, ökologische Kriterien und Indikatoren<br />

zur Verfügung zu stellen, so dass zu den firmeneigenen<br />

umweltspezifischen Aspekten die nötigen.<br />

Informationen erhoben werden können. Eine Stärke<br />

umweltnaturwissenschaftlicher Methoden und insbesondere<br />

der Synthesemethoden ist darüberhinaus<br />

die Entscheidungsunterstützung (vgI. auch Abb.<br />

5.2.1 und 5.2.2). Umweltdaten werden gesamthaft<br />

bewertet und zu einem sinnvollen Gesamtbild aggtegiert.<br />

Eine mögliche Weiterführung der begonnenen<br />

Arbeit wäre z.B. die Konstruktion eines einfachen<br />

«Umbauindexes». Ein solcher Index müsste, soll<br />

er praktikabel sein, als eine Art Faustregel dienen<br />

können, gleichsam als verkürzte Stoffflussanalyse.<br />

Er würde dem/der PlanerIn oder BauherrIn einen<br />

Anhaltspunkt geben, ob für ein best<strong>im</strong>mtes Gebäude<br />

mit Sicht auf eine best<strong>im</strong>mte Nutzung ein Umbau<br />

ökologischer ist als der Neubau; nötigenfaiIs würde<br />

sich eine Detailanalyse anschliessen. Dies entspräche<br />

nicht ganz der Vision, dem/der PlanerIn<br />

bei jedem Planungsstrich die umweltspezifischen<br />

Aspekte aufzeigen zu können. Es würde aber zur<br />

praktischen Entscheidungshilfe beitragen.<br />

Die Betrachtung der umweltspezifischen Aspekte<br />

des Bauens und der Gebäude richtet unseren Blick<br />

auf den Lebenszyklus von Gebäuden: Planung,<br />

Ausführung, Nutzung und Rückbau. Die Betrachtung<br />

des Umweltmanagements lenkte den Blick auf<br />

eine umweltnaturwissenschaftliche Perspektive, geformt<br />

aus Umweltzielen, ökologischen Kriterien und<br />

Indikatoren, sowie den umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Methoden der Erhebung und Aggregierung<br />

von Daten.<br />

Methode<br />

Bauökologie<br />

g>~===:::::::<br />

~ Wohnökologie<br />

cu<br />

ä:<br />

giftklassefreie<br />

Baustoffe<br />

Abfalltrennung<br />

ZZN<br />

Sozialverträglichkeit<br />

ABB-Umweltziele<br />

Machbarkeit<br />

Planungsentscheidungen<br />

Bauabfälle<br />

Humantoxizität<br />

Abb. 5.2.2. Der Einsatz umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Methoden<br />

zurSynthese von Daten zum Bauprozess<br />

nach dem «Brunswikschen<br />

Linsenmodell» (vgl. Abb. 3.2.1).<br />

Für jede Phase des Lebenszyklus.<br />

gibt es ökologische Kriterien sowie<br />

umweltnaturwissenschaftliche Methoden<br />

zur Datenerhebung und<br />

Synthese. (UMS = Umweltmanagementsystem,<br />

SFA = Stoffflussana­<br />

Iyse, LCA = ÖkobilanzlLije Cycle<br />

Analysis).<br />

314 UNS-Fallstudie '96


-------------~---- ~ Gebäude<br />

Literatur<br />

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(Schweden): ABB.<br />

ABB (1996). ABB-Forum (3),1996 (Umweltbericht 1995).<br />

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Braunschweig, A. (1988). Die Ökologische Buchhaltung als Instrument<br />

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Wibau-Verlag.<br />

CEN - Comite Europeen de Normalisation (1995). Umweltmanagementsysteme<br />

- Spezifikation und Anleitung zur Anwendung<br />

(ISO/DIS 14001:1995/Deutsche Fassung).<br />

CEN - Comite Europeen de Normalisation (1996). Umwelt- '<br />

managementsysteme :- Spezifikation und Anleitung zur Anwendung<br />

(ISO/DIS 14004:1996/Deutsche Fassung).<br />

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Qualitätssicherungs-H<strong>and</strong>büchern für die Anwendung in der Bauwirtschaft.<br />

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Dyllick, T.(1990). Die Orientierung 96: Ökologisch bewusstes<br />

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und zurBetriebsprüfung (EMAS-Verordnung): Darstellung, Beurteilung<br />

und Vergleich mit der geplanten ISO 14001 Norm (lWÖ­<br />

Diskussionsbciitrag Nr. 20). St. Gallen: Institut für Wirtschaft und<br />

Ökologie (lWÖ)der Hochschule St. Gallen.<br />

DIN-Term (Hrsg.). (1995). Begriffe aus DIN-Normen: Qualitätsmanagement,<br />

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Beuth Verlag.<br />

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und Unterhalt. Baden: ABB Kundentagung (18.9.96).<br />

Frey, R.L., Staehelin-Witt, E., Blöchliger, H. (1993). Von der Ökonomie<br />

zur Ökologie (2. Aufl.). Basel: Helbing & Lichtenhahn.<br />

IBÖ - Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie &<br />

<strong>Stadt</strong> Wien (1996).•Ökobilanzen <strong>im</strong> Städtebau» (Tagung am<br />

,30.3.96, Tagungsb<strong>and</strong>).<br />

ICC (1991). Umweltschutz-Audit. Second World Industry Conference<br />

on Environmental Management, Conference Report <strong>and</strong><br />

Background Papers (Dokument 2), Rotterdam: International<br />

Chamber ofCommerce (lCC).<br />

IP Bau (1994). Bauabfälle - Teil des Stoffkreislaufes.<br />

ISO 14001 (1996). Environmental Management System - Specifications<br />

with Guidance for Use.<br />

ISO 14004 (1996). Environmental Management System - General<br />

Guidelines on Principles, Systems ans Supporting Techniques.<br />

Jucker, C. (1996). Umweltberichte von Schweizer Unternehmungen.<br />

Unveröff. Diplomarbeit, Professur für Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften, <strong>ETH</strong> Zürich.<br />

Koordinationsgruppe des Bundes für Energie- und Ökobilanzen<br />

(1994). Energie- und Stoffflussbilanzen von Gebäuden während<br />

ihrer Lebensdauer. Bern: ENET.<br />

Koordinationsgruppe des Bundes für Energie- und Ökobilanzen<br />

(1996). Nachhaltigkeitdes Bauensin der Schweiz. Bern: ENET.<br />

Korab, R. (1996). Umweltkriterien <strong>im</strong> grossmassstäblichen Geschosswohnbau<br />

- Erfahrungen aus den ersten Bauträgerwettbewerben<br />

in Wien. Referat für die Tagung .Ökobilanzen <strong>im</strong><br />

Städtebau» am 30.3.96, organisiert vom Östereichischen Insitut<br />

für Baubiologie und -ökologie (lBÖ).<br />

Lutz,U., Döttinger, K., Roth, K. (1995). Betriebliches Umweltmanagement.<br />

Berlin: Springer.<br />

Müller-Wenk, R. (1978). Die ökologische Buchhaltung. Ein Informations-<br />

und Steuerungsinstrument für umweltkonforme Unternehmenspolitik.<br />

Fankfurt: Campus.<br />

Peter AG (1996). Spezielle Best<strong>im</strong>mungen zum Bereich Baustellenentwässerung.<br />

Peter AG.<br />

Plötz, A. & Speerli, F. (1995). Betriebliches Umweltmanagement<br />

mit System. Zürich: Verlag Industrielle Organisation. '<br />

Preisig, H. & Viriden, K. (1995). Ökologische Aspekte des Bauens.<br />

Zürich: SIA.<br />

'<br />

Schaltegger, S. & Sturm, A. (1995). Ökoeffizienz durch Okocontrolling.<br />

Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Scholz, R.W. (1996a). Effektivität, Effizienz und Verhältnismässigkeit<br />

als Kriterien der Altlastenbearbeitung. In Baudirektion des<br />

Kantons Zürich (Hrsg.), Altlastentagung 1996 (Tagungsb<strong>and</strong>).<br />

Scholz, R.W. (1996b). Integrale Bewertung neuer Nutzungen.<br />

<strong>ETH</strong>-Bulletin, 262 (Juni 1996),22-25.<br />

Scholz, R.W., Bösch, S., Mieg, H.A., Stünzi, J. (Hrsg.). (1996).<br />

Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG. '<br />

Scholz, R.w. & Tietje, O. (1996). Methoden der Fallstudie. In<br />

R.W. Scholz, S. Bösch, RA. Mieg, J. Stünzi, J. (Hrsg.), Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss (S. 31-70). Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Schwarz, J. (1991). Ökologie <strong>im</strong> Bau: Entscheidungshilfen zur<br />

Beurteilung und Auswahl von Baumaterialien. Bern: Haupt.<br />

SBV (1995). QM-Leitfaden Bau: Leitfaden Qualitätsmanagementsystem<br />

nach RN ISO 9001/1994 (Ausgabe 1994) für Bauunternehmungen:<br />

Hilfsmittel zum Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems<br />

in kleinen und mittleren Bauunternehmungen.<br />

Schweizerischer Baumeisterverb<strong>and</strong>, u.a.<br />

SIA (1993). Entsorgung von Bauabfällen (Empfehlung 430).<br />

Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verei,n.<br />

'SIA (1995a:). Hochbaukonstruktionen nach ökologischen Gesichtspunkten<br />

(Dokumentation D 0123). Schweizerischer Ingenieur-<br />

und Architekten-Verdn.<br />

SIA (1995b). Ökologische Aspekte des Bauens (Dokumentation<br />

D 0122). Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein.<br />

,Sornm, E. (1996). Bauindustrie - Neue Strukturen und Prozesse<br />

senken Erstellungszeit und Kosten. Baden: ABB Kundentagung<br />

(18.9.96).<br />

Sonnenmoser, A. (1996); Erfolgreiche Rationalisieruung in der<br />

Industrie durch neue Prozesse. Baden:, ABB Kundentagung<br />

(18.9.96).<br />

TORO-Info, Nr.l (1995), S. 1.<br />

Walker, H. & Spreitzenbarth, E. (1995). Organisation des Umweltschutzes<br />

<strong>im</strong> BaiIbetrieb. Eschborn: RKW.<br />

Weibel, T. & Stritz, A. (1995). Ökoinventare und Wirkungsbilanzen<br />

von Baumaterialien. (ESU-Reihe Nr. 1/95). Zürich: ENET.<br />

Wüest & Partner (1996). Bauabfälle <strong>im</strong> Kanton Zürich, Teilbereich<br />

Hochbau. Zürich: AGW.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

315


Gebäude ~ _'__'_ -----'---------<br />

Würmli, P., Hübschle, ].: Bucher, "S. (1992). Möglich - Sinnvoll ­<br />

Machbar. Bauliche Verdichtung in verschiedenen Quartieren.<br />

(Bericht Nr. 9 des NFP 25 «<strong>Stadt</strong> und Verkehr»). Nationales Forschungsprogramm,<br />

Zürich.<br />

Züst, R. (1996a).Ökologie als unternehmerische Chance.<strong>ETH</strong>­<br />

Bulletin, 263, 51-53.<br />

Züst, R. (1996b). Sustainable Products <strong>and</strong> Processes; 3rd Interna-,<br />

tional Seminar on Life Cyde Engineering - Eco Performance.<br />

Zürich: Verlag Industrielle Organisation.<br />

316 UNS-Fallstudie '96


Anhang. ----'_~~ ~ Formative Szenarioanalyse<br />

Formative Szenarioanalyse<br />

AutorInnen<br />

Bettina Baumgartner<br />

. Monika Kuratb<br />

Micbael Stauffacber (Tutor)<br />

Aufbauend auf der Ar"eit der wissenschaftlichen Ar"eitsBJ1I"e (Teil,rojektBJ1I"e PERSPEITWEN)<br />

Bettina Baumgartner<br />

Catberine Wyler<br />

Nicole Gysin<br />

Marc A. Scbarli (Tutor)<br />

Monika Kuratb<br />

Szenarioanalysen werden in der UNS-Fallstudie<br />

schon seit drei Jahrenangew<strong>and</strong>t (Scholz et al., 1995;<br />

Scholz et al., 1996). Dabei wird die Formative Szenarioanalyse<br />

als eine wissenschaftliche Methode zur<br />

Wissensintegration bzw. Synthese verst<strong>and</strong>en (vgl.<br />

Scholz& Tietje, 1996; Minx et al., 1993), die <strong>im</strong><br />

Rahmen der Fallstudie laufend weiterentwickelt<br />

wird. Wir beschränken uns <strong>im</strong> folgenden auf einen<br />

knappen Überblick zu den einzelnen Schritten des<br />

Forschungsprozesses. Detaillierte, theoretische Ausführungen<br />

finden sich in den oben zitierten Schriften<br />

und in Götze (1993) sowie Missler-Behr (1993).<br />

Einen sehr praxisbezogenen Leitfaden liefert von<br />

Reibnitz (1992). Diejenigen LeserInnen, welche die<br />

Techniken der Szenarioanalyse <strong>im</strong> Detail ·an einem<br />

Schritt 1: Zielsetzung , Schritt 2: , Schritt 3:<br />

der Szenarioanalyse<br />

-' Systemeigenschaften .. Einflussfaktoren<br />

Schritt 6: .- Schritt 5: .- Schritt 4:<br />

Gerichteter Graph<br />

~<br />

System~Grid "' Einflussmatrix<br />

,"<br />

Schritt 9:<br />

Schritt 7:<br />

, Schritt 8: Reduktion<br />

- Trendprojektionl<br />

Mic-Mac-Analyse .. der Einflussfaktoren<br />

Konsistenzanalyse<br />

Abb. I Die elfSchritte der Formativen Szenarioanalyse.<br />

Schritt 11: Strategienl .- Schritt 10:<br />

Szenariobewertung .... ·Szenariokonstruktion<br />

Beispiel nachvollziehen möchten, seien auf Hassler<br />

et al. (1995) und Schärli & Hassler (1996) verwiesen.<br />

Die Durchführung einer Formativen Szenarioanalyse<br />

erfordert den Einsatz von ca. einem halben Dutzend<br />

Personen über mehrere Wochen und ist damit<br />

sehr arbeits-, zeit-, personal- und kostenintensiv<br />

(Missler-Behr, 1993).<br />

1. Zielsetzung der Szenllrioanalyse<br />

Szenarien stellen hypothetische Zukunftsbilder dar,<br />

die <strong>im</strong> Gegensatz zur Prognose bewusst losgelöst von<br />

der Gegenwart entstehen. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

mit der ein best<strong>im</strong>mtes Szenario eintrifft, ist dabei.<br />

nicht zentral (diese könnte aber mit einer Cross-<br />

Impact Analyse ermittelt werden,<br />

vgl. Götze, 1993). Vielmehr<br />

geht es darum, dass<br />

, IL<br />

, I,<br />

ein Szenario konsistent, d.h.<br />

inöglichst widerspruchsfrei<br />

ist. Szenarien sind ein<br />

Werkzeug, um exogene<br />

Rahmenbedingungen und<br />

den eigenen H<strong>and</strong>lungsspielraum<br />

zu identifizieren.<br />

Durch ihre Hilfe können<br />

z.B; Konzepte und ihre<br />

Auswirkungen unter verschiedenen<br />

Rahmenbedingungenkritisch<br />

überprüft<br />

werden..Ziel einer Szenarioanalyse<br />

ist es somit, mögliche<br />

Zukunftsbilder aufzuzeichnen,<br />

um sich mit den<br />

verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

ausein<strong>and</strong>erzusetzen<br />

und somit<br />

auch die Gegenwart besser<br />

zu verstehen.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

317


Formative Szenarioanalyse<br />

2. Systemeigenschllften<br />

Um die Eigenschaften des betrachtetenSystems zu<br />

untersuchen, müssen wichtige Veränderungsfaktören<br />

und Entwicklungskräfte herauskristallisiert und mitein<strong>and</strong>er<br />

in Zusammenhang gebracht werden. Es<br />

werden die Vorgaben <strong>im</strong> System erfasst und dessen<br />

Stärken bzw. Schwächen abgeschätzt.<br />

3. Einflussfllktoren<br />

Zur Beschreibung des Systems müssen die Einflussfaktoren,<br />

welche direkt auf die Systemprozesse wirken,<br />

bekannt sein. Mittels Literaturrecherche, 'Expertengesprächen<br />

und Gruppendiskussionen werden<br />

möglichst viele Einflussgrössen ~usammengetragen<br />

und anschliessend die wichtigsten, systembest<strong>im</strong>menden<br />

Schlüsselfaktoren daraus herausgeschält.<br />

4. Einflussmatrix<br />

Die Einflussmatrix ist eine zweid<strong>im</strong>ensionale Tabelle,<br />

in der alle Faktoren gegenein<strong>and</strong>er aufgestellt<br />

und die direkten Einflüsse zwischen ihnen eingetra-<br />

,gen werden.Je nach Einflussstärke werden folgende<br />

Werte zugeteilt: 0: «kein Einfluss», 1: «schwacher<br />

Einfluss», 2: «starker Einfluss» (für eine Analyse<br />

alternativer Werte siehe Schärli & Hassler, 1996).<br />

Es wird dabei der Einfluss des Zeilenfaktors aufden<br />

Spaltenfaktor betrachtet und nur direkte Einflüsse<br />

berücksichtigt, indirekte Einflüsse werden nicht<br />

gewertet. Als indirekt gilt ein Einfluss dann, wenn<br />

er über einen dritten, in der Matrix ebenfalls enthaltenen<br />

Einflussfaktor, wirkt. Da der Zeilenfaktor der<br />

beeinflussende und der Spaltenfaktor der beeinflusste<br />

Faktor ist, stellt die Zeilensumme ein Mass<br />

für die Aktivität dar, und die Spaltensumme entsprechend<br />

ein Mass für die Passivität (vgl. Scholz et al.,<br />

1996, S. 39).<br />

5. System-Grid<br />

Das System-Gridist ein Koordinatensystem, welches aus<br />

den Achsen «Aktivität» und «Passivität» besteht. In<br />

dieses Koordinatensystem werden alle Einflussgrössen,<br />

entsprechend ihrer Zeilen- und Spaltensumme,<br />

eingetragen. Das Koordinatensystem wird durch eine<br />

Senkrechte und eine Waagrechte, die durch den<br />

Durchschnittspunkt führen, aufgeteilt (Durchschnitt<br />

der Aktivität bzw. Passivität). Dies ergibt die folgenden<br />

vier Teile des System-Grids:<br />

aktiv: (hohe Aktivität und geringe Passivität) wenig<br />

beeinflussbare Grössen, welche aber einen starken<br />

Einfluss auf <strong>and</strong>ere Grössen ausüben.<br />

passiv: (hohe Passivität und geringe Aktivität)<br />

Grössen, welche durch <strong>and</strong>ere Einflussgrössen be-<br />

Anhang<br />

einflusst werden, ohne selbst einen starken Einfluss<br />

auszuüben.<br />

ambivalent:, (sowohl hohe Aktivität als auch Passivität)<br />

Grössen, welche stark beeinflusst werden und<br />

selber auch starken Einfluss auf <strong>and</strong>ere Systemgrössen<br />

ausüben.<br />

puffernd: (tiefe Aktivität und tiefe Passivität) Grössen,<br />

welche sowohl geringen Einfluss auf, als auch<br />

geringe Beeinflussbarkeit durch <strong>and</strong>ere Systemkomponenten<br />

aufweisen.<br />

6. Gerichteter Graph<br />

Der Gerichtete Graph ist eine graphische Darstellung<br />

der Einflussmatrix (Einflussfaktor als Kasten, Einflüsse<br />

als Pfeile). Die Richtung des Pfeils gibt dabei<br />

die Richtung der Beeinflussung an (vgl. Zwicker &<br />

Schärli, 1996, S. 214).<br />

7. Mic-Mac-Anlilyse<br />

Mit der Mic-Mac-Analyse können die einzelnen Faktoren<br />

nach der Stärke ihres indirekten' Einflusses<br />

(Passivität) geordnet werden, es erfolgt ein erster<br />

Einblick in die Dynamik desSystems. Die Ordnung<br />

der Stärken wird über die Multiplikation der Ein,<br />

flussmatrix erstellt. Die Einflussmatrix wird so lange<br />

mit sich selbst multipliziert, bis sich die Ränge der<br />

Zeilensummen, Spaltensummen und der Hauptdiagonalen<br />

nicht mehr verändern. Anh<strong>and</strong> dieser<br />

Summen können die Faktoren in eine Reihenfolge<br />

gebracht werden. Auch mit dieser indirekten Einflussmatrix<br />

kann zur graphischen Veranschaulichung<br />

ein System-Grid erstellt werden.<br />

8. Reduktion der Eiirflussfaktoren<br />

Der Schritt «Reduktion der Einflussfaktoren» wurde<br />

zusätzlich gegenüber Hassler et al. (1995), Scholz<br />

& Tietje (1996) sowie Zwicker & Schärli (1996) in<br />

die Arbeitsfolge aufgenommen. Hierwerden die Einflussfaktoren<br />

auf die wesentlichen, systemcharakterisierenden<br />

Faktoren reduziert. Als Hilfsmittel für<br />

diesen Schritt dienen der Gerichtete Graph, die Rangfolgen<br />

der Einflussfaktoren nach ihrer direkten und.<br />

indirekten Aktivität sowie die System-Grids.<br />

Bei der Auswahl werden folgende Grundsätze beachtet:<br />

• Aktive Faktören werden passiven Faktoren vorgezogen.<br />

• Wenn die Einflussfaktoren in übergeordneten<br />

Gruppen zusammengefasst sind, sollen auch nach<br />

der Reduktion aus allen Gruppen Faktoren vertreten<br />

sein. Dies erlaubt auch passive Faktoren,<br />

. wie zum Beispiel die Umweltqualität, miteinzubeziehen.<br />

318<br />

UNS-Fallstudie '96


Anhang ---.:. -:-- ~Formative Szenarioanalyse<br />

• Die ausgewählten Faktoren sollen für die Beschreibung<br />

der Szenarien wesentlich sein, wobei<br />

die Zielsetzung beachtet werden muss. Selbstverständlich<br />

können auch puffernde Faktoren ausgewählt<br />

werden.<br />

9. TrelldprojektiolljKollsistellzlIlIlIlyse<br />

Zu den ausgewählten Einflussfaktoren sind Ausprägungen<br />

zu definieren. Diese zeigen mögliche Entwicklungen<br />

auf und veranschaulkhen dadurch, wie<br />

sich die Einflüsse in Zukunft präsentieren können<br />

(Trendprojektion). Für jeden Einflussfaktor werden<br />

mindestens zwei, möglichst gegensätzliche, Ausprägungen<br />

erarbeitet.<br />

Anschliessend werden die Einflüsse mit ihren Ausprägungen<br />

in einer Matrix gegenein<strong>and</strong>er aufge.:<br />

tragen und bewertet. Bei der Bewertung ist zu beachten,<br />

dass die Ausprägungen in ihrer gegenseitigen<br />

Beeinflussung bei gleichzeitigem Auftreten betrachtet<br />

werden.<br />

Die Werte der Konsistenzmatrix können sein:<br />

-1: inkonsistent, d.h. die beiden Ausprägungen kön~<br />

nen nicht gleichzeitig auftreten<br />

0: unabhängig, d.h. die beiden Ausprägungen haben<br />

keinen Zusammenhang<br />

1: fördernd, d.h.die beiden Ausprägungen beeinflussen<br />

sich gegenseitig positiv<br />

2: bedingend, d.h. die zwei Ausprägungen, können<br />

nur gleichzeitig auftreten.<br />

Die Konsistenzmatrix veranschaulicht die Zusammenhänge<br />

zwischen den verschiedenen Ausprägungen<br />

uml zeigt, welche Kombinationen von Ausprägungen<br />

zusammen vorkommen können und welche nicht.<br />

10. Szellllriokollstruktioll<br />

Alle mpglichen Kombinationen der Ausprägungen<br />

ergeben eine unüberschaubare Zahl an Szenarien.<br />

Mit einem einfachen Algorithmus werden diejenigen<br />

ausgeschlossen, die zumindest einen inkonsistenten<br />

Zusammenhang aufweisen. Zusätzlich werden für<br />

alle Szenarien die Werte aus der Konsistenzmatrix aufsummiert<br />

bzw.multipliziert. Je höher diese Summe<br />

bzw. das Produkt ist, desto vernetzter ist das Szenario<br />

in sich (d.h. mehr Ausprägungen beeinflussen sich<br />

gegenseitig positiv oder können nur gleichzeitig auftreten).<br />

In der anschliessenden Auswahl der Szenarien sind<br />

.folgende Grundsätze zu beachten: das Szenario muss<br />

konsistent und die Summe der Konsistenzwerte soll<br />

möglichst hoch sein.<br />

Parallel z~r Formativen 'Szenarioanalyse werden<br />

unt.erschiedlicheZukunftsbilder intuitiv erstellt. Für<br />

jedes dieser Bilder werden anschliessend die beschrei-<br />

benden Einflussfaktoren best<strong>im</strong>mt und die zugehörigen<br />

Ausprägung ausgewählt.<br />

FÜr diese Zukunftsbilder wird nun jenes Szenario<br />

ausgewählt, das die geforderten Bedingungen (Ausprägungen<br />

der Einflussfaktoren) erfüllt und gleichzeitig<br />

am konsistentesten ist (möglichst hohe Summe<br />

der Konsistenzwerte).<br />

11. StrlltegielljSzellllriobewertulIg<br />

Zum Schluss werden Strategien entwickelt, um best<strong>im</strong>mte<br />

Zieleinnerhalb der Szenarien zu realisieren.<br />

Die Szenarien können <strong>im</strong> wdteren auch bezüglich<br />

ihrer Wünschbarkeit bewertet werden. Eine Methode<br />

dazu wird <strong>im</strong> K~sten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRÜNRAuM<br />

beschrieben.<br />

Methodellre(lexioll<br />

Die Formative Szenarioanalyse erlaubt Wissen aus<br />

verschiedenen Disziplinen, Systemen und Ebenen<br />

in transparenter Weise in Beziehung zu setzen. Wir<br />

erhalten Einblicke in zukünftige Systemzustände,<br />

Systemdynamiken und deren Ursachen. Es können<br />

die· Rahmenbedingungen des zukünftigen H<strong>and</strong>eins<br />

erschlossen und damit mögliche Strategien erarbeitet<br />

bzw. überprüft werden.<br />

Ein Unsicherheitsfaktor der. Szenarioanalyse besteht<br />

in ihrem stark formalisierten Vorgehen. Matrizen,<br />

Grids und Computerberechnungen können über<br />

den subjektiven Charakter dieser Methode hinwegtäuschen.<br />

Die ausgewählten Einflussfaktoren sowie<br />

die Bewertungen sind geprägt vom Wissen und der<br />

Sichtweise derjenigen, die die Szenarioanalyse durch.:<br />

führen. Die Basis der Szenarioanalyse ist die Erkennung<br />

und Beschreibung der Systemeigenschaften,<br />

und diese können nie exakt erfasst werden - in<br />

einem realenSystem sind die Entwicklungskräfte zu<br />

vielfältig, deren Zusammenhänge zu komplex. Hinzu<br />

kommt die Beurteilung der Konsistenz: In den <strong>im</strong><br />

vorliegenden B<strong>and</strong> durchgeführten Szenarioanalysen<br />

(vgL die Kap. STADTENTWICKLUNG, VERKEHR, ALT­<br />

LASTEN und WASSERHAUSHALT) ist man davon ausgegangen,<br />

dass konsistente Szenarien wahrscheinlicher<br />

sind als inkonsistente. Das heisstaber nicht, dass<br />

inkonsistente Szenarien nicht eintreten können.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

319


Formative Szenarioanalyse ----------------- Anhang<br />

Literatur<br />

Hassler, S., Schärli, M.A., Schlup, M., Schalz, R.W., Stauffacher,<br />

M., Weber, O. (1995). Szenarioanalyse: Versuch einer Gesamtsynthese.<br />

In R.W. Scholz, T. Koller, H.A. Mieg, C. Schmidlin<br />

(Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft, (S. 153-181), Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Götze, U. (1993). Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung.<br />

WieSQaden: Deutscher Universitätsverlag.<br />

Minx, E., Neuhaus, C., Waschke~ T. (1993). Vom Brückenbauen<br />

oder: Wie machbar ist Interdisziplinarität? Organisationsentwick­<br />

Jung, 1/93, 52-64.<br />

Missler-Behr, M. (1993). Methoden der Szenarioanalyse. Wiesbaden:<br />

Deutscher Universitätsverlag..<br />

Schärli, MA & Hassler, S. (1996). Reliabilität und Validität der<br />

Szenarioanalyse Grosses Moos. Zürich: <strong>ETH</strong> Zürich.<br />

Scholz, R.W., Koller, T., Mieg, H.A., Schmidlin,C: (Hrsg.). (1995).<br />

Perspektive Grosses Moos: Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Scholz, R.W., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />

(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />

Wertschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Scholz, RW. & Tietje, O. (1996). Methoden der Fallstudie. In<br />

RW. Scholz, S. Bösch, T. Koller, H.A. Mieg, J. Stünzi (Hrsg.),<br />

Industrieareal Sulzer-Esclrer Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />

durch Umnutzung, (S. 31-70), Zürich: vdf HochschulverlagAG.<br />

von Reibnitz, U. (1992). Szenario-Technik - Instrumente für die<br />

unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung. Wiesbaden:<br />

Gabler.<br />

Zwicker, K. & Schärli, M.A. (1996). Szenarioanalyse. In RW.<br />

Schob;, S. Bösch, T. Koller, HA Mieg, J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />

durch Umnutzung, (S. 207-226), Zürich: vdfHochschulverlag AG.<br />

320 UNS-Fallstudie '96


Anhang----------- --,. Nachhaltigkeit<br />

Was bedeutet Nachhaltigkeit in einem<br />

Industrieareal?<br />

Autor<br />

Johannes Ranke<br />

Aufblluelld Iluf der Arbeit der wissellscIJllft'icIJell Arbeitsgru"e (Tei',rojektgru"e NACHHALTIGKElT)<br />

Catherine Heinzer<br />

Franziska Ricklin<br />

Yvan Maillard<br />

Adrian Berwert (Tutor)<br />

Johannes Ranke<br />

«Sustainable development is development that<br />

meets· the needs of thepresent without compromising<br />

the ability of future generations to<br />

meet their own needs.» World Commission on<br />

Environment <strong>and</strong> Development, 1987.<br />

«Indicators of sustainable development need to<br />

be developed to provide solid basis for decisionmaking<br />

at all levels <strong>and</strong> to contribute to the selfregulating<br />

sustainability of integrated environment<br />

<strong>and</strong> development systems.» Agenda 21,<br />

chapter 40.4 (UNCED, 1992).<br />

Die praktische Anwendung eines theoretischen Konzepts<br />

Nachhaltigkeit und Sustainable Development sind<br />

seit der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung<br />

(UNCED) in Rio de Janeiro 1992 zu vielzitierten<br />

Begriffen geworden. Trotz - oder gerade wegen - der<br />

begrifflichen Unschärfe (siehe auch Ninck, 1994;<br />

Scholz et al., 1996b) sind sie zu Trägern eines breiten<br />

gesellschaftlichen Konsenses geworden, der jedem,<br />

der sich darauf beruft, zumindest die Anerkennung<br />

seines guten Willens sicherstellt (vgI. Kastenholz et<br />

aI., 1996).<br />

Vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Ergebnisse<br />

der globalen Betrachtungen zur Nachhaltigkeit<br />

- z.B. zur COz-Reduktion - aber noch unbefriedigend<br />

sind, ist es zu verstehen, dass in verschiedenen<br />

Kreisen von PolitikerInnen, RaumplanerInnen<br />

und WissenschafterInnen Bemühungen existieren,<br />

das Prinzip der Nachhaltigkeit auf räumlich oder<br />

politisch begrenzte Regionen (Morris, 1995), auf<br />

spezifische Problemlösungen (Synthesegruppe ALT-<br />

LASTEN) oder sogar aufProdukte (z.B. Tobler, 1995)<br />

anzuwenden.<br />

So wurde <strong>im</strong> Jahr 1994 eine «Kampagne zukunftsbeständiger<br />

Städte» ins Leben gerufen, indem die<br />

beteiligten Städte, darunter auch die <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />

die Charta von Aalborg (Europäisches Komitee<br />

zukunftsHihiger Städte und Gemeinden, 1994) unterzeichneten<br />

und sich verpflichteten, sogenannte<br />

«Lokale Agenda 21»-Prozesse einzuleiten. Im englischsprachigen<br />

Raum, vor allem in Kanada, ist eine<br />

Vielzahl von Veröffentlichungen über die Anwendung<br />

des Nachhaltigkeitsprinzips auf Regionen.verschiedener<br />

Art erschienen (Pinter, 1995). Hierbei<br />

werden von Gremien, die zu diesem Zweck aus<br />

verschiedenen lokalen Akteuren. gebildet werden,<br />

Nachhaltigkeitsindikatoren festgelegt, die ein Monitoring<br />

der regionalen Entwicklüng ermöglichen und<br />

damit Entscheidungsanstösse und -hilfen liefern<br />

sollen..<br />

Auch in der UNS-Fallstudie' wurde das Thema<br />

«Nachhaltige Entwicklung» schon mehrfach aufgegriffen.<br />

War es <strong>im</strong> Jahr 1994 die Suche nach Wegen zu<br />

einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft (Scholz et aI.,<br />

1995), so wurde 1995 mit der Methode des Sozio­<br />

Marketings versucht, für Nachhaltigkeit zu werben.<br />

Daraus entst<strong>and</strong>en zwei Produkte: ein Video zum<br />

Thema Nachhaltigkeit und der «Nachhaltigkeits­<br />

Zoo»-Prospekt (vgI. Scholz et aI., 1996a). In der<br />

UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ist die<br />

Idee der Bewertung bezüglich Nachhaltigkeit von<br />

verschiedenen Gruppen aufgegriffen worden. Ein<br />

System von Nachhaltigkeitsindikatoren für das ZZN<br />

wurde in der Synthesegruppe STADTENTWICKLUNG<br />

erstellt.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

321


Nachhaltigk~it ~ Anhang<br />

Entwicklung eines umfassenden Systems von<br />

Nachhaltigkeitsindikatoren<br />

Be<strong>im</strong> Erstellen von Indikatoren, welche die Tendenzen<br />

der Entwicklung einer best<strong>im</strong>mten Region bezüglich<br />

Nachhaltigkeit interpretierbar machen sollen,<br />

müssen mehrere Punkte beachtet werden:<br />

• «Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung lässt<br />

sich am besten für Entwicklungskonzepte, für<br />

weitreichende Gesetzesvorlagen und grosse Infrastrukturkonzepte<br />

anwenden· und anh<strong>and</strong> von globalen<br />

Leitindikatoren überprüfen, [...]. Je kleinräumiger<br />

und punktueller ein Vorhaben oder Projekt<br />

ist, um so mehr stösst die Pro/barkeit der Nachhaltigkeit<br />

an Grenzen.» (IDARio, 1995, S. Z-7; Hervorhebung<br />

nicht <strong>im</strong> Original).<br />

• Da für die Erstellung und Interpretation eines<br />

Systems von Nachhaltigkeitsindikatoren keine allgemein<br />

akzeptierten Grundlagen vorh<strong>and</strong>en sind,<br />

ist, die Gültigkeit und Aussagekraft der Bewertung<br />

zunächst auf den Kreis derer beschränkt, die bei<br />

der Ausarbeitung der Indikatoren mitgewirkt<br />

haben.<br />

• Für den Rückgriff auf bereits gebräuchliche Indikatoren,<br />

die zu einem <strong>and</strong>eren Zweck entworfen<br />

wurden (wie etwa das Bruttoinl<strong>and</strong>produkt' bzw.<br />

Bruttosozialprodukt auf nationaler Ebene) spricht<br />

der Zeitgewinn bei der Erhebung der Daten. Solche<br />

Indikatorenermöglichen jedoch nicht in jedem<br />

Falle eine Aussage bezüglich Nachhaltigkeit, es<br />

müssen neue Indikatoren entworfen und auf ihre<br />

Tauglichkeit hin erprobt werden. Dabei h<strong>and</strong>elt es<br />

sich um einen äusserst zeitaufwendigen Prozess.<br />

Es ist ein den Verhältnissen entsprechender Kompromiss<br />

zu suchen.<br />

• Wenn mittels eindeutig quantifizierbarer Indikatoren<br />

eine Art Nachhaltigkeitsbilanz über längere<br />

Zeiträume erstellt werden soll, so bedingt dies,<br />

unterschiedlichste Bereiche einzubeziehen, die<br />

zum Teil sehr schwierig quantijizierbar sind (zu weiteren<br />

Problemen der Operationalisierung bzw,<br />

Messung Nachhaltiger Entwicklung vgl. Scholz et<br />

al.,1996b).<br />

• Ein weiteres, Problem stellt der zeitliche und Qrtliche<br />

Referenzrahmen dar: Trifft es zu, dass wir, um<br />

später nachhaltig zu sein, heute unnachhaltig sein<br />

müssen, bzw. um global nachhaltig zu sein, lokal<br />

Aufnahmekapazitäten überschreiten können?<br />

Das <strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekt ZZN wird in diesem<br />

Rahmen als kleinräumiges Vorhaben betrachtet. Da '<br />

das Indikatorensystem von Studierenden und Tutoren<br />

in einem begrenzter Zeitraum entwickelt wurde,<br />

gelten obenstehende Vorbehalte insbesondere auch<br />

für das hier diskutierte System «ZZN». Die Wissen-<br />

. schaft befindet sich <strong>im</strong> Moment noch <strong>im</strong> Prozess,<br />

Nachhaltigkeit zu verstehen. Die Aufgabe, «Nach-<br />

haltigkeit» mittels quantitativer Indikatoren, welche<br />

auch intersystemische Vergleiche ermöglichen,. zu<br />

messen, wird in Zukunft eine grosse Herausforderung<br />

für die interdisziplinären Wis~enschaftensein.<br />

ZZN-spezifische Probleme ,bei der Überpriifung auf<br />

Nachhaltigkeit<br />

Sowohl für einen Vergleich mit ähnlichen Regionen<br />

als auch für ein «Nachhaltigkeits-Monitoring» über<br />

längere Zeiträume bestehen <strong>im</strong> ZZN zusätzliche<br />

Schwierigkeiten:<br />

• Das ZZN-Areal ist weder politisch noch wirtschaftlich<br />

eine klar abgegrenzte Region, die <strong>Stadt</strong>politik<br />

ist somit ein exogener Faktor. Ebenso dürfte ein<br />

Teil der Entscheidungen der ansässigen Firmen<br />

von Firmensitzen ausserhalb des ZZN abhängen.<br />

• Viele Daten, die für das gesamte Quartier Oerlikon,<br />

die <strong>Stadt</strong> Zürich oder auch für best<strong>im</strong>mte<br />

Geschäftsbereiche der ansässigen Firmen existieren,sind<br />

für Aussagen zur Situation <strong>im</strong> ZZN nur<br />

bedingt brauchbar, da'sie die lokalen Gegebenheiten<br />

<strong>im</strong> Areal nur ungenau abbilden.<br />

• Die jetzige Nutzung und Funktion des Raumes<br />

ZZN unterscheidet sich stark von dem <strong>im</strong> Entwicklungsieitbild<br />

angestrebten Zust<strong>and</strong>. Zusätzlich<br />

zu der jetzigen, ausschliesslich industriellen<br />

Nutzung sollen Wohnnutzungen, lokal wie überregional<br />

orientierte Dienstleistungen sowie öffentliche<br />

Einrichtungen entstehen. Eine einheitliche<br />

Erfassung der zeitlichen Entwicklung durch Grössen<br />

wie «Energieverbrauch pro Kopf der Wohnbevölkerung»<br />

ist somit nicht durchführbar.<br />

Wegen der beschriebenen Systemgrenzen und aufgrund<br />

des Funktionsw<strong>and</strong>els des ZZN bietet sich<br />

eine Überprüfung des Entwicklungsleitbildes (Ruoss<br />

& Siress, 1994) und der daraus entwickelten Sonderbauvorschriften<br />

(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) an, da diese<br />

charakteristisch für das System sind und Aussagen<br />

über die angestrebte Entwicklung enthalten. Einerseits<br />

können die Zielvorstellungen zu best<strong>im</strong>mten<br />

Grössen wie Modal-Split (vgl. Kap. VERKEHR) bezüglich<br />

Nachhaltigkeiteingeschätzt werden. Anderseits<br />

können Bereiche identifiziert werden, die <strong>im</strong> Leitbild<br />

zusätzlich berücksichtigt werden müssten, um<br />

eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit sicherzustellen.<br />

Postulate als Briicke zwischen Definition und<br />

Anwendung von Nachhaltiglceit<br />

Als Grundlage für die Abstützung von Bewertungsmethoden<br />

haben sich die Synthesegruppen ALT­<br />

LASTEN, STADTEN1WICKLUNG und VERKEHR auf die folgenden<br />

Postulate aus IDARio (1995) und Minsch<br />

(1993) geeinigt:<br />

322<br />

UNS-Fallstudie '96


Anhang -,- -------------------------Nachhaltigkeit<br />

• Die Inanspruchnahme der erneuerbaren Ressourcen<br />

(wie z.B. Wald, l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzter Boden<br />

und Fischbestände) ist so zu gestalten, dass die<br />

Nutzungsrate die natürliche Regenerationsrate<br />

nicht übersteigt.<br />

• Die Verbrauchsrate nichterneuerbarer Energieressourcen<br />

und <strong>and</strong>erer nicht erneuerbarer Rohstoffe muss<br />

auf die Dauer so zurückgehen, dass die verbleibenden<br />

nutzbaren Reserven nie völlig erschöpft<br />

werden.. Die Materialkreisläufe müssen geschlossen<br />

werden.<br />

• Bei der Belastung der. Umwelt durch abbaubare<br />

feste Abfälle sowie flüssige und gasförmige Emissionen<br />

ist sicherzustellen, dass die Verschmutzungsrate<br />

unter der Absorptionsrate der Umwelt liegt.<br />

• Nichtabbaubore Schadstoffe dürfen nur so weit in die<br />

Umwelt emittiert werden, dass deren Akkumulation<br />

nie zu einer Schadstoffkonzentration führt,<br />

welche Menschen, Tiere und Pflanzen gefährdet.<br />

• Die Natur ist in ihrer ganzen Vielfalt zu erhalten.<br />

Beeinträchtigungen sind mit Massnahmen zu kompensieren,<br />

welche die Artenvielfalt, die Qualität<br />

. und den Fortbest<strong>and</strong> des Ökosystems gewährleisten.<br />

• Unfallrisiken mit Auswirkungen auf Menschen und<br />

Biosphäre sind nur so weit zulässig, als sie auch bei<br />

dem grösstmöglichen Schadereignis keine dauerhaften<br />

Schäden über mehrere Generationen von<br />

Menschen, Pflanzen; Tieren oder Ökosystemen<br />

verursachen können.<br />

Diese Postulate bilden gewissermassen das ökologische<br />

Rückgrat der Betrachtungen zur Nachhaltigkeit<br />

inder UNS-Fallstudie '96. Darüber hinaus<br />

wurden auch Überlegungen zur Nachhaltigkeit <strong>im</strong><br />

sozialen und wirtschaftlichenBereich angestellt. Da<br />

die für diese Bereiche von verschiedenen AutorInnen<br />

vorgeschlagenen Postulate sehr uneinheitlich<br />

sind und zum Teil überdies - quasi auf einer Meta­<br />

Ebene - auf die Realisierung der oben angeführten<br />

IJkologischen Postulate abzielen, waren sie für die<br />

direkte Ableitung von Nachhaltigkeitskriterien und<br />

Indikatoren <strong>im</strong> sozialen und wirtschaftlichen Bereich<br />

nicht geeignet (vgl.für eine vertiefte sozialwissenschaftliche<br />

Betrachtungsweise: Renn, 1996; Scholz et<br />

al.,1996b).<br />

Hier muss darauf hingewiesen werden, das~ für<br />

Kriterien oder Indikatoren mit Zielbereichen wie<br />

«Partizipation», «Umgang mit Information» oder<br />

«nachhaltiger Umgang mit der Ressöurce menschliche<br />

Arbeitskraft» mangels <strong>im</strong> globalen Rahmen konsensfähiger<br />

Formulierungen das folgende Zitat besonders<br />

gut zutrifft:<br />

«Indicators are only truly useful if they are<br />

«owned» by die local community <strong>and</strong> measure<br />

issues of relevance locally» (Morris, 1995).<br />

Literatur<br />

Europäisches Komitee zukunftsfahiger Städte und Gemeinden<br />

(1994)~ Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem<br />

Weg zur Zukunftsbeständigkeit (Charta von Aalborg). Europäische<br />

Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden,<br />

Aalborg.<br />

Henz, A. (1996). Nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung: Ein Evaluationsund<br />

Entwicklungsprojekt inder <strong>Stadt</strong> Zürich (Bericht Konzeptphase<br />

A). <strong>ETH</strong>-Wohnforum Zürich.<br />

IDARio (1995). Elemente für ein Konzept der nachhaltigen Entwicklung.<br />

Diskussionsgrundlage für die Operationalisierung.<br />

Bern: BUWAL.<br />

Kastenholz, H.G., Erdmann, K.-H., Wolff, M. (Hrsg.). (1996).<br />

Nachhaltige Entwicklung: Zukunftschancen für Mensch und<br />

Umwelt. Berlin: Springer.<br />

Maclaren, V.w. (1996). Urban Sustainability Reporting. Journal of<br />

the American Planning Associaton, 62 (2), 184-202.<br />

Minsch, J. (1993). Nachhaltige Entwicklung. Idee - Kernpostulate.<br />

Ein ökologisch-ökonomisches Referenzsystem für eine<br />

Politik des ökologischen Strukturw<strong>and</strong>els in der Schweiz. (lWÖ­<br />

Diskussionsbeitrag Nr. 14). St. Gallen: IWÖ.<br />

Morris, J. (1995). Indicators of local sustainability. Town & Country<br />

Planning, 64 (No. 4), 113-116.<br />

Ninck, M. (1994). Nachhaltigkeit - ein Plastikwort? Diplomarbeit,<br />

<strong>ETH</strong> Zürich.<br />

Pinter, L. (Hrsg.). (1995). Performance measurements for sustain-·<br />

able development: Compendium of experts, initiatives <strong>and</strong> publications.<br />

Winnipeg:· USD (International Institute for Sustainable<br />

Development).<br />

Renn, O. (1996). Ökologisch Denken- sozial H<strong>and</strong>eln: Die Realisierbarkeit<br />

einer Nachhaltigen Entwicklung und die Rolle der<br />

Kultur- und Sozialwissenschaften. .In H.G. Kastenholz, K.-H.<br />

Erdmann, M. Wolff (Hrsg.), Nachhaltige Entwicklung: Zukunftschancen<br />

für Mensch und Umwelt, (S. 79-118), Berlin: Springer.<br />

Ruoss, S. & Siress, C. (1994). Entwicklungsleitbild <strong>Zentrum</strong><br />

Zürich <strong>Nord</strong>.<br />

Scholz, RW., Koller, T., Mieg, HA, Schmidlin, C. (Hrsg.). (1995).<br />

Perspektive Grosses Moos: Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Scholz, RW., Bösch, S., Koller, T.; Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />

(1996a). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />

Wertschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Scholz, R.W., Mieg, HA, Stauffacher, M.,Weber, O. (1996b).<br />

Sozio-psychologische· Determinanten nachhaltigen H<strong>and</strong>eIns.<br />

Arbeitstagung ~Nachhaltige <strong>Stadt</strong>ent.wicklung Zürich", Zürich.<br />

<strong>Stadt</strong> Zürich (1994). Sonderbauvorschriften für das Gebiet<strong>Zentrum</strong><br />

Zürich <strong>Nord</strong>. (Entwurfvom 9.12.1994). Zürich: <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />

Tobler, M. (1995). How to <strong>im</strong>prove ecoefficiency in Ba:lly shoe<br />

production. Zürich: <strong>ETH</strong>.<br />

UNCED (1992). Agenda 21, Programme of action for sustainable<br />

development; Rio declaration on environment <strong>and</strong> development.<br />

New York: United Nations, Department of Public Information.<br />

World Commission on Environment <strong>and</strong> Development(1987). Our<br />

common future (Brundl<strong>and</strong>t- Bericht). Oxford: Oxford University<br />

Press.<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

323


Planspiel<br />

~---~--~---_Anhang<br />

Der Einsatz des Planspiels und dessen<br />

Auswertung zur Opt<strong>im</strong>ierung eines<br />

Entscheidungsfindungsprozesses in der<br />

Altlastenproblematik<br />

Autor<br />

Jörg Cahenzli<br />

Aufbauend auf den<br />

BEARBEITUNG)<br />

Jörg Cahenzli<br />

Urban Frei<br />

Bettina Hess<br />

Tobias Siegfried<br />

Resultaten der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Teilprojelctgruppe. ENTSC"EIDUN~SMANAGEMENT IN DER ALTlASTEN"<br />

Barbara Sintzel<br />

Oliver Zenklusen<br />

Das Studium sozialer Prozesse bildet einen wesentlichen<br />

Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudien. Wie <strong>im</strong><br />

Kap. ElNLJÜTUNG dargelegt, wird in den umweltnaturund<br />

umweltsozialwissenschaftlichen Fallstudien von<br />

der Annahme ausgegangen, dass durch eine Opt<strong>im</strong>ierung<br />

von sozialen Prozessen sich die Umweltqualität<br />

verbessern lässt. Um nun soziale Prozesse<br />

zum Gegenst<strong>and</strong> einer Untersuchung zu machen,<br />

bedarfes best<strong>im</strong>mter Untersuchungsmethoden. Nun<br />

ist es in den wenigsten Fällen möglich, Verh<strong>and</strong>lungen<br />

oder Entscheidungsprozesse «on line», d.h.<br />

s<strong>im</strong>ultan zum wirklichen Entscheidungsprozess zu<br />

beurteilen. Aus diesem Grund bedient sich die Fallstudie<br />

verschiedener Erhebungsmethoden, z.B. der<br />

Befragung oder des EXPLORATIONSPARCOURS (Kap. 2.2<br />

der Synthesegruppe GR ÜNRA UM; vgl. auch Kap. Methoden<br />

der Fallstudie in Scholz et al., 1996). Der folgende<br />

Text führt in Planspiele ein. Planspiele können in den<br />

UNS-Fallstudien dazu verwendet werden, um Einsicht<br />

in die Konflikthaftigkeit und Struktur von Verh<strong>and</strong>lungs-,<br />

Problemlöse- und· Bewertungsprozessen<br />

von Gruppen zu bekommen.<br />

Das Planspiel<br />

Planspiele können mit verschiedenen Zielsetzungen<br />

eingesetzt werden (vgl. Ebert, 1992). Zu unterschei-<br />

den sind hier -die Zielrichtungen Consulting, Lehre<br />

und Forschung. Nehmen etwa die realen EntscheidungsträgerInnen<br />

an einem Planspiel teil und best,eht<br />

das Ziel darin, ihnen Rückmeldung über ihr<br />

Verhalten zu geben, so sprechen wir von Consulting.<br />

Werden ,Planspiele genutzt, um auf berufliche Verh<strong>and</strong>lungen<br />

vorzubereiten, so h<strong>and</strong>elt es sich um<br />

Lehre (Training). Werden Planspiele genutzt, um z.B.<br />

best<strong>im</strong>mte Hypothesen bzgl. subopt<strong>im</strong>alen oder defektiven<br />

Interaktionsverhaltens zu prüfen, so dienen<br />

sie als Erhebungsmethode in der Forschung.<br />

Ein Planspiel ist in gewissem Sinne ein Rollenspiel<br />

mit offenem Ausgang. Es ist ein Verfahren, mit. dem<br />

Verh<strong>and</strong>lungen in zeitlich gerafften Abläufen s<strong>im</strong>uliert<br />

werden können. Die wirtschaftliche Ausgangssituation<br />

von Betrieben und Haushalten, die Grundpositionen<br />

von verschiedenen Verh<strong>and</strong>lungsparteien<br />

sowie ausgewählte Einflussgrössen werden zur Diskussion<br />

gestellt. In der Wahrnehmung best<strong>im</strong>mter,<br />

vorgegebener Rollen können <strong>im</strong> Planspiel in bezug<br />

aufdie Findung, Festlegung und Korrektur von Entscheidungen<br />

Erfahrungen gesammelt, aber auch<br />

wertvölle Beobachtungen gemacht werden.<br />

«Planspiele fördern, opt<strong>im</strong>ieren und differenzieren<br />

wirtschaftliches Planungsverhalten auf individueller,<br />

betrieblicher und politischer Ebene.<br />

324<br />

UNS-Fallstudie '96


Anhang: ----, .,....-_."...:.. Planspiel<br />

Sie sind in erster Linie gesamtwirtschaftlichen<br />

Zielen zuzuordnen, weil sie von Modellvorstellungen<br />

ausgehen, die als gewünschte oder<br />

gefürchtete Zukunft untersucht werden.» Groth,<br />

1992.<br />

Gerade <strong>im</strong> Fall Stierenried, in welchem sich die<br />

Konfliktparteien (Unternehmer, <strong>Stadt</strong> und Kanton)<br />

aus Wirtschaft und Politik rekrutieren und die zu<br />

beh<strong>and</strong>elnde Problematik schwerwiegende Auswirkungen<br />

für zukünftige Generationen bezüglich<br />

Kosten und Umwelt haben könnte, scheint eine<br />

genaue Analyse des Planungs- und Entscheidungsverhaltens<br />

zum Beispiel bezüglich Nachhaltigkeit<br />

von grosserTragweite zu sein.<br />

Durch gezielt gewählte Vorgaben wird <strong>im</strong> Planspiel<br />

eine realitätsnahe Ausgangssituation geschaffen, von<br />

welcher weiterführend, je nach Individualität der<br />

MitspielerInnen und deren Bewertung frei wählbarer<br />

Parameter, das wirtschaftliche und politische<br />

H<strong>and</strong>eln die verschiedensten Richtungen einschlagen<br />

kann. In dieser Atmosphäre kann nun ein<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzungs- bzw. Entscheidungsfindungsprozess<br />

fassbar und beobachtbar gemacht werden.<br />

Dadurch wird er auch einer wissenschaftlichen<br />

Untersuchung zugänglich (vgl. Abb. 1).<br />

Probleme und Einwände<br />

Bezüglich der Validität von Untersuchungen mit dem<br />

Planspiel können diverse Einwände vorgebracht<br />

werden. Die generelle Frage ist, ob die Planspielsituationdie<br />

Realität abzubilden vermag. Zudem<br />

AbI!. 1 1m Planspiel werden die realen Verll<strong>and</strong>lungsprozesse s<strong>im</strong>uliert. Der Vorteil des Planspiel ist es,<br />

dass best<strong>im</strong>mte Bewertungsd<strong>im</strong>ensionen, die für die Verh<strong>and</strong>lungen als wesentlich erachtet werden (hier<br />

ökonomische und ökologische Aspekte), in kontrollieroarer Fonn beobachtet werden können.<br />

muss dem Einfluss des «Spiel»-Charakters Rechnung<br />

getragen werden:<br />

• Bei mehrmaligem Durchgang einer Situation unter<br />

leicht veränderten Bedingungen können Lern- und<br />

Gewöhnungse.fJekte auftreten.<br />

• Für die MitspielerInnen geht es ja nicht wirklich<br />

um ihre eigene Haut, das heisst, sie spüren bei<br />

ihren Entscheidungen nicht wirklich den Druck<br />

des Unternehmens oder der Verwaltung welche sie<br />

vertreten.<br />

• Weiter ist der Zeitfa#or zu bedenken. Der reale<br />

Entscheid spielte sich <strong>im</strong> Zeitraum von Jahren<br />

ab, <strong>im</strong> Planspiel steht dafür nur eine dreistündige<br />

Diskussion zur Verfügung.<br />

Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit,<br />

sie soll aber einen Eindruck bezüglich<br />

der Schwierigkeit und Wichtigkeit einer sorgfältigen<br />

Auswahl und' Vorbereitung eines Planspieles verdeutlichen.<br />

Das Planspiel in der fallstudie «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» -<br />

Grundannahmen .<br />

Zur differenzierten Charakterisierung des in unserer<br />

Fallstudie verwendeten Typs von Planspiel ist zu<br />

betonen, dass es sich fachsprachlich ausgedrückt um<br />

ein relativ «starres Spiel» h<strong>and</strong>elt. Das heisst, in diesem<br />

Planspiel können die Spielteilnehmer zwischen<br />

einer begrenzten Anzahl von vorgegebenen Entscheidungsalternativen<br />

wählen, sie müssen sich in<br />

einem eng begrenzten Entscheidungs-' und H<strong>and</strong>lungsspielraum<br />

bewegen. Des weiteren h<strong>and</strong>elt es<br />

sich aber trotzdem um einen offenen, interaktiven<br />

Spieltyp. Der Spielverlauf und<br />

die Spielentscheidungen hängen<br />

zwar einerseits von einigen<br />

vorgegebenen Kriterien. und<br />

Zielen ab, sind jedoch <strong>and</strong>erseits<br />

auch von den laufend getroffenen<br />

Entscheidungen der<br />

einzelnen mehr oder weniger<br />

konkurrierenden Untergruppen<br />

wesentlich beeinflusst.<br />

Für die Beurteilung des Einsatzes<br />

eines Planspieles als Mittel<br />

zur Opt<strong>im</strong>ierung des Entscheidungsfindungsprozesses<br />

in<br />

der Altlastenproblematik wird<br />

von folgenden Annahmen ausgegangen:<br />

Annahme1: Die Instruktionen<br />

und gesetzten Rahmenbedingungen<br />

in den Teilnehmerdossiers<br />

zur Rollenanleitung der<br />

Spielteilnehmerlnnen schaffen<br />

den Rahmen und die Atmo-<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

325


Planspiel ...,- ...,- ~ Anhang<br />

sphäre, wie es der Situation der beteiligten Akteure<br />

<strong>im</strong> Fall des Sanierungsentscheides Stierenried entsprochen<br />

hatte.<br />

Annahme 2: Die von den Spieiteiinehmerlnnen<br />

verwendeten ,Argumentationen und Sichtweisen<br />

stellen eine relativ genaue Abbildung der Argumentationen<br />

und Sichtweisen der Akteure <strong>im</strong> realen Fall<br />

Stierenried dar.<br />

Annahme3: Die <strong>im</strong> Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />

auftretenden Konflikte und Dynamiken haben grosse<br />

Ähnlichkeit mit den Konflikten und Dynamiken<br />

wie sie <strong>im</strong> realen Fall aufgetreten waren, obwohl sich<br />

dieser Entscheidungsprozess über mehrere Wochen<br />

hingezogen hatte.<br />

Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle<br />

nochmals darauf hingewiesen werden, dass das Planspiel<br />

nur ein Element unter mehreren zur Anwendung<br />

gelangenden Analysemethoden darstellt, um<br />

die komplexen sozialen Strukturen eines Altlastensanierungsentscheides<br />

abzubilden und die Interaktionen<br />

und Argumentationen der Beteiligten zu<br />

studieren.<br />

Vorgehen .<br />

In unserem Planspiel lag also der Schwerpunkt nicht<br />

in einer best<strong>im</strong>mten Erwartung konkreter pädagogischer<br />

Lernziele für di,e Spielteiinehmerlnnen, sondern<br />

in der Beobachtung der möglichen, auftretenden<br />

Schwierigkeiten und sensiblen, heiklen Phasen<br />

bezüglich eines Entscheidungsprozesses um Sanierungsvarianten<br />

bei der A/tlastenbearbeitung. D'eshalb haben<br />

wir grossen Wert auf eine ausführliche Anweisung<br />

der SpielteilnehmerInnen für einen opt<strong>im</strong>alen Spieleinstieg<br />

gelege, welcher den Spielverlauf möglichst<br />

in Richtung des realen Falles führen soll.<br />

Die Spieiteiinehmerlnnen erhalten also Startvorgaben,<br />

Rollenbeschreibungen und genügend Sachinformationen,<br />

um fachgerecht die ersten Schritte<br />

in die Richtung einer Lösung ihres Arbeitsauftrages<br />

zu beschreiten.<br />

, Ab und zu gibt die Spielleitung wieder «Inputs» in<br />

die Runde, sei es nur das Aufmerksam machen auf<br />

ein aufgetretenes Dilemma, einen Widerspruch, oder<br />

sei es etwas ganz Neues, was dem Spielverlaufeine<br />

<strong>and</strong>ere Wendung gibt, wie dies eben in der Realität<br />

auch passieren kann. Die Gruppe steht dabei unter<br />

einem gewissen Zeitdruck, es werden von ihr <strong>im</strong><br />

Sinne ihres Arbeitsauftrages konkrete Resultate erwartet.<br />

Für unsere Zwecke war die Auswahl der SpielteilnehmerInnen<br />

von zentraler Bedeutung. Sollten<br />

diese doch möglichst unbelastet mit Vorwissen über<br />

den konkreten Fall sein, jedoch über eine hinreichende<br />

Fachkompetenz zur kurzfristigen Ein- .<br />

arbeitung in die Sachlage gemäss unserem Spieler-<br />

h<strong>and</strong>buch verfügen. Glücklicherweise stellten sich<br />

genügend HochschulabsolventInnen und Doktor<strong>and</strong>Innen<br />

aus den Wirtschafts-, Rechts- und Umweltnaturwissenschaften<br />

zur Verfügung, aus denen'<br />

sich die drei Akteurengruppen «Unternehmen"<br />

«<strong>Stadt</strong>» und «Kanton» bilden liessen.<br />

Selbstverständlich ist ein best<strong>im</strong>mtes Mass an<br />

Informationen bezüglich des realen Entscheidungsverlaufes<br />

eine weitere Grundvoraussetzung für einen<br />

gelungenen Einsatz des Planspieles <strong>im</strong> obigen Sinne.<br />

Diese Informationen müssen mindestens ein <strong>im</strong> zeitlichen<br />

Verlauf punktu.elles «Festnageln» der einzelnen<br />

am Entscheidungsprozess beteiligten Parteien<br />

bezüglich ihres St<strong>and</strong>punktes zur aktuellen Problematik<br />

erlauben. Ohne diese Inputs würde das Planspiel<br />

in der Luft schweben, völlig realitätsfern. Wie<br />

<strong>im</strong> Kap. ALTLASTEN erwähnt, gelangten wir über ein<br />

umfangreiches Aktenstudium von Sit.zungsprotokollen<br />

und durch direkte Interviews mit VertreterInnen<br />

der einzelnen Akteurengruppen zu diesem Informationsst<strong>and</strong>.<br />

Diese Grundinformationen, angewendet<br />

auf den eigentlichen Arbeitsauftrag der Spielteilnehmerlnnen,<br />

nämlich zu einem einst<strong>im</strong>migen Sanierungsentscheid<br />

zu gelangen, bildeten sozusagen den<br />

Rahmen, innerhalb dessen der Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />

stattzufinden hatte. Den Planspielarbeitsgruppen<br />

st<strong>and</strong>en <strong>im</strong> Hintergrund einE GesprächsleiterIn<br />

und einige FachexpertInnen bei.<br />

Die Spielteiinehmerlnnen hatten vor sowie nach<br />

dem Spieldurchgang einen Fragebogen zu bearbei­<br />

,ten, in welchem sie ihre Gewichtung von vorgegebenen<br />

Bewertungskriterien zur Auswahl von Sanierungsvarianten<br />

angeben mussten.<br />

Ergebnis<br />

Von den SpielorganisatorI<strong>im</strong>en wurden aufgrund der<br />

Dokumentationen der Protokoll<strong>and</strong>Innen und anh<strong>and</strong><br />

der Videoaufzeichnungen sieben heikle und<br />

sensible Phasen <strong>im</strong> ganzen Entscheidungsprozess<br />

definiert. In diesen Sequenzen waren die Mitspiele-<br />

, rInnen z.T. sehr engagiert aufgetreten und es sind<br />

dabei wichtige Sachverhalte verh<strong>and</strong>elt worden. So<br />

liess sich der beobachtete Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />

auf die folgenden sieben Hauptkonflikte<br />

reduzieren:<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />

Bodel1wlische<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />

Sicherung/Abdeckung<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Strategie der Nu/!­<br />

variante (Drohung)<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />

Tei/sanierung<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um fallspezifische Haftungsregelungen<br />

326<br />

, UNS-Fallstudie '96


Anhang ~ ~ -PlanspieI<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung zum Thema finanzielle Kooperation,<br />

«Joint Venture»<br />

• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um ökologische Ausgleichsflächen<br />

und <strong>and</strong>ere umweltrelevante Massnahmen.<br />

Aus dem weiteren Umfeld unserer Altlastengruppe<br />

riefen wir ein Expertengremium aus Mitstudierenden<br />

und TutorInnen zusammen. Mit Hilfe eines<br />

st<strong>and</strong>ardisierten Fragebogens nahmen diese «Experdnnen»<br />

anh<strong>and</strong> der Videoaufzeichnung-eine Bewertung<br />

der Parteien <strong>im</strong> Planspiel bezüglich den sieben<br />

oben erwähnten Konfliktsituationen vor.<br />

Kernaussagen, welche auf Grund des übereinst<strong>im</strong>menden<br />

Eindruckes aller SpielbeobachterInnen<br />

bereits zum jetzigen Zeitpunkt formuliert werden<br />

können, sollen <strong>im</strong> folgenden hier kurz dargestellt<br />

werden:<br />

• Die SpielteilnehmerInnc:?n des Planspieles gelangten<br />

zum selpen Sanierungsentscheid, wie die<br />

Akteure in der Realität;<br />

• Schliesslich haben die ökonomischen Argumente,<br />

zusammen mit der Gefahr eines St<strong>and</strong>ortverlustes<br />

- mit seinen negativen Auswirkungen für die <strong>Stadt</strong><br />

Zürich -den Hauptausschlag für die Wahl der<br />

«günstigeren» Sicherungsvariante gegeben.<br />

• Weiter wurde das Argument der Zum\ltbarkeit für<br />

den'Unternehmer und überhaupt das Moment der<br />

Verhältnismässigkeit vor allem von Unternehmerseite<br />

stark vertreten.<br />

Im Planspiel hat sich gezeigt, dass sich die<br />

hauptsächlichsten Argumente stets um die beiden<br />

Pfeiler Ökonomie und Ökologie drehten und dass ökonomische<br />

Aspekte stärker zum Tragen kamen. Von sei- .<br />

nem anfanglieh hehren Sanierungsziel einer Totalsanierung<br />

musste das Planspiel-«AGW" _zunehmend<br />

Abst<strong>and</strong> nehmen und in Richtung Unternehmer und<br />

<strong>Stadt</strong> einen erheblichen Kompromiss eingehen. Dieser<br />

Verh<strong>and</strong>lungsverlauf war auch ausden Protokollanalysen<br />

erkennbar, sowie aus den Interviews mit<br />

den beteiligten Akteuren spürbar.<br />

Methode, der aus dem Prozess der Fallstudie heraus<br />

unternommen wurde. Wie die Erfahrung in ähnlichen<br />

Fällen lehrt, z.B. bei der Szenarioanalyse oder<br />

den Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen, wird es Aufgabe<br />

künftiger UNS-Fallstudien sein, die Einsatzmöglichkeiten<br />

des Planspiels auszutesten und diese neue Fallstudienmethode<br />

zu einem validen Untersuchungsinstrument<br />

zu machen._<br />

Literatur<br />

Eberc,G. (1992). Planspiel- eine aktive und .attraktive Lernmethode.<br />

Köln: Wirtschaftsverlag Bachern.<br />

Groth, G. (1992). Bildungstheoretische Überlegungen zur Auswahl<br />

der Ziele und zur Struktur desrnethodischen Entscheidungsprozesses.<br />

Köln: Wirtschaftsverlag Bachern.<br />

Scholz, R.W., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />

(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />

Wercschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Methoden"riti" und folgerung<br />

Der Eindruck den die BeobachterInnen vom Spielverlaufgewonnen<br />

hatten war, dass ein echtes,zähes<br />

Ringen um den Entscheid der Sanierungsvariante<br />

stattgefunden hatte. Trotzdem müsste noch überprüft<br />

werden, inwiefern das Zust<strong>and</strong>ekommen dieses<br />

spezifischen Entsch~ides durch die Individualität<br />

der Spielteiinehmerlnnen bedingt war.<br />

Die Akteure der realen Entscheidungsproblematik ­<br />

<strong>im</strong> Fall Stierenried könnten mit den Resultaten und<br />

Analysen dieser Planspielsituationkonfrontiert werden,<br />

um ihre Einschätzung bezüglich des Realitätsbezuges<br />

dieser S<strong>im</strong>ulation abgeben zu können.,<br />

Das Planspiel in der Fallstudie «<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />

<strong>Nord</strong>» war ein erster Anwendungsversuch dieser<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

327


_________________________________________________Index<br />

Index<br />

2<br />

2-Phasen-Schwungrad-Modell 76<br />

A<br />

Abflussspitzen 267<br />

Abwasser 261, 269<br />

Accumulatoren-Fabrik Oerlikon 90<br />

Agenda 21 98<br />

Akteure 148,225 .<br />

Alfred Escher 91<br />

Allergene 189<br />

Altlasten 212<br />

Altlastenverdachtsflächen 182<br />

Anwohner 113<br />

Arbeiterfamilien 91<br />

Arbeitsquartier 112<br />

Autoabstellplätze 144·<br />

Autofreies Wohnen 156<br />

B<br />

Bau- und Zonenordnung 93, 97<br />

Bauausführung 283, 293<br />

Bauplanung 304,312<br />

Bebauungskonzept96<br />

Begehbarkeit 194<br />

Bevölkerungsentwicklung 110<br />

Bewertung der Modelle, Verkehr 167<br />

Bewertungsstrukturen 232<br />

Biodiversität 182<br />

Biotopflächenindex 306<br />

Boden 189,220<br />

Brunswiksches Linsenmodell 290,<br />

314<br />

Bulletin Board Systeme 58<br />

c<br />

Car-Sharing 157<br />

Car-Sharing-Genossenschaften 157<br />

Car-Sharing-Konzept 158<br />

Chance Oerlikon 2011 94<br />

Citylogistik 160<br />

Clusteranalyse 197<br />

Computer 58<br />

Computergestützte Kriterienbewertung<br />

MAUD 195<br />

Critical-levels und -loads 154<br />

D<br />

Datenbanken 59<br />

Dienstleistung 133<br />

E<br />

E-mail 59<br />

Einflussfaktoren 318<br />

Einflussfaktoren, Verkehr 149, 171<br />

Einflussfaktoren, Wasserhaushalt<br />

253<br />

Einflussmatrix 318<br />

Eingemeindung 87<br />

Eisenbahnschlachten 84<br />

Emissionsfaktoren 176<br />

Energieverbrauch 308<br />

Ententeich 284, 297, 308<br />

Ententeich, Umnutzung 301<br />

Entscheidungsbildung 183<br />

Entscheidungsfindung 236<br />

Entscheidungsfindungsprozess,<br />

Opt<strong>im</strong>ierung 325<br />

Entscheidungshilfe 232<br />

Entscheidungsmanagement, Thesen<br />

zum 244<br />

Entscheidungsträger 226<br />

Entscheidungsunterstützungssysteme<br />

59<br />

Entwicklungsleitbild 97, 102, 107,<br />

131, 144<br />

Entwicklungsvarianten 104, 106, 118<br />

Erschliessungsstrassen 144<br />

Escher, Alfr~d 85<br />

Evapotranspiration 258, 267, 269<br />

Explorationsparcours 184-185,203<br />

Explorationsparcours, Ergebnisse<br />

194<br />

F<br />

Fallstudienbüro 68<br />

Fallstudienzeitung 51<br />

FinanzpIatz 91<br />

Flachdächer 201<br />

Fluglärm 117<br />

Formative Szenarioanalyse 149,251,<br />

317<br />

Fragebogen 186, 198<br />

Fussgänger 158<br />

G<br />

Gartenbewässerung 262<br />

Gebäude-Lebenszyklus 282,<br />

313-314<br />

Gebäudenutzung 283<br />

Gebäudeplanung 283<br />

Gehbehinderte 158<br />

Gerichteter Graph 318<br />

Gesamtverkehr 146<br />

Gestaltungspläne 93<br />

Gifte 189<br />

Grauwassernutzung 262,271<br />

Grauwassernutzung, Rentabilität 272<br />

Grossregion Zürich 88<br />

Gründächer 266, 270<br />

Grundeigentümer 132<br />

Grundwasser 214<br />

Grundwasserförderung 260<br />

Grünraum 180<br />

Grünraum, Leitidee für 199<br />

Grünraumelemente 182<br />

Güterverkehr 144, 151, 166<br />

H<br />

Hartmann Druckfarben AG 90<br />

Hochkonjunktur 90<br />

Hydraulisches Sanierungsverfahren<br />

225<br />

Hydrogeologie 213<br />

Hypertext Systeme 58<br />

1<br />

Ideenwettbewerb 95<br />

Ill-defined 67<br />

Indikatoren, Verkehr 152, 174<br />

Indikatorwerte, Verkehr 177<br />

Industrie 117, 133<br />

Interessengruppen 184, 198, 204<br />

Investoren 108, 116, 132, 196, 204<br />

Investorenbedürfnisse, Verkehr 169<br />

ISO 14000 313<br />

ISO 14001 281,313<br />

Italienerkrawall 87<br />

K<br />

Kanalisation 260, 266, 269<br />

Kl<strong>im</strong>a 180, 190<br />

Kompost-WC 263<br />

Konflikte 239<br />

Konfliktpotential, Verkehr 147<br />

Konsistenzanalyse 204,319<br />

Konsistenzmatrix 319<br />

Kosten v. Grünräumen 191<br />

Kr<strong>im</strong>inalität 191<br />

Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />

für die Grünraumgestaltung 189<br />

Kriterienbäume 1a5<br />

Kulturelle Aktivitäten 189<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

329


Index ---:- _<br />

L<br />

Lamprecht AG 90<br />

L<strong>and</strong>abtausch ,108<br />

Lärm<strong>im</strong>missionen 191<br />

Lascher Vollzug 231,234<br />

'Lebensräume 194<br />

Leitbilder für den Grünraum 199<br />

Logical Decisions 232, 303<br />

Lösungsansätze, Verkehr 169<br />

Luftverschmutzung, Verminderung<br />

von 192<br />

M<br />

Maschinenfabrik Oerlikon 86, 90<br />

MAUD 186, 204<br />

MAUD-Befragung 195<br />

MAUT 303<br />

Mediengruppe, Konzept 55<br />

Meteorwassergebühren 275<br />

Mic-Mac-Analyse 318<br />

Mischnutzung 108, 114, 133,302<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung 192<br />

Modal-Split 143-144,169<br />

Modell Entwicklungsleitbild 150,<br />

162<br />

Modell Entwicklungsleitbild<br />

opt<strong>im</strong>iert 150, 163<br />

Modell MIV max 150,165<br />

Modell ÖV-LV max 150,164<br />

Motorisierter Individualverkehr 160<br />

Multikriterielle Nutzentheorie 151<br />

N<br />

Nachhaltige Entwicklung ·133<br />

Nachhaltigkeit 71, 153, 156, 168,<br />

170,182,242,249,321<br />

Naturerlebnis 192<br />

Naturverträgliche Pflegeart 193<br />

Net Present Value 255,272<br />

Neubau 297<br />

<strong>Nord</strong>Seiten 55<br />

Nullvariante, Altlasten 223<br />

Nutzenfunktion, Verkehr 153<br />

Nutzer 117<br />

Nutzungseinschränkung 182<br />

Nyffenegger & Co. AG 90<br />

o<br />

-Öffentliche Nutzungen 134<br />

Öffentlicher Verkehr 144, 158, 161<br />

.Ökobilanz 291,300, 314<br />

Ökoeffizienz 97,287,291-292<br />

Ökologie-Planungs-Problem 292,<br />

306<br />

Ökologische Buchhaltung 294<br />

Ökologische Kriterien 291-292<br />

Ökologische Kriterien, Ententeich<br />

304<br />

Ökologische Kriterien, Wien 306<br />

Ökologische Nachhaltigkeit 182<br />

Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung 291,306<br />

Ökologische Verantwortung 245<br />

Ökonomisches H<strong>and</strong>eln 182<br />

p<br />

Pflanzenkläranlage 263<br />

Pflichtparkplatzzahl 144<br />

Parkplätze 260<br />

Partizipation 115<br />

Pendlerverkehr 142<br />

Personenverkehr 150, 166<br />

Planspiel 237,241,324<br />

Planungsprozess .102, 107<br />

Plattformen 202<br />

Pocket Parks 181,200<br />

Potentielle Tierarten '192<br />

Prinzip des forschenden Lernens 67<br />

Projektorganisation 76<br />

Psychotop 182<br />

Q<br />

Qualitätsmanagement 313<br />

R<br />

Radfahrer 158<br />

Rahmenbedingungen,<br />

Wasserhaushalt 250, 257<br />

Recycling 295, 300<br />

Regenwassernutzung 261-262,271<br />

Regenwassernutzung, Rentabilität<br />

272<br />

Regenwasserspeicher 266<br />

Reinwasserkanal 264<br />

Rentabilität wasserbaulicher<br />

Massnahmen 272, 274<br />

Retention 259<br />

Retentionsbecken 260, 266<br />

Risikoabschätzung, Altlasten 216<br />

Rückbau 283<br />

Rückzugsmöglichkeiten J 93<br />

s<br />

Sanierungsmassnahmen, Altlasten<br />

242<br />

Sanierungsvarianten,Altlasten 223<br />

Sanierungsverfahren, Altlasten 221<br />

Sanierungszielkaskade 226<br />

Satellitenstädte 92<br />

Schadschöpfung 289,291<br />

Schmutzwasserspeicher 260<br />

Schnittstellenparadoxon 50<br />

Schuttgüter 219<br />

Sehbehinderte 158<br />

Sets 250<br />

Sicherung 224<br />

Sickerwasser 215,264<br />

Skalierung der Ipdikatoren, Verkehr<br />

154<br />

Sonderbauvorschriften 93-94,97,<br />

107, 181<br />

Soziale Durchmischung 111, 113,<br />

133<br />

Soziale Nachhaltigkeit 183<br />

Soziales Umfeld 103, 110<br />

Spezifisches Verkehrspotential 146<br />

Spitzenbelastung der Kanalisation<br />

269<br />

<strong>Stadt</strong>park J99<br />

St<strong>and</strong>ortfaktoren 115<br />

St<strong>and</strong>ortgerechte Pflanzen 189<br />

St<strong>and</strong>ortqualität 103, 115<br />

Starkregenereignisse 267<br />

Stella 11 253<br />

Stoffflussanalyse 255,297,314<br />

Strassengestaltung 158<br />

Strenger Vollzug 230, 234<br />

Strukturkonzept 95<br />

Synthese 67<br />

Synthese-Moderation 70<br />

Synthesegruppe 72<br />

System Dynamik 253<br />

System-Grid 318<br />

Szenarioanalyse 70, 105, 118, 317<br />

Szenariokonstruktion 319<br />

T<br />

Teilgebiet D 182,250<br />

Teilprojekt 72<br />

TaRO I 286,293<br />

Trinkwasserpreis 256<br />

Trinkwasserverbrauch 269<br />

u<br />

Um- und Restrukturierungen 91<br />

Umbau 297,314<br />

Umnutzungen 303<br />

Umwelthygienische Nachhaltigkeit<br />

182<br />

330<br />

UNS-Fallstudie '96


___________~__~ -~---- Index<br />

Umweltmanagement 288,296,304,<br />

312<br />

Umweltmanagementsystem 282,<br />

313-314<br />

Umweltnaturwissenschafter, Rolle<br />

des 203<br />

Umweltpolitik 281,287<br />

Umweltraummethode 154, 156<br />

Umweltschutzgesetz (USG) 217<br />

Umweltziele, Gebäude 291,314<br />

Unterhaltskosten für wasserbauliche<br />

Massnahmen 270<br />

Urinseparierung 262, 275<br />

v<br />

.V<strong>and</strong>alismus 191<br />

Variantensets 254<br />

Verdunstung 193<br />

Verein zürifüfzg! 97<br />

Vergrossstädterung 86<br />

Verhältnismässigkeit 218<br />

Verkehr 114<br />

Verkehrsbelastung 143<br />

Verkehrsflächen 200<br />

Verkehrsmodelle 150-151, 162<br />

Vernetzung der Parkanlagen 181<br />

Vernetzungselemente 190<br />

Versickerung 193<br />

Versiegelte Flächen 249<br />

Vogt & Co. 90<br />

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XamaxAG 90<br />

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<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> 95<br />

<strong>Zentrum</strong>sfunktion 109<br />

Zugänglichkeit 194<br />

Zukunft 118<br />

Zukunftsbilder, Altlasten 210,230<br />

Zukunftsperspektiven 104<br />

Zusammenarbeit 132<br />

Zwischennutzung 117, 135<br />

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Wasch- und Extraktionsverfahren<br />

224<br />

Wasser 308<br />

Wasserflüsse 264<br />

Wasserhaushalt 249<br />

Wasserhaushaltsmodell 250-252,<br />

255,273<br />

Wasserkraft 83-84<br />

Wassersparen 261,273<br />

Wassersparende Armaturen 261<br />

Wasserspeicher 264<br />

Wasserverbrauch 261<br />

Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon,<br />

Bührle & Co. 90<br />

Wichtigste Ergebnisse 29-33<br />

Wiener Modell 308<br />

Wirkungspfade 219<br />

Wirtschaftliche Aspekte, Verkehr<br />

171<br />

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit 182<br />

Wissensintegration· 67<br />

Wohnquartier 112<br />

UNS-Fallstudie '96<br />

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i! Übersicht zu den Tutorinnen und Tutoren der einzelnen Synthesegruppen<br />

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Der B<strong>and</strong> zur UNS-Fallstudie 1994<br />

Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Perspektive Grosses Moos<br />

Wirtschaft und Ökologie bilden <strong>im</strong> Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft einen scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz.<br />

Die Umsetzung der neuen Schweizer Agrarpolitik, mit ihrem Ziel einer Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft, fordert<br />

eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Buch zeigt Strategien auf, wie sich aus dem ökologisch relevanten<br />

Wissen - nicht nur der Fachleute, sondern auch der Bevölkerung - H<strong>and</strong>lungsperspektiven gewinnen lassen.<br />

Die Studie liefert einen Beitrag zur Fallstudienmethodik in Lehre und Forschung - mit dem Ziel, ein neues<br />

Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Im Mittelpunkt stehen fachübergreifende, problemorientierte<br />

Methoden der Wissensintegration.<br />

. Die Studie richtet sich an Fachleute und Lehrkräfte aus den Bereichen Ökologie, (Agrar-)Wirtschaft, Raumplanung<br />

sowie an Behörden und die Bevölkerung <strong>im</strong> Grossen Moos.<br />

Inhalt<br />

Einleitung<br />

Was ist und was soll die Fallstudie 1994?<br />

Die Fallstudie als Methode der Lehre, der Forschung und<br />

des Wissenstransfers.<br />

Zur Organisation der Fallstudie<br />

Die Fallstudie als Grossprojekt mit eigener<br />

Organisationsform; Ablauf und Ablauforganisation.<br />

Zur Theorie der Fallstudie<br />

Prinzipien der Fallstudienforschung und -lehre; Erfordernisse<br />

einer effizienten Theorie-Praxis-Beziehung.<br />

Projektliniensynthesen<br />

Ökologie<br />

Strategien und Bewertung der Gestaltung ökologischer<br />

Ausgleichsfläche; Checklisten für den L<strong>and</strong>wirt.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Verfahren für die ökologische Bewertung l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />

Betriebe; Beispielrechnungen.<br />

Politik und Wirtschaft<br />

Erkundung von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen<br />

für eine Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft;<br />

Analyse des·Vollzugs Von Artikel 31 b LWG.<br />

Soziale D<strong>im</strong>ensionen<br />

Einstellung von L<strong>and</strong>wirten und Bäuerinnen zum<br />

Agrarkonsens; Bedeutung der Gemeindepolitik;<br />

Wissen und Einstellungen von Konsumenten.<br />

Gesamtsynthesen<br />

Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />

Ökologisch opt<strong>im</strong>iertes L<strong>and</strong>schaftsentwicklungskonzept;<br />

Verfahren und Strategien zum Interessenausgleich.<br />

Szenarioanalyse<br />

Einflussfaktoren, Zukunftsszenarien und D<strong>im</strong>ensionen von<br />

Nachhaltigkeit; Wege in die Zukunft.<br />

Fragestellungswerkstatt<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz (Artikel 31b) und Ökologie;<br />

das Gesetz zwischen den Zeilen.<br />

Der B<strong>and</strong> «Perspektive Grosses Moos - Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft» (Herausgegeben von Rol<strong>and</strong> W.<br />

Scholz, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Corinne Schmidlin, 209 Seiten, ISBN 37281 2168 1) kann über den Buchh<strong>and</strong>el<br />

bezogen werden.


Der B<strong>and</strong> zur UNS-Fallstudie 1995<br />

Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung<br />

Industrieareal Sulzer-Escher Wyss<br />

Industrie und Städte w<strong>and</strong>eln sich. Im Fall der Sulzer-Escher Wyss AG in Zürich ergab sich die Gelegenheit,<br />

den W<strong>and</strong>el eines städtischen Industrieareals gesamthaft zu untersuchen. Die Fallstudie zeigt Bewertungsund<br />

H<strong>and</strong>lungsperspektiven für den Bereich «Bauen und Umwelt» <strong>im</strong> allgemeinen und für städtische Industrieareal-Umnutzung<br />

<strong>im</strong> besonderen. Neu ist an dieser Studie, dass für ein urban bedeutsames Vorhaben eine<br />

umfassende umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliche Untersuchung vorgelegt wird, welche von der<br />

Ökobilanzierung der Baukörper bis zur Interessenanalyse der Entscheidungsträger geht.<br />

Zielgruppe sind Fachleute und Lehrkräfte aus den Bereichen ökologisches Bauen, Areal-Promotion und<br />

ökologische <strong>Stadt</strong>entwicklung sowie alle, die sich für die <strong>Stadt</strong> Zürich und ihre Industrie interessieren. Wissenschafter,<br />

die an Problemen der Wissensintegration und der Erkenntnisgewinnung durch Fallstudien interessiert<br />

sind, findenOrientierungen und Beispiele.<br />

Inhalt<br />

Einleitung<br />

Warum untersuchen die Umweltnaturwissenschaften der<br />

<strong>ETH</strong> die Umnutzung eines Zürcher Industrieareals?<br />

Methoden<br />

Szenarioanalyse, System Dynamics und <strong>and</strong>ere Methoden<br />

der Wissensintegration.<br />

Organisation<br />

Aufbau und Ablauf der Fallstudie, Projektmanagement,<br />

Kooperationsstrukturen, Mediation.<br />

Der Fall: das SEW Areal in Zürich<br />

Geschichte. und gegenwärtige Situation, der Gestaltungsplan,<br />

das politische Vorspiel.<br />

Umsetzung von Umweltzielen<br />

Realisierung von ökologischem Bauen, Umweltziele<br />

in der Planung, Evaluation und Umsetzung,<br />

Werkblatt Bauen und Umwelt.<br />

Ökobilanz<br />

Ökobilanz des Areals, Diskussion der Methoden und<br />

Kriterien.<br />

Rahmenbedingungen ökologischen Bauens<br />

Umweltbewusstsein, Gesetzgebung und Kapital,<br />

Soft-System-Modellirig.<br />

Szenarioanalyse<br />

Ergebnisse, Vergleichbarkeit der Nutzungsvarianten,<br />

Analyse der Konsistenz, der Wünschbarkeit und der Realisierbarkeit.<br />

Zielbildung der Bauherrschaft<br />

Zielbildungs- und Verh<strong>and</strong>lungsprozess der Arealplanung,<br />

Altemativen und Kooperationsmöglichkeiten.<br />

Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />

Verh<strong>and</strong>lungsträger und -positionen, Analyse der subjektiven<br />

Arealbewertungsd<strong>im</strong>ensionen.<br />

Ideenwerkstatt<br />

Konzepte nachhaltiger Entwicklung, Nachhaltigkeits­<br />

Marketing, « Nachhaltigkeits-Zoo».<br />

Der B<strong>and</strong> «Industrieareal Sulzer-Eseher Wyss- Umwelt und Bauen: Wertsehöpfung dureh Umnutzung» (Herausgegeben<br />

von Rol<strong>and</strong> W. Seholz, S<strong>and</strong>ro Böseh, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Jürg Stünzi,322 Seiten, ISBN 37281 22270)<br />

kann über denBuehh<strong>and</strong>el bezogen werden.

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