23.10.2014 Aufrufe

Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...

Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...

Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

fTH-UNS ta/Jrstu'(lIe ;98<br />

Cha<br />

<strong>Region</strong><br />

a<br />

R @<br />

<strong>Itige</strong><br />

Herausgegeben von:<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Lucio Carlucci,<br />

Jenny Oswald<br />

Die vorliegende Untersuchung wurde finanziell<br />

unterstützt von:<br />

- Ministerium für Umwelt und Verkehr,<br />

Baden-Württemberg<br />

- EU Projekt Interreg 11 «Klettgaurinne»<br />

VERLAG RÜEGGER AG<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

~ PABST SCiENCE PUBLlSHERS


Impressum --------------------------------------<br />

Herausgeber<br />

Gesamtredaktion,<br />

Lektorat<br />

Titelseite<br />

Satellitenbild<br />

Illustrationen<br />

Satz und Layout<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch,<br />

Lucio Carlucci, Jenny Oswald<br />

Karin Gasser,<br />

Claudia Mühlhäuser<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch<br />

© ESA/EURIMAGE 1998,<br />

Bildverarbeitung Bildwissenschaft<br />

<strong>ETH</strong>Z<br />

Reproduktion mit Bewilligung<br />

vom 8.9.98<br />

Astrid Björnsen<br />

Pabst <strong>Science</strong> Publishers<br />

Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (UNS)<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

Fallstudienbüro<br />

<strong>ETH</strong> Zentrum HAD E4<br />

Haldenbachstr. 44<br />

CH-8092 Zürich<br />

Tel.: 01-6326446<br />

Die Deutsche Bibliothek - C1P-Einheitsaufnahme<br />

Chancen der <strong>Region</strong> Klettau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung:<br />

<strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '98/ hrsg. von:<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz '" - Zürich: Verlag Rüegger AG, 1999<br />

ISBN 3 7253 06478<br />

NE: Scholz, Rol<strong>and</strong> W. (Hrsg.)<br />

© 1999<br />

Verlag Rüegger AG, Zürich in Zusammenarbeit mit<br />

Pabst <strong>Science</strong> Publishers, Lengerich<br />

ISBN 3 7253 06478<br />

http://www.rueggerverlag.ch


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorworte 5<br />

Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung:<br />

Der Kletlgau, eine <strong>Region</strong> im Umbruch 13<br />

<strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft zwischen wissenschaftlicher<br />

Analyse und Verständnis 25<br />

Die Organisation der UNS-fallstudie 39<br />

Mobilität im Klettgau 57<br />

Auf dem Weg zu einer integrierten<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung - das Beispiel Klettgau 97<br />

Multikriterien-Verfahren zu Nutzungsalternativen<br />

ehemaliger Kiesabbaugebiete 143<br />

Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong><br />

l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung im Einzugsgebiet<br />

grosser Agglomerationen 161<br />

Ökonomische, ökologische und soziale<br />

Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im<br />

Klettgau 213<br />

Nachhaltige Siedlungsentwicklung in einer<br />

ländlichen <strong>Region</strong> - Ausgewählte Ergebnisse<br />

der Synthesegruppe Siedlung 229<br />

Index 239<br />

Studierende und Tutorinnen 243<br />

Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung: Der Klettgau,<br />

eine <strong>Region</strong> im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

1 Die Klettgaurinne: Eine <strong>Region</strong> im Umbruch? 14<br />

2 Zwei Grundlagen: Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97<br />

und das EU-Interreg 11 Programm 15<br />

2.1 Ergebnisse des EU-Interreg 11 Programms . . 16<br />

2.2 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie<br />

«Verantwortungsvoller Umgang mit Boden» . 18<br />

3 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998<br />

«Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung» . . . . . 19<br />

4 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

<strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft zwischen wissenschaftlicher<br />

Analyse und Verständnis . 25<br />

1 Zum Begriff <strong>Region</strong> .<br />

1.1 Ist der Klettgau eine <strong>Region</strong>? .<br />

2 Zum Begriff L<strong>and</strong>schaft .<br />

2.1 L<strong>and</strong>schaft als Begegnungsraum .<br />

2.2 L<strong>and</strong>schaftsbilder . . . . . . . . .<br />

2.3 L<strong>and</strong>schaft angloamerikanisch ..<br />

2.4 L<strong>and</strong>schaft als wissenschaftlicher Begriff<br />

3 Umweltwissenschaftliche Zugänge zum<br />

<strong>Region</strong>s- und L<strong>and</strong>schaftsbegriff . . . . .<br />

26<br />

27<br />

28<br />

28<br />

29<br />

29<br />

30<br />

31<br />

UNS-Fallstudie '98


Inhaltsverzeichnis<br />

_<br />

3.1 Naturwissenschaftliche Zugänge zum<br />

L<strong>and</strong>schaftsbegriffs .<br />

3.2 Sozialwissenschaftliche Zugänge zum<br />

L<strong>and</strong>schaftsbegriffs ... . . . . . . .<br />

3.3 Holistische und analytische Konzeptionen<br />

3.4 Verstehen, Begreifen und Erklären ....<br />

3.5 Intuition und Analysis in der L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />

.<br />

4 Integrale umweltnaturwissenschaftliche<br />

L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>sforschung ...<br />

4.1 «Mutuallearning» als Strategie für den Umgang<br />

mit L<strong>and</strong>schaft . . . . . . . . . . . . . . ..<br />

5 Schlussbetrachtung und Folgerungen . . . .<br />

5.1 <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft als interdisziplinärer<br />

Gegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . . . . . .<br />

5.2 Methodengeleitete Wissensintegration<br />

5.3 Erhaltung der Komplexität und<br />

Ganzheitlichkeit . . . . . . . . . . . .<br />

5.4 Lebensnähe des Gegenst<strong>and</strong>es erfordert<br />

verstärktes Methodenbewusstsein ...<br />

5.5 Historische Betrachtung Voraussetzung<br />

5.6 Dimensionsübergreifende Fokussierung<br />

5.7 <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft als transdisziplinärer<br />

Gegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . .<br />

Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

1 Grundlagen und Zielsetzungn<br />

1.1 Was ist die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie? .<br />

1.2 Die UNS-Fallstudie als neuer Typ einer Lehrveranstaltung<br />

.<br />

1.3 Die UNS-Fallstudie als jahrgangsübergreifender<br />

Prozess .<br />

2 Aufbau der UNS-Fallstudie 1998 ..<br />

2.1 Die organisatorische Grundstruktur .<br />

2.2 Die Organisation der Schnittstellen .<br />

2.3 Modularisierung und Synthese . . .<br />

2.4 Organisationsinstrumente und Infrastruktur<br />

3 Ablauf der UNS-Fallstudie 1998 .<br />

3.1 Vorbereitung............. .<br />

3.2 Projektphase (Fallbearbeitung) . . .<br />

3.3 Nachbearbeitung, Produkte und Prozesse<br />

4 Ausblick und Schlussbemerkungen<br />

Mobilität im Klettgau<br />

1 Einleitung. . .<br />

2 Theoretische Grundlagen<br />

2.1 Mobilität im ländlichen Raum .<br />

2.2 Kostenwahrheit als ökologische Zielsetzung<br />

2.3 Geschichte der Verkehrswege im Klettgau<br />

2.3.1 Vom Marterweg zur A98: Strassen im Klettgau .<br />

2.3.2 Von der Dampflok zum Neigetechnik-Zug:<br />

Der Schienenweg im Klettgau . . . . . . .<br />

2.4 Einfluss der Stadtnähe auf die Mobilität im<br />

Klettgau .<br />

2.5 Einfluss der Grenze auf die Mobilität im<br />

Klettgau .<br />

2.6 In die Stadt für Arbeit, Einkäufe und<br />

Unterhaltung. . . . . ....<br />

2.7 Untersuchte Verkehrszwecke<br />

2.7.1 Pendelverkehr<br />

2.7.2 Einkaufsverkehr<br />

2.7.3 Freizeitverkehr .<br />

3 Ziele .<br />

4 Vorgehen und Methoden<br />

31<br />

31<br />

31<br />

32<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

35<br />

35<br />

35<br />

35<br />

35<br />

36<br />

36<br />

39<br />

41<br />

41<br />

41<br />

42<br />

43<br />

43<br />

45<br />

46<br />

48<br />

51<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

57<br />

59<br />

59<br />

59<br />

60<br />

61<br />

61<br />

62<br />

63<br />

63<br />

64<br />

65<br />

65<br />

65<br />

65<br />

66<br />

66<br />

4.1 Überblick: Vom Ist-Zust<strong>and</strong> zur zukünftigen<br />

Entwicklung 66<br />

4.2 Systemabgrenzung . . . . . . . . . 66<br />

4.3 Verkehrs-Belastungsmodell..... 67<br />

4.3.1 Berechnung der Verkehrsbelastung 67<br />

4.3.2 Berechnung der Umweltbelastung . 70<br />

4.4 Umfrage zur Mobilität im Klettgau . 71<br />

4.5 Die formative Szenarioanalyse . 72<br />

4.5.1 Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

4.5.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

4.5.3 Beschreibung der zur Bewertung vorgelegten<br />

Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

5 Resultate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

5.1 Gesamtes Verkehrsaufkommen im Klettgau . 76<br />

5.1.1 Gesamte Verkehrsbelastung . . . . . . . . . 76<br />

5.1.2 Gesamte Umweltbelastung durch Verkehr im<br />

Klettgau. . . . . . . . . . 76<br />

5.2 Einzelne Verkehrszwecke 79<br />

5.2.1 Pendelverkehr 79<br />

5.2.2 Einkaufsverkehr . . . . . . 79<br />

5.2.3 Freizeitverkehr . . . . . . 81<br />

5.2.4 Image des öffentlichen Verkehrs . 84<br />

5.3 Bewertung der Szenarien .... 86<br />

5.3.1 Auswirkungen der szenarischen Rahmenbedingungen<br />

auf den IST-Zust<strong>and</strong><br />

(vgl. Tab. 5.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86<br />

5.3.2 Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />

unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />

. . . . . . . . . . . . . . 87<br />

5.4 Massnahmen - Wege zu einer umweltverträglicheren<br />

Mobilität . . . . . . . . 90<br />

6 Veranstaltung: Mobilitätskarawane im Zuge des<br />

sanften Verkehrs . . . . . 92<br />

6.1 Intention......... 92<br />

6.1.1 Nachhaltigkeitsmarketing 92<br />

6.2 Konzept und Ablauf . . . 93<br />

6.3 Bewertung der Veranstaltung 94<br />

7 Ausblick. . . . . . . . . . . 95<br />

Auf dem Weg zu einer integrierten<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung - das Beispiel Klettgau ..... 97<br />

1.1<br />

1.2<br />

2<br />

2.1<br />

2.1.1<br />

2.1.2<br />

2.1.3<br />

2.1.4<br />

2.2<br />

2.2.1<br />

2.2.2<br />

2.2.3<br />

2.2.4<br />

2.2.5<br />

Vom L<strong>and</strong>schaftsschutz zur L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

..<br />

Die Grenzen des L<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />

Wege zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

im Klettgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

L<strong>and</strong>schaft im Klettgau - Entwicklungsfaktoren,<br />

Nutzungsdynamik und Gestaltungsstrategien<br />

Natürliche und kulturgeschichtliche<br />

Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . .<br />

Geomorphologie und Klima . . . . . .<br />

Nutzungsgeschichte und gegenwärtige<br />

L<strong>and</strong>nutzung . . . . . . . . . . ..<br />

Fauna und Flora .<br />

Der Klettgau im regionalen Kontext . .<br />

Wieviel Raum hat die Natur im Klettgau?<br />

Exemplarische Aufnahme naturnaher Flächen.<br />

Leitfragen . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Vorgehen .<br />

Ergebnisse: Rebberge und Talebene als<br />

ökologische Schwachstellen . . . .<br />

Methodenkritik . . . . . . . . . . .<br />

Naturnahe Flächen und zukünftige<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau .<br />

99<br />

99<br />

99<br />

.102<br />

.102<br />

· 102<br />

.103<br />

.104<br />

.107<br />

.107<br />

· 107<br />

.107<br />

.107<br />

· 109<br />

· 110<br />

2 UNS-Fallstudie '98


Inhaltsverzeichnis<br />

2.3<br />

2.3.1<br />

2.3.2<br />

2.3.3<br />

2.3.4<br />

2.3.5<br />

2.3.6<br />

2.4<br />

2.5<br />

2.5.1<br />

2.5.2<br />

2.5.3<br />

2.6<br />

2.6.1<br />

2.6.2<br />

2.6.3<br />

2.7<br />

3<br />

3.1<br />

3.2<br />

3.3<br />

3.3.1<br />

3.3.2<br />

3.4<br />

3.5<br />

3.5.1<br />

3.5.2<br />

3.6<br />

3.6.1<br />

3.6.2<br />

3.7<br />

4<br />

4.1<br />

4.2<br />

4.3<br />

4.4<br />

5<br />

5.1<br />

5.2<br />

5.3<br />

6<br />

6.1<br />

6.2<br />

6.3<br />

Aufnahme der l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Erlebnisqualität .<br />

Leitfragen ... . . . . . . . .<br />

Allgemeines Vorgehen<br />

Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft durch<br />

Studierende . . . . . . . . .. ..<br />

Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft durch<br />

Klettgauerinnen und Klettgauer . . .<br />

Methodenkritik .<br />

L<strong>and</strong>schaftliche Erlebnisqualität und zukünftige<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung . . . . . . . . . . . . . .<br />

Der Zusammenhang zwischen Erlebnisqualität<br />

und ökologischem Wert der L<strong>and</strong>schaft<br />

Druck auf die L<strong>and</strong>schaft<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft . . . . . . .<br />

Siedlungsgebiete .....<br />

Verkehrswege und Verkehr<br />

Aktuelle Antwortstrategien:<br />

Chancen und Grenzen ..<br />

Ökologische Aufwertungsmassnahmen in der<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft . . . . . . . . . .. ... ..<br />

Das Naturschutzkonzept und der Richtplan des<br />

Kantons Schaffhausen . . . . . . . . . . .<br />

Erste Erfolge des ökologischen Ausgleichs<br />

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . .<br />

Ein partizipatives Bewertungsinstrument für<br />

konkrete Massnahmen zur nachhaltigen<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung . . .. ..<br />

Einführung . . . . . . . . .. .<br />

Die Idee der multikriteriellen Entscheidungsfindung<br />

.<br />

Kriterien für die Bewertung l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />

Massnahmen. . . . . . . .<br />

Anforderungen an die Kriterien . . . . .<br />

Auswahl der Kriterien . . . . . . . . . .<br />

Massnahmen zur Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />

Entwickeln eines möglichen Sollzust<strong>and</strong>s .<br />

Vorgehen .<br />

Ergebnis und Diskussion. . . . . . .<br />

Bewertung der Massnahmen -<br />

Die Bewertungsmethode im Praxistest<br />

Vorgehen . .<br />

Ergebnisse und Diskussion .<br />

Zusammenfassung der Bewertungsergebnisse<br />

Ein reoionales Kontaktnetz zur grenzüberschrei~enden<br />

Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />

Projekte im Klettgau .<br />

Die Notwendigkeit von Koordination .<br />

Aufbau des Kontaktnetzes . . . . . . . . .<br />

Der Grundlagenordner - Arbeitsmittel für<br />

naturraumrelevante Projekte im Klettgau<br />

Umsetzung .<br />

Zusammenfassung und Ausblick:<br />

Schritte zu einer integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

im Klettgau .<br />

Zusammenfassung der Ergebnisse .<br />

Optionen für eine integrierte L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />

im Klettgau .<br />

Ausblick<br />

Anhang .<br />

literatur . . ..<br />

Karten der beiden L<strong>and</strong>schaftstranssekte<br />

Rechtsgrundlagen in der Schweiz für<br />

Ökobeiträge des Bundes .....<br />

111<br />

111<br />

111<br />

112<br />

113<br />

114<br />

115<br />

115<br />

116<br />

116<br />

116<br />

117<br />

117<br />

117<br />

118<br />

118<br />

119<br />

119<br />

119<br />

120<br />

120<br />

120<br />

120<br />

121<br />

124<br />

124<br />

124<br />

129<br />

130<br />

131<br />

133<br />

134<br />

134<br />

134<br />

135<br />

135<br />

136<br />

136<br />

136<br />

137<br />

137<br />

137<br />

139<br />

141<br />

Multikriterien-Verfahren zu Nutzungsalternativen<br />

ehemaliger Kiesabbaugebiete . . . . . . . . . . 143<br />

1<br />

1.1<br />

1.2<br />

2<br />

2.1<br />

2.2<br />

2.3<br />

2.3.1<br />

2.3.2<br />

2.4<br />

2.4.1<br />

2.4.2<br />

2.4.3<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

Bedeutung des Kiesbbaus für die <strong>Region</strong> Klettgau 145<br />

· 145<br />

· 146<br />

· 147<br />

148<br />

· 149<br />

Aufgabe .<br />

Material und Methoden . . . . . . . .<br />

Vorgehen .<br />

Bestimmung der Nutzungsalternativen<br />

Die regionale Bewertung. . . . . . . .<br />

<strong>Region</strong>ales Entwicklungsleitbild bezüglich der<br />

nachhaltigen Nutzung der Kiesgruben im<br />

Klettgau .<br />

Paarweiser Vergleich .<br />

Die lokale Bewertung<br />

Fallbeispiel Bäumliacker<br />

Outranking für die lokale Bewertung<br />

Nutzwertanalyse für die lokale Bewertung<br />

Resultate des Fallbeispiels Bäumliacker<br />

Diskussion . . . . . . . . . . . . . . ..<br />

Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />

Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />

Prägung im Einzugsgebiet grosser<br />

Agglomerationen . . . . . . . . . . . . . .<br />

1.1<br />

1.1.1<br />

1.1.2<br />

1.1.3<br />

1.1.4<br />

1.2<br />

1.2.1<br />

2<br />

2.1<br />

2.2<br />

2.3<br />

2.4<br />

2.5<br />

2.6<br />

2.7<br />

3<br />

3.1<br />

3.2<br />

Der Klettgau: L<strong>and</strong>schaft am R<strong>and</strong>? -<br />

Die Ausgangslage .<br />

Wie alles kam - Historische Entwicklung der<br />

Wirtschaftszweige im Klettgau . . . . . . . .<br />

Die Erfindung der L<strong>and</strong>wit'tschaft -<br />

Von der Dreifelderwirtschaft zum modernen<br />

Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . .<br />

Original Klettgauer Wertarbeit - H<strong>and</strong>werk und<br />

Gewerbe im W<strong>and</strong>el der Zeit . .<br />

Vom Hanfhemd zum Kugellager<br />

Industrie im Klettgau .....<br />

Das Entstehen von Dienstleistungsbetrieben<br />

im Klettgau .<br />

Im Sog von Zürich und Schaffhausen ­<br />

Einblick in die aktuelle Lage der <strong>Region</strong><br />

Strukturdaten .. .<br />

Viele Einflüsse auf viele Akteure ­<br />

Ökonomisches H<strong>and</strong>eln im Klettgau und<br />

Zieldefinition für die Synthesearbeit .<br />

Abhängigkeit von Brüssel und Bern -<br />

die L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau . . .<br />

Biorebbau und Integrierte Produktion ­<br />

Reb- und Weinbau im Klettgau ....<br />

Im Wirbel der Globalisierung ­<br />

Produzierendes Gewerbe im Klettgau .<br />

Nur langsamer Strukturw<strong>and</strong>el -<br />

Der Tertiärsektor im Klettgau ...<br />

Vielen Ansprüchen ausgesetzt ­<br />

Situation der Banken . . . . . . .<br />

Vision «Nachhaltiger Klettgaw>:<br />

Fragestellung und Ziel der Synthesearbeit .<br />

Vorgehen in drei Phasen -<br />

die Projektarchitektur ...<br />

Viele Wege in die Zukunft -<br />

Die formative Szenarioanalyse<br />

Ganzheitliches Verständnis ­<br />

Aufgaben und Ziele der Methode .<br />

Stoff- und Finanzflüsse -<br />

Die <strong>Region</strong>alökonomie aus einer systemischen<br />

Sicht . .<br />

· 150<br />

· 150<br />

· 150<br />

· 150<br />

· 151<br />

· 152<br />

· 155<br />

· 156<br />

· 158<br />

.. 161<br />

· 163<br />

· 163<br />

· 163<br />

· 167<br />

· 169<br />

· 171<br />

171<br />

173<br />

· 174<br />

· 174<br />

· 174<br />

· 175<br />

· 176<br />

· 176<br />

· 178<br />

· 178<br />

· 179<br />

· 179<br />

.. 180<br />

UNS-Fallstudie '98 3


Inhaltsverzeichnis<br />

_<br />

3.3 Verflechtungen zum Umfeld -<br />

Die relevanten Einflussfaktoren und ihre<br />

Beziehungen. . . . . . . . ...<br />

3.4 Wirkungen auf Umwegen ­<br />

Analyse indirekter Beziehungen.<br />

3.5 VVas bringt die Zukunft? -<br />

Bestimmung möglicher Entwicklungen für<br />

die Einflussfaktoren . . . . . . .<br />

3.6 Verträglichkeit und Spannung ­<br />

Konsistenzanalyse . . . . . . .<br />

3.7 Eine Fülle von Möglichkeiten ­<br />

Berechnung von Szenarien ..<br />

3.8 Den Kurs bestimmen -<br />

Auswahl von Szenarien und Aggregation<br />

zu Stossrichtungen .... ...<br />

3.9 Zukunftsfähig oder kurzsichtig? -<br />

Die Nachhaltigkeitsbewertung<br />

3.10 Leitstern für die Zukunft -<br />

Nachhaltiger Klettgau .....<br />

Anhang 3.1: Leitfaden für die Expertengespräche zur<br />

Erarbeitung der Einflussfaktoren und deren gegenseitige<br />

Beeinflussung . . . . . . . .<br />

4 Einsichten und Aussichten ­<br />

Kritik und Schlussfolgerungen<br />

4.1 Ein Gefährlicher Hochseilakt ­<br />

Kritik am Vorgehen . . . . . .<br />

4.2 Neue Antworten, neue Fragen ­<br />

Bezug zur Fragestellung<br />

4.3 Schlussfolgerungen.... ...<br />

182<br />

186<br />

187<br />

190<br />

191<br />

192<br />

193<br />

203<br />

205<br />

206<br />

206<br />

206<br />

209<br />

3.1<br />

3.2<br />

3.3<br />

Index<br />

Die Zukunftswerkstatt - Eine prozessorientierte<br />

Methode der Prozessanalyse .<br />

Multikriterielle Bewertung von Massnahmen<br />

auf den Ebenen Haus, Siedlung und <strong>Region</strong><br />

hinsichtlich Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit<br />

.<br />

Sechs Propositionen zur Siedlungsentwicklung<br />

im Klettgau<br />

Studierende der einzelnen Synthesegruppen<br />

Tutorinnen der einzelnen Synthesegruppen .<br />

.. 231<br />

.233<br />

.234<br />

.239<br />

.243<br />

.244<br />

Ökonomische, ökologische und soziale<br />

Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im<br />

Klettgau . . . . . . . . . . . . . . . 21 3<br />

1 Einleitung und Ausgangslage 215<br />

2 Ausgangslage .. . . . . . . 216<br />

2.1 Begriffe............ 216<br />

2.2 Angaben zur L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau 216<br />

3 Auswahl und Analyse der betrachteten<br />

Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 7<br />

3.1 Untersuchungsobjekte und Modellannahmen 217<br />

3.2 Ökonomische Vergleiche von 1 ha Reben im<br />

Modellbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 7<br />

3.3 Ökologische Vergleiche der Modellvarianten<br />

mit der Ökobilanz . . . . . . . . . . 218<br />

4 Qualitative Ökologische Bewertung 220<br />

5 Experteninterviews 221<br />

6 Problemfelder . . . . . . . . . . . . 223<br />

7 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . 223<br />

7.1 Stossrichtung «Interspezifische Sorten» 223<br />

7.2 Stossrichtung «Vermarktungswege und<br />

-formen» . . . . . . . . . . 224<br />

7.3 Stossrichtung


Vorwort<br />

HubertRoth<br />

Hans Gächter<br />

Gemeindepräsident<br />

Trasadingen<br />

Die Medien vermitteln uns laufend Informationen über Zusammenschlüsse<br />

von global tätigen Wirtschaftsunternehmen.<br />

Unrentable Firmen bzw. Betriebszweige werden kurzerh<strong>and</strong><br />

geschlossen und die Arbeitsplätze in Billigländer<br />

verlegt. Die Verwurzelung der Betriebe in der <strong>Region</strong> und<br />

die Identifikation der Mitarbeiter mit den Firmen sind in der<br />

international vernetzten Wirtschaft nicht mehr gefragt.<br />

Auch die <strong>Region</strong> Schaffhausen hat in den letzten Jahren<br />

einige Tausend Arbeitsplätze verloren. Erstaunlich ist dabei,<br />

dass die Bevölkerung nur unwesentlich zurückgegangen ist.<br />

Weitere Arbeitswege werden in Kauf genommen um die<br />

Kinder und Familien nicht aus der vertrauten Umgebung<br />

herauszureissen. Der Mobilitätsdruck der Pendler wird<br />

durch die besondere Lage ohne Direktanschluss Richtung<br />

Zürich noch grösser.<br />

Die Fallstudie <strong>ETH</strong> UNS zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten<br />

aus wirtschaftlicher und naturwissenschaftlicher Betrachtungsweise<br />

auf. In verschiedenen Bereichen wie Zulieferer,<br />

Dienstleistungssektor oder L<strong>and</strong>wirtschaft können<br />

unsere Betriebe ihre innovative Eigenständigkeit bewahren<br />

bzw. die Produktion noch etwas steigern.<br />

Nicht vergessen werden darf der Einbezug der Natur und<br />

L<strong>and</strong>schaft unter Mitberücksichtigung der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Die Vielfalt, die Produkte und die Stärken der grenzüberschreitenden<br />

<strong>Region</strong> Klettgau sollten künftig unter einer<br />

gemeinsamen Strategie vermarktet werden.<br />

Die Studierenden haben für die Politiker, Behörden und<br />

Wirtschaft wertvolle Erkenntnisse erarbeitet und aufgezeigt.<br />

Die Umsetzung der Studie durch die Ämter, Wirtschaft oder<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft wird erfahrungsgemäss erst in ein paar Jahren<br />

Wirkung zeigen. Vielseitige Pioniere sind gefordert um<br />

die neuen Methoden wirkungsorientiert umzusetzen. Als<br />

einzigartig kann die Zusammenarbeit der Studierenden der<br />

<strong>ETH</strong> Zürich mit der Bevölkerung, Ämtern und Behörden<br />

bezeichnet werden. Sie haben direkt vor Ort die Besonderheiten,<br />

Eigenheiten und die Bewohner kennengelernt. Mit<br />

dem praxisbezogenen Studium und den Stammtischgesprächen<br />

mitder Bevölkerung tragen sie zum besseren Verständnis<br />

und zur Öffnung der Hochschulen bei.<br />

Die grenzüberschreitende, überschaubare <strong>Region</strong> hat<br />

auch als kleine Einheit in der modemen Welt eine Zukunft.<br />

Gemeinsam nützen wir die in der Studie aufgezeigten Chancen<br />

der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />

Bürgermeister der Gemeinde<br />

Klettgau/D, Vorsitzender des<br />

Zweckverb<strong>and</strong>es «Klettgauwasserversorgung»<br />

Mehr als je zuvor sieht sich die Politik bei der Konzipierung<br />

und Durchführung politischer Massnahmen und wirtschaftspolitischer<br />

Zielsetzungen mit der Herausforderung<br />

konfrontiert, nicht nur den wirtschaftspolitischen und sozialen<br />

Erwartungen der Menschen gerecht zu werden, sondern<br />

gleichzeitig die dafür nötigen ökonomischen und sozialen<br />

Aktivitäten so schonend einzusetzen, dass ihre Auswirkungen<br />

auf die Umwelt auch einer verantwortbaren globalen<br />

ökologischen Betrachtung st<strong>and</strong>halten können. Das gilt natürlich<br />

auch und vor allem für die Kommunalpolitik, denn<br />

gerade dort wird von uns Menschen die Bedeutung der<br />

natürlichen Umwelt für unser Wohlergehen täglich erlebt,<br />

gerade dort spüren wir, dass im Rahmen der Umweltproblematik<br />

die globalen Aspekte, die Beziehungen von zwischenmenschlicher<br />

Aktivität und Klima, von weit grösserer Bedeutung<br />

sind, als die durchaus auch wichtigen lokalen Probleme.<br />

Trotz allem fällt es aber in der Praxis nicht selten schwer,<br />

das richtige Mass für den Ausgleich von Ökonomie und<br />

Ökologie zu finden. Das verwundert einigermassen, wo es<br />

doch ein elementares Bedürfnis von uns Menschen gibt, das<br />

unser Verhältnis zur Natur reguliert: unser Interesse am<br />

Wohnen. Wir müssen die Natur nicht nur bearbeiten, um zu<br />

existieren, wir müssen auch in ihr wohnen können. Deshalb<br />

kann man das Leitbild des Wohnens durchaus unter dem<br />

Begriffder «Heimat» sehen, denn wie wäre der Zusammenhang<br />

natürlicherentspannter sozialer Beziehungen besser zu<br />

bezeichnen, die mitein<strong>and</strong>er ein Gleichgewicht darstellen,<br />

das uns Menschen zur Ruhe kommen lässt, weil es uns trägt.<br />

«Heimat» ist deshalb in diesem Sinne für mich kein<br />

Traum vom verlorenen Kinderl<strong>and</strong>, sondern gestaltete Natur,<br />

in der ich mich wohlfühle und in der ich gerne lebe. Und<br />

wer seine Umwelt bewohnbar halten will, kann sie auch<br />

nicht zerstören wollen. Im Gegenteil. In dem wir uns als Teil<br />

der Natur verstehen, ordnen wir uns in die von uns beeinflussten<br />

Kulturl<strong>and</strong>schaften ein, ohne die Beziehung zur<br />

Natur, zu ihren Gesetzen und zu ihrem Rhythmus zu verlieren.<br />

Jeder technische Fortschritt bringt zwangsläufig Nachteile<br />

und Probleme mit sich. Doch schlimm wird es im Grunde<br />

genommen erst dann, wenn wir diese Nachteile als etwas<br />

Unabwendbares hinnehmen, sie als den notwendigen Preis<br />

des Lebensst<strong>and</strong>ards im industriellen Zeitalter bezeichnen,<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

5


Vorwort<br />

statt den Ausgleich zu suchen. Längst geht es heute nicht<br />

mehr um die Beherrschung der Erde, sondern es geht letztlich<br />

um das rechte Mass, um das ausgewogene Verhältnis<br />

zwischen den Ansprüchen der Menschen und den Ansprüchen<br />

der Natur in der Einsicht, dass die Zerstörung der Natur<br />

die Zerstörung der Menschen bedeutet. Derartigen Ängsten<br />

steht die Furcht gegenüber, dass unsere Wirtschaft in der<br />

internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten könnte,<br />

wenn ihr die entsprechenden Ressourcen nicht zur Verfügung<br />

stehen. In Abwägung der menschlichen Möglichkeiten<br />

bleibt uns in diesem Dilemma letztendlich nur «die universale<br />

Moral der goldenen Regel» übrig: Was ihr wollt, das<br />

euch die Leute tun, das tuet ihnen auch! Das ist wohl die<br />

Grundbedingung, unter der wir eine ausgewogene sozialökologische<br />

Politik verstehen müssen. Und da Politik ja die<br />

«planvolle» Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens<br />

der Menschen bedeutet, ist es ihr grundlegender<br />

Auftrag, nach den entsprechenden versöhnenden globalen<br />

Lösungen zu suchen. Der Philosoph und Physiker Carl<br />

Friedrich von Weizsäcker bringt dies in seinem Buch «Der<br />

Garten des Menschlichen» auf den Punkt, indem er schreibt:<br />

«Dem Planen zugänglich und darum Pflicht ist das Suchen<br />

und Betreten von Wegen ... »<br />

Die <strong>ETH</strong> Zürich hat sich mit ihrer Fallstudie an dieser<br />

Wegsuche in konstruktiver Weise beteiligt und damit einen<br />

wichtigen wissenschaftlich-analytischen Beitrag zur Erforschung<br />

unserer Lebens- und Entwicklungsgrundlagen in der<br />

<strong>Region</strong> Klettgau geleistet. Es liegt nun an der Politik und an<br />

der Wirtschaft, sich den vielfältigen Gedanken nicht zu<br />

verschliessen, sondern ihnen für den Abwägungsprozess der<br />

politischen Ausgleichsmöglichkeiten den Zutritt zu gestatten.<br />

Norbert W. !!..a,~"c:a,<br />

ing.<br />

Baudirektor, leiter der Bauleilauchringen<br />

des Autobahnbeitri~'bsa""tes<br />

SingenI Ministerium<br />

für Umwelt und Ver­<br />

Baden-Wiirttemberg<br />

Der Bericht zur <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 liegt vor. Ihr<br />

Thema «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung»<br />

ist Frage und Antwort zugleich.<br />

Die Entwicklung in einer Raumschaft, der Umbruch in<br />

einer <strong>Region</strong> ist gegen das Verständnis der (heutigen) Bevölkerung<br />

nicht zu beeinflussen. Die Bevölkerung vollzieht ja<br />

selbst den Umbruch. Sicherlich ist die Bevölkerungsentwicklung,<br />

ist das Arbeitsplatzangebot nachhaltig zum Beispiel<br />

für den betrachteten Teilaspekt Mobilität in der <strong>Region</strong>,<br />

hüben wie drüben. Und dennoch sind Unterschiede in<br />

beiden Ländern vorh<strong>and</strong>en. Diese zu erkennen, auszuwerten<br />

und zu deuten war Aufgabe der Studentinnen und Studenten,<br />

das Herausarbeiten der zu Anfang der Besiedelungsgeschichte<br />

sicherlich ähnlichen Verhältnisse in der <strong>Region</strong> des<br />

Schweizerischen und des deutschen Klettgaus und ihre heutigen<br />

deutlichen Unterschiedlichkeiten, u.a. geprägt durch<br />

unterschiedliche politische R<strong>and</strong>- und Rahmenbedingungen<br />

mit all ihren Auswirkungen, war Aufgabe der Fallstudie 98<br />

gewesen. Und was hat damit bitteschön ein Baumensch am<br />

Hut? Er wirkt, weil von Hause aus mit regionalplanerischen<br />

Aufgaben am Hochrhein betraut, beratend mit, er liest die zu<br />

Papier gebrachten Erkenntnisse und Gedanken, regt an und<br />

wird selbst zu neuem Denken inspiriert.<br />

Mit dem Begriff «Studie» der <strong>ETH</strong> verbindet der Leser<br />

den Anspruch aufWissenschaftlichkeit. Die Fallstudie sucht<br />

hier ihren eigenen Weg. Einerseits zeigt sie, dass die Bedürfnisse<br />

und Erfordernisse der Bevölkerung und der <strong>Region</strong><br />

sowie das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie wissenschaftlich<br />

erarbeitet werden können. Zum <strong>and</strong>eren macht sie<br />

deutlich, dass die innere Einstellung, d.h. das Verhältnis der<br />

Bevölkerung zu ihrer L<strong>and</strong>schaft bzw. zu ihrer <strong>Region</strong> nur<br />

bedingt wissenschaftlich nachweisbar und darstellbar ist.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dieser Studie<br />

erlernen quasi by doing auch die Darstellung wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse das selbstkritische Überdenken des eigenen<br />

Ergebnisses. Die Studierenden erleben Methodik,<br />

Didaktik, Kreativität und für mich noch wichtiger das Verkaufen<br />

(Darstellen) ihrer Ideen in einem ungeahnt frühen<br />

Stadium ihres Studiums. Hier wird fast bis zur Perfektion<br />

geübt, was in <strong>and</strong>eren Ausbildungsgängen oftmals völlig<br />

fehlt.<br />

Die Teilnehmer an der Studie geben Denkanstösse und<br />

eröffnen auch neue Aspekte (Aspekt lat.: das Hinsehen). Der<br />

Präsident des L<strong>and</strong>esamtes für Strassenwesen Baden-Württemberg<br />

spricht geme von der «Methode des genauen Hinsehens»,<br />

wenn es darum geht, wie ein Erkenntnisst<strong>and</strong> oft<br />

schneller und auch billiger gewonnen werden kann. Die<br />

Teilnehmer an der Studie stellen in Frage und hinterfragen;<br />

die «alten» Thesen und Erkenntnisse werden nicht einfach<br />

so übernommen. Fortschritt im eigenen Leben, Fortschritt in<br />

der Wissenschaft entwickelt sich nur durch fragen und zweifeln.<br />

So ist es nur logisch, dass nicht das Ergebnis der Studie,<br />

sondern der Weg dorthin das Ziel der Arbeit ist, das Fokussieren<br />

der Einzelbest<strong>and</strong>teile eines Systems, das Zusammentragen<br />

der Daten, deren Auswertung und die Bewertung<br />

des erarbeiteten Materials.<br />

Es stellt sich die Frage, wie und wann die Erkenntnisse der<br />

Fallstudie '98 vom Leser und von den Betroffenen gesehen,<br />

für sich selbst positiv bewertet oder gar umgesetzt werden.<br />

In diesem Sinne wünsche ich dem Fallstudienbüro und<br />

unserer gemeinsamen Regio noch viele solche Studien,<br />

denn es liegt noch ein weiter Weg vor uns.<br />

6 UNS-Fallstudie '98


Vorwort<br />

Raumplanung ist auch grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit<br />

Gemeinsames Lernen ­<br />

Grenzüberschreitend<br />

Wemer Mett/er<br />

Dienststellen/eiter<br />

Planungs- und Naturschutzamt<br />

des Kantons Schaffhausen<br />

Raumplanung endet nicht an der Grenze, insbesondere,<br />

wenn diese zwischen dem Kanton Schaffhausen und<br />

Deutschl<strong>and</strong> 181.5 Kilometer lang ist. Grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit ist deshalb nicht nur eine formelle<br />

Pflicht, sondern gelebter Alltag. Die Deutsch-Schweizerische<br />

Raumordnungskommission (D-CH-ROK) fördert seit<br />

25 Jahren, auf Grund eines Staatsvertrages, diese Zusammenarbeit.<br />

Die «Empfehlungen zu Grundwasserschutz und<br />

Raumordnung» vom 7. Februar 1992 gaben die Idee zum<br />

INTERREG-II-Projekt «Entwicklungskonzeption Klettgaurinne»,<br />

in das die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 eingebettet<br />

werden konnte.<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong><br />

Klettgau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung» hat sich auch<br />

die Raumplanung zum Thema gemacht. Der kantonale<br />

Richtplan wurde während der Fallstudie einer umfassenden<br />

Revision unterzogen. Dies war eine günstige Gelegenheit<br />

für alle Beteiligten: Einerseits konnten die Studierenden die<br />

aktuellen Unterlagen für ihre Zwecke nutzten sowie einen<br />

Einblick in die Raumplanung nehmen und <strong>and</strong>ererseits erhielt<br />

der Kanton Ideen, Anregungen und Kritik. Die Mitarbeit<br />

an der werdenden Richtplanung hatte nicht nur Übungscharakter,<br />

sondern wurde in der «Richtplan-Werkstatt» an<br />

einem konkreten Beispiel vollzogen.<br />

Raumplanung ist voraussehender Umweltschutz. Diese<br />

These in die Praxis umzusetzen war auch ein Teil der Fallstudienaufgabe.<br />

Trotz langjähriger grenzüberschreitender<br />

Zusammenarbeit ist offensichtlich geworden, dass sich die<br />

gemeinsamen Probleme in der <strong>Region</strong> Klettgau nicht sofort<br />

lösen lassen. Dazu sind langwierige Verfahren und mitein<strong>and</strong>er<br />

getragene Massnahmen einzuleiten. Dieser Einblick<br />

in die Abläufe der Raumplanung hat bei den Studierenden<br />

auch dazu beigetragen, dass die hochgesetzten Erwartungen,<br />

bereits während der Projektphase etwas im Raume<br />

Klettgau verbessern oder verändern zu können, auf ein<br />

realistisches Mass reduziert wurden. Es bleibt zu hoffen,<br />

dass die Fallstudie auch einen Beitrag bei der Klettgauer<br />

Bevölkerung an die Erkenntnis geleistet hat, dass sich der<br />

Einsatz für eine nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung lohnen<br />

kann.<br />

Roger Biedermann<br />

Kantonschemiker,<br />

Kantonales Laboratorium<br />

Schaffhausen<br />

Schon den zweiten Sommer hat uns die UNS-Fallstudie im<br />

Klettgau heimgesucht. Eine gewollte Begegnung von gest<strong>and</strong>enen<br />

Wissenschaftern und lernenden Studenten mit der<br />

Bevölkerung der L<strong>and</strong>schaft Klettgau. Es war wiederum<br />

eindrücklich zu sehen, wie die Fallstudienleute in die Problematik<br />

eingestiegen sind und dabei konkret lernen konnten,<br />

welche Wege zu Lösungen führen. In eine Unordnung<br />

von vielen Fakten ist im Sommer 1998 sukzessiv Struktur<br />

hineingebracht worden; die Resultate können sich sehen<br />

lassen. An diesem Lernprozess waren auch die Bewohner<br />

des Klettgaus beteiligt, der Prozess "mutual leaming" wie<br />

neudeutsch "gemeinsames Lernen" heisst, ist fortgeführt<br />

worden. Profitieren können die Studenten: ist doch eine<br />

semesterlange Fallstudie mit ihrem durch die kurze Zeit<br />

bedingten Stressschub eine ideale Lehrveranstaltung um<br />

den elfenbeinernen Turm, den eine Hochschule immer noch<br />

in einem gewissen Masse verkörpert, zu verlassen. Profitieren<br />

wird auch die Bevölkerung der <strong>Region</strong>: Ideen, Fragen,<br />

Anstösse sind aufgefangen worden und können als Basis für<br />

die weitere Entwicklung dienen. Eine Entwicklung, die<br />

zukünftig nachhaltig sein soll, ein Weg, der auch von den<br />

Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong> aufgezeigt worden ist<br />

und den wir in der <strong>Region</strong> grenzüberschreitend gehen wollen.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

7


Vorwort<br />

Vom gemeinsamen Verständnis<br />

Lernen zur wissenschaftlichen<br />

Analyse<br />

Prof. Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />

Verantwortlicher Hochschullehrer<br />

für die UNS-fallstudie<br />

Die vorliegende <strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie mit dem Thema<br />

«Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung in der <strong>Region</strong> Klettgau»<br />

beh<strong>and</strong>elt ein komplexes, offenes Thema, bei dem Umweltaspekte<br />

zentral sind. Diese Aussage kann zugleich als ein<br />

Hauptergebnis des in diesem B<strong>and</strong> vorliegenden Berichtes<br />

angesehen werden. Die Studie kommt zu dem eindeutigen<br />

Schluss, dass die hohe Umweltqualität der Klettgaurinne ein<br />

wichtiges Kapital der grenzübergreifenden <strong>Region</strong> Klettgau<br />

darstellt. Mit diesem Kapital ist weiterhin sorgsam umzugehen.<br />

Siedlungs-, Mobilitäts- und Wirtschaftsentwicklung<br />

sind nicht unabhängig von oder vorrangig vor sondern parallel<br />

mit Natur-, L<strong>and</strong>schafts- und Ressourcenoptimierung<br />

zu planen. Dabei gilt es jedoch, die langfristigen Dynamiken<br />

im Bereich Flächenverbrauch und Flächenqualität richtig<br />

einzuschätzen und die geeigneten Massnahmen zur langfristigen<br />

Erhaltung dieser Qualitäten bereits heute zu ergreifen.<br />

Der vorliegende Bericht liefert dazu Analysen und Orientierungen.<br />

Für das Gelingen der vorliegenden Studie waren drei<br />

Dinge wesentlich:<br />

Zum ersten konnten die Studierenden und Dozierenden<br />

sowie das mit Entscheidungsträgem aus der <strong>Region</strong> besetzte<br />

Kuratorium mit der <strong>Region</strong> in einen wechselseitigen Lernprozess<br />

treten.<br />

An der Fallstudie waren neben 72 Studierenden und 22<br />

wissenschaftlichen Tutorierenden rund 200 Personen aus<br />

dem deutschen und dem Schweizerischen Klettgau aktiv<br />

einbezogen. Bewährt haben sich dabei Begleitgruppen aus<br />

der <strong>Region</strong>, die sowohl in der Gesamtplanung als auch im<br />

Austausch mit den vier Projektgruppen (den sogenannten<br />

Synthesegruppen) der Fallstudie schon bei der Problem- und<br />

Zieldefinition beteiligt waren. Wie auch im Vorjahr f<strong>and</strong><br />

eine kontinuierliche und enge Abstimmung mit dem EU-Interreg<br />

II Programm «Entwicklun~~konzeption Klettgaurinne»<br />

statt. Die Fallstudie und ihre Uberlegungen konnten so<br />

in viele lokale und regionale Projekte, wie z.B. die kantonale<br />

Richtplanung im Kanton Schaffhausen, einbezogen werden<br />

und umgekehrt. Besonders erfreulich ist, dass sich - durch<br />

die Fallstudien stimuliert- einige grenzübergreifende Initiativen<br />

in der <strong>Region</strong> bildeten. Das Ziel, einen kooperativen<br />

Prozess von Hochschule und Praxis zu entwickeln, konnte<br />

somit voll erreicht werden.<br />

Zum zweiten konnte im Verlauf der Studie eine Annahme<br />

bestätigt werden, die ihrer Planung zugrunde lag: Auch nach<br />

mehreren hundert Jahren der politischen Trennung macht es<br />

Sinn, die Klettgaurinne als eine <strong>Region</strong> und eine L<strong>and</strong>schaft<br />

in zwei Ländern zu betrachten. Diese Aussage besitzt nicht<br />

nur für den Naturraum sowie den Grundwasser-, L<strong>and</strong>schafts-,<br />

und Naturschutz Gültigkeit, sondern auch für den<br />

Sozial- und Wirtschaftsraum. Die vorliegende Studie sowie<br />

ihre Vorläuferstudie, die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 zum<br />

verantwortungsvollen Umgang mit Boden, sowie die im<br />

Rahmen des Interreg II Programms und in <strong>and</strong>eren grenzübergreifenden<br />

Projekten und Planungen erarbeiteten<br />

Grundlagen ergeben eine gute Basis für ein gemeinsames<br />

Leitbild für den deutschen und den Schweizerischen Klettgau.<br />

Mit einem solchen Leitbild lassen sich d~e Synergien<br />

und die Stärken beider Teile dieser L<strong>and</strong>schaft 1m St<strong>and</strong>ortwettbewerb<br />

weiterhin optimieren.<br />

Zum dritten gelang es auch in diesem Jahr - von einem<br />

gesamthaften Verständnis der <strong>Region</strong> ausgehend - in einem<br />

kooperativen Prozess mit der <strong>Region</strong> nicht nur relevante<br />

Fragestellungen zu entwickeln, sondern diese auch wissenschaftlich<br />

bearbeitbar zu machen. Die in vorlaufenden Jahren<br />

entwickelten Methoden der Fallstudie haben sich insbesondere<br />

in den Bereichen bewährt, in denen sich aus dem<br />

Verständnis des Falls Fragestellungen für eine - soziale<br />

Faktoren integrierende - Umweltsystemanalyse ableiten<br />

liessen.<br />

Ich danke den Studierenden, Mitarbeitern und Kollegen,<br />

aber vor allem den vielen Trägem der Fallstudie aus der<br />

<strong>Region</strong>, die dazu beigetragen haben, das schwierige Themenfeld<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung nicht nur aus interdisziplinärer,<br />

wissenschaftlicher Perspektive anzugehen, sondern das<br />

Wissen aus Hochschule und Praxis in einem transdisziplinären<br />

Prozess zu integrieren. Ich bin überzeugt, dass auf<br />

diesem Wege wichtige Orientierungen für die <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

in der <strong>Region</strong> erarbeitet wurden.<br />

8<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Vorwort<br />

Barrieren <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

und Lernen<br />

überwinden<br />

Christim! Roth<br />

Studentin UNS Fallstudie 1998<br />

Die Fallstudie beh<strong>and</strong>le ein sogenanntes «ill-defined problem»,<br />

wurde uns vor einem Jahr mitgeteilt. Die Situation sei<br />

derart zu verstehen, dass «der Ausgangszust<strong>and</strong> nur vage<br />

beschrieben» werden könne, «das Ziel nicht eindeutig bestimmbar»<br />

sei, und «nicht klar sei, welcherTyp von Barriere<br />

(Problem auf dem Weg zum Ziel) zu überwinden». Wie<br />

dieser Satz, so Iiess auch der Auftrag «Fallstudie» an uns<br />

zunächst einige Fragen offen. Dass sie aber ein Erlebnis mit<br />

aktiver Beteiligung in grösserem Rahmen ist, haben wir am<br />

eigenen Leibe bald erfahren.<br />

Denn welche Fragen genau offen seien, durften wir in<br />

eigener Regie ausloten: Eine <strong>Region</strong>, ihre BewohnerInnen,<br />

ihre internen und externen Verknüpfungen und ihre Eigenheiten<br />

waren im Eiltempo zu erfassen, auf die relevanten<br />

Punkte musste man sich einigen. Insbesondere in einer<br />

Gruppe von individuellen UmweltnaturwissenschafterInnen<br />

mit zum Teil fundamental unterschiedlichen Interessen<br />

und Motivationen, ergibt dies unendlich vielfältige Diskussionsmöglichkeiten.<br />

Wie in jedem Projekt drängte aber auch<br />

in der Fallstudie die Zeit, und so versuchten wir, unser Ziel<br />

zu umreissen. Mit schönen Worten, versteht sich.<br />

Einmal mit dem Ziel fürs Erste im Reinen, konnte man<br />

sich der eigentlichen Studie widmen. Aus Sicht der Studierenden<br />

hat die Fallstudie natürlich ein gewisses naturwissenschaftliches<br />

Lempotential für einen Teil derTeilnehmenden.<br />

Von den «beinahe langjährigen» Vorarbeiten bis zur<br />

Nachbearbeitung und Berichterstattung boten sich uns Studierenden<br />

verschiedene Gelegenheiten neue Konzepte, Methoden<br />

und Arbeitsbereiche kennenzulernen. Gerade in der<br />

Studie selbst hat man Zeit, sich in interessante Gefilde zu<br />

begeben. Vorausgesetzt, man interessiert sich dafür, das<br />

Lernpotential ein wenig auszuschöpfen. In naturwissenschaftlicher<br />

Hinsicht hoffen wir, der <strong>Region</strong> sinnvolle und<br />

brauchbare Produkte zu übergeben.<br />

Sozial gesehen hat die Fallstudie jedoch ein enormes<br />

Potential. In unserem Fall lernten wir eine <strong>Region</strong> kennen,<br />

die viele von uns kaum je gekreuzt hätten. (Wobei uns dann<br />

einige Juwelen zum Beispiel l<strong>and</strong>schaftlicher Art entgangen<br />

wären.) Wir erfuhren von ihrer Wichtigkeit als Glied im<br />

Ökosystem und in der L<strong>and</strong>schaft, von ihrer Funktion in der<br />

Wirtschaft, ihren gesellschaftlichen Aspekten und den Fein-<br />

heiten, auf die es ankommt, wenn man eine Fragestellung<br />

für eine <strong>Region</strong> beantworten möchte. Ausserdem machten<br />

wir die Bekanntschaft ihrer Bewohnerinnen. Dank derengagierten<br />

Beteiligung einiger Kiettgauerlnnen in Gruppentreffen<br />

waren wir einerseits in der Lage, fortlaufend zu überprüfen,<br />

ob unsere Zielsetzung und die Barrieren, die wir zu<br />

überwinden gedachten, tatsächlich eine Verbindung mit<br />

dem Klettgau hatten. Andrerseits wurden dies mit der Zeit<br />

eher freundschaftliche Begegnungen im Restaurant Gemeindehaus<br />

in Wilchingen. Der Höhepunkt der Klettgau­<br />

Erfahrung wurde für einige von uns der Erfahrungstag (ein<br />

Tag, an dem wir in die «Rolle der Kiettgauerlnnen» schlüpfen<br />

und mit unseren Händen arbeiten): In warmer Sommersonne<br />

auf dem Sonnenhof zur Hacke greifen und bei einem<br />

interessanten Schwatz über die Klettgauer L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

durch's Zuckerrübenfeld streifen, das liess uns diese Ecke<br />

Europas sehr ans Herz wachsen.<br />

Das grösste soziale Lempotential hat die Fallstudie aber in<br />

den Gruppen: Die Dynamik solcher Teams, die Möglichkeiten<br />

und Grenzen dieser Arbeitsweise, das Ausein<strong>and</strong>ersetzen<br />

unterein<strong>and</strong>er sehr verschiedener Individuen und<br />

schliesslich das gemeinsame Erreichen eines Ziels war ein<br />

Lernprozess, den keine <strong>and</strong>ere Veranstaltung bieten könnte.<br />

Mindestens dabei konnte man «für's Leben» lernen, dass ein<br />

solches Projekt einem immer das gibt, was man selbst<br />

investiert.<br />

Und auch «für's Leben» haben wir gelernt, dass die Wahrnehmung<br />

der Welt immer vom St<strong>and</strong>punkt abhängt: Beim<br />

Picknick, auch an einem begradigten Bach, sieht man, dass<br />

die Klettgauer L<strong>and</strong>schaft doch wunderschön ist. Welche<br />

Chancen auf den zweiten Blick noch offen stehen, zeigt sich<br />

einem erst, wenn man einen genaueren Augenschein nimmt.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

9


Dank<br />

_<br />

Dank<br />

Ein so umfangreiches Projekt wie die <strong>ETH</strong> UNS-Fallstudie<br />

wäre ohne die Hilfe vieler Leute aus Ämtern, Forschungsinstituten<br />

und der <strong>Region</strong> Klettgau nicht durchführbar gewesen.<br />

Untenstehende Personen haben für die Fallstudie Vorträge<br />

gehalten, Dokumentationsmaterial oder Daten zur<br />

Verfügung gestellt, die Arbeitsgruppen bei Fachfragen tatkräftig<br />

unterstützt oder sind für Interviews Rede und Antwort<br />

gest<strong>and</strong>en. In Begleitgruppen haben sie die Studierenden<br />

durch Ideen und Diskussionen immer wieder auf neue<br />

Wege gebracht.<br />

Die Vielzahl der Kontakte führt dazu, dass es kaum möglich<br />

ist, alle Hilfestellungen zu erfassen. In diesem Sinne<br />

möchten wir uns bei allen entschuldigen, die uns geholfen<br />

haben, aber auf diesen Dankeslisten fehlen. Wir möchten<br />

allen Personen und Institutionen, die zum Gelingen der<br />

Fallstudie 1998 - Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - beigetragen<br />

haben, hier nochmals ganz herzlich für ihren Einsatz<br />

danken.<br />

Sven Akeret<br />

Neunkirch<br />

Martin Albers<br />

Bürgermeister Waldshut-Tiengen<br />

Michael Albrecht<br />

Klettgau-Griessen<br />

Hans Alder<br />

Hallau<br />

Urs H. Amsler<br />

Wirtschaftsförderung Kt. SH Neuhausen<br />

Michael Anders<br />

Twikeclub CH<br />

Fahrrad-Technik Bachmann<br />

Winterthur<br />

Kurt Bächtold<br />

Schaffhausen<br />

Helene Bär-Münger<br />

Hallau<br />

Karl Baumann<br />

Neunkirch<br />

Bechtl & Szilagy<br />

Geisslingen<br />

Bernhard Beringer<br />

Sparkasse Hochrhein, Waldshut-Tiengen<br />

Roger Biedermann<br />

Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />

Herbert Billing<br />

Planungs- und Naturschutzamt Schafffiausen<br />

Wilfried Blum<br />

Elektromobilclub Schweiz ECS<br />

Bruno Bollinger<br />

Klettgau-Weisweil<br />

Familie Deventuras<br />

Neunkirch<br />

Eliane Eiholzer<br />

Neunkirch<br />

Urs Erb<br />

Schreinerei/Holzbau, Neunkirch<br />

Tobias Ermatinger<br />

Schaffhausen<br />

Klemens Ficht<br />

L<strong>and</strong>ratsamt Waldshut-Tiengen<br />

Flückiger BTP AG Ohringen<br />

Seuzach<br />

Forstverwaltung<br />

Jestetten<br />

Hans Gächter<br />

Gemeindepräsident Trasadingen<br />

Martin Gasser<br />

Hallau<br />

Walter Gasser-Bösch<br />

Hallau<br />

Bernhard Gersbacher<br />

Industriepark Gottmadingen<br />

Stephan Gloor<br />

Gemeinde Wilchingen<br />

Lorenz Goette<br />

Institut f. empirische Wirtschaftsforschung der<br />

Universität Zürich Zürich<br />

Edwin Griesser<br />

Twikeclub CH<br />

Hans Grüninger<br />

Redaktion Klettgauer Zeitung, Hallau<br />

Peter Gubler<br />

Twikeclub CH<br />

Sikle Gulenburg<br />

Klettgau<br />

Erich Gysel<br />

Hallau<br />

Heinrich Gysel<br />

Wilchingen<br />

Reiner Gysel<br />

Wilchingen<br />

Paul Gysel<br />

Spar- und Leihkasse Wilchingen<br />

Ruedi Hablützel<br />

Ernst Hablützel & Co., Wilchingen<br />

Andreas Haeseli<br />

Forschungsinst. f. biologischen L<strong>and</strong>bau, Frick<br />

Peter Hagmann<br />

Twikeclub CH<br />

Hedwig Hauser<br />

Trasadingen<br />

Robert Hauser<br />

Beringen<br />

RolfHauser<br />

Präsident Gewerbeverein Klettgau, Neunkirch<br />

Alex<strong>and</strong>er Henz<br />

Professor für Architektur <strong>ETH</strong> Zürich<br />

Wendelin Hinder<br />

Forst- und Wasserreferent Gemeinderat Wilchingen<br />

Johannes Hörler<br />

Tiefbauamt Kanton Schaffhausen<br />

Regula Holenstein<br />

Wilchingen<br />

10<br />

UNS-Fallstudie '98


___________________________________________ Dank<br />

Thomas Holenstein<br />

Generis AG, Neuhausen a. Rheinfall<br />

Vreni Hornberger<br />

Beringen<br />

Thomas Imobersteg<br />

Spar- und Leihkasse Hallau Hallau<br />

H.&F. Iseli<br />

Futurebikeclub CH, Lauper<br />

Johanna Jauch-Hauser<br />

Hallau<br />

Hanspeter Kern<br />

Bauernverb<strong>and</strong> Kanton Schaffuausen<br />

Marcel Klee<br />

Gächlingen<br />

Martin und Franziska Knapp<br />

Wilchingen<br />

Karl-Heinz Krams<br />

Klettgau<br />

Alois Kränzlin<br />

Metallbau Gebrüder Kränzlin AG, Beringen<br />

Bruno Külling<br />

Gemeindeschreiber Wilchingen<br />

Fritz Külling<br />

Wilchingen<br />

Hans-Werner Külling<br />

Wilchingen<br />

Hans-Jörg Kunz<br />

Regierungsratspräsident des Kantons Schaffuausen<br />

Familie Kurz<br />

Neunkirch<br />

RogerKurz<br />

Schaffuausen<br />

Ingenierbüro Martin Kyburz<br />

Freienstein<br />

Beat Lämmli<br />

Hallau<br />

Thomas Lämmli junior<br />

Hallau<br />

Ernst L<strong>and</strong>olt<br />

Bauernsekretariat Schaffuausen<br />

Norbert Launer<br />

Autobahnbetriebsamt Singen<br />

Hans Leuenberger<br />

Gewerbeverein Beringen<br />

Ulrich Lochmann<br />

Ministerium Ländlicher Raum, Baden-Württemberg<br />

MariaLohri<br />

Naturschutzgruppe Perdix, Neunkirch<br />

Herr Maag<br />

Statistisches L<strong>and</strong>esamt Baden Württemberg<br />

Helmut Maier<br />

Mathematiklehrer Realschule Tiengen<br />

Jutta Markow<br />

Klettgau-Riedern<br />

Otto Mayer<br />

Klettgau<br />

«Maschpi»<br />

Twikeclub CH<br />

Walter Meier<br />

Wilchingen<br />

Werner Mettler<br />

Planungs-und Naturschutzamt Schaffuausen<br />

Georg Minzer<br />

Klettgau-Griessen<br />

Bernhard Müller<br />

Löhningen<br />

Stefan Müller<br />

Twikeclub CH<br />

Werner Müller<br />

Gemeindepräsident Osterfingen<br />

GustavMunz<br />

Hallau<br />

Silvan Munz<br />

Hallau<br />

Andreas Naegeli<br />

Velolaboratorium<br />

Hans Neukomm<br />

Hallau<br />

Herbert Neukomm<br />

Kant. L<strong>and</strong>wirtschaftsamt SH, Neuhausen am<br />

Rheinfall<br />

Reinhard Ochsner<br />

Twikeclub CH<br />

Andreas Oester<br />

Trasadingen<br />

Helmut Opitz<br />

Seelbach<br />

WolfPabst<br />

Gewässerdirektion Rhein, Waldshut-Tiengen<br />

Yvonne Parodi<br />

Hallau<br />

Frau Peson<br />

Klettgau<br />

Walter Plieninger<br />

KIGA Schaffuausen<br />

Matthias Rahm<br />

Zollamt Trasadingen<br />

RobertRahm<br />

Rimuss-Kelterei Rahm, Hallau<br />

Kurt Regli<br />

Gemeindepräsident Hallau<br />

Ernst Reich<br />

Neunkirch<br />

Fritz Rentsch<br />

Wilchingen<br />

Hansruedi Richli<br />

Hablützel AG, Wilchingen<br />

Rainhard Riegel<br />

Dettighofen-Baltersweil<br />

Paul Ritzmann<br />

Osterfingen<br />

Klaus Ritzmann<br />

Erzingen<br />

Heinz Rombach<br />

Sparkasse Hochrhein, Waldshut<br />

HubertRoth<br />

Bürgermeister Klettgau<br />

Karlheinz Rudigier<br />

Volksbank Klettgau<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

11


Dank<br />

_<br />

Dora Rüedi<br />

Gächlingen<br />

Patrik Schellenbauer<br />

Wirtschaftsforschung <strong>ETH</strong> Zürich<br />

Siegfried Schiele<br />

Waldshut-Tiengen<br />

Sibylle Schmoker<br />

Hallau<br />

Wemer Schneider<br />

Hallau<br />

Renate Schubert<br />

Wirtschaftsforschung <strong>ETH</strong> Zürich<br />

Joachim Schütz<br />

Geographie <strong>ETH</strong> Zürich<br />

Günther Schwyn<br />

Neunkirch<br />

Claudia Siebold<br />

Klettgau-Weisweil<br />

Gabi Stamm<br />

Schleitheim<br />

Otto Stehle<br />

Industrievereinigung, Beringen<br />

Sodorai Sunel AG<br />

Effretikon<br />

Richard W. Späh<br />

H<strong>and</strong>werkerring Waidberg, Zürich<br />

Eugen Speidei<br />

Industriepark Gottmadingen<br />

Nico Spengler<br />

Neunkirch<br />

Dieter Starkmann<br />

Gewässerdirektion Rhein, Waldshut-Tiengen<br />

Otto Stehle<br />

Industrievereinigung, Bircher AG Beringen<br />

Michael Stocker<br />

Koordinationsbüro Interreg II<br />

asp Atelier Stern & Partner<br />

Zürich<br />

Martin Stoll<br />

Klettgau<br />

Regula Stoll<br />

Osterfingen<br />

Winfried Stoll<br />

Kadelburg/Küssaberg<br />

Eddi Stolz<br />

Elektromobilclub Schweiz ECS<br />

Fredi Strasser<br />

Unterstammheim<br />

Daniel Stucki<br />

Twikeclub CH<br />

Myrtha Studer<br />

Hallau<br />

Hans Tanner<br />

Oberhallau<br />

Michel Treina<br />

Geograph. Institut Uni Bem<br />

Markus Uehlinger<br />

Neunkirch<br />

Frau Uehlinger<br />

Neunkirch<br />

Joachim Uhlir<br />

Amt f. Flurerneuerung u. L<strong>and</strong>entwicklung<br />

Bad Säckingen<br />

Walter Vogelsanger<br />

Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />

Hans Vorwald<br />

Klettgau-Erzingen<br />

Gertrud Walch<br />

Schaffhausen<br />

Edith Weber<br />

Neunkirch<br />

Erwin Wehrli<br />

Hallau<br />

Urs Weibel<br />

Naturschutzgruppe Perdix, Neunkirch<br />

Rolf Weissenberger<br />

Erzingen<br />

Max Wemer<br />

Twikeclub CH<br />

Bemhard Wütz<br />

L<strong>and</strong>ratsamt Waldshut<br />

Peter Zeller<br />

Twikeclub CH<br />

Koni Zimmermann<br />

Trasadingen<br />

Stefan Zölle<br />

Gemeindeverwaltung Klettgau<br />

Hanspeter Züllig<br />

Buchberg<br />

12<br />

UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

R. Scholz<br />

UNS-Fallstudie '98 13


Synopse ------------------------------------------<br />

Die .~.,~....,..""'."".<br />

fine <strong>Region</strong><br />

«Platon hatte in einer kosmologischen Allegorie die Welt<br />

mit einem Schiff verglichen, das von seinem Steuermann<br />

(Gott) davor bewahrt werden soll, in den Ort der «Unähnlichkeit»,<br />

d.h. in den Ort des kosmischen Chaos zu versinken»<br />

(Sturlese & Blumrich, 1993, S. 479).<br />

Nun, das vorliegende Buch beh<strong>and</strong>elt nicht den Kosmos,<br />

sondern die Klettgaurinne, eine kleine grenzübergreifende<br />

<strong>Region</strong> zwischen der deutschen Kreisstadt Waldshut-Tiengen<br />

und dem schweizerischen Schaffhausen. Auch haben<br />

wir uns in der vorliegenden Studie nicht mit den Steuerungskräften<br />

eines Gottes beschäftigt, sondern vielmehr mit<br />

einem zeitgemässen Verständnis von Planung und Entwicklung.<br />

Der Bezug zu Platon rechtfertigt sich dadurch, dass wir die<br />

Klettgaurinne als eine <strong>Region</strong> betrachten und damit gleichermassen<br />

einen Beitrag dazu leisten wollen, dass der<br />

Klettgau sich nicht zu einer regio dissimilitudines, d.h. zu<br />

einem ungeordneten, wirren, aus unähnlichen Teilen bestehendem<br />

Gebilde entwickelt.<br />

Ein Ziel der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie lag in der Erhaltung des<br />

<strong>Region</strong>scharakters der Klettgaurinne. Dass dies ein redliches<br />

Anliegen ist, wird - um einen zeitnäheren Philosophen<br />

zu zitieren - von Heinrich Seuse in seinem Buch der Wahrheit<br />

(1907, S. 308) bestätigt. Seuse übersetzt den Terminus<br />

<strong>Region</strong> schlichtweg als «vemünftige(s) l<strong>and</strong>» und ich glaube,<br />

ein Niem<strong>and</strong> hat etwas dagegen, dass der Klettgau ein<br />

solches bleibt.<br />

Was deutet nun auf einen Umbruch der <strong>Region</strong> Klettgaurinne<br />

hin?<br />

Von aussen betrachtet, ist die 33 Kilometer lange Klettgaurinne<br />

eine geomorphologische Einheit, die im Norden<br />

und Süden durch zwei Moränenzüge eingefasst wird und<br />

durch eine politische Grenze geteilt wird. Auf der topographischen<br />

L<strong>and</strong>karte wirkt das leicht S-förmige Tal<br />

bisweilen wie ein kleiner Wal (siehe Abbildung 1.1), was auf<br />

die leichten Verengungen im südwestlichen Teil der Rinne<br />

hinweist.<br />

Aus der Luft, z.B. im Anflug auf den Flughafen Zürich­<br />

Kloten, dominieren die Strukturmuster intensiver Bodennutzung.<br />

Die Ackerflächen wirken wie ein Schachbrett und<br />

die Weinberge legen sich wie Jahresringe um die Hügel.<br />

Aus der Sicht der L<strong>and</strong>esregierungen, aus Bem, Bonn,<br />

Berlin oder Stuttgart liegt der Klettgau an den äussersten<br />

Rändern der Regienmgsgebiete, abseits der in Nord-Süd­<br />

Richtung verlaufenden Hauptverkehrswege.<br />

Diejenigen, die mit dem Auto die Rinne von Lauchringen<br />

nach Beringen durchqueren (siehe Abildung 1.1), erleben<br />

Abb. 1.1: Die Klettgaurinne ist ein 33 km langes Tal zwischen dem deutschen Waldshut-Tiengen und dem schweizerischen<br />

Schaffhausen. Heute leben in den 10 schweizer Gemeinden ca. 12'000 und im deutschen Klettgau etwa 7'000 Einwohner.<br />

Als Teile des Klettgau werden auch bisweilen Schleitheim und Siblingen und das deutsche Lauchringen betrachtet, so dass<br />

der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie eine grenzübergreijende <strong>Region</strong> mit knapp 25'000 Personen zugrunde liegt.<br />

14 UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

Abb.I.2: In den Tallagen<br />

des Klettgau wird<br />

intensiver Ackerbau<br />

betrieben.<br />

Auf schweizerischer<br />

Seite sind 35% der<br />

Gesamtfläche, auf<br />

deutscher Seite 28%<br />

der Fläche der Klettgaurinne<br />

Ackerl<strong>and</strong>.<br />

Der Weinbau ist vor<br />

allem im Schweizer<br />

Klettgau mit 4% der<br />

Gesamtfläche (ca.<br />

370 ha) ein l<strong>and</strong>schaftsprägendes<br />

Element. 1m deutschen<br />

Klettgau finden<br />

wir knapp 25 ha<br />

Rebl<strong>and</strong>.<br />

das l<strong>and</strong>schaftlich reizvolle Gefüge aus Wald, Acker, Wiese<br />

und Reben. Auch erfährt man - im doppelten Sinne - den<br />

starken Pendlerstrom an den westlichen und südlichen Zugängen.<br />

Aber welche Phänomene fallen jem<strong>and</strong>em ins Auge, der<br />

sich mit dem Themenfeld Nachhaltige Entwicklung beschäftigt?<br />

Wo werden Stärken und Schwächen der sozialen,<br />

wirtschaftlichen und geo-ökologischen Stmkturen sichtbar,<br />

die aufeinen Umbruch einer<strong>Region</strong> hinweisen? Als Schlaglichter<br />

werden sichtbar:<br />

Dynamische Siedlungsentwicklung: In den Dörfern<br />

es eine rege bauliche Tätigkeit. Es finden sich in nahezu<br />

allen Gemeinden und Ortschaften Neubausiedlungen.<br />

Aber auch alte Bauernhäuser und Stallungen werden für<br />

Wohnnutzungen erneuert und umgebaut. Die Ortschaften<br />

an den Eingängen zur Rinne Ober-Lauchringen und<br />

Beringen haben ihren dörflichen Charakter weitgehend<br />

verloren. Mehrfamilienhaussiedlungen vermitteln hier<br />

den Eindruck städtischer Vororte.<br />

Unterschiedliche Siedlungstypen: Die Gemeinden und<br />

Ortschaften im Klettgau unterscheiden sich deutlich.<br />

Auffallend ist vor allem der Kontrast zwischen den stattlichen,<br />

z.T. kleinstädtisch anmutenden Weindörfern mit<br />

Zeilenbebauung (vgl. EDI, 1986) und den traditionell auf<br />

Ackerbau- und Viehzucht ausgerichteten Dörfern in den<br />

Tallagen.<br />

intensive L<strong>and</strong>wirtschaft: In der Talsohle finden wir eine<br />

meliorisierte, stark ausgeräumte L<strong>and</strong>schaft mit intensivem<br />

Ackerbau auf den Molasseböden in den Tallagen<br />

und Wiesen an den weniger günstigen nördlichen Lagen<br />

und die grössten zusammenhängenden Weinberge in der<br />

Deutschschweiz vor allem in den Südhängen.<br />

Korrigierte Gewässer: Zumindest im Haupttal sind die<br />

Gewässer stark kanalisierte, zugedolte, begradigte, und<br />

schnell laufende (die Klettgaurinne fällt aufeiner Länge<br />

von nur 33 km um ca. 100 Höhenmeter) Bäche und<br />

Flüsse. Dämme zeugen von der Kunst der Wasserbauingenieure,<br />

Oberflächengewässer zu bändigen und dort,<br />

wo es erschien, hoch aus der L<strong>and</strong>schaft herauszuheben.<br />

Sichtbar sind auch die vielen Pumpenhäuschen,<br />

die aufdie intensive Grundwassernutzung hinweisen.<br />

Verkehrsstrukturen ländlicher Agglomerationen: Der<br />

Verkehr<br />

so lange man sich in der Klettauch<br />

wenn die Strassen keine<br />

Htichstg;esl:h\;virldi;gk(~itf:nerlauben. Jedoch trifft man im<br />

Berufsverkehr an den Ausgängen der Klettgaurinne auf<br />

stark verdichteten Verkehr und ausserhalb des Berufsund<br />

Schulverkehrs auf schwach besetzte Züge und Busse.<br />

Traditionelle und neue Industrien und Gewerbe: Der<br />

Kanton Schaffhausen gilt als Industriekanton (Brugger,<br />

1985). Auch im Klettgau besitzen einige Gemeinden und<br />

Ortschaften grässere Industrie- und Gewerbegebiete.<br />

Neunkirch wird in dem Entwurf zum Richtplan 1997 (S.<br />

31) als Industriegemeinde klassifiziert. Neben dem traditionellen<br />

Maschinen-, Metall- und Apparatebau sind<br />

auch neuere Gewerbe, wie Elektronik und Datenverarbeitung,<br />

sichtbar. Eine Besonderheit ist die Firma Lauffenmühle<br />

im deutschen Lauchringen, welche offenbar<br />

die tiefgreifende Krise in der Textilindustrie überlebt hat<br />

und sich auf dem neugeordneten Markt positionieren<br />

konnte. Deutlich sichtbar werden auch Zeugen der Gewinnung<br />

von Bodenschätzen. Ton- und Kiesgruben, aber<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

15


Synopse ----------------------------------------<br />

auch Flächen von Ziegeleien scheinen verlassen und sind<br />

ganz offensichtlich noch nicht revitalisiert und eingliedert.<br />

- Folgen der politischen Grenze: Politisch ist der Klettgau<br />

eine Zweiheit. Die Grenzsteine trennen in scheinbar willkürlicher<br />

Lage die Ortschaften Erzingen und Weisweil<br />

(D) von den Gemeinden Trasadingen und Wilchingen<br />

(eH) und die Grenze ist von biossem Auge nicht sichtbar.<br />

Geht man jedoch in die Ortschaften, so fallen einige<br />

Andersartigkeiten der beiden Teile des Klettgau auf.<br />

Während etwa auf schweizerischer Seite in den meisten<br />

Gemeinden ein Lebensmittelladen zu finden ist, gibt es<br />

diese auf deutscher Seite nur in den grossen Ortschaften.<br />

Dafür finden sich auf deutscher Seite 1O,3-mal so viele<br />

Fussballplätze pro Einwohner wie bei den Eidgenossen.<br />

Etwas schwieriger zu erkennen, aber leicht zu bestätigen,<br />

wenn man darum weiss, sind die l<strong>and</strong>schaftstrukturellen<br />

Unterschiede der Klettgaurinne in den beiden Ländern. So<br />

besitzt der deutsche Klettgau (im Gegensatz zu früher)<br />

ausser den knapp 23 Hektaren in Erzingen und Rechberg,<br />

vorwiegend im unmittelbaren Anschluss an den schweizerischen<br />

Teil, keinen l<strong>and</strong>schaftsprägenden Weinanbau mehr,<br />

sowie weniger Ackerfläche, dafür aber mehr Grünl<strong>and</strong> und<br />

(auch in der Tallage) grössere Waldstücke. Der Grund dafür<br />

lag darin, dass die bis vor ISO Jahren bis Lauchringen<br />

bestockten Südhänge nach der Reblausseuche nicht wieder<br />

für den Weinbau genutzt wurden. Historisch haben also die<br />

politischen R<strong>and</strong>bedingungen offenbar dazu geführt, dass<br />

die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung und damit das Erscheinungsbild<br />

der L<strong>and</strong>schaft auf beiden Seiten der Grenze<br />

ausein<strong>and</strong>ergedriftet ist.<br />

Zwei Grundlagen: Die <strong>ETH</strong>-UNS<br />

Fallstudie '97 und das EUinterreg<br />

2.1 Ergebnisse des EU-Interreg<br />

Programms<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden und das EU/EG Programm Interreg II Entwicklungskonzeption<br />

Klettgau sind zwei mitein<strong>and</strong>er verzahnte<br />

Grossprojekte, die sich in den vergangenen Jahren mit zwei<br />

wichtigen Fragen des Umweltschutzes im Klettgau beschäftigten<br />

(siehe Abbildung 2.1).<br />

Zielgrösse des Interreg II Projekts war es «Das für uns alle<br />

lebenswichtige Trinkwasser in einw<strong>and</strong>freier Qualität und<br />

in ausreichender Menge sicherzustellen» (Regli et al., 1998,<br />

S.l).<br />

Wenn wir etwas sichtbar machen wollen, was unseren<br />

Sinnesorganen verborgen ist, müssen wir uns Hilfsmittel<br />

verschaffen. So verhält es sich auch mit dem mächtigen<br />

Grundwassersee (siehe Abbildung 2.2) unter der Klettgaurinne.<br />

Der Grundwasserspeicher dient der <strong>Region</strong> als Trinkwasserreservoir.<br />

Die heutige Grundwassernutzung liegt bei<br />

600 Litern pro Sekunde (I/s). Nach neuesten Modellrechnungen<br />

ist die mengenmässige Entnahme als nachhaltig zu<br />

bezeichnen. «Es besteht derzeit weder gesamthaft noch in<br />

Teilgebieten eine Gefahr für mengenmässige Uebernutzung»<br />

(Regli et al., 1998, S. 18).<br />

Probleme bereitet nicht die Quantität sondern die Qualität<br />

des Grundwassers. Seit einiger Zeit werden vor allem im<br />

unteren Teil des Grundwasserleiters Nitratkonzentrationen<br />

Interreg 11 EG/EU<br />

Entwicklungskonzeption Klettgaurinne<br />

UNS Fallstudie 1997/98<br />

<strong>Region</strong> Klettgau<br />

Abb.2.1: Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien<br />

der Jahre 1997 und<br />

1998 wurden in enger Abstimmung<br />

und organisatorisch<br />

vernetzt mit dem EU-1nterreg<br />

ll-Programm geplant.<br />

So nahmen zwei Personen<br />

aus der Fallstudie, darunter<br />

ein Student in den Leitausschuss<br />

des Interreg ll-Programmes<br />

Klettgaurinne Einsitz.<br />

16 UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

Aktuelle Abbaugebiete<br />

11 Kiesgrube >10 ha<br />

illlJ Kiesgrube 1~10 ha<br />

Griengrube<br />

Im! Ton· oder Lössgrube<br />

Ehemalige Abbaugebiete<br />

Kiesgrube<br />

Bohnerzgrube<br />

Griengrube<br />

1 0<br />

~<br />

Grenzen<br />

Cl Grenze Kanton Schaffhausen<br />

Perimeter Ktettgau<br />

N<br />

A<br />

4 5 Kilometer<br />

Oekogeo AG. Schaffhausen 3.12,97<br />

Abb. 2.2: Der Grundwassersee<br />

im Klettgau, hier in der<br />

Darstellung des Modellgebiets<br />

des mathematischen<br />

Grundwassermodells Klettgaurinne.<br />

Die Grundwasserneubildung<br />

im Modellgebiet<br />

beträgt ca. 1'400 !ls. Davon<br />

stammen 600 lIs aus Niederschlägen<br />

und 800 lIs aus Zuflüssen<br />

aus den seitlichen Einflussgebieten,<br />

zB. aus dem<br />

Wangental. «Es bestehtderzeit<br />

weder gesamthaft noch in Teilgebieten<br />

eine Gefahr für mengenmässige<br />

Uebernutzung»<br />

(Projektleitung Interreg ll,<br />

1998,5.19). Probleme jedoch<br />

bereiten die hohen Nitratbelastungen.<br />

gemessen, die den EU-Grenzwert für Trinkwasser von 50<br />

Milligramm pro Liter (mg/l) überschreiten. Bemerkenswert<br />

ist, dass die gegenwärtigen durchschnittlichen Belastungen<br />

von rund 35 mg N031l offenbar nur durch Verdünnungen des<br />

in Ost-West-Richtung fliessenden, die L<strong>and</strong>esgrenze überschreitenden<br />

Klettgaugrundwassers durch Niederschlagsversickerung<br />

aus Waldgebieten und Zuflüssen aus<br />

dem Rheintal bei Enge (ca. 1351/s) und dem Wangental (ca.<br />

85 1/s) zust<strong>and</strong>e kommt. Aus regionalplanerischer Perspektive<br />

ist dies ein weiterer Grund für einen verstärkten Schutz<br />

des ökologisch wertvollen Wangentals einschliesslich seiner<br />

bewaldeten Höhen.<br />

Aus ökologischer und toxikologischer Sicht fordern die<br />

Behörden der Schweiz und der EU, die Nitratkonzentrationen<br />

in genutzten Grundwässern mittelfristig auf unter 25<br />

mg/1 zu senken.<br />

Hauptverursacher der bedenklichen Nitratkonzentrationen<br />

ist die intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung. Dies ist<br />

aus Abbildung 2.3 ersichtlich. In die 16.580 ha grosse<br />

Fläche der <strong>Region</strong> werden pro Jahr 500 Tonnen Stickstoff<br />

eingetragen. Dabei gehen allein rund 300 Tonnen unter<br />

Ackerl<strong>and</strong> verloren (Prasuhn, 1998, S. 284 ff.). Gefordert<br />

werden hier von der L<strong>and</strong>wirtschaft eine Reihe von Massnahmen.<br />

Neben einer bedarfs- und zeitgerechten Düngung<br />

(insbesondere Verzicht auf die bei L<strong>and</strong>wirten in der Vergangenheit<br />

so beliebten Sicherheitsdüngung), wird ein<br />

Massnahmepaket empfohlen. Zu diesen Massnahmen ge-<br />

hört eine Anpassung der Fruchtfolgen, Untersaaten mit integrierter<br />

Beikrautregulierung, konservierende Bodenbearbeitung<br />

und Grünl<strong>and</strong>umbruch, sowie eine Ausdehnung der<br />

ökologischen Ausgleichsflächen (siehe Regli et al., 1998, S.<br />

25).<br />

Umwelt- und Grundwasserschutz gibt es nicht zum Nulltarif.<br />

Dies machen betriebswirtschaftliehe Rechnungen<br />

deutlich. Für einen schweizer ackerbaulichen Betrieb führt<br />

ein ökologisch optimiertes Stickstoffmanagement zu Einsparungen<br />

in der Stickstoffmenge (ca. 30 Franken pro Hektar<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Nutzfläche L<strong>and</strong>, Fr./ha. LN). Demgegenüber<br />

stehen Kosten für Untersuchungen (61 Fr./ha<br />

LN), Stickstoffmessungen (94 Fr./ha LN), Optimierungen in<br />

der Ausbringung durch Breitstreuer und Schleppschläuche<br />

(551 Fr./ha LN) und Zwischenfruchtanbau (277 Fr./ha LN).<br />

Total ergibt sich hierein Minus von rund 960 Fr./ha für einen<br />

schweizer und etwa 890 DM/ha für einen deutschen Betrieb<br />

(Freyer et al., 1998).<br />

Diese hohen Verluste sind natürlich für L<strong>and</strong>wirte wenig<br />

akzeptabel. Eine (Teil-)Lösung wird hier in einer Veränderung<br />

in Richtung einer ökologisch-ökonomischen optimierten<br />

Bodennutzung sowie eine verstärkte Rinder- und<br />

Milchwirtschaft gesehen. Aber für eine solche Umorientierung<br />

sind genauere Konzepte zu entwickeln. So gilt es,<br />

vornehmlich ertragsschwache und besonders grundwassersensible<br />

St<strong>and</strong>orte in eine <strong>and</strong>ere Nutzung zu überführen,<br />

zwischen den L<strong>and</strong>wirten neue Kooperationsformen zu<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

17


Synopse ----------------------------------------<br />

Stickstoffverluste<br />

oberes Einzugsgebiet Klettgau<br />

500t N<br />

Aufschlüsselung der Stickstoffverluste<br />

aus diffusen Quellen im Klettgau<br />

444 t N<br />

diffus anthropogene<br />

Belastung<br />

369 t<br />

natürliche<br />

Hintergrundlast<br />

75 t<br />

Auswaschung<br />

Ackerl<strong>and</strong><br />

67%<br />

punktuelle<br />

Belastung<br />

56 t<br />

-- Erosion 1%<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Direkteinträge 5%<br />

Abschwemmung 1%<br />

Auswaschung Auswaschung Reben 3%<br />

Wald 11%<br />

Auswaschung Rest<br />

3%<br />

Abb. 2.3: Stickstoffverluste im Klettgau, aufgeschlüsselt nach Quellen der Herkunft (links) sowie differenzierte Aufschlüsselung<br />

der diffusen Belastung (rechts) (d.h. der diffus anthropogenen und natürlichen Hintergrundlast, Prasuhn, 1998,<br />

288-289).<br />

lfiltlleren, mit denen z.B. die Güllebewirtschaftung optimiert,<br />

bei denen die Rahmenbedingungen der Milchkontingentierung<br />

oder die EU Regularien zu berücksichtigt<br />

werden. Inwieweit weitergehende Stützungen notwendig<br />

sein werden, bleibt gegenwärtig offen.<br />

Vermieden werden sollten jedoch auch vorschnelle<br />

Massnahmen. So bedarf etwa die Ueberführung von langjährig<br />

intensiv genutztem l<strong>and</strong>wirtschaftlichem L<strong>and</strong> in üekotope<br />

begleitender Massnahmen, indem die Aushagerung<br />

durch Schnittgutabfuhr gestützt wird. Andernfalls besteht<br />

die Gefahr, dass die altlastenähnlichen Nitratdepots sich<br />

sprungförmig entleeren. Angemerkt sei, dass die seiteinigen<br />

Jahren laufenden Massnahmen und Arbeiten der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Beratung erste positive Anzeichen zeigen. So<br />

konnte der Trend zur Erhöhung der Nitratbelastung in den<br />

letzten Jahren deutlich verlangsamt, wenn nicht sogar gestoppt<br />

werden (vgl. Binder & Biedermann, 1997)<br />

Klar ist jedoch, dass sich das Erscheinungsbild der Klettgaurinne<br />

durch diese Massnahmen wieder verändern dürfte,<br />

indem die L<strong>and</strong>schaft zumindest in Teilen eine neue<br />

Möblierung erhalten dürfte.<br />

2.2 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie<br />

«Verantwortungsvoller Umgang mit<br />

Boden»<br />

Die Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97 zum Verantwortungsvollen<br />

Umgang Boden finden sich in dem Vorläuferb<strong>and</strong><br />

zu diesem Buch (Scholz, Bösch, Mieg und Stünzi,<br />

1998). Wir präsentieren an dieser Stelle die zentralen<br />

Schlussfolgerungen. Wir gliedern diese nach den Hauptarbeitsgruppen,<br />

den sog. Synthesegruppen.<br />

Wasserhaushalt<br />

Zum Wasserhaushalt wurden die Bereiche Nitratbelastung,<br />

Stör- und Unfallrisiken und Hochwasserschutz Risiko beh<strong>and</strong>elt.<br />

In verschiedenen Befragungen der Bevölkerung<br />

und der Entscheidungsträger wurde deutlich:<br />

- Die Bevölkerung ist sich der bestehenden Probleme bewusst.<br />

- Es gibt in den Bereichen Hoch- und Grundwasser eine die<br />

L<strong>and</strong>esgrenze überschreitende überlieger-Unterlieger<br />

Problematik. Bei gleichem H<strong>and</strong>eln sind die Unterlieger<br />

stärker betroffen und betrachten das Problem relevanter<br />

als die überlieger.<br />

- Bzgl. der Wahl von Massnahmen gibt es Unterschiede<br />

zwischen den beiden Ländern. Während auf deutscher<br />

Seite dem Effekt von Interventionsmassnahmen grössere<br />

Beachtung geschenkt wird, spielt auf schweizerischer<br />

Seite die Konsensusfahigkeit einer Massnahme eine grössere<br />

Rolle.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Die L<strong>and</strong>wirtschaft ist heute ein l<strong>and</strong>schaftsprägender, aber<br />

wirtschaftlich nicht mehr der tragende Faktor des Klettgau.<br />

Im schweizerischen Klettgau sind noch etwa 4%, im deutschen<br />

Klettgau rund 1% aller Personen Haupterwerbstreibende<br />

in der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

- Wie bereits erwähnt, ist im Agrarbereich ein H<strong>and</strong>eln für<br />

den Grundwasserschutz notwendig. Um den Ertrag und<br />

die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung langfristig zu sichern,<br />

sind weiterhin verstärkt bodenschonende Bearbeitungsmethoden<br />

und -nutzungen zu realisieren.<br />

- Zur wirtschaftlichen Stützung sollte in jedem L<strong>and</strong>esteil<br />

ein <strong>Region</strong>almarketing erfolgen. Neben einem verstärkten<br />

erzeugernahen Vertrieb verspricht eine Orientierung<br />

18 UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

auf Spezialitätenprodukte (Klettgauer-Weine, -Emmer- 3.<br />

brot, aber auch den sich als stabil erweisenden Markt für<br />

Bio-Produkte) eine Stützung des Vertriebs.<br />

Ergebnisse der<br />

Fallstudie 1998 »Nl'ilCflna'Uu!e<br />

Im Agrarbereich ist ein H<strong>and</strong>eln für den Grundwasserschutz<br />

notwendig.<br />

- DaTÜberhinaus sollten unter Nachhaltigkeitsaspekten<br />

verstärkt bodenschonende Bearbeitungsmethoden und<br />

-nutzungen angestrebt werden (z.B. Fruchtfolgen, Optimierungen<br />

im Verhältnis Acker-Grünl<strong>and</strong>nutzungen<br />

etc.).<br />

Kieswirtschaft<br />

Der Verbrauch von S<strong>and</strong> und Kies ist in der Schweiz und in<br />

Deutschl<strong>and</strong> mit 5 m 3 bzw. 10 Tonnen pro Person pro Jahr<br />

(Binswanger & Siegenthaler, 1995) mengenmässig mit Abst<strong>and</strong><br />

der grösste menschliche Ressourcenverbrauch. Im<br />

Klettgau gibt es eine Vielzahl von Abbaugebieten (siehe<br />

Abbildung 2.2). Bezogen auf den Kiesabbau ist festzuhalten:<br />

- Ein verantwortungsvoller, ökologische Aspekte berücksichtigender<br />

Kiesabbau wird von allen Interessengruppen<br />

gewünscht. Dies betrifft sowohl Grundwasserschutz<br />

und einen verantwortungsvollen Umgang mit<br />

der Auffüllung (Grundwassergefahren bei Deponienutzung),<br />

als auch die Naturschutzpotentiale, die bei<br />

einer guten Renaturierungsstrategie gegeben sind.<br />

Die Bevölkerung tendiert zur Beibehaltung des Status<br />

Quo, sie wünscht einen minimalen, auf die regionalen<br />

Bedürfnisse optimierten Abbau, während von Seiten der<br />

politischen Entscheidungsträger und Behörden eher eine<br />

Konzentration gewünscht wird.<br />

Wirtschaft<br />

Die Bereiche L<strong>and</strong>wirtschaft und Kieswirtschaft wurden<br />

sowohl in der Fallstudie zum Verantwortungsvollen Umgang<br />

mit Boden als auch in der Fallstudie zur <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

beh<strong>and</strong>elt. Wir fassen deshalb an dieser Stelle<br />

die Hauptergebnisse dieser beiden Studien zusammen.<br />

Diese beiden l<strong>and</strong>schaftsprägenden Wirtschaftszweige<br />

beschäftigen jedoch heute, über die gesamte Klettgaurinne<br />

betrachtet, insgesamt weit weniger als 4% der Bevölkerung.<br />

Dies gilt auch, wenn die Betonverarbeitungs- und Steinzeugindustrie,<br />

welche heute die Stelle der aufdeutscher und<br />

schweizer Seite geschlossenen Ziegeleibetriebe einnehmen,<br />

einbezogen werden.<br />

Die Wirtschaftsstruktur des Klettgau war und ist durch<br />

einige Grossbetriebe im Bereich Textilindustrie und Metall,<br />

Maschinen- und Apparatebau an den «Eingängen zur Klettgaurinne»<br />

in Oberlauchringen und Beringen aber auch in<br />

<strong>and</strong>eren Ortschaften wie Erzingen und GrieBen gekennzeichnet.<br />

In der rund 3'000 Einwohner zählenden Gemeinde<br />

Beringen gab es im Jahr 1994 ca. 1'800 Arbeitsplätze und<br />

in ähnlicher Weise verhielt es sich für Oberlauchringen. Für<br />

die genannten Industriezweige finden sich weiterhin eine<br />

grössere Anzahl von Zulieferbetrieben. Die an der Bahnlinie<br />

gelegenen Ortschaften wie GrieBen, Erzingen und Neunkirch<br />

besitzen neben den vorh<strong>and</strong>enen Betriebsansiedlungen<br />

auch heute grössere, genügend freie Industriezonen.<br />

Der sekundäre Sektor spielt zumindest für den schweizerischen<br />

Sektor noch eine grosse Rolle. Der traditionelle<br />

Industriekanton Schaffhausen wies im Jahre 1991 mit<br />

49.6% einen deutlich höheren Anteil auf als im schweizerischen<br />

Bundesschnitt mit 37.5%.<br />

Während sich in den letztgenannten Agglomerationen,<br />

vor allem am Finanzplatz Zürich, der Dienstleistungssektor<br />

entscheidend ausgedehnt hat, konnte der starke Rückgang<br />

im zweiten Sektor von rund 18'000 Arbeitsplätzen im Jahre<br />

1991 auf nunmehr 14'000 im Kanton Schaffhausen nicht<br />

durch einen Zuwachs im Dienstleistungsbereicherhöht werden.<br />

Obwohl sich die für den Klettgau prägenden Industriezweige<br />

heute in einer Rekonsolidierung befinden, gibt es<br />

seit 1991 deutlich weniger Grenzgänger aus dem deutschen<br />

Klettgau in den Kanton Schaffhausen. Die Synthesegruppe<br />

Wirtschaft hat sich mit diesen Strukturveränderungen beschäftigt<br />

Mit der Methode der Szenarioanalyse hat die Gruppe<br />

verschiedene mögliche Entwicklungen für die Zukunft der<br />

Wirtschaft im Klettgau skizziert. In allen Szenarien war<br />

sichtbar:<br />

Der Klettgau hat als <strong>Region</strong> aus wirtschaftlicher Sicht<br />

keine Chance, selber den Kurs seiner Entwicklung zu<br />

definieren. Er muss sich, um nicht zum Spielball der<br />

umliegenden Wirtschaftszentren zu werden, komplementär<br />

zu den Agglomerationen (speziell zu Zürich) und<br />

als Zulieferer für die umliegenden Zentren definieren.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

19


Synopse ------------------------------------------<br />

Dies bedeutet aber auch, dass die <strong>Region</strong> - um sich auf<br />

dem regionalen Markt zu behaupten - vermehrt auf ihre<br />

Stärken und ihren eigenen Charakter setzen muss.<br />

- Das Kapital der <strong>Region</strong> liegt in der hohen l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Qualität, der guten Wohnqualität eines «gepflegten<br />

ländlichen Raums», sowie im hohen regionalen Arbeitsplatzangebot.<br />

Von diesen Voraussetzungen können neue Typen von<br />

Zulieferern und Gewerben profitieren:<br />

- Der Klettgau ist (trotz nicht immer optimaler Steuerlage)<br />

attraktiv für Firmen, welche nicht aufRepräsentation und<br />

Präsenz in den Ballungszentren angewiesen sind: Kleine<br />

Ingenieurfirmen, Entwickler und Designer wären mögliche<br />

K<strong>and</strong>idaten. Auch das Arbeiten am Wohnort per<br />

Bildschirmanschluss an die Firmenrechner ist in der guten<br />

Wohnlage des Klettgau attraktiv.<br />

Beim Aufbau von solchen neuen Unternehmen, aber<br />

auch bei der Stützung der vorh<strong>and</strong>enen Kleinunternehmen<br />

und Mittellständischen Unternehmen (KMU) spielen<br />

die Banken in der <strong>Region</strong> eine wichtige Rolle:<br />

Die Ansiedlung von kleinen und mittleren Unternehmen<br />

sollte durch ein Angebot an geeigneten und attraktiven<br />

St<strong>and</strong>orten und Gebäuden unterstützt und vorbereitet<br />

werden.<br />

Die Banken besitzen eine Chance, wenn sie im Sinne<br />

einer integrativen Finanzierung Leistungen im<br />

Gesamtpaket anbieten: Es geht (Beispiel Technologieoder<br />

Gewerbeparks) nicht nur darum, Fläche zur Verfügung<br />

zu stellen, sondern es müssen auch Kosten für<br />

Investitionen, St<strong>and</strong>ortveränderung, -konzentration und<br />

-aufbesserung getragen werden.<br />

Neben diesen Aspekten sind sicher auch steuerliche<br />

Optimierungen von Bedeutung, wenn das Potential von<br />

Arbeitsplätzen in der <strong>Region</strong> ausgeschöpft werden soll.<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaft<br />

Die Klettgaurinne ist heute ein typisches Kulturl<strong>and</strong>, welches<br />

durch Jahrtausende menschlichen Wirkens geformt ist.<br />

Erste Spuren reichen dabei bis auf die Jungsteinzeit 15<br />

Tausend Jahre vor Christus zurück (siehe Fisler, 1998). Der<br />

Naturraum ist durch die Errichtung von Siedlungen und<br />

Festungen, die Sicherung von Wegen (z.B. durch die Römer<br />

im 1. bis 3. Jahrhundert), durch grossflächige Rodungen von<br />

Wäldern (etwa in der Zeit der L<strong>and</strong>nahme ab dem 10.<br />

Jahrhundert) oder durch Bachverbauungen im grossen Stil<br />

(ab dem 16. Jahrhundert) zurückgedrängt worden. Um die<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung zu optimieren wurden an vielen<br />

Stellen Sümpfe trocken gelegt und Reb-Terrassen angelegt.<br />

Wir gehen heute davon aus, dass an manchen Stellen<br />

des «Guten» zuviel getan wurde. Die Tall<strong>and</strong>schaft vermittelt<br />

an vielen Stellen einen ausgeräumten Eindruck. Gefordert<br />

werden Konzepte für eine angemessene Renaturierung<br />

und die Schaffung von naturnahen Gebieten, um dem heimisehen<br />

Oekosystem, von dem auch der Mensch in vielfältiger<br />

Hinsicht profitiert, einen minimalen Lebensraum zu gewähren.<br />

In dem Entwurf zur kantonalen Richtplanung (Baudepartement<br />

des Kantons Schaffhausen, 1998) im Kapitel Naturund<br />

L<strong>and</strong>schaftsschutz wird unzweideutig festgestellt, dass<br />

«die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten als wichtigste Ressource<br />

gepflegt und saniert werden» müssen (S. 106). Das bei<br />

Osterfingen liegende, wertvolle Feuchtgebiete enthaltende<br />

Wangental und der an die Klettgaurinne im Norden angrenzende<br />

R<strong>and</strong>en sind sog. BNL Gebiete (i.e. L<strong>and</strong>schaften von<br />

nationaler Bedeutung) und bilden einen Schwerpunkt im<br />

Biotopschutz. Die in den Tallagen gelegenen Ackerflächen<br />

sind in der Richtplanung 1998 (vgl. S. 43) Schwerpunkt für<br />

den ökologischen Ausgleich.<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien haben sich in den Jahren 1997<br />

und 1998 anh<strong>and</strong> einer Vielzahl von Methoden damit beschäftigt,<br />

Strategien und Grundlagen zu entwickeln, die für<br />

eine Optimierung des Natur- und L<strong>and</strong>schaftschutzes hilfreich<br />

sind. Als Ergebnisse sind festzuhalten:<br />

- Dem Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz kommt im Rahmen<br />

einer umfassenden Betrachtung der St<strong>and</strong>ortqualität des<br />

Klettgaus eine besondere Bedeutung zu.<br />

In zwei Transsekten von je 400 m Breite und etwa 5 km<br />

Länge wurden die naturnahen Flächen aufgenommen<br />

und die Erlebnisqualität der L<strong>and</strong>schaft ermittelt. Dabei<br />

zeigte sich: Der Anteil der naturnahen Flächen ist in dem<br />

in Deutschl<strong>and</strong> gelegenem Transsekt mit 14,4% deutlich<br />

höher als derjenige im schweizerischen Transsekt, wo er<br />

5.3% beträgt.<br />

Die intensiv genutzte Klettgauebene und die Rebberge<br />

weisen den geringsten Anteil naturnaher Flächen auf.<br />

Hier besteht H<strong>and</strong>lungsbedarf für die Schaffung neuer<br />

naturnaher Elemente. Gleichzeitig sollten die ökologisch<br />

wertvollen Gebiete in den Grenzertragsflächen erhalten<br />

bleiben und falls notwendig gefördert werden.<br />

Die ökologischen Aufwertungen in der Klettgauebene<br />

würden auch die Erlebnisqualität der L<strong>and</strong>schaft erhöhen.<br />

Eine Erhöhung des Flächenanteils des ökologischen<br />

Ausgleichs erscheint unter Berücksichtigung der R<strong>and</strong>bedingungen<br />

(z.B. für die L<strong>and</strong>wirtschaft) realistisch.<br />

Bei der Planung von ökologischen Ausgleichsflächen<br />

sind ökonomische und soziale zu berücksichtigen.<br />

Von Seiten der Bevölkerung werden insbesondere Renaturierungen<br />

im Bereich Gewässer hoch positiv bewertet.<br />

- Bei wachsender Siedlungsfläche erscheint es nötig, auch<br />

für den Siedlungsraum Konzeptionen und Massnahmen<br />

zu entwickeln, die den Naturraum unterstützen.<br />

- Auch im engeren Kreis der Naturschützer finden sich<br />

Interessenkonflikte. Aus diesem Grund und aus Effizienzgründen<br />

ist eine Koordination der Naturschutzaktivitäten<br />

und Planungen notwendig. Der als Folgeprojekt<br />

erstellte Grundlagenordner zur Naturraumgestaltung<br />

(Fendt und Schaffhauser, 1998) soll diese Koordination<br />

unterstützen. Erfreulicherweise konnte im Rahmen der<br />

Fallstudie ein regionales Kontaktnetz zur grenzüberschreitenden<br />

Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte<br />

angeregt werden.<br />

Siedlung<br />

Nach einer hundertjährigen Stagnation der Bevölkerungszahl<br />

im Klettgau ist seit knapp zehn Jahren eine markante<br />

Bevölkerungszunahme zu beobachten. Dies betrifft<br />

vor allem den schweizerischen Klettgau, während im deutschen<br />

Klettgau vor allem um die Jahrhundertwende (Erzin-<br />

20<br />

UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

gen) und nach dem 2. Weltkrieg starke Zuwächse zu verzeichnen<br />

waren. Aus umweltnaturwissenschaftlicher Sicht<br />

ist bei dieser Zunahme von Bedeutung, dass dieser Trend<br />

sich multiplikativ mit der Zunahme im Flächenverbrauch,<br />

den Mobilitätskilometern und dem Energieverbrauch verknüpft<br />

(siehe Abbildung 3.1).<br />

Die Siedlungsfläche hat sich in den letzten 40 Jahren<br />

verdoppelt und beträgt gegenwärtig 15%. Bei linearer<br />

Fortschreibung dieses Trends ist der Klettgau in rund 100<br />

Jahren vollkommen überbaut.<br />

In den meisten Gemeinden und Ortschaften des Klettgaus<br />

gibt es ein hohes Verdichtungspotential. Eine konzentierte<br />

Siedlungsentwicklung sollte sich in den nächsten<br />

Jahren ausschliesslich auf die vorh<strong>and</strong>enen<br />

«Nutzungsreserven innerhalb der rechtskräftigen Bauzonen»<br />

beschränken (vgl. Kanton Schaffhausen, 1998, S.<br />

24).<br />

Das Leben in den Dörfern befindet sich in einer Veränderung.<br />

Um der Gefahr vorzubeugen, dass die <strong>Region</strong><br />

kulturell verarmt und die umliegenden Städte die kulturellen<br />

Aufgaben übernehmen, sind für nachhaltige<br />

Siedlungsentwicklungen institutionelle Neuerungen und<br />

neue soziale Erfindungen geboten.<br />

Auch für den Klettgau ist eine Orientierung an erneuerbaren<br />

Energien angesagt. Es gibt hierfür gute Ansatzpunkte<br />

im Bereich zentraler Holzenergieheizungen<br />

und dezentraler, in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Betrieben installierter<br />

Biogasanlagen.<br />

Die Siedlungsplanung im Kanton Schaffhausen sieht für<br />

die Klettgaurinne drei Entwicklungsgemeinden (Beringen,<br />

Neunkirch und Trasadingen) vor. Diese Entwicklungsgemeinden<br />

besitzen Eisenbahnanschluss und liegen<br />

an der Hauptverkehrsachse. Es sollte geprüft werden,<br />

ob eine grösserflächige Ausweitung des schweizerischen<br />

Trasadingen in unmittelbarer Angrenzung zu Erzingen<br />

nicht eine kritische Grösse überschreitet, die unter dem<br />

Gesichtspunkt der L<strong>and</strong>schaftsentwicklung problematisch<br />

ist.<br />

Die grenzübergreifende Raumplanung in der Klettgaurinne<br />

ist zu verstärken. Dies betrifft den Siedlungsbereich<br />

aber auch die Bereiche Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz<br />

und Siedlung.<br />

Mobilität<br />

Die Mobilität im ländlichen Raum befindet sich in einer<br />

besonderen Lage. Durch die relativ geringe Siedlungsdichte<br />

(siehe Abbildung 3.1) sind Bewohner des ländlichen Raumes<br />

in höherem Masse auf das Auto als Verkehrsmittel<br />

angewiesen als in den Städten, um die Bedürfnisse in vergleichbarer<br />

Weise zu befriedigen. Die Synthesegruppe Mobilität<br />

beh<strong>and</strong>elte die Frage, wie der Verkehr im Klettgau<br />

bezüglich Umweltverträglichkeit, Nachfrage und (externer)<br />

Kosten optimiert werden könnte.<br />

Bevölkerungsentwicklung seit 1950<br />

Siedlungsfläche in m 2 pro Kopf<br />

(St<strong>and</strong> 1980)<br />

1'200 ,........._- m··f5';····_m m...... .·····1 ._m _.__ ,<br />

1'000 i_ --........ _ +""1-_"8 _ {-_ --,<br />

-.>-- Klettgau (tot)<br />

800<br />

8'000 4,S'!<br />

::;;<br />

--+- Klettgau (CH)<br />

---KIeltgau (0)<br />

Schweiz in Mio.<br />

800<br />

.~ ~WeltinMia<br />

8'000 3 Cl<br />

200<br />

1 ~ "<br />

"~<br />

900<br />

800<br />

700<br />

":; 600<br />

0<br />

'iij'<br />

~ 500<br />

0 0<br />

400<br />

~<br />

.5 300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln<br />

Ln Ln Ln Ln "- "- Ln<br />

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ "' ~ '" ~<br />

'"<br />

~<br />

Endenergieverbrauch der Schweiz 1930-1996<br />

0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln<br />

'f '!f Ln Ln Ln Ln "- "- co co<br />

'" ~<br />

'" '"<br />

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~<br />

'"<br />


Synopse ----------------------------------------<br />

Um die Umweltauswirkungen abzuschätzen, wurde ein<br />

Verkehrsbelastungsmodell entwickelt und eine grössere<br />

Umfrage durchgeführt. Die wesentlichen Resultate sind:<br />

Täglich werden im Klettgau pro Person 6.4 Kilometer<br />

mit dem öffentlichen Verkehr und 29.7 Kilometer mit<br />

dem Personenwagen zurückgelegt. Der Freizeitverkehr<br />

nimmt dabei einen grösseren Anteil (41 Prozent) ein als<br />

der Weg zur Arbeit (30 Prozent).<br />

Heute werden im Klettgau bei Ausserachtlassung des<br />

Luftverkehrs (d.h. ausgenommen der L<strong>and</strong>eanflüge nach<br />

ZH-Kloten) täglich 96 Tonnen COz ausgestossen. Damit<br />

liegt der Ausstoss 12% über den Orientierungen der<br />

klimapolitischen Erklärung von Rio. Im Programm 2000<br />

der Eidgenossenschaft wird ein etwas niedrigeres Emissionsniveau<br />

gefordert, indem längerfristiges Einhalten<br />

einer Emissionsmenge von 80 Tonnen Kohlendioxid pro<br />

Tag angestrebt wird.<br />

4. fazit<br />

Der Klettgau zeigt im peripheren Einzugsgebiet der Grossagglomeration<br />

Zürich aktuell eine rasante Siedlungsentwicklung.<br />

Sein Kapital ist die L<strong>and</strong>schaft. Um diese zu<br />

sichern sind in den Bereichen Siedlungsplanung, Natur- und<br />

L<strong>and</strong>schaftsschutz sowie im Bereich Grundwasserschutz<br />

H<strong>and</strong>lungsprogramme zu entwickeln bzw. umzusetzen. In<br />

den Bereichen Mobilität finden wir die für den ländlichen<br />

Raum typischen Verkehrstrukturen, die - mit geeigneten<br />

Ergänzungsmassnahmen - zufriedenstellende Umweltleistungen<br />

erbringen könnten.<br />

Der Klettgau als ländlicher Raum kann die Vorgaben von<br />

Rio und Energie 2000 erfüllen. Mit Hilfe des Verkehrsbelastungsmodells<br />

und der Szenarioanalyse konnte gezeigt<br />

werden: Wenn der Flottenverbrauch auf 6.5 Liter eingeschränkt<br />

und zu 20% aufden öffentlichen Verkehr umgestiegen<br />

wird, zusätzlich die Mobilität um 15% sinkt, erreichen<br />

die Kohlendioxid-Emissionen im Klettgau im Jahr 2010<br />

Werte unter den von Rio geforderten 80 Tonnen pro Tag.<br />

Für das Verkehrssystem wurden folgende Folgerungen<br />

erarbeitet:<br />

Der Klettgau hat bislang kein aussergewöhnliches<br />

Verkehrsproblem. Das Verkehrsproblem ist in dem Sinne<br />

externalisiert, dass die Pendler in den Städten (v.a.<br />

Schaffhausen und Zürich) zum Verkehrsproblem beitragen.<br />

Die wichtigen verkehrspolitischen Entscheide<br />

werden ausserhalb des Klettgau gefallt. Im Klettgau selber<br />

müssen individuelle Lösungen angestrebt werden.<br />

Politisch werden die Weichen jedoch ausserhalb der <strong>Region</strong><br />

gestellt. Eine geplante Autobahn würde für das<br />

Verkehrsproblem im Klettgau (abgesehen vom Grundwasserschutz)<br />

keine wesentliche Verbesserung, jedoch<br />

für die L<strong>and</strong>schaft gravierende Konsequenzen erbringen.<br />

22<br />

UNS-Fallstudie '98


Synopse<br />

Literatur<br />

Baudepartement des Kantons Schaffuausen (1998). Entwurf zur<br />

kantonalen Richtplanung. Schaffuausen: Baudepartement des<br />

Kantons Schaffuausen, Planungs- und Naturschutzamt.<br />

Binder, M. & Biedermann, R. (1997). Vom Stickstoffuaushalt<br />

Schweiz zum konkreten H<strong>and</strong>eln in der <strong>Region</strong> Klettgau (D/CH).<br />

Schaffuausen: Kantonales Laboratorium für Lebensmittelkontrolle<br />

und Umweltschutz.<br />

Binswanger, H. C. & Siegenthaler, C. P. (1995). Ökologische und<br />

ökonomische Rahmenbedingungen der Kiesbewirtschaftung.<br />

Ecologae geol. Helv., 88 (2), 421-434.<br />

Brugger, E. (1985). <strong>Region</strong>alwirtschaftliche Entwicklung: Strukturen,<br />

Akteure und Prozesse. Bem, Stuttgart: Verlag Paul Haupt.<br />

Bürger, K. (1935). DerL<strong>and</strong>schaftsbegriff: Ein Beitrag zurgeographischen<br />

Erdraumauffassung. (Vol. 7). Dresden. [Zitation entnommen<br />

aus: Siebert, A. (1955). Wort, Begriff und Wesen der L<strong>and</strong>schaft.<br />

Umschaudienst des Forschungsausschusses «L<strong>and</strong>schaftspflege<br />

und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung» der Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung Hannover, 5 (2), 1-92.]<br />

Eidgenössisches Departement des Innem (EOI) (1986). Inventar<br />

der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS). Bem: Eidgenössische<br />

Drucksachen- und Materialzentrale.<br />

Elstein, A. S., Shulman, L. S. & Sprafka, S. A. (1978). Medical<br />

problem solving: An analysis of clinical reasoning. Cambridge,<br />

Massachusetts <strong>and</strong> London: Harvard University Press.<br />

Fendt, R. & Schaffhauser, M. (1998). Grundlagenordner: Arbeitsmittel<br />

für naturraumrelevante Projekte in der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />

<strong>ETH</strong> Zürich: Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Fischbein, E. (1975). The intuitive sources of probabilistic thinking<br />

in children. Dordrecht-Boston: D. Reidel Publishing Company.<br />

Fisler, J. (1998). Der Fall D Geschichte des Klettgaus. In R W.<br />

Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie<br />

97 (S. 61-89). Zürich: Rüegger.<br />

Freyer, B., Hartnagel, S. & Rennenkampff, K. (1997). Erarbeitung<br />

von Massnahmen zur Reduktion der Nitratauswaschung ins<br />

Grundwasser durch Anpassungsmethoden in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

im Klettgau. Unveröffentlichtes Manuskript. Waldshut-Tiengen,<br />

Schaffuausen: Interreg H.<br />

Gibbons, M., Limoges, c., Nowotny, H., Schwartzman, S., Scott,<br />

P. & Trow, M. (1994). The new production of knowledge: The<br />

dynamics ofscience <strong>and</strong> research in contemporary societies. Thous<strong>and</strong><br />

Oaks, London, New Delhi: SAGE Publications.<br />

Gigerenzer, G. & Murray, D. J. (1987). Cognition as intuitive<br />

statistics. Hillsdale NJ [etc.]: Erlbaum.<br />

Haber, W. (1995). L<strong>and</strong>schaft. In Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch der Raumplanung<br />

(S. 597-602). Hannover: ARL.<br />

Hammond, K., Hamm, R. M., Grassia, J. & Pearson, T. (1983).<br />

Direct comparison of intuitive, quasi-rational, <strong>and</strong> analytical cognition.<br />

Boulder CO: University of Colorado, Center for research<br />

on judgement <strong>and</strong> Policy institute of cognitive science.<br />

Hard, G. (1969). Die Diffusion der «Idee der L<strong>and</strong>schaft»: Präliminarien<br />

zur Geschichte der L<strong>and</strong>schaftsgeographie. Erdkunde,<br />

XXIII (4), 249-264.<br />

Hard, G. (1970). Die «L<strong>and</strong>schaft» der Sprache und die «L<strong>and</strong>schaft»<br />

der Geographen: Semantische und forschungslogische<br />

Studien zu einigen zentralen Denkfiguren in derdeutschen geographischen<br />

Literatur. (Vol. 11). Bonn: Ferdin<strong>and</strong> Dümmlers Verlag.<br />

Hellpach, W. (1965). Geopsyche: Die Menschenseele unter dem<br />

Einfluss von Wetter und Klima, Boden und L<strong>and</strong>schaft. (7. Auflage).<br />

Stuttgart: Hippokrates-Verlag.<br />

Hörmann, H. (1967). Psychologie derSprache. Berlin [etc.]: Springer.<br />

Klink, H.-J. (1995). Naturraum/Naturräumliche Gliederung. In<br />

Akademie für Raumforschung und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch<br />

der Raumplanung (S. 664-670). Hannover: ARL.<br />

Leser, H. (1984). Zum Ökologie-, Ökosystem- und Ökotopbegriff.<br />

Natur- und L<strong>and</strong>schaft, 59 (9), 351-357.<br />

Leser, H. (1991). L<strong>and</strong>schaftsökologie: Ansatz, Modelle, Methodik,<br />

Anwendung. (3. Auflage). Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer.<br />

Mosimann, T. (1984). L<strong>and</strong>schaftsökologische Komplexanalyse.<br />

Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH.<br />

Muntjewerff, A. (1994). From solving cases in legal education to<br />

legal problem solving. In M. O'Suilleabhain, E. A. Stuhler, D. J.<br />

De Tombe (Hrsg.), Legal theory <strong>and</strong> cases: Shifting frontiers (S.<br />

50-71). München, Mering: Rainer Hampp Verlag.<br />

Otte, M. (1994). Das Formale, das Soziale und das Subjektive. Eine<br />

Einführung in die Philosophie und Didaktik der Mathematik.<br />

Frankfurt a. Main: Suhrkamp.<br />

Penck, A. (1928). Neuere Geographie. Sonderdruck aus dem Jubiläums-Sonderb<strong>and</strong><br />

der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde<br />

zu Berlin. Berlin: Gesellschaft für Erdkunde.<br />

Prasuhn, V. (1998). Abschätzung der Stickstoffverluste aus diffusen<br />

Quellen in die Gewässer und der Wirkung von Massnahmen in<br />

der L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Böseh, H. A.<br />

Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />

Umgang mit Boden. <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 97 (S. 284-294). Zürich:<br />

Rüegger.<br />

Regli, K., Roth, H., Biedermann, R, Pabst, w., Scholz, R. W. et al.<br />

(1998). Schlussbericht Entwicklungskonzeption Klettgaurinne Interreg<br />

II EGjEU . Schaffuausen / Wa1dshut-Tiengen: Kantonales<br />

Laboratorium für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz / Gewässerdirektion<br />

südlicher Oberrhein/Hochrhein.<br />

Sacks, O. W. (1990). Awakenings. London: Pan Books Ltd.<br />

Scharna, S. (1996). L<strong>and</strong>scape <strong>and</strong> memory. New York: Vintage<br />

Books.<br />

Schmithüsen, J. (1963). Was ist eine L<strong>and</strong>schaft. Wiesbaden: Franz<br />

Steiner Verlag GmbH.<br />

Schmitz, G. (1995). <strong>Region</strong>alplanung. In Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch der Raumplanung<br />

(S. 823-830). Hannover: ARL.<br />

Scholz, R W. (1986). Zur Konzeptualisierung kognitiver Strategien<br />

beim stochastischen Denken: Urteilsheuristiken und Denkrnodi.<br />

Theoretische Anmerkungen und experimentelle Befunde. In H. G.<br />

Steiner (Hrsg.), Grundfragen der Entwicklung mathematischer<br />

Fähigkeiten (Vol. IDM 13, S. 69-86). Köln: Aulis Verlag Deubner<br />

&Co.KG.<br />

Scholz, R W. (1987). Cognitive strategies in stochastic thinking.<br />

(I ed.). Dordrecht: D. Reidel Publishing Company (Kluwer).<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

23


Synopse --------------------------------------------<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1999, in press). Integrating knowledge<br />

with case studies: Formative methods for better decisions. Thous<strong>and</strong><br />

Oaks, London, New Delhi: SAGE Publications.<br />

Scholz, R. w., Böseh, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.) (1998).<br />

Fallstudie 1997: <strong>Region</strong> Klettgau. Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden. Zürich: Rüegger.<br />

Seuse, H. (1907). Das Buch der Wahrheit. [Zitation entnommen<br />

aus: Sturlese, L. & Blumrich, R. (Hrsg.) (1993). Das Buch der<br />

Wahrheit - Daz buechli der warheit (Mittelhochdeutsch - Deutsch)<br />

von Heinrich Seuse. Kritische Übersetzung. Hamburg: Meiner.]<br />

Siebert, A. (1955). Wort, Begriff und Wesen der L<strong>and</strong>schaft.<br />

Umschaudienst des Forschungsausschusses «L<strong>and</strong>schaftspflege<br />

und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung» der Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung Hannover, 5 (2), 1-92.<br />

Sinz, M. (1995). <strong>Region</strong>. In Akademie für Raumforschung und<br />

L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch der Raumplanung (S.<br />

805-808). Hannover: ARL.<br />

Springer, S. P. & Deutsch, G. (1993). Left brain, right brain.<br />

(Fourth edition). New York: Freeman.<br />

Sturlese, L. & Blumrich, R. (Hrsg.) (1993). Das Buch der Wahrheit<br />

- Daz buechli der warheit (Mittelhochdeutsch - Deutsch) von<br />

Heinrich Seuse. Kritische Übersetzung. Hamburg: Meiner.<br />

Trepl, L. (1987). Geschichte der Oekologie: Vom 17. Jahrhundert<br />

bis zur Gegenwart: Zehn Vorlesungen. (Vol. 4070). Frankfurt am<br />

Main: Athenaeum.<br />

Trepl, L. (1995). Die L<strong>and</strong>schaft und die Wissenschaft. In K.-H.<br />

Erdmann & H. G. Kastenholz (Hrsg.), Umwelt- und Naturschutz<br />

am Ende des 20. Jahrhunderts: Probleme, Aufgaben, Lösungen (S.<br />

11-26). Heidelberg: Springer.<br />

Troll, C. (1950). Die geographische L<strong>and</strong>schaft und ihre Erforschung,<br />

Studium Generale, 3, 163-181.<br />

Weyl, H. (1995). Geschichte der <strong>Region</strong>alplanung. In Akademie<br />

für Raumforschung und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch<br />

der Raumplanung (S. 413-419). Hannover: ARL.<br />

24 UNS-Fallstudie '98


- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />

Mit dem Thema <strong>Region</strong>alentwicklung beh<strong>and</strong>elt die <strong>ETH</strong>­<br />

UNS Fallstudie zur <strong>Region</strong>alentwicklung Klettgau einen<br />

Gegenst<strong>and</strong>, der traditionell der Geographie und der Raumforschung<br />

zugeordnet ist. Dies wirft die berechtigte Frage<br />

auf, welchen spezifischen Beitrag die Umweltwissenschaften<br />

zu diesem Thema leisten können und inwieweit l<strong>and</strong>schaftsökologische,<br />

raumplanerische, und geographische<br />

Betrachtungsweisen unter dem Aspekt einer nachhaltigen<br />

Entwicklung zu ergänzen sind.<br />

Wir präsentieren dazu zunächst Definitionsvorschläge,<br />

um darauf aufbauend eine spezifische Vorgehensweise vorzustellen,<br />

welche analytische und ganzheitliche Konzeptionen<br />

in der Forschung zur <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />

in Beziehung setzt.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

25


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

1 Begriff<strong>Region</strong><br />

Allgemein versteht man unter dem Begriff <strong>Region</strong> einen<br />

durch bestimmte Merkmale gekennzeichneten zusammenhängenden<br />

(Teil-)Raum mittlerer GrÖsse. «Der Begriff <strong>Region</strong><br />

bezog sich im Deutschen ursprünglich auf als einheitlich<br />

empfundene L<strong>and</strong>schaften oder auf kulturell oder demographisch<br />

einheitlich geprägte Räume» (Weyl, 1995, S.<br />

413). Heute verwenden viele Wissenschaften wie zum Beispiel<br />

die Medizin oder die Psychologie den <strong>Region</strong>sbegriff<br />

(Sinz, 1995, S. 805).<br />

In der Geographie sind <strong>Region</strong>en grössere Systeme und<br />

werden von Raumeinheiten mit <strong>and</strong>eren Grössenordnungen<br />

unterschieden. Eine umfassende Übersicht über 24 verschiedene<br />

Begriffssysteme mit Bezug zum Begriff <strong>Region</strong><br />

findet sich in Leser (1997, pp. 202; vgl. auch Neef, 1963).<br />

Aus der Perspektive des vorliegenden Falls (d.h. des Klettgaurinne)<br />

erscheint dabei die «Theorie der geographischen<br />

Dimensionen» hilfreich, in der topische (topologische), chorische,<br />

regionische und geosphärische Grössenordnungen<br />

unterschieden werden (siehe dazu den Kasten Tope, Choren,<br />

<strong>Region</strong>en). Diese Begriffe definieren Raumeinheiten mit<br />

überlappenden Grössenordnungen, wobei bei den Topen,<br />

Choren und Sphären eindeutig die geophysikalischen und<br />

geoökologischen Eigenschaften des Raumes im Vordergrund<br />

stehen (s. Abb. 1.1).<br />

___ "Grenzen" verschieden­<br />

............ artiger Geoökotope<br />

Abb. 1.1: Die naturräumliche<br />

Ordnung am Beispiel eines Einzugsgebietes<br />

im Hochgebirge.<br />

Die charakteristisch angeordneten<br />

und beschaffenen Geoökotope<br />

(homogene l<strong>and</strong>schaftsökologische<br />

Grundeinheiten) bilden<br />

im Verb<strong>and</strong> ein Chor (heterogenes<br />

Ökotopgejüge). Die Abgrenzung<br />

eifolgt nach dem räumlichen<br />

Kontext und nach aktuelldynamischen<br />

Merkmalen (z.B.<br />

Mesoklima oder Gebietswasserhaushalt)<br />

und umfasst hier beispielsweise<br />

ein Seitental (aus:<br />

Leser, 1997).<br />

26 UNS-Fallstudie '98


------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

1.1 der KIf~ttf,rau<br />

Die Klettgaurinne ist aus der Sicht der Physischen Geographie<br />

und der L<strong>and</strong>schaftsökologie durchaus als (Klein)-<strong>Region</strong><br />

zu betrachten. Dies ergibt sich durch die geomorphologischen,<br />

geohydrologischen und klimatischen Besonderheiten<br />

der Klettgaurinne. Als geschlossenes Tal wurde die<br />

Klettgaurinne in den <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien über das oberirdische<br />

Einzugsgebiet definiert, unter dem - leicht verschoben<br />

ein Grundwasserspeicher (Aquifer) gelegen ist. Das<br />

Tal unterscheidet sich vom südlich gelegenen Oberrheintal<br />

und dem nördlich gelegenen Wutachtal (siehe Abb. 1.2)<br />

geomorphologisch durch das Fehlen eines Flusses und<br />

weist, im Windschatten des Schwarzwaldes, durchaus ein<br />

eigenes Mikroklima auf.<br />

Aus umweltwissenschaftlicher Sicht ist von Bedeutung,<br />

dass bei dem <strong>Region</strong>sbegriffnicht nurgeotypische Merkmale<br />

zur Kennzeichnung der Areale herangezogen werden,<br />

sondern ein bestimmtes, für den Gesamtraum repräsentatives<br />

Gefüge, zu dem auch die soziokulturelle und die ökonomische<br />

Dimension gehören (vgl. Klink, 1995, S. 669). Mit<br />

diesen eine <strong>Region</strong> definierenden Merkmalen wird der Rahmen<br />

engerer naturwissenschaftlicher Betrachtungen verlassen.<br />

<strong>Region</strong>en sind oder vor für den Menschen<br />

funktionale räumliche Einheiten.<br />

Der ist in diesem Sinne als zu<br />

betrachten. Eine Einordnung des grenzübergreifenden Gebiets<br />

Klettgau(rinne) als macht etwa unter dem<br />

Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung dann einen<br />

wenn die Raumabgrenzungen bessere<br />

für<br />

eine positive<br />

erbringen als <strong>and</strong>ere Abgrenzungen.<br />

Eine<br />

in den Bereichen<br />

Grundwasserschutz und Naturschutz lässt sich trivialer Weise<br />

nur erreichen, wenn im deutschen und schweizerischen<br />

Teil ein verantwortungsvoller mit Boden gezeigt<br />

wird (vgl. Scholz et al., 1998; et al., 1998).<br />

Gegenst<strong>and</strong> der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 ist es zu<br />

fen, inwieweit dies unter sozialen und wirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten) gegeben ist. In diesem Zusammenhang<br />

spielt auch die<br />

eine Rolle, dass es im<br />

Abb.1.2: Die Klettgaurinne ist ein Einschnitt in einem Juragebirge, welches sich von Oberlauchringen mit einem nördlichen<br />

Kamm über den Hallauerberg in den R<strong>and</strong>en zieht. Südlich wird die Rinne von einem schmalen Jurahang (Südr<strong>and</strong>en)<br />

begrenzt. Die Klettgaurinne velfügt heute über keinen grösseren Flusslauf mehr und unterscheidet sich auch dadurch<br />

l<strong>and</strong>schaftlich von dem in Triasschichten eingekerbten Wutachtal und dem Hochrheintal. Die Böden der Klettgaurinne<br />

bestehen mehrheitlich aus Risseiszeitlichen Schottern, die in der Mitte der Rinne mit einer Schicht von Schwemmlehmen<br />

(


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

Zeitalter der Globalisierung für eine nachhaltige Entwicklung<br />

notwendig ist, neue stabile Teilsysteme zu definieren,<br />

die eine gewisse Selbstregulierungsfähigkeit besitzen. Diese<br />

Teilsysteme (das heisst <strong>Region</strong>en) können dann als Trägerelernent<br />

von grösseren Systemen fungieren.<br />

2 Zum Begriff L<strong>and</strong>schaft<br />

Der BegriffL<strong>and</strong>schaft ist ein Begriff, der schon von seinem<br />

etymologischen Ursprung her einen Bezug zu dem «durch<br />

den Menschen Geschaffenen» (siehe Kasten Ursprung des<br />

L<strong>and</strong>schaftsbegriffs) besitzt. Wir führen nun in verschiedene<br />

Zugänge zum Begriff L<strong>and</strong>schaft ein, um den spezifischen,<br />

der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie zugrundeliegenden Zugang<br />

deutlich zu machen.<br />

2.1 l<strong>and</strong>schaft als Begegnungsraum<br />

«Im Lichte der von Polenz entwickelten sprach-archäologischen<br />

Methode erwiesen sich sämtliche älteren L<strong>and</strong>schaftsnamen<br />

als Namen für besiedelte und wirtschaftlich<br />

erschlossene L<strong>and</strong>flächen, die mehrere Siedlungseinheiten<br />

umfassen und sich in der Regel auf den Umkreis beziehen,<br />

den ein Angehöriger der unteren soziologischen Schichten<br />

einer sesshaften Bevölkerung im Laufe seines Lebens kennen<br />

lernen kann, ohne 'reisen' zu müssen, d.h. eine Tagesreise<br />

zu Fuss nach allen Richtungen vom Wohnort aus nicht<br />

überschreiten. Sie sind meist mit einem gewissen L<strong>and</strong>schaftsbewusstsein<br />

verbunden, das sich unter <strong>and</strong>erem im<br />

Marktverkehr, in den Heiratsbeziehungen, in der Entstehung<br />

mundartlicher Kemgebiete und damit im Bewusstsein<br />

der Einwohner einer <strong>Region</strong> manifestierte» (Piepmeier<br />

1980).<br />

Ende des 12. Jahrhunderts kommt eine neue Bedeutung<br />

des Wortes «L<strong>and</strong>schaft» hinzu, nämlich als einheimische<br />

(adelige) Bevölkerung eines L<strong>and</strong>es oder Gebietes (das<br />

heisst die L<strong>and</strong>smannschaft). In dieser Begriffsdeutung ist<br />

«immer eine räumliche Bindung in Form einer gebietsgebundenene<br />

Personengruppe erkennbar» (Haber, 1995, S.<br />

597).<br />

28<br />

UNS-Fallstudie '98


------------------------------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

In diesen Definitionen werden die soziale Dimension von<br />

L<strong>and</strong>schaft und der Aspekt der sozialen Identität hervorgehoben.<br />

Bemerkenswerte L<strong>and</strong>schaftsdarstellungen gab es bekanntlich<br />

schon in der Freskomalerei der Römerzeit und in der<br />

ostasiatischen L<strong>and</strong>schaftsmalerei (vgl. SchmithÜsen, 1976,<br />

S.79).<br />

In Europa beginnt im 13. Jahrhundert mit dem aufkommenden<br />

Humanismus die Neuentdeckung der antiken Ansichten<br />

der irdischen Umwelt. 1473 schafft Leonardo da<br />

Vinci die erste von allem FigÜrlichen befreite L<strong>and</strong>schaftsdarstellung<br />

(Fassmann, 1976). Das erste neuzeitliche L<strong>and</strong>schaftsgemälde<br />

ohne menschliche Figuren und Gebäude hat<br />

nach Haber (1995, S. 597) Altdorfer um 1530 geschaffen.<br />

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde es Üblich, dass die<br />

Maler Personen vor einem l<strong>and</strong>schaftlichen anstelle eines<br />

einfarbigen Hintergrundes darstellten. Die KÜnstler hatten<br />

«keine Hemmungen, biblische Motive in eine mitteleuropäische<br />

L<strong>and</strong>schaft zu 'versetzen' (Haber, 1995, S.<br />

597)>>, wesentlich war jedoch, dass menschliche H<strong>and</strong>lungen<br />

dargestellt wurden (Eberle, 1980). Unter L<strong>and</strong>schaft<br />

wurde im angehenden Mittelalter ein «gemaltes L<strong>and</strong>schaftsbild»<br />

verst<strong>and</strong>en (Hard, 1970, S. 22). Eine eigenständige<br />

Darstellung von L<strong>and</strong>schaftsausschnitten ist somit zeitgeschichtlich<br />

ein relativ neues Phänomen. Wie von Eberle<br />

(1980) an Beispielen aufgezeigt wird, sind in der Darstellung<br />

von Natur- und L<strong>and</strong>schaft verschiedene Entwicklungsstufen<br />

zu unterscheiden. Dominiert in Bildern des<br />

14./15. Jahrhunderts die Einheit von Stadt und L<strong>and</strong>, st<strong>and</strong><br />

im 16. Jahrhundert die unmittelbare Präsenz von Natur und<br />

L<strong>and</strong>schaft im Vordergrund. Im 17. Jahrhundert schliesslich<br />

wurde L<strong>and</strong>schaft als veredelte und inszenierte Natur<br />

(


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

Wissenschaft seit den späten siebzigerJahren. Carl Troll, der<br />

Schöpfer des Begriffs «L<strong>and</strong>schaftsökologie» hatte diesen<br />

Begriff 1964 in «Geoökologie» umgew<strong>and</strong>elt, weil erfürchtete,<br />

dass das Wort «L<strong>and</strong>schaft» und der Begriff<br />

«L<strong>and</strong>schaftsökologie» international missverst<strong>and</strong>en werden<br />

könnte.<br />

2.4 l<strong>and</strong>schaft als wissenschaftlicher<br />

Begriff<br />

Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde «L<strong>and</strong>schaft»<br />

ein wissenschaftlicher Begriff. Alex<strong>and</strong>er von Humboldt<br />

definiert «L<strong>and</strong>schaft» als «Totalcharakter einer Erdgegend».<br />

Nach Humboldt sind L<strong>and</strong>schaften als Ganzheiten<br />

zu begreifen, wobei die naturräumlichen Gegebenheiten<br />

betont werden und neben Klima und Oberflächengestalt vor<br />

allem die Vegetation die Charakteristik der L<strong>and</strong>schaft bestimmt.<br />

Nach dem Tode Humboldts 1859 begann das Zeitalter der<br />

Spezialisierung. Nur in der physischen Geographie blieb<br />

L<strong>and</strong>schaft als ein Haupt-Forschungsgegenst<strong>and</strong> erhalten,<br />

und seit Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs langsam auch<br />

die Biologie, insbesondere über die Vegetationskunde<br />

(Pflanzensoziologie), in die l<strong>and</strong>schaftliche Dimension hinein<br />

(Haber, 1995, S. 597).<br />

Es ist jedoch festzuhalten, dass L<strong>and</strong>schaft «im wesentlichen<br />

ein Charakteristikum der deutschen Geographie gewesen<br />

ist» (Hard, 1970, S. 230, vgl. auch Siebert, 1955).<br />

Prägend für den deutschen geographischen L<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />

waren die Definitionen von Bürger (1935) und Troll<br />

(1950), von der die neuere präsentiert wird. «Unter einer<br />

geographischen L<strong>and</strong>schaft versteht die ... Geographie einen<br />

Teil der Erdoberfläche, der nach seinem äusseren Bilde<br />

und dem Zusammenwirken seiner «Erscheinungen» sowie<br />

den inneren und äusseren Lagebeziehungen eine Raumeinheit<br />

von bestimmtem Charakter bildet und der an geographischen<br />

natürlichen Grenzen in L<strong>and</strong>schaften von <strong>and</strong>erem<br />

Charakter übergeht» (Troll, 1950). Heute finden wir eine<br />

Mannigfaltigkeit von Zugängen. Ewald (1999) unterscheidet<br />

holistische, analytische, disziplinäre und disziplinenübergreifende<br />

sowie natur- und sozialwissenschaftliche<br />

Konzeptionen.<br />

Um die Vielschichtigkeit des L<strong>and</strong>schaftsbegriffs zu illustrieren,<br />

möchten wir aufden L<strong>and</strong>schaftsbegriffdes deutschen<br />

Geographen Josef Schmithüsen eingehen, wie er ihn<br />

im Rahmen der Allgemeinen Geosynergetik (1976) vorgestellt<br />

hat. Die Allgemeine Geosynergetik ist als Teilgebiet<br />

der Geographie zu verstehen, und wird von ihm auch geographische<br />

L<strong>and</strong>schaftslehre, L<strong>and</strong>schaftsforschung und<br />

L<strong>and</strong>schaftswissenschaft genannt. Ein wesentliches Kennzeichen<br />

ist, dass die «l<strong>and</strong>schaftliche oder die synergetische<br />

Methode... von den Örtlichkeiten» ausgeht, d.h. «den kleinsten<br />

anschaulichen erfassbaren, geographisch relevanten<br />

Einheiten der noch nicht sachanalytisch zergliederten geosphärischen<br />

Wirklichkeit» (J. Schmithüsen, 1976, S.52).<br />

«... (Geo-)Synergie (oder L<strong>and</strong>schaft)>> sind «der Inbegriff<br />

der Beschaffenheit eines nach seinem Gesamtcharakter als<br />

Einheit begreifuaren Teils der Geosphäre von geographisch<br />

relevanterGrössenordnung» (1. Schmithüsen, 1976, S. 147).<br />

Unter Bezug auf die deutsche Philosophie sucht Schmithüsen<br />

mit dem L<strong>and</strong>schaftsbegriff einen ganzheitlichen Zugang.<br />

L<strong>and</strong>schaften werden als Gesamtcharakter geographischer<br />

Wirkungssysteme begriffen. «Ziel der Geographischen<br />

Wissenschaft [ist es] ..., die konkrete räumliche Mannigfaltigkeit<br />

der Geosphäre zu begreifen und darzustellen,<br />

[man] nennt ... sie auch eine chorologische Wissenschaft» (J.<br />

Schmithüsen, 1976, S.28, siehe Kasten I). «Der L<strong>and</strong>schaftsraum<br />

gehört im weiteren Sinne in die Kategorie der<br />

Idiochore [... und] setzt somit den Begriff der L<strong>and</strong>schafts<br />

(-synergie) voraus.... Zwischen dem ... BegriffL<strong>and</strong>schaftsraum<br />

und allen <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>begriffen besteht ein entscheidender<br />

Unterschied. Mit der Idee des L<strong>and</strong>schaftsraumes<br />

haben wir eine Möglichkeit gefunden, Ländereinheiten<br />

nach einem Kriterium abzugrenzen, das dem Wesen der<br />

Geosphäre optimal gerecht wird» (J. Schmithüsen, 1976,<br />

S.55). «L<strong>and</strong>schaft ist die Beschaffenheit eines L<strong>and</strong>schaftsraumes.<br />

Damit ... (ist) L<strong>and</strong>schaft im Gegensatz zu<br />

L<strong>and</strong>schaftsraum kein Raumbegriff, sondern ein qualitativer<br />

(Beschaffenheits-)Begriff» (1. Schmithüsen, 1976, S.<br />

148).<br />

Dieser Ansatz der Geographie der siebziger Jahre wirft<br />

einige grundsätzliche und bis heute unbeantwortete Fragen<br />

auf:<br />

- L<strong>and</strong>schaft als qualitativer (Beschaffenheits-)Begriff<br />

setzt eine subjektive, die Beschaffenheit klassifizierende<br />

und qualifizierende Perspektive voraus. Diese gilt es zu<br />

explizieren.<br />

- Mit den Kategorien «Gesamtcharakter» und «als Einheit<br />

begreifbar» werden ganzheitliche und normative Grössen<br />

eingeführt. Es gilt, die Bezugssysteme für diese<br />

Kategorien zu bestimmen und aufzuzeigen, wie diese<br />

ganzheitlichen Systeme analytisch zugänglich gemacht<br />

werden.<br />

- Es bleibt offen, ob L<strong>and</strong>schaft oder Identität von L<strong>and</strong>schaft<br />

phylogenetische (d.h. stammesgeschichtliche) Invarianten<br />

aufweisen (also bestimmte L<strong>and</strong>schaften für<br />

den Menschen per se attraktiver sind und eine «Identität»<br />

bekommen), oder ob eher ein ontogenetischer (individualpsychologischer)<br />

Zugang gesucht wird.<br />

Den aktuellsten umfassenden Zugang zur L<strong>and</strong>schaft bietet<br />

der systemtheoretische Ansatz von Leser (1997) und<br />

Mosimann (1984). In seinem Buch fasst Leser «L<strong>and</strong>schaftsökologie<br />

als den Fachbereich auf, der sich mit den<br />

Wechselwirkungen der Faktoren des L<strong>and</strong>schaftssystems<br />

beschäftigt, die sich funktional und visuell in der «L<strong>and</strong>schaft»,<br />

zum Beispiel einer sehrkomplexen TerritorialstruktUf,<br />

repräsentieren» (1997, S. 25). Wie Trepl (1987, S. 20)<br />

bemerkt, werden mit L<strong>and</strong>schaft zwei zu unterschiedlichen<br />

Zeitepochen entwickelte Konzeptionen verbunden: Das alte<br />

abiotisch-materielle Kosmosmodell und das neuere, im 18.<br />

Jahrhundert entst<strong>and</strong>ene Modell des lebenden Organismus.<br />

L<strong>and</strong>schaftsökologie ist demnach keine Disziplin, sondern<br />

L<strong>and</strong>schaft gestaltet sich, wie es Ewald (1997) ausdrückte,<br />

undiszipliniert, indem sie sich nicht von einer einzigen<br />

Fachdisziplin abschliessend erfassen lässt.<br />

30<br />

UNS-Fallstudie '98


_____________________________________ <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

3 Umweltwissenschaftliche<br />

Zugänge zum <strong>Region</strong>sl<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />

3.1 Naturwissenschaftliche Zugänge<br />

zum L<strong>and</strong>schaftsbegriffs<br />

Ein Überblick über naturwissenschaftliche Zugänge zum<br />

L<strong>and</strong>schaftsbegriffbeziehungsweise zur L<strong>and</strong>schaftsökologie<br />

findet sich in Leser (1997, S. 136 ff.). Wesentlich sind<br />

die unterschiedlichen, sich ergänzenden Zugänge aus biotischer<br />

und abiotischer Sicht, die wir in Bioökologie und<br />

Geoökologie finden. Beide Wissenschaftsdisziplinen betrachten<br />

ihre Gegenstände als funktional und räumlich. Innerhalb<br />

der räumlichen Betrachtungsweise ist L<strong>and</strong>schaft<br />

als Zusammenwirken von Biotop, Geotop und Anthropotop<br />

zu denken. In der funktionalen Betrachtungsweise wird das<br />

L<strong>and</strong>schaftsökosystem als Interaktion von Biosystem, Geosystem<br />

und Anthroposystem begriffen. Anthropotop und<br />

Anthroposystem sind dabei sowohl naturwissenschaftlich<br />

als auch sozialwissenschaftlich bestimmt.<br />

3.2 Sozialwissenschaftliche Zugfinge<br />

zum L<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />

In der Sozialgeographie und in den korrespondierenden<br />

Systemen gibt es traditionell eine Vielzahl von verschiedenen<br />

Zugängen, welche das gesamte Spektrum von Varianten<br />

der Geisteswissenschaften, Psychologie, politischen Wissenschaften,<br />

empirischen Sozialwissenschaften bis hin zu<br />

den Sprachwissenschaften umfassen (vgl. 1. Schmithüsen,<br />

1963). L<strong>and</strong>schaft wird beispielsweise in geisteswissenschaftlichen<br />

Zugängen als ästhetisches Erleben und subjektives<br />

Ereignis oder als «metaphysische Seele» im Sinne<br />

eines «künstlerischen Wesens» aufgefasst (Thoene, 1924).<br />

Einen linguistischen und etymologischen Zugang zum<br />

L<strong>and</strong>schaftsbegriff wählte etwa Hard (1970), indem er die<br />

«Idee derL<strong>and</strong>schaft» mitden Methoden derSprachpsychologie<br />

(vgl. etwa Hörmann 1967) analysierte. Untersucht<br />

werden hier Bedeutungsfelder, die mit dem Begriff L<strong>and</strong>schaft<br />

assoziiert werden. Wir möchten aber darauf verweisen,<br />

dass diese Zugänge eigentlich als Meta-L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />

zu betrachten sind, da die L<strong>and</strong>schaft nur mittelbarer<br />

Gegenst<strong>and</strong> der wissenschaftlichen Arbeit ist und letztlich<br />

die mentalen Repräsentationen von L<strong>and</strong>schaft (wie zum<br />

Beispiel Küstenl<strong>and</strong>schaft oder Bauernl<strong>and</strong>schaft) in den<br />

Köpfen von Personen oderin Lexika Gegenst<strong>and</strong> existieren.<br />

Anders verhält es sich mit Forschungsfeldern, in denen<br />

die Wirkung von geoökologischen L<strong>and</strong>schaftssystemen<br />

aufden Menschen betrachtet wird, wie beispielsweise in der<br />

Kulturanthropologie oderin der Psychologie. Ein noch stark<br />

in der philosophischen Psychologie verhafteter und teilweise<br />

in die Metaphysik hineinreichender Ansatz wurde von<br />

Hellpach (1965) vertreten. L<strong>and</strong>schaft wird hier als sinnlicher<br />

Gesamteindruck aufgefasst, der von einem Stück Erdoberfläche<br />

und dem «dazugehörigen Abschnitt von Him-<br />

melsgestirnen» ausgeht. Im weiteren Sinne als eine neuere<br />

Variante des Hellpachschen Ansatzes ist die Biophilia Hypothese<br />

von Wilson und Kellert (1993, vgl. auch Kahn 1997)<br />

zu betrachten, in der die Abhängigkeit des Menschen von<br />

seiner materiellen Umgebung biologisch begründet wird<br />

und physische, intellektuelle, emotionale und spirituelle<br />

Bereiche umfasst. Die beiden vorstehenden Ansätze reichen<br />

beide über den l<strong>and</strong>schaftsästhetischen Bereich hinaus, gelten<br />

aber als nur sehr schwach empirisch belegt.<br />

3.3 Holistische analytische<br />

Konzeptionen<br />

Der L<strong>and</strong>schaftsbegriff hat die (analytische) Wissenschaft<br />

immer wieder zu holistischen, ganzheitlichen Betrachtungen<br />

verführt. Dies gilt insbesondere für den deutschsprachigen<br />

Raum. Eine Ursache dürfte in den Reiseberichterstattungen<br />

liegen, die zwischen 1900 und 1940 im belletristischen<br />

Stil von Geographen und Schriftstellern verfasst wurden<br />

(vgl. Hard, 1970, p. 23).<br />

Grenzen und Möglichkeiten ganzheitlicher wissenschaftlicher<br />

Forschung sind ein altes, aber für die Umweltwissenschaften<br />

relevantes und neu zu diskutierendes Thema. Die<br />

L<strong>and</strong>schaftsanalyse eignet sich sowohl dazu, die Grenzen<br />

der analytischen partikularen und der ganzheitlichen Betrachtungsweise<br />

aufzuzeigen, als auch die Notwendigkeit<br />

der Verbindung dieser beiden Erkenntnistypen, das heisst<br />

intuitiver und analytischer Denkmodi, zu illustrieren.<br />

Wie lassen sich aber nun analytische und ganzheitliche<br />

Zugänge zum L<strong>and</strong>schaftsbegriff mit dem analytischen<br />

Wissen verbinden?<br />

Wir wollen auf zwei Begriffssysteme aus der Erkenntnistheorie<br />

beziehungsweise den Kognitionswissenschaften<br />

zurückgreifen und das Begriffspaar Analysis versus Intuition<br />

sowie das Begriffstripel Erklären, Begreifen und Verstehen<br />

betrachten.<br />

Die Komplementarität zwischen Analysis und Intuition<br />

wird in den Kognitionswissenschaften beziehungsweise der<br />

Kognitionspsychologie in ausführlicher Weise beh<strong>and</strong>elt<br />

(vgl. Hammond, Hamm, Grassia und Pearson, 1983; Fischbein,<br />

1975; Scholz, 1987; Gigerenzer, 1993; Gigerenzer<strong>and</strong><br />

Goldstein, in press; Springer und Deutsch, 1993). Analysis<br />

und Intuition werden dort als Denkmodi begriffen, die sich<br />

unterschiedlicherkognitiver Prozesse und Gedächtnisrepräsentationen<br />

bedienen. Fürdie Komplementaritätvon Analysis<br />

und Intuition findet sich eine operationale Definition in<br />

Scho1z (1987).<br />

Unter Referenz aufdie genannten Arbeiten schliessen wir,<br />

dass Intuition Best<strong>and</strong>teil von Erkenntnis-, Urteils-, Diagnose<br />

und Problemlöseprozessen ist und damit als ein Wesenszug<br />

wissenschaftlicher und planerischer Arbeit zu begreifen<br />

ist. Dies gilt insbesondere für ein Verständnis und die<br />

Entwicklung von L<strong>and</strong>schaft.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

31


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

begriffliche Erschliessen eines Gegenst<strong>and</strong>s und ist damit<br />

ebenfalls wie das Erklären, nur in komplexerer Form, dem<br />

analytischen Denken zugeordnet.<br />

Das Begreifen steht in einer gewissen Komplementarität<br />

zu dem dritten Begriff, dem Verstehen. Dem Verstehen<br />

unterliegt, aus der Perspektive der Denkpsychologie, ein<br />

holistischer, paralleler, bildhafter Prozess wie wir ihn beim<br />

intuitiven Denken beschrieben haben. So «weiss» oder zumindest<br />

glaubt der begabte Diagnostiker - Mediziner wie<br />

Psychologe - im günstigsten Falle «sofort», beim ersten<br />

Anblick des «Falles» zu wissen, «was los ist» und bemüht<br />

sich erst nachher um die begrifflich-sprachliche Formulierung<br />

und Einordnung des unmittelbar Gehabten und Verst<strong>and</strong>enen.<br />

Begreifen und Verstehen sind als wechselseitige Akte der<br />

Erkenntnisgewinnung anzusehen. Einschränkend muss ich<br />

dazu anfügen, dass der wechselseitige Bezug der beiden<br />

Formen nicht sehr ausgebildet ist. Zumindest bei experimentellen<br />

Untersuchungen konnten Evidenzien gesammelt<br />

werden, dass Individuen nicht sehr gut in der Lage sind,<br />

beide Formen ergänzend auf eine Problemlösung anzuwenden.<br />

Dies mag auch in folgendem, Hegel zugeschriebenen<br />

Witzwort zum Ausdruck kommen, der gesagt haben soll<br />

«Von allen meinen Schülern hat mich nur ein einziger verst<strong>and</strong>en,<br />

und der hat mich nicht begriffen».<br />

Man muss verst<strong>and</strong>en haben, um endgültig begreifen zu<br />

können. So muss man etwa das Sinngefüge einer Sprache<br />

oder der Mathematik in toto verst<strong>and</strong>en haben, wenn man<br />

imst<strong>and</strong>e sein soll, einen bestimmten mathematischen Satz<br />

zu erfassen, d.h. zu begreifen. Jedoch gibt es kein exaktes<br />

oder kein formales Verstehen sondern nur exaktes Begreifen.<br />

3.5 und Analysis in der<br />

L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />

3.4 Verstehen, Rt:ll,arK:.~itt::.n<br />

Eine weitere hilfreiche Unterscheidung, um Strategien für<br />

<strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsforschung und <strong>and</strong>ere ökologische<br />

Problemlöseprozesse zu klassifizieren, ist die Unterscheidung<br />

zwischen Verstehen, Begreifen und Erklären.<br />

Erklärungen sind kausale Reduktionen, die Aussagen mittels<br />

logischer Deduktionen aufanerkannte Voraussetzungen<br />

zurückführen. Wir können zum Beispiel erklären, was sich<br />

in einer L<strong>and</strong>schaft in einem bestimmten Zeitrahmen verändert<br />

hat. Zumindest nach Meinung einiger Philosophen (wie<br />

etwa Dilthey) trägt jedoch Erklärung nichts zum Verständnis<br />

eines Wesens bei.<br />

Unter Begreifen wird das «rein logische Erfassen einer<br />

sprachlichen Aussage» gefasst. Begreifen geht über Erklären<br />

hinaus, da beispielsweise mathematische Sinngehalte<br />

nicht kausalanalytisch im Sinne der reinen Naturwissenschaften<br />

erklärt werden können. Kognitionspsychologisch<br />

formuliert bezieht sich das Begreifen auf das sequentielle,<br />

L<strong>and</strong>schaften sind reale, komplexe, historisch geformte Gebilde.<br />

Eine wissenschaftliche L<strong>and</strong>schaftsanalyse bedarf, so<br />

wird behauptet, eines laufenden Wechselspiels der verschiedenen<br />

Ebenen von Erkenntnis.<br />

Dem gesamthaften Erkennen der geologischen, sozioökonomischen,<br />

ökologischen und kulturellen Aspekte aus<br />

einem übergeordneten integralen Verständnis heraus ist bei<br />

der L<strong>and</strong>schaftsforschung (zumindest als Ausgangspunkt<br />

wissenschaftlicher Arbeit) grösste Beachtung zu schenken.<br />

Nur von einem Verständnis der «ganzen» L<strong>and</strong>schaft ausgehend<br />

wird sichtbar, was deren Glieder sind und welche<br />

einzelnen Best<strong>and</strong>teile dafür eine wesentliche Bedeutung<br />

haben (1. Schmithüsen, 1976, S.37). Es sei angemerkt, dass<br />

sich für ein ganzheitliches Erschliessen Strategien und Methoden<br />

entwickeln lassen. Als Beispiel dafür sei die Methode<br />

des experiential case encounter benannt. Bei dieser Methode<br />

können Individuen L<strong>and</strong>schaft dadurch erfahren, indem<br />

sie sich in enaktiver Weise (d.h. in direkter Weise, mit<br />

den Händen oder mit körperlichen Empfindungen) mit der<br />

L<strong>and</strong>schaft ausein<strong>and</strong>ersetzen. Es sei jedoch angemerkt,<br />

dass eine Validierung der auf diesem Wege erworbenen<br />

Erfahrung auf eine (folgende) L<strong>and</strong>schaftsanalyse noch<br />

nicht empirisch vorgenommen wurde.<br />

32 UNS-Fallstudie '98


------------------------------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

Analytische Partialbetrachtungen und Systemanalysen<br />

sind ein selbstverständlicher und unabdingbarer Gegenst<strong>and</strong><br />

der naturwissenschaftlich orientierten Umweltwissenschaften.<br />

Als Beispiel sei hier die l<strong>and</strong>schaftsökologische<br />

«Komplexanalyse» genannt, bei der L<strong>and</strong>schaften als kybernetische<br />

Systeme aufgefasst und Regelkreise für das<br />

«Geosystem des l<strong>and</strong>schaftsökologischen St<strong>and</strong>orts» modelliert<br />

werden (Mosimann, 1984, S. 17). Eine besondere<br />

Rolle in der Systemanalyse und in der Erkenntnisgewinnung<br />

spielen natürlich mathematische Modellierungen. Indem ein<br />

«(ver)-einfach-(t)-es» Modell konstruiert wird, gelingt es<br />

häufig, den Blick für wesentliche Prozesse zu schärfen.<br />

Allerdings ist es eine alte und leider häufig vergessenen<br />

Erkenntnis, dass «wissenschaftliche Aussagen und theoretische<br />

Gesetze in relativer Distanz und auf dem Boden der<br />

Erfahrung geh<strong>and</strong>habt werden müssen, und ... dass keine<br />

exakten (quantitativen) Modelle zu gewinnen sind, ohne<br />

dass ihrer Auswahl gewisse qualitative Vorstellungen über<br />

die zu modellierenden Gegebenheiten zugrunde liegen»<br />

(Otte, 1994).<br />

4 Integrale IJrn'WfJ1lrn<br />

wissenschaftliche L<strong>and</strong>schafts­<br />

<strong>Region</strong>sforschung<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien sind so organisiert, dass disziplinäres,<br />

analytisches, natur- und gesellschaftswissenschaftliches<br />

Wissen mit Fallverständnis in eine Synthese gebracht<br />

wird.<br />

Wesentlich für die Organisation einer solchen Synthese<br />

sind die drei Ebenen der Fallstudienarbeit (vgl. Abb. 4.1).<br />

Auf der obersten Ebene steht der Fall, zum Beispiel der<br />

Klettgau in seiner Gesamthaftigkeit, mit seiner Geschichte,<br />

Dynamik und Einzigartigkeit. Eine solche Auffassung entspricht<br />

den oben angeführten Grundsätzen der Geosynergetik.<br />

Ein Erfassen der Gesamthaftigkeit des <strong>Region</strong> oder<br />

L<strong>and</strong>schaft ist sowohl Voraussetzung für die Bestimmung<br />

der Grenzen als auch von Bedeutung für ein Erkennen der<br />

relevanten Aspekte. Die Erkenntnisebene umfasst das Verstehen<br />

und die Empathie. Eine Methode, die unterstützend<br />

zu ihrem Aufbau eingesetzt werden kann, ist das «experientiallearning»,<br />

welches in sogenannten Erfahrungstagen organisiert<br />

werden kann. Das Fallstudienteam soll an diesen<br />

Erfahrungstagen zumindest teilweise einen Seitenwechsel<br />

vollziehen (vgl. Scholz und Tietje, in press). Bei einer<br />

L<strong>and</strong>schaftsentwicklungsstudie können dazu etwa professionelle<br />

Tätigkeiten in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Betrieben, im<br />

Wasserbau, in Kiesgruben oder beim Strassenbau sinnvoll<br />

sein. Der Fallstudienforscher sammelt bei diesen Tätigkeiten<br />

in unmittelbarer, enaktiver Weise Fallerfahrung. Aber<br />

auch durch die Arbeit in Kindergärten oder Altersheimen<br />

kann auf unmittelbare Art und Weise in Erfahrung gebracht<br />

werden, wie L<strong>and</strong>schaften auf den Menschen wirken.<br />

Auf der mittleren Ebene der Fallstudienarchitektur befinden<br />

sich die Synthesen. Die Synthesen beschäftigen sich mit<br />

den relevanten Facetten des Falls, das heisst der <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

im Klettgau. Diese Aspekte werden in Kooperation<br />

mit den Akteuren des Falls bestimmt. Die Erkenntnisebenen<br />

sind hier Verstehen und Begreifen. In aller Regel gibt<br />

es kein vollständiges (analytisch/kausales) Erklärungssystem,<br />

welches die Auswahl der Facetten vollständig und<br />

widerspruchsfrei begründen kann. Die Synthesegruppen der<br />

<strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

Klettgau lauteten Siedlung, Mobilität, Wirtschaft und L<strong>and</strong>schaft.<br />

Diese Facetten des Falls wurden vom Vorbereitungsteam<br />

der Fallstudie und von den einbezogenen Haupt-Akteuren<br />

des Falls als wichtigste Aspekte beurteilt. Eine Auswahl<br />

der Aspekte erfolgte unter dem Gesichtspunkt der<br />

nachhaltigen Entwicklung. Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998<br />

zur <strong>Region</strong>alentwicklung setzt somit stärkere Akzente im<br />

gesellschaftlichen Bereich als ihre Vorläuferstudie <strong>Region</strong><br />

Klettgau Verantwortungsvoller Umgang mit Boden (Scholz<br />

et al. 1998).<br />

Für die Synthesearbeit sind spezielle Methoden entwikkelt<br />

worden, welche die Wissensintegration organisieren<br />

(siehe Scholz und Tietje, in press). Innerhalb dieses Modells<br />

werden im Prozess der Synthesearbeit Schritte der analytischen<br />

Dekomposition (d.h. der Zerlegung des Falls) mit<br />

Schritten der Integration und Synthese verbunden. Wichtig<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

33


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

Arbeitsweisen, wie sie in der Theorie, Methodik und<br />

Organisation der Fallstudie umrissen werden, sind in dem<br />

Buch The new production 0/ knowledge (Gibbons et al.<br />

1994) mit Mode 2-Forschung bezeichnet. Dieser Mode soll<br />

die klassische, disziplinäre Forschung (den sog. Mode J)<br />

nicht ablösen, sondern ergänzen. Mode 2-Forschung stellt<br />

einen neuen Typ der Kommunikation und Interaktion zwischen<br />

Theorie und Praxis dar, der sich durch die Problemlagen<br />

der Gesellschaft bestimmt, bei dem Aspekte wie «social<br />

accountability <strong>and</strong> reflexivity» eine grosse Bedeutung bekommen<br />

und bei dem <strong>and</strong>ere Gütekriterien als in der traditionellen<br />

Forschung existieren (Gibbons et al., 1994, S. 8).<br />

4.1 «Mutuallearning» als Strategie für<br />

den Umgang mit l<strong>and</strong>schaft<br />

Abb. 3.J : Die Abbildung präsentiert die sog. Architektur des<br />

Wissens in den <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien. Es werden drei Ebenen<br />

von Erkenntnis unterschieden, das heisst Verstehen,<br />

Begreifen und Erklären (siehe Text).<br />

ist, dass die Arbeit auf der Syntheseebene grundsätzlich<br />

perspektiven- und zielgebunden zu erfolgen hat. Die Zielperspektive<br />

in der Studie zur <strong>Region</strong> Klettgau war dabei die<br />

Nachhaltige Entwicklung. Die übergeordnete Zielsetzung<br />

stellt dabei eine Art «Leitstern» dar, der auch dazu beitragen<br />

soll, die Ergebnisse der verschiedenen Synthesegruppen zu<br />

integrieren.<br />

Schliesslich gibt es die Ebene der disziplinbezogenen und<br />

der themenbezogenen (d.h. disziplinären, wissenschaftlichen)<br />

Daten. Diese wurden in den Teilprojekten erarbeitet,<br />

die von den Synthesegruppen definiert und organisiert wurden.<br />

In den Teilprojekten dominiert die analytische Arbeit<br />

und das Erklären. Wichtig in der Fallstudienarbeit ist, dass<br />

die Bearbeitungstiefe nicht durch «das fachwissenschaftlich<br />

Mögliche», sondern durch «das für die Synthesearbeit Notwendige»<br />

bestimmt wird.<br />

Das skizzierte Vorgehen unterscheidet sich grundsätzlich<br />

von der traditionellen disziplinären (naturwissenschaftlichen)<br />

Arbeit. Erkenntnistheoretisch zeigt die <strong>ETH</strong>-UNS<br />

Fallstudie Ähnlichkeiten mit der Bedeutung beziehungsweise<br />

Rolle der Fallstudie in der Medizin (Sacks, 1990) und<br />

in der «nichtformalistischen» Rechtswissenschaft (vgl.<br />

Muntjewerff, 1994; Scholz, 1995; Scholz und Tietje, in<br />

press).<br />

L<strong>and</strong>schaft ist (trotz der subjektiven Betrachtung und Rekonstruktion)<br />

keine individuelle sondern eine kollektive<br />

Kategorie. Dies betrifft sowohl die Geschichte, die Klassifikation<br />

als auch die zukünftige Entwicklung von L<strong>and</strong>schaft.<br />

Die Klettgaurinne wurde seit der Jungsteinzeit durch<br />

menschliche Aktivitäten geformt (vgl. Fisler 1998). Die<br />

gegenwärtige Nutzung der Tall<strong>and</strong>schaft, die Lage der Siedlungen,<br />

die Verkehrsverbindungen sowie die Innen- und<br />

Aussenbeziehungen der Klettgaurinne sind nicht die Leistung<br />

eines Einzelnen, sondern ein gesellschaftliches Produkt.<br />

Dabei spielen die Einwohner des Klettgau (das «Kollektiv<br />

der Klettgauerinnen und Klettgauer»), ihre Identität,<br />

ihre Erfahrungen und ihre Bedürfnisse eine besondere Rolle.<br />

Sie gelten als Experten für den Fall, das heisst für die<br />

<strong>Region</strong> oder die L<strong>and</strong>schaft Klettgau. Die Mitglieder des<br />

Fallstudienteams (die WissenschafterInnen und die Studierenden)<br />

hingegen, sind als Experten für eine wissenschaftliche<br />

Fall- und Systemanalyse zu betrachten. Mit der Konzeption<br />

des «mutual learning between science <strong>and</strong> society»<br />

werden in der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Prozesse des Austausches<br />

von zwei Wissens- und Erfahrungssystemen organisiert<br />

(Bösch, in diesem B<strong>and</strong>). In Ergänzung zu traditionellen<br />

wissenschaftlichen Auffassungen, in denen das Wissen<br />

der Wissenschafter in exklusiver Art und Weise für die<br />

L<strong>and</strong>schaftsanalyse ausschlaggebend war, wird in den <strong>ETH</strong>­<br />

Fallstudien das Wissen der Experten des Falls in mannigfaltiger<br />

und direkter Weise einbezogen. Dies betrifft das Wissen<br />

über die Natur- und Sozialgeschichte (oral history), das<br />

Empfinden der Bevölkerung, sowie ihre Bedürfnisse. Die<br />

Konzeption des «wechselseitigen Lernens» ist dabei auch<br />

als ein direkter Beitrag zur <strong>Region</strong>alentwicklung zu begreifen,<br />

da durch die umweltnaturwissenschaftliche Fallstudie<br />

Prozesse bei den Akteuren des Falls induziert werden, die in<br />

unmittelbarer Weise auf die Entwicklung des Falls wirken.<br />

34<br />

UNS-Fallstudie '98


----- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

5 Schlussbetrachtung<br />

Folgerungen<br />

5.1 <strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft als<br />

interdisziplinärer Gegenst<strong>and</strong><br />

L<strong>and</strong>schafts- und<strong>Region</strong>alentwicklung greifen weit über die<br />

Naturwissenschaften hinaus. Sie sind prototypische interdisziplinäre<br />

Forschungsgegenstände, die natur- und sozialwissenschaftliches<br />

Wissen integrieren. Dies gilt auch, wenn<br />

wir uns aufdie spezifischen Umweltaspekte von <strong>Region</strong> und<br />

L<strong>and</strong>schaft beschränken. «... G(g)rosse Teile der Geo- und<br />

Biowissenschaften verstehen sich als Umweltwissenschaften»<br />

(Leser, 1984, S. 351) und viele Subdisziplinen der<br />

Geographie, Geologie, Biologie und <strong>and</strong>erer Wissenschaften<br />

leisten wesentliche Beiträge zu einem Verständnis der<br />

Dynamik von <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Sicht stellen die Wechselwirkungen des<br />

Menschen mit der belebten und unbelebten Natur den Kerngegenst<strong>and</strong><br />

dar (Frischknecht und Frey, 1999, S. 5).<br />

<strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung können somit als<br />

typische umweltnaturwissenschaftliche Gegenstände begriffen<br />

werden, in denen biologische, anorganische und<br />

soziale Einflussbereiche in Wechselbeziehung stehen. In<br />

besonderer Weise spiegelt sich diese Wechselbeziehung in<br />

der Forschung zur Kulturl<strong>and</strong>schaft wieder. Dieser Ansatz<br />

versucht, unter Entwicklungsgesichtspunkten die Beurteilung<br />

der Leistungsfähigkeit, der Belastbarkeit und der Nutzbarkeit<br />

von Naturräumen vorzunehmen (vgl. Haase und<br />

Richter, 1983). In der Vergangenheit wurde diesem in den<br />

ehemaligen sozialistischen Ländern stark vertretenen Ansatz<br />

vorgehalten, dass eine zu starke Verengung aufaktuelle<br />

ökonomische Ertragsfunktionen gelegt wird. Die Kulturl<strong>and</strong>schaftsforschung<br />

von heute integriert jedoch nicht nur<br />

historische und ästhetische Aspekte, sondern versucht, die<br />

vielfältigen Ansprüche verschiedener Gruppen an die L<strong>and</strong>schaft<br />

als Prozesskomponente einzubauen. Wir vermuten,<br />

dass dieser Forschung bei dem seit einiger Zeit wahrnehmbaren<br />

Druck aufdie L<strong>and</strong>schaft in Mitteleuropa eine erhöhte<br />

Bedeutung zukommen wird.<br />

5.2 Methodengeleitete<br />

Wissensintegration<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien zur L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

sind als spezifische und besonders geeignete<br />

Anwendungsbeispiele zu betrachten, an denen gezeigt werden<br />

kann, wie Wissensintegration organisiert und methodengestützt<br />

realisiert werden kann. Wir unterscheiden dabei<br />

verschiedene Typen der Wissensintegration. Dazu gehören<br />

die Integration von Wissen aus i) verschiedenen Fachdisziplinen,<br />

ii) Umweltsystemen (zum Beispiel Boden, Wasser<br />

und Luft), iii) Interessens-, beziehungsweise Konstruktionsperspektiven<br />

sowie iv) Typen oder Qualitäten von<br />

Wissen (vgl. Scholz und Tietje, in press). Als Typen von<br />

Wissen sind etwa die komplementären Denkmodi Intuition<br />

und Analysis zu betrachten oder die verschiedenen Erkennt-<br />

nisebenen Verständnis, Begreifen und Erklären. Es ist davon<br />

auszugehen, dass diese Typen von Wissen in verschiedenen<br />

Teilen der Gesellschaft und in den Wissenschaften in unterschiedlicher<br />

Art und Weise verfügbar sind. Die Bewohner<br />

einer L<strong>and</strong>schaft sind gleichermassen wie Wissenschafter<br />

als Systemexperten zu begreifen. Sie verfügen jedoch über<br />

ein qualitativ <strong>and</strong>eres Wissen. Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien<br />

versuchen, beide Wissensgrundlagen zu nutzen. Sie organisieren<br />

nicht nur interdisziplinäre, sondern auch transdisziplinäre<br />

Prozesse des «mutual leaming between science <strong>and</strong><br />

society» (Scholz und Tietje, in press), mit denen <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

und L<strong>and</strong>schaftsdynamik verst<strong>and</strong>en und gesteuert<br />

werden können.<br />

5.3 Erhaltung der Komplexität<br />

L<strong>and</strong>schaft und <strong>Region</strong> erfordern eine gesamthafte, integrale<br />

Betrachtung (vgl. Scholz, 1995, S. 43). L<strong>and</strong>schaft ist, in<br />

ähnlicher Weise wie der Gesundheitszust<strong>and</strong> oder der Charakter<br />

eines Menschen, nicht als reines gegenständliches<br />

Produkt, sondern nur im Zusammenspiel zwischen theoretischer,<br />

konzeptioneller Analyse einerseits und zwischen direkt<br />

gegenständlicher Betrachtung und Systemerfahrung<br />

<strong>and</strong>ererseits in angemessener Weise verständlich.<br />

5.4 lebensniihe des Gegenst<strong>and</strong>es<br />

ltu·lror,l"iiOJI"f" verstärktes Mletl1VOclellbewusstsein<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien teilen mit der Geographie eine<br />

besondere Schwierigkeit, die sich «aus der Lebensnähe des<br />

Faches» ergibt (1. Schmithüsen, 1976). Es ist deshalb wichtig,<br />

die verschiedenen Erkenntnisebenen der wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit in nachvollziehbarer Weise zu unterscheiden.<br />

Dies wird in besonderer Weise in Studien zur L<strong>and</strong>schaftsund<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung sichtbar. Es gilt, in nachvollziehbarer<br />

Weise aus ganzheitlicher Perspektive abgeleitete Folgerungen<br />

von qualitativen und quantitativen Ergebnissen zu<br />

unterscheiden.<br />

5.5<br />

Voraussetzung<br />

Eine historische Betrachtung von L<strong>and</strong>schaft ist für eine<br />

umweltnaturwissenschaftliche Analyse undabdingbar (vgl.<br />

Scholz, 1995, S. 43). «Gestalt und Inhalt einer L<strong>and</strong>schaft<br />

sind nicht statisch» (Ewald, 1978, S. 272), sondern laufenden<br />

Veränderungen unterworfen. Was zum Beispiel unter<br />

Wald zu verstehen ist, wo und in welcher Weise Wald, Feld<br />

und Weide getrennt sind, ist einem fortlaufenden W<strong>and</strong>el<br />

unterworfen (Schmithüsen, 1998, S. 37ff.). Wichtig für eine<br />

umfassende <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsanalyse ist die «Rekonstruktion<br />

der Veränderung» des Falls, insbesondere seiner<br />

Krisen und historischen Transformationen. Erst auf die-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

35


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

_<br />

ser Grundlage ist es möglich, Bruchstellen zukünftiger Entwicklung<br />

im voraus zu erkennen.<br />

5.6 Dimensionsübergreifende<br />

fokussierung<br />

Der umweltnaturwissenschaftliche Ansatz ist dimensionsübergreifend.<br />

Gefordert wird, dass Stärken und Schieflagen<br />

der <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung und deren Dynamik<br />

aus einem naturwissenschaftlichen Gesamtverständnis<br />

heraus erfasst werden. Dies erfordert eine «dimensionsübergreifende<br />

Fokussierung». Ziel ist es im weiteren Sinne,<br />

Stoff- und Energieflüsse und das bioökologische Potential<br />

unter bestimmten Gesichtspunkten (zum Beispiel der nachhaltigen<br />

Entwicklung) zu optimieren. Dies erfordert ein<br />

Grundverständnis der molekularen und zellulären Grundprozesse,<br />

der biotischen und abiotischen Anforderungen<br />

von organismischen Wesen (Pflanze, Tier und Mensch) auf<br />

der individuellen Ebene, als auch der Dynamik und Interaktionen<br />

auf der Ebene von Populationen, Gesellschaften und<br />

kulturellen Entwicklungsstufen. Aus diesem gesamthaften<br />

Verständnis heraus gilt es, diejenigen Bereiche und Dimensionen<br />

zu fokussieren, die für eine zukünftige Entwicklung<br />

entscheidend sind.<br />

5.7 <strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft als<br />

transdisziplinärer Gegenst<strong>and</strong><br />

Eine umweltnaturwissenschaftliche <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />

ist<br />

interdisziplinär<br />

erfasst die Wechselwirkungen des Menschen mit seiner<br />

biotischen und abiotischen Umwelt<br />

erhält die Komplexität und Ganzheitlichkeit<br />

akzeptiert die Lebensnähe (Realität) des Gegenst<strong>and</strong>es<br />

umfasst historische Betrachtungen und Rekonstruktionen<br />

organisiert multiple Wissensintegration in methodengeleiteter<br />

Form<br />

fokussiert aus einem gesamthaften Verständnis<br />

Schwachstellen<br />

und organisiert Prozesse des «mutual leaming between<br />

science <strong>and</strong> society»<br />

Die Gesamtheit dieser Eigenschaften definieren eine neue<br />

Form wissenschaftlicher Tätigkeit, die als transdisziplinäre<br />

Forschung (Gibbons et al., 1994; Giovannini, in prep.;<br />

Scholz, Mieg et al. in press) aufzufassen ist.<br />

Literatur<br />

Baeriswyl, M., Nufer, A., Scholz, R. W. & Ewald, K. C. (1999).<br />

Intuition in der L<strong>and</strong>schaftsplanung: Anregungen einer ganzheitlichen<br />

Betrachtung mittels der L<strong>and</strong>schaftsidentität. Naturschutz<br />

und L<strong>and</strong>schaftsplanung, 1999 (2),42-47.<br />

Bürger, K. (1935). Der L<strong>and</strong>schaftsbegriff: Ein Beitrag zur geographischen<br />

Erdraumauffassung. Dresden: Dresdner Geographische<br />

Studien.<br />

Eberle, M. (1980). Individuum und L<strong>and</strong>schaft: Zur Entstehung<br />

und Entwicklung der L<strong>and</strong>schaftsmalerei. Giessen: Anabas-Verlag.<br />

Ewald, K.c. (1978). Der L<strong>and</strong>schaftsw<strong>and</strong>el Zur Veränderung<br />

schweizerischer Kulturl<strong>and</strong>schaften im 20. Jahrhundert. Bericht<br />

Nr. 191. Birmensdorf: Eidgenössische Anstalt für das forstliche<br />

Versuchswesen.<br />

Ewald, K.C. (1994). Traditonelle Kulturl<strong>and</strong>schaften, Elemente­<br />

Entstehung- Zweck- Bedeutung. Der Bürger im Staat I, (44),<br />

37-42.<br />

Ewald, K.C. (1997). Die Natur des Naturschutzes im l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Kontext Probleme und Konzeptideen. GAlA, 1997, (4),<br />

253ff.<br />

Ewald, K.c. (1999). Personal Communication.<br />

Fassmann, K. (Hrsg.) (1976). Kindlers Malerei Lexikon. B<strong>and</strong> 14.<br />

München: dtv.<br />

Fischbein, E. (1975). The intuitive sources of probabilistic thinking<br />

in children. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company.<br />

Fischbein, E. (1987). Intuition in science <strong>and</strong> mathematics: An<br />

educational approach. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company.<br />

Fisler, J. (1998). Der Fall: Geschichte des Klettgaus. In R.W.<br />

Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden (S. 61-89). Zürich:<br />

Rüegger.<br />

Frischknecht, P. & Frey. G. (1999). Wegleitung für den Studiengang<br />

Umweltnaturwissenschaften. <strong>ETH</strong> Zürich: Departement<br />

Umweltnaturwissenschaften.<br />

Gibbons, M., Limoges, C., Nowotny, H., Schwartzmann, S., Scott,<br />

P. & Trow, M. (1994). The new production of knowledge: The<br />

dynamics ofscience <strong>and</strong> research in contemporary societies. Thous<strong>and</strong><br />

Oaks, London, New Delhi: SAGE Publications.<br />

Gigerenzer, G. (1993). The bounded rationality of probabilistic<br />

mental models. In K. 1. Manktelow & D. E. Over, Rationality:<br />

Psychological <strong>and</strong> philosophical perspectives (S. 284-313). London:<br />

Routledge.<br />

Gigerenzer, G. & Goldstein, D.G. (in press). Reasoning the fast <strong>and</strong><br />

frugal way. Psychologieal Review.<br />

Giovannini, B. & Reveret, J. P. (1998, in prep.). The practice of<br />

transdisciplinarity in sustainable development. Concept, methodologies<br />

<strong>and</strong> examples. University of Geneva: Departement de la<br />

mati»re condensee.<br />

Haase, G. & Richter, H. (1983). Current trends in l<strong>and</strong>scape<br />

research. Geo Journal, 7 (2),107-119.<br />

Haber, W. (1995). L<strong>and</strong>schaft. In Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch der Raumplanung<br />

(S. 597-602). Hannover: ARL.<br />

Hammond, K., Hamm, R. M., Grassia, J. & Pearson, T. (1983).<br />

Direct comparison ofintuitive,quasi-rational, <strong>and</strong> analytical cognition.<br />

Boulder CO: University of Colorado, Center for research on<br />

judgement <strong>and</strong> policy institute ofcognitive science.<br />

36<br />

UNS-Fallstudie '98


<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />

Hard, G. (1970). Die «L<strong>and</strong>schaft» der Sprache und die «L<strong>and</strong>schaft»<br />

der Geographen: Semantische und forschungslogische<br />

Studien zu einigen zentralen Denkfiguren in derdeutschen geographischen<br />

Literatur. Bonn: Ferdin<strong>and</strong> Dümmlers Verlag.<br />

Hellpach, W. (1965). Geopsyche: Die Menschenseele unter dem<br />

Einfluss von Wetter und Klima, Boden und L<strong>and</strong>schaft (7. Auflage).<br />

Stuttgart: Hippokrates-Verlag.<br />

Hofmann, F. (1981). Erläuterungen zu Blatt 1031 Neunkirch (Atlasblatt<br />

74) des Geologischen Atlasses der Schweiz. Basel:<br />

Schweizerische Geologische Kommission.<br />

Hörmann, H. (1967). Psychologie derSprache. Berlin [etc.]: Springer.<br />

Kahn, P. H. (1997). Environmental psychology <strong>and</strong> the biophilia<br />

hypothesis: Chi1dren's affiliation with nature. New York: Academic<br />

Press.<br />

Klink, H.-J. (1995). NaturraumlNaturräumliche Gliederung. In<br />

Akademie für Raumforschung und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch<br />

der Raumplanung (S. 664-670). Hannover: ARL.<br />

Leser, H. (1984). Zum Ökologie-, Ökosystem- und Ökotopbegriff.<br />

Natur- und L<strong>and</strong>schaft, 59 (9), 351-357.<br />

Leser, H. (1997). L<strong>and</strong>schaftsökologie: Ansatz, Modelle, Methodik,<br />

Anwendung. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer.<br />

Mosimann, T. (1984). L<strong>and</strong>schaftsökologische Komplexanalyse.<br />

Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH.<br />

Muntjewerff, A. (1994). From solving cases in legal education to<br />

legal problem solving. In M. O'Suilleabhain, E. A. Stuhler, D. J.<br />

De Tombe (Hrsg.), Legal theory <strong>and</strong> cases: Shifting frontiers (S.<br />

50-71). München, Mering: Rainer Hampp Verlag.<br />

Neef, E. (1963). Topo10gische und chorologische Arbeitsweisen in<br />

der L<strong>and</strong>schaftsforschung. PGM, 1963 (107),249-259.<br />

Otte, M. (1994). Das Formale, das Soziale und das Subjektive. Eine<br />

Einführung in die Philosophie und Didaktik der Mathematik.<br />

Frankfurt a. M.: Suhrkamp.<br />

Piepmeier, R. (1980). L<strong>and</strong>schaft. In J. Ritter & K. Gründer,<br />

Historisches Wörterbuch der Philosophie (S. 11-27). Basel:<br />

Schwabe.<br />

Regli, K., Roth, H., Biedermann, R., Pabst, W, Scholz, R.W et a1.<br />

(1998). Schlussbericht Entwicklungskonzeption Klettgaurinne Interreg<br />

II EGIEU. Schaffhausen / Waldshut-Tiengen, Kantonales<br />

Laboratorium für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz / Gewässerdirektion<br />

südlicher Oberrhein/Hochrhein.<br />

Sacks, O. W (1990). Awakenings. London: Pan Books Ltd.<br />

Scharna, S. (1996). L<strong>and</strong>scape <strong>and</strong> memory. New York: Vintage<br />

Books.<br />

Schmithüsen, F. (1998). Urwald und Waldkultur: Geschichte und<br />

Möglichkeiten nachhaltiger Entwicklung. In Deutscher Forstverein<br />

(Hrsg.), Waldfacetten (S. 26-51). Leinfelden-Echterdingen:<br />

DRW-Verlag.<br />

Schmithüsen, J. (1963). Was ist eine L<strong>and</strong>schaft. Wiesbaden: Franz<br />

Steiner Verlag GmbH.<br />

Schmithüsen, J. (1976). Allgemeine Geosynergetik: Grundlagen<br />

der L<strong>and</strong>schaftskunde. Lehrbuch der Allgemeinen Geographie.<br />

Ber1in, New York: de Gruyter.<br />

Schmithüsen, J. & Netzei, E. (1962). Vorschläge zu einer internationalen<br />

Terminologie geographischer Begriffe auf der Grundlage<br />

des geosphärischen Synergismus. In E. Meynen (Hrsg.), Geographisches<br />

Taschenbuch (S. 283-286). Wiesbaden: Steiner.<br />

Scho1z, R. W (1986). Zur Konzeptualisierung kognitiver Strategien<br />

beim stochastischen Denken: Urteilsheuristiken und Denkmodi.<br />

Theoretische Anmerkungen und experimentelle Befunde. In H. G.<br />

Steiner, Grundfragen der Entwicklung mathematischer Fähigkeiten<br />

(IDM 13, S. 69-86). Köln: Aulis Verlag Deubner & Co. KG.<br />

Scho1z, R. W (1987). Cognitive strategies in stochastic thinking.<br />

Dordrecht: D. Reidel Publishing Company (K1uwer).<br />

Scho1z, R. W, H. A. Mieg, J. E. Oswald (in press). Transdiciplinarity<br />

in groundwater protection. Water <strong>Science</strong> <strong>and</strong> Technology.<br />

Scholz, R. W, Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, 1. (Hrsg.) (1998).<br />

Fallstudie 1997: <strong>Region</strong> K1ettgau. Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W, Tietje, O. (in press). Integrating knowledge with<br />

case studies: Formative methods for better decisions. Thous<strong>and</strong><br />

Oaks, London, New Delhi: SAGE Pub1ications.<br />

Scholz, R.W (1995). Zur Theorie der Fallstudie. In R. W Scholz,<br />

T. Koller, H. A. Mieg & C. Schmidlin (Hrsg.), Fallstudie 1995:<br />

Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

(S. 39-46). Zürich: vdf.<br />

Shulman, L. S. & Carey, N. B. (1984). Psychology <strong>and</strong> the limitations<br />

of individual rationality: Implications for the study of<br />

reasoning <strong>and</strong> civilty. Review of Educational Research, 54 (4),<br />

501-524.<br />

Siebert, A. (1955). Wort, Begriff und Wesen der L<strong>and</strong>schaft.<br />

Umschaudienst des Forschungsausschusses «L<strong>and</strong>schaftspflege<br />

und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung» der Akademie für Raumforschung<br />

und L<strong>and</strong>esplanung Hannover, 5 (2), 1-92.<br />

Sinz, M. (1995). <strong>Region</strong>. In Akademie für Raumforschung und<br />

L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch der Raumplanung<br />

(S.805-808). Hannover: ARL.<br />

Springer, S. P. & Deutsch, G. (1993). Left brain, right brain. New<br />

York: Freeman.<br />

Thoene,1. (1924). Ästhetik der L<strong>and</strong>schaft. München-G1adbach.<br />

[Zitation entnommen aus: Siebert, A. (1955). Wort, Begriff und<br />

Wesen der L<strong>and</strong>schaft. Umschaudienst des Forschungsausschusses<br />

«L<strong>and</strong>schaftspflege und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung» der Akademie<br />

für Raumforschung und L<strong>and</strong>esplanung Hannover, 5, (2), 1-92.]<br />

Trep1, L. (1987). Geschichte der Ökologie: Vom 17. Jahrhundert<br />

bis zur Gegenwart: Zehn Vorlesungen. Frankfurt am Main:<br />

Athenaeum.<br />

Troll, C. (1950). Die geographische L<strong>and</strong>schaft und ihre Erforschung.<br />

Studium Generale, 3, 163-181.<br />

Weyl, H. (1995). Geschichte der <strong>Region</strong>alplanung. In Akademie<br />

für Raumforschung und L<strong>and</strong>esplanung (Hrsg.), H<strong>and</strong>wörterbuch<br />

der Raumplanung (S. 413-419). Hannover: ARL.<br />

Wilson, E.O. & Kellert, S. R. (Hrsg.) (1993). The Biophilia Hypothesis.<br />

Washington D.C.: Isl<strong>and</strong> Press/Shearwater.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

37


Autor:<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch<br />

unter Mitarbeit von:<br />

jenny Oswald<br />

Inhalt<br />

1. Grundlagen und Zielsetzungen<br />

41<br />

2. Aufbau der UNS Fallstudie 1998<br />

3. Ablauf der UNS Fallstudie 1998<br />

43<br />

51<br />

4. Ausblick und Schlussbemerkungen<br />

54


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

40 UNS-Fallstudie '98


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

1<br />

Grundlagen<br />

Zielsetzungen<br />

1.1 Was ist fTH-UNS fallstudie?<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie ist eine Lehrveranstaltung und<br />

wird von der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

der <strong>ETH</strong> Zürich durchgeführt. Sie ist ein<br />

wichtiges Element im Ausbildungsgang der Umweltnaturwissenschaften.<br />

Im achten Semester untersuchen die Studierenden<br />

einen komplexen, realen Fall mit gesellschaftlicher<br />

und ökologischer Bedeutung. Die Studierenden lernen, welche<br />

Folgen menschliche Aktivitäten und Technologien auf<br />

die Umwelt haben und wie sie aufden Menschen zurückwirken.<br />

Ziel der Fallstudie ist es, Orientierungsmuster für ökologische<br />

Problemlösungen zu definieren.<br />

Die Fallstudie ist nicht nur Lehre, sondern auch Forschung:<br />

In einem forschenden Lernen werden sowohl klassische<br />

natur- und sozialwissenschaftliche Methoden angewendet<br />

als auch spezifische Fallstudienmethoden zur Wissensintegration<br />

neu- und weiterentwickelt.<br />

Als drittes wichtiges Element neben Lehre und Forschung<br />

steht die Anwendung ausserhalb der Hochschule. Die Fallstudie<br />

strebt ein gegenseitiges Lernen (mutuallearning) von<br />

Hochschule und Gesellschaft an. Bevölkerung, Wirtschaft<br />

und Behörden sollen mit den Studierenden eine neue Sicht<br />

auf den Fall und Orientierungen für künftiges H<strong>and</strong>eln<br />

entwickeln. Als h<strong>and</strong>festes Resultat der Fallstudie wird ein<br />

Bericht in Buchform veröffentlicht. Prozesse, die beim Bearbeiten<br />

des Falles ins Rollen gebracht werden, sind aber<br />

ebenso wichtige Resultate.<br />

1.2 Die UNS fallstudie als neuer Typ<br />

einer Lehrveranstaltung<br />

Die UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau»<br />

ist die achte Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften.<br />

Ihre Organisation basiert im Wesentlichen auf den<br />

Erfahrungen aus den UNS Fallstudien 1994 - 1997 (


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

1.3 Die UNS fallstudie als jahrgangsübergreifender<br />

Prozess<br />

Abb. 1.2: Der Einbezug der Bevölkerung wurde in der UNS<br />

Fallstudie 1998 erstmals in institutionalisierter Form mit<br />

den sogenannten Begleitgruppen versucht. Dabei wurden<br />

die Konzepte und Vorschläge der Studierenden an mehreren<br />

Sitzungen kritisch diskutiert und durch lokales Wissen und<br />

die Ansprüche der <strong>Region</strong> ergänzt.<br />

1998 st<strong>and</strong>en dabei von Anfang an in enger Zusammenarbeit<br />

mit der Gewässerdirektion Rhein in Waldshut, dem<br />

Kanton Schaffhausen und dem EU-Programm «Interreg II».<br />

Die Organisation und Durchführung der einzelnen Fallstudien<br />

seit 1992 baute jeweils auf den Erfahrungen in den<br />

Vorjahren auf. Mit der Fallstudie 1994 «Perspektive Grosses<br />

Moos» wurde ein Neuanfang gewagt, insbesondere wurde<br />

erstmals die Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

(UNS) mit der Durchführung der Projektorganisation<br />

beauftragt. Seither konnten wichtige Erfahrungen<br />

gesammelt werden, die nicht nur für Fallstudien von<br />

Bedeutung sind. In den Vorbereitungen zur UNS Fallstudie<br />

1994 wurden die Prinzipien der Fallstudienarbeit intensiv<br />

diskutiert und ausformuliert (vgl. Scholz, 1995b). In der<br />

UNS Fallstudie 1995 war eine Inventarisierung und Beschreibung<br />

fallstudienrelevanter Methoden (vgl. Scholz &<br />

Tietje, 1996) ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil der Vorbereitungsarbeit.<br />

Für die 1996er Studie bot sich die Möglichkeit, sozia1psycho1ogische<br />

Experimentalforschung zur Meinungsbildung<br />

in Gruppen (erott & Wemer, 1994) in die Fallstudienarbeit<br />

einzubauen. Mit der UNS Fallstudie 1997 «Klettgau»<br />

war erstmals auch eine inhaltliche Verknüpfung der Fallstudien<br />

zweier Jahrgänge geplant. Im Vordergrund st<strong>and</strong> dabei<br />

der Wunsch nach einer Festigung des Fallstudienprozesses<br />

in der <strong>Region</strong> und einer Vertiefung des Fallverständnisses.<br />

Zusätzlich war zu berücksichtigen, dass die über einjährige<br />

Vorbereitungszeit für eine UNS Fallstudie und die dadurch<br />

Tab. 1.1: Die UNS Fallstudien seit 1994 und ihre Vorläufer im Überblick<br />

Jahr Thema / Fall fragestellung Bemerkungen -l<br />

1991 Naturnaher Birsig Renaturierung eines I Klassische naturwissenschaftliche Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />

Fliessgewässers I<br />

I<br />

I<br />

1992 Deponie Riet I Gesamtüberblick über I Aufnahme des Istzust<strong>and</strong>es und zusätzliche Ausarbeitung von I<br />

Winterthur I eine Deponie aufein<strong>and</strong>er abgestimmten Verbesserungsvorschlägen<br />

1993 Umweltstudien Umwelth<strong>and</strong>eln von «Umsetzungsorientierung» durch Bewertung nach Wirksamkeit<br />

Arbon und Aarau Kleinstädten und Machbarkeit der ausgearbeiteten Verbesserungsvorschläge<br />

1994 Perspektive Ökologischer «Neuer» Fallstudientyp mit studentischer Führung, Konzept der<br />

Grosses Moos Ausgleich in der externen «Träger» der Fallstudie, Szenarioanalyse als Fallstudien-<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft Methode, weiterführende Diplomarbeiten<br />

1995 Industrieareal Umnutzung eines Kriterienkatalog zur Themenwahl, Kooperation mit .:."L oc_<br />

Sulzer-Escher I Industrieareals abteilung der <strong>ETH</strong>, Kuratorium als unterstützendes Element,<br />

Wyss verbesserte Wissenschaftlichkeit durch definierte Methoden<br />

1996 Zentrum Zürich Nachhaltige Medien- und Kommunikationskonzept, Modularisierung der<br />

Nord Stadtentwicklung Synthesegruppen, Integration sozialwissenschaftlicher Forschung,<br />

Prozess des gemeinsamen Lernens von Hochschule und<br />

Fall wird reaktiviert, Förderung der Kooperation der verschiedenen<br />

Träger des Falls<br />

1997 <strong>Region</strong><br />

I<br />

Klettgau Verantwortungsvoller Zweijährigkeit, Einbezug möglichst aller Studierenden in die<br />

Umgang mit Boden Vorbereitung, Grenzüberschreitung, Kooperation mit Kultur- und<br />

Forstingenieuren der <strong>ETH</strong> und dem EU-Programm Interreg 11<br />

1998 , Chancen der Nachhaltige Aufbauend auf den Arbeiten der Fallstudie 1997,<br />

I <strong>Region</strong> Klettgau <strong>Region</strong>alentwicklung Neues Informationsmanagement (Infoblatt und Intranet),<br />

Einbezug der Bevölkerung mit Begleitgruppen<br />

I<br />

42 UNS-Fallstudie '98


_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

bedingte zeitweise gleichzeitige Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit<br />

mehr als einem Fall und verschiedenen regionalen und<br />

thematischen Trägem zu einer organisatorischen Überbeanspruchung<br />

des Fallstudienbüros (siehe Teil 2 Aufbau der<br />

UNS Fallstudie) führte.<br />

Mitentscheidend für eine erfolgreiche zweijährige UNS<br />

Fallstudie ist der Einbezug des nachfolgenden Jahrgangs der<br />

Studierenden bereits zu Beginn der Planung und während<br />

der ganzen Dauer des ersten Fallstudienjahres. So arbeiteten<br />

in der Fallstudienkommission der UNS Fallstudie 1997<br />

Studierende des nachfolgenden Jahrgangs von Anfang mit.<br />

2 1<br />

2. 1 Die organisatorische Grundstruktur<br />

Die UNS Fallstudie kann im Sinne des klassischen Projektmanagements<br />

als Pionierprojekt (Witschi, 1996) bezeichnet<br />

werden. Sie unterscheidet sich von traditionellen Projektund<br />

Ausbildungsformen insbesondere durch das Prinzip der<br />

Wissensintegration (Synthese). Alles Wissen, das für einen<br />

bestimmten Fall relevant ist, soll zu einem Gesamtbild<br />

zusammengeführt werden. Ziel ist ein «ganzheitliches»<br />

Fallverständnis. Alle Personen und Gruppierungen, die in<br />

den Fall involviert sind, sollen von dem neuen, gesamthaften<br />

Fallverständnis profitieren können.<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Synthese ist die grosse<br />

Zahl der Beteiligten aus verschiedenen Bereichen. In der<br />

UNS Fallstudie 1998 arbeiteten 76 Studierende, betreut von<br />

22 Tutorinnen und Tutoren (Wissenschafterinnen und Wissenschafter<br />

aus Hochschule und Praxis) und dem Fallstudienbüro.<br />

Zusammen mit Institutionen und Entscheidungsträgem<br />

aus der <strong>Region</strong> Klettgau waren an der UNS Fallstudie<br />

1998 um 200 Personen beteiligt.<br />

Abb. 2.1: Organigramm der UNS Fallstudie 1998 «<strong>Region</strong><br />

Klettgau». Die Gesamtleitung der UNS Fallstudie liegt in<br />

den Händen der Fallstudienkommission, die in der Mehrheit<br />

aus Studierenden besteht. Professor Rol<strong>and</strong> W Schotz als<br />

verantwortlicher Hochschullehrer und das UNS-Fallstudienbüro<br />

unterstützen das Projektmanagement. Das Fallstudienkuratorium<br />

sichert die «Schnittstelle» zu den externen<br />

Trägern der Fallstudie. Aufder Ebene der Projektbearbeiter<br />

(der Studierenden) wurden in der UNS Fallstudie 1998<br />

erstmals die Begleitgruppen eingefÜhrt.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

43


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Der «Kopf» der Fallstudie - die Fallstudienkommission<br />

Als leitendes Gremium der UNS Fallstudie setzt sich die<br />

Kommission aus etwa 20 Personen zusammen. Die Mehrheit<br />

der Mitglieder sind studentische Vertreterinnen und<br />

Vertreter, ergänzt durch das Fallstudienbüro und Tutorierendeo<br />

Die Zusammensetzung der Kommission kann sich bezüglich<br />

der Studierenden im Verlauf der UNS Fallstudie<br />

ändern (siehe auch Teil 3. Ablaufder UNS Fallstudie). Der<br />

Kommission sind vom verantwortlichen Hochschullehrer<br />

der Fallstudie alle Entscheidungen bis auf die Bereiche<br />

Personal, Finanzen und Testierung der studentischen Leistungen<br />

- übertragen worden.<br />

Die Administration - das Fallstudienbüro<br />

Als Exekutivorgan der Fallstudienkommission ist das Fallstudienbüro<br />

sowohl mit langjährig angestellten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern als auch mit temporären Projektassistierenden<br />

und studentischen Hilfskräften ausgerüstet. Neben<br />

seiner Funktion als Sekretariat für die UNS Fallstudie<br />

ist es auch die zentrale Schnittstelle zwischen den verschiedenen<br />

beteiligten Personen und Institutionen (siehe auch<br />

Abb. 2.2). Es stellt in Zusammenarbeit mit der Fallstudienkommission<br />

auch die jeweiligen Tutorenteams zusammen<br />

und betreut diese während der Fallstudienzeit.<br />

Das Fallstudienbüro ist immer auch Best<strong>and</strong>teil der Fallstudienkommission<br />

und damit an der inhaltlichen Vorbereitung<br />

der UNS Fallstudien beteiligt. Die Projektplanung und<br />

-koodination läuft zum grössten Teil über das Fallstudienbüro.<br />

Die Lehrenden - die Tutorinnen und Tutoren<br />

Die Tutorinnen und Tutoren sind Wissenschafter aus Praxis<br />

und Forschung mit meist mehrjähriger Berufserfahrung. Sie<br />

unterstützen die Studierenden fachlich und didaktisch in der<br />

Fallstudienarbeit. An der UNS Fallstudie 1998 waren insgesamt<br />

5 Tutorinnen und 17 Tutoren beteiligt.<br />

Der Informationsaustausch - die Infogruppe<br />

Für den Austausch von Informationen unter den Studierenden,<br />

aber auch für die Information von Bevölkerung, Ämtern,<br />

Betrieben und <strong>and</strong>eren Interessierten war eine Gruppe<br />

von 5 Studierenden verantwortlich. Diese sogenannte Infogruppe<br />

wurde durch 2 Tutorierende betreut. Ihre Mitglieder<br />

verfassten Artikel für Lokalzeitungen, publizierten und verteilten<br />

vier Informatiosbroschüren zur UNS-Fallstudie, organisierten<br />

Anlässe im Rahmen der Fallstudie (Pressekonferenzen,<br />

Mobilitätskarawane, Fussballspiel mit anschliessendem<br />

Fest) und unterhielten ein internes Computer-Informationssystem<br />

mit Online-Magazin (


_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

nerhalb und ausserhalb der <strong>ETH</strong>. Die Zusammenarbeit erfolgt<br />

in erster Linie über Tutorate und Vorträge sowie Diplomarbeiten,<br />

die an die Fallstudie anschliessen. In der UNS<br />

Fallstudie 1998 wurden mehrere Kulturingenieur-Studierende<br />

im Rahmen von Semesterarbeiten in die Untersuchungen<br />

eingebunden.<br />

Der Einbezug der Klettgauer Bevölkerungdie<br />

Begleitgruppen<br />

In der UNS Fallstudie 1997 war mit den sogenannten<br />

«Stammtischen» erstmals versucht worden, die Bevölkerung<br />

und ihre Meinungen direkt in die Fallstudienarbeit<br />

einzubeziehen (Bösch, 1998). Um eine konstantere Zusammenarbeit<br />

zu gewährleisten, wurde die Idee in der UNS<br />

Fallstudie mit der Bildung von sogenannten «Begleitgruppen»<br />

weiterentwickelt: Jede Synthesegruppe suchte sich<br />

8-15 interessierte Personen aus der <strong>Region</strong>, die bereit waren,<br />

während insgesamt 3-4 Sitzungen die Fallstudienarbeit<br />

zu begleiten und die Zielsetzungen der einzelen Synthesegruppen<br />

kritisch zu begutachten und zu ergänzen.<br />

Abb. 2.2: Im Verlauf der UNS Fallstudie erstellte die Infogruppe<br />

unter <strong>and</strong>erem auch vier Ausgaben des «lnfoblattes».<br />

Die Infoblätter waren vor allem als Medium gegen<br />

aussen gedacht und brachten neben Berichten zu Zielen,<br />

Ereignissen und Resultaten der Fallstudie '98 auch allgemeine<br />

Informationen zur UNS Fallstudie.<br />

2.4.). Mit diesem relativ breiten Spektrum an Aktivitäten im<br />

Bereich Information und Öffentlichkeitsarbeit leistete die<br />

Infogruppe einen wichtigen Beitrag zur Verankerung der<br />

Fallstudie in der <strong>Region</strong>.<br />

In der fallstudieninternen Organisation löste die Infogruppe<br />

mit einem neuen Konzept die bisherige Mediengruppe<br />

ab, welche in den vorangehenden Jahren jeweils eine eigene<br />

«Fallstudienzeitung» zur Information der <strong>Region</strong> und der<br />

Studierenden herausgegeben hatte. Die wichtigsten Unterschiede<br />

zwischen den zwei Konzepten und ihre Auswirkungen<br />

sind in der Tabelle 2.1 zusammengestellt.<br />

Die regionale Beratung - das FaHstudienkuratorium<br />

Das Fallstudienkuratorium soll die Zielsetzungen der UNS<br />

Fallstudie kritisch beurteilen und zusätzliche Vorschläge<br />

und Impulse einbringen. In der UNS Fallstudie 1998 setzte<br />

es sich aus 11 regionalen und übenegionalen Vertretern aus<br />

Politik und Gewerbe zusammen. Dadurch, dass diese Personen<br />

die Zielsetzungen der UNS Fallstudie mittragen und die<br />

Kooperation mit der <strong>Region</strong> unterstützen, zählen sie zu den<br />

Trägern der UNS Fallstudie. Als Entscheidungsträger aus<br />

der <strong>Region</strong> haben sie häufig auch eine Art von «Türöffner»­<br />

Funktion im Zusammenhang mit Informations- und Finanzmittelbeschaffung.<br />

Die Kooperation mit <strong>and</strong>eren Instituten und<br />

Hochschulen<br />

Die Fallstudie steht im Austausch mit den verschiedenen<br />

Instituten und Professuren der Abteilung für Umweltnaturwissenschaften<br />

und <strong>and</strong>eren Forschungseinrichtungen in-<br />

Das <strong>and</strong>ere Grossprojekt im Klettgal.l ­<br />

das EU Programm Interreg H<br />

Bei den sogenannten Interreg-Programmen der Europäischen<br />

Union (EU) h<strong>and</strong>elt es sich um Förderungsprojekte in<br />

Europäischen R<strong>and</strong>- und Grenzregionen. In der UNS Fallstudie<br />

1997 erfolgte eine Zusammenarbeit mit dem Interreg<br />

II Programm «Klettgaurinne» (Scholz et al., 1998). Da die<br />

Thematik der UNS Fallstudie 1998 nicht mehr mit dem<br />

Interreg II Programm verknüpft war, beschränkte sich die<br />

Zusammenarbeit auf die Projektleitungsebene von Interreg<br />

II (Einsitz von Fallstudienvetretern) und das Kuratorium der<br />

UNS Fallstudie (Einsitz von Interreg lI-Vertretern).<br />

2.2 Die Organisation der Schnittstellen<br />

Ökologische Problemlösung erfordert Daten und Wissen<br />

aus verschiedenen Bereichen. Die postulierte Interdisziplinarität,<br />

die Mitwirkung eines ganzen Jahrgangs von Studierenden<br />

und die Kooperation mit den unterschiedlichen Trägern<br />

führt dazu, dass in der UNS Fallstudie sehr viele<br />

Personen gleichzeitig beschäftigt sind. Abbildung 2.2 zeigt<br />

in einer vereinfachten Übersicht die verschiedenen Schnittstellen.<br />

Nicht berücksichtigt sind dabei die ebenfalls vorh<strong>and</strong>enen<br />

Schnittstellen innerhalb der einzelnen Gruppen. Allgemeine<br />

Erfahrungen mit Projektmanagement zeigen, dass<br />

jede zusätzliche Schnittstelle die Abstimmung und die Koordination<br />

eines Systems erschweren. Eine der Regeln im<br />

Projektmanagement verlangt deshalb die Minimierung der<br />

Schnittstellen (vgl. Daenzer & Huber, 1994).<br />

Für die Organisation der Schnittstellen zwischen den vielen<br />

Gruppen von Beteiligten in einer UNS Fallstudie gibt es<br />

keine Patentrezepte; jede Schnittstelle bedarf ihrer eigenen<br />

Beachtung. Wenn immer möglich wird versucht, bestehende<br />

Verbindungen von Beteiligten, wie beispielsweise die Beziehungen<br />

der Tutorinnen und Tutoren zu ihren Instituten,<br />

auszunützen (vgl. Scholz et al., 1997). Häufig ist das Fallstudienbüro<br />

auch damit beschäftigt, die Belastungen zu<br />

steuern, denen die Kooperationspartner (z.B. die Gewäs-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

45


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Staatliche Institutionen<br />

Universität<br />

Saarbrücken<br />

Forschungsinstitute<br />

"----------- Gesellschaft --'1<br />

Abb. 2.3: Die Schnittstellen in der UNS Fallstudie 1998 in<br />

einer Übersicht. Zusätzlich vorh<strong>and</strong>ene Schnittstellen innerhalb<br />

der einzelnen Gruppen (z.B. bestehende Kooperationen<br />

in der <strong>Region</strong>) sind nicht berücksichtigt.<br />

serdirektion Rhein) durch Untersuchungen und Befragungen<br />

der studentischen Projektgruppen ausgesetzt sind.<br />

Mit zunehmender Anzahl Schnittstellen können Aufgaben<br />

über organisatorische Grenzen hinweg verteilt werden<br />

und interne Hierarchien verflachen (vgl. Ulich, 1992,<br />

McGrath, 1976). Gleichzeitig darf aber nicht vergessen<br />

werden, dass mit zunehmender Anzahl von Schnittstellen<br />

der Anteil an Kommunikation am Gesamtaufw<strong>and</strong> ansteigt.<br />

In der UNS Fallstudie 1998 wurde versucht, möglichst viele<br />

Kontakte nicht mehr über das Fallstudienbüro, sondern direkt<br />

durch die Arbeitsgruppen abzuwickeln. Eine gewisse<br />

Koordination sollte über die Kontaktdatenbank im Intranet<br />

erfolgen (siehe auch Organisationsinstrumente und Infrastruktur).<br />

2.3 Modularisierung Synthese<br />

Die Wissensintegration (Synthese) als Ziel der UNS Fallstudie<br />

wird immerunter Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit<br />

des Falls angestrebt. Wie Abbildung 2.3 zeigt, steht die<br />

<strong>Region</strong> Klettgau - mit ihrer Geschichte, Dynamik und Einzigartigkeit<br />

- als Fall stets zuoberst in der Hierarchie der<br />

Betrachtungsebenen.<br />

Durch eine Modularisierung des Themas kann die Komplexität<br />

des Falls reduziert und überschaubarer gemacht<br />

werden (Mieg, Scholz & Stünzi, 1996). Dafür- und dies ist<br />

wichtig bei der UNS Fallstudie - soll die Gruppengrösse für<br />

eine sinnvolle Gruppenarbeit bei maximal 20 Personen liegen<br />

(siehe auch Daenzer & Huber, 1994). Nachdem sich die<br />

Modularisierung in den UNS Fallstudien 1996 und 1997<br />

Abb. 2.4: Die drei Ebenen der UNS Fallstudie 1998. Ziel der<br />

Arbeit ist die Synthese, d.h. die Wissensintegration unter<br />

Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit des Falls. Hauptelementfür<br />

die Projektarbeit sind die Synthesegruppen, die den<br />

verantwortungsvollen Umgang mit Boden in der <strong>Region</strong><br />

Klettgau unter spezifischen Fragestellungen beh<strong>and</strong>eln. Detailfragen<br />

und die Organisation von Daten und Fachwissen<br />

werden in den Teilprojekten (hier am Beispiel der Synthesegruppe<br />

Wirtschaft) bearbeitet.<br />

bewährt hatte, wurden 1998 vier Synthesegruppen (


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Synthesegruppen sind ein wichtiges organisatorisches<br />

und didaktisches Element der UNS Fallstudie. Jede Synthesegruppe<br />

erarbeitet sich ihre Zielsetzungen - unter Berücksichtigung<br />

der ganzheitlichen Fallbetrachtung und dem<br />

Leitstern der nachhaltigen <strong>Region</strong>alentwicklung - selbst.<br />

Mit der Arbeit in Synthesegruppen werden Bedingungen<br />

geschaffen, wie sie vermehrt auch bei Planungs- und Entscheidungsgremien<br />

im öffentlichen Raum und in grossen<br />

Unternehmen vorkommen (z.B. bei der <strong>Region</strong>alplanung,<br />

«Energietischen», etc.): Eine solche Gruppe setzt sich aus<br />

etwa 20 Teilnehmern verschiedener Interessenverbände mit<br />

gemeinsamem Sachbezug zusammen. Sie muss sich ihre<br />

konkrete Zielsetzung selber formulieren. Zur Organisation<br />

von spezifischen Daten und von Fachwissen teilen sich die<br />

Synthesegruppen in Teilprojektgruppen mit 4-9 Studierenden<br />

auf.<br />

Zur Erarbeitung ihrer Ziele brauchtjede Synthesegruppen<br />

Synthesemethoden. Sie sollen die Wissensintegration, die<br />

Wiederholbarkeit und Verfügbarkeit der Arbeitsergebnisse<br />

(Syntheseleistung) garantieren.<br />

Es sind nur wenige starke Methoden zur Wissensintegration<br />

bekannt bzw. praxistauglich. Deswegen beschäftigen<br />

sich die UNS Fallstudien auch mit der Weiter- und Neuentwicklung<br />

von Synthesemethoden. Die wichtigsten Methoden,<br />

die sich in den bisherigen UNS Fallstudien bewährt<br />

haben, sind (Scholz & Tietje, 1996):<br />

Szenarioanalyse<br />

multikriterielle Bewertungsmodelle<br />

Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

Ökobilanzierung<br />

System Dynamics<br />

Synthese-Moderation<br />

Eine gute Fallstudienmethode verbindet:<br />

'i<br />

~<br />

i<br />

verschiedene sozial- und natura.<br />

"01 wissenschaftliche Disziplinen.<br />

ß i Sie ist interdisziplinär.<br />

verschiedene Systeme wie Wasser,<br />

Boden, Luft, Biospäre, etc.<br />

Sie ist ganzheitlich.<br />

verschiedene Wissenstypen, wie z.B. das<br />

Erfahrungswissen eines Angestellten mit<br />

dem Expertenwissen eines Professors.<br />

Sie ist sozial integrierend.<br />

verschiedene menschliche<br />

interessengruppen.<br />

Sie ist vermittelnd.<br />

Fallstudienmethoden<br />

Die vier Integrationsebenen<br />

~ji S~e~ Wissen Interessen Synthesegruppen, in<br />

a. ß. Y l~I~I~<br />

denen die Methode<br />

eingesetzt wurde<br />

Mobiliät<br />

Formative<br />

XX X X Wirtschaft<br />

Szenarioanalyse<br />

Siedlung<br />

_._------. --C---' ...<br />

Raum-Nutzungs-<br />

Verh<strong>and</strong>lung (einseh!. X X XX Naturraum<br />

Explorationsparcour)<br />

_._______m<br />

... .._-------<br />

Ökobilanz X XX<br />

----.<br />

Multiattributive<br />

Entscheidungstheorie<br />

ModelIierung<br />

(System Dynamics)<br />

X X X Naturraum<br />

XX<br />

I<br />

Stoffflussanalyse I XX Mobilität<br />

I<br />

Risikoh<strong>and</strong>lungsmodell X X I<br />

Systems Engineering<br />

Ideenwerkstatt<br />

Zukunftswerkstatt<br />

Synthese-Moderation<br />

I<br />

X<br />

XX X Siedlung<br />

X<br />

X<br />

Abb. 2.6: Die Synthesemethoden<br />

haben<br />

ihre Stärken in unterschiedlichen<br />

Anwendungsbereichen.<br />

Xbedeutet<br />

geeignet, XX<br />

sehr geeignet. Eine<br />

gute Fallstudienmethode<br />

verbindet mehrere<br />

Integrationsebenen:<br />

Disziplinen, Systeme,<br />

Wissen und Interessen<br />

(nach Scholz<br />

& Tietje, 1998). In der<br />

letzten Spalte sind die<br />

Synthesegruppen der<br />

UNS Fallstudie 1997<br />

aufgelistet, in denen<br />

die entsprechenden<br />

Methoden eingesetzt<br />

wurden.<br />

UNS-Fallstudie '98 47


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

2.4 Organisationsinstrumente<br />

Infrastruktur<br />

Die Projektorganisation der UNS Fallstudie hat sich seit<br />

1994 laufend weiterentwickelt. Verschiedene Organisationsinstrumente<br />

wie beispielsweise Tutorate oder Gemeinschaftsfunktionen<br />

(siehe unten) haben sich in der Fallstudie<br />

bewährt. Die Mittel zur Kommunikation und zum Schnittstellen-Management<br />

wurden im Bericht zur UNS Fallstudie<br />

1996 detailliert beschrieben (Scholz et al., 1997).<br />

Selbstorganisation der Gruppen<br />

Die Arbeitsteams (Synthese- und Teilprojektgruppen) in der<br />

UNS Fallstudie sollen - im Rahmen ihres Syntheseauftrages<br />

- möglichst selbständig arbeiten. Es ist nicht vorgesehen,<br />

dass die Tutorinnen und Tutoren als Projektleiter tätig werden,<br />

sie sollen die Verantwortung soweit wie möglich an die<br />

Studierenden abgeben. Hierzu wurde in der Fallstudie 1995<br />

das «2-Phasen-Schwungradmodell» propagiert (vgl. auch<br />

Mieg et al., 1997): Die Tutorierenden sollen den Gruppenprozess<br />

in Gang bringen (Phase 1) und sich dann auf ihre<br />

Beraterfunktion zurückziehen (Phase 2).<br />

In Projekten wie der UNS-Fallstudie, in denen so unterschiedliche<br />

Projektpartner (Träger der Fallstudie) beteiligt<br />

sind, gewinnt die Prozesskontrolle (Projekt-Prozess-Steuerung)<br />

gegenüber der Projektplanung an Bedeutung (Wischnewski,<br />

1993). Um den Gruppenprozess und die eigentliche<br />

Fallstudienarbeit selbständig durchführen zu können,<br />

braucht es klare Funktionsaufteilungen: Auch in der UNS<br />

Fallstudie 1998 wurden einzelne Studierende mit speziellen<br />

Aufgaben und Kompetenzen versehen (seihe Tab. 2.2).<br />

Zeitplanung<br />

Ein für alle einsehbarer und verbindlicher Zeitplan ist für<br />

Grossprojekte wie die UNS Fallstudie von zentraler Bedeutung:<br />

Er hilft auf einfache Weise, die Projektorganisation zu<br />

steuern und trägt zusätzlich zur Kommunikation bei. Die<br />

Zeit als knappe Ressource verlangt nach einem zielorientierten<br />

Projektmanagement. Mit Hilfe des Zeitplans kann die<br />

Realisierbarkeit des Ziels vom Endpunkt her rückblickend<br />

überprüft werden.<br />

Evaluation<br />

Jede UNS Fallstudie wird durch eine Befragung der Studierenden<br />

zu Beginn, in der Mitte (seit der UNS Fallstudie<br />

1996) und am Schluss umfänglich evaluiert. Diese Befragungen<br />

liefern ein Bild von der studentischen Wahrnehmung<br />

der UNS Fallstudie und sind Indikatoren für die<br />

Qualität der Projektorganisation.<br />

Daneben soll auch die Arbeit der Studierenden bewertet<br />

werden. Angaben der Tutorierenden zu den einzelnen Studierenden<br />

ermöglichen es, eine Art Arheitszeugnis für jeden<br />

Studierenden zu erstellen. Die in der UNS Fallstudie 1997<br />

erstmals eingesetzten formativen Tests zur Messung von<br />

Systembezug und Fallverständnis der einzelnen Studierenden<br />

haben sich nicht im erwarteten Umfang bewährt (Böseh,<br />

1998).<br />

Räumlichkeiten<br />

Einer der Leitgedanken der UNS Fallstudie ist die Verankerung<br />

in der <strong>Region</strong>, mit der sie sich ausein<strong>and</strong>ersetzt. Von<br />

den Arbeitsgruppen wurde eine regelmässige Anwesenheit<br />

im Klettgau gefordert, um die <strong>Region</strong> nicht bloss aus der<br />

Distanz zu «begutachten». Diese Anwesenheit bedingte ne-<br />

Tah. 2.2: Die Spezialfunktionen in der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998. Ein erfolgreicher Projektahlaufverlangt nach gewissen<br />

minimalen Strukturelementen, die einzelnen Verantwortlichen zugewiesen werden können.<br />

funktion<br />

Mitglied der<br />

Fallstudienkommission<br />

Aufgaben und Anforderungen<br />

Die Fallstudienkommission ist die Leitung der UNS Fallstudie. Die Kommission fällt alle die<br />

Gesamtfallstudie betreffenden Entscheide (ausser Finanzen, Bewertung und Anstellungen). Sie<br />

überwacht und koordiniert den ..<br />

Logistik<br />

Finanzverantwortung und Schlüsselverwaltung der Synthesegruppe.<br />

Raum- und Transportorganisation.<br />

Kontakt- und<br />

Nachführung der Kontaktedatenbank der Synthesegruppe.<br />

,<br />

Terminplanung<br />

Nachführen des Synthesegruppen-Zeitplans mit wichtigen Terminen, Anlässen und «Meilensteinen».<br />

I<br />

Dokumentation Übersicht und Kontrolle über die in der Synthesegruppe verwendete Literatur und Karten- I<br />

materialien.<br />

I<br />

Koordination und Kontrolle des Gruppenzugangs zur UNS-Bibliothek<br />

Berichte-<br />

Verfolgen und Aufzeichnen der inhaltlichen Abläufe in der Synthesegruppe.<br />

Verantwortung<br />

Übernahme von Zeitmanagement und Koordination der Berichterstellung gegen Ende der<br />

Projektarbeit (Erstellen Inhaltsverzeichnis und Einforderung der Teilberichte).<br />

Netz- und<br />

EDV-Verantwortung<br />

Spezialkenntnisse zur Netz- und Serverstruktur in der UNS-Fallstudie.<br />

Für die einzelnen Synthesegruppenmitglieder sind die verantwortlichen Personen auch erste<br />

Ansprechpartner bei Fragen zu Programmen und Problemen und sind Verbindung zum EDV­<br />

Team des Fallstudienbüros.<br />

48 UNS-Fallstudie '98


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

ben den Räumlichkeiten an der <strong>ETH</strong> Zürich auch eine<br />

Einrichtung von Arbeitsplätzen im Klettgau. Zu diesem<br />

Zweck wurden in Weisweil von der Gemeinde Klettgau<br />

Büroräumlichkeiten im ehemaligen Gemeindehaus gemietet.<br />

EDV<br />

In der UNS Fallstudie arbeitet eine grosse Anzahl Beteiligter<br />

- räumlich verteilt - am gleichen Fall und teilweise auch<br />

an den gleichen Fragestellungen. In diesem Zusammenhang<br />

hat sich der Einsatz von EDV als Kommunikationsmittel<br />

bewährt (Scholz et al., 1998). Die Hauptziele des Computereinsatzes<br />

in der Fallstudie sind dabei das Schaffen von<br />

Transparenz, das Erzeugen eines kollektiven Fallverständnisses<br />

und das Erstellen eines Ordnungssystems: Alle Arbeitsgruppen<br />

haben die Möglichkeit, jederzeitalle Daten der<br />

<strong>and</strong>eren Arbeitsgruppen einzusehen; die Grundstruktur der<br />

einzelnen Ablagesysteme ist dabei identisch.<br />

Konkret stehen an den verschiedenen St<strong>and</strong>orten mitein<strong>and</strong>er<br />

vernetzte Computer zur Verfügung. Die Daten sind auf<br />

einem zentralen File Server an der <strong>ETH</strong> Zürich gespeichert<br />

(vgl. Abb. 2.7). Die auf den verschiedenen Servern und<br />

Rechnern gelagerten Dokumente werden im Sinne eines<br />

Datenabgleichs jeweils automatisch auf den aktuellsten<br />

St<strong>and</strong> gebracht (Heller et al., 1997)<br />

Die Fallstudien-interne Kommunikation erfolgt seit Beginn<br />

der UNS Fallstudien zu einem grossen Teil via E-mail.<br />

Mit zunehmendem Zugang zum Internet von Institutionen<br />

und Personen ausserhalb der Hochschule hat die elektronische<br />

Post im Rahmen der UNS Fallstudie 1998 noch grössere<br />

Bedeutung bekommen.<br />

Intranet<br />

In der Fallstudie 1998 kam erstmals ein «Intranet» für den<br />

Austausch interner Information und die Verwaltung interner<br />

Daten zur Anwendung. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um eine<br />

UNIX-Datenbank, aufweIche von (durch Passwort) autorisierten<br />

Benutzerinnen und Benutzern via World Wide Web<br />

(WWW) zugegriffen werden kann. Als Benutzeroberfläche<br />

dient ein WWW-Browser(z.B. Netscape).<br />

Der Begriff Intranet wird normalerweise für ein Gefüge<br />

von Web-Seiten benutzt, welche auf einem Rechner abgelegt<br />

sind, der keinen Anschluss an das WWW besitzt. Ein<br />

echtes Intranet kommt beispielsweise in Firmen zum Einsatz,<br />

wo sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per<br />

Netzwerk an einen Zentralcomputer angeschlossen sind. Da<br />

dieser keine direkte Verbindung mit dem WWW besitzt,<br />

sind die Daten vor externem Zugriff geschützt.<br />

In der Fallstudie st<strong>and</strong>en wir vor der Situation, dass sensible<br />

Daten zwar nicht allgemein zugänglich, aber doch von<br />

extern (zum Beispiel von interessierten Personen im Klettgau<br />

oder von den Fallstudienarbeitsräumen im Klettgau aus)<br />

abrufbar sein sollten. Als Lösung wurde ein durch Passwort<br />

gesicherter Internetbereich gewählt, welcher also eher den<br />

Charakter eines firmen- resp. projekteigenen Netzes trägt<br />

und deshalb «Intranet» genannt wurde.<br />

Das Fallstudien-Intranet umfasst verschiedene Bereiche:<br />

In der Benutzerverwaltung sind die Personendaten der<br />

Zugriffsberechtigten verzeichnet. Jede Person kann ihren<br />

eigenen Datensatz verändern und so Adressmutationen eingeben<br />

oder das Passwort für den Intranetzugang ändern.<br />

In einem Terminkalender sind alle wichtigen Veranstaltungen<br />

verzeichnet. Zu jeder Veranstaltung können Informationen<br />

über Zeit, Ort, Referierende und Inhalt abgerufen<br />

werden. Zudem ist bei jeder Veranstaltung angegeben, für<br />

wen der Besuch obligatorisch oder empfohlen ist. Jeder<br />

UNS Fallstudienbüro<br />

Weisweil (0)<br />

Computerarbeitsplätze<br />

Filiale Fallstudienbüro<br />

Sekretari<br />

Professur UNS<br />

Hochstrasse<br />

Fallstudien-<br />

Professor<br />

UNS Fallstudienbüro<br />

Voltastrasse<br />

Computerarbeitspiätze<br />

CAD/GIS Raum<br />

Fallstudienbüro<br />

Bibliothek UNS<br />

Computerarbeitsplätze<br />

Computerarbeitsraum<br />

<strong>ETH</strong> Hauptgebäude<br />

Tutorinnen<br />

und Tutoren<br />

Abb. 2.7: Ein für die UNS Fallstudie sinnvoller<br />

EDV-Einsatz bedingt eine Vernetzung<br />

der einzelnen Rechner und eine zentrale<br />

Datenverwaltung. Der UNS File<br />

Server «Zaky» istdas Herz der Anlage, auf<br />

ihm sind alle fallstudienrelevanten Daten<br />

gespeichert. Der Zugriff erfolgt via <strong>ETH</strong>internes<br />

Netz (in Zürich), resp. via Modem<br />

(im Klettgau).<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

49


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Intranet-Berechtigte kann selbständig neue Veranstaltungen<br />

und Tennine eingeben. Dies soll dazu beitragen, dass auch<br />

interessante Referate in <strong>and</strong>eren als der eigenen Synthesegruppe<br />

besucht und so Synergien genutzt werden.<br />

In der Kontaktdatenbank sind Angaben zu allen Personen<br />

gespeichert, welche im Laufe der Fallstudienarbeit kontaktiert<br />

worden sind. Neben den Personendaten (Name, Adresse,<br />

Telefonnummer, Erreichbarkeit, Beruf etc.) sind zu jedem<br />

einzelnen Kontakt die wichtigsten Infonnationen vermerkt<br />

(Datum, Art des Kontaktes (Brief, Telefon), getroffene<br />

Abmachungen, ausgetauschte Infos). Dadurch werden<br />

doppelte Anfragen von verschiedenen Personen aus der<br />

Fallstudie weitgehend vennieden.<br />

Weiter besteht im Intranet eine Mitfahrzentrale, in der<br />

freie Plätze in Bussen oder Personenwagen nach dem Klettgau<br />

angemeldet und «gebucht» werden können.<br />

Neben diesen administrativen Bereichen findet sich im<br />

Intranet ein Online-Magazin mit aktuellen Artikeln zur Fallstudie<br />

und einem Leser!nnenforum. Dieses Online-Magazin<br />

übernimmt für die Studierenden die Funktion der bisherigen<br />

Fallstudienzeitung - allerdings mit dem Unterschied, dass<br />

die Infonnationen intern bleiben und sich nicht gleichzeitig<br />

noch an weitere Zielgruppen aus dem Fall richten. Jede<br />

Leserin und jeder Leser kann spontan Kommentare oder<br />

eigene Beiträge veröffentlichen, ohne dass diese eine redaktionelle<br />

Bearbeitung durchlaufen.<br />

Eine Evaluation am Ende der Fallstudie ergab, dass das<br />

Intranet noch nicht von allen Studierenden regelmässig benützt<br />

worden war. Als Gründe dafür wurden einerseits die<br />

schlechte Qualität der zur Verfügung stehenden Computer<br />

(langsame Verbindung, häufige Abstürze) angegeben, <strong>and</strong>ererseits<br />

wurde bemängelt, dass in den Gruppenarbeitsräumen<br />

selber keine Computer mit WWW-Anschluss vorh<strong>and</strong>en<br />

waren.<br />

Die regelmässigen Nutzerinnen und Nutzer äusserten sich<br />

zu den Inhalten aber mehrheitlich positiv. Im Vergleich zu<br />

den Fallstudienzeitungen wurde häufiger von der Möglichkeit<br />

zur Diskussion und Rückmeldung zur Fallstudie via<br />

«Leserbrief» Gebrauch gemacht. Dies lässt sich durch die<br />

kürzere Zeit zwischen beurteiltem Vorfall und Publikation<br />

des Leserbriefes, durch das Wegfallen einer redaktionellen<br />

Bearbeitung, vennutlich aber auch durch eine höhere Spontaneität<br />

und Anonymität des Mediums erklären.<br />

In der kommenden Fallstudie soll durch Beheben von<br />

technischen Unzulänglichkeiten und eine bessere Einführung<br />

der Studierenden, besonders aber auch der Tutorierenden,<br />

die Nutzungsfrequenz ausgebaut werden.<br />

Abb. 2.8: Eine Seite aus der Rubrik<br />

«Magazin» im Intranet. Neben<br />

Daten zur UNS Fallstudie '98<br />

(Kontaktadressen, Adressen der<br />

Studierenden, Veranstaltungskalender)<br />

waren im Intranet auch<br />

interne Informationen abrujbar.<br />

50 UNS-Fallstudie '98


_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

3 Ablaufder UNS Fallstudie 1998<br />

Die UNS Fallstudie besteht prinzipiell aus drei Phasen unterschiedlicher<br />

Länge: Vorbereitungs-, Projekt- und Nachbearbeitungsphase.<br />

Wie Tabelle 3.1 zeigt, begann die Vorbereitungsarbeit<br />

für die UNS Fallstudien 1997/98 bereits zwei<br />

Jahre früher.<br />

3. 1 Vorbereitung<br />

Die Vorbereitungsphase der UNS Fallstudie «Klettgau» begann<br />

bereits im Frühling 1995. Im Hinblick auf die UNS<br />

Fallstudie 1996 wurden mit Herrn Wolf Pabst von der Gewässerdirektion<br />

Rhein und Herrn Dr. Roger Biedermann<br />

vom Kantonalen Amt für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz<br />

Schaffhausen erste Kontakte geknüpft und mögliche<br />

Schwerpunktthemen diskutiert. Dabei erwies sich eine<br />

Klettgauer Fallstudie im Jahre 1996 als zu kurzfristig. Mit<br />

dem Entscheid im Juni 1996, die UNS Fallstudien zukünftig<br />

2-jährig zu führen, waren die nötigen Voraussetzungen für<br />

eine UNS Fallstudie 1997/98 im Klettgau gegeben. Noch<br />

vor Ende 1995 f<strong>and</strong> für die Studierenden der UNS Fallstudien<br />

1997 und 98 eine Informationsveranstaltung in Neunkirch<br />

statt - im Anschluss daran wurde der Klettgau definitiv<br />

als Fall gewählt.<br />

Die Vorkommission mit Vertreterinnen und Vertretern aus<br />

beiden Studienjahrgängen begann im Sommer 1995 mit<br />

ihrer Arbeit; neben einer Zusammenarbeit mit dem Interreg<br />

II-Projekt wurden Informationen aus der <strong>Region</strong> gesammelt<br />

und mögliche Schwerpunktthemen für die UNS Fallstudie<br />

ausgearbeitet. Ein Jahr vor Beginn der Projektarbeit der<br />

UNS Fallstudie 1997 erstellte eine Arbeitsgruppe der Fallstudienkommission<br />

ein Dossier mit Detailinformationen zur<br />

UNS Fallstudienarbeit und zur <strong>Region</strong> Klettgau (Bättig et<br />

al., 1996).<br />

Im Sommer 1997 (während der Projektphase der UNS<br />

Fallstudie 1997) setzte sich die Kommission '98 mit möglichen<br />

Leitthemen ausein<strong>and</strong>er. Die Wahl fiel auf die «nachhaltige<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung». An einer 1nformationsveranstaltung<br />

im Klettgau im Juni 1997 wurden im Plenum<br />

mögliche Synthesegruppen und -themen dazu ausgearbeitet.<br />

Zusammen mit den Tutorierenden arbeitete die Fallstudienkommission<br />

im Winter 97/98 die möglichen Fragestellungen<br />

und Zielsetzungen der einzelnen Synthesegruppen in<br />

Vorbereitungsgruppen weiter aus.<br />

Mit der offiziellen Schlussveranstaltung der UNS Fallstudie<br />

1997 im April 1998 hatten die Studierenden ein weiteres<br />

mal die Möglichkeit, mit den regionalen Vertreterinnen und<br />

Vertretern Kontakt aufzunehmen und erste Interessentinnen<br />

und Interessenten für die Begleitgruppen zu suchen.<br />

Wichtig für die Vorbereitung der Studierenden ist eine<br />

Einführung in die Methoden der UNS Fallstudie. Seit 1997<br />

wird die Methodeneinführung in einem obligatorischen,<br />

zweitägigen «Crash-Kurs» unmittelbar vor Fallstudienbeginn<br />

durchgeführt. Die Studierenden und Tutorierenden lernen<br />

dabei in Gruppenarbeit und anh<strong>and</strong> konkreter Beispiele<br />

die Anwendung der wichtigsten Fallstudienmethoden (vgl.<br />

auch Abb. 2.4) kennen.<br />

Um den Start der Arbeit in den Themengruppen zu erleichtern,<br />

ruft die Fallstudienkommission für jede Synthesegruppe<br />

vor Beginn der Projektphase eine vorbereitende<br />

Arbeitsgruppe aus Tutorierenden und interessierten Studierenden<br />

ins Leben. Diese Vorbereitungsgruppen gehen anschliessend<br />

in den Synthesegruppen auf.<br />

Tab. 3.1: Die wichtigsten Termine im Ablaufder UNS Fallstudien 1997/98 (siehe auch Scholz et al., 1998).<br />

I Datum Anlass Bemerkungen<br />

11995 Wahl des Falls «Klettgau» UNS Fallstudie «Klettgau» als mögliches Thema<br />

i vorgesehen für 1996<br />

I<br />

1996 Erstellung Falldossier Förderung des Fallverständnisses<br />

Informations-Wochenende im Klettgau<br />

Ende 1996<br />

Tutorinnen und Tutoren '97 eingestellt<br />

Sommer Durchführung der UNS Fallstudie 1997 Einbezug studentischer Vertreter aus UNS<br />

1997 Wahl des Leitthemas «Nachhaltige <strong>Region</strong>al- Fallstudie 1998<br />

entwicklung»<br />

Vorbereitungswochenende für UNS Fallstudie Wahl der Synthesegruppen<br />

1998<br />

Ende 1997<br />

Tutorinnen und Tutoren '98 eingestellt<br />

März 1998 Crash-Kurs zu den Fallstudienmethoden obligatorisch für alle Studierenden<br />

April 1998 Schlussveranstaltung der UNS Fallstudie 1997 in Offizielle Vorstellung der Resultate und<br />

Trasadingen Präsentation des Fallstudienb<strong>and</strong>es<br />

Beginn der UNS Fallstudie 1998<br />

Erster Aufruf für Interessentinnen und<br />

Interessenten für die Begleitgruppen<br />

UNS-Fallstudie '98 51


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

3.2 Projektphase (fallbearbeitung)<br />

Die UNS Fallstudie umfasst als Lehrveranstaltung von Mittwoch<br />

bis Freitag 18 Semesterwochenstunden (zusätzlich ca.<br />

6 Stunden «Hausarbeit»). Die Studierenden in der UNS<br />

Fallstudie 1998 arbeiteten 14 Semesterwochen vom April<br />

bis zum Juli 1998 in 4 Synthesegruppen und einer Infogruppe.<br />

In der Projektphase w<strong>and</strong>elte sich auch die Zusammensetzung<br />

der Fallstudienkommission. Neben dem Fallstudienbüro<br />

war nun jede Synthesegruppe mit einem Studierenden<br />

und einer Tutorin oder einem Tutoren vertreten.<br />

Die Organisation und damit der Ablauf der UNS Fallstudie<br />

ist ganz auf die Synthese ausgerichtet. Die Fallstudien­<br />

Projektarbeit lässt sich in vier Phasen gliedern, welche die<br />

gesamten 14 Wochen des Sommersemesters 1997 ausfüllten<br />

(s. Abb. 3.1).<br />

Einfiihrungsphase<br />

In der Einführungsphase galt es, die Grundlagen für die<br />

Arbeit der Synthesegruppen zu schaffen. Zu vermitteln waren:<br />

- Die Organisation der UNS Fallstudie 1998.<br />

- Die Ziele der UNS Fallstudie: Einführungstag im Klettgau:<br />

Vertreterinnen und Vertreter aus dem Fallstudienbüro<br />

und der <strong>Region</strong> erläutern an einem Postenlauf für die<br />

Studierenden die Probleme des Falls und die Ziele der<br />

UNS Fallstudie 1998.<br />

- Der Fall «Klettgau»: Vorträge zur <strong>Region</strong> und zu den<br />

thematischen Schwerpunkten der UNS Fallstudie 1998.<br />

- Spezialfunktionen: Die einzelnen Studierenden werden<br />

in ihre Spezialaufgaben eingeführt.<br />

Synthesephase I: Orientierungsphase<br />

Die Synthesegruppen hatten in den ersten 2-3 Wochen ihre<br />

Zielsetzungen zu erarbeiteten und ihre Untersuchungen zu<br />

planen. Jede Synthesegruppe wurde dabei von einem Tutorenteam<br />

aus 4-5 Tutorierenden unterstützt (siehe auch<br />

Anhang):<br />

- Didaktiktutorin oder -tutor übernimmt die Hauptbetreuung<br />

der Synthesegruppe.<br />

- Mehrere Fachtutorinnen und -tutoren stehen der Gruppe<br />

für fachliche Fragen zur Verfügung.<br />

- Methodentutorinnen oder -tutoren (für UNS Fallstudienmethoden<br />

und sozialwissenschaftliche Methoden) beraten<br />

die Gruppe insbesondere hinsichtlich der Synthesemethoden.<br />

- Systemtutorin oder -tutor beraten die Gruppe bezüglich<br />

des Falls «Klettgau».<br />

Die Synthesegruppen müssen in dieser Phase den Fall soweit<br />

erfassen, dass sie ihr Arbeitsziel und die nötigen Detailuntersuchungen<br />

planen oder konzipieren können. Die Spe-<br />

Abb. 3.1: Der Ablaufplan der UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - nachhaltige Reginalentwiclung». Um<br />

die zentrale 1dee der Synthese zu unterstreichen, ist das Ende der Teilprojektphase fest terminiert (29. Mai). Ansonsten<br />

können die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen flexibel gestaltet werden.<br />

52 UNS-Fallstudie '98


_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

zialfragen und Detailuntersuchungen werden in Teilprojekten<br />

durchgeführt. Jede Synthesegruppe definiert, ausgehend<br />

vom Gruppenziel, ihre eigenen Teilprojekte.<br />

Teilprojektphase<br />

Für die anschliessenden 5-6 Wochen unterteilten sich die<br />

Synthesegruppen in einzelne Teilprojektgruppen (siehe Tab.<br />

3.2). In dieser Zeit wurde in jeder Teilprojektgruppe ein<br />

Erfahrungstag durchgeführt (siehe Kasten «Verankerung in<br />

der <strong>Region</strong>»).<br />

Die Unterscheidung zwischen Teilprojekten und Synthesegruppe<br />

ist in erster Linie organisatorisch begründet. Die<br />

Teilprojektgruppen sind Untergruppen einer Synthesegruppe.<br />

Sie sollen sich seit der UNS Fallstudie 1996 an der<br />

übergeordneten Zielsetzung der Synthesegruppe ausrichten.<br />

Weil selbst für Spezialfragen nicht immer geeignete wissenschaftliche<br />

Fachmethoden zur Verfügung stehen, kommt in<br />

den Teilprojekten oftmals eine Mischung von klassischen,<br />

fachlichen Methoden und Synthesemethoden zum Einsatz.<br />

Abb. 3.2: Eine Teilnehmerin der UNS Fallstudie '98 beim<br />

RÜbenstechen. Mit der DurchfÜhrung eines Elfahrungstages<br />

hatten die Studierenden die Chance, durch emotionale, persönliche<br />

Kontakte eine <strong>and</strong>ere Sicht aufden Fall zu bekommen.<br />

Synthesephase II<br />

Nach der Teilprojektphase beginnt mit der eigentlichen Synthese<br />

die kritische Phase jeder UNS Fallstudie. Beim Versuch,<br />

die Ergebnisse der Teilprojekte zu integrieren, zeigt<br />

sich, wie gut die Synthesegruppe vor der Teilprojektphase<br />

ihre Zielsetzungen bestimmt hat. Als hilfreich haben sich in<br />

der Synthesephase II Synthesemethoden und moderierte<br />

Gruppendiskussionen erwiesen (vgl. Mieg et al., 1997).<br />

Ausgehend von der Zielsetzung und den Resultaten aus<br />

den Teilprojektgruppen erstellte jede Synthesegruppe einen<br />

Projektbericht als Grundlage für den vorliegenden B<strong>and</strong>.<br />

Dieser wurde nach Ende der Projektarbeit von einzelnen<br />

Mitgliedern der Synthesegruppe redaktionell bearbeitet<br />

(siehe unten).<br />

Das Ende der Projektarbeit der Fallstudie wurde durch die<br />

interne Schlussveranstaltung im Juli gesetzt. Die externe<br />

Schlusspräsentation erfolgt erst nach Fertigstellung des<br />

Schlussberichts und findet gemeinsam mit den Trägem der<br />

UNS Fallstudie statt.<br />

3.3<br />

Prozesse<br />

Mit dem Ende der Projektphase - zum Semesterende ­<br />

beendet auch die Fallstudienkommission ihre Arbeit. Die<br />

Nachbearbeitung der Ergebnisse für den vorliegenden Berichtb<strong>and</strong><br />

wird gemeinsam vom Fallstudienbüro und studentischen<br />

Redaktionsteams (in Zusammenarbeit mit Tutorierenden)<br />

sowie einer verantwortlichen Redaktorin geleistet.<br />

Sie beinhaltet<br />

- Redaktion des Schlussberichts (in der hier vorliegenden<br />

Form)<br />

- weitere Öffentlichkeitsarbeit (unter <strong>and</strong>erem Schlussveranstaltung<br />

mit Pressekonferenz)<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

53


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Tab. 3.2: Die Synthesegruppen der Fallstudie «Klettgau» und ihre Tei/projekte. Jede Synthesegruppe bildet Tei/projekte, in<br />

denen während derfünjvvöchigen Tei/projektphase Spezialjragen bearbeitet werden.<br />

Wirtschaft Mobilität Naturraum Siedlung<br />

- Gewerbe und Industrie - Einkaufs- und Freizeit- - Bewertungskriterien für - Lebensqualität<br />

- L<strong>and</strong>wirtschaft verkehr l<strong>and</strong>schaftsökologische - <strong>Region</strong><br />

- Dienstleistungen i - Pendlerverkehr Projekte - Haus<br />

- Syntheseteam I - Kommunikation und Methodik für l<strong>and</strong>schafts- - Siedlung<br />

Sensibilisierung ökologische Projekte<br />

- Grenzüberschreitende<br />

Koordination von Projekten<br />

im Bereich des<br />

ökologischen Ausgleichs<br />

(IG Klettgau)<br />

I<br />

- Diplom- und Semesterarbeiten<br />

- <strong>and</strong>ere Folgeprojekte<br />

Seit 1994 ergaben sich aus den UNS Fallstudien immer<br />

wieder Diplomarbeiten mit anwendungsorientierten Fragestellungen.<br />

Resultate der UNS Fallstudien sind jedoch nicht<br />

nur Produkte im engeren Sinn, sondern auch Prozesse. So<br />

wurde im Anschluss an die UNS Fallstudie 1995 «Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss» der Workshop «Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen»<br />

mit Interessenvertretern aus Wirtschaft<br />

und Politik durchgeführt. Die Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />

erbrachten eine Neubelebung kommunaler Kooperationsprozesse,<br />

nunmehr unter Einbezug von engagierten<br />

Architekten. Die UNS Fallstudie 1996 «Zentrum Zürich<br />

Nord» führte zu einer verstärkten Zusammenarbeit der ABB<br />

und der Stadt Zürich mit dem Anwohnerverein «Züri 50!».<br />

In den beiden UNS Fallstudien 1997 und 1998 wurden<br />

folgende zusätzlichen Produkte erarbeitet oder initiiert:<br />

- Rezeptbroschüre «Das kleine Emmer-Büchlein» als Instrument<br />

für <strong>Region</strong>almarketing (üsterwalder et al.,<br />

1998)<br />

- W<strong>and</strong>er- und Radbroschüre «Klettgau erfahren» (Schenkel<br />

& Mathis, 1998)<br />

- Bevölkerungsinitiative «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />

- Runder Tisch der <strong>Region</strong>albanken zum Thema «Ideencafe»<br />

zur Förderung der Begegnungen über die L<strong>and</strong>esgrenzen<br />

hinweg<br />

- «Interessengemeinschaft Klettgau» zur Förderung von<br />

l<strong>and</strong>schaftsökologischen Projekten<br />

4 Ausblick und<br />

Schlussbemerkungen<br />

Das Problem der Zweijährigkeit<br />

Die UNS Fallstudien 1997/98 f<strong>and</strong>en zum ersten Mal als<br />

zweijährige Veranstaltung statt. Es zeigte sich, dass die<br />

inhaltliche Koordination zwischen den beiden Semestern<br />

zumindest für den nachfolgenden Jahrgang zum Teil<br />

schwierig war. Mit «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - nachhaltige<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung» wurde für die UNS Fallstudie<br />

1998 ein Thema gewählt, das sowohl auf Erarbeitetem<br />

aufbaute als auch ganz neue Themen anschneiden konnte.<br />

Dies wird umso deutlicher, wenn man die einzelnen Synthesegruppen<br />

betrachtet: Während die Gruppen Siedlung und<br />

Naturraum sehr leicht Anknüpfungspunkte in den entsprechenden<br />

Synthesegruppen des Vorjahres finden konnten,<br />

haben Wirtschaft (Industrie, Gewerbe und L<strong>and</strong>wirtschaft)<br />

und insbesondere Mobilität eher Neul<strong>and</strong> betreten.<br />

Befürchtungen, dass der erste Jahrgang bereits alle relevanten<br />

Fragestellungen bearbeitet und somit das «Feld abgegrast»<br />

haben wird, haben sich nicht bewahrheitet. Es hat<br />

sich viel mehrgezeigt, dass die Komplexität des Falls es dem<br />

zweiten Jahrgang ermöglicht hat, sich viel zu wenig auf<br />

Resultate und Folgerungen der UNS Fallstudie 1997 zu<br />

berufen. Es scheint uns deshalb wichtig, die Zweijährigkeit<br />

auch inhaltlich besser auszunutzen und die möglichen Leitthemen<br />

und Fragestellungen der beiden Jahrgänge besser<br />

aufein<strong>and</strong>er abzustimmen. Bedingung ist es in diesem Zusammenhang<br />

jedoch, dass die Ergebnisse des ersten Jahres<br />

dem zweiten Jahrgang nutzbar präsentiert werden.<br />

54<br />

UNS-Fallstudie '98


Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />

Bättig, M., Holy, R., Jung, T., König, F., Lippuner, L. & Roth, C.<br />

(1996). Dossier UNS-Fallstudien 97/98: Klettgau. Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur-<br />

und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Bösch, S. (1998). Die Organisation der UNS Fallstudie. In R. W.<br />

Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />

(S. 43-60). Zürich: Rüegger.<br />

Crott, H. W & Wemer, J. (1994). The norm-information-distance<br />

model: A stochastic approach to preference change in group interaction.<br />

Journal ofExperimental <strong>Social</strong> Psychology, 30, 68-95.<br />

Daenzer, W F. & Huber F. (Hrsg.). (1994). Systems engineering:<br />

h<br />

Methodik und Praxis (8 t ed.). Zürich: Verlag Industrielle Organisation.<br />

Frischknecht, P. (1997). Wegleitung für den Studiengang Umweltnaturwissenschaften.<br />

Studienjahr 98/98. Zürich: Eingenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Abteilungssekretariat Umweltnaturwissenschaften.<br />

Heller, S., Bösch, S. & Lippuner, L. (1997): Organisationsdossier<br />

zur UNS Fallstudie «Klettgau». Zürich: Eidgenössische Technische<br />

Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

McGrath, J. E. (1976). Stress <strong>and</strong> behavior in organizations. In M.<br />

E. Dunette, H<strong>and</strong>book ofindustrial <strong>and</strong> organizational psychology<br />

(S. 1351-1395). Chicago: R<strong>and</strong> McNally.<br />

Mieg, H. A. (1996). Managing the interface between science,<br />

industry, <strong>and</strong> society: Case studies for environment, education, <strong>and</strong><br />

knowledge integration at the Swiss Federal Institute of Technology.<br />

In UNESCO (Ed.), Proceedings of the World Congress of<br />

Engineering Educators <strong>and</strong> Industry Leaders (pp. 529-533). Paris:<br />

Unesco.<br />

Mieg, H. A., Bösch, S. & Bächtiger, C. (1996). Die Organisation<br />

der Fallstudie. In R. W Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg &<br />

J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und<br />

Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995<br />

(S. 71-82). Zürich: vdf.<br />

Mieg, H. A., Bösch, S., Stünzi, J. & Zwicker, K. (1997). Fallstudien-Organisation.<br />

In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi<br />

(Hrsg.), Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für<br />

eine nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996 (S.<br />

65-79).Zürich:vd[<br />

Mieg, H. A., Scholz, R. W & Stünzi, J. (1996). Das Prinzip der<br />

modularen Integration: Neue Wege von Führung und Wissensintegration<br />

im Management von Umweltprojekten. Organisationsentwicklung,<br />

15 (2),4-15.<br />

Osterwalder, K., Wolf, C. & Major, P. (1998). Das kleine Emmer­<br />

Büchlein. Zürich: Eingenössische Technische Hochschule Zürich,<br />

Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Schenkel, P. & Mathis, P. (1998). Klettgau erfahren. W<strong>and</strong>er- und<br />

Radbroschüre. Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule<br />

Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Scholz, R. W (1995). Zur Theorie der Fallstudie. In R. W Scholz,<br />

T. Koller, H. A. Mieg & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses<br />

Moos. Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie<br />

1994 (S. 39-46). Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W, Bösch, S., Koller, T., Mieg, H. A. & Stünzi, J.<br />

(Hrsg.) (1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und<br />

Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995.<br />

Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W, Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.) (1997).<br />

Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für eine<br />

nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996. Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W, Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.) (1998).<br />

<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />

UNS-Fallstudie 1997. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W, Bösch, S. & Oswald, J. (1997). Kommunikation in<br />

der Fallstudie. In R. W Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi<br />

(Hrsg.), Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für<br />

eine nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996 (S.<br />

45-64). Zürich: vd[<br />

Scholz, R. W, Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (Hrsg.)<br />

(1995a). Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994. Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W, Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (1995b). Die<br />

Organisation der Fallstudie. In R. W Scholz, T. Koller, H. A. Mieg<br />

& C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer<br />

nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994 (S. 25-38).<br />

Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1996). Methoden der Fallstudie. In R.<br />

W Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg & 1. Stünzi (Hrsg.),<br />

Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />

durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995 (S. 31-70).<br />

Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W & Tietje, O. (1998). Theorie. Hintergrunde und<br />

Methodik der Fallstudie (third ed.). Zürich: Eingenössische Technische<br />

Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Schwenk, C. & Valacich, J. S. (1994). Effects ofdevil's advocacy<br />

<strong>and</strong> dialectical inquiry on individuals versus groups. Organizational<br />

Behaviour <strong>and</strong> Human Decision Processes, 59, 210-222.<br />

Stewart, D. D. & Stasser, G. (1995). Expert role assignment <strong>and</strong><br />

information sampling during collective recall <strong>and</strong> decision making.<br />

Journal ofPersonality <strong>and</strong> <strong>Social</strong> Psychology, 69, 619-628.<br />

Ulich, E. (1992). Arbeitspsychologie (2 nd ed.). Zürich: vdf.<br />

Wischnewski, E. (1993). Modemes Projektmanagement (4 th ed.).<br />

Wiesbaden: Vieweg.<br />

Witschi, U. (1996). Projekt-Management: Der BWI-Leitfaden zu<br />

Teamführung und Methodik (4 th ed.). Zürich: Verlag Industrielle<br />

Organisation.<br />

Züst, R. (1997). Einstieg in das sytems-engineering. Zürich: Verlag<br />

Industrielle Organisation.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

55


Autoren:<br />

Si/via Frey<br />

Alex Reichenbach<br />

Andreas Hlflltt:htr<br />

Aufbauend aufden<br />

Ergebnissen der<br />

Arbeitsgruppe:<br />

Adrian Epp<br />

Si/via Frey<br />

lukas Huber<br />

Michael Kost<br />

jörgMäder<br />

Christian Prim<br />

Alex<strong>and</strong>er Reichenbach<br />

Peter Stofer<br />

Patrick Wetli<br />

Urs Wüst<br />

Matthias Wüthrich<br />

Philippe Zimmermann<br />

Alvaro Zorzi<br />

Paul 80th (Tutor)<br />

Andreas Hofer (Tutor)<br />

Matthias lebküchner (Tutor)<br />

Christoph Schreyer (Tutor)<br />

Michael Stauffacher (Tutor)<br />

inhalt<br />

1. Einleitung 59<br />

2. Theoretische Grundlagen 59<br />

3. Ziele 66<br />

4. Vorgehen und Methoden 66<br />

5. Resultate 76<br />

6. Veranstaltung: Mobilitätskarawane im Zuge des sanften Verkehrs 92<br />

7. Ausblick 95


Mobilität im Klettgau<br />

58 UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

1 Einleitung 2<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Dem Klettgau kommt von alters her eine Bedeutung als<br />

Ost-West-Traverse zu. Bereits in der Römerzeit führte eine<br />

Strasse von Schleitheim und Gächlingen nach Erzingen und<br />

dann weiter nach Zurzach. Während der Kriege im Mittelalter<br />

zogen oft Truppen durch das Tal. Im 19. Jahrhundert<br />

wurde die Ost-West-Verbindung mit dem Bau der Eisenbahnlinie<br />

von Waldshut nach Schaffhausen noch einmal<br />

deutlich verstärkt (Scholz et al., 1998).<br />

Dieser Verkehrsausrichtung konnte auch die senkrecht<br />

dazu verlaufende, seit dem 16. Jahrhundert bestehende L<strong>and</strong>esgrenze<br />

zwischen Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz nichts<br />

anhaben. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als<br />

das Auto grosse Verbreitung f<strong>and</strong> und die Menschen mobiler<br />

wurden, begann sich derVerkehr vom Klettgau aus vermehrt<br />

nach dem Süden, nach Zürich hin, auszurichten.<br />

Die Verkehrsversorgung unterliegt im Klettgau den gleichen<br />

Schwierigkeiten wie in <strong>and</strong>eren ländlichen Räumen.<br />

Deshalb gehen wir im nächsten Kapitel kurz auf die allgemeine<br />

Mobilitätsproblematik im ländlichen Raum (vgl.<br />

Kap. 2.1) und die generellen Umweltauswirkungen des Verkehrs<br />

(vgl. Kap. 2.2) ein. Über die Betrachtung der historischen<br />

Entwicklung der Verkehrswege im Klettgau (vgl.<br />

Kap. 2.3) und der regionalen Besonderheiten (vgl. Kap. 2.4<br />

bis 2.7) werden die Fragestellungen und Ziele unserer Untersuchung<br />

erarbeitet (vgl. Kap. 3). Anschliessend erläutern<br />

wir unser Vorgehen und die benutzten Methoden (vgl. Kap.<br />

4) und gehen aufdie gewonnenen Resultate und Erkenntnisse<br />

ein (vgl. Kap. 5). Kapitel 6 ist der sogenannten Mobi1itätskarawane<br />

gewidmet, einer Veranstaltung, die das Ziel hatte,<br />

der Bevölkerung die Ergebnisse unserer Arbeit zu präsentieren<br />

und auf alternative Verkehrsmittel aufmerksam zu machen.<br />

2. 1 MobiJitiit im liindlichen Raum<br />

Räumliche Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für den<br />

modemen Wohlst<strong>and</strong> und eine wichtige Komponente unserer<br />

Lebensqualität (Frey, 1994). Wohn- und Arbeitsort können<br />

weitgehend unabhängig vonein<strong>and</strong>er gewählt und geographisch<br />

ausgedehnte Sozialbeziehungen gepflegt werden.<br />

Zusätzlich profitieren wir von der Mobilität, da unserer<br />

Freizeit- und Feriengestaltung räumlich fast keine Grenzen<br />

mehr gesetzt sind (Güller, 1991). Ein Leben ohne diese<br />

räumliche Flexibilität erscheint unvorstellbar und als ein<br />

gesellschaftlicher Rückschritt.<br />

Die Vorteile unserer räumlichen Flexibilität drohen jedoch<br />

durch den Verkehr - insbesondere den motorisierten<br />

Individualverkehr (MIV) - auch wieder verschlungen zu<br />

werden. Der massive Anstieg des Verkehrsvolumens in den<br />

letzten Jahrzehnten (Infras, 1991) und damit einhergehende,<br />

schwerwiegende Umwelt- und Gesundheitsbelastungen<br />

weisen auf einen janusköpfigen Charakter der räumlichen<br />

Mobilität hin. Bedeutende verkehrsbedingte Probleme stellen<br />

Luftschadstoffemissionen, Klimabelastung, Lärm, Zerschneidung<br />

von Lebensräumen und Flächenverbrauch<br />

durch Verkehrswege, Unfallrisiko, Rohstoff- sowie Energieressourcenverbrauch<br />

dar (Infras/Econcept/Prognos,<br />

1996; Bickel & Friedrich, 1994).<br />

Die private Massenmotorisierung in der zweiten Hälfte<br />

dieses Jahrhunderts führte zu einem erheblichen prozentualen<br />

Rückgang in der Leistungsnachfrage des öffentlichen<br />

Verkehrs (ÖV) und zu stark steigendem Autoverkehr. Als<br />

direkte Folge davon entwickelten sich disperse Siedlungsformen<br />

wie zum Beispiel Einfamilienhaussiedlungen in<br />

ländlichen <strong>Region</strong>en. Das Auto ermöglichte es, den Wohnort<br />

in erholsame, ländliche Gegenden zu verlegen und zugleich<br />

den in der Stadt gelegenen Arbeitsplatz zu behalten.<br />

Viele ländliche Gegenden wurden zu Pendelregionen.<br />

Der Modalsplit (prozentuale Verteilung des Verkehrs auf<br />

MIV, ÖV und Langsamverkehr (LV) wie beispielsweise<br />

Radfahrende und zu Fuss Gehende) im ländlichen Raum ist<br />

deshalb zugunsten des MIV verschoben. Diese Verschiebung<br />

fällt oft umso deutlicher aus, je zersiedelter und strukturschwächer<br />

die jeweilige Gegend ist. Die MIV-Iastige<br />

Situation ist auf die Schwierigkeiten zurückzuführen, welche<br />

eine Erschliessung durch den konventionellen ÖV mit<br />

sich bringt. Dessen Betriebsablauf gestaltet sich nämlich<br />

durch strenge räumliche und zeitliche Bindungen relativ<br />

unflexibel. Ein Grund für sein schlechtes Image, welches<br />

sich nebst <strong>and</strong>eren Faktoren wie beispielsweise der hohen<br />

individuellen Verfügbarkeit des Autos (Arnet et al., 1998)<br />

nachteilig aufdie ÖV-Nachfrage auswirkt. Aufeine geringe<br />

Nachfrage folgen jedoch eine ungenügende Kostendeckung<br />

des Betriebs und ein allfälliger Abbau von Fahrkursen (Infras,<br />

1998). Massnahmen zur Aufwertung des ÖV-Angebotes<br />

im ländlichen Raum werden zusätzlich erschwert, weil<br />

die negativen Folgen des MIV nicht dort, sondern erst an den<br />

Zielorten des Pendelverkehrs in den städtischen Agglomerationen<br />

sichtbar werden. Staus und konzentrierte Lärmund<br />

Schadstoffemissionen sind dort an der Tagesordnung.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

59


Mobilität im Klettgau<br />

Der stadttypische verkehrsbedingte Leidensdruck existiert<br />

in L<strong>and</strong>regionen (noch) nicht.<br />

Eine ökologische Optimierung des Verkehrs im ländlichen<br />

Raum muss aufdie obenerwähnten besonderen Probleme<br />

Rücksicht nehmen. Eine Möglichkeit bietet sich über<br />

organisatorische Massnahmen wie zum Beispiel die Modifikation<br />

des konventionellen Linienbetriebs des ÖV<br />

Para-ÖV) an, die wir in der Massnahmenerarbeitung für<br />

eine umweltverträgliche Mobilität im Klettgau (vgl. Kapitel<br />

5.4) berücksichtigt haben.<br />

«Gefragt sind kostenoptimale Erschliessungssysteme für<br />

kleinste Verkehrsströme. Zwei Anliegen stehen dabei im<br />

Vordergrund: Eine Leistung soll flexibel erbracht werden,<br />

das heisst, wenn sie gebraucht wird. Eine Leistung soll<br />

möglichst kostengünstig erbracht werden. Gesucht sindprimär<br />

organisatorische-institutionelle Lösungen, bei denen<br />

die Angebotsqualität erhöht und gleichzeitig die Kosten<br />

spürbar gesenkt werden.» (Infras, 1998,5.2)<br />

Zusätzlich bedarf es jedoch nicht nur organisatorischer<br />

oder umwelttechnischer Massnahmen (Bsp. Katalysatoren)<br />

sondern auch einer gesamthaften Mobilitätsreduktion, um<br />

eine Herabsetzung der negativen Umweltauswirkungen zu<br />

erreichen (Güller, 1991).<br />

«Wieweit man den Mobilitätsansprüchen entgegenkommen<br />

kann, will oder darf, ist nicht mehr nur eine technische,<br />

sondern vielleicht bald eine existenzielle Frage.» (Rotach,<br />

1990)<br />

Die Mobilitätsnachfrage kann über monetäre Signale beeinflusst<br />

werden. Aus ökologischer Sicht würde Kostenwahrheit<br />

als Folge der Internalisierung der externen Kosten<br />

im Verkehr massgeblich zu einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung<br />

beitragen. Im nächsten Kapitel wird dieser<br />

umweltökonomische Ansatz deshalb näher beschrieben.<br />

2.2 Kostenwahrheit als ökologische<br />

Zielsetzung<br />

Bei knappen, nichterneuerbaren Ressourcen oder Gütern<br />

mit unvollständig definierten Eigentumsrechten (Umwelt)<br />

h<strong>and</strong>elt es sich um Allgemeingüter. Diese zeichnen sich<br />

dadurch aus, dass jede Person sie nutzen kann, ohne dafür<br />

den vollen Preis bezahlen zu müssen. Die Folge ist eine<br />

Übernutzung der jeweiligen Ressource oder des jeweiligen<br />

Gutes, was Kosten verursacht. Die Nutzniessenden tragen<br />

weder die Auswirkung bzw. die Kosten noch berücksichtigen<br />

sie diese bei ihren Entscheidungen. Das heisst, dass<br />

Dritte oder die Allgemeinheit diese Kosten übernehmen<br />

müssen, welche dementsprechend als externe Kosten bezeichnet<br />

werden. Sie werden im Bereich des motorisierten<br />

Individualverkehrs (MIV) als auch des öffentlichen Verkehrs<br />

(ÖV) verursacht. Demgegenüber entsteht im Verkehr<br />

auch ein externer Nutzen, welcher für die Allgemeinheit<br />

jedoch eher klein einzuschätzen ist oder bereits von allen<br />

Verkehrsteilnehmenden gleichennassen in Anspruch genommen<br />

werden kann (Bsp. Notfalltransporte). Im Verkehr<br />

lassen sich folgende externen Effektbereiche definieren, die<br />

zu externen Kosten führen: Verkehrsinfrastruktur, Stau, Gesundheitsschäden,<br />

Unfälle, Länn, Luftverschmutzung, Klima,<br />

Natur- und L<strong>and</strong>schaft, Gebäudeschäden, Störfälle und<br />

wissenschaftlich schwer erfassbare externe Effekte wie beispielsweise<br />

psychische Beeinträchtigungen (Infras/Econcept/Prognos,<br />

1996).<br />

Liegen externe Kosten vor, so wird die Knappheit der<br />

Ressourcen nicht in den Preisen, an denen sich die Verkehrsteilnehmenden<br />

bei ihren Fahrentscheiden orientieren, widerspiegelt<br />

(Frey, 1994). Die Folge dieses nicht funktionierenden<br />

Verkehrsmarktes ist fehlende Kostenwahrheit. Der<br />

Verkehr ist dann zu billig, die Mobilität dadurch zu hoch und<br />

die Gesellschaft erleidet Verluste hinsichtlich der Wohlfahrt<br />

und der Lebensqualität. Fehlende Kostenwahrheit begünstigt<br />

den Raubbau von natürlichen Ressourcen wie beispielsweise<br />

die Abholzung von Wäldern.<br />

Das Berücksichtigen von externen Kosten in den Marktpreisen<br />

wird Internalisierung genannt. Internalisierung wäre<br />

eine Voraussetzung für Kostenwahrheit im Verkehr. Durch<br />

die Internalisierung könnten die Verkehrskosten gerecht<br />

verteilt werden, indem das in der Schweiz in der Umweltschutzgesetzgebung<br />

verankerte Verursacherprinzip umgesetzt<br />

würde. Zusätzlich könnten im Sinne des Vorsorgeprinzips<br />

hohe, zukünftige Folgekosten vennieden werden. Lebenswichtige<br />

Ressourcen und Güter könnten geschützt und<br />

die Umweltbelastungen reduziert werden. Die Verkehrsleistungen<br />

würden nicht mehr zu billig angeboten und die<br />

Nachfrage wäre dadurch rückläufig (Infras/Econcept/Prognos,<br />

1996; Frey, 1994).<br />

Die Bewertung der externen Kosten ist nicht einfach, da<br />

für nicht nonnativ erfassbare Grössen ein monetärer Wert<br />

ennittelt werden muss.<br />

,


Mobilität im Klettgau<br />

der Volkswirtschaft, die externen Kosten über die Marktpreise<br />

abgelten.<br />

Mit Lenkungsabgaben werden die Preiserhöhungen eher<br />

auf ein politisch wünschbares Mass festgesetzt als anh<strong>and</strong><br />

der tatsächlichen externen Kosten berechnet (InfraslEconcept/Prognos,<br />

1996).<br />

Die Internalisierung von externen Kosten im Verkehr<br />

führt aus ökologischer Sicht zu wünschbaren Reaktionen<br />

der Verkehrsteilnehmenden wie beispielsweise zur Anpassung<br />

des Fahrverhaltens, zum Umsteigen auf umweltfreundliche<br />

Verkehrsmittel, zur Erhöhung des Auslastungsgrades<br />

der Fahrzeuge und zur Verkürzung der zurückgelegten<br />

Distanzen (Frey, 1994). Diese Auswirkungen wurden<br />

bei der Entwicklung und Auswertung der Mobilitätsszenarien<br />

für den Klettgau miteinbezogen (vgl. Kapitel 4.5 und<br />

5.3).<br />

2.3 Geschichte der Verkehrswege<br />

KJettgau<br />

Verkehrswege stellen ein zentrales Element der Mobilität<br />

dar. Sie beeinflussen die Mobilitäts- sowie die Siedlungsentwicklung<br />

in einem Gebiet. Nachfolgend sei ihre Entwicklung<br />

im Klettgau deshalb kurz in den zeitlichen Rahmen<br />

gestellt.<br />

2.3.1 Vom Marterweg zur A98: Strassen im Klettgau<br />

Das Aufstreben von H<strong>and</strong>el und Gewerbe im 19. Jahrhundert<br />

sowie die aufkommende Industrie erforderten gut ausgebaute<br />

Verkehrswege (Wanner et al., 1991). Im Klettgau<br />

f<strong>and</strong> deshalb ein gewaltiger Ausbau bestehender Strassen<br />

und die Verwirklichung neuer Verkehrswege zwischen 1850<br />

und 1880 statt.<br />

als Verbindung zwischen benachbarten Orten und zu Nachbartälern.<br />

In neuerer Zeit gewannen vor allem jene Strassen<br />

an Bedeutung, welche die Nord-Süd Verbindung in das für<br />

den Klettgau heute wichtige Wirtschaftszentrum Zürich ermöglichen.<br />

Diesbezüglich sind vor allem die Verbindungen<br />

über Jestetten oder Griessen-Riedern nach dem Rafzer-Feld<br />

zu erwähnen.<br />

Zusätzlich zum bestehenden Strassennetz wird im nächsten<br />

Jahrtausend eventuell ein Abschnitt der Hochrheinautobahn<br />

(A98) durch den Klettgau führen. Sie soll die verkehrstechnische<br />

Verbindung von Westen nach Osten entlang<br />

des Rheins und den Anschluss ans schweizerische Verkehrsnetz<br />

sichern. Im Bedarfsplan der Bundesrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />

und des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg hat der A98-Abschnitt<br />

östlich von Geisslingen jedoch nur nachrangige<br />

Dringlichkeit. Die Diskussionen über die Anschlüsse ans<br />

schweizerische Strassennetz werden deshalb erst nach 2012<br />

wieder aufgenommen.<br />

Einen allfälligen Ausbau der A98 durch den Klettgau<br />

haben wir nicht in unsere Fallbetrachtungen einbezogen, da<br />

die im Rahmen der Szenarioanalyse (vgl. Kapitel 5.3) betrachtete<br />

Mobilitätsentwicklung im Klettgau sich auf einen<br />

Zeithorizont bis ins Jahr 2010 beschränkt. Dieser Zeithorizont<br />

wurde durch die Verfügbarkeit von Umweltbelastungsfaktoren<br />

festgelegt, die für die Bewertung der verschiedenen<br />

Mobilitäts-Szenarien benötigt wurden. Im gegenüberliegenden<br />

Kasten sind jedoch zusätzliche Informationen zur<br />

A98 angebracht.<br />

«Neben der Eisenbahn begann man in dieser Zeit auch die<br />

Strassen - im Klettgau auch Marterwege genannt - auszubauen.<br />

Die Strassen ähnelten bis dahin miserablen Wegen,<br />

die mit Kuhmist und Pferdebollen übersät waren, dementsprechend<br />

stanken und durch den Regen völlig zelfressen<br />

und uneben waren.» (Scholz et al., 1998, S. 79)<br />

Pferd und Kutsche sowie das Fahrrad waren die gängigen<br />

Verkehrsmittel. Erst um die Jahrhundertwende wurde das<br />

erste Auto im Kanton Schaffhausen eingesetzt. Das Postauto<br />

löste die Postkutsche ab. Die Motorisierung der grossen<br />

Masse erfolgtejedoch erst um 1960 und brachte eine weiterführende,<br />

umfassendere Erschliessung der <strong>Region</strong> mit sich<br />

(Scholz et al., 1998).<br />

Die wichtigste Verbindung im Klettgau ist dabei bis heute<br />

eine Strasse, welche durch die Klettgaurinne von Schaffhausen<br />

nach Waldshut-Tiengen führt. Gesetzlich wird sie im<br />

deutschen Teil des Klettgaus von Lauchringen bis Trasadingen<br />

als Bundesstrasse (B34) und im schweizerischen Teil<br />

nach dem Grenzübergang bei Trasadingen bis Schaffhausen<br />

als Europastrasse (E54) klassifiziert. Zwischen 1850 und<br />

1950 verkehrten die Pendelströme vornehmlich in Richtung<br />

der Industriezentren Schaffhausen, Waldshut und Neuhausen<br />

durch die Klettgaurinne. Die übrigen Strassen dienten<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

61


Mobilität im Klettgau<br />

gen ~cbillgllngtll<br />

lddlt g,cIlIi'HIH<br />

Wetbcli.<br />

lludl IIlH11 dllt ~mllmt<br />

tonz ~d)llff~;,!lI[tlt<br />

wHitli<br />

forDern i bll~<br />

illurre,tlg<br />

~rß wirbt!: gtfunil(1l<br />

funubin bu<br />

fOIllOti!Jt,<br />

t1fÜm mtl)<br />

lJtr ~d1wd}<br />

1&l~tlt<br />

Ihr ,Q'iettlPu~<br />

Ci? bttrodJtet<br />

grl)~e (IUll~<br />

iiul'i:<br />

mugHdJft<br />

~Hdldd$t wirt! ~!1bcn<br />

(~tll)tl3 itittItil beil ki1n~<br />

!1i11)trC


Mobilität im Klettgau<br />

Linie ist bis heute nicht elektrifiziert und wird mit Dieselzügen<br />

befahren (Abb. 2.3). Es verkehren Nahverkehrszüge,<br />

die an allen Stationen halten, und <strong>Region</strong>alExpress (RE-)<br />

Züge. Letztere halten im Klettgau allerdings nur in Erzingen<br />

und Lauchringen. Ein Anschluss an das Ie-Netz und an den<br />

internationalen Schienenverkehr erfolgt an den beiden Endpunkten<br />

der Linie bei Basel und Singen. Seit diesem Jahr<br />

wird die Strecke Basel-Singen alle zwei Stunden durch<br />

einen Neigetechnik-Zug (NeiTec, VT 610) bedient. Er soll<br />

zeitliche Einsparungen und mehr Komfort für die Reisenden<br />

bringen.<br />

Während ab 1880 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts das<br />

Fahrrad den ÖV im Klettgau ernsthaft konkurrenzierte ist es<br />

seit 1960 aufgrund der individuellen Massenmotorisierung<br />

um dessen Attraktivität geschehen.<br />

2.4 Einfluss der Stadtnähe aufdie<br />

Mobilität im Klettgau<br />

Von der 1863 eröffneten Eisenbahnlinie versprachen sich<br />

die Gemeinden wirtschaftlichen Aufschwung und boten<br />

deshalb grosse Industrieflächen an. Vereinzelt siedelten sich<br />

im Klettgau Industriebetriebe an - 1898 beispielsweise die<br />

Ziegelwerke in Erzingen oder 1928 die Konservenfabrik<br />

Hero in Hallau (Scholz et al., 1998) -, insgesamt erfolgte die<br />

Industrialisierung jedoch nicht im erwarteten Ausrnass. Die<br />

Lage der Bauern wurde durch die Eisenbahn verschlimmert.<br />

Denn nun war es möglich, Produkte rasch und günstig aus<br />

weit entfernten Gebieten heranzutransportieren. Vor allem<br />

der Import von billigem ausländischen Wein und Getreide<br />

verstärkte die Armut unter dem bäuerlichen Volk (Rieder &<br />

Anw<strong>and</strong>er Phan-Huy, 1994).<br />

Im Gegenzug bot die Eisenbahn aber auch einen Ausweg<br />

aus der Not: Begünstigt durch die Nähe zu den Städten<br />

Waldshut und Schaffhausen entwickelte sich im Klettgau<br />

der sogenannte «Rucksackbauer, der in der Industrie arbeitete<br />

aber im Klettgau wohnte und dort weiterhin ein Stück<br />

L<strong>and</strong> bewirtschaftete. Den Weg in die Stadt legten sie jeden<br />

Tag zu Fuss, perVelo oder Zug zurück.» (Scholz et al., 1998,<br />

S.263)<br />

Zum Teil zogen die Menschen - vor allem die aus dem<br />

Schweizer Klettgau - auch ganz in die Stadt. Dies besonders,<br />

nachdem sich Schaffhausen vom H<strong>and</strong>els- und<br />

Marktort zum Industriezentrum der<strong>Region</strong> entwickelt hatte.<br />

Mit dem Aufkommen des Automobils wurden die Pendlerbewegungen<br />

noch einmal deutlich verstärkt.<br />

«1901 erscheint im Kanton Schaffhausen das erste Automobil.<br />

Um 1927 gab es im ganzen Kanton 200 Automobile.<br />

DerAusbau des Strassennetzes nach dem zweiten Weltkrieg<br />

führte bis heute zu einer breiten Motorisierung. Hinzu kam<br />

der Niedergang des Produktionssektors anfangs der 70er<br />

Jahre. Dadurch geriet die <strong>Region</strong> Klettgau, die aufL<strong>and</strong>wirtschaft<br />

und Produktion ausgerichtet war, unter Druck.<br />

Die Zahlen der Pendler nahmen drastisch zu [im Schweizer<br />

Klettgau von 1'217 Wegpendlern um 1950 auf 2'475 im<br />

Jahre 1980, wie aus einer Graphik am angegebenen Ort<br />

herauszulesen ist; Anm. d. Vr Noch zwischen 1985 und<br />

1995 stieg in der Gemeinde Klettgau der PKW-Best<strong>and</strong> um<br />

144% - zehn Prozent mehr als im L<strong>and</strong> Baden-Württemberg.»<br />

(Scholz et al., 1998, S. 263)<br />

Mit dem Auto wurden die Menschen also deutlich mobiler.<br />

Diese erhöhte Mobilität der Leute konnte den Abw<strong>and</strong>erungstrend<br />

stoppen und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts<br />

sogar umkehren. Denn nun wurde der Klettgau als<br />

Wohnort attraktiv, als Ort, wo sich der Traum vom Einfamilienhaus<br />

im Grünen realisieren liess. In der Folge verdoppelte<br />

sich die Siedlungsfläche im Klettgau in den letzten 40<br />

Jahren (Scholz et al., 1998). Besonders stark veränderten<br />

sich dabei verkehrsmässig gut erschlossene Dörfer.<br />

«Nur die verkehrsabgelegenen Dörfer konnten ihr ursprüngliches<br />

Ortsbild bewahren. Die verkehrsgünstig gelegenen<br />

Dörfer hingegen erhielten neue Eirifamilienhaussiedlungen<br />

und neue Strassen.» (Scholz et al., 1998, S. 263)<br />

Zusammenfassend hält die Synthesegruppe Siedlung der<br />

UNS-Fallstudie '97 fest:<br />

«Betrachtet man die Klettgauer Siedlungs- und Mobilitätsentwicklung<br />

der letzten Jahrzehnte, so liegt eine Entwicklung<br />

zurWohn- undPendlerregion nahe.» (Scholz etal.,<br />

1998, S. 263f)<br />

Diese Beurteilung macht deutlich, dass der Klettgau gewissermassen<br />

in einem Grenzgebiet liegt: an der Peripherie<br />

nämlich - und dies sowohl in Deutschl<strong>and</strong> als auch in der<br />

Schweiz.<br />

«Es scheint als hätten die positiven wie negativen Auswirkungen<br />

des Industrieaufschwungs des zwanzigsten Jahrhunderts<br />

den Klettgau nicht wirklich erreicht.» (Scholz et<br />

al., 1998, S. 258)<br />

Der Ausdruck «Grenzgebiet» erhält für den Klettgau somit<br />

eine doppelte Bedeutung. Jetzt bleibt noch abzuklären,<br />

welchen Einfluss die eigentliche Grenze, die L<strong>and</strong>esgrenze<br />

aufdas Gebiet und speziell aufdie Mobilität in diesem Raum<br />

ausübt.<br />

2.5 Einfluss der Grenze<br />

im Klettgau<br />

die Mobilitiit<br />

Die Teilung des Klettgaus in eine Schweizer und eine deutsche<br />

Hälfte begann mit dem Schweizer- oder Schwabenkrieg<br />

(je nachdem von welchem L<strong>and</strong> aus dieser Konflikt<br />

betrachtet wird) von 1499. In diesem Krieg sympathisierten<br />

Neunkirch, Hallau, Wilchingen und Osterfingen mit den<br />

Eidgenossen und wurden von diesen verschont, im Gegensatz<br />

zu Erzingen, welches niedergebrannt wurde. Schaffhausen,<br />

das 1501 als Folge des Krieges in die Eidgenossenschaft<br />

aufgenommen wurde, erwarb 1525 Hallau und Neunkirch.<br />

Rund ein Jahrhundert später, im Jahre 1657, erlangte<br />

die Stadt Schaffhausen die sogenannte Gerichtsbarkeit über<br />

grosse Teile des Klettgaus und kam so in den Besitz der<br />

vollen L<strong>and</strong>eshoheit in diesen Gebieten. Der heutige Grenzverlauf<br />

wurde schliesslich zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

UNS-Fallstudie '98 63


Mobilität im Klettgau<br />

festgelegt - im Anschluss an die Besetzung der Eidenossenschaft<br />

durch die Franzosen (Scholz et al., 1998).<br />

Die Grenze beeinflusst viele Bereiche des Lebens - so<br />

auch die Mobilität. Ganz allgemein stellt die Grenze einerseits<br />

ein Hindernis dar für den Transport von Gütern und<br />

Personen. Andererseits ist sie dafür verantwortlich, dass auf<br />

geographisch kleinem Raum unter <strong>and</strong>erem verschiedene<br />

Lohn- und Preisniveaus nebenein<strong>and</strong>er existieren. Diese<br />

Preisunterschiede können - man denke an den Einkaufstourismus<br />

- das Verkehrsaufkommen erhöhen.<br />

«Die Grenze prägt das Mobilitätsverhalten der Menschen<br />

im Klettgau. Gut 50% der Wege führen die Menschen im<br />

Klettgau nie über die Grenze [...}. Im Vergleich zu den<br />

Schweizern überqueren die deutschen Klettgauer häufiger<br />

die Grenze, vor allem beruflich und zum Tanken.» (Scholz et<br />

al., 1998, S. 266)<br />

Diese Aussagen können mit Zahlen verdeutlicht werden<br />

(Scholz et al., 1998):<br />

Tanken: Rund 70% der deutschen Klettgauer tanken ­<br />

offensichtlich aufgrund der Preisunterschiede - oft auf<br />

der <strong>and</strong>eren Klettgauseite. 90% der Schweizertanken nie<br />

im Nachbarl<strong>and</strong>.<br />

Einkaufen: Knapp die Hälfte der deutschen Klettgauer<br />

überqueren die L<strong>and</strong>esgrenze oft für Einkäufe. Bei den<br />

Schweizern sind es nur rund 20%.<br />

Beruflich: Aus beruflichen Gründen halten sich beinahe<br />

30% der deutschen Klettgauer oft in der Schweiz auf,<br />

während umgekehrt nur ein sehr kleiner Anteil der<br />

Schweizer (5%) berufeshalber nach Deutschl<strong>and</strong> geht.<br />

Mit der L<strong>and</strong>esgrenze einerseits und seiner ländlichen<br />

Lage in der Nähe von (Gross-) Städten <strong>and</strong>ererseits haben<br />

wir zwei Merkmale des Klettgaus gefunden, welche die<br />

Mobilität wesentlich beeinflussen. Von ihnen gingen wir in<br />

der Folge auch bei der Suche der Problemfelder aus, die wir<br />

in unserer Arbeit untersuchen wollten.<br />

2.6 In die Stadt für Arbeit, Einkäufe<br />

Unterhaltung<br />

Wie in Kapitel 2.4 gesehen, finden zwischen dem Klettgau<br />

und den Städten in seiner Umgebung Verkehrsbewegungen<br />

statt. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft finden sich die<br />

Städte Waldshut-Tiengen, Schaffhausen und Zürich.<br />

Waldshut-Tiengen und Schaffhausen liegen im Westen beziehungsweise<br />

im Osten des Klettgaus, und die Stadt Zürich<br />

reicht mit ihrer ausgedehnten Agglomeration vom Süden<br />

her beinahe bis an ihn heran.<br />

Um zu klären, welche Einrichtungen oder Angebote die<br />

Menschen aus dem Uml<strong>and</strong> letztlich veranlassen, in die<br />

Städte zu fahren, kann auf die Siedlungssoziologie zurückgegriffen<br />

werden, die wissenschaftliche Disziplin der Siedlungsformen<br />

des Menschen und der Organisation menschlicher<br />

Gemeinschaften.<br />

Der amerikanische Soziologe Ernest W. Burgess zum<br />

Beispiel hat ein Stadtmodell entwickelt, das die räumliche<br />

Verteilung von Nutzungs- und Bevölkerungsstrukur be-<br />

schreibt. Ursprünglich für die USA erstellt, besitzt es auch<br />

für die restlichen Industrieländer Gültigkeit (Harnm, 1982).<br />

Nach dem Burgess-Modell besteht eine Stadt aus fünf<br />

konzentrischen Zonen (Harnm, 1982):<br />

1. Im Kern der Stadt liegt der zentrale Geschäftsbezirk mit<br />

den grossen Kaufhäusern, spezialisierten Geschäften,<br />

Hotels, Restaurants, Unterhaltungsmöglichkeiten und<br />

mit den Verwaltungsgebäuden von Banken und Versicherungen.<br />

Permanente Wohnbevölkerung ist nur sehr<br />

spärlich vorh<strong>and</strong>en oder fehlt ganz.<br />

2. In der zweiten Zone, der Übergangszone, befinden sich<br />

Betriebe der Leichtindustrie und des H<strong>and</strong>werks, einige<br />

Geschäfte und Vergnügungsbetriebe. Hauptsächlich ist<br />

sie aber das Wohngebiet von jungen Erwachsenen, Studenten<br />

sowie von ethnischen und nationalen Minderheiten<br />

(Unterschicht).<br />

3. Die dritte Zone wird durch Arbeiterwohngebiete gebildet.<br />

4. Mittel- und Oberschichtsangehörige leben vorwiegend<br />

in der vierten Zone, in derZone der besseren Wohngebiete.<br />

5. Der fünfte konzentrische Ring heisst Pendlerzone. In ihr<br />

wohnt die Mittelschicht, meist Familien mit kleinen<br />

Kindern.<br />

Das Burgess-Modell kann zwar nicht direkt aufdie <strong>Region</strong><br />

Klettgau übertragen werden, es verdeutlicht aberdie auch<br />

dort beobachtbare Entmischung der Funktionen Wohnen,<br />

Arbeiten und Erholung und ihre räumliche Verteilung ausgehend<br />

vom Zentrum. Als Folge der räumlichen Trennung<br />

der sozialen Aktivitäten entsteht Verkehr (Schliebe, 1985),<br />

wie mit Zürich illustriert werden kann:<br />

«So führte zum Beispiel in Zürich die räumliche Verlagerung<br />

von Wohn- undArbeitsplätzen zwischen 1980 und1990<br />

zu einer Zunahme der täfjlichen Berufspendler von 150'000<br />

auf510'000 Personen.» (Vester, 1996, S. 96)<br />

Anreize für das Pendeln in die Städte hinein bieten in<br />

erster Linie Arbeits-, Einkaufs- und Unterhaltungsmäglichkeiten.<br />

Für den Arbeitsbereich von Bedeutung ist die<br />

Tatsache, dass in den Stadtzentren vorwiegend Unternehmungen<br />

des Dienstleistungssektors anzutreffen sind, jenes<br />

Wirtschaftssektors also, der in den letzten Jahrzehnten am<br />

stärksten gewachsen ist und mittlerweile die meisten Leute<br />

beschäftigt - in der Schweiz rund 67% (Bundesamt für<br />

Statistik, 1997). Etwas weiter vom Zentrum entfernt finden<br />

sich mit Betrieben der Leichtindustrie und des H<strong>and</strong>werks<br />

Arbeitgeber aus dem sekundären, dem Produktionssektor.<br />

Diese beiden Sektoren sind auch im Klettgau von grosser<br />

I Die Bezugsgrösse dieser Zahlen ist nicht eindeutig - zum Vergleich die<br />

Beschäftigten-Zahlen des Kantons Zürich: 1985: 687'000 Beschäftigte,<br />

1995: 720'000 Beschäftigte (Bundesamt für Statistik, 1997) und die Beschäftigten-Zahlen<br />

der Stadt Zürich: 1985: 336'000 Beschäftigte, 1991:<br />

359'000 Beschäftigte (Statistisches Amt der Stadt Zürich, 1994). Die<br />

Grössenordnung und vor allem derbeobachtete Trend mögen aber stimmen.<br />

64<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Wichtigkeit. Denn im primären Beschäftigungssektor, der<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft, arbeiten - trotz dem ländlichen Charakter<br />

ihrer Heimatregion - nur gerade 6% der Bewohner des<br />

Klettgaus (Scholz et al., 1998).<br />

Die Arbeitsgewohnheiten haben sich in diesem Jahrhundert<br />

stark verändert, so dass der Freizeit und dem damit<br />

verbundenen Verkehrsaufkommen eine immer grössere Bedeutung<br />

zukommt. In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Arbeitszeit<br />

von 48 Stunden pro Woche im Jahre 1950 auf 38 Stunden<br />

pro Woche 1990 reduziert. Die Anzahl der freien Tage<br />

wurde in derselben Zeitperiode beinahe verdoppelt (von 86<br />

auf 165 freie Tage im Jahr, Seitz, 1996). So erstaunt es nicht,<br />

dass derzeit rund die Hälfte aller Personenkilometer eines<br />

bundesdeutschen Autos für Freizeit- und Erholungszwecke<br />

gefahren werden (Vester, 1996). Dasselbe gilt für die<br />

Schweiz: 1994 wurden 50% aller Personenkilometer - hier<br />

von allen Verkehrsmitteln zusammen - in der Freizeit zurückgelegt<br />

(Bundesamt für Statistik, 1996).<br />

Der durch die räumliche Trennung von Arbeits-, Einkaufs-<br />

und Unterhaltungsmöglichkeiten im Klettgau verursachte<br />

Verkehr bildete denn auch den Gegenst<strong>and</strong> unserer<br />

Untersuchung. Zunächst gilt es, die betrachteten<br />

Verkehrszwecke genauer zu definieren. Bei den folgenden<br />

Begriffsbeschreibungen orientierten wir uns an den in der<br />

Publikation «Verkehrsverhalten in der Schweiz 1994»<br />

(Bundesamt für Statistik, 1996) benutzten Ausdrücken.<br />

Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil wir diese Untersuchung<br />

später für Vergleichsbetrachtungen heranziehen werden.<br />

- «Sonstige Produkte des täglichen Bedarfs»: Andererseits<br />

zählen wir aber auch länger haltbare Produkte wie Reis,<br />

Teigwaren, Konserven sowie Haushaltsartikel (Waschund<br />

Putzmittel, Abfallsäcke etc.) dazu.<br />

2.7.3 Freizeitverkehr<br />

In der Kategorie Freizeit nicht enthalten ist der Urlaub.<br />

Gemessen wurden im Freizeit-Bereich sämtliche Wege vom<br />

Wohnort zum Freizeitplatz hin und zurück sowie allenfalls<br />

die Aktivität selber (W<strong>and</strong>ern, Joggen, Velofahren etc.).<br />

Konkret betrachteten wir die Kategorien:<br />

- Vereine (Musik-, Trachten-, Schützenvereine etc.,jedoch<br />

ohne Sportvereine)<br />

- Sport (individuell oder in einem Verein nachgegangen)<br />

- KinofI'heater/Konzerte<br />

- Unterhaltung (Disco, Bar)<br />

- Aktivität im Freien (W<strong>and</strong>em, Spazieren,Veloausflüge)<br />

Besuch von Museen und Sehenswürdigkeiten<br />

- Besuch von Restaurants<br />

- Weiterbildungskurse und<br />

- Besuch von Freunden, Bekannten und Verw<strong>and</strong>ten.<br />

2.7 Untersuchte Verkehrszwecke<br />

2.7.1 Pendelverkehr<br />

Unter Pendelverkehr verstehen wir Personenverkehr, der<br />

sich regelmässig zwischen normalerweise gleichbleibenden<br />

Punkten abwickelt, das heisst vom Wohnort zum Arbeitsort<br />

oder zur Ausbildungsstätte und wieder zurück. Pendler sind<br />

sowohl Arbeitspendler als auch Schülerinnen und Schüler.<br />

2.7.2 finkaufsverkehr<br />

Bei der Analyse des Einkaufsverkehrs 2 beschränkten wir<br />

uns auf die Einkäufe von Produkten des täglichen Bedarfs:<br />

«Frischprodukte»: Mit Produkten des täglichen Bedarfs<br />

sind einerseits Frischwaren wie Brot, Gemüse, Obst,<br />

Fleisch oder Milchprodukte gemeint, die in der Regel<br />

täglich oder zwei- bis dreimal pro Woche gekauft werden.<br />

2Eine besonders auch im Klettgau wichtige Unterkategorie des Einkaufsverkehrs,<br />

das «Tanken», wurde bereits in der UNS-Fallstudie '97 (Scholz et<br />

al., 1998) ausführlich untersucht undentfällt deshalb in unseren Betrachtungen<br />

(vgl. Kap. 2.5).<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

65


Mobilität im Klettgau<br />

3 Ziele 4 Vorgehen und Methoden<br />

Wegen der ländlichen Lage des Klettgaus in unmittelbarer<br />

Nähe zu den Städten Waldshut-Tiengen, Schaffhausen und<br />

Zürich sowie wegen der L<strong>and</strong>esgrenze, die mitten durch die<br />

<strong>Region</strong> verläuft und für ein unterschiedliches Preisniveau in<br />

beiden Teilen des Klettgaus verantwortlich ist, erachteten<br />

wir die Bereiche Pendel-, Einkaufs- und Freizeitverkehr als<br />

besonders geeignet und interessant für Untersuchungen zur<br />

Mobilität in diesem Gebiet. Da unsere Arbeit im Zusammenhang<br />

mit der Zielsetzung der gesamten Fallstudie '98<br />

st<strong>and</strong> - dem Aufzeigen von Chancen der <strong>Region</strong> durch eine<br />

nachhaltige Entwicklung -, setzten wir uns als Synthesegruppe<br />

Mobilität folgende zwei Ziele:<br />

I. Es soll aufgezeigt werden, wie die Mobilität im Klettgau<br />

bezüglich Umweltverträglichkeit, Nachfrage und (externer)<br />

Kosten optimiert werden könnte.<br />

2. Die Klettgauer Bevölkerung soll über Angebote umweltverträglicher<br />

Mobilität informiert werden. Weiter sollen<br />

Vorschläge für eine Image-Stärkung des öffentlichen<br />

Verkehrs gesucht werden.<br />

Um die im ersten Ziel angesprochene Umweltverträglichkeit<br />

beurteilen zu können und Zielwerte für die Optimierung<br />

zu haben, definierten wir in Anlehnung an das Energieprogramm<br />

2000 (Internet: Bundesamt für Statistik) folgende<br />

Vorgaben 3 :<br />

Der Energieverbrauch im Verkehrsbereich soll bis ins<br />

Jahr 2010 auf dem St<strong>and</strong> von 1990 stabilisiert werden.<br />

Somit dürfen im Klettgau pro Tag 1'870 Gigajoules<br />

verbraucht werden (Bundesamt für Statistik, 1998).<br />

Bis 2010 soll der Kohlendioxid-Ausstoss des Verkehrs<br />

auf 80% des St<strong>and</strong>es von 1990 gesenkt werden. Im<br />

Klettgau dürften - dem schweizerischen Durchschnitt<br />

entsprechend - demnach nur noch 80 Tonnen COz pro<br />

Tag emittiert werden (Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />

L<strong>and</strong>schaft, 1995).<br />

4.1 Überblick: Vom Ist-Zust<strong>and</strong> zur<br />

zukünftigen Entwicklung<br />

Nachdem die Ziele festgelegt waren, wurde für die weitere<br />

Arbeit ein zweistufiges Vorgehen gewählt.<br />

1. In einem ersten Schritt erhoben die Teilprojekte «Pendelverkehr»<br />

und «Einkaufs- & Freizeitverkehr» die heutige<br />

Verkehrssituation im Klettgau.<br />

2. Um im Anschluss Aussagen zu einer zukünftigen Verkehrsentwicklung<br />

machen zu können, erstellte das Teilprojekt<br />

«Szenarien & Kommunikation» drei Rahmenszenarien<br />

(vgl. Abb. 4.1).<br />

Für die Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>es konstruierten wir ein<br />

Verkehrs-Belastungsmodell, das auf verschiedenen Verkehrs-<br />

und Volkszählungsdaten basierte. Mit diesem Modell<br />

war es möglich, die Distanzen zu berechnen, die im Klettgau<br />

mit den öffentlichenund privaten Verkehrsmittelnjeden Tag<br />

zurückgelegt werden. Mit Hilfe dieser Kilometerangaben<br />

quantifizierten wir anschliessend Umweltbelastungen wie<br />

Lärm- oder Schadstoffemissionen.<br />

Um die Zahlen aus dem Verkehrs-Belastungsmodell überprüfen<br />

zu können, befragten wir mehr als hundert im Klettgau<br />

wohnende Personen. Die Umfrage lieferte auch wertvolle<br />

Informationen zum individuellen Verkehrsverhalten<br />

(Gründe, Motivation, Akzeptanz der unterschiedlichen Verkehrsträger).<br />

So interessierte uns beispielsweise, welchen<br />

Ruf die öffentlichen Verkehrsmittel im Klettgau haben oder<br />

welche Produkte bevorzugt aufder <strong>and</strong>eren Seite der Grenze<br />

eingekauft werden und warum.<br />

Für Aussagen zur zukünftigen Mobilitätsentwicklung<br />

kreierten wir mittels einer formativen Szenarioanalyse die<br />

drei Rahmenszenarien Trend, Trendwende und Trendumkehr.<br />

Diese Szenarien sind als politische, wirtschaftliche<br />

und technologische Zukunftsbilder zu verstehen, die eine<br />

grossräumige Entwicklung beschreiben, in die der Klettgau<br />

zwar eingebettet ist, auf die er selbst aber keinen Einfluss<br />

hat. Die Auswirkungen der Rahmenszenarien auf die regionale<br />

Verkehrssituation wurden in derFolge zu quantifizieren<br />

versucht und auf das Verkehrs-Belastungsmodell übertragen,<br />

um die zukünftige verkehrsbedingte Umweltbelastung<br />

abschätzen zu können.<br />

Je nach Ergebnis suchten wir dann noch nach Massnahmen,<br />

mit welchen die Zielvorgaben bezüglich Kohlendioxid-Ausstoss<br />

und Energieverbrauch erreicht werden könnten.<br />

4.2 Systemabgrenzung<br />

3Diese Zielvorgaben wurden ausgehend vom durchschnittlichen Energieverbrauch<br />

und Kohlendioxid-Ausstoss in der Schweiz berechnet und sind<br />

proportional zur Bevölkerungszahl des Klettgaus.<br />

Besonders für das Verkehrs-Belastungsmodell, aber auch<br />

für die <strong>and</strong>eren Arbeiten ist es notwendig, zunächst eine<br />

Systemabgrenzung vorzunehmen. Zu unserem System gehören<br />

folgende Gemeinden:<br />

Auf Schweizer Seite die Gemeinden Beringen, Guntmadingen,<br />

Löhningen, Siblingen, Gächlingen, Oberhallau,<br />

66<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Synthesephase I Teilprojektphase Synthesephase 11<br />

Abb. 4.1: Die Architektur<br />

der Synthesegruppe<br />

Mobilität<br />

mit den<br />

drei Ablaufphasen<br />

«Synthesephase<br />

l» (Zielfindung),<br />

«Teilprojektphase»<br />

(Datenbeschaffung)<br />

und «Synthesephase<br />

ll» (eigentliche<br />

Synthese).<br />

Die einzelnen<br />

Phasen sind im<br />

Kapitel Die Organisation<br />

der<br />

UNS Fallstudie<br />

beschrieben.<br />

Hallau, Neunkireh, Osterfingen, Wilchingen und Trasadingen.<br />

Auf deutscher Seite die Gemeinde Lauchringen mit den<br />

Ortsteilen Ober- und Unterlauchringen und die Gemeinde<br />

Klettgau mit den Ortsteilen Erzingen, Weisweil, Riedem,<br />

Griessen, Rechberg, und Geisslingen (ohne Bühl).<br />

Die Verkehrsströme aus dem System hinaus untersuchten<br />

wir im Norden bis nach Schleitheim, im Osten bis Schaffhausen,<br />

im Süden bis Zürich und im Westen bis nach<br />

Waldshut-Tiengen.<br />

4.3 Verkehrs-Belastungsmodell<br />

Um die Verkehrssituation im Klettgau und die damit einhergehende<br />

Umweltbelastung erfassen und beschreiben zu<br />

können, erstellten wir ein einfaches Verkehrs-Belastungsmodell<br />

mit dem<br />

einerseits die Umweltauswirkungen und<br />

<strong>and</strong>ererseits die Auswirkungen derRahmenszenarien auf<br />

den Verkehr im Klettgau quantitativ abgeschätzt werden<br />

konnten.<br />

Das Modell entst<strong>and</strong> in drei Schritten:<br />

1. Zuerst errechneten wir die im Klettgau pro Tag gesamthaft<br />

zurückgelegten Distanzen. Diese Berechnungen<br />

wurden für die Kategorien Motorisierter Individualverkehr<br />

(MIV) und Öffentlicher Verkehr (ÖV) durchgeführt.<br />

DerMIV umfasstPersonenwagen, Motorräderund<br />

Mofas (Bundesamt für Statistik, 1996). Bei der späteren<br />

Berechnung der Umweltbelastung wurden aber jeweils<br />

nur die Emissionsfaktoren der Autos berücksichtigt (vgl.<br />

Kap. 4.3.2). Beim ÖV unterschieden wir die Fahrzeugty-<br />

pen (Diesel-) Bus, Dieselbahn und elektrisch betriebene<br />

Bahn.<br />

2. In einem zweiten Schritt wurden die berechneten Tagesdistanzen<br />

auf die Bereiche Pendel-, Einkaufs-, Freizeitund<br />

Geschäftsverkehr aufgeteilt. (Unter die Kategorie<br />

«Geschäftsverkehr» fallen sämtliche Fahrten, die während<br />

der Arbeit ausgeführt werden.)<br />

3. Zuletzt ermittelten wir anh<strong>and</strong> von Emissionsfaktoren<br />

die Umweltbelastung des Verkehrs im Klettgau.<br />

Aufdie einzelnen Vorgehensschritte wird in den nächsten<br />

zwei Kapiteln noch etwas näher eingegangen.<br />

4.3.1 Berechnung der Verkehrsbelastung<br />

Bei der Erstellung des Verkehrs-Belastungsmodells folgten<br />

wir nicht dem üblichen Weg der Verkehrsplanung, der für<br />

unsere Zwecke zu detaillierte Ergebnisse geliefert hätte.<br />

Gewisse Teilschritte des klassischen Modells führten wir<br />

aber dennoch durch. Aus diesem Grund und um später (vgl.<br />

Kap. 5.5) unsere Arbeit in Beziehung zur herkömmlichen<br />

Methodik setzen zu können, wird an dieser Stelle kurz auf<br />

die gebräuchliche Vorgehensweise bei der Konstruktion<br />

eines Verkehrsmodells eingegangen.<br />

«Zur Erklärung und Prognose der interzonalen Verkehrsbeziehungen<br />

stehen eine Vielzahl von Verkehrsmodellen zur<br />

Veifügung. Die bekanntesten Verkehrsmodelle, die sogenannten<br />

«traditionellem> Verkehrsmodelle, können durch<br />

folgende 4-stufige Model/sequenz charakterisiert werden,<br />

wobei die einzelnen Modellstufen die Entscheidungsmöglichkeiten<br />

des potentiellen Nachfragers nach Verkehrsleistungen<br />

eifassen:<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

67


Mobilität im Klettgau<br />

(i) Soll eine Fahrt unternommen werden? (wenn ja, zweite<br />

Teilentscheidung)<br />

(ii) Wohin soll gefahren werden?<br />

(iii) Welches Verkehrsmittel soll in Anspruch genommen<br />

werden?<br />

(iv) Aufwelcher Route soll gefahren werden?<br />

Entsprechend den Teilentscheidungen (i) - (iv) gliedern sich<br />

die traditionellen Verkehrsmodelle infolgende Submodelle:<br />

(j) Modelle des Verkehrsaufkommens<br />

(jj) Modelle der Verkehrsverteilung<br />

(jjj) Modelle der Verkehrsmittelwahl<br />

(jv) Modelle der Routenwahl.» (Baumann, 1984, S.ll)<br />

Je nach Literatur werden die vier Teilmodelle <strong>and</strong>ers<br />

benannt, beispielsweise (Dorfwirth, Gobiet & Sammer,<br />

1980):<br />

- Verkehrserzeugungsmodell<br />

Verkehrsverflechtungsmodell (Verteilung)<br />

Verkehrsteilungsmodell (Verkehrsmittelwahl, Modal<br />

Split)<br />

- Wegewahl- und Verkehrsumlegungsmodell<br />

Im Gegensatz zu den drei ersten Modellschritten, die wir<br />

zumindest teilweise durchgeführt haben (vgl. Kap. 5.5),<br />

verzichteten wir aufden vierten Schritt, das Wegewahl- und<br />

Verkehrsumlegungsmodell. Ein Prinzip der Verkehrsumlegung<br />

- die Verkehrsnetzmodellierung - bildete dafür den<br />

Ausgangspunkt für unser eigenes Verkehrs-BelastungsmodelI.<br />

«Verkehrsumlegungsmodelle bilden [...] die Wegewahl<br />

der Verkehrsteilnehmer in einem Verkehrsnetzmodell nach.<br />

[...]<br />

Das konkret vorh<strong>and</strong>ene Verkehrsnetz mit seiner Vielzahl<br />

von Knoten und Strecken muss vereinfacht und schematisiert<br />

werden. Dabei sind diefür den jeweiligen Planungsfall<br />

undfür die Durchführung der Planungsaufgabe wichtigen<br />

Elemente des Verkehrsnetzes in das Verkehrsnetzmodell einzubeziehen.<br />

Das Verkehrsnetzmodell bildet dann die wesentliche<br />

Netzgestalt nach.<br />

Die Darstellung des Verkehrsnetzes erfolgt im allgemeinen<br />

durch Strecken und Knoten, wobei jede Strecke durch<br />

Knoten begrenzt ist [. ..].» (Schnabel & Lohse, 1997, S.<br />

268f)<br />

Die in unserem Modell verwendeten Begriffe «Strecke»<br />

und «Knoten» haben eine leicht <strong>and</strong>ere Bedeutung als in der<br />

zitierten Literatur. Wir kennen zwei Arten von Strecken,<br />

einerseits Strassen beziehungsweise Strassenabschnitte und<br />

<strong>and</strong>ererseits Schienenabschnitte. Als Verkehrsknoten 4 gelten<br />

bei uns Dörfer, wichtige Kreuzungen oder neuralgische<br />

Punkte (Engpässe) (vgl.Abb. 4.2).<br />

Gebildet wurde das «Netz» für den Klettgau aus 32 Verkehrsknoten<br />

und 60 Verbindungsstrecken (vgl. Abb. 4.2).<br />

Verkehrszählungen (Tiefbauamt Schaffhausen, 1997,<br />

Strassenbauverwaltung Baden-Württemberg, 1995) gaben<br />

Auskunft über die Anzahl Fahrzeuge der Kategorie MIV, die<br />

pro Tag auf den Strassen im Klettgau unterwegs sind. Und<br />

aus Fahrplänen (Waldshuter Tarif-Verbund, 1997, Schweizerische<br />

Bundesbahnen, 1997) ermittelten wir für jede<br />

Teilstrecke das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel.<br />

Durch Multiplikation dieser Fahrzeugfrequenzen mit den<br />

Längen der jeweiligen Teilstrecken berechneten wir die pro<br />

Tag im Klettgau von den beiden Modi ÖV und MIV gefahrenen<br />

Kilometer (sogenannte Fahrzeugkilometer, abgekürzt<br />

Fzgkm).<br />

Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Gesamtdistanzen<br />

aufdie Zwecke Pendel-, Einkaufs-, Freizeit- und Geschäftsverkehr<br />

aufgeteilt. Da das Netzmodell keine Informationen<br />

über den Fahrtzweck enthielt, musste zusätzliches Datenmaterial<br />

herangezogen werden.<br />

Für den Pendelverkehr aufder Schweizer Seite des Klettgaus<br />

konnten wir auf die Volkszählung von 1990 zurückgreifen<br />

(Bundesamt für Statistik, 1994). Aus dieser konnten<br />

wir für jede Gemeinde die Anzahl Zu- und Wegpendler<br />

herauslesen - je mit Start- und Zielort-und somit die für den<br />

Arbeitsweg absolvierten Strecken berechnen. Diese Strekkenlängen<br />

weisen allerdings die Einheit Personenkilometer<br />

(Pkm) auf. Bei der Volkszählung wird nicht berücksichtigt,<br />

wieviele Menschen sich in einem Fahrzeug aufhalten. Um<br />

die Personen- in Fahrzeugkilometer umzurechnen, orientierten<br />

wir uns am durchschnittlichen Autobelegungsgrad<br />

im ländlichen Raum (Bundesamt für Statistik, 1996) (vgl.<br />

Tab. 4.1). Die Umrechnung von Pkm in Fzgkm und umgekehrt<br />

benötigten wir später auch für den Vergleich der<br />

Verkehrsmenge im Klettgau mit dem durchschnittlichen<br />

Verkehrsaufkommen im ländlichen Raum (vgl. Kap. 5).<br />

Den Anteil des Pendelverkehrs am Gesamtverkehr aufder<br />

Schweizer Seite konnten wir also ermitteln, nicht jedoch die<br />

der <strong>and</strong>eren Bereiche. Damit wir trotzdem eine Klassifizierung<br />

vornehmen konnten, teilten wir die restlichen Distanzen<br />

gemäss dem schweizerischen Mittel für den ländlichen<br />

Raum zwischen den übriggebliebenen Zwecken Einkaufs-,<br />

Freizeit- und Geschäftsverkehr auf (Bundesamt für Statistik,<br />

1996).<br />

Tab. 4.1: Verwendeter Autobelegungsgradfür verschiedene<br />

Verkehrszecke (Bundesamtfür Statistik, 1996)<br />

4Ein ähnlicher Begriffwird ebenfalls in der Raumplanung verwendet. Unter<br />

«Verkehrsschwerpunkten» versteht die deutsche Raumplanung «Städte mit<br />

i. allg. mehr als 50'000 Einwohnern, die im jeweiligen Einzugsgebiet<br />

innerhalb einerStunde Pkw-Fahrzeit im Bundesfernstrassennetz erreichbar<br />

sind» (ScWiebe, 1985, S. 152). Der von uns verwendete Ausdruck «Verkehrsknoten»<br />

stellt damit eine Kombination der in der Verkehrs- und<br />

Raumplanung gebräucWichen Bezeichnungen dar.<br />

Pendelverkehr Arbeit:<br />

Pendelverkehr Ausbildung:<br />

Einkauf:<br />

Freizeit:<br />

Geschäft:<br />

1,14 Personen/Auto<br />

1,39 Personen/Auto<br />

1,65 Personen/Auto<br />

1,87 Personen/Auto<br />

1,29 Personen/Auto<br />

68 UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Verkeh rsknoten<br />

Systemgrenze<br />

innerhalb des Syslems: ausserhalb des Systems (als Zielorte '''''''''''' ? FzIT<br />

BE Beringen für den Verkehr aus dem Kletlgau):<br />

EN En\)e JL JestetteniLotlstetlen ............ < 1'000 FzIT<br />

ER Erzmgen NH Neuhausen __ 1'000 - 4'999 FzfT<br />

GA Gächlingen RF Rafzerfeld<br />

GE Geisslingen SH Schaffhausen SS 5'000 - 9'999 FzfT<br />

GU Guntmadingen SS Schleitheim:T\ = :2: 10'000 FzIT<br />

GK Gunlmadingen Kreuzung WO Wutöschingen : : ,<br />

GR Griessen WT Waldshut-Tiengen f j \ ,- - - Dieselbahn<br />

HA Hallau ZF Zürich Flughafen f j \ _._._ Bus<br />

LA Lauchringen ZH Zürich ..L--'-+- .----.. --....<br />

LO Löhningen /_.. i j \ "'-<br />

NK Neunkirch / f i \ SI<br />

OF Oslerfingen / i j \<br />

OK Osterfingen Kreuzung / f i \ /<br />

OH Oberhallau / i 'OH \ ./<br />

RB Rechberg ,f : \ /<br />

RI Riedern / HA f ....···.6,·:··.....


Mobilität im Klettgau<br />

4.3.2 Berechnung der Umweltbelastung<br />

Um nach der Bestimmung der Verkehrsbelastung die Umweltauswirkungen<br />

analysieren zu können, wählten wir verschiedene<br />

Indikatoren. Umweltindikatoren geben die Umweltbelastung<br />

pro Transporteinheit (z.B. pro Pkm) an und<br />

gelten somit als Mass für die Umwelteffizienz eines Verkehrsmittels<br />

(Eidgenössisches Verkehrs- und Energiedepartement,<br />

1997). Für die Bewertung berücksichtigten wir:<br />

den Energieverbrauch<br />

die Klimabeeinflussung (Kohlendioxid-Ausstoss)<br />

- die Luftbelastung (Partikel- und Stickoxid-Ausstoss)<br />

- den Lärm und<br />

den Flächenverbrauch.<br />

Einen weiteren Indikator stellten die<br />

- externen Kosten<br />

dar, welche die Umweltauswirkungen zu monetarisieren<br />

versuchen (vgl. Kap.2.2). (Eine Zusammenstellung der für<br />

die Indikatoren verwendeten Werte findet sich in Tabelle<br />

4.2.)<br />

Energieverbrauch<br />

Im Energieverbrauch sind sowohl die für den Betrieb des<br />

Transportmittels benötigten Energiequellen (z.B. Benzin)<br />

als auch die graue Energie enthalten. Als graue Energie wird<br />

die Energie bezeichnet, welche für die Herstellung der Fahrzeuge,<br />

der Treibstoffe und der Infrastruktur (z.B. Strasse)<br />

benötigt wird (Infras, 1995). Angegeben wir der Energieverbrauch<br />

in Megajoules pro Fzgkm.<br />

Kohlendioxid-Ausstoss<br />

Kohlendioxid (C02) ist kein Schadstoff wie Stickoxid<br />

(NO x) oder Kohlenmonoxid (CO), welche beispielsweise<br />

aufden Menschen direkt toxisch wirken. Die Bedeutung des<br />

Kohlendioxids liegt in dessen Klimarelevanz, das heisst,<br />

C02 ist ein wichtiges Treibhausgas, welches sich in der<br />

Atmosphäre anreichert und langfristig zur Klimaerwärmung<br />

beiträgt. Gemessen wird der Kohlendioxid-Ausstoss<br />

in Gramm pro Fzgkm.<br />

Partikel (Gesamtstaub)<br />

Unter dem Begriff Partikel werden feste Teilchen unterschiedlicher<br />

Grösse und Zusammensetzung verst<strong>and</strong>en. In<br />

der Publikation, aus der die entsprechenden Zahlenwerte<br />

stammen, werden Betrachtungen für die Kategorie «Gesamtschwebestaub»<br />

angestellt.<br />

«Unter der Bezeichnung 'Gesamtschwebestaub' sind<br />

Grobstaub, Feinstaub, Russ, Partikel und Aerosole zusam-<br />

70<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im K1ettgau<br />

Tab. 4.2: Umweltindikatoren im Überblick (1997) (Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (B UWAL) , 1995;<br />

Schweizerischer Stab für Gesamtverkehrsfragen, 1997; Infras, 1995, Mauch & Rothengattel~ 1995)<br />

Indikator Einheit MIV (Pkw) I Bus Dieselbahn E-Bahn<br />

Energieverbrauch MJ/Fzgkm 5,25 I<br />

17,33 28,98 39,1<br />

Kohlendioxid<br />

I<br />

g/Fzgkm 164 I 766 2117 162<br />

Partikel I g/Fzgkm I 0,09 0,49 0,481 1,26<br />

Stickoxide<br />

g/Fzgkm<br />

I<br />

0,66 11,26 I 41,6 0,323<br />

Lärm m 2 /Fzgkm 64,8 145 I -*) 1150<br />

Flächenverbrauch m 2 a/Fzgkm 0,013 0,063 - 0,009<br />

Externe Kosten Rp/Fzgkm 11 - - 175<br />

i<br />

I<br />

,<br />

*) Für die mit - gekennzeichneten Kategorien konnten in derLiteraturkeine entsprechenden Emissionsfaktoren oder Umweltindikatoren gefunden werden.<br />

Dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Umweltbelastungen vernachlässigt werden dürfen.<br />

mengefasst. Darin können zahlreiche anorganische Verbindungen<br />

(z.B. Schwermetalle) und organische Verbindungen<br />

(z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Dioxine/Furan)<br />

enthalten sein.» (BUWAL, 1995, S. 29)<br />

Feinstäube und Russ (Dieselmotoren) können zu Erkrankungen<br />

der Atemwege führen und die Mortalität sowie das<br />

Krebsrisiko erhöhen. Sedimentstaub (Staubniederschlag)<br />

belastet den Boden, Pflanzen und - über die Nahrungskette<br />

- auch den Menschen durch im Staub enthaltene Schwermetalle<br />

und Dioxine/Furane (BUWAL, 1995).<br />

Stickoxide<br />

Die durch den Verkehr verursachte Luftverschmutzung wird<br />

durch die Indikatoren Stickoxide (NOx) und Partikel gemessen.<br />

«Unter dem Begriff Stickoxide werden Stickstoffdioxid<br />

(N02) und Stickstoffmonoxid (NO) zusammengefasst. Da<br />

NO rasch zu N02 oxidiert, werden die Emissionen gesamthaft<br />

als Stickstoffdioxid (N02)-Aequivalente angegeben.»<br />

(Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL),<br />

1995, S.27)<br />

Hauptquelle für diese Schadstoffe ist der Strassenverkehr.<br />

Stickoxide haben verschiedene Auswirkungen auf Mensch<br />

und Umwelt. Sie können zu einer Erkrankung der menschlichen<br />

Atemwege führen, eine Überdüngung von Ökosystemen<br />

bewirken und- in Kombination mit <strong>and</strong>eren Schadstoffen<br />

- Pflanzen und empfmdliche Ökosysteme aufvielfältige<br />

Weise schädigen. Zudem sind sie Vorläufersubstanzen für<br />

die Bildung von sauren Niederschlägen, sekundären Aerosolen<br />

und - zusammen mit flüchtigen organischen Verbindungen<br />

(VOC) - von Photooxidantien (Ozon / Sommersmog)<br />

(BUWAL, 1995).<br />

Lärm<br />

Lärm wird in derEinheit [m 2 mit dB(A)/Fzgkm] angegeben.<br />

DerIndikator zeigt die Fläche in m 2 pro Fzgkm, die während<br />

einer Stunde bei maximalem, monomodalem Verkehr einem<br />

Lärm von 60 dB(A) ausgesetzt ist (Infras, 1995).<br />

Flächenverbrauch<br />

Der Flächenverbrauch der Verkehrsträger ist vor allem von<br />

Bedeutung, weil die beanspruchte Fläche zum grössten Teil<br />

versiegelt ist und somit als Lebensraum für Pflanzen und<br />

Tiere verlorengeht.<br />

«Die Flächenkennzifferwird ausgedrücktdurch die einem<br />

Verkehrsmittel pro Zeiteinheit zur Verfügung stehenden Infrastrukturfläche<br />

dividiert durch die Verkehrsleistung.» (lnfras,<br />

1995, S. 79)<br />

Je grösser und schlechter ausgelastet ein Verkehrsmittel<br />

ist, desto höher ist die spezifische Flächenbelastung (Einheit:<br />

m 2 a/Fzgkm).<br />

Externe Kosten<br />

Die von uns verwendeten externen Kosten enthalten Unfallkosten<br />

sowie Kosten, die durch Lärmbelastung, Luftverschmutzung<br />

und Klimabeeinflussung entstehen (Mauch &<br />

Rothengatter,1995).<br />

4.4 Umfrage zur Mobilität im KIeltgau<br />

Die Umfrage «Mobilität im Klettgau» verfolgte mehrere<br />

Ziele:<br />

Sie diente zur Verifikation der Zahlen aus dem Verkehrs­<br />

Belastungsmodell, indem sie erkundete, welche Verkehrsmittel<br />

(Kategorien: Zu FussNelo, MIV, ÖV,<br />

MIV/ÖV 5 ) zu welchen Zwecken (Arbeit, Einkauf, Frei-<br />

5Die Kategorie «MIV/ÖV" enthält Wege, auf denen sowohl motorisierte<br />

individuelle als auch öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

71


Mobilität im Klettgau<br />

zeit) benutzt werden und welche Distanzen mit ihnen<br />

zurückgelegt werden.<br />

- Weiter lieferte sie für die Bereiche Einkaufs- und Freizeitverkehr<br />

qualitative Informationen zum entsprechenden<br />

Verkehrsverhalten. Aus den Ergebnissen der <strong>ETH</strong>­<br />

UNS Fallstudie '97 wussten wir zum Beispiel, dass die<br />

Deutschen häufiger auf der <strong>and</strong>eren Seite der Grenze<br />

einkaufen als die Schweizer (Scholz et al., 1998). Eine zu<br />

untersuchende Frage war deshalb, bei welchen Produkten<br />

und warum dies der Fall ist.<br />

- Schliesslich hatte die Umfrage auch den Zweck, abzuklären,<br />

welchen Ruf die öffentlichen Verkehrsmittel im<br />

Klettgau haben und wie bekannt alternative Fortbewegungsmittel<br />

(z.B. Twike) und Verkehrsformen (z.B. Car<br />

Sharing) in dieser <strong>Region</strong> sind.<br />

Als Untersuchungsorte wurden Neunkirch und Hallau auf<br />

der SchweizerSeite sowie Erzingen und Geisslingen aufder<br />

deutschen Seite des Klettgaus gewählt. Neben der L<strong>and</strong>eszugehörigkeit<br />

diente die Erschliessung durch Bahn und<br />

Strasse als wichtiges Auswahlkriterium für die Dörfer. Erzingen<br />

und Neunkirch sind verkehrsgünstig gelegen, beide<br />

liegen unmittelbar an der Eisenbahnlinie und an der Hauptstrasse<br />

B 34. Zudem verfügen beide Dörfer über zahlreiche<br />

Busverbindungen. Im Gegenteil dazu haben Geisslingen<br />

und Hallau keinen direkten Bahnanschluss, und auch die B<br />

34 führt nicht direkt an ihnen vorbei. Die Wahl dieser vier<br />

Dörfer als Untersuchungsgebiete hatte weiter den Vorteil,<br />

dass wir für Erzingen, Hallau und Neunkirch bereits auf<br />

Informationen der Befragung der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97<br />

zurückgreifen konnten.<br />

Durchgeführt wurde die Umfrage mittels telefonischer<br />

und persönlicher Befragungen. Damit eine möglichst grosse<br />

Repräsentativität erreicht werden konnte, arbeiteten wir mit<br />

Quoten (vgl. Tab. 4.3). Die Zahl der Interviews wurde den<br />

Einwohnerzahlen entsprechend auf die verschiedenen Dörfer<br />

verteilt. Weiter bildeten wir zwei Alterskategorien (19 ­<br />

64-jährig und 65-jährig oder älter), denen wir wieder entsprechend<br />

den Anteilen in der Bevölkerung die Interviews<br />

zuordneten. Eine letzte Quotierung erfolgte nach Geschlecht.<br />

In einem Zeitraum von <strong>and</strong>erthalb Wochen wurden an<br />

verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten 116<br />

Personen befragt.<br />

4.5 Die formative Szenarioanalyse<br />

Die Methode der formativen Szenarioanalyse (Hassler &<br />

Schärli, 1995/96) dient dazu, Einblicke in mögliche zukünftige<br />

Entwicklungen und Zustände zu gewinnen. Ein sich<br />

veränderndes System wird dabei als Untersuchungsgrundlage<br />

betrachtet. Das System kann einen Markt, ein Areal oder<br />

wie bei unserer Betrachtungsweise eine <strong>Region</strong> umfassen.<br />

Bei der Szenarioanalyse geht es im Gegensatz zu einer<br />

prognostizierenden Aussage nicht um die Extrapolation aktueller<br />

Strömungen. Vielmehr dient sie einerseits dem genauen<br />

Verständnis eines Systems, seiner Abhängigkeiten<br />

und den wirkenden Einflussgrössen. Andererseits können<br />

mit der formativen Szenarioanalyse H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />

zur Umsetzung von fördernswerten bzw. nachhaltigen Entwicklungen<br />

im betrachteten System erarbeitet werden. Die<br />

Analyse ermöglicht zusätzlich die Diskussion verschiedener<br />

umweltwissenschaftlich relevanter Fragen über Einflussauswirkungen<br />

politischer, ökonomischer, ökologischer<br />

und sozialer Art (Scholz et al., 1996, 1997).<br />

Tab. 4.3: Bei der Umfrage zur Mobilität im Klettgau wurde mit Quoten gearbeitet, um eine möglichst grosse Repräsentativität<br />

erreichen zu können. Die Prozentzahlen bei den Dörfern geben an, welcher Anteil der Interviews im entsprechenden<br />

Ort durchgeführt werden musste. Eine anteilsmässige Aufteilung der Befragungen f<strong>and</strong> auch zwischen den<br />

beiden Alterskategorien statt. In den Spalten drei und vier sind die tatsächlich durchgeführten Interviews vermerkt.<br />

I Ort Altersklasse I Männer frauen<br />

I Neunkirch I 16-64 (77,8%)<br />

11 12<br />

(23%)<br />

I<br />

> 65 (22,2%) 3 3<br />

I<br />

Hallau 16-64 (77,8%)<br />

10 12<br />

(25%) > 65 (22,2%) I<br />

3 4<br />

i Erzingen<br />

16-64 (80,6%) 15 20<br />

(40%) ><br />

I<br />

65 (19,4%) 5 4<br />

Geisslingen 16-64 (80,6%) 6 5<br />

I<br />

(12%)<br />

I > 65 (19,4%) 1 2<br />

Total 16-64 (78%) 42 49<br />

0<br />

(100 Yo)<br />

0<br />

> 65 (22 Yo)<br />

12<br />

13<br />

I<br />

54 62<br />

I<br />

I<br />

•<br />

72 UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

4.5.1 Ziel<br />

Mit der Methode Szenarioanalyse wurden verschiedene Ziele<br />

verfolgt:<br />

- Systemverständnis<br />

Durch die Szenarioanalyse konnten wir ein vertieftes<br />

Verständnis von politischen, sozialen und ökonomischen<br />

Zusammenhängen rund um die Mobilität in der <strong>Region</strong><br />

Klettgau aufbauen.<br />

Darstellung zukünftiger Altemativzustände (Szenarien)<br />

Mit Hilfe der Szenarioanalyse wurden zukünftige Rahmenbedingungen<br />

für die Mobilitätsentwicklung im<br />

Klettgau bis 2010 definiert. Die ausgewählten Szenarien<br />

dienten einerseits als Grundlage für die Quantifizierung<br />

der zukünftigen Verkehrsleistung im Klettgau. Andererseits<br />

konnte die verkehrsbedingte Umweltbelastung unter<br />

den verschiedenen Szenarienbedingungen über das<br />

Verkehrs-Belastungsmodell (vgl. Kap. 4.3) bewertet<br />

werden.<br />

Szenarioanalyse als Kommunikationsmittel<br />

Die Entwicklung und Bewertung der Szenarien führte zu<br />

einem interaktiven Gruppenprozess. In der Synthesegruppe<br />

wurden die Rahmenbedingungen mehrmals hinsichtlich<br />

ihrer Konkretisierungsmöglichkeiten im Verkehrs-Belastungsmodell<br />

(vgl. Kap. 4.3) diskutiert und<br />

abgestimmt.<br />

Entwicklung von H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />

Der durch die Szenarien beschriebene Zukunftsraum zur<br />

Verkehrsentwicklung im Klettgau bot uns die Möglichkeit,<br />

H<strong>and</strong>lungsstrategien zur Förderung einer nachhaltigen<br />

Mobilität für die <strong>Region</strong> zu entwickeln. Unser Augenmerk<br />

richtete sich dabei auf die Erarbeitung regionaler<br />

Massnahmen, um die unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />

quantifizierte Umweltbelastung aufeinen<br />

vorgegebenen Zielwert zu bringen (vgl. Kap. 3 und<br />

5.4).<br />

4.5.2 Vorgehen<br />

Es bestehen st<strong>and</strong>ardisierte Schrittabfolgen zur Durchführung<br />

einer formativen Szenarioanalyse. Eine detaillierte<br />

Einführung und Hinweise zum Vorgehen finden sich in<br />

Götze (1993) und Missler-Beer (1993). In der Regel ist die<br />

Analyse ein zeitaufwendiger Prozess, der jedoch die Möglichkeit<br />

einer Wissensintegration aus unterschiedlichen Disziplinen<br />

beinhaltet und einen grossen Beitrag zur Entwicklung<br />

der Systemkenntnisse leistet (Scholz et al., 1996).<br />

Bestimmung der Einflussgrössen<br />

Als erstes wurden in einem Gruppenprozess die Strukturen<br />

der Mobilität im Klettgau modelliert und Einflussgrössen<br />

definiert. Einflussgrössen stellen grundlegende Faktoren<br />

dar, welche die zukünftige Entwicklung der räumlichen<br />

Mobilität entscheidend beeinflussen. Es wurde Wert darauf<br />

gelegt, sowohl Faktoren aus den ökonomischen, sozialen als<br />

auch politischen Bereichen zu berücksichtigen.<br />

Eine Teilgruppe erarbeitete ein «Set» von sieben Einflussfaktoren,<br />

indem aus einer grösseren Anzahl Faktoren nach<br />

jeweiliger Einflussstärke selektioniert und ähnliche Einflussgrössen<br />

zu einem übergeordneten Begriff zusammen-<br />

Tab. 4.4: Die 5 ausgewählten Einflussgrössen dargestellt<br />

nach ihrer Bereichszuteilung<br />

Bereich<br />

Politik<br />

Soziales<br />

Ökonomie<br />

gefasst wurden. Anschliessend mussten die Einflussfaktoren<br />

hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />

überprüft werden. Schliesslich konnte eine<br />

reduzierte Anzahl von fünf Einflussfaktoren über einen<br />

Gruppenkonsens definiert werden, welche wir den Bereichen<br />

Politik, Ökonomie und Soziales zugeteilt haben (vgl.<br />

Tab. 4.4).<br />

Definition der Ausprägungen<br />

Einflussgrösse<br />

EU-Beitritt<br />

Kostenwahrheit<br />

Image der Verkehrsmittel<br />

Wirtschaftliche Entwicklung<br />

Technische Innovationen<br />

Zu jedem Einflussfaktor wurden anschliessend mindestens<br />

zwei Ausprägungen definiert. Die Ausprägungen widerspiegeln<br />

einerseits den IST-Zust<strong>and</strong>, <strong>and</strong>ererseits auch mögliche<br />

zukünftige Entwicklungsformen der Einflussfaktoren.<br />

Durch die Wahl von unterschiedlichen Ausprägungskombinationen<br />

zu den Einflussgrössen können in der Folge verschiedene<br />

zukünftige Zustände eines Systems beschrieben<br />

werden.<br />

Um die begriffliche Ebene zu klären und um die Kommunikation<br />

mit den <strong>and</strong>eren beiden Teilgruppen zu vereinfachen,<br />

wurden die Einflussgrössen und ihre Ausprägungen<br />

ausformuliert (vgl. Tab. 4.5).<br />

Auswahl der Szenarien<br />

Die Ermittlung konsistenter, möglichst wiederspruchsfreier<br />

Szenarien (d.h. Bündel von Ausprägungen der Einflussgrössen)<br />

erfolgt über die sogenannte Konsistenzanalyse. Fürdie<br />

Analyse wird eine Konsistenzmatrix erstellt, in welcher die<br />

einzelnen Einflussgrössen mit ihren Ausprägungen gegenübergestellt<br />

werden. Anh<strong>and</strong> der Matrix kann beschrieben<br />

werden, welche Ausprägungen zweier Einflussgrössen<br />

gleichzeitig zu erwarten sind. Als Konsistenzmass wird ein<br />

Zahlenschlüssel verwendet, der für die «Stärke» der Vereinbarkeit<br />

der Ausprägungen steht. Je grösser das Produkt aus<br />

den Konsistenzmassen der einzelnen Ausprägungskombinationen<br />

eines Szenarios ist, desto mehr Konsistenz weist es<br />

auf (Scholz et al., 1997).<br />

Die theoretische Anzahl konsistenter Szenarien kann sehr<br />

hoch sein. Um bei einer überschaubaren Anzahl Szenarien<br />

mit der Auswahl ansetzen zu können, beschrieben wir deshalb<br />

bereits im Vorfeld der Konsistenzanalyse drei Mobilitäts-Szenarien<br />

mit folgenden einschlägigen Kemaussagen:<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

73


Mobilität im Klettgau<br />

Tab. 4.5: Die durch die Szenarioanalyse gewonnenen Einflussgrössen mit ihren Ausprägungen. Die angegebenen Quantifizierungseinheiten<br />

geben jeweils an, wie die Ausprägungen der Einflussfaktoren im Verkehrs-Belastungsmodell berücksichtigt<br />

bzw. quantifiziert wurden (vgl. Kap. 5.3).<br />

Einflussgrössen<br />

Kostenwahrheit<br />

(KW)<br />

• Kostenwahrheit ist die Folge eines funktionierenden<br />

Marktes. Die Verkehrsteilnehmenden tragen alle durch sie<br />

verursachten Kosten selbst und orientieren sich bei ihren<br />

Fahrentscheiden und ihrer Verkehrsmittelwahl nach den<br />

tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Kosten.<br />

Quantifizierungseinheit [Fr./Fzgkm] [oder Fr.jl]<br />

EU-Beitritt<br />

• Die Beziehung der Schweiz zur EU (Mitglied oder<br />

Nichtmitglied) nimmt Einfluss auf ihre wirtschaftliche<br />

Entwicklung und das Verkehrsverhalten der Bevölkerung,<br />

indem durch einen EU-Beitritt der freie Personenverkehr<br />

ermöglicht wird. Die Grenze als verkehrsförderndes oder<br />

-behinderndes Element wird hier beeinflusst.<br />

• Quantifizierungseinheit [%] Zuwachs an zurückgelegten<br />

Distanzen oder [%] Mobilitätszunahme<br />

Image<br />

• Das Image ist ein weicher Faktor, der die individuelle<br />

Wahl des Verkehrsmittels mitbeeinflusst. Er hängt mit Faktoren<br />

der Angebots- und Servicequalität (Fahrpl<strong>and</strong>ichte,<br />

Preis, Zeitbedarf, Komfort), dem Lifestyle (Lebensgewohnheiten,<br />

Werthaltung) sowie mit dem Umweltbewusstsein<br />

der Bevölkerung zusammen.<br />

• keine Quantifizierungseinheit<br />

Technische Innovationen (TI)<br />

• Technische Innovationen im Verkehrsbereich haben<br />

einen entscheidenden Einfluss auf den künftigen<br />

Ressourcenverbrauch und auf die Umweltverträglichkeit<br />

der einzelnen Verkehrsmodi.<br />

• Quantifizierungseinheit [1/ 100 km] (Treibstoffverbrauch)<br />

Wirtschaftliche<br />

Entwicklung<br />

• Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst das<br />

Mobilitätsverhalten (Arbeitsweg), indem regionale<br />

Erwerbsstrukturen gestärkt oder geschwächt werden.<br />

• Quantifizierungseinheit [%] Zuwachs an zurückgelegten<br />

Distanzen oder [%] Mobilitätszunahme<br />

Ausprägungen<br />

• Volle KW: Die gesamten (bis heute berechenbaren)<br />

externen Kosten des MIV (Fr. 0.13/Fzkm = Fr. 1.30/1<br />

Benzinpreiserhöhung) und des öffentlichen Verkehrs<br />

werden internalisiert. 1<br />

• Umlagerung MIV: Eine teilweise angew<strong>and</strong>te Kostenwahrheit<br />

im Bereich MIV führt dazu, dass 10% der MIV­<br />

Benutzenden auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgelagert<br />

werden (Modal-Split-Aenderung um 10% zugunsten<br />

ÖV bedeutet eine Benzinpreiserhöhung um Fr. 0.35/1<br />

(= 3Rp.jFzgkm bei einem Benzinverbrauch von<br />

91j100km), Basis heutiger Benzinpreis Fr. 1.20/1).2<br />

• keine KW: Die externen Kosten werden weiterhin von<br />

Dritten oder der Allgemeinheit getragen. Die Kostenwahrheit<br />

im Verkehr fehlt.<br />

• Ja: Das gesamte Verkehrsaufkommen in der Schweiz<br />

nimmt zu. Der Einkaufsverkehr vermindert sich aufgrund<br />

von Preisausgleichen (Benzin), die Verkehrsdistanzen im<br />

Bereich Pendeln nehmen jedoch zu.<br />

• Nein: Die bestehende L<strong>and</strong>esgrenze wirkt sich stabilisierend<br />

auf die heute zurückgelegten Verkehrsdistanzen<br />

und die Mobilitätszunahme aus.<br />

• MIV St<strong>and</strong>ard: Stellt das heutige Image des motorisierten<br />

Individualverkehrs dar. Diese Ausprägung impliziert<br />

das schlechte Image des öffentlichen Verkehrs.<br />

• ÖV St<strong>and</strong>ard: MIV-Benutzerlnnen steigen in vermehrtem<br />

Masse auf öffentliche Verkehrsmittel um, da der MIV<br />

einem Imageverlust und der ÖV einem Imagegewinn<br />

unterliegen.<br />

• keine TI: Die Umsetzung von emissionsvermindernden<br />

Innovationen auf dem Markt gelingt nicht.<br />

• wenig TI: Die Durchsetzbarkeit von technischen<br />

Innovationen in Richtung Umweltverträglichkeit der<br />

einzelnen Verkehrsmittel tritt langsam ein.<br />

• viel TI: Die Emissionen des MIV werden aufgrund der<br />

marktwirtschaftlichen Durchsetzbarkeit von bahnbrechenden<br />

Technologien gesenkt.<br />

• lentralisierung: Wie bisher erstarken die städtischen<br />

Wirtschaftszentren auf Kosten der ausserstädtischen<br />

Erwerbszentren. Diese Entwicklung führt im Verkehr zu<br />

einer Erhöhung der zurückgelegten Distanzen.<br />

• <strong>Region</strong>alisierung: Es findet eine Arbeitsplatzverlagerung<br />

durch Strukturstärkung der ländlichen <strong>Region</strong>en statt, was<br />

zu einer Arbeitswegverkürzung resp. Senkung der<br />

Erwerbsmobilität führt.<br />

IQuelle: Infras/Econcept/Prognos (1996); 2Quelle: Infras (1995)<br />

74<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Kernaussage I: Der heutige Trend der zunehmenden Nicht­<br />

Umweltverträglichkeit der Mobilität wird weiterverfolgt.<br />

Die Kostenwahrheit im Verkehr fehlt.<br />

Kernaussage 2: Es wird ein Weg in Richtung umweltverträgliche<br />

Mobilität eingeschlagen, indem durch regulative<br />

Massnahmen im Verkehrsmarkt ein Teil der externen<br />

Kosten internalisiert wird.<br />

Kernaussage 3: Der Forderung nach einer umweltverträglichen<br />

Entwicklung der Mobilität wird umweltökonomisch<br />

Rechnung getragen, indem die gesamten externen Kosten<br />

des Verkehrs internalisiert werden.<br />

Wir entwickelten die drei Szenarien in der Folge auf zwei<br />

verschiedene Arten. Einerseits mittels einer Konsistenzanalyse<br />

und <strong>and</strong>ererseits rein intuitiv im Hinblick auf die<br />

Kernaussagen. Interessanterweise differierten die aus den<br />

zwei unterschiedlichen Angehensweisen resultierenden<br />

Szenarien kaum. Die Unterschiede konnten in einer Gruppendiskussion<br />

und in Abstimmung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />

bereinigt werden.<br />

Zum Schluss liessen wir die ausgewählten Szenarien (vgl.<br />

Tab. 4.6) von Fachpersonen validieren.<br />

4.5.3 Beschreibung der zur Bewertung vorgelegten<br />

Szenarien<br />

Szenario Trend<br />

Die Schweiz hat sich durch einen EU-Beitritt in den europäischen<br />

Raum integriert. Durch den Wegfall der Grenze als<br />

Verkehrshindernis und durch die wirtschaftliche Zentralisierung<br />

werden immer grössere Distanzen zurückgelegt,<br />

besonders im Pendelverkehr. Das Abflachen des Preisgefälles<br />

zwischen den Ländern vermindert den Benzin- und<br />

Einkaufsverkehr.<br />

Da keine Schritte in Richtung Kostenwahrheit im Verkehr<br />

unternommen worden sind, werden die externen Kosten<br />

nach wie vor der Allgemeinheit aufgebürdet. Die Mobilität,<br />

speziell die Autornobilität, ist «zu billig». Durch diese Preisverzerrung<br />

ist der ÖV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr<br />

nicht konkurrenzfähig. Bisher bestehende Angebote<br />

zu R<strong>and</strong>zeiten und in R<strong>and</strong>gebieten werden abgebaut.<br />

Das Image des ÖVs ist schlecht, und das Auto ist<br />

St<strong>and</strong>ard-Fortbewegungsmittel. Die Umweltbelastungen<br />

durch den MIV sind hoch und können durch die fehlende<br />

marktwirtschaftliche Durchsetzbarkeit von technologischen<br />

Innovationen in Richtung Ökoeffizienz der Motorfahrzeuge<br />

nicht reduziert werden.<br />

Szenario Trendwende<br />

Für die Schweiz scheint der EU-Beitritt für längere Zeit<br />

nicht zu verwirklichen. Trotz bleibender Grenze durch die<br />

<strong>Region</strong> Klettgau sind neue Wege der Einflussnahme auf das<br />

Mobilitätsverhalten beschritten worden. Durch die Umsetzung<br />

der vom Europaparlament geforderten Massnahmen<br />

ist einerseits auf der deutschen Seite eine Teilkostenwahrheit<br />

im Bereich Verkehr erreicht worden. Auf Schweizer<br />

Seite ist mittels Benzinpreiserhöhung eine verstärkte Umlagerung<br />

vom motorisierten Individualverkehr aufden öffentlichen<br />

Verkehr verwirklicht worden. Die Massnahmen beidseits<br />

der Grenze wirken sich bremsend auf den bisherigen<br />

Verkehrszuwachs aus.<br />

Die fortschreitende Zentralisierung der Wirtschaft jedoch<br />

vergrössert die Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz<br />

und erfordert von den Pendelnden eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft.<br />

Der Benzintourismus hat abgenommen,<br />

da die Benzinpreise beidseits der Grenze ähnlich sind.<br />

Technologische Innovationen zur Optimierung der Umweltverträglichkeit<br />

des Verkehrs werden nur zaghaft umgesetzt.<br />

Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und flankierende<br />

Massnahmen ist jedoch das Image des öffentlichen Verkehrs<br />

angehoben geworden, was sich im vermehrten Gebrauch<br />

ausdrückt.<br />

Szenario Trendumkehr<br />

Politisch hat sich die Schweiz geöffnet. Als EU-Mitglied hat<br />

sie sich erfolgreich für eine volle Kostenwahrheit im gesamten<br />

EU-Raum eingesetzt und damit eine signifikante Senkung<br />

des allgemeinen Verkehrsaufkommens erwirkt.<br />

Die <strong>Region</strong>alisierung der Wirtschaft verkürzt die Distanzen<br />

zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Die von den Pendlerinnen<br />

und Pendlern gefahrenen Kilometer nehmen trotz<br />

Grenzöffnung und freiem Personenverkehr ab. Das Abflachen<br />

des Preisgefalles vermindert den Einkaufsverkehr.<br />

Die Verteuerung der Verkehrsmittel durch Anwendung<br />

der vollen Kostenwahrheit und die Durchsetzung bahnbrechender<br />

technologischer Innovationen im Verkehr machen<br />

die Mobilität insgesamt nachhaltiger. Zusätzlich ist der Gebrauch<br />

des öffentlichen Verkehrs durch ein gesteigertes<br />

Umweltbewusstsein und ein verbessertes Angebot St<strong>and</strong>ard<br />

geworden.<br />

Tab. 4.6: Die drei aus derformativen Szenarioanalyse ermittelten Szenarien im Überblick<br />

IEinflussfaktoren<br />

Mobilitäts-Szenarien<br />

Trend I<br />

Trendwende<br />

Trendumkehr<br />

,<br />

EU-Beitritt<br />

Ja<br />

Nein Ja I<br />

Kostenwahrheit Keine Nur beim MIV Volle<br />

Image MIV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard<br />

Technische Innovationen Keine Wenig Viele<br />

Wirtschaftliche Entwicklung Zentralisierung Zentralisierung I <strong>Region</strong>alisierung I<br />

UNS-Fallstudie '98 75


Mobilität im Klettgau<br />

Methodenkritik<br />

Bei der Betrachtung der Resultate sind folgende Anmerkungen<br />

zu den Methoden zu beachten.<br />

Verkehrs-Belastungsmodell:<br />

In unserem Verkehrs-Belastungsmodell sind diejenigen<br />

Schritte eines klassischen Verkehrsmodells enthalten, die<br />

für unsere Zwecke- grobe Abschätzung der Umweltauswirkung<br />

des Verkehrs und des Einflusses der Rahmenszenarien<br />

aufdie Verkehrssituation im Klettgau ausreichten. Für das<br />

Verkehrserzeugungs-, das Verkehrsverflechtungs- und das<br />

Verkehrsteilungsmodell hatten wir Daten aus der Pendlermatrix<br />

(Bundesamt für Statistik, 1994) und aus unserer<br />

Umfrage. Letztere wurden jedoch nicht ins Verkehrs-Belastungsmodell<br />

eingegeben, sondern dienten lediglich zur Verifikation<br />

der Verkehrszählungen (Tiefbauamt Schaffhausen,<br />

1997, Strassenbauverwaltung Baden-Württemberg,<br />

1995).<br />

In unserem Verkehrs-Belastungsmodell teilten wir aufder<br />

deutschen Seite des Klettgaus - dadas entsprechende Datenmaterial<br />

nicht verfügbar war- den Anteil der verschiedenen<br />

Verkehrszwecke am Gesamtverkehr gemäss dem schweizerischen<br />

Durchschnitt im ländlichen Raum auf. Dieser Schritt<br />

ist mit Unsicherheiten behaftet, da diese Aufteilung in<br />

Deutschl<strong>and</strong> <strong>and</strong>ers aussehen könnte. Andererseits haben<br />

wir in Kapitel 2.6 gesehen, dass der Freizeitverkehr in<br />

beiden Ländern je ungefähr die Hälfte des gesamten Verkehrsaufkommens<br />

verursacht, die verschiedenen<br />

Verkehrszwecke scheinen also in etwa die gleichen Anteile<br />

aufzuweisen. Aus diesem Grund erachten wir unser Vorgehen<br />

als gerechtfertigt.<br />

Umfrage:<br />

Um eine möglichst hohe Repräsentativität erreichen zu können,<br />

wurde bei der Umfrage mit Quoten gearbeitet (vgl.<br />

Kap. 4.4). Bei einer Stichprobenzahl von n = 116 ist es<br />

trotzdem möglich, dass die Antworten einer Minderheit der<br />

Befragten die Resultate stark beeinflussen, wie das Beispiel<br />

Freizeitverkehr eindrücklich demonstriert (vgl. Kap. 5.2.3).<br />

Szenarioanalyse:<br />

Die formative Szenarioanalyse wurde gleich zu Beginn<br />

durchgeführt - parallel zur Erstellung des Verkehrs-Belastungsmodells.<br />

Wegen des Systemverständnisses, das zuerst<br />

erworben werden muss, dürfte sie eigentlich erst nach<br />

der Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>es erarbeitet werden. Da es sich<br />

bei unseren Szenarien aber um Rahmenszenarien h<strong>and</strong>elt<br />

auf die der Klettgau keinen Einfluss hat, erachten wir unse;<br />

Vorgehen trotzdem als zulässig.<br />

5 Resultate<br />

5.1 Gesamtes Verkehrsaufkommen im<br />

Klettgau<br />

5. 1. 1 Gesamte Verkehrsbelastung<br />

Pro Tag fahren die Klettgauerinnen und Klettgauer (Deutsche<br />

und Schweizer zusammen) rund 60'000 Kilometer mit<br />

dem Bus, 110'000 km mit der Bahn und 790'000 km mit<br />

dem Auto. Auf die Einzelperson umgerechnet sind das<br />

täglich 6,4 km mit öffentlichen Verkehrsmitteln und 29,7 km<br />

mit dem Auto (vgl. Tab. 5.1). Hauptsächlich geschieht dies<br />

in der Freizeit (41 %) und für den Weg zur Arbeit (30%) (vgl.<br />

Abb.5.1).<br />

Nicht enthalten sind in diesen Zahlen, die allesamt aus<br />

dem Verkehrs-Belastungsmodell stammen, die zu Fuss oder<br />

mit dem Fahrrad beWältigten Strecken. Informationen zu<br />

diesen Modi haben wir aus den Umfrageergebnissen. In der<br />

Umfrage sind allerdings nur die drei Bereiche Pende1-,<br />

Einkaufs- und Freizeitverkehr enthalten, der Geschäftsverkehr<br />

fehlt.<br />

Was die Verkehrsmenge betrifft, zeichnete sich auch in der<br />

Umfrage ab, dass diese zum grössten Teil durch Freizeitaktivitäten<br />

bedingt ist (vgl. Abb. 5.2).<br />

In Abbildung 5.3 sind die mittleren Tagesdistanzen- nach<br />

Verkehrsmittel aufgeteilt - dargestellt, die wir aus dem<br />

Verkehrs-Belastungsmodell und der Umfrage ermittelten.<br />

Als Vergleich finden sich dort auch die durchschnittlich im<br />

ländlichen Raum der Schweiz pro Tag zurückgelegten<br />

Distanzen (


Mobilität im Klettgau<br />

Tab. 5.1: Mit dem Verkehrs-Belastungsmodell konnten die im Klettgau zurückgelegten Tagesdistanzen berechnet werden<br />

(aufgeteilt nach Verkehrsmodus und Verkehrszweck).<br />

MIV<br />

MIV<br />

ÖV (Total)<br />

ÖV (Total)<br />

Verkehrszweck<br />

TotaId'<br />

Istanz O' Istanz pro Emwohner TotaId'<br />

Istanz I Olstanz pro Emwohner I<br />

[Pkm/fag] [Pkm/Ein.*Tag] ! [Pkm/fag] [Pkm/Ein.*Tag]<br />

Arbeitsweg 223'050 8,4 61 '350 2,3<br />

Einkauf 73'180 2,7<br />

i<br />

8'520 0,3<br />

Freizeit 333'360 12,5 64760 2,4<br />

I Geschäft 164'680 6,2 35790 1,3<br />

I<br />

I Total 794'260 29,7 170'410<br />

i<br />

I<br />

6,4<br />

Bus Bus I SBB SBB OB OB<br />

[Pkm/fag] [Pkm/E. Tag] I [Pkm/fag] [Pkm/E. Tag] [Pkm/fag] [Pkm/E. Tag]<br />

i Arbeitsweg 21 '340 0,8 16'530 0,6 23'480 I 0,9<br />

Einkauf 2'960 0,1 2'300 0,1 3'260<br />

Freizeit 22'530 0,8 17'440 0,7 24780 I 0,9<br />

Geschäft 12'450 0,5 9'640 0,4 i 13700 I 0,5<br />

I !<br />

I !<br />

I<br />

!<br />

Total i 59'290 2,2 45'900 I 1,7 I 65'220<br />

!<br />

I<br />

I<br />

I<br />

0,1<br />

2,4<br />

Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am ÖV und MIV im Klettgau<br />

Verkehrsbelastungsmodell<br />

Für verschiedene Zwecke<br />

zurückgelegte Personenkilometer<br />

Geschäft 21%<br />

Arbeit 30%<br />

Arbeit<br />

Einkauf<br />

Freizeit<br />

Geschäft<br />

10.7 km/Pers.*Tag<br />

3.0 km/Pers.*Tag<br />

14.9 km/Pers.*Tag<br />

7.5 km/Pers.*Tag<br />

Freizeit 41 %<br />

Einkauf 8%<br />

Abb. 5.1: Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am gesamten durch öffentliche und motorisierte individuelle Verkehrsmittel<br />

(ohne Kategorie «Zu FusslVelo») verursachten Verkehr im Klettgau (deutsche und Schweizer Seite), berechnet mit<br />

dem Verkehrs-Belastungsmodell.<br />

UNS-Fallstudie '98 77


Mobilität im Klettgau<br />

Umfrage<br />

Für verschiedene Zwecke<br />

zurückgelegte Personenkilometer<br />

Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am Gesamtverkehr<br />

(ohne Geschäftsverkehr) im Klettgau<br />

Arbeit 44%<br />

Arbeit<br />

Einkauf<br />

Freizeit<br />

13.7 km/Pers.*Tag<br />

2.3 km/Pers.*Tag<br />

15.2 km/Pers.*Tag Freizeit 49%<br />

Einkauf 7%<br />

Abb. 5.2: Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke (ohne Geschäftsverkehr) am Gesamtverkehr (alle Verkehrsmittel<br />

zusammen) im Klettgau (deutsche und Schweizer Seite), aus den Umfrageergebnissen berechnet.<br />

40<br />

Cl<br />

35<br />

~ . 30<br />

...<br />

(l)<br />

c<br />

.J::.<br />

25<br />

0 20<br />

~<br />

c 15<br />

üJ<br />

..... 10<br />

E<br />

..I


Mobilität im Klettgau<br />

Tab. 5.2: Aus den mittleren Tagesdistanzen und den Emissionsfaktoren derjeweiligen Verkehrsmittel konnte die im Klettgau<br />

durch den Verkehr verursachte Umweltbelastung berechnet werden (aufgeteilt nach Verkehrsmitteln).<br />

Energieverbrauch [MJjT]<br />

MIV Bus i<br />

,<br />

Dieselbahn E-8ahn ÖV-Total Gesamttotal<br />

2'873'260<br />

i<br />

73'880 44'540 124'610 243'030 3'116'290<br />

(02 [gjT] 89'855'820 3'266'610 3'254'140 516'290<br />

i<br />

7'037'040<br />

96'922'860<br />

Partikel [g/TJ 49'260 2'090 740 4'020 6'850 56'110<br />

NOx [gjT] 361'250 I 47'990 63'950 1'030 , 112'970 474'220<br />

Lärm [m 2 a] 35'468'280 617'990 - *) 3'665'050 - -<br />

Flächenverbrauch 7'120 270 - 30<br />

-<br />

,<br />

-<br />

[m 2 mit dB(A)]<br />

externe Kosten [SFr./T]<br />

I<br />

60'210 - - 5'580 - -<br />

*) Fürdie mit - gekennzeichneten Kategorien konnten in der Literaturkeine entsprechenden Emissionsfaktoren oder Umweltindikatoren gefunden werden.<br />

Dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Umweltbelastungen vernachlässigt werden dürfen.<br />

5.2 Einzelne Verkehrszwecke<br />

5.2.1 Pendelverkehr<br />

Mit 10,7 Kilometern pro Tag und Einwohner ist der mit dem<br />

Verkehrs-Belastungsmodell berechnete Weg zur Arbeit<br />

gleich lang wie im schweizerischen Durchschnitt (ländlicher<br />

Raum) (vgl. Abb. 5.4). Im zum Vergleich herangezogenen<br />

Durchschnittswert sind jedoch alle Verkehrsmodi enthalten,<br />

im Modell nur der ÖV und der MIV. Es ist also<br />

anzunehmen, dass, wenn noch die Kategorie «Zu<br />

FussNelo» dazugerechnet wird, im Klettgau etwas längere<br />

Strecken zurückgelegt werden als in <strong>and</strong>eren ländlichen<br />

Räumen. Tatsächlich zeigen Berechnungen aus den Umfrageergebnissen,<br />

dass eine Person aus dem Klettgau im Mittel<br />

rund 28% weiter fährt, um zum Arbeitsort zu gelangen (vgl.<br />

Abb. 5.4). Dies ist wohl auf die recht grosse Distanz zum<br />

wichtigen Arbeitsort Zürich zurückzuführen. Als Indiz für<br />

diese Annahme kann auch der Unterschied dienen, der<br />

zwischen dem Schweizer und dem deutschen Klettgau beobachtet<br />

werden kann. Die Schweizer absolvieren im<br />

Schnitt 39% mehr Kilometer auf dem Weg zur Arbeit als<br />

ihre deutschen Nachbarn (vgI. Abb. 5.4).<br />

Ebenfalls unterschiedlich fällt die Wahl des für den Arbeitsweg<br />

benutzten Verkehrsmittels aus (statistisch signifikant<br />

nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit in Kontingenztafeln,<br />

p < 0,001). Im deutschen Klettgau fahren<br />

beinahe drei Viertel der Leute mit dem Auto zur Arbeit, in<br />

der Schweiz nur 46% (vgl. Abb. 5.5).<br />

Der Klettgau als Ganzes betrachtet liegt dann aber wieder<br />

ziemlich exakt im schweizerischen Mittel. Einzig die Kategorie<br />

«Zu FussNelo» tritt häufiger auf (vgl. Abb. 5.5).<br />

5.2.2 finkaufsverkehr<br />

Der Einkaufsverkehr fällt im Klettgau geringer aus als in<br />

<strong>and</strong>eren ländlichen Räumen, er ist nur etwa halb so gross<br />

(vgl. Abb. 5.6). Dies lässt auf eine gute Versorgung der<br />

<strong>Region</strong> mit Lebensmittelgeschäften schliessen.<br />

Dass die Deutschen rund ein Drittel längere Strecken<br />

fahren müssen, um einkaufen zu können, als die Leute in der<br />

Schweiz, liegt wohl daran, dass im deutschen Klettgau nicht<br />

jedes Dorf über eigene Lebensmittelgeschäfte verfügt. So<br />

auch Geisslingen nicht, in dem ein Teil der Befragungen<br />

durchgeführt wurde.<br />

18<br />

0> 16<br />

: 14<br />

a; 12<br />

c:<br />

.


Mobilität im Klettgau<br />

CH-Klettgau<br />

D-Klettgau<br />

Klettgau Total<br />

CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />

Abb. 5.5: Diefür den Arbeitsweg benutzten<br />

Verkehrsmittel aufgeteilt nach<br />

Schweizer, deutschem und gesamtem<br />

Klettgau (Umfrageergebnisse) und als<br />

Vergleich im ländlichen Raum der<br />

Schweiz (Bundesamtfür Statistik, 1996).<br />

5 Mittlere Tagesdistanzen für Einkäufe<br />

................................................................................................................,CH·Durchschnitt<br />

4,5 (Iändl. Raum)<br />

4<br />

0><br />

~ 35<br />

• 3<br />

Qj<br />

.§ 2.5<br />

o<br />

:;: 2<br />


Mobilität im Klettgau<br />

CH-Klettgau<br />

D-Klettgau<br />

Klettgau Total<br />

CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />

Abb. 5.7: Für den Einkauf benutzte Verkehrsmittel<br />

aufgeteilt nach Schweizer, deutschem<br />

und gesamtem Klettgau (Umfrageergebnisse)<br />

und als Vergleich im ländlichen<br />

Raum der Schweiz (Bundesamtfür Statistik,<br />

i996).MiV = Motorisierter individualverkehr,<br />

ÖV =Öffentlicher Verkehr<br />

Tab. 5.3: Laut der Umfrage werden «Frischprodukte» vorwiegend im eigenen Dorfeingekauft.<br />

gar nicht eigen. Dorf D-Klettgau D-sonst I CH-Klettg. CH-sonst.<br />

CH-Klettgau 6,9% 84,5% 1,7% i 5,2% 1,7%<br />

D-Klettgau 6,9% 67,2% 13,8% 10,3% I 1,7% I<br />

Total 6,9% 75,9% 7,8% 5,2% I 2,6% 1,7%<br />

I<br />

Sonstige Produkte des täglichen Bedarfs<br />

Bei den «sonstigen Produkten des täglichen Bedarfs» lassen<br />

sich zwei Kategorien abgrenzen, für die das Einkaufsverhalten<br />

<strong>and</strong>ers ist als für den Rest. Es sind dies «Teigwaren und<br />

Reis» sowie «Schokolade».<br />

Teigwaren und Reis werden von den Bewohnern des<br />

Klettgaus hauptsächlich in der Schweiz gekauft (80%). Die<br />

Schweizer kaufen diese Produkte nur im eigenen L<strong>and</strong>. Bei<br />

den Deutschen sind es über 55%, die Teigwaren und Reis in<br />

der Schweiz besorgen (vgl. Abb. 5.8) (statistisch signifikanter<br />

Unterschied nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit<br />

in Kontingenztafeln, p < 0,001). Dies vor allem wegen<br />

der besseren Qualität (76%) und zum Teil auch noch wegen<br />

den tieferen Preisen (24%).<br />

Bei der Schokolade liegt der Fall ähnlich wie bei den<br />

Teigwaren. Rund 82% der von Klettgauern getätigten Schokoladeeinkäufe<br />

finden in der Schweiz statt. Die Deutschen,<br />

die Schokolade in der Schweiz erwerben, tun dies aus Qualitätsgründen<br />

(96%). Aus Abbildung 5.9 kann der Unterschied<br />

zwischen den beiden Ländern herausgelesen werden<br />

(statistisch signifikant nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit<br />

in Kontingenztafeln, p < 0,01).<br />

5.2.3 Freizeitverkehr<br />

Im Bereich Freizeit fällt das sehr unterschiedliche Verhalten<br />

zwischen den Menschen im Schweizer Klettgau und den<br />

Leuten im deutschen Klettgau auf (vgl. Abb. 5.10). Die<br />

Schweizer legen über 80% längere Distanzen zurück als die<br />

Deutschen. Diese Differenz kommt durch für die beiden<br />

Freizeitkategorien «Unterhaltung (Disco, Bar)>> und «Weiterbildung»<br />

zurückgelegte Strecken zust<strong>and</strong>e (siehe unten).<br />

Der gesamte Klettgau liegt dann wieder ziemlich genau im<br />

Durchschnitt <strong>and</strong>erer ländlicher Räume (vgl. Abb. 5.10).<br />

Bei der Verkehrsmittelwahl hingegen existiert praktisch<br />

kein Unterschied zwischen den beiden Ländern. Im gesamten<br />

Klettgau werden im Vergleich zum schweizerischen<br />

Durchschnitt (ländlicher Raum) die öffentlichen Verkehrsmittel<br />

und das Auto etwas weniger häufig benutzt und dafür<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

81


Mobilität im Klettgau<br />

CH-Kletlgau:<br />

Einkauf von Teigwaren und Reis<br />

D-Klettgau:<br />

Einkauf von Teigwaren und Reis<br />

Abb. 5.8: Einkauf von Teigwaren und Reis in den<br />

beiden L<strong>and</strong>esteilen des Klettgaus<br />

CH-Klettgau:<br />

Einkauf von Schokolade<br />

D-Klettgau:<br />

Einkauf von Schokolade<br />

Abb. 5.9: Einkauf von Schokolade in den beiden<br />

Teilen des Klettgaus<br />

25<br />

Cl<br />

~<br />

« 20<br />

Q;<br />


Mobilität im Klettgau<br />

CH-Klettgau<br />

D-Klettgau<br />

Klettgau Total<br />

CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />

Abb. 5.11: In der Freizeit benutzte Verkehrsmittel<br />

aufgeteilt nach Schweizer, deutschem und gesamtem<br />

Klettgau (Umjrageergebnisse) und als Vergleich<br />

im ländlichen Raum der Schweiz (BundesamtfÜr<br />

Statistik, 1996).<br />

Vereine<br />

Besuche<br />

Sport<br />

Ak1ivität im Freien<br />

o<br />

Die vier häufigsten Freizeitbescl1äffigungen im Kletlgeu<br />

10 20 30 40 50 60 70<br />

Anzahi Freizeilbescl1äffigungen / Person und Jahr<br />

80<br />

91.6<br />

90 100<br />

Abb. 5.12: Am häufigsten gehen<br />

die Klettgauerinnen und Klettgauer<br />

in ihrer Freizeit W<strong>and</strong>ern,<br />

Spazieren oder auf Veloausjl.Üge<br />

(


Mobilität im Klettgau<br />

Die vier Freizeitbeschäfligungen, bei denen pro Ausflug am weitesten gefahren wird<br />

Besuche<br />

Kino<br />

Weiterbildung<br />

Unterhaltung<br />

60<br />

Kilometer! Aktivität<br />

113.18<br />

120<br />

Abb. 5.14: Für einen Discobesuch<br />

wird im Schnitt über 110 km<br />

weit gefahren. Die kürzesten<br />

Wege werdenfür Vereinsaktivitäten<br />

und den Sport zurückgelegt<br />

(rund 6 und 10 km, nicht in Abbildung).<br />

Für Discobesuche legen 17% der befragten Schweizerinnen<br />

und Schweizer pro Jahr über 1'300 km zurück, bei den<br />

Deutschen sind es nur 5% der Befragten, die solche Strecken<br />

fahren. Ebenfalls 5% der befragten Deutschen absolvieren<br />

im Jahr mehr als 1'200 km für die Weiterbildung, in der<br />

Schweiz sind es 12%. Obwohl diese Unterschiede nicht<br />

signifikant sind, hat das in Bezug auf die Mehrheit abweichende<br />

Mobilitätsverhalten einer Minderheit bei der Stichprobenzahl<br />

von 116 Personen grosse Auswirkungen auf die<br />

Berechnung der in der Freizeit zurückgelegten Distanzen.<br />

5.2.4 Image des öffentlichen Verkehrs<br />

Im Klettgau werden die öffentlichen Verkehrsmittel<br />

kaum benutzt<br />

Die Klettgauer Bevölkerung ist mit den Leistungen des<br />

öffentlichen Verkehrs grundsätzlich mehr oder weniger zufrieden<br />

(vgl. Abb. 5.15). Es ist diesbezüglich einzig anzumerken,<br />

dass auf deutscher Seite die Fahrpreise als viel zu<br />

hoch (vgl. Abb. 5.16) erachtet werden. Insgesamt beurteilt<br />

die Bevölkerung aber die Qualität der Leistungen als genügend<br />

bis gut, was die Abbildung 5.17 veranschaulicht. Generell<br />

äussem sich dazu Personen positiver, die öfters (täglich)<br />

Bahn und Bus benützen.<br />

Trotzdem wird der ÖV im Klettgau kaum benutzt, denn<br />

51,8% der scheizerischen und 74,2% der deutschen Bevölkerung<br />

fahren selten bis nie, also weniger als zwei Mal im<br />

Monat, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel (vgl. Abb.<br />

5.18). Was führt zu dieser marginalen Stellung des ÖVs in<br />

der Verkehrsmittelwahl?<br />

Die geringe Benutzung des öffentlichen Verkehrs ist auf<br />

die Lebensgewohnheiten und die gängigen Wertvorstellungen<br />

zurückzuführen, welche zusätzlich zu den Qualitätsfaktoren<br />

das Image eines Verkehrsmittels ausmachen. Auf<br />

Schweizer Seite können sich nur 28% der Personen vorstellen,<br />

ohne Probleme aufs Auto zu verzichten, auf deutscher<br />

Seite sind es sogar nur 9% (vgl. Abb. 5.19). Dies liegt wohl<br />

einerseits am dispersen Charakter der Siedlungen, <strong>and</strong>ererseits<br />

an der Stellung des Autos als gesellschaftliches Statussymbol<br />

und st<strong>and</strong>ardisiertes Fortbewegungsmittel.<br />

Die gängigen Werthaltungen und Lebensgewohnheiten<br />

führen zu einem relativ schlechten Image des ÖV und zur<br />

Diskrepanz zwischen der eigentlich guten Qualitätsbeurteilung<br />

und der Nicht-Benutzung des Öv. Das will nicht heissen,<br />

dass technische Optimierungsmassnahmen wie beispielsweise<br />

im Bereich der Anschlusssicherung im Klettgau<br />

voll ausgeschöpft sind. Ihre Wirkung in Bezug auf einen<br />

Umsteigeeffekt vom MIV auf den ÖV ist allerdings als<br />

gering einzuschätzen, denn es besteht bereits ohne techni-<br />

Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen des ÖV im Klettgau insgesamt?<br />

50~------------N=107-------------<br />

GCH<br />

lEID<br />

5<br />

o<br />

vollkommen zufrieden sehr zufrieden mehr oder weniger<br />

zufrieden<br />

unzufrieden<br />

sehr unzufrieden<br />

Abb. 5.15: Die Darstellung zeigt,<br />

dass sich insgesamt über 50% der<br />

Klettgauer Bevölkerung zur Frage<br />

nach ihrer Zufriedenheit mit den<br />

Leistungen des ÖV als «mehr oder<br />

weniger zufrieden» und «sehr zufrieden»<br />

äussern.<br />

84<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Beurteilung der Fahrkosten<br />

CH: N=58; 0: N=58 / Daten signifikant nach Mann-Whitney U Test<br />

100,---------------------------<br />

9Ot-------------r::::,::::::::,:::::::::::;-------<br />

80+----------------1<br />

70t----------------j<br />

60<br />

[%] 50t------<br />

40t------<br />

30t------<br />

20t------<br />

10<br />

ungenügend/schlecht<br />

genügend/gut/sehr gut<br />

OCH<br />

ll1lo<br />

Abb. 5.16: Hinsichtlich der Fahrkostenfür<br />

die öffentlichen Verkehrsmittel lassen sich<br />

unterschiedliche Ansichten beidseits der<br />

Grenze feststellen. Im deutschen Teil des<br />

Klettgaus werden die Fahrkosten mehrheitlich<br />

als zu hoch (ungenügend bis<br />

schlecht) berachtet. Demgegenüber werden<br />

im schweizerischen Teil die Fahrkosten<br />

als angebracht bzw. gut beurteilt<br />

(genügend bis sehr gut).<br />

Qualitätsbeurleilung des ÖV im Klettgau nach total zehn Kriterien<br />

(in Abhängigkeit von der Häufigkeit der ÖV-Benutzung)<br />

N=116<br />

38,---------------------<br />

3.7 t----------------+<<br />

~36+----------------<br />

~<br />


Mobilität im Klettgau<br />

[%]<br />

Auf mein Auto kann ich problemlos verzichten<br />

90,------------CH: N=58/ 0:N=58----------<br />

80+----_<br />

70+-----<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

o -1------'__<br />

stimme nicht zu/gar nicht zu stimme teilweise zu stimme zu/voll und ganz zu<br />

DCH<br />

imD<br />

Abb. 5.19: Bei der spontanen Bewertung<br />

von Aussagen zum Autogebrauch wie<br />

beispielsweise «Freiwillig wÜrde ich nie<br />

auf mein Auto verzichten» ergibt sich,<br />

dass fÜr 66,0% der schweizerischen<br />

Klettgauerinnen und Klettgauer der Verzicht<br />

aufdas Auto nicht ohne Probleme<br />

machbar ist. Aufder deutschen Seite hingegen<br />

sind sogar 81,8% der gleichen<br />

Meinung wie ihre Nachbarinnen und<br />

Nachbarn. Der Verzicht auf das Auto<br />

wird nur von 9,1% der Bevölkerung im<br />

deutschen Teil des Klettgaus als problemlos<br />

gewertet.<br />

sche Optimierungsmassnahmen eine eher grosse Zufriedenheit<br />

bezÜglich der ÖV-Leistungen (vgl. Abb. 5.15). Sicherlich<br />

besteht aber ein H<strong>and</strong>lungsbedarf hinsichtlich der<br />

Imageaufwertung, wodurch eine effektive Wirkung aufeine<br />

Verhaltensänderung der Bevölkerung und auf eine erhöhte<br />

Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel zu erwarten ist.<br />

«Die mangelnde Informiertheit der «Wahlfreien» (Anm.:<br />

Darunter sind Individuen zu verstehen, denen zur Befriedigung<br />

ihre MobilitätsbedÜrfnisse sowohl private als auch<br />

öffentliche Verkehrsmittel zur VeifÜgung stehen) ist aufein<br />

Desinteresse gegenÜber dem Angebot des ÖV zurückzuführen,<br />

wobei als Hauptgrund dafÜr dessen eher schlechtes<br />

Image genannt wird.» (Arnet et al., 1998, S. 1)<br />

Es war im Rahmen einer Massnahmenerarbeitung zur<br />

Optimierung der Mobilität im Klettgau nicht unser einziges<br />

Ziel, das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern.<br />

Es sollte auch auf weitere, zum MIV alternative Verkehrsmitteloder<br />

Mobilitätsformen hingewiesen werden<br />

(vgl. Kap. 5.4). Deshalb haben wir die Erkenntnis als sehr<br />

wertvoll erachtet, dass das Image eines Verkehrsmittel einen<br />

entscheidenden Einfluss auf die Fahrzeugwahl hat.<br />

5.3 Bewertung der Szenarien<br />

Die Bewertung der Szenarien erfolgte über das Verkehrs­<br />

Belastungsmodell (vgl. Kap. 4.3). In einem ersten Schritt<br />

wurden die Auswirkungen auf die Verkehrsleistungen im<br />

Jahre 2010 in Bezug zum IST-Zust<strong>and</strong> im Klettgau anh<strong>and</strong><br />

von definierten Modellvariablen (zurückgelegte Distanzen,<br />

Mobilitätszuwachs, Umlagerungsanteil vom MIV zum ÖV,<br />

Flottentreibstoffverbrauch) bestimmt. In einem zweiten<br />

Schritt ermittelten wir analog zur Bewertung der Umweltbelastung<br />

des IST-Zust<strong>and</strong>es (vgl. Kap. 5.1) die Werte für die<br />

verschiedenen Umweltbelastungsindikatoren unter den<br />

Rahmenbedingungen der 3 Szenarien. Wir haben aufgrund<br />

der Struktur des Verkehrs-Belastungsmodells (vgl. Kap.<br />

4.3) folgende Annahmen für die Bewertung getroffen, die<br />

bei der Interpretation unserer Resultate berücksichtigt werden<br />

mÜssen:<br />

- Als Zeithorizont wählten wir das Jahr 2010 (diese Wahl<br />

ist durch die VerfÜgbarkeit der Emissionsfaktoren zur<br />

Berechnung der Umweltbelastung begründet)<br />

Die Bevölkerung wächst wie bisher (Durchschnitt 1990­<br />

1996) weiter, was einer Zunahme von 2,.9% bis 2010<br />

entspricht<br />

Die Anteile der Verkehrszwecke Pendel-, Freizeit- und<br />

Einkaufsverkehr bleiben konstant<br />

Das Verkehrsnetz bleibt konstant<br />

Die Daten der szenarischen Auswirkungen auf den IST­<br />

Zust<strong>and</strong> (vgl. Kap. 5.3.1) wurden anh<strong>and</strong> von Berechnungen<br />

mit Elastizitäten und realistischen Annahmen<br />

abgeschätzt.<br />

5.3. 1 Auswirkungen der szenarischen Rahmenbedingungen<br />

auiden IST-Zust<strong>and</strong> (vgJ. Tab. 5.4)<br />

Szenario Trend<br />

Ein Mobilitätszuwachs wird nicht angenommen, d.h. das<br />

Verhältnis vom Verkehrsaufkommen zur Bevölkerungszahl<br />

bleibt konstant. Die zurÜckgelegten Distanzen nehmen aufgnmd<br />

des EU-Beitritts (freier Personenverkehr) und der<br />

wirtschaftlichen Zentralisierung um je 10% zu. Aufgrund<br />

der fehlenden Kostenwahrheit im Verkehr und dem schlechten<br />

Image des ÖVs findet keine Personenumlagerung vom<br />

MIV zum ÖV statt. Die fehlende Umsetzung technologischer<br />

Innovationen führt dazu, dass die Motorfahrzeugzusammensetzung<br />

auf dem St<strong>and</strong> von 1997 mit einem durchschnittlichen<br />

Treibstoffverbrauch (Flottenwert) von 9,5<br />

1/100km bleibt.<br />

Szenario Trendwende<br />

Aufgrund der eingeführten partiellen Kostenwahrheit im<br />

Bereich des motorisierten Individualverkehrs nimmt der<br />

Verkehr nicht gleich stark zu wie die Bevölkerung. Wird das<br />

Bevölkerungswachstum mit 100% bezeichnet, so steigt das<br />

Verkehrsaufkommen um 90%. Es h<strong>and</strong>elt sich deshalb im<br />

86<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Tab. 5.4: Die drei Szenarien und ihre Auswirkungen aufdie Verkehrsleistung des IST-Zust<strong>and</strong>s im Ueberblick<br />

Einflussfaktoren<br />

Trend<br />

Mobilitäts-Szenarien<br />

Trendwende<br />

Trendumkenr<br />

EU-Beitritt<br />

Ja<br />

r<br />

Nein<br />

Ja<br />

i i<br />

Kostenwahrheit<br />

I<br />

Keine Nur beim MIV Volle<br />

I,<br />

[Image<br />

I MIV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard<br />

I Technische Innovationen Keine I<br />

Wenig Viele<br />

I Wirtschaftliche Entwicklung Zentralisierung Zentralisierung <strong>Region</strong>alisierung<br />

.~.<br />

I<br />

I Auswirkungen<br />

I<br />

I Zurückgelegte Distanzen<br />

i<br />

+ 20% +10% i +10%<br />

Mobilitätszuwachs<br />

I I<br />

0% -10% -15%<br />

Umlagerung MIV auf ÖV i<br />

I<br />

0% +10% + 20%<br />

Flottenverbrauch<br />

~.<br />

9,5 1/100 km<br />

L.<br />

8 1/100 km<br />

_._~<br />

6,5 1/100 km<br />

I<br />

~<br />

[<br />

I<br />

I<br />

Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong> um eine Mobilitätsabnahme<br />

von 10%. Demgegenüber werden jedoch die zurückgelegten<br />

Distanzen aufgrund der weiteren Erstarkung städtischer<br />

Wirtschaftszentren um 10% grösser.<br />

Die Teilinternalisierung externer Kosten des MIV führt<br />

zudem zu einer Personenumlagerung vom motorisierten<br />

Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr von 10%. Die<br />

vermehrte Benützung von Kleinwagen und die damit verbundene<br />

Änderung der Zusammensetzung des Fahrzeugpools<br />

bedingt eine Abnahme des Flottenwertes von den<br />

heutigen 9,5 1/100km auf 8 1/100km.<br />

Szenario Trendumkehr<br />

Die Anwendung der vollen Kostenwahrheit im Verkehr hat<br />

eine Mobilitätsabnahme von 15% zur Folge. Zusätzlich<br />

führt sie zu einem Umsteigeeffekt im Bereich des MIV und<br />

verändert den Modal-Split um 20% zugunsten des öffentlichen<br />

Verkehrs.<br />

Die wirtschaftliche <strong>Region</strong>alisierung bewirkt eine Abnahme<br />

der gefahrenen Verkehrsdistanzen um 10%. Der durchschnittliche<br />

Treibstoffverbrauch kann aufgrund der Akzeptanz<br />

und Durchsetzung von technologischen Innovationen<br />

auf6,51/100km, also auf70% des heutigen St<strong>and</strong>es gesenkt<br />

werden.<br />

5.3.2 Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />

unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />

Die Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />

unter den Szenarienbedingungen wurde analog zur Bewertung<br />

des IST-Zust<strong>and</strong>es (vgl. Kap. 5.1) durchgeführt. Unser<br />

Augenmerk lag vor allem aufdem Klimaindikator COz und<br />

dem Energiebedarf des MIV und ÖV, da diese Indikatoren<br />

zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Mobilität und für die<br />

damit verbundene Massnahmenerarbeitung verwendet wur-<br />

den (vgl. Kap. 3 und 5.4). In den Abbildungen 5.20-5.26<br />

sind die Werte aller benutzten Indikatoren zur Bewertung<br />

der Umweltbelastung des Verkehrs dargestellt.<br />

Die verkehrsbedingte Umweltkrise naht (Szenario<br />

Trend)<br />

Das Szenario Trend zeichnet sich durch eine Steigerung der<br />

Umweltbelastung im Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong> aus. Alle<br />

verwendeten Umweltbelastungsindikatoren liegen über den<br />

heutigen Werten. Die Klimabelastung durch den COz-Ausstoss<br />

und der Verbrauch von Energie sind je um rund 45%<br />

höher als heute. Beachtenswert ist hierbei der hohe Anteil<br />

der vom MIV verursachten Umweltbelastung, der jeweils<br />

zirka 80-95% des Wertes pro Indikator ausmacht. Einerseits<br />

kommen weder die Internalisierung der externen Kosten des<br />

Verkehrs - insbesondere des MIV - noch technologische<br />

Massnahmen in diesem Zukunftsraum zum Zuge (vgl. Tab.<br />

5.5). Andererseits werden die durch den Wegfall der Grenze<br />

(EU-Beitritt) und durch die vermehrte Erstarkung der Wirtschaftszentren<br />

grösseren Distanzen vor allem mit dem Auto<br />

zurückgelegt, da dieses das St<strong>and</strong>ard-Verkehrsmittel darstellt,<br />

was dem heutigen Trend entspricht.<br />

Im Hinblick auf unsere Zielvorgaben bezüglich der COz­<br />

Emissionen und des Energieverbrauchs, stimmten uns die<br />

Resultate zu diesem Szenario sehr nachdenklich (vgl. Abb.<br />

5.20 und 5.21). Der COz-Indikatorwert überschreitet nämlich<br />

die Zielvorgabe um rund 76%. Noch drastischer stellt<br />

sich der Energiebedarfdar: Er übersteigt die Verbrauchsvorgabe<br />

um 140%! Dieses Ergebnis wurde von uns als eine<br />

äusserst problematisch zu betrachtende Übernutzung der<br />

Energieressourcen gewertet, da der grösste Anteil auf die<br />

nicht erneuerbaren Energien fällt.<br />

Wir konnten unter den Rahmenbedingungen «Trend» in<br />

Verbindung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell keine realistischen,<br />

regionalen Massnahmen in Richtung nachhaltige<br />

Mobilität im Klettgau erarbeiten. Eine Senkung der Indika-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

87


Mobilität im Klettgau<br />

C02-Emissionen MIV & ÖV im Vergleich zur Zielwertvorgabe<br />

140<br />

120<br />

100<br />

'öl<br />

~ 80<br />

Döv<br />

IIMIV<br />

Zielwert 80tfTag<br />

oÜ 60<br />

==.<br />

40<br />

20<br />

o.l-._l--_-'-_-'-_-l-_-I.._-'-_-'-_--'_--'-_-'-__'--_<br />

IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />

Abb. 5.20: Die C02-Emissionen des<br />

MIV und des ÖV dargestellt unter den<br />

Rahmenbedingungen der drei Szenarien<br />

und im IST-Zust<strong>and</strong>. Zusätzlich<br />

ist die C02-Zielwertvorgabe von 80t<br />

C02lTag den berechneten Werten gegenÜbergestellt.<br />

Primärenergiebedarf MIV & ÖV im Vergleich zur Zielwertvorgabe<br />

5000<br />

4500<br />

4000<br />

3500<br />

~ 3000<br />

...., 2500<br />

0<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />

Döv<br />

mlMIV<br />

Zielwert<br />

1'870 GJfTag<br />

Abb. 5.21: Der totale Primärenergiebedarf<br />

des ÖV und des MIV dargestellt<br />

unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />

sowie im IST-Zust<strong>and</strong>.<br />

Zusätzlich ist die Zielwertvorgabe fÜr<br />

den Energiebedarf von 1870 GI/Tag<br />

den berechneten Werten gegenÜbergestellt.<br />

Partikel-Emissionen MIV & ÖV<br />

90<br />

80<br />

70<br />

0> 60<br />

~<br />

50<br />

Q;<br />

""" t 40<br />

ctl<br />

C-<br />

O> 30<br />

"""<br />

20<br />

10<br />

0<br />

IST-Zust<strong>and</strong><br />

Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />

Döv<br />

11 MIV<br />

Abb. 5.22: Die Partikelbelastung der<br />

Luft erhöht sich im Szenario Trend im<br />

Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong>. Erst unter<br />

den Rahmenbedingungen des Szenarios<br />

Trendwende sowie erst recht im<br />

Szenario Trendumkehr können die<br />

Partikel-Emissionen (PMlO) gegen­<br />

Über heute aufgrund der Verminderung<br />

des Treibstoffverbrauchs undder<br />

durch die Anwendung der Kostenwahrheit<br />

bedingten Mobilitätsabnahme<br />

verringert werden.<br />

88<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

NOx-Emissionen MIV & ÖV<br />

700<br />

600<br />

500<br />

0><br />

~ 400<br />

o z 300<br />

F<br />

200<br />

100<br />

o<br />

IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />

Döv<br />

IlIllMIV<br />

Abb. 5.23: Die hauptsächlich durch<br />

den Strassenverkehr verursachten<br />

NOx-Emissionen werden im Szenario<br />

Trendwende wie auch im Szenario<br />

Trendumkehr gegenüber heute verringert.<br />

Diese Verringerung wird durch<br />

den Umlagerungseffekt vom MIV zum<br />

ÖV aufgrund der Kostenwahrheit erreicht.<br />

Zusätzlich wirkt sich der geringere<br />

Treibstojfverbrauch unter den<br />

Rahmenbedingungen des Trendumkehr-Szenarios<br />

auf die Emissionen<br />

aus. Im Szenario Trend steigt die NOx­<br />

Belastung gegenüber heute an.<br />

Externe Kosten MIV & ÖV (ÖV nur E-Bahn)<br />

100<br />

0><br />

~<br />

Li<br />

-0 c:<br />

Ql<br />

Cf)<br />

::><br />

~<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

IST-Zust<strong>and</strong><br />

Trend<br />

-----------------<br />

Trend-Wende<br />

Trend-Umkehr<br />

Döv<br />

IlIllMIV<br />

Abb. 5.24: Die dargestellten externen<br />

Kosten des MIV sowie der Eisenbahn<br />

steigen unter den Rahmenbedingungen<br />

des Trend-Szenarios, die keine Internalisierungsmassnahmen<br />

beinhalten,<br />

gegenüber dem IST-Zust<strong>and</strong> an.<br />

Anders sieht es beim Szenario Trendwende<br />

aus, da die externen Kosten<br />

beim MIV durch Internalisierung gesenkt<br />

werden können. Im Szenario<br />

Trendumkehr sind keine externen Kosten<br />

vorh<strong>and</strong>en, da deren Internalisierung<br />

eine Rahmenbedingung darstellt.<br />

Flächenverbrauch MIV & ÖV (ÖV ohne Dieselbahn)<br />

12'000<br />

10'000<br />

....<br />

r::<br />

-, eil<br />

....<br />

'"E<br />

8'000<br />

6'000<br />

4'000<br />

2'000<br />

0<br />

IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende<br />

Döv<br />

m!l MIV<br />

Abb. 5.25: Der Flächenverbrauch, welcher vor<br />

allem durch den MIV verursacht wird, steigt im<br />

Trend-Szenario gegenüber heute an. Demgegenüber<br />

kann der Flächenverbrauch der Verkehrsmittel<br />

unter den Rahmenbedingungen des Trendwende-Szenarios<br />

unter den heutigen St<strong>and</strong> gesenkt<br />

werden. Unter den Rahmenbedingungen des<br />

Trendumkehr-Szenarios konnten diese Berechnungen<br />

nicht gemacht werden.<br />

UNS-Fallstudie '98 89


Mobilität im Klettgau<br />

übermässig lärmbelastete Fläche durch MIV & ÖV (ohne Dieselbahn)<br />

70 ,------------------<br />

60<br />

50<br />

co<br />

u<br />

0 40<br />

(0<br />

1\<br />

E 30<br />

'" E<br />

-"<br />

20<br />

10<br />

0<br />

IST-Zust<strong>and</strong><br />

Trend<br />

Trend-Wende<br />

Döv<br />

lIml MIV<br />

Abb. 5.26: Da im Szenario Trend grässere Distanzen zurückgelegt<br />

werden, steigt die durch Lärm übermässig beanspruchte<br />

Fläche durch den MIV im Vergleich zu heute<br />

besonders an. Die Mobilitätsabnahme im Trendwende­<br />

Szenario sowie die vermehrte Umlagerung vom MIV zum<br />

ÖV bringen die Lärmbelastung insgesamt unter das heutige<br />

Niveau. Unter den Rahmenbedingungen des Trendumkehr-Szenarios<br />

konnten die Berechnungen nicht gemacht<br />

werden.<br />

torwerte auf die Zielvorgaben könnte nur durch überregionale<br />

Massnahmen erreicht werden.<br />

Aufbruch in Richtung Umweltverträglichkeit (Szenario<br />

Trendwende)<br />

Im Vergleich zu heute nimmt die Umweltbelastung unter<br />

Betrachtung des gesamten Verkehrsaufkommens (MIV und<br />

ÖV) ab.<br />

Die «Teilkostenwahrheit» im motorisierten Individualverkehr<br />

in Kombination mit der vermehrten Benutzung von<br />

Kleinwagen senkt die Indikatorwerte unter den heutigen<br />

St<strong>and</strong>. Eine Wende im heutigen Trend lässt sich ausmachen,<br />

indem vermehrt vom MIV auf den ÖV umgestiegen wird.<br />

Anders sieht es beim öffentlichen Verkehr aus. Die dort<br />

fehlende Kostenwahrheit und der vermehrte Gebrauch<br />

durch den Umlagerungseffekt vom MIV bewirken, dass die<br />

Umweltbelastung durch den ÖV durch das Ansteigen aller<br />

Indikatorwerte im Vergleich zu heute zunimmt.<br />

Obwohl die negativen Umweltauswirkungen unter den<br />

Rahmenbedingungen dieses Szenarios im Vergleich zum<br />

IST-Zust<strong>and</strong> geringer sind, verbleiben der C02-Ausstoss<br />

um rund 15% und der Energiebedarf um 57% über dem<br />

entsprechenden Zielwert (vgl. Abb. 5.20 und 5.21).<br />

Unter den Rahmenbedingungen dieses Alternativzust<strong>and</strong>es<br />

war es möglich, Massnahmen zur Optimierung der<br />

Mobilität im Klettgau in Richtung Nachhaltigkeit zu erarbeiten.<br />

Auf der Basis dieser regionalen Massnahmenentwicklung<br />

in Abstimmung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />

konnten die Indikatorwerte auf die Zielvorgaben reduziert<br />

werden (vgl. Kap. 5.4).<br />

Mehr Umwelt für die Nachwelt (Szenario Trendumkehr)<br />

Die verkehrsbedingte Umweltbelastung ist im Vergleich<br />

zum IST-Zust<strong>and</strong> gering. Eine Umkehr des heutigen Trends<br />

ist erkennbar. Bemerkenswert ist hierbei die Abnahme des<br />

durch den MIV verursachten C02-Ausstosses und Energiebedarfs<br />

vonje rund 48% gegenüberheute. Die Indikatorwerte<br />

des öffentlichen Verkehrs bewegen sich im Gegensatz zu<br />

den <strong>and</strong>eren Szenariobedingungen ebenfalls unter den heutigen<br />

Belastungswerten. Die Einführung der vollen Kostenwahrheit<br />

für MIV und ÖV trägt Früchte. Die daraus resultierende<br />

Personenumlagerung vom MIV zum ÖV, die Gesamtabnahme<br />

des Verkehrs und die der Knappheit der Energieressourcen<br />

entsprechenden Preise haben wir als «Motoren»<br />

dieser umweltverträglichen Mobilität gewertet. Die <strong>Region</strong>alisierung<br />

der Wirtschaft und damit die Verkürzung der<br />

zurückgelegten Verkehrsdistanzen unterstützt diese Entwicklung<br />

zusätzlich.<br />

Die Zielvorgaben werden im Bereich des Energieverbrauchs<br />

um 8% und hinsichtlich der C02-Belastung gar um<br />

34% unterschritten (vgl. Abb. 5.20 und 5.21). Wir haben<br />

dieses Resultat als Ausdruck einer insgesamt nachhaltigen<br />

Mobilität gewertet. Eine Massnahmenerarbeitung für die<br />

<strong>Region</strong> Klettgau im Szenario Trendumkehr wurde somit<br />

hinfällig.<br />

5.4 Massnahmen - Wege zu einer<br />

umweltverträglicheren Mobilität<br />

Wie im vorangehenden Kapitel gesehen, werden im Szenario<br />

Trendumkehr die Zielvorgaben bezüglich Energieverbrauch<br />

und Kohlendioxid-Ausstoss alleine durch die veränderten<br />

Rahmenbedingungen erreicht. Im Szenario Trend<br />

liegt die Umeltbelastung hingegen so drastisch über den<br />

Zielwerten, dass diese mit regionalen Massnahmen im Verkehrsbereich<br />

nicht erreichbarsind. Im SzenarioTrendwende<br />

werden die Ziele ebenfalls überschritten, allerdings nicht in<br />

dem Masse, dass weitere Massnahmen von vornherein aussichtslos<br />

erscheinen. Aus diesem Grund haben wir für dieses<br />

Szenario nach Mitteln gesucht, mit welchen es möglich sein<br />

könnte, die Umweltbelastung des Verkehrs im Klettgau auf<br />

unsere Zielvorgaben zu reduzieren.<br />

Die Massnahmen für das Szenario Trendwende setzen an<br />

folgenden Punkten an:<br />

I. Senkung des Treibstoffverbrauchs<br />

2. Umlagerung aufden ÖV<br />

3. Generelle Mobilitätsreduktion<br />

90 UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

Diese Massnahmenansätze werden im folgenden eingehender<br />

beschrieben. Zum Schluss werden einzelne Vorschläge<br />

aus den drei Ansätzen zu einem Massnahmenbündel<br />

zusammengefasst.<br />

Treibstoffverbrauch<br />

Was den Treibstoffverbrauch anbelangt, so müsste dieser<br />

von 8 Litern pro 100 Kilometer (sog. Flottenwert) auf 5,5<br />

Liter reduziert werden, wenn im Szenario Trendwende die<br />

Zielvorgaben einzig mit diesem Massnahmenansatz erreicht<br />

werden sollen. Um den Flottenwert zu senken, stehen beispielsweise<br />

folgende Möglichkeiten zur Verfügung:<br />

Angebot von «Eco-Fahrkursen»: In solchen Kursen lernen<br />

Autolenker eine Fahrweise, mit welcher der Treibstoffverbrauch<br />

und somit auch die Emission von Schadstoffen<br />

vermindert werden kann. Wenn bei niedriger<br />

Motorendrehzahl der grösstmögliche Gang gewählt wird<br />

(niedertouriges Fahren), kann der Benzin- oder Dieselverbrauch<br />

um 10 bis 20% reduziert werden, ohne dass<br />

langsamer gefahren werden muss (Cercl'Air, 1996, Internet:<br />

Bundesamt für Statistik).<br />

Förderung von Leichtmobilen: Kantone und Gemeinden<br />

könnten Leichtmobile durch finanzielle Anreize wie tiefere<br />

Motorfahrzeugsteuern fördern (Schweizerischer<br />

Stab für Gesamtverkehrsfragen, 1997). Um allein mit<br />

dieser Massnahme die Ziele erreichen zu können, müssten<br />

50% der Autos einen Treibstoffverbrauch von 4 bis 5<br />

Litern auf 100 km aufweisen.<br />

Förderung von ökologischen Leichtmobilen: Auf die<br />

selbe Weise, wie oben beschrieben, könnten ökologische<br />

Leichtmobile (Elektromobile, Twikes) gefördert werden.<br />

Weiter könnten, um den Flottenwert zu senken, folgende<br />

unterstützende Instrumente eingesetzt werden:<br />

PR-Aktionen zugunsten verbrauchsärmerer Fahrzeuge<br />

(vgl. Mobilitätskarawane, Kap. 6)<br />

(Billiges) Angebot an alternativem Treibstoff (Strom,<br />

Biogas)<br />

Sperrung für verbrauchsintensive Fahrzeuge (nicht relevant<br />

im ländlichen Raum).<br />

Umlagerung aufden ÖV<br />

Um die Zielvorgaben für Energieverbrauch und C02-Emission<br />

erreichen zu können, müssen der häufige Gebrauch der<br />

öffentlichen Verkehrsmittel attraktiv gemacht und vermehrt<br />

Leute zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn angeregt<br />

werden. Folgende Massnahmen sind im Klettgau denkbar:<br />

Das ÖV-Angebot könnte noch mehr verdichtet werden<br />

(bis zu einer Verdreifachung, speziell auf Strecken der<br />

DB und den Busbetrieben). Allein schon ein Halt des RE<br />

(<strong>Region</strong>alExpress) in Neunkirch bewirkt eine Verdoppelung<br />

des DB-Angebotes. Falls das im Szenario Trendwende<br />

erwartete Mobilitätswachstum ausschliesslich<br />

mit dem ÖV abgefangen werden könnte, würden die<br />

Zielvorgaben erreicht.<br />

Rufbussystem mit Zentralen in Neunkirch und Erzingen<br />

Unterstützt werden könnte die Förderung des öffentlichen<br />

Verkehrs durch folgende Aktionen:<br />

PR-Aktionen zugunsten Benützung des ÖV (


Mobilität im Klettgau<br />

2. Förderung des ÖV (10% des MIV wird auf den ÖV<br />

umgelagert):<br />

- Halt des RE (<strong>Region</strong>alExpress) in Neunkirch<br />

- Stundentakt auf allen Bus-Linien<br />

3. Mobilitätsverhalten (Mobilitätsreduktion um 10%):<br />

- 10% der Autofahrer benützen Car-Pooling<br />

- Siedlungsentwicklung (ausreichendes Angebot an Lebensmittelgeschäften,<br />

Schaffung höherer Erlebniswerte)<br />

6 Veranstaltung:<br />

Mobilitätskarawane im Zuge<br />

des sanften Verkehrs<br />

Die Veranstaltung war wie die im dritten Kapitel aufgeführten<br />

Methoden ein integrativer Best<strong>and</strong>teil zur Verfolgung<br />

der Lernziele der umweltnaturwissenschaftlichen Fallstudie<br />

(Scholz et al. , 1997). Sie sollte der Umsetzung und Kommunikation<br />

von wissenschaftlich erarbeiteten Erkenntnissen<br />

dienen. Aufgrund der Unkonventionalität ihrer Gestalt wird<br />

diese kommunikative Methode in einem eigenen Kapitel<br />

beschrieben.<br />

6.1 Intention<br />

Durch die Veranstaltung sollte unsere zweite Zielsetzung,<br />

die Klettgauer Bevölkerung über Angebote umweltverträglicher<br />

Mobilität zu informieren (vgl. Kap. 3), eingelöst<br />

sowie einige Erkenntnisse aus der Umfrage (vgl. Kap.<br />

5.2.4), der Szenarioanalyse und der darauf basierenden<br />

Massnahmenerarbeitung (vgl. Kap. 5.4) umgesetzt werden:<br />

- Information der Klettgauer Bevölkerung über Angebote<br />

umweltverträglicher Mobilität in Form einer Fahrzeugkarawane<br />

- Nachhaltigkeitsmarketing für die in unserem Massnahmenpaket<br />

erwähnten Klein- bzw. Alternativfahrzeuge<br />

- Erlebnisraum schaffen für das Potential umweltverträglicher<br />

Fortbewegungsarten<br />

- Imagestärkung des ÖV in Form einer Marketing-Aktion<br />

- Kontaktaufnahme mit der Klettgauer Bevölkerung durch<br />

eine Fallstudienveranstaltung<br />

Umsetzung einer unkonventionellen Aktion für Nachhaltigkeit<br />

im Verkehr<br />

6.1.1 Nachhaltigkeitsmarketing<br />

Wie aus der Umfrage zum Image des ÖV hervorging (vgl.<br />

Kap. 5.2.4), besteht ein H<strong>and</strong>lungsbedarf im Bereich der<br />

Attraktivitätssteigerung des Öv. Durch eine höhere Attraktivität<br />

könnte die Konkurrenzfähigkeit gegenÜber dem MIV<br />

verbessert werden. Die im Sinne einer umweltverträglicheren<br />

Mobilität erwÜnschte Umsteigewirkung vom MIV zum<br />

ÖV (vgl. Kap. 5.3.2) würde daraus resultieren.<br />

«Es scheint deshalb angezeigt, neben Investitionen in die<br />

Infrastruktur (


Mobilität im Klettgau<br />

Abb. 6.1: Mit der «Mobilitätskarawane » sollte die Klettgmler<br />

Bevölkerung Über die verschiedenen Aspekte umweltverträglicher<br />

Mobilität informiert werden. Durch eine<br />

aktive Teilnahme von Klettgauerinnen und Klettgauern mit<br />

dem Fahrrad. durch die Mitfahrt im Bus des öffentlichen<br />

Verkehrs oder durch das Probefahren der verschiedenen<br />

mitfahrenden Vehikel konnte eine nachhaltige Mobilität<br />

erlebt }verden.<br />

Da durch die Fahrzeugkarawane für eine umweltverträglichere<br />

Mobilität geworben wurde, kann deren zentrale<br />

Funktion als Nachhaltigkeitsmarketing bezeichnet werden.<br />

In diesem Sinne haben wir den Inhalt des folgenden Zitates<br />

auch aufdie alternativen Fortbewegungsmittel angewendet.<br />

«Dementsprechend werden zur Imageverbesserung des<br />

ÖVPublic-Awareness-Kampagnen empfohlen mit dem Ziel,<br />

den ÖV zu einer auch subjektiv wählbaren Alternative zum<br />

MIV zu machen.» (Arnet et al., 1998)<br />

Der Anlass best<strong>and</strong> aus einer Karawane und einem Bahnhofsfest.<br />

Für die durch verschiedene Dörfer des Klettgaus<br />

ziehende Karawane wurde eine breite Auswahl an nachhaltig<br />

rollenden Verkehrsmitteln wie Elektrofahrzeuge CE-Mobile,<br />

E-Bikes), Twikes und Futurebikes, ein Solar-Eismobil<br />

sowie ein Bus des ÖV der Südbadischen Bus-Gesellschaft<br />

organisiert. Das Erleben einer nachhaltigen Mobilität<br />

sollte durch die aktive Teilnahme von Klettgauerinnen und<br />

K!ettgauern mit dem guten alten Fahrrad, durch die Mitfahrt<br />

im Bus des öffentlichen Verkehrs oder durch das Probefahren<br />

der sanften Vehikel Gestalt annehmen. Mittels Rundschreiben,<br />

H<strong>and</strong>zettel und Werbung in Lokalzeitungen wurde<br />

die Bevölkerung über den Anlass infonniert.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

93


Mobilität im Klettgau<br />

Bekanntheit von Verkehrsmitteln und -formen<br />

100 r------N=116/ Daten signifikant nach Mann-Whilney UTesl--<br />

90+------------------------<br />

80<br />

70<br />

60<br />

[%]60<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Pendolino Park&Ride Carsharing Rufbus Mobility Twike<br />

EJ Bekannt<br />

llIlI Unbekannt<br />

Abb. 6.2: In der Umfrage (vgl. Kap. 4.4)<br />

haben wir die Bekanntheit von verschiedenen<br />

Verkehrsbegriffen untersucht. So<br />

kennen beispielsweise 81% der Bevölkerung<br />

im Klettgau den neueingeführten<br />

Neigetechnik-Zug (Pendolino). Auch das<br />

Park & Ride-System ist der Bevölkerung<br />

im Klettgau ein Begriff Demgegenüber<br />

sind ihnen Verkehrsoptimierungsformen<br />

wie Mobility, Car-Sharing und das Rufbussystem<br />

weniger bekannt. Am wenigsten<br />

kennt die Bevölkerung das Twike,<br />

welches zu den sanften, umweltverträglichen<br />

Verkehrsmitteln gehört.<br />

An verschiedenen Stationen legte die Karawane einen<br />

Halt ein. So konnten einerseits Resultate aus der Fallstudie<br />

präsentiert und <strong>and</strong>ererseits die verschiedenen alternativen<br />

Verkehrsmittel vorgestellt werden.<br />

An der letzten Station, dem Bahnhof in Erzingen, führten<br />

wir einen Infomarkt durch. Mittels Gesprächen und anschaulichen<br />

Darstellungen auf Schautafeln konnte über die<br />

Arbeit und die Resultate aller vier Synthesegruppen der<br />

Fallstudie informiert werden.<br />

Den mit sanften Verkehrsmitteln teilnehmenden Personen<br />

und Vereinen sowie der Südbadischen Bus-Gesellschaft sei<br />

hier ganz speziell für ihren Einsatz und ihre Unterstützung<br />

gedankt.<br />

6.3 Bewertung der Veranstaltung<br />

Die Motivation und Bereitschaft der Bevölkerung, spontan<br />

selber bei der Karawane mitzufahren, war leider nur<br />

gering. Eine Verbesserung wäre durch eine Optimierung der<br />

Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen im Vorfeld der Veranstaltung<br />

zu erreichen.<br />

Es zeigte sich, dass es für ein erfolgreiches Marketing im<br />

Bereich nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum mehrerer<br />

Anstösse der Bevölkerung braucht. Ängste müssen zuerst<br />

abgebaut und eine Akzeptanz für fremde Verkehrsmittel und<br />

-formen aufgebaut werden. Die Änderung von Mobilitätsverhalten<br />

bedingt auch eine Änderung von Lebensgewohnheiten<br />

und Werten. Das braucht - wie in <strong>and</strong>eren gesellschaftlichen<br />

Themenkreisen - Zeit. Dies benötigt sowohl<br />

Zeit als auch einen intelligenten und breiten Einsatz in den<br />

Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing.<br />

Mit der Mobilitätskarawane im Zuge des sanften Verkehrs<br />

wurde ein Anlass mit einer Mischung wohldosierter wissenschaftlicher<br />

Information, erlebnisreicher Anschaulichkeit<br />

und integrativer Aktion über ein Nachhaltigkeitsmarketing<br />

im Bereich Mobilität durchgeführt. Ein wichtiger Aspekt<br />

dabei war, dass ein Beitrag an den Bekanntheitsgrad und an<br />

die Attraktivitätssteigerung der einzelnen umweltverträglich<br />

rollenden Verkehrsmittel und des ÖV geleistet werden<br />

konnte. Den Begriff «Twike» (hergeleitet von englisch<br />

«Twin-Bike», Zwillingsfahrrad; ein zweiplätziges Leichtelektromobil<br />

mit zusätzlichem unterstützendem Pedalantrieb)<br />

kannten beispielsweise gemäss unserer Umfrage (vgl.<br />

Kap. 4.4) nur rund 13% der Bevölkerung im Klettgau (vgl.<br />

Abb.6.2).<br />

Unser Veranstaltungsmodell erfüllte auch unseren Anspruch,<br />

die Menschen der <strong>Region</strong> eine sanfte Mobilität<br />

erleben zu lassen.<br />

«Umso wichtiger erscheint es, Denkanstösse zu geben,<br />

Bewusstsein und Neugier für neue umweltfreundliche Verkehrsträger<br />

zu schaffen beziehungsweise zu wecken, was der<br />

«Mobilitätskarawane» zweifellos gelungen ist.» (Südkurier,<br />

30.6.1998)<br />

94<br />

UNS-Fallstudie '98


Mobilität im Klettgau<br />

7 Ausblick<br />

literatur<br />

Wird der heutige Verkehrstrend weiterverfolgt, so können<br />

die Zielvorgaben des Energieprogramms 2000 bis 20 I0 im<br />

Klettgau nicht erreicht werden, was zu einem ökologischen<br />

Problem hinsichtlich der C02-Emissionen und dem Energieverbrauch<br />

führt.<br />

Eine ökologische Optimierung der Mobilität im ländlichen<br />

Raum ist mit bestimmten Massnahmen möglich. Der<br />

H<strong>and</strong>lungsbedarf im Bereich Optimierung der Transportketten<br />

ist offensichtlich. Die Modifikation des konventionellen<br />

Linienbetriebs des ÖV sowie kommunikative Massnahmen<br />

zugunsten der ÖV-Benutzung könnten einen Umsteigeeffekt<br />

vom MIV her bewirken und die Mobilität umweltverträglicher<br />

gestalten.<br />

Die Studierenden hoffen mit dem vorliegenden Bericht<br />

neue Impulse zur Bearbeitung von Mobilitätsplanungsaufgaben<br />

im Klettgau - sowie in <strong>and</strong>eren ländlichen <strong>Region</strong>en<br />

- vermittelt zu haben.<br />

Arnet, 0., Holzinger, S. & Maissen, S. (1998). Intelligente Kundeninformation<br />

im öffentlichen Verkehr: Überblick und Grundlagen.<br />

Bern: Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale.<br />

Autobahnbetriebsamt Singen, Bauleitung Lauchringen. (1998).<br />

Aktenvermerk zur A98 Hochrheinautobahn Waldshut!fiengen ­<br />

Geisslingen. Singen: Autobahnbetriebsamt Singen.<br />

AutoRoute Europe. [Computer Software] (1997). Microsoft Corporation.<br />

Bättig, M., Holy, R., Jung, T., König, F., Lippuner, L. & Roth, C.<br />

(1996). Dossier UNS-Fallstudien 97/98: Klettgau. Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur-<br />

und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Baumann, J. H. (1984). Verkehrsmodelle: Grundlagen und Methoden.<br />

Bremen: Universität Bremen.<br />

Bickel, P. & Friedrich, R. (1995). Was kostet uns die Mobilität?<br />

Berlin: Springer.<br />

Bundesamt für Statistik. (Internet). http://www.admin.ch/bfs/d.<br />

Bundesamt für Statistik (BFS). (1994). Eidgenössische Volkszählung<br />

1990: Pendlermatrix: Pendlerbewegungen 1990 zwischen<br />

allen Wohn- und Arbeitsgemeinden nach benützten Verkehrsmitteln.<br />

(Diskette DOS, 3 1/2 Zoll). Bern: BFS.<br />

Bundesamt für Statistik (BFS). (1996). Verkehrsverhalten in der<br />

Schweiz 1994: Mikrozensus Verkehr 1994. Bern: BFS.<br />

Bundesamt für Statistik (BFS). (1997). Statistisches Jahrbuch der<br />

Schweiz. Zürich: NZZ.<br />

Bundesamt für Statistik (BFS). (1998). Schweizerische Verkehrsstatistik<br />

1995. Bern: BFS.<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (Hrsg.).<br />

(1995). Vom Menschen verursachte Luftschadstoff-Emissionen in<br />

der Schweiz von 1900 bis 2010. Bern: BUWAL.<br />

Cerc!'Air, Schweizerische Gesellschaft der Lufthygiene, Lufthygiene-Fachstellen<br />

des Bundes, der Kantone und Städte (Hrsg.).<br />

(1996). Luft-Post. Zürich: Giger & Partner.<br />

Dorfwirth, J. R., Gobiet, W. & Sammer, G. (1980). Verkehrsmodelle:<br />

Theorie und Anwendung. Wien: Bundesministerium für Bauten<br />

und Technik.<br />

Frey, R. L. (1994). Ökonomie der städtischen Mobilität. Zürich:<br />

vdf.<br />

Frey, R. L. & Güller, P. (1989). Szenarien der Stadt- und Verkehrsentwicklung.<br />

Bericht 1 des Nationalen Forschungsprogramms<br />

Stadt und Verkehr. Zürich: Nationales Forschungsprogramm Stadt<br />

und Verkehr.<br />

Götze, U. (1993). Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung.<br />

Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.<br />

Güller, P. (1991). Untere Grenzen der Mobilität. Bern: Eidgenössisches<br />

Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement, Bundesamt<br />

für Strassenbau.<br />

Harnm, B. (1982). Einführung in die Siedlungssoziologie. München:<br />

Beck.<br />

Hassler, S., & Schärli, M. A. (1995/96). Reliabilität und Validität<br />

der Szenarioanalyse Grosses Moos. Diplomarbeit. Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur-<br />

und Urnweltsozialwissenschaften.<br />

INFRAS AG (1991). Umwelt und Verkehr: spezifische Umweltkennziffern<br />

für verschiedene Verkehrsmittel: Synthesebericht.<br />

Bern: Eidgenössisches Verkehrs- und Energiedepartement, Dienst<br />

für Gesamtverkehrsfragen.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

95


Mobilität im Klettgau<br />

INFRAS AG (1995). Ökoinventar Transporte: Grundlagen für den<br />

ökologischen Vergleich von Transportsystemen und für den Einbezug<br />

von Transportsystemen in Ökosysteme: Technischer Schlussbericht.<br />

Zürich: INFRAS.<br />

INFRAS AG (1998). Alternative Bedienungsformen im ÖV. Internes<br />

Arbeitspapier. Zürich: INFRAS.<br />

INFRAS AG, Econcept & Prognos. (1996). Die vergessenen Milliarden:<br />

externe Kosten im Energie- und Verkehrsbereich. Bern:<br />

Haupt.<br />

L<strong>and</strong>ratsamt Waldshut. (1996). Bevölkerung und Wirtschaft im<br />

L<strong>and</strong>kreis Waldshut. Statistik 1996. Waldshut: L<strong>and</strong>ratsamt<br />

Waldshut.<br />

Maibach, M. & Balmer, U. (1997). Reduktionspotentiale beim<br />

motorisierten Strassenverkehr: Grundlagenbericht zur Verkehrshalbierungs-Initiative.<br />

Bern: Eidgenössische Drucksachen- und<br />

Materialzentrale.<br />

Mauch, S. P. & Rothengatter, W. (1995). Effets externes du transport.<br />

Paris: Union International des Chemins de fer.<br />

Missler-Behr, M. (1993). Methoden der Szenarioanalyse. Wiesbaden:<br />

Deutscher Universitäts-Verlag.<br />

Rieder, P. & Anw<strong>and</strong>er Phan-Huy, S. (1994). Grundlagen der<br />

Agrarpolitik (4 th ed.). Zürich: vdf.<br />

Rotach, M. (1990, 4. Oktober). Optionen zur Mobilität. Neue<br />

Zürcher Zeitung. 211, (233).<br />

Roth, H. (1998). Gemeindemitteilungsblatt der Gemeinde Klettgau<br />

vom 13.3.1998 (S. 1-2). Klettgau: Gemeindeverwaltung.<br />

Schliebe, K. (1985). Raumordnung und Raumplanung in Stichworten.<br />

Unterägeri: Ferdin<strong>and</strong> Hirt.<br />

Schnabel, w., & Lohse, D. (1997). Grundlagen der Strassen-Verkehrstechnik<br />

und der Verkehrsplanung. B<strong>and</strong> 2 (2 nd ed.). Berlin:<br />

Verlag für Bauwesen.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Koller T., Mieg, H. A. & Stünzi, J.<br />

(Hrsg.). (1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und<br />

Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995.<br />

Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. W., Bösch, S., Koller T., Mieg, H. A. & Stünzi, J.<br />

(Hrsg.). (1997). Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine<br />

für eine nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie<br />

1996. Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1998).<br />

<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />

UNS-Fallstudie 1997. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. w., Koller, T. & Mieg, H. A. (1995). Research, education<br />

<strong>and</strong> knowledge transfer with case studies. In R. Carstensson<br />

(Hrsg.), Proceedings of the International Conference «The Renewal<br />

of Environmental Education in Europe». Stockholm: Nordplan.<br />

Schweizerische Bundesbahnen (Hrsg.). (1997). Offizielles Kursbuch<br />

Schweiz. Bern: Verlag Schweizerische Bundesbahnen.<br />

Schweizerischer Stab für Gesamtverkehrsfragen & Bundesamt für<br />

Bildung und Wissenschaft. (1997). Soziale Kosten von Verkehrsunfällen<br />

in der Schweiz: Kurzfassung. Bern: Eidgenössisches Verkehrs-<br />

und Energiedepartement, Dienst für Gesamtverkehrsfragen.<br />

Seitz, E. (1996). Trends- im Freizeit- und Mobilitätsverhalten. In<br />

Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (Hrsg.), Freizeitverkehr<br />

im Zeichen wachsender Freizeitmobilität (S. 22-31).<br />

Bergisch G1adbach: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft.<br />

Statistisches Amt der Stadt Zürich. (1994). Statistisches Jahrbuch<br />

der Stadt Zürich 1994. Zürich: Statistisches Amt der Stadt Zürich.<br />

Strassenbauverwaltung Baden-Württemberg. (1995). Baden­<br />

Württemberg, Verkehrsstärken 1:250 000 [Kartenmaterial].<br />

Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärken. Stuttgart: Autobahnamt<br />

Baden-Württemberg.<br />

Friedliche Invasion seltsamer Fahrzeuge (30. Juni 1998). Südkurier<br />

(147), S. 36.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1997). Theorie, Hintergründe und<br />

Methodik der Fallstudie. Zürich: Eidgenössische Technische<br />

Hochschule, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Tiefbauamt des Kantons Schaffhausen. (1997). Verkehrszählung<br />

1997. Schaffhausen: Tiefbauamt des Kantons Schaffhausen.<br />

Vester, F. (1996). Crashtest Mobilität: Die Zukunft des Verkehrs:<br />

Fakten - Strategien - Lösungen. München: Heyne.<br />

Waldshuter Tarif-Verbund (Hrsg.). (1997). L<strong>and</strong>kreis Waldshut:<br />

Fahrplan 97/98. Waldshut-Tiengen: WaldshuterTarif-Verbund.<br />

Wanner, H. P., Pfund, R., Hablützel, H. & Stählin, A. (1991).<br />

Geschichte von Hallau. Hallau: Gemeinde Hallau.<br />

96<br />

UNS-Fallstudie '98


.......<br />

Autor:<br />

Björn Reineking<br />

unter Mitarbeit von:<br />

Roman Fendt<br />

Inhalt<br />

1. Vom l<strong>and</strong>schaftsschutz zur l<strong>and</strong>schaftsgestaltung 99<br />

Aufbauend aufden<br />

Ergebnissen der<br />

Arbeitsgruppe:<br />

Matteo Buzzi<br />

Christian Drack<br />

Roman Fendt<br />

Marc Huber<br />

Tobias jung<br />

Claudia Kopp<br />

Thibault Lachat<br />

Ulrich Leupold<br />

Werner Liechtenhan<br />

Valerie Maeder<br />

Bruno Meyer<br />

Björn Reineking<br />

Christine Roth<br />

Mario Schaffhauser<br />

Patrik Schöb<br />

Christoph Strasser<br />

Marianne Suter<br />

jan Sutter<br />

Roger Tanner<br />

Stefan Vollenweider<br />

Peter Frischknecht (Tutor)<br />

Markus jenny (Tutor)<br />

Raimund Rodewald (Tutor)<br />

Regula Steiner (Tutorin)<br />

Olaf Weber (Tutor)<br />

2. l<strong>and</strong>schaft im Klettgau - Entwicklungsfaktoren, Nutzungsdynamik<br />

und Gestaltungsstrategien 102<br />

3. Ein partizipatives Bewertungsinstrument für konkrete Massnahmen<br />

zur nachhaltigen l<strong>and</strong>schaftsgestaltung 119<br />

4. Ein regionales Kontaktnetz zur grenzüberschreitenden Koordination<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte im Klettgau 134<br />

5. Schlussfolgerungen und Ausblick: Schritte zu einer integrativen<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau 136


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

98 UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

1 Vom l<strong>and</strong>schaftsschutz zur<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

1.1 Die Grenzen des l<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />

L<strong>and</strong>schaften werden seit langem von Menschen geformt.<br />

Beweidung und (Br<strong>and</strong>-) Rodung führten bereits seit 1000<br />

v. Chr. in Mitteleuropa zu einer wesentlichen Umgestaltung<br />

der ursprünglichen L<strong>and</strong>schaft (Ellenberg, 1996). Währen.d<br />

des Hochmittelalters wurden in grossem Umfang L<strong>and</strong>strIche<br />

gerodet, so dass um 1300 nur noch ein Fünftel derFläche<br />

Mitteleuropas bewaldet war. Es entst<strong>and</strong> eine reich strukturierte<br />

Agrarl<strong>and</strong>schaft, die in ihren wesentlichen Zügen über<br />

Jahrhunderte Best<strong>and</strong> hatte. Seit den fünfziger Jahren dieses<br />

Jahrhunderts veränderten sich jedoch Art und Geschwindigkeit<br />

der L<strong>and</strong>schaftsformung dramatisch (Broggi, 1997):<br />

Die L<strong>and</strong>wirtschaft wurde intensiviert, die Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

melioriert. Aus strukturreichen L<strong>and</strong>strichen entst<strong>and</strong>en in<br />

der Ebene vielfach monotone Agro-Produktionsstätten. Ein<br />

zunehmend enger geschnürtes Geflecht von asphaltierten<br />

Erschliessungsstrassen zerschnitt die L<strong>and</strong>schaft (s. Abbildung<br />

1.1). Siedlungen und Verkehrsinfrastruktur bre!teten<br />

sich rasant aus - in Deutschl<strong>and</strong> wuchs der AnteIl der<br />

überbauten Flächen in nur vier Jahrzehnten von gut 6 % auf<br />

11.3% an (Bundesforschungsanstalt für L<strong>and</strong>eskunde und<br />

Raumordnung, 1994). Diese Veränderungen blieben nicht<br />

ohne Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt und die ästhetische<br />

Qualität der L<strong>and</strong>schaft. Seit den 60er Jahren hat sich<br />

die Abnahme der Artenvielfalt in den Agrarökosystemen<br />

rapide beschleunigt (Broggi & Schlegel, 1989), und viele<br />

attraktive L<strong>and</strong>schaften wurden zerstört (Ewald, 1997). Obwohl<br />

auch Erfolge erzielt wurden, indem beispielsweise<br />

einzelne Arten gefördert wurden und wichtige Naturschönheiten<br />

und Biotope erhalten werden konnten (Gigon et al.,<br />

1996), blieben die ergriffenen Schutzmassnahmen insgesamt<br />

unbefriedigend. In seinem Sondergutachten von 1996<br />

hält der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen<br />

hierzu fest: «Die Bilanz der Naturschutzpolitik muss in<br />

bezug auf die wesentlichen Ziele als wenig erfolgreich<br />

eingeschätzt werden» (Rat der Sachverständigen für Umweltfragen,<br />

1996, S. 53). Gleiches gilt für die Schweiz (z.B.<br />

Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development,<br />

1998).<br />

Was sind die Gründe für das Ausbleiben grösserer Erfolge?<br />

Welche Ansätze erscheinen heute erfolgversprechender?<br />

Für Mario F. Broggi, Direktor der Eidgenössischen<br />

Forschungsanstalt für Wald, Schnee und L<strong>and</strong>schaft (WSL),<br />

ist der bislang im Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz vorrangig<br />

verfolgte Ansatz der Segregation, d.h. der Ausscheidung<br />

von Naturvorrangflächen an «wertvollen» St<strong>and</strong>orten, an<br />

seine Grenzen gestossen: Die unter Schutz gestellten Flächen<br />

reichen nicht aus, um die Schutzziele zu erreichen, eine<br />

Ausdehnung der Schutzflächen stösst aber aufgrund von<br />

Nutzungskonflikten (z.B. mit L<strong>and</strong>wirtschaft, Siedlung,<br />

Verkehr) an Grenzen (Broggi, 1997). Die Lösung sieht<br />

Broggi daher in einer ergänzenden integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

(vgl. Tab. 1.1):<br />

1. Aufder Ebene der Schutzgüter (funktionale Integration)<br />

sollen biotischer, st<strong>and</strong>örtlicher und l<strong>and</strong>schaftlicher<br />

Ressourcenschutz gemeinsam umgesetzt werden. Dabei<br />

bezieht sich biotischer Ressourcenschutz vor allem auf<br />

die Erhaltung der biologischen Vielfalt. St<strong>and</strong>örtlicher<br />

Ressourcenschutz zielt auf die Qualitätssicherung des<br />

Bodens und des Wasserhaushaltes ab und l<strong>and</strong>schaftlicher<br />

Ressourcenschutz auf die Wahrung von Charakter<br />

und Schönheit der L<strong>and</strong>schaft.<br />

2. Der nachhaltige Umgang mit der Natur soll aufdie ganze<br />

L<strong>and</strong>schaft ausgedehnt werden, es soll also eine räumliche<br />

Integration erfolgen.<br />

3. Im Sinne einer zeitlichen Integration soll die kurzfristigstatische<br />

einer langfristig-dynamischen Betrachtungsweise<br />

weichen.<br />

4. Schliesslich gilt es, eine sozioökonomische Integration<br />

der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung zu erreichen. Diese sozioökonomische<br />

Integration hat zwei Dimensionen: Inhaltlich<br />

müssen ein «wirtschaftlich-räumlicher» und ein sozialer<br />

Bezug zu den zu schützenden Naturwerten hergestellt<br />

werden. Auf der Verfahrensseite müssen die Betroffenen<br />

insbesondere die L<strong>and</strong>nutzer, in einer aktiven, am<br />

Ent~cheidungsprozess mitwirkenden Rolle beteiligt<br />

werden. Die inhaltliche und verfahrensbezogene Berücksichtigung<br />

von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Anliegen bildet eine entscheidende Grundlage für<br />

die Akzeptanz der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung (Luz, 1994).<br />

Dabei betreffen wichtige Fragen das Ausrnass der Bürgerbeteiligung<br />

bei der konkreten Zielfindung, die Organisation<br />

des Verfahrens und die Einbindung in den demokratischen<br />

Entscheidungsprozess.<br />

1.2 Wege zu einer integrierten<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung im KJettgau<br />

Der Wechsel von einem segregativen L<strong>and</strong>schaftsschutz zu<br />

einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung bildete den Leitgedanken<br />

für die Arbeiten der Synthesegruppe Naturraum und<br />

Tab. 1.1: Die vier Integrationsebenen der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung (nach Broggi 1997).<br />

1. funktional Umsetzung von biotischem, st<strong>and</strong>ärtlichem und l<strong>and</strong>schaftlichem Ressourcenschutz<br />

2. räumlich Ausweitung auf die gesamte L<strong>and</strong>schaft<br />

3. zeitlich langfristig-dynamische anstelle kurzfristig-statischer Betrachtungsweise<br />

4. sozioäkonomisch wirtschaftlich-räumlicher und sozialer Bezug<br />

Kontakt zum L<strong>and</strong>nutzer, Akzeptanz für die L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

I<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '98 99


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Abb. 1.1: Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Druck auf die L<strong>and</strong>schaft intensiviert, wie hier am Fall von<br />

Rainau-Schwabsberg in Baden-Württemberg eindrücklich gezeigt wird. Die linke Aufnahme stammt aus dem Jahr 1966, die<br />

rechte aus dem Jahr 1990 (Brugger 1990).<br />

L<strong>and</strong>schaft der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998. Ziel der Studie<br />

ist es, Schritte auf dem Weg zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

in der Klettgaurinne aufzuzeigen. Diese<br />

ländliche <strong>Region</strong> ist ein ehemaliges Rheintal mit einer Ausdehnung<br />

von 156 km 2 und 24'000 Einwohnern (vgl. Abb.<br />

1.2). Es liegt an der schweizerisch-deutschen Grenze zwischen<br />

Schaffhausen (CH) und Waldshut (D), etwa 35 km<br />

nordwestlich von Zürich (CH). Mehrere Gründe empfahlen<br />

die Klettgaurinne als ideales Untersuchungsobjekt: Die<br />

grenzüberschreitende Lage erlaubt es, den Einfluss unterschiedlicher<br />

Rahmenbedingungen auf die L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />

zu untersuchen. Die Talebene wird intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />

genutzt, so dass Nutzungskonflikte mit Naturschutz<br />

und l<strong>and</strong>schaftlicher Erlebnisqualität deutlich hervortreten.<br />

Insbesondere auf Schweizer Seite bestehen Bestrebungen,<br />

die <strong>Region</strong> stärker für den Tourismus zu öffnen,<br />

wodurch die Attraktivität der L<strong>and</strong>schaft zusätzliche Aufmerksamkeit<br />

erhält. Schliesslich waren vom Agrarökologi-<br />

Abb.l.2: Übersichtskarte des Klettgaus. Die L<strong>and</strong>esgrenze verläuft zwischen Erzingen (D) und Trasadingen (eH). Ebenfalls<br />

hervorgehoben sind die Gemeindegrenzen.<br />

100 UNS-Fallstudie '98


------------------ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

sehen Projekt Klettgau, das 1984 vom Forschungsinstitut<br />

für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) initiiert und durch das<br />

Planungs- und Naturschutzamt des Kantons Schaffhausen<br />

umgesetzt wurde, von der Vogelwarte Sempach und von der<br />

<strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie 1997 wichtige Vorarbeiten geleistet<br />

worden.<br />

Wie detailliert können und müssen Schritte auf dem Weg<br />

zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung dargestellt werden?<br />

Wir entschieden uns zum einen gegen eine stark detailbezogene<br />

Diskussion einzelner Massnahmen (beispielswei-<br />

se, wie eine Trockenmauer in den Rebbergen anzulegen ist<br />

und welche Stellen im Klettgau sich besonders dazu eignen),<br />

zum <strong>and</strong>eren bemühten wir uns um ein höheres Mass an<br />

Konkretheit, als dies in Diskussionen um allgemeine Naturund<br />

L<strong>and</strong>schaftsschutzkonzepte üblicherweise gegeben ist<br />

(z.B. Kästli et al., 1998). Wir wählten daher verschiedene<br />

Massnahmentypen (Bachrenaturierung, Kiesgrubenrenaturierung,<br />

Anlage von Buntbrachen) als Bezugspunkte für<br />

unsere Arbeit. Diese sind so konkret, dass ihre Bedeutung<br />

für den Klettgau anschaulich dargestellt werden kann, aber<br />

auch allgemein genug, um angemessen besprochen werden<br />

zu können, ohne dass der genaue Ort und die spezifische Art<br />

der Umsetzung schon festgelegt werden müssen. Zudem<br />

stellen sie gesellschaftlich anerkannte und im Klettgau bereits<br />

bekannte Mittel dar, um das allgemeine Ziel einer<br />

ökologischen und ästhetischen Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />

zu erreichen.<br />

Im Hinblick auf die vier oben genannten Integrationsebenen<br />

identifizierten wir folgende Aufgaben:<br />

Erstens sollten H<strong>and</strong>lungskonzepte und Massnahmen auf<br />

eine Verbesserung der l<strong>and</strong>schaftlichen Situation ausserhalb<br />

bestehender Schutzgebiete abzielen. Wir konzentrierten uns<br />

daher auf die l<strong>and</strong>schaftliche Aufwertung in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone.<br />

Zweitens werden Angaben über die naturräumlichen Gegebenheiten<br />

und über die sozio-ökonomische Situation der<br />

betrachteten <strong>Region</strong> benötigt. In zwei Transekten (Querschnittsbändern)<br />

von rund 400 m Breite,je einer in Deutschl<strong>and</strong><br />

und in der Schweiz, wurden naturnahe Flächen aufgenommen<br />

und, als ästhetisches Mass, die Erlebnisqualität der<br />

L<strong>and</strong>schaft erhoben. Mögliche Konflikte zwischen biotischem<br />

Naturschutzwert und Erlebnispotential einer L<strong>and</strong>schaft<br />

werden ebenso diskutiert wie die Auswirkungen einer<br />

weiteren Zunahme der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzung, der<br />

Siedlungstätigkeit oder des Verkehrs.<br />

Drittens werden Kriterien benötigt, mit denen Massnahmen<br />

zur ökologischen und ästhetischen Aufwertung der<br />

L<strong>and</strong>schaft integrierend bewertet werden können. Es wird<br />

ein Verfahren entwickelt, das in Verbindung mit diesen<br />

Kriterien eine integrierte und transparente Bewertung von<br />

Massnahmentypen durch die Bevölkerung erlaubt. Durch<br />

das Verfahren sollen einerseits die Akzeptanz der Massnahmen<br />

geklärt sowie mögliche Konflikte frühzeitig erkannt<br />

und einer konstruktiven Lösung zugänglich gemacht werden,<br />

<strong>and</strong>ererseits soll das Wissen der lokalen Bevölkerung<br />

für eine bessere L<strong>and</strong>schaftsgestaltung genutzt werden.<br />

Viertens gilt es, die vorh<strong>and</strong>enen Kräfte im Bereich des<br />

L<strong>and</strong>schaftsschutzes effizienter zu nutzen. Die Koordination<br />

von Projekten sollte verbessert, der Erfahrungsaustausch<br />

beschleunigt werden. Zu diesem Zweck wurde mit dem<br />

Aufbau eines Kontaktnetzes (


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Anatyse der regionalen<br />

Schieflagen im Bereich<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaft<br />

~ ~<br />

Lebensraumkartierung und Beb:~t~i~1h~ft~~aLad~~~~~s~r~~~<br />

sekten<br />

Erarbeiten eines möglichen SOUzust<strong>and</strong>es<br />

der beiden Transekte<br />

Zielsetzung; - Erarbeiten von Bewertungskrite-<br />

Aufzei~en kon~reter ~ rien<br />

Schritte zu einer ~ Auswahl von Massnahmentypen<br />

integrativen L<strong>and</strong>-<br />

~<br />

"';;haft'kll:;;~':.':.,ung;m~ A<br />

~-=~::::":':ns:n:~~:'ft:t;;:nn:9:e:;n:a:r:B:a:w:a:r:tu:n:g:s:-~<br />

Erstellen eines Grundtagenordners<br />

Sondierungstretfen tur eine «IG<br />

Klettgau»<br />

Brainstorming über<br />

mögliche Zielsetzungen<br />

'l """ "2-:J Aufbau eines regionalen Kontaktnetzes<br />

(


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

9.0 o e, mit Durchschnittswerten von -D.9°e im Januar und<br />

18.4oe im Juli (Fisler, 1998). Die Niederschläge sind mit ca.<br />

800 bis 850 mm/Jahrrecht gering; die Ursache hierfür ist die<br />

Regenschattenwirkung des Schwarzwalds. Ein Drittel der<br />

Niederschläge fällt im Sommer, der Rest verteilt sich gleichmässig<br />

aufdie drei <strong>and</strong>eren Jahreszeiten. Die Sonnenscheindauer<br />

beträgt etwa l'100 Stunden zwischen Mai und September.<br />

Die Winde kommen vorrangig aus westlicher Richtung.<br />

Da der Klettgau während der Würmeiszeit vor 20'000 bis<br />

70'000 Jahren nicht mehr vom Eis erreicht wurde, ist die<br />

Entwicklung der Böden weit fortgeschritten. Die zum Teil<br />

sehr fruchtbaren, tiefgründigen Böden auf Löss und tonreichen<br />

Seesedimentenführen zusammen mit den klimatischen<br />

Bedingungen dazu, dass der Klettgau sehr geeignet für den<br />

Reb-, Obst- und Ackerbau ist (Waldvogel & Graf, 1981).<br />

Die geringen Niederschläge erschweren hingegen die Grasund<br />

somit auch die Viehwirtschaft.<br />

2.1.2 Nutzungsgeschichte und gegenwärtige<br />

L<strong>and</strong>nutzung<br />

Nutzungsgeschichte<br />

Im folgenden werden die wichtigsten Veränderungen der<br />

L<strong>and</strong>schaft kurz beschrieben. Der Schwerpunkt liegt bei der<br />

Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts (s. Tabelle 2.1).<br />

Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Kästli et al.<br />

(1998).<br />

Die wichtigsten l<strong>and</strong>schaftsprägenden Veränderungen des<br />

Klettgaus durch den Menschen f<strong>and</strong>en, wie auch in <strong>and</strong>eren<br />

Teilen Mitteleuropas, bereits vor etwa eintausend Jahren<br />

während des Hochmittelalters statt. Weite L<strong>and</strong>striche wurden<br />

gerodet, um Acker- und Weideflächen zu gewinnen und<br />

so die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Aus überwiegend<br />

dicht bewaldeten Gebieten entst<strong>and</strong>en lichte «Weidewälder»<br />

und eine reich strukturierte Agrarl<strong>and</strong>schaft (Mühlenberg<br />

& Slowik, 1997). Die gezielte Regulation des Wasserhaushaltes<br />

begann im 16. Jahrhundert. Erste Bachverbauungen<br />

im Klettgau zum Schutz der Felder flacher Tallagen<br />

stammen aus dieser Zeit. Nach der Aufgabe von Dreifelderwirtschaft<br />

und Flurzwang Ende des 18. Jahrhunderts war es<br />

eine technische Innovation, die in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts die weitere l<strong>and</strong>schaftliche Entwicklung im<br />

Klettgau wesentlich prägte - der Bau der Eisenbahn. Eine<br />

Tab. 2.1: Wesentliche l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Entwicklungen in Mitteleuropa seit 1800, mit Schwergewicht aufEreignissen<br />

in Deutschl<strong>and</strong> (nach Mühlenberg & Slowik 1997).<br />

I<br />

Zeitabschnitt l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Entwicklungen in<br />

Mitteleuropa, insbesondere Deutschl<strong>and</strong><br />

vor 1800 Flächendeckende Rodungen, extensive Waldweide, Dreifelderwirtschaft.<br />

1800 Beginn der Industrialisierung, Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur, Beginn der<br />

Grossstadtentwicklung.<br />

1840 Beginn der grossen Gewässerkorrektionen in der Schweiz.<br />

ab 1850<br />

Industrielle Revolution.<br />

Beginn überlieferter Aufzeichnungen über das Verbreitungsgebiet einzelner Pflanzen- und Tierarten,<br />

Anfänge der Naturschutzbewegung.<br />

i Aufforstungen im Rahmen einer «ordnungsgemässen Fortwirtschaft».<br />

1880 I Beginn einer nennenswerten Mineraldüngung.<br />

Moorkultivierung und Moorbesiedlung, Brenntorfgewinnung.<br />

Erste grosse Flussausbauten (Tullas Rheinkorrektur) abgeschlossen.<br />

Trockenlegungen (Meliorationen).<br />

1920 Ausweitung der Düngung, Siedlungserweiterung und Ausbau des Strassennetzes.<br />

ab 1950<br />

Sprunghafter Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen (über 10% der Fläche der alten BRD wurden<br />

in den letzten Jahrzehnten überbaut).<br />

Radikale Umstellung der Agrarökosysteme ausschliesslich nach technischen Gesichtspunkten.<br />

Intensivdüngung, enge Fruchtfolgen und chemische Steuerung.<br />

I<br />

I Umbruch von Grünl<strong>and</strong> (Kunstwiesen in Fruchtfolge statt Naturwiesen). Drainage grosser Gebiete,<br />

Rodung von Streuobstbeständen.<br />

Folge: Verlust nährstoffarmer, artenreicher St<strong>and</strong>orte vor allem in der Ebene, Einsetzen eines starken<br />

Artenschwundes.<br />

I<br />

I<br />

1970 Anliegen des Naturschutzes werden ernster genommen: neues Naturschutzgesetz in Deutschl<strong>and</strong>,<br />

neues Flurbereinigungsgesetz, Verordnungen für die Zusammenarbeit von Strassenbaubehörden und<br />

I<br />

i Naturschutz, etc.<br />

I<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '98 103


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

unmittelbare Folge waren grossflächige Rodungen in den<br />

Jahren 1860 bis 1864, mit denen Schulden aus dem Eisenbahnbau<br />

beglichen wurden. Die Möglichkeit, per Bahn zur<br />

Industriearbeit nach Schaffhausen oder Waldshut zu pendeln,<br />

führte auch dazu, dass immer mehr L<strong>and</strong>wirtschaftsbetriebe<br />

im Nebenerwerb geführt wurden. Dieser Trend wurde<br />

durch die nun möglichen günstigen Importe von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Produkten verstärkt.<br />

Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte Anfänge der<br />

Mechanisierung und Chemisierung in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

mit sich - H<strong>and</strong>arbeit und tiergezogene Pflüge wurden von<br />

den ersten Traktoren und Sämaschinen abgelöst, Rebkrankheiten<br />

wurden chemisch bekämpft. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg beschleunigten sich der W<strong>and</strong>el in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

und die Überformung der L<strong>and</strong>schaft (Tabelle 2.1).<br />

Motorisierung, verstärkter Einsatz von Pestiziden und<br />

Mineraldüngern sowie die Einfuhr von neuen Kulturen<br />

(Raps, Zuckerrüben, Mais) veränderten die L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Im Schweizer Teil des Klettgaus f<strong>and</strong>en in den Jahren 1945<br />

und 1956 l<strong>and</strong>wirtschaftliche Gesamtmeliorationen statt.<br />

Geprägt durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges, wurde<br />

der Selbstversorgung der Schweiz ein hoher Stellenwert<br />

eingeräumt. Entsprechend zielte das Meliorationsprogramm<br />

darauf ab, das l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionspotential maximal<br />

zu nutzen. Im Zuge von L<strong>and</strong>zusammenlegungen<br />

wurden vormals stark gegliederte Flächen durch zusammenhängende<br />

Monokulturen ersetzt, Hochstammobstgärten<br />

mussten aus Effizienzgründen (und aufgrund des Siedlungsdrucks)<br />

weichen, und viele traditionelle Dauerwiesen wurden<br />

in Ackerl<strong>and</strong> umgew<strong>and</strong>elt. Im deutschen Klettgau<br />

f<strong>and</strong>en die Meliorationen erst ab 1960 und weniger tiefgreifend<br />

statt.<br />

Gegenwärtige L<strong>and</strong>nutzung<br />

Die gegenwärtigen Flächennutzungen im Klettgau sind in<br />

Tabelle 2.2 dargestellt. Der Anteil der Siedlungsfläche ist im<br />

deutschen Klettgau höher als im schweizerischen Klettgau.<br />

Dies kann jedoch zumindest teilweise auf die unterschiedliche<br />

Klassifizierung zurückgeführt werden, da in Deutschl<strong>and</strong><br />

die Verkehrsflächen als Teil der Siedlungsflächen aufgeführt<br />

werden. Während im deutschen Klettgau der Anteil<br />

der Siedlungsfläche grösser als im Durchschnitt des L<strong>and</strong>kreises<br />

ist, liegt im schweizerischen Klettgau der Anteil der<br />

Siedlungsfläche unterhalb des Kantonsdurchschnitts. Dies<br />

liegt vor allem darin begründet, dass die Stadt Schaffhausen<br />

ein relativ grosses und dicht besiedeltes Zentrum innerhalb<br />

des Kantons bildet, die Agglomeration Waldshut-Tiengen<br />

hingegen bezogen auf die Fläche des L<strong>and</strong>kreises keinen so<br />

bedeutenden Effekt auf den durchschnittlichen Anteil der<br />

Siedlungsfläche ausübt.<br />

Der Anteil der Waldfläche liegt im deutschen Gebiet<br />

deutlich, im schweizerischen Gebiet leicht unterhalb des<br />

L<strong>and</strong>kreis- bzw. Kantonsdurchschnitts. In beiden Teilen des<br />

Klettgaus wird der Wald aus finanziellen Gründen, d.h.<br />

aufgrund der geringen Holzpreise, zunehmend extensiv bewirtschaftet<br />

(Meier et al., 1998).<br />

Der Anteil der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche beträgt in<br />

beiden Teilen des Klettgaus ca. 54% und liegt damit über<br />

dem Durchschnitt des L<strong>and</strong>kreises bzw. des Kantons. Eine<br />

Aufschlüsselung der verschiedenen Nutzungsformen der<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche ist in Tabelle 2.3 gegeben.<br />

Der Rebbau ist zumindest im Schweizer Klettgau charakterprägend.<br />

Heute liegt die Rebfläche bei 373 ha im Schweizer<br />

Klettgau. Im deutschen Klettgau beträgt sie lediglich 22<br />

ha.<br />

Ackerl<strong>and</strong> ist aufgrund der genannten klimatischen und<br />

bodenbedingten Gegebenheiten die dominierende Nutzungsform<br />

im L<strong>and</strong>wirtschaftsgebiet. Die wichtigsten Feldfrüchte<br />

sind Getreide, Mais und Raps.<br />

Im deutschen Klettgau ist der Anteil von Wiesl<strong>and</strong> und<br />

Weiden mit 42% bedeutend grösser als im Schweizer Klettgau,<br />

wo er lediglich 26% ausmacht. Dies ist zum einen eine<br />

Spätfolge der unterschiedlichen Meliorationspraxis in der<br />

Mitte des Jahrhunderts, aber auch ein Ergebnis der grösseren<br />

Breite des ackerbaulich ideal nutzbaren Talbodens in der<br />

Schweiz.<br />

2.1.3 Fauna und Flora<br />

Die Flora und Fauna des Klettgaus wurden durch den Menschen<br />

radikal verändert. Vor der Nutzbarmachung, die vermutlich<br />

in römischer Zeit begann, war der Klettgau reich an<br />

Feucht- und Überschwemmungsgebieten (Wernet, 1971).<br />

Die heutige Tier- und Pflanzenwelt des Klettgaus ist weitgehend<br />

typisch für eine l<strong>and</strong>wirtschaftlich intensiv genutzte<br />

<strong>Region</strong> des Schweizer Mittell<strong>and</strong>es. Unterschiede ergeben<br />

sich vor allem durch das tendenziell trockenere und wärmere<br />

Klima.<br />

Es gibt nur wenige Grossäugetiere. Wildschweine und der<br />

ostasiatische Sikahirsch sind heute die grössten vorkommenden<br />

Säugetiere. DerSikahirsch gelangte Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges aus Gehegen bei der Küssaburg ins Freie<br />

und bildet jetzt die einzige freilebende Population dieser Art<br />

in der Schweiz. Ob diese Besiedlung stabil ist, ist jedoch<br />

nicht sicher bekannt. Die Fuchspopulation ist nach der tollwutbedingten<br />

intensiven Verfolgung der 70er und frühen<br />

Tab. 2.2: Flächennutzungen im Klettgau (Schlatter et al., 1998).<br />

I Gemeinde<br />

I Zum Vergleich:<br />

i L<strong>and</strong>kreis/Kanton<br />

[<br />

Klettgau (D), 1993 (1 Gemeinde)<br />

Siedlung Wald I l<strong>and</strong>wirt-<br />

(+ Verkehr) (+ Wasser) schaft<br />

9.3%<br />

8.6%<br />

34.2%<br />

49.7%<br />

54.5%<br />

41.1%<br />

Klettgau (eH), 1991 (13 Gemeinden)<br />

Bauzonen I Wald l<strong>and</strong>wirtschaft<br />

I<br />

(+ übriges Gebiet)<br />

I 5.7% I 40.8%<br />

53.4%<br />

8.2% 41.4%<br />

50.4%<br />

104<br />

UNS-Fallstudie '98


----- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Tab. 2.3: L<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzfläche (LN) im Klettgau (Bundesamt für Statistik, 1997, Statistisches L<strong>and</strong>esamt<br />

Baden-Württemberg, 1995).<br />

i<br />

i<br />

Rebbau<br />

Ackerl<strong>and</strong> Wiesl<strong>and</strong> und Weide i Andere<br />

LN total I<br />

in ha : in% in ha ! in % I in ha I in% I in ha I in% in ha I<br />

I<br />

, ! I<br />

eH 373 7 3201 60 1381<br />

I I 26 373 7 I<br />

I<br />

5334<br />

I<br />

i<br />

(1995)<br />

I<br />

-)<br />

D 22 1 976 56 1066 42 33 1<br />

I<br />

I I I 1788 I<br />

I<br />

I I<br />

(1993)<br />

i I ! I<br />

i<br />

80er Jahre während der letzten zehn Jahre aufdas Vierfache<br />

gewachsen. Wie gross der Einfluss dieser erhöhten Prädatorendichte<br />

auf die Feldhasen und verschiedene Arten von<br />

Bodenbrütern ist, ist nicht genau bekannt.<br />

Der Feldhasenbest<strong>and</strong> in der Schweiz nimmt seit etwa 40<br />

Jahren ab (Achermann et al., 1995). Die Feldhasenpopulation<br />

des Klettgaus gehört heute zu den grössten der Schweiz.<br />

Seit Dezember 1991 wird von der Vogelwarte Sempach eine<br />

jährliche Hasenzählung durchgeführt. Dabei wurde in den<br />

letzten Jahren eine Verschiebung der Populationen aus den<br />

Tallagen des Klettgaus in die Rebberge beobachtet: Die<br />

heute weitverbreitete Begrünung der Rebberge, die in der<br />

Schweiz Bedingung für Bundesbeiträge im Rahmen der<br />

Integrierten Produktion (IP) ist, ersetzt Ruhe- und Futterplätze<br />

in der Klettgaurinne, die durch die intensive Bewirtschaftung<br />

verlorengegangen sind. In der Feldflur, dem angestammten<br />

Lebensraum des Hasen, sind die Best<strong>and</strong>sdichten<br />

im internationalen Vergleich besorgniserregend gering (1.6­<br />

7.7, Median 5.8 Tiere/km 2 ) (Jenny, 1994).<br />

Die Best<strong>and</strong>esentwicklung von vier Vogelarten, die eine<br />

Indikatorfunktion für die Intensität der L<strong>and</strong>nutzung haben,<br />

ist in Abb. 2.2 dargestellt.<br />

Die Vogelwarte Sempach führt ein spezielles Förderprogramm<br />

für die Wiederansiedlung des Rebhuhns im Klettgau<br />

durch; erste Aussetzungen f<strong>and</strong>en 1998 statt. Zuvor waren<br />

die letzten Exemplare 1993 beobachtet worden. Die Wiederbesiedlung<br />

wird vermutlich vorrangig durch einen Mangel<br />

an geeigneten Habitatstrukturen (Heckengruppen mit<br />

Krautsäumen, Brachstreifen, Wiesen) erschwert. Hinzu<br />

kommt eventuell eine hohe Prädatorendichte, insbesondere<br />

von Füchsen, aber auch von Hunden. Bei kleinen Populationen<br />

können zudem ungünstige Witterungsverhältnisse während<br />

der Aufzuchtzeit oder <strong>and</strong>ere zufällige Prozesse einen<br />

bedeutenden Einfluss ausüben. Das Wetter kann jedoch<br />

kaum für den allgemeinen Rückgang der Rebhuhnbestände<br />

verantwortlich gemacht werden (Jenny et al. 1997).<br />

Die Feldlerche zeigt seit Anfang der achtzigerJahre starke<br />

Best<strong>and</strong>esrückgänge in vielen europäischen Ländern. Als<br />

wesentlicher Grund hierfür wird die abnehmende Strukturvielfalt<br />

in der Feldflur und insbesondere die Abnahme<br />

grasartiger Kulturen zugunsten von Mais genannt. Im Klettgau<br />

ist die Best<strong>and</strong>esdichte für schweizerische Verhältnisse<br />

sehr hoch: Sie liegt bei drei bis vier Brutpaaren je 10 ha. Die<br />

Grösse der Reviere schwankt je nach Habitatqualität zwischen<br />

weniger als 1.0 und 2.9 ha (Jenny et al., 1997).<br />

18<br />

16<br />

...<br />


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Abb. 2.3: Die Population des Feldhasen (u.l.) im Klettgau zählt<br />

heute zu den grässten der Schweiz. Die Strukturarmut der<br />

Klettgauebene erschwert die Wiederansiedlung des Rebhuhns<br />

(0.1'.). Zauneidechsen (0.1.) jlnden sich entlang der Bahnlinie.<br />

Der seltene Venusspiegel (LU:) profitiert von Buntbrachen.<br />

(Bildquellen: 0.1.: NaUaj'orschende Gesellschaft Schaffhausen.<br />

Neujahrsblatt NI'. 49/1997. Foto: Herbert Billing. 0.1'.: Foto<br />

Markus Jenny. u.!:.' Nauaj'orschende Gesellschaft Schaffhau··<br />

sen. Neujahrsblatt NI'. 5011998. Foto: Martin Bolliger. u.l.:<br />

Foto: Markus .Jenny).<br />

Aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen<br />

kommt im Klettgau und dem angrenzenden Uml<strong>and</strong> eine<br />

grössere Zahl von Reptilienarten vor. An stmkturreichen<br />

Stellen der Trockenhänge und der Bahnlinie sind Zaun- und<br />

Mauereidechse sowie die im Mittell<strong>and</strong> praktisch ausgestorbene<br />

Schlingnatter beheimatet. Auch Blindschleichen und<br />

Ringelnattern kommen vor, und im Wangental kann die<br />

Waldeidechse angetroffen werden. Die weitgehende Armut<br />

an naturnahen Strukturen in der Klettgauebene und in den<br />

Rebhängen von Gächlingen bis Trasadingen beschränkt jedoch<br />

die vorh<strong>and</strong>enen Best<strong>and</strong>sdichten wesentlich.<br />

Der Klettgau ist botanisch eines der artenreichsten Gebiete<br />

im Kreis Waldshut (Fisler, 1998). Zu den besonders<br />

schönen und geschützten Arten gehören Ackerrittersporn<br />

und Adonisröschen (beides Arten der Ackerbegleitflora)<br />

sowie verschiedene Lilien- und Orchideenarten. In den Reb-<br />

bergen wachsen Zwiebelgeophyten wie Gelbstern oder<br />

Traubenhyazinthe. Durch die Begrünung der Rebberge werden<br />

diese jedoch benachteiligt. Der Wechsel zwischen BegrÜnung<br />

und freiem Oberboden von Rebenreihe zu Rebenreihe<br />

soll die positiven Effekte der Begrünung (grundwasserschützende,<br />

bodenökologische und erosionshemmende<br />

Wirkung) zur Geltung bringen und gleichzeitig den Bedürfnissen<br />

der Zwiebelgeophyten Rechnung tragen. Der Venusspiegel<br />

ist eine der seltenen Arten der Ackerbegleitflora, die<br />

durch die Anlage von Buntbrachen gefördert werden. Eine<br />

attraktive Kuriosität ist der geschützte, an Trockenhängen<br />

vorkommende «feuerspeiende» Diptam: Die Staude gibt so<br />

reichlich ätherische Öle ab, dass diese an windstillen Sommertagen<br />

über der Pflanze angezündet werden können.<br />

106<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

2.1.4 Der Klettgau im regionalen Kontext<br />

Um die ökologische Bedeutung des Klettgaus einschätzen<br />

zu können, ist es wichtig, ihn in einen grösseren geographischen<br />

Zusammenhang einzuordnen. Dabei wird deutlich,<br />

dass der Klettgau sich wie ein Keil zwischen die beiden<br />

wertvollen Gebiete «R<strong>and</strong>en» im Nordosten und «Wangenund<br />

Osterfingertal» im Süden schiebt. Die Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

R<strong>and</strong>en wurde 1977 in das Bundesinventar der L<strong>and</strong>schaften<br />

und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN)<br />

aufgenommen, das Wangen- und Osterfingerta11996. L<strong>and</strong>schaften,<br />

die im BLN verzeichnet sind, geniessen insofern<br />

Schutz, als der Bund bei eigenen Werken (Militär, Post etc.)<br />

grösstmögliche Schonung anordnen muss. Der R<strong>and</strong>en umfasst<br />

mit 7'432 ha ein Viertel der Schaffhauser Kantonsfläche.<br />

Besonders wertvoll sind seine Halbtrockenrasen. Das<br />

BLN-Gebiet «Wangen- und Osterfingertal» ist bedeutend<br />

kleiner. Es nimmt mit 839 ha lediglich 2.8% der Kantonsfläche<br />

ein und enthält nebst trockenen Kalk-Flaumeichenwä1­<br />

dem auch grössere Überschwemmungs- und Feuchtgebiete<br />

(Billing & Bolliger, 1998). In diesen beiden Vorranggebieten<br />

sollen jeweils mindestens 12-15% naturnahe Flächen<br />

erhalten bleiben (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />

1995). Dies soll sicherstellen, dass auch anspruchsvolle<br />

Tier- und Pflanzenarten langfristig überleben können. Es ist<br />

eines der wichtigsten Naturschutzziele im Kanton Schaffhausen,<br />

die Vorranggebiete R<strong>and</strong>en und Wangen- und Osterfingertal<br />

durch die ökologische Aufwertung der l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />

intensiv genutzten Klettgauebene besser mitein<strong>and</strong>er<br />

zu vernetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der<br />

Kanton Bewirtschaftungsvereinbarungen mit L<strong>and</strong>wirten<br />

getroffen. Sie sichern etwa 40 ha ökologische Ausgleichsflächen<br />

in strukturarmen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen<br />

und werden aus dem Natur- und Heimatschutzbudget finanziert.<br />

2.2 Wieviel Raum hat die Natur im<br />

Klettgau? Exemplarische fUJflß4'lßll1e<br />

naturnaher flächen<br />

Die Aufnahme der naturnahen Flächen eines Gebietes liefert<br />

notwendige Informationen, um eine L<strong>and</strong>schaft ökologisch<br />

zu beurteilen. Durch den Vergleich mit angestrebten Zielen<br />

können Defizite erkannt und geeignete Gegenrnassnahmen<br />

ausgewählt werden.<br />

2.2.1 Leitfragen<br />

Unsere Leitfragen waren: Wie gross ist der Anteil naturnaher<br />

Flächen in den Untersuchungsgebieten? Welche Qualität<br />

weisen diese Flächen auf? Wo liegen sie? Sind sie ausreichend<br />

mitein<strong>and</strong>er vernetzt? Gibt es Unterschiede zwischen<br />

dem deutschen und schweizerischen Klettgau, und worin<br />

bestehen sie? Geben die bestehenden Inventare naturnaher<br />

Flächen ein ausreichend präzises Bild der l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Situation? Was kann für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

gefolgert werden?<br />

2.2.2 Vorgehen<br />

Zunächst wurden zwei Transekte (Querschnittsbänder) von<br />

je400 m Breite und5.4km (im deutschen Klettgau) bzw. 5.7<br />

km (im Schweizer Klettgau) Länge ausgewählt. Dabei galt<br />

es möglichst «typische» L<strong>and</strong>schaftsausschnitte zu finden.<br />

Zudem sollten die Transekte so liegen, dass die angestrebte<br />

Verbindung des R<strong>and</strong>ens mit dem Wangen- und Osterfingertal<br />

beispielhaft diskutiert werden konnte. Die genauen Lagen<br />

der beiden Transekte ist in Abbildung 2.4 dargestellt.<br />

Die naturnahen Flächen wurden nach einem vereinfachten<br />

Schlüssel zur «Inventarisierung naturnaher Lebensräume»<br />

der Schweizerischen Vogelwarte Sempach (Schweizerische<br />

Vogelwarte 1995) aufgenommen. Es wurden insgesamt<br />

zehn L<strong>and</strong>nutzungskategorien verwendet (vgl. Tabelle<br />

2.5). Die ökologische Qualität der Flächen wurde auf einer<br />

dreistufigen Skala geschätzt (wertvoll, mässig wertvoll,<br />

nicht wertvoll). Alle Aufnahmen wurden am seiben Tag<br />

(14.5.1998) in vier Gruppen zu zwei Personen durchgeführt.<br />

Innerhalb der Siedlungsgebiete wurden keine Daten erhoben.<br />

Die aufgenommenen Flächen wurden in das Geoinformationssystem<br />

(GIS) ArcView® übertragen. Als Grundlage<br />

diente im schweizerischen Klettgau ein digitaler Übersichtsplan<br />

im Rasterformat, der auf dem Übersichtsplan der amtlichen<br />

Vermessung im Massstab 1:5 '000 basiert. Für den<br />

deutschen Klettgau diente ein Ausschnitt aus den Katasterplänen<br />

mit Originalmassstab 1:250.<br />

Vor der statistischen Analyse glichen wir unsere eigenen<br />

Aufnahmen mit den entsprechenden Inventaren naturnaher<br />

Flächen der Gemeinden Hallau/Wilchingen und Klettgau<br />

ab.<br />

2.2.3 Ergebnisse: Rebberge und Talebene als<br />

ökologische Schwachstellen<br />

Anteile naturnaher Flächen<br />

Im Schweizer Transekt beträgt der Anteil naturnaher Flächen<br />

in den l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen der Klettgaurinne<br />

lediglich 3.5%. Aufder Kuppe und an den Hängen des<br />

Rötibergs im Norden der Talebene sind im Schweizer Transekt<br />

viele extensiv genutzte Wiesen und Obstbaumanlagen<br />

zu finden; der Anteil naturnaher Flächen in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

liegt in diesem Gebiet bei 9.6%. Südlich der<br />

Talebene sind es ebenfalls die Hanglagen, die einen erhöhten<br />

Anteil naturnaher Flächen (18.5%) aufweisen. Für das<br />

Gebiet des gesamten Transektes ergibt sich ein Durchschnitt<br />

von 5.3% ökologisch zumindest mässig wertvoller Flächen<br />

in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone. Wenn das Rebbaugebiet und die<br />

offene Feldflur mitberücksichtigt werden, sinkt der Durchschnitt<br />

auf 4.8%, da der Anteil naturnaher Flächen im Rebbaugebiet<br />

sehr gering ist. Als offene Feldflur wurden alle<br />

Gebiete klassifiziert, die nicht in einer der folgenden Zonen<br />

liegen: Wald, Siedlung, L<strong>and</strong>wirtschaft oder Rebberge, also<br />

beispielsweise Gebiete in Schutzzonen.<br />

Im deutschen Untersuchungsgebiet ist der Anteil von<br />

Flächen vergleichbarer Qualität mit 14.4% der Gesamtfläche<br />

insgesamt deutlich höher; in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

beträgt der Anteil sogar 15.3%. Der Grund hierfür liegt in<br />

den ausgedehnten Streuobstbeständen mit extensiv genutz-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

107


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Abb. 2.4: Die Lage<br />

der beiden Transekte<br />

im Klettgau.<br />

Die Buchstaben<br />

bezeichnen die<br />

St<strong>and</strong>orte, von denen<br />

aus die Photographien<br />

aufgenommen<br />

wurden,<br />

die in Abbildung<br />

2.6 gezeigt sind:<br />

(a) Pferdeweide,<br />

(b) enger Talabschnitt,<br />

(c) Rebberg,<br />

(d) Klettgauebene.<br />

108<br />

UNS-Fallstudie '98


- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

ten Wiesen, die vielfach sehr wertvolle Lebensräume bieten.<br />

In der Talebene beträgt der Anteil naturnaher Flächen 8%.<br />

Die geringsten Anteile naturschützerisch wertvoller<br />

L<strong>and</strong>schaftselemente finden sich in den Rebbaugebieten.<br />

Dies gilt sowohl für den schweizerischen als auch für den<br />

deutschen Klettgau. Ihr Anteil beträgt gegenwärtig lediglich<br />

etwa 2% der Rebfläche im deutschen und 1.2% im schweizerischen<br />

Gebiet. Die Parzellen werden maximal ausgenutzt,<br />

es fehlen für naturnahe Rebberge typische Strukturelemente<br />

wie Lesesteinhaufen, Trockenmauern oder Hekken<br />

und Gebüsche.<br />

Die Verteilung der naturnahen Flächen aufdie verschiedenen<br />

Habitattypen ist in Tabelle 2.4 angegeben.<br />

Tab. 2.4: Verteilung der naturnahen Flächen von mindestens<br />

mässigem Naturschutzwert auf die verschiedenen Habitattypen<br />

in den beiden Transekten.<br />

,<br />

eH [%] I 0[%]<br />

I Bach/Graben 2.0 4.4<br />

Hecke/Gehölz 9.3 I 3.5<br />

I Kies-/Lehmgrube 0 7.6<br />

I Obstgarten 25.2 60.7<br />

I<br />

I Tümpel 0 2.2<br />

I<br />

I Waldr<strong>and</strong><br />

I 10.6 2.3<br />

I<br />

Wiese I 52.6 18.9<br />

<strong>and</strong>ere* 0.3 0.4<br />

I Total [ha] I 11 I 24.2<br />

*Die Typen «Bahndamm» und «Lesesteinhaufen» wurden unter «<strong>and</strong>ere»<br />

zusammengefasst, da sie insgesamt lediglich zu unter zwei Prozent der<br />

naturnahen Flächen vertreten waren.<br />

Habitatqualität<br />

Die qualitativ hochwertigen naturnahen Flächen liegen<br />

meist am R<strong>and</strong> oder ausserhalb der Talebene. Eine Ausnahme<br />

bildet die renaturierte Lehmgrube im deutschen Untersuchungsgebiet,<br />

die unter Naturschutz steht. In der Schweiz<br />

sind 71 % der aufgenommenen Flächen von mindestens<br />

mässiger und insgesamt 31 % der aufgenommenen Flächen<br />

von hoher Qualität. In Deutschl<strong>and</strong> liegt der Anteil naturnaher<br />

Flächen von mindestens mässiger Qualität mit 94%<br />

deutlich höher, der Anteil naturnaher Flächen von hoher<br />

Qualität mit 23% jedoch niedriger als in der Schweiz. Diese<br />

Angaben sindjedoch insofern mit Vorsicht zu interpretieren,<br />

als die Qualitäten in Deutschl<strong>and</strong> und in der Schweiz von<br />

verschiedenen Personen erhoben wurden (s.u.).<br />

Räumliche Anordnung der Flächen<br />

Die Entfernung zwischen zwei naturnahen Flächen kann ­<br />

entlang der Transektachse - bis zu 290 m (CH) bzw. bis zu<br />

440 m (D) betragen. Bei dieser Betrachtung bleibt jedoch<br />

unberücksichtigt, dass im allgemeinen nicht die Entfernung<br />

zwischen zwei naturnahen Flächen irgendeines Typs für<br />

Tiere und Pflanzen von Bedeutung ist, sondern die Entfernung<br />

zwischen Flächen gleichen Typs. Für die Distanzen<br />

zwischen Obstgärten ergeben sich beispielsweise Maximalwerte<br />

von 1330 m (CH) und 660 m (D). Wertvolle Wiesen<br />

liegen bis zu 820 m (CH) bzw. 760 m (D) ausein<strong>and</strong>er. Für<br />

Hecken, Feldgehölze und Buschgruppen liegt der Abst<strong>and</strong><br />

bei maximal 420 m (CH) bzw. 930 m (D). Dabei ist zu<br />

beachten, dass die Feldgehölze in der Talebene des Schweizer<br />

Transekts häufig sehr klein und daher nur von eingeschränkter<br />

ökologischer Bedeutung sind. Der Transekt-Ansatz<br />

führt dazu, dass die von uns erhobenen Werte tendenziell<br />

zu hoch sind: Da L<strong>and</strong>schaftselemente ausserhalb der<br />

400 m schmalen Transekte nicht berücksichtigt werden,<br />

entstehen R<strong>and</strong>effekte, wenn der Abst<strong>and</strong> zwischen den<br />

L<strong>and</strong>schaftselementen grösser ist als die Breite des Transekts.<br />

Inventardaten<br />

Der Unterschied zwischen den bestehenden Inventaren und<br />

unserer Aufnahme erschien insgesamt gering; eine detaillierte<br />

Statistik bezüglich der Übereinstimmung wurde daher<br />

nicht erstellt. Die meisten Abweichungen entst<strong>and</strong>en durch<br />

Flächen, die von uns aufgenommen wurden, aber nicht in<br />

den Inventaren verzeichnet waren. Alle Flächen mit besonders<br />

hoher Qualität waren in den Inventaren enthalten. Sie<br />

bilden somit eine verlässliche und wertvolle Arbeitsgrundlage<br />

für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />

2.2.4 Methodenkritik<br />

Die Kartierung wurde durch eine Gruppe von Studierenden<br />

im 8. Semester der Umweltnaturwissenschaften vorgenommen.<br />

Da der Schlüssel viele nichtquantitative Elemente<br />

enthält, entst<strong>and</strong>en hierdurch möglicherweise Abweichungen<br />

zwischen den Aufnahmeteams. Davon betroffen war<br />

vor allem die Beurteilung von Flächenqualitäten, aber in<br />

Einzelfällen auch die Entscheidung, eine Fläche überhaupt<br />

aufzunehmen. Zusätzlich wurden beim Übertragen der<br />

Felddaten in das Geoinformationssystem kleine Flächen<br />

vermutlich tendenziell zu gross dargestellt. Der resultierende<br />

Fehler für die Flächengrössen wurde insgesamt auf etwa<br />

15% geschätzt.<br />

Zweitens begrenzt die Wahl eines relativ schmalen Ausschnittes<br />

aus der L<strong>and</strong>schaft (Transekte von 400 m Breite)<br />

die Aussagekraft der Ergebnisse. Auch wenn die gewählten<br />

Ausschnitte als «typisch» gelten sollten, ist es natürlich<br />

problematisch, die Ergebnisse zu verallgemeinern. Dies<br />

trifft insbesondere auf L<strong>and</strong>schaftselemente zu, die relativ<br />

gross sind, aber weit verstreut auftreten, wie z.B. Kiesgruben<br />

oder bestimmte Pflanzengesellschaften. Diese werden<br />

durch den verwendeten Transekt-Ansatz nicht angemessen<br />

repräsentiert. Auf der <strong>and</strong>eren Seite ist festzuhalten, dass<br />

diese Methode es erlaubt, mit wenig Aufw<strong>and</strong> einen Eindruck<br />

der l<strong>and</strong>schaftlichen Situation zu bekommen.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

109


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Kleingliedrige und gleichmässig verteilte L<strong>and</strong>schaftselemente<br />

(z.B. Hecken oder Buntbrachen) lassen sich vermutlich<br />

hinreichend genau quantifizieren. In drei <strong>and</strong>eren Gebieten<br />

des Klettgaus, die ähnlich intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />

genutzt werden wie die Talebene des Schweizer Transekts,<br />

wurden in einer Studie der Schweizerischen Vogelwarte<br />

Sempach die Anteile ökologischer Ausgleichsflächen erhoben,<br />

bevor und nachdem Aufwertungsmassnahmen durchgeführt<br />

worden waren (Jenny et al., 1997). Die Ergebnisse<br />

sind unseren vergleichbar: Der Anteil aller ökologischen<br />

Ausgleichsflächen an der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche<br />

betrug nach den Aufwertungen im Gebiet Widen 3.1 %, im<br />

Gebiet Langfeld 2.5% und im Gebiet Plomberg 2.8%. Dass<br />

diese Werte geringer ausfallen als die von uns ermittelten, ist<br />

vermutlich durch eine strengere Unterscheidung des L<strong>and</strong>wirtschaftsgebietes<br />

von übrigem L<strong>and</strong> in der Studie der<br />

Vogelwarte zu erklären. Bei diesem Vergleich von naturnahen<br />

Flächen mit ökologischen Ausgleichsflächen ist weiterhin<br />

zu berücksichtigen, dass einerseits eine Fläche, die den<br />

Bedingungen für ökologische Ausgleichsflächen entspricht,<br />

nicht unbedingt von hohem Naturschutzwert sein muss (z.B.<br />

eine zweischnittige Glatthaferwiese am Nordhang), <strong>and</strong>ererseits<br />

nicht jede ökologisch wertvolle Fläche als ökologische<br />

Ausgleichsfläche angemeldet ist.<br />

Drittens kann es problematisch sein, sich bei der Aufnahme<br />

ausschliesslich auf Habitattypen zu konzentrieren. Es<br />

wurden weder Vegetationsaufnahmen noch Erhebungen zur<br />

Fauna durchgeführt, da solche Aufnahmen den Projektrahmen<br />

gesprengt hätten. Insbesondere bei faunistischen Untersuchungen<br />

ist ein erheblicher Aufw<strong>and</strong> nötig, da das<br />

einmalige Antreffen von Individuen einer Art an einem Ort<br />

nichts darüber aussagt, ob sie sich dort auch fortpflanzen, ob<br />

die Populationen stabil sind etc. Die durchgeführten Aufnahmen<br />

naturnaher Flächen erlauben jedoch schon weitgehend<br />

die Identifikation von Vorrangflächen für den Naturschutz<br />

innerhalb des Untersuchungsgebietes und eine Analyse<br />

der Schwachstellen bezüglich ihres Anteils und ihrer<br />

räumlichen Anordnung. Für detailliertere Aussagen müssen<br />

entsprechend zusätzliche Daten erhoben werden.<br />

2.2.5 Naturnahe flächen und zukünftige<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau<br />

Flächenanteile<br />

Der Anteil naturnaher Flächen von 3.5% im Talgrund des<br />

schweizerischen Klettgaus steht in deutlichem Kontrast zum<br />

kantonsweiten Durchschnitt von 7% (Baudepartement des<br />

Kantons Schaffhausen, 1995). Auch liegt er unter dem für<br />

Ökobeiträge nach dem Eidgenössischen L<strong>and</strong>wirtschaftgesetz<br />

verlangten Anteil ökologischer Ausgleichsflächen von<br />

7% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche (vgl. Anhang 6.2,<br />

Artikel 7 Direktzahlungsverordnung). Grundsätzlich ist davon<br />

auszugehen, dass eine gewisse Streuung in den Anteilen<br />

naturnaher Flächen innerhalb der Kulturl<strong>and</strong>schaft sinnvoll<br />

ist, da anspruchsvolle Arten häufig einen Anteil naturnaher<br />

Flächen benötigen, der höher als der flächendeckend durchsetzbare<br />

Anteil ist. Die entscheidende Frage istjedoch, ob es<br />

eine untere akzeptable Grenze für den Anteil naturnaher<br />

Flächen gibt und wo diese gegebenenfalls in der Klettgaurinne<br />

unterschritten ist. Das Verschwinden des Rebhuhns<br />

aus dem Klettgau und die Schwierigkeiten bei der Wiederansiedlung<br />

sind Zeichen dafür, dass zumindest für diesen<br />

Vogel die Lebensbedingungen gegenwärtig unzureichend<br />

sind. Man geht davon aus, dass «sich die Lebensraumsituation<br />

für das Rebhuhn erst ab einem hohen Flächenanteil<br />

(5-10% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche) an Saumbiotopen<br />

und übrigen naturnahen Flächen entscheidend verbessert»<br />

(Jenny et al., 1997). Zumindest in den Tallagen der<br />

Klettgaurinne ist daher gegenwärtig grosser H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />

gegeben, um eine angemessene Lebensraumsituation<br />

für das Rebhuhn zu schaffen. Weitere positive Effekte naturnaher<br />

Flächen sind die Entlastung des Bodens und des<br />

Grundwassers: das flächenspezifische Stickstoffreduktionspotential<br />

von ökologischen Ausgleichsflächen liegt bei<br />

über 40 kg N pro ha und Jahr (Prasuhn et al., 1998).<br />

H<strong>and</strong>lungsbedarfist auch in den intensiv genutzten Rebhängen<br />

gegeben: In ihrem Fall ist es insbesondere die geringe<br />

Reptiliendichte, die ökologische Aufwertungen nahelegt.<br />

Relative Bedeutung der verschiedenen Habitattypen<br />

Welche Habitattypen sollten besonders gefördert werden?<br />

Es ist auffällig, dass insbesondere in der Talebene sehr<br />

wenige vertikale Gestaltungselemente wie Hecken oder<br />

Feldgehölze vorh<strong>and</strong>en sind. Diese sind für viele Tierarten<br />

von grosser Bedeutung, weil sie Deckungs- und Niststrukturen<br />

bieten. Gegenüber Massnahmen wie z.B. Buntbrachen<br />

sind sie visuell prominentere und sehr viel beständigere<br />

Elemente in der L<strong>and</strong>schaft. Durch ihre Beständigkeit können<br />

sie zusätzlich die bodenökologisch wichtige Funktion<br />

übernehmen, dauerhaft ungepflügte Bereiche zu schaffen.<br />

Andererseits sind sie aus Sicht der L<strong>and</strong>wirte aufgrund<br />

dieser Beständigkeit weniger attraktiv. Da sie das Gepräge<br />

der L<strong>and</strong>schaft ändern, besitzen sie zudem grösseres Konfliktpotential<br />

mit ästhetischen Werten. Eine detaillierte und<br />

gleichzeitig praxisnahe Diskussion der Bedeutung verschiedener<br />

Habitattypen geben beispielsweise Blab (1993) und<br />

Baur et al. (1997).<br />

Habitatqualität<br />

Für die naturnahen Flächen besteht sowohl im deutschen als<br />

auch im schweizerischen Untersuchungsgebiet bedeutendes<br />

Potential für die qualitative Aufwertung. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass das düngungsbedingte hohe Nährstoffniveau<br />

in den Böden der Klettgauebene die St<strong>and</strong>ortbedingungen<br />

mittelfristig prägen und gewisse Pflanzengesellschaften<br />

ausschliessen wird. Eine grosse Zahl von Pflegemassnahmen<br />

für Naturvorzugsflächen in der Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

wird beispielsweise von Firbank et al. (1993) vorgestellt<br />

und diskutiert.<br />

Räumliche Anordnung der Flächen<br />

Es ist schwierig, eine maximal zulässige Distanz festzulegen,<br />

bei der die Vernetzungsfunktion zwischen L<strong>and</strong>schaftselementen<br />

noch gewährleistet ist. Für die wenigsten Arten<br />

ist hinreichend genau bekannt, was die Konsequenzen verschiedener<br />

Abstände sind, auch wenn Richtwerte für die<br />

üblicherweise maximal zurückgelegten Distanzen vorh<strong>and</strong>en<br />

sind (s. Abbildung 2.5). Gestützt auf eine Reihe von<br />

Arbeiten über Insekten, Kleinsäuger und Vögel schlagen<br />

Broggi und Schlegel (1989) Z.B. eine Maximaldistanz von<br />

IlO<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Abb. 2.5: Die Aktionsradien<br />

verschiedener<br />

Tierarten variieren beträchtlich.<br />

150-200 m zwischen einzelnen Hecken vor. Dieser Wert<br />

wird insbesondere in der Talebene allgemein erheblich überschritten.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Eine Erhöhung des Anteils naturnaher Flächen ist insbesondere<br />

in der Klettgauebene und in den Rebbergen erforderlich.<br />

Dabei sollte nicht allein auf einen Massnahmentyp<br />

abgestellt werden, sondern es sollte eine Mischung verschiedener<br />

Massnahmen zum Einsatz kommen.<br />

2.3 Aufnahme l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

frJebnisqualität<br />

Die L<strong>and</strong>schaft wird einerseits vom Menschen gestaltet,<br />

<strong>and</strong>ererseits wirkt sie auf das Wohlbefinden der Bewohnerinnen<br />

und Besucher zurück. Touristenströme zu attraktiven<br />

L<strong>and</strong>schaften oder höhere Grundstückspreise in Lagen mit<br />

schöner Aussicht belegen, dass attraktive L<strong>and</strong>schaften<br />

wertvoll sind - auch in monetärer Hinsicht. Ob wir uns in<br />

einer L<strong>and</strong>schaft wohlfühlen, hängt jedoch nicht nur von<br />

ihrer unmittelbaren ästhetischen Qualität, d.h. ihrer Naturnähe,<br />

Eigenart, Harmonie und Vielfalt ab, sondern auch<br />

davon, ob ihr Charakter als bestimmungsgemäss empfunden<br />

wird.<br />

In der Literatur sind viele Faktoren beschrieben worden,<br />

die das L<strong>and</strong>schaftserleben beeinflussen: Alter, Geschlecht,<br />

Herkunft, Wohnumgebung, ökologische Bildung (Perpeet,<br />

1992; Kästli et al., 1998). Hinzu kommen noch individuelle<br />

Stimmungen, die bei einer bestimmten Person dieselbe<br />

L<strong>and</strong>schaft unterschiedlich erscheinen lassen. Die Fragen,<br />

ob die Erlebnisqualität einer L<strong>and</strong>schaft überhaupt erfassbar<br />

ist, und wenn ja, welche Methoden dazu geeignet sind, hat<br />

dieser Komplexität entsprechend eine lange Geschichte und<br />

ist nicht abschliessend geklärt (vgl. Perpeet, 1992). Die<br />

Skeptiker führen an, dass zum einen die zuverlässige Erfassung<br />

der Empfindungen einzelner Personen nicht möglich<br />

sei, zum <strong>and</strong>eren die Unterschiede zwischen Personen zu<br />

grass seien, um allgemein gültige Aussagen zu treffen<br />

(Buchwald & Engelhardt, 1978). Unter denjenigen, die ein<br />

Erfassen der Erlebnisqualität grundsätzlich für möglich halten,<br />

werden zwei verschiedene Ansätze verfolgt: Auf der<br />

einen Seite stehen die intuitiven Methoden, denen häufig<br />

Willkürlichkeit und fehlende Objektivität vorgeworfen werden<br />

(Loidl, 1981), aufder <strong>and</strong>eren Seite stehen formalisierte<br />

Bewertungsverfahren, deren Vermögen, dem individuellen<br />

Erlebnisempfinden gerecht zu werden, bezweifelt wird<br />

(Schwahn, 1990).<br />

2.3.1<br />

Die folgenden Fragen stehen im Vordergrund: Unterscheiden<br />

sich unterschiedliche L<strong>and</strong>schaftsabschnitte innerhalb<br />

der beiden Transsekte hinsichtlich ihrer Erlebnisqualität?<br />

Beurteilen Studierende der Umweltnaturwissenschaften die<br />

Erlebnisqualität dieser Abschnitte <strong>and</strong>ers als Bürgerinnen<br />

und Bürger des Klettgaus? Was macht für die lokale Bevölkerung<br />

das Typische der L<strong>and</strong>schaft aus; welche Elemente<br />

der L<strong>and</strong>schaft werden besonders geschätzt? Welche<br />

Schlussfolgerungen lassen sich für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

ziehen?<br />

2.3.2 A/~ge!nei!llesVorgehen<br />

Zunächst wurden innerhalb der Transekte L<strong>and</strong>schaftsräume<br />

identifiziert, die je eine eigene l<strong>and</strong>schaftliche Einheit<br />

bilden. Dies waren die Rebberge, die südexponierten Hänge<br />

des R<strong>and</strong>ens ausserhalb des Rebbaugebietes, die Klettgauebene<br />

und schliesslich der enge Talabschnitt im Vorl<strong>and</strong> des<br />

Südr<strong>and</strong>ens (vgl. Abbildung 2.6). Sie unterscheiden sich vor<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

III


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Ahh. 2.6: Die Klettgaurinne ist l<strong>and</strong>schaftlich vielfältig: (aj Pferdeweide, (h) enger Talahschnitt, (cj Rehherg, (dj<br />

Klettgauehene. Die Beohachterst<strong>and</strong>punkte, von denen die Aufnahmen gemacht wurden, sind in Ahb. 2.4 dargestellt.<br />

Zusammengehörige Photographien und Betrachterst<strong>and</strong>punkte sind mit dem gleichen Buchstahen hezeichnet.<br />

allem in topographischer Hinsicht, aber auch durch die<br />

deutlich unterschiedliche Art und Intensität der Bewirtschaftung.<br />

Die Erlebnisqualtität der L<strong>and</strong>schaft wurde von Studierenden<br />

anh<strong>and</strong> eines umfangreichen Bewertungsbogens<br />

(nach Perpeet, 1992) im Gelände erhoben.<br />

Personen der lokalen Bevölkerung wurden anh<strong>and</strong> von<br />

Dias zu ihrer Wahrnehmung der in den Transekten gelegenen<br />

L<strong>and</strong>schaftsräume befragt.<br />

2.3.3 Wahrnehmung der l<strong>and</strong>schaft durch<br />

Studierende<br />

Vorgehen<br />

Für die Aufnahme der l<strong>and</strong>schaftlichen Erlebnisqualität<br />

nach Perpeet (1992) füllten jeweils zwei Studierende zusammen<br />

an einem geeigneten Betrachterst<strong>and</strong>ort einen Bewertungsbogen<br />

aus. Dieser Bewertungsbogen arbeitet mit<br />

«speziell formulierten Detailfragen zurErlebniswirkung der<br />

L<strong>and</strong>schaft [... J, die nur mit «ja» oder «nein» zu beantworten<br />

sind» (Perpeet, 1992, S. 114). Zusätzlich wurde auf einer<br />

dreistufigen Skala eine intuitive Einschätzung der drei<br />

Aspekte «Erlebnisqualität», «Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes»<br />

und «Eindruck der ökologischen Situation»<br />

gegeben (perpeet 1992). Die Aufnahmen erfolgten alle am<br />

selben Tag bei trocken-warmer Witterung und guten Sichtbedingungen.<br />

Jeder L<strong>and</strong>schaftsraum wurde von je einer<br />

Betrachterposition aufgenommen. Jede Zweiergruppe nahm<br />

eine bis zwei L<strong>and</strong>schaften auf.<br />

Ergehnisse<br />

Die Erlebnisqualitäts (EQ)-Werte sind in Tab. 2.5 zusammengefasst.<br />

Die Pferdeweide liegt mit einem EQ-Wert von<br />

84 deutlich an der Spitze, der enge Talabschnitt und die<br />

Rebberge liegen mit EQ-Werten von 49 und 45 dicht beiein<strong>and</strong>er,<br />

die Talebene kommt lediglich aufeinen EQ-Wert von<br />

18.<br />

Die Pferdeweide (Abb. 2.6a) wird besonders bezüglich<br />

der L<strong>and</strong>nutzung positiv bewertet, da sie extensiv bewirtschaftet<br />

wird, nicht monofunktional wirkt und natürliche<br />

wie auch gewachsene Strukturen aufweist. Zudem erhält sie<br />

in den Bereichen Stimmung, Phantasie und Schönheit bessere<br />

Noten als die drei <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaftsräume: Die<br />

Pferdeweide vermittelt ein Gefühl l<strong>and</strong>schaftlicher Ausgewogenheit<br />

und wirkt erbaulich. Zudem regt sie die Phantasie<br />

stärker an als die <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaften.<br />

Der enge, im südlichen Transektbereich liegende Talabschnitt<br />

(Abb. 2.6b) ist eine kontrastreiche L<strong>and</strong>schaft. Das<br />

1]2<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Tab. 2.5: Ergebnisse der Erlebnisqualitätsanalyse mit dem Bewertungsbogen nach Perpeet (1992). Jeder L<strong>and</strong>schaftsausschnitt<br />

wurde von zwei Personen gemeinsam bewertet, die Talebene von insgesamt vier Personen.<br />

i Rebberg Pferdeweide Taiebene<br />

I<br />

Talabschnitt<br />

I<br />

!<br />

Erlebnisqualitätswert<br />

I<br />

45 84 18<br />

49 I<br />

I<br />

I<br />

Erlebnisqualität (intuitiv) I mittel<br />

!<br />

hoch niedrig mittel<br />

I<br />

Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes I gering gering mittel gering I<br />

Eindruck der ökologischen Situation<br />

I<br />

gestört intakt gestört I gestört<br />

I<br />

Verhältnis künstlicher und natürlicher Linien ist ausgewogen;<br />

die Linien üben eine positive raumbildende Wirkung<br />

aus.<br />

DerRebberg (Abb. 2.6c) gewinnt durch die ausgeglichene<br />

Oberflächenform, und die Kultur wirkt hier bereichernd für<br />

die L<strong>and</strong>schaft. Die geometrische, aber nicht starre Strukturierung<br />

des Rebbergs vermittelt positive Eindrücke.<br />

Die Talebene (Abb. 2.6d) hat gegenüber den <strong>and</strong>eren<br />

L<strong>and</strong>schaftsräumen grosse Defizite im Bereich der Raumwirkung<br />

und Perspektive. Zwar ist durch die klare, menschengemachte<br />

Strukturierung Übersicht gegeben, aber es<br />

fehlen markante Elemente, die als Entfemungsmassstäbe<br />

dienten. Die L<strong>and</strong>schaftsstruktur wirkt starr und langweilig.<br />

Insgesamt vermitteln die Pferdeweide eine hohe Erlebnisqualität,<br />

und der Talabschnitt und der Rebberg eine mittlere;<br />

die Erlebnisqualität der Talebene ist niedrig. Während die<br />

l<strong>and</strong>schaftliche Beeinträchtigung bei den drei <strong>and</strong>eren<br />

L<strong>and</strong>schaftsbereichen als gering beurteilt wird, erscheint die<br />

Talebene beeinträchtigt, wenn auch nicht stark. Nur bei der<br />

Pferdeweide wurde die ökologische Situation als intakt<br />

empfunden, in den übrigen Fällen wurde sie als gestört<br />

beurteilt.<br />

2.3.4 Wahrnehmung der l<strong>and</strong>schaft durch<br />

KJettgauerinnen und KJettgauer<br />

Vorgehen<br />

Die Befragung der Personen aus dem Klettgau wurde an<br />

einer Sitzung der Begleitgruppe (s. Abbildung 1.3) durchgeführt,<br />

an der zehn Klettgauerinnen und Klettgauer teilnahmen.<br />

Für die Befragung entwickelten wir einen Katalog von<br />

acht Fragen (s. Tabelle 2.6), die anh<strong>and</strong> der in Abbildung<br />

2.6 gezeigten Photographien auf einer fünfstufigen Skala<br />

(


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Tab. 2.7: Die Ergebnisse der Befragung von Klettgauer Bürgerinnen undBürger zu ihrer Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft. Für<br />

die Auswertung wurden jeweils die Aussagen «trifft zu» und «trifft in höchstem Masse zu» bzw. «trifft nicht zu» und «trifft<br />

überhaupt nicht zu» zusammengefasst. Die Tabelle zeigt, ob sich die Antworten für die verschiedenen L<strong>and</strong>schaften<br />

signifikant unterscheiden: L<strong>and</strong>schaften mit gleichem Grossbuchstaben werden gleich bewertet. Beispielsweise ergibt sich<br />

bei Frage 1 ein signifikanter Unterschied in der Bewertung zwischen Pferdeweide und dem Rebberg, nicht aber zwischen<br />

Pferdeweide und Talabschnitt (X 2 -Anpassungstest mit gruppierten Daten; n = 10,. Signifikanzniveau: 5%).<br />

frage Reb- Pferde- Tal- Talab- Kommentar<br />

berg weide ebene schnitt<br />

Empfinden Sie die L<strong>and</strong>- X Y X X, Y i Der Rebberg und die Talebene werden als<br />

schaft als typisch für den<br />

I typischer wahrgenommen als die<br />

Klettgau?<br />

Pferdeweide.<br />

Überwiegt die Kulturl<strong>and</strong>- X Y X Y I Für den Rebberg und die Talebene wird<br />

schaft gegenüber der Natur-<br />

I die Kulturl<strong>and</strong>schaft als dominant wahrl<strong>and</strong>schaft?<br />

I , genommen, bei der Pferdeweide und<br />

dem Talabschnitt weniger.<br />

Lädt diese L<strong>and</strong>schaft zum X Y X X, Y Die Pferdeweide lädt eher zum Spazieren<br />

Spazieren ein?<br />

ein als der Rebberg und die Talebene.<br />

Empfinden Sie diese L<strong>and</strong>- X X X X Die L<strong>and</strong>schaften werden nicht als signifischaft<br />

als schön?<br />

kant unterschiedlich schön beurteilt.<br />

I<br />

I Erscheint die L<strong>and</strong>schaft X Y X X, Y Die Pferdeweide wird als weniger ausgeausgeräumt<br />

und leer? Y Z Z räumt empfunden als der Rebberg und<br />

i die Klettgau-Ebene.<br />

Wird von menschlicher I X X X X I Es gibt keine signifikanten Unterschiede<br />

Seite pflegend und rück- I I in der Beurteilung der Rücksicht, wie mit<br />

sichtsvoll mit der L<strong>and</strong>-<br />

I der L<strong>and</strong>schaft umgegangen wird.<br />

schaft umgegangen? ,<br />

I<br />

Hat sich diese L<strong>and</strong>schaft X X X X Die Veränderungen der verschiedenen<br />

positiv verändert?<br />

L<strong>and</strong>schaften werden nicht signifikant<br />

verschieden beurteilt.<br />

Die L<strong>and</strong>schaft wird zu<br />

intensiv bewirtschaftet.<br />

X<br />

I<br />

I<br />

Z X, Y<br />

I,<br />

Y,Z<br />

I,<br />

I<br />

i<br />

I<br />

Die Bewirtschaftung der Pferdeweide<br />

wird als weniger intensiv eingeschätzt als<br />

I diejenige des Rebbergs oder der<br />

Klettgau-Ebene.<br />

L<strong>and</strong>schaft und der Einladung zum Spazierengehen ergibt<br />

sich die gleiche Reihenfolge wie bei der Erhebung der<br />

Erlebnisqualität. Der Rebberg und die intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />

genutzte Talebene werden als besonders typisch<br />

für den Klettgau empfunden. In beiden L<strong>and</strong>schaftsräumen<br />

überwiegt in der Beurteilung der Befragten der Charakter<br />

der Kulturl<strong>and</strong>schaft eindeutig gegenüber demjenigen der<br />

Naturl<strong>and</strong>schaft. Für alle vier Fälle gilt, dass der Umgang<br />

mit der L<strong>and</strong>schaft als überwiegend pflegend und rücksichtsvoll<br />

eingestuft wird. Nur die Pferdeweide wird in den<br />

Augen der Befragten signifikant nicht zu intensiv bewirtschaftet.<br />

Als «Lieblingsl<strong>and</strong>schaft» wird - nach dem ansonsten<br />

sehr guten Abschneiden der Pferdeweide vielleicht etwas<br />

überraschend - einstimmig der enge Talabschnitt mit intensiver<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft in der Ebene und Streuobstbeständen<br />

im Vordergrund gewählt (Abb. 2.6b). Interessanterweise<br />

werden die Kutschenfahrten für Touristen ausschliesslich in<br />

die Rebberge geführt, L<strong>and</strong>schaftskammem wie der Pferde-<br />

weide oder dem engen Talabschnitt wird keine Beachtung<br />

geschenkt.<br />

2.3.5 Methodenkritik<br />

Die Erfassung der l<strong>and</strong>schaftlichen Erlebnisqualität steht im<br />

Spannungsfeld zwischen dem individuellen Erlebnisempfinden<br />

und den Anforderungen nach Vergleichbarkeit. Das<br />

kombinierte Verfahren von Perpeet (1992) zielt darauf ab,<br />

mit der Kombination aus intuitivem Erlebnisgutachten und<br />

formalisiertem Fragebogen dieser kritischen Situation zu<br />

begegnen. Die Studierenden, die die ausführliche Aufnahme<br />

mittels des Bewertungsbogens durchführten, hatten den<br />

Eindruck, ihr Erleben der L<strong>and</strong>schaft spiegele sich in den<br />

verschiedenen Bewertungen der L<strong>and</strong>schaft wider. Einige<br />

Fragen des Bewertungsbogens nach Perpeet wurden bei der<br />

Auswertung nicht berücksichtigt, da ihre Interpretation<br />

nicht eindeutig war. Dies hat vermutlich keinen bedeuten-<br />

114<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

den Einfluss, weil das Fragenkollektiv so gross ist, dass<br />

Ausreisser in einzelnen Fragen ausgeglichen werden (Perpeet,<br />

1992). Schwerer mag wiegen, dass die L<strong>and</strong>schaften<br />

jeweils nur von einer Position aus bewertet wurden und dass<br />

verschiedene Personen die Aufnahmen durchführten. Die<br />

Ebene der Klettgaurinne, die als einziger L<strong>and</strong>schaftsraum<br />

von zwei verschiedenen Gruppen, allerdings von zwei verschiedenen<br />

Positionen aus, bewertet wurde, wies jedoch<br />

sehr ähnliche EQ-Werte auf (18 resp. 20).<br />

Die zehn Klettgauerinnen und Klettgauer waren mit der<br />

Bewertungsweise nur beschränkt zufrieden. Als Nachteile<br />

wurden die Fonnulierung einzelner Fragen und die Verwendung<br />

von Dias anstelle einer Ortsbegehung angegeben. Eine<br />

Bewertung im Feld war aus tenninlichen Gründen nicht<br />

möglich gewesen. Die Frage, ob sich die L<strong>and</strong>schaft positiv<br />

verändert habe, bereitete Schwierigkeiten, weil keine Vergleichsmöglichkeiten<br />

präsentiert wurden. Die Frage nach<br />

dem pflegenden und rücksichtsvollen Umgang mit der<br />

L<strong>and</strong>schaft liess die Möglichkeit nicht zu, dass die Bewirtschaftung<br />

Z.T. pflegend, aber gleichzeitig rücksichtslos sein<br />

kann. So kann beispielsweise der augenscheinliche Eindruck<br />

einer gepflegten Agrarl<strong>and</strong>schaft bestehen, während<br />

gleichzeitig die Nitratbelastung des Grundwassers einen<br />

rücksichtslosen Einsatz von Düngemitteln anzeigt.<br />

2.3.6 l<strong>and</strong>schaftliche frlebnisqualität und zukünftige<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Die vierL<strong>and</strong>schaften wurden sowohl von den Studierenden<br />

als auch von den zehn Klettgauerinnen und Klettgauem als<br />

insgesamt signifikant unterschiedlich bewertet. Die Bewertung<br />

der beiden Gruppen deckte sich weitgehend. Trotzdem<br />

lassen sich hinsichtlich der Allgemeingültigkeit der Ergebnisse<br />

keine zuverlässigen Aussagen treffen. Dazu war das<br />

Kollektiv der beteiligten Personen zu klein und im Fall der<br />

Studierenden zu homogen: junge Menschen, vorwiegend<br />

Männer, mit - so sollte man meinen - einer guten Umweltbildung.<br />

Dass die einstimmig gewählte Lieblingsl<strong>and</strong>schaft der<br />

zehn befragten Klettgauer Bürgerinnen und Bürger nicht die<br />

L<strong>and</strong>schaft mit der höchsten Erlebnisqualität nach Perpeet<br />

(1992) ist, bildet vennutlich das interessanteste Ergebnis der<br />

Befragung. Trotz der möglicherweise beschränkten Aussagekraft<br />

wegen der kleinen Stichprobengrösse zeigt jedoch,<br />

dass «Lieblingsl<strong>and</strong>schaft» eine <strong>and</strong>ere Bedeutung haben<br />

kann als «L<strong>and</strong>schaft mit der höchsten Erlebnisqualität».<br />

Insbesondere die bestimmungsgemässe Nutzung scheint<br />

eine wesentliche Rolle zu spielen, wenn es um die Wahl der<br />

Lieblingsl<strong>and</strong>schaft geht. Wenn die zehn Klettgauer auch<br />

die Pferdeweide als schöner empfinden, so wirkt sie ihnen<br />

vennutlich zu wenig produktiv und zu museal, um als<br />

Lieblingsl<strong>and</strong>schaft gelten zu können. Es wäre interessant<br />

zu überprüfen, wie Besucher des Klettgaus die verschiedenen<br />

L<strong>and</strong>schaften beurteilten. Besucher erleben die L<strong>and</strong>schaft<br />

in erster Linie als Erholungsl<strong>and</strong>schaft - würden sie<br />

mehrheitlich die Pferdeweide als Lieblingsl<strong>and</strong>schaft wählen?<br />

Eine weitere interessante Frage ist diejenige nach dem<br />

Einfluss, den die Anwesenheit von Pferden auf die L<strong>and</strong>schaftsbewertung<br />

hat. Würde die Pferdeweide noch immer<br />

erbaulicher wirken als die <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaftskammem,<br />

wenn dieser Aspekt der eleganten Belebtheit fehlen würde?<br />

Um wieviel schöner würde die intensiv genutzte Klettgaurinne<br />

beurteilt werden, wenn eine Pferdeweide vorh<strong>and</strong>en<br />

wäre?<br />

Bei der Wahl der Lieblingsl<strong>and</strong>schaft gewichten Vertreter<br />

der lokalen Bevölkerung das Kriterium der bestimmungsgernässen<br />

Nutzung anscheinend stärker als den unmittelbaren<br />

persönlichen Erlebniswert. Politisch mehrheitsfähige L<strong>and</strong>schaftsentwicklungskonzepte<br />

dürften daher diejenigen sein,<br />

die von dem primär begründenden Argument einer Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzung ausgehen.<br />

Die L<strong>and</strong>schaft kann dabei hin zu einer durch st<strong>and</strong>ortgerechte<br />

Nutzung getragenen Vielfalt entwickelt werden, die<br />

ästhetische wie funktionale und wirtschaftliche Aspekte<br />

berücksichtigt.<br />

Der Zusammenhang zwischen<br />

frlebnisqualität ökologischem<br />

Das erste amtliche Naturschutzgebiet Deutschl<strong>and</strong>s - der<br />

Drachenfelsen im Siebengebirge bei Bonn - wurde aufgrund<br />

seiner l<strong>and</strong>schaftlichen Schönheit ausgewählt (Buchwald<br />

& Engelhardt, 1978). Auch bei den <strong>and</strong>eren seither<br />

ausgewiesenen Naturschutzgebieten spielte ihre Schönheit<br />

eine bedeutende Rolle. Gibt es so etwas wie eine natürliche<br />

Hannonie zwischen der Schönheit einer L<strong>and</strong>schaft und<br />

ihrem ökologischen Wert? Zwei kurze Beispiele zeigen,<br />

dass dem zumindest nicht immer so ist: Rebberge können,<br />

auch wenn sie intensiv genutzt werden und einen geringen<br />

ökologischen Wert besitzen, eine hohe Erlebnisqualität vermitteln.<br />

Andererseits kann starke Verwilderung Ausdruck<br />

eines hochwertigen Biotops sein, aber als wenig attraktiv<br />

oder gar abstossend empfunden werden (Perpeet, 1992). Es<br />

besteht also kein einfaches Verhältnis zwischen diesen beiden<br />

wichtigen Wertdimensionen der L<strong>and</strong>schaft. Um dem<br />

Verhältnis näher auf den Grund zu gehen, könnte man nun<br />

fragen, welche Faktoren und Elemente die Erlebnisqualität<br />

und welche den ökologischen Wert einer L<strong>and</strong>schaft bestimmen.<br />

Auf dieser Grundlage könnten Konfliktbereiche und<br />

Bereiche der gegenseitigen Ergänzung der beiden Wertdimensionen<br />

erkannt werden. Dabei ergibt sich jedoch das<br />

Problem, dass keine der beiden Fragen allgemeingültig beantwortet<br />

werden kann. Die Erlebnisqualität ist, neben <strong>and</strong>eren<br />

Faktoren, zeit-, kultur- und traditionsabhängig: Der<br />

französische Barockgarten zur Zeit des Absolutismus mit<br />

seiner strengen Geometrie unterscheidet sich wesentlich<br />

vom englischen L<strong>and</strong>schaftsgarten des 18. Jahrhunderts mit<br />

den geschwungenen Wegen, weiten Rasenflächen und natürlichen<br />

Baumgruppen. Beide sind jedoch Ausdruck einer<br />

zeitgenössischen weltanschaulichen Position, und beide<br />

wurden in ihrerZeit als besonders schön und bedeutungsvoll<br />

empfunden. Der ökologische Wert bestimmter L<strong>and</strong>schaftselemente<br />

hängt nicht nur von ihrem zeitlichen und räumlichen<br />

Kontext ab, sondern auch von den individuellen Wertvorstellungen<br />

des Betrachters. Die Entscheidung, einen bestimmten<br />

Habitattyp oder eine bestimmte Art zu fördern, ist<br />

praktisch immer eine Entscheidung, <strong>and</strong>ere Habitattypen<br />

und Arten zu benachteiligen (Blab, 1993). Ein Beispiel soll<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

115


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

diesen Punkt verdeutlichen: Der Mittelwald ist eine traditionelle<br />

Bewirtschaftungsform, bei der in ein dichtes, alle 10<br />

bis 15 Jahre geschlagenes und immer wieder neu austreibendes<br />

Unterholz grössere und ältere Stämme eingestreut sind.<br />

Die Aufrechterhaltung bestehender und die Wiederherstellung<br />

ehemaliger Mittelwälder wurde - und wird nach wie<br />

vor als gutes Naturschutzmanagement empfohlen, da es<br />

die lokale Habitat- und Artenvielfalt erhöhe. Der positive<br />

Effekt auf seltene lichtliebende Arten wie z.B. bestimmte<br />

Schmetterlinge ist nachweisbar. Ebenso wurde aber mittlerweile<br />

gezeigt, dass <strong>and</strong>ere Arten, insbesondere viele Spinnenarten,<br />

darunter auch seltene, in Hochwäldern wesentlich<br />

bessere Lebensbedingungen finden und durch die Praxis des<br />

regelmässigen Holzschlages benachteiligt werden (Sterling<br />

& Hambier, 1988; Hambler & Speight, 1995).<br />

L<strong>and</strong>schaftliche Schönheit und hoher ökologischer Wert<br />

bedingen sich also nicht notwendigerweise gegenseitig.<br />

Kann die L<strong>and</strong>schaft in den beiden Wertdimensionen im<br />

Klettgau gleichzeitig verbessert werden? Die Antwort ist<br />

eindeutig: Gegenwärtig besteht ein bedeutendes Potential,<br />

ökologische Aufwertungen durchzuführen, die auch die Erlebnisqualität<br />

der L<strong>and</strong>schaft verbessern. Folgende Gründe<br />

stützen diese Aussage:<br />

In der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 wurde gezeigt, dass<br />

eine Agrarl<strong>and</strong>schaft mit Buntbrachen von Klettgauerinnen<br />

und Klettgauern zwar als weniger sauber und ordentlich,<br />

aber als signifikant schöner und vielfältiger bewertet<br />

wird als eine L<strong>and</strong>schaft ohne Buntbrachen. Befragt wurden<br />

118 Personen in den Gemeinden Hallau und Erzingen<br />

anh<strong>and</strong> von Fotos einer Agrarl<strong>and</strong>schaft vor und<br />

nach der Anlage einer Buntbrache. 82% der Befragten<br />

bevorzugen die Naturschutzvariante, 18% die «klassische<br />

Ackerl<strong>and</strong>schaft» (Kästli et al., 1998).<br />

- Die Massnahmen Bachrenaturierung, Anlegen von Buntbrachen<br />

und Kiesgrubenrenaturierung erhielten bei einer<br />

Bewertungsveranstaltung in Wilchingen, an der 44 Personen<br />

aus dem Klettgau teilnahmen, sämtlich gute Beurteilungen<br />

im Bereich Erholungswert und regionale Identifikation<br />

(vgl. Kapitel 3.6).<br />

Ausgehend von der gegenwärtigen Situation kann die<br />

L<strong>and</strong>schaft vielfältig aufgewertet werden, ohne dass ihr<br />

Charakter verändert würde. Dies gilt insbesondere im<br />

Bereich des Rebbaus und der intensiv genutzten Talebeneo<br />

Bereits realisierte Beispiele sind Bodenbegrünung in<br />

Rebbergen und Buntbrachen in der Ebene. Weitere attraktive<br />

Möglichkeiten sind die Renaturierung von<br />

Bachläufen, das Anlegen von Lesesteinhaufen in Rebbergen<br />

oder die Vergrösserung von Streuobstbeständen<br />

mit extensiv genutzten Weiden.<br />

2.5 Druck aufdie l<strong>and</strong>schaft<br />

In diesem Kapitel werden die gegenwärtigen Veränderungstendenzen<br />

der L<strong>and</strong>schaft im Klettgau untersucht. Dabei<br />

werden vorrangig die zu erwartenden Auswirkungen der<br />

Zunahme von l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Nutzung, Siedlungsfläche<br />

und Verkehr diskutiert.<br />

2.5.1 L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Die L<strong>and</strong>wirtschaft ist im Umbruch. Der Verlust des Agrarkonsens<br />

in der Schweiz sowie veränderte wirtschaftliche<br />

und politische Rahmenbedingungen in beiden Ländern haben<br />

zu einer Phase der Revision der L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetze<br />

geführt, die noch <strong>and</strong>auert. Eine wichtige Tendenz ist dabei<br />

die schrittweise Liberalisierung der Agrarmärkte. In der<br />

Fallstudie 1997 wurden verschiedene mögliche Rahmenbedingungen<br />

daraufhin untersucht, wie sie die Entwicklung<br />

der Betriebsstrukturen und der Produktionsformen (Bio, IP,<br />

konventionell) beeinflussen (Meier et al., 1998). Für die<br />

Schweiz wurden die Umsetzung der Agrarpolitik 2002 (im<br />

folgenden mit AP 2002 bezeichnet) sowie ein möglicher<br />

EU-Beitritt betrachtet. Für die deutsche Seite wurde die<br />

Umsetzung der Beschlüsse der Uruguay-Runde des GATT<br />

vom April 1994 beleuchtet, die am 1. Januar 1995 in Kraft<br />

getreten sind und die EU-Länder zu einer tiefgreifenden<br />

Liberalisierung des Agrarh<strong>and</strong>els verpflichtet haben. Dabei<br />

ergab sich als gemeinsamer Trend in beiden Ländern, dass<br />

die durchschnittliche Grösse l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe<br />

zunimmt. Im Schweizer Klettgau wird bis<br />

zum Jahr 2015 ein Wachstum um 30% auf 42 ha für Akkerbaubetriebe<br />

bzw. um 50% auf 27 ha bei der Tierhaltung<br />

erwartet. Für den deutschen Teil wird eine dramatischere<br />

Entwicklung prognostiziert, die zu durchschnittlichen Betriebsgrössen<br />

von 100 ha für die Tierhaltung und von 175<br />

ha für Ackerbaubetriebe führen kann (Meier, Stricker,<br />

Wehrli & Bächtiger, 1988).<br />

Falls nicht geeignete Regelungen gefunden werden, wird<br />

eine Zunahme der durchschnittlichen Hofgrösse vermutlich<br />

auch eine Erhöhung der durchschnittlichen Feldgrösse nach<br />

sich ziehen. Eine Erhöhung der Feldgrösse kann verschiedene<br />

negative Folgen für das L<strong>and</strong>schaftsbild und die ökologische<br />

Qualiät der L<strong>and</strong>schaft haben: Zum einen geht die als<br />

reizvoll empfundene Kleingliedrigkeit verloren, zum <strong>and</strong>eren<br />

wird die kleinräumige Vernetzung von Lebensräumen<br />

durch den Verlust von Saumbiotopen beeinträchtigt und die<br />

Ausbreitung von Schädlingen durch ein uniformeres Futterangebot<br />

vereinfacht.<br />

2.5.2 Siedlungsgebiete<br />

Das starke Siedlungswachstum der letzten 40 Jahre im<br />

Klettgau hat sich nicht in Form einer inneren Verdichtung<br />

der Dorfkerne, sondern in Form peripheren Hinauswachsens<br />

in die L<strong>and</strong>schaft abgespielt. Die Siedlungsfläche hat<br />

sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Ein besonders starker<br />

Druck entwickelt sich dabei auf die Südhänge, welche bevorzugte<br />

Wohnlagen darstellen (Schlatter et al., 1998).<br />

Mit einer zunehmenden Bautätigkeit sind eine Reihe<br />

möglicher negativer Folgen für die ästhetische und ökologische<br />

Qualität der L<strong>and</strong>schaft verbunden. Die ästhetischen<br />

Beeinträchtigungen können insbesondere dann bedeutend<br />

sein, wenn durch die zusätzlichen Bauten der Charakter<br />

einer Siedlung verändert wird und von einem dörflichen in<br />

einen halb-städtischen Charakter umschlägt.<br />

Die ökologischen Auswirkungen einer Zersiedlung betreffen<br />

die unmittelbare Zerstörung wertvoller Lebensräume,<br />

wie z.B. Hochstammobstgärten der Siedlungsränder<br />

116<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

oder potentiell wertvolle Südhänge. Eine indirekte ökologische<br />

Folge ist ein erhöhter Zerschneidungsgrad der L<strong>and</strong>schaft.<br />

Zudem kann die Siedlungstätigkeit auf l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Gunstflächen dazu führen, dass die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

im Sinne einer Suche nach Realersatz die Bewirtschaftung<br />

bisher nur extensiv genutzter Gebiete intensiviert<br />

und dort natürliche und kulturl<strong>and</strong>schaftliche Bewirtschaftungshemmnisse<br />

beseitigt (Broggi & Schlegel, 1989).<br />

2.5.3 Verkehrswege und Verkehr<br />

Die ökologischen Auswirkungen von Strassen sind beträchtlich<br />

(Forman & Alex<strong>and</strong>er. 1998). Im Hinblick auf<br />

Tierpopulationen sind insbesondere der direkte und indirekte<br />

Verlust von Lebensraum zu nennen, zudem die erhöhte<br />

Mortalität und schliesslich der Barriereneffekt, der vormals<br />

zusammenhängende Populationen vonein<strong>and</strong>er trennt.<br />

Strassennetzwerke bestimmen wesentlich den Zerschneidungsgrad<br />

der L<strong>and</strong>schaft.<br />

Der Strassenlärm, der wiederum stark von der Verkehrsdichte<br />

abhängt, ist vermutlich der bedeutendste Faktor für<br />

die indirekten Lebensraumverluste. In den Niederl<strong>and</strong>en<br />

wurde für Brutvögel in Offenl<strong>and</strong>schaften aufgrund von<br />

empirischen Studien geschätzt, dass die Besiedlungsdichte<br />

einzelner Arten bis in eine Entfernung von 1'700 m zu<br />

Strassen mit 5'000 Fahrzeugen täglich verringert ist. Bei<br />

Autobahnen mit 50'000 Fahrzeugen täglich steigt diese<br />

Distanz auf 3'700 man (Reijnen et al., 1996). In Wäldern<br />

war die Brutvogeldichte in einer Entfernung von 250 m von<br />

einer Autobahn um 20% bis 98% reduziert (Reijnen et al.,<br />

1995).<br />

Eine möglicherweise einschneidende Veränderung der<br />

Klettgauer L<strong>and</strong>schaft droht durch den Weiterbau der<br />

Hochrheinautobahn A 98. Gegenwärtiger Endpunkt in östlicher<br />

Richtung ist Geisslingen. Im Bedarfsplan der Bundesrepublik<br />

Deutschl<strong>and</strong> und des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg<br />

hat der Abschnitt der A 98 östlich von Geisslingen nur<br />

nachrangige Dringlichkeit. Die Planungen über die Anbindung<br />

an das Schweizer Strassennetz werden daher erst wieder<br />

2012 aufgenommen. Bezüglich der Realisierung des<br />

bereits geplanten Abschnitts von Lauchringen nach Geisslingen<br />

bestehen gegenwärtig Unstimmigkeiten zwischen<br />

der Gemeinde Klettgau, die den Bau des Teilstücks ablehnt,<br />

und der Gemeinde Lauchringen, die den sofortigen Weiterbau<br />

fordert.<br />

Als negative Entwicklung ist auch der in den letzten<br />

Jahrzehnten verstärkte Einsatz von Hartbelägen auf Gütererschliessungsstrassen<br />

zu nennen. Einerseits kann dadurch<br />

der Barriereneffekt dieser Strassen auf Kleintiere stark erhöht<br />

werden, <strong>and</strong>ererseits führt die Verbesserung - aus Sicht<br />

der Autofahrer - der Strassenoberfläche häufig zu höherem<br />

Verkehrsaufkommen auf diesen Strassen, so dass sie zu<br />

einer stärkeren Quelle von Störungen (z.B. Lärm) werden.<br />

Glücklicherweise hat sich der Trend zur Verwendung von<br />

Hartbelägen aufdiesen Strassen in den letzten Jahren wieder<br />

weitgehend abgeschWächt.<br />

2.6 Aktuelle Antwortstrategien:<br />

Chancen Grenzen<br />

2.6.1 Ökologische Aufwertungsmassnahmen in der<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Für die zukünftige Entwicklung der L<strong>and</strong>schaft in ländlichen<br />

Räumen ist es entscheidend, ob, in welcher Weise und<br />

in welchem Umfang Anreize zur Verringerung der Umweltbelastungen<br />

durch die L<strong>and</strong>wirtschaft geschaffen werden.<br />

Dies zeigt sich beispielsweise in der vorhergesagten unterschiedlichen<br />

Entwicklung der Produktionsformen in<br />

Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz: Während in Deutschl<strong>and</strong><br />

sowohl unter dem Szenario «EU» als auch unter dem Szenario<br />

«GATT» dem konventionellen Anbau das grösste Entwicklungspotential<br />

zugesprochen wird, scheinen in der<br />

Schweiz Bio- und IP-Produktion Chancen auf weitere Verbreitung<br />

zu besitzen. Der biologische L<strong>and</strong>bau schneidet<br />

dabei unter den Bedingungen von AP 2002 besser ab als<br />

unter denjenigen eines EU-Beitritts. Der Grund für diese<br />

unterschiedlichen Entwicklungspotentiale der Bioproduktion<br />

wird in den ökologischen Direktzahlungen in der<br />

Schweiz gesehen. Diese werden vermutlich sowohl unter<br />

den Bedingungen von AP 2002 als auch unter denjenigen<br />

eines EU-Beitrittes zunehmen (Meier et al., 1998). Für die<br />

Entwicklung des L<strong>and</strong>schaftsbildes ist jedoch nicht in erster<br />

Linie die Produktionsform bedeutsam. Wichtig sind insbesondere<br />

Art, Umfang und relative Lage ökologisch wertvoller<br />

Flächen. Auch eine einseitige Förderung bestimmter<br />

Arten von ökologischen Ausgleichsflächen kann zu einer<br />

Vereinheitlichung der L<strong>and</strong>schaft beitragen. Ob eine Vernetzung<br />

der naturnahen Flächen durch die Vergütungsmodelle<br />

gefördert wird, hängt davon ab, ob die Vergütung an geeignete<br />

Vergabekriterien gebunden ist. Die Erarbeitung solcher<br />

Kriterien wird gegenwärtig noch durch eine Reihe von<br />

offenen wissenschaftlichen Fragen erschwert; zudem erschweren<br />

Probleme der Rechtsgleichheit die rechtliche Implementierung.<br />

Im Kanton Schaffhausen arbeitet eine Fachgruppe<br />

«Natur und L<strong>and</strong>schaft» der kantonalen Umweltschutzkomission<br />

gegenwärtig an einer Revision der bestehenden<br />

Abgeltungsrichtlinien.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurden 1996 mehr als 5.2 Mio. ha, das<br />

sind bundesweit über 30% der l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten<br />

Fläche, gemäss den Richtlinien von Agrarumweltprogrammen<br />

bewirtschaftet und gefördert. Der Marktentlastungsund<br />

Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich (MEKA) des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg<br />

ist ein Beispiel für ein solches Agrarumweltprogramm:<br />

Die Beteiligung am MEKA-Programm ist<br />

freiwillig. Die L<strong>and</strong>wirte können weitgehend nach dem<br />

Baukastenprinzip die Massnahmen mitein<strong>and</strong>er kombinieren,<br />

die ihnen für den eigenen Betrieb am geeignetsten<br />

erscheinen. Die Berechnung der Ausgleichsleistungen erfolgt<br />

über einen Punkteschlüssel. Jede Einzelmassnahme ist<br />

mit einer bestimmten Punktezahl bewertet, jederPunkt wird<br />

mit 20 DM honoriert. Bezüglich der Förderhöhe gelten<br />

Obergrenzen von 550 DM/ha beziehungsweise 40.000 DM<br />

je Betrieb. Die beantragten Massnahmen müssen für eine<br />

Dauer von fünf Jahren durchgeführt werden (Ministerium<br />

für ländlichen Raum, 1995).<br />

Die Einstellung der L<strong>and</strong>wirte und L<strong>and</strong>besitzer gegenüber<br />

der Honorierung ökologischer Leistungen ist von zen-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

117


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

traler Bedeutung für deren Erfolg. Bislang ist unter L<strong>and</strong>wirten<br />

die Auffassung noch zu wenig weit verbreitet, dass<br />

die «Erbringung ökologischer Leistungen eine der Produkteerzeugung<br />

gleichwertige Aufgabe ist und ein ebenso faires<br />

und berechenbares Einkommen verdient» (Rat der Sachverständigen<br />

für Umweltfragen, 1996, S. 16f). In einer Umfrage<br />

bei L<strong>and</strong>wirten in der Schweiz lehnten 1987, vor dem<br />

Inkrafttreten des neuen L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetzes, drei von<br />

vier L<strong>and</strong>wirten Direktzahlungen ab (Roux, 1988). Auch<br />

noch 1994, zwei Jahre nach der Einführung von Direktzahlungen,<br />

bevorzugten 79% der befragten L<strong>and</strong>wirte im Grossen<br />

Moos (einer <strong>Region</strong> zwischen dem Neuenburger-, dem<br />

Murten- und dem Bie1ersee) die Abgeltung des Mehraufw<strong>and</strong>es<br />

bei umweltgerechter Produktion über den Produktepreis<br />

(Carabias et al., 1995). Wenn auch heute die Stimmung<br />

bei L<strong>and</strong>wirten im K1ettgau zugunsten einer erhöhten Akzeptanz<br />

von naturschützerischen und l<strong>and</strong>espflegerischen<br />

Massnahmen umzuschwingen beginnt, ist noch beträchtlicher<br />

kultureller und mentaler W<strong>and</strong>el nötig.<br />

2.6.2 Das Naturschutzkonzept und der Richtplan des<br />

Kantons Schaffhausen<br />

Das Naturschutzkonzept für den Kanton Schaffuausen wurde<br />

im Dezember 1995 vorgelegt. Es richtet sich in erster<br />

Linie an die kantonalen und kommunalen Behörden, wobei<br />

es für den Kanton behördenverbindlich und für die Gemeinden<br />

ein Leitbild ist. Seine Aufgabe ist es, die Ziele, Prioritäten<br />

und Massnahmen für die 10 Jahre nach seinem Erscheinen<br />

festzulegen (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />

1995). Die raumwirksamen Teile des Konzeptes sind in<br />

den kantonalen Richtplan aufzunehmen. Das im Konzept<br />

festgelegte Hauptziel des Naturschutzes ist die «Erhaltung<br />

und Förderung von grossflächigen Lebensraum-Verbundsystemen,<br />

in denen die einheimischen Tier- und Pflanzenarten<br />

langfristig überleben können» (Baudepartement des Kantons<br />

Schaffhausen, 1995, S. 7). Als wichtigste Massnahmen<br />

zur Erreichung dieses Zieles werden «Erhaltung und Förderung<br />

der verbleibenden naturnahen Lebensräume», «Schaffung<br />

von neuen naturnahen Flächen sowie Erhaltung von<br />

R<strong>and</strong>strukturen in intensiv genutzten Gebieten zur Vernetzung<br />

der Lebensräume» und schliesslich «gezielte Förderung<br />

von stark gefährdeten Tier- und Pflanzenarten» angeführt<br />

(Baudepartement des Kantons Schaffuausen, 1995, S.<br />

7).<br />

Der intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzte Klettgau wird als<br />

Gebiet mit den grössten ökologischen Defiziten ausgewiesen.<br />

Aufgrund seiner Lage zwischen den beiden Vorranggebieten<br />

«R<strong>and</strong>en» und «Wangen- und Osterfingertal» ist die<br />

ökologische Aufwertung der Klettgaurinne zur Vernetzung<br />

der beiden Vorranggebiete eines der wichtigsten Naturschutzziele<br />

des Kantons Schaffhausen (Baudepartement des<br />

Kantons Schaffuausen, 1995). Die im Natuschutzkonzept<br />

vorgesehenen Bewirtschaftungsvereinbarungen zwischen<br />

dem Kanton und L<strong>and</strong>wirten im Klettgau haben einen Umfang<br />

von etwa40 ha. Sie zielen spezifisch aufdie Anlage von<br />

ökologischen Ausgleichsflächen in den strukturarmen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Gunstlagen ab. Finanziert werden sie aus<br />

dem Natur-und Heimatschutzbudget. Weitere direkt für den<br />

Klettgau bedeutsame kantonsweite Ziele sind: die Erhaltung<br />

und Förderung von Biotopen ausserhalb der Vorranggebiete,<br />

die ökologische Aufwertung der Fliessgewässer, der<br />

Einbezug der traditionellen Bewirtschafter in die Naturschutzarbeiten,<br />

die Förderung der Zusammenarbeit aller im<br />

Kanton Schaffhausen am Naturschutz Beteiligten, die Koordination<br />

der Massnahmen mit den Nachbarkantonen und<br />

dem Bundesl<strong>and</strong> Baden-Württemberg sowie die Verbreitung<br />

des Naturschutzgedankens in der Bevölkerung.<br />

Das Naturschutzkonzept legt hinsichtlich der oben genannten<br />

Einflussfaktoren auf die zukünftige Natur- und<br />

L<strong>and</strong>schaftsentwicklung den Schwerpunkt auf die L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Die beiden <strong>and</strong>eren Faktoren, Siedlung und Verkehr,<br />

werden im kantonalen Richtplan beh<strong>and</strong>elt.<br />

Der kantonale Richtplan bef<strong>and</strong> sich zur Zeit der Redaktionsarbeiten<br />

noch in der verwaltungsinternen Vernehmlassung.<br />

Die endgültige Fassung kann daher noch leicht von der<br />

hier gegebenen Darstellung abweichen. Im Entwurf zum<br />

kantonalen Richtplan wird die hohe Bedeutung der L<strong>and</strong>schaft<br />

für den Kanton Schaffhausen betont. Ein zentraler<br />

Planungsgrundsatz lautet: «Die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten<br />

als wichtigste Ressource im Kanton Schaffhausen müssen<br />

gepflegt und wo nötig saniert werden» (Planungs- und Naturschutzamt,<br />

1998, S. 107). Entsprechend wird für den<br />

Bereich der Siedlungsentwicklung festgehalten, dass der<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaftsraum vom Siedlungsdruck dauernd<br />

zu entlasten sei. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das<br />

Konzept der Entwicklungsgemeinden eingeführt, in denen<br />

sich die weitere Siedlungsentwicklung konzentrieren solL<br />

Es werden jedoch keine langfristigen Obergrenzen für die<br />

Siedlungsentwicklung in ländlichen Räumen angegeben.<br />

Bezüglich der weiteren Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur<br />

wird festgestellt, dass st<strong>and</strong>ortgebundene Infrastrukturanlagen<br />

und Bauten ausserhalb der Bauzone l<strong>and</strong>schafts-<br />

und umweltverträglich anzuordnen seien. Neue<br />

Strassen seien nur zur Entlastung von Agglomerationen und<br />

Dörfern vom Durchgangsverkehr vorzusehen. Für die weitere<br />

Entwicklung des öffentlichen Verkehrs sind schnelle<br />

Verbindungen zwischen Zentren und Zubringerdiensten zu<br />

lokalen Zentren vorgesehen. Siedlungsgebiete, die mehr als<br />

300 Einwohner und/oder Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />

aufweisen, sollen grundsätzlich mit dem öffentlichen Linienverkehr<br />

erschlossen werden. Für kleinere Siedlungsgebiete<br />

sollen Sonderlösungen geprüft werden (Planungs- und<br />

Naturschutzamt, 1998).<br />

2.6.3 Erste Erfolge des ökologischen Ausgleichs<br />

Die Bemühungen um ökologische Aufwertungen in der<br />

Klettgaurinne haben bereits erste Erfolge gezeitigt, wie am<br />

Beispiel der Feldlerche zu sehen ist. Zwar zeigen die ökologischen<br />

Ausgleichsrnassnahmen insgesamt noch keinen<br />

quantitativ signifikanten Einfluss auf die Best<strong>and</strong>esdichte<br />

der Feldlerche. In einigen Gebieten mit einer starken Erhöhung<br />

des Anteils naturnaher Flächen, vor allem Buntbrachen,<br />

konnte jedoch eine bedeutende Abnahme der durchschnittlichen<br />

Reviergrösse festgestellt werden (Jenny et al.,<br />

1997). Dies deutet darauf hin, dass die Ressourcenbasis für<br />

die Vögel in diesen Gebieten verbessert wurde, und lässt<br />

langfristig auf eine Erhöhung der Best<strong>and</strong>esdichte hoffen.<br />

Zudem sind in einigen der seit 1988 angelegten Buntbrachen<br />

118<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

mittlerweile spontan einige sehr seltene Ackerblumen wie 3<br />

der Kleine Venusspiegel aufgetreten (Billing & Bolliger,<br />

1998).<br />

2.7 Zusammenfassung<br />

Die intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung bestimmt den<br />

L<strong>and</strong>schaftscharakter im Klettgau. Dabei bestehen deutliche<br />

Unterschiede zwischen dem deutschen und dem<br />

Schweizer Klettgau. In einem 400 m breiten Transekt im<br />

deutschen Teil des Klettgaus liegt der Anteil der naturnahen<br />

Flächen bei 14.4%, im Transekt im Schweizer Klettgau bei<br />

5.3%. Die Werte für den deutschen Transekt liegen vermutlich<br />

über dem Durchschnitt im deutschen Klettgau, so dass<br />

der tatsächliche Unterschied etwas geringer sein wird. Die<br />

Entfernung zwischen zwei naturnahen Flächen- entlang der<br />

Transsektachse - kann innerhalb der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

bis zu 290 m (CH) bzw. 440 m (D) betragen. Wertvolle<br />

Wiesen liegen bis zu 820 m (CH) bzw. 760 m (D) ausein<strong>and</strong>er.<br />

Für Hecken, Feldgehölze und Buschgruppen liegt der<br />

Abst<strong>and</strong> bei maximal 420 m (CH) bzw. 930 m (D). Sowohl<br />

im Schweizer als auch im deutschen Klettgau bestehen<br />

Defizite insbesondere in der Klettgaurinne und in den Rebbergen.<br />

Hier sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich,<br />

um eine umweltgerechte Nutzung der L<strong>and</strong>schaft zu erreichen.<br />

Dabei besteht gegenwärtig ein bedeutendes Potential,<br />

ökologische Aufwertungen durchzuführen, die auch die Erlebnisqualität<br />

der L<strong>and</strong>schaft verbessern.<br />

Zukünftig wird bei einer Zunahme von den Bereichen<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft, Siedlung und Verkehr weiterhin Druck auf<br />

die L<strong>and</strong>schaft ausgeübt werden. Die Ökologisierung der<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft steht gegenwärtig im Mittelpunkt vieler Bemühungen<br />

auf Bundes-, Länder- bzw. Kantons- und kommunaler<br />

Ebene sowie zahlreicher privater Organisationen.<br />

Verkehr und Siedlung als mögliche L<strong>and</strong>schaftsstressoren<br />

finden im Klettgau gegenwärtig weniger Beachtung.<br />

partizipatives Bewertungsa<br />

instrument<br />

Massnahmen zur naChha,'fI~ren<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

3. 1 Einführung<br />

Welcher Massnahme zur Erhaltung und Förderung von Natur-<br />

und L<strong>and</strong>schaftswerten soll unter gegebenen Umständen<br />

der Vorzug gegeben werden? Dies ist eine der zentralen<br />

Fragen für Behörden und private Organisationen des Naturschutzes<br />

und der L<strong>and</strong>schaftspflege. In den meisten Fällen<br />

werden diese Fragen behörden- oder organisationsintern<br />

geklärt. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, dass die Bevölkerung<br />

mit den vorgeschlagenen Massnahmen wenig anfangen<br />

kann und Konflikte mit betroffenen Interessengruppen<br />

erst spät erkannt werden. Verfahren, die dieser Gefahr begegnen<br />

und eine Beteiligung der Bevölkerung an der Entscheidungsfindung<br />

ermöglichen, sind hingegen häufig zu<br />

aufwendig, um auf regionaler Ebene durchgeführt zu werden.<br />

Es war daher unser Ziel, ein Verfahren zu entwickeln,<br />

bei dem die Bevölkerung in nachvollziehbarer Weise in die<br />

Bewertung der zur Wahl stehenden Massnahmen einbezogen<br />

wird und das sich zugleich durch geringen zeitlichen<br />

Aufw<strong>and</strong> für die Beteiligten auszeichnet.<br />

Die grundlegende Idee war folgende: Die zur Auswahl<br />

stehenden Massnahmen werden anh<strong>and</strong> von neun universellen<br />

Kriterien bewertet. Die beteiligten Personen bestimmen<br />

- jeweils für sich - wie wichtig die einzelnen Kriterien<br />

relativ zuein<strong>and</strong>er sind und wie die verschiedenen Massnahmen<br />

hinsichtlich der Kriterien abschneiden. Aus diesen<br />

Angaben wird dann die Reihenfolge der Massnahmen ermittelt.<br />

Das Ausrnass, in dem Entscheidungen schon vor dem<br />

Einbezug der Bevölkerung getroffen werden, bestimmt wesentlich<br />

den zeitlichen Aufw<strong>and</strong>, den die beteiligten Personen<br />

erbringen müssen. In unserem Fall wurden den beteiligten<br />

Personen bereits Massnahmen und Entscheidungskriterien<br />

vorgegeben. Dies geschah im Hinblick aufdie Praktikabilität<br />

- ein gemeinsames Entwickeln der Kriterien und<br />

Auswählen der Massnahmen ist möglich und prinzipiell<br />

wünschenswert. Der Zeitbedarf steigt jedoch bei einem solchen<br />

Verfahren gewaltig an, so dass die Zahl der Personen,<br />

die beteiligt werden können, stark begrenzt wird.<br />

Im folgenden werden zunächst die theoretischen Grundlagen<br />

des Bewertungsverfahrens eingehender erläutert. Danach<br />

werden die Kriterien entwickelt, mit denen die wichtigsten<br />

Merkmale der Massnahmen erfasst und bewertet<br />

werden sollen. Anschliessend werden drei Massnahmen im<br />

Detail vorgestellt, die im Rahmen einer Bewertungsveranstaltung<br />

probehalber mitein<strong>and</strong>er verglichen wurden ­<br />

Bachrenaturierung, Anlegen von Buntbrachen und Kiesgrubenrenaturierung.<br />

Viertens wird, ausgehend von der Istsituation<br />

in den zwei L<strong>and</strong>schafts-Transekten (siehe Kapitel<br />

2), ein möglicher Sollzust<strong>and</strong> für die Zukunft entwickelt. Es<br />

wird gezeigt, welchen Beitrag die verschiedenen Massnahmen<br />

zur Erreichung dieses Sollzust<strong>and</strong>es leisten würden.<br />

Das fünfte Unterkapitel bilden die Schilderung der Bewer-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

119


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

tungsveranstaltung im Klettgau und die Präsentation der<br />

Ergebnisse. Abschliessend werden die wesentlichen Ergebnisse<br />

zusammengefasst und H<strong>and</strong>lungsoptionen aufgezeigt.<br />

Die Idee der multikriteriellen<br />

fntscheidungsfindung<br />

Der Kern der gewählten Bewertungsmethode ist ein «multikriterielles<br />

Entscheidungsverfahren». Was bedeutet das? Einer<br />

Entscheidung liegen immer mehrere Kriterien, d.h. entscheidungsrelevante<br />

Merkmale der vorh<strong>and</strong>enen Alternativen,<br />

zugrunde. So entscheidet bei der Wahl eines neuen<br />

Autos nicht allein der Kaufpreis darüber, welches Modell<br />

gekauft wird, sondern es fliessen auch <strong>and</strong>ere Merkmale wie<br />

Komfort, Sicherheit, Prestige, Praxistauglichkeit, Langlebigkeit,<br />

Energieverbrauch etc. in die Entscheidung ein. Dabei<br />

berücksichtigen verschiedene Personen unterschiedliche<br />

Kriterien, geben den verwendeten Kriterien unterschiedliches<br />

Gewicht und schätzen die angebotenen Modelle<br />

hinsichtlich der verschiedenen Merkmale unterschiedlich<br />

ein. Das Ergebnis ist eine Vielzahl verschiedener Automodelle,<br />

die nachgefragt werden. Im täglichen Leben wird man<br />

die verschiedenen Kriterien nicht ausdrücklich angeben,<br />

sondern letztlich «aus dem Bauch heraus» die Entscheidung<br />

treffen. Bei der multikriteriellen Entscheidungsfindung<br />

wird versucht, möglichst genau zu bestimmen, welche Faktoren<br />

die Entscheidung beeinflussen. Dabei gibt es drei<br />

wesentliche Schritte: erstens die Benennung aller relevanten<br />

Kriterien, zweitens ihre Gewichtung relativ zuein<strong>and</strong>er und<br />

drittens die Bewertung für jede der betrachteten Alternativen,<br />

wie gut sie hinsichtlich der einzelnen Kriterien abschneidet.<br />

Das Verfahren ist aufwendig, hat aber mehrere<br />

Vorteile. Zunächst entspricht es den Forderungen der intellektuellen<br />

Redlichkeit, sich selbst Rechenschaft darüber<br />

abzulegen, warum man diese und nicht jene Entscheidung<br />

getroffen hat. Weiterhin ermöglicht es, Aussenstehenden die<br />

Gründe für eine Entscheidung transparent darzustellen. Darüber<br />

hinaus hat es die Funktion eines gewissen Selbstschutzes,<br />

d.h. mit seiner Hilfe soll verhindert werden, dass man<br />

sich durch unüberlegtes H<strong>and</strong>eln Schaden zufügt. Drittens<br />

hilft es der Kommunikation: Meistens ist man nicht allein an<br />

einer Entscheidung beteiligt, sondern muss diese <strong>and</strong>eren<br />

gegenüber vertreten und mit diesen verh<strong>and</strong>eln. In einem<br />

solchen Fall hilft ein multikriterielles Entscheidungsverfahren,<br />

festzustellen, worüber geredet wird, und zu klären, wo<br />

die Differenzen liegen.<br />

Ein prominentes Beispiel für die mögliche konfliktlösende<br />

Wirkung von multikriterieller Entscheidungsfindung ist<br />

die Planung einer Umgehungsstrasse in der österreichischen<br />

Stadt Klagenfurt (Organisation for Economic Co-operation<br />

<strong>and</strong> Development, 1994): Die Planung für die Umgehungsstrasse<br />

begann 1938. Bis zum Jahr 1985 waren mehrere<br />

Alternativen entwickelt, diskutiert und zurückgewiesen<br />

worden. Es konnte keine Einigung darüber erzielt werden,<br />

welcher der beiden zuletzt am intensivsten diskutierten Varianten<br />

der Vorzug gegeben werden sollte. Daraufhin wurde<br />

beschlossen, eine multikriterielle Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

unter Einbeziehung von Vertretern unterschiedlicher<br />

gesellschaftlicher Gruppen durchzuführen. Das Ergeb-<br />

nis war einerseits, dass eine Kombination der beiden zuletzt<br />

diskutierten Alternativen den höchsten Nutzenwert erhielt<br />

(was zeigt, dass die Methode auch kreatives Potential besitzt),<br />

<strong>and</strong>ererseits, dass diese Variante eine breite Zustimmung<br />

erhielt und so der 50jährige Planungsprozess zu einem<br />

Abschluss gebracht werden konnte.<br />

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Verfahren für die<br />

multikriterielle Entscheidungsfindung. Sie unterscheiden<br />

sich vor allem darin, wie die Gewichtungsfunktionen (relative<br />

Gewichtung der Kriterien und Kriterienerfüllungsgrad)<br />

ermittelt werden. Eine Übersicht findet sich in Scholz &<br />

Tietje (1995).<br />

3.3 Kriterien für die Bewertung<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaItender<br />

Massnahmen<br />

3.3. 1 Anforderungen an die Kriterien<br />

Die Kriterien stehen im Zentrum jedes multikriteriellen<br />

Entscheidungsverfahrens. Von ihrer Qualität hängt entscheidend<br />

ab, ob das Verfahren Erfolg haben kann. Es ist<br />

daher nützlich, sich zuerst zu überlegen, welche Anforderungen<br />

die verwendeten Kriterien erfüllen müssen. Die Anforderungen,<br />

die unserer Wahl der Kriterien zugrunde lagen,<br />

sind in Tabelle 3.1 dargestellt.<br />

Zwischen einzelnen dieser Anforderungen ergeben sich<br />

Zielkonflikte, beispielsweise legen Praxisrelevanz und<br />

Kommunizierbarkeit eine möglichst geringe Zahl an Kriterien<br />

nahe, während die Validität der Bewertung vermutlich<br />

mit einer grösseren Zahl an Kriterien besser gewährleistet<br />

werden kann. Eine Gewichtung der Anforderungen ist daher<br />

unausweichlich. Dabei ist die wichtigste Anforderung letztlich<br />

die Validität. Ein praxisnahes multikriterielles Entscheidungsverfahren<br />

schadet mehr als es nützt, wenn die verwendeten<br />

Kriterien dazu führen, dass tendenziell die falsche<br />

Entscheidung getroffen wird. Dabei stellt sich natürlich das<br />

Problem, anh<strong>and</strong> welcher <strong>and</strong>erer Kriterien entschieden<br />

werden kann, was die richtige Entscheidung wäre.<br />

3.3.2 Auswahl der Kriterien<br />

Die Auswahl der Kriterien basierte auf einem Studium<br />

entsprechender Fachliteratur. In mehreren vonein<strong>and</strong>er unabhängigen<br />

Kleingruppen wurden Kriterien zusammengetragen.<br />

Die verschiedenen Kleingruppen konzentrierten sich<br />

auf jeweils einen Massnahmenbereich. Die Kriterien wurden<br />

in einer Plenumssitzung diskutiert, den drei Überbegriffen<br />

Ökologie, Ökonomie und Sozial-Kulturelles zugeordnet<br />

und anschliessend nach Wichtigkeit sortiert.<br />

Die drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Sozial-Kulturelles<br />

bilden das «magische Dreieck» einer «nachhaltigen<br />

Entwicklung», die seit der UN-Konferenz für Umwelt- und<br />

Entwicklung 1992 in Rio auf internationaler, nationaler und<br />

lokaler Ebene zu einem Leitbild für die zukünftige Gesellschaftsentwicklung<br />

avanciert ist. Wenngleich die normative<br />

Grundlage von nachhaltiger Entwicklung im allgemeinen<br />

unscharfbleibt, so bildet doch die Verantwortung gegenüber<br />

zukünftigen Generationen den gemeinsamen Kern der verschiedenen<br />

Nachhaltigkeitskonzepte (Renn & Kastenholz,<br />

120<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Tab. 3.1: Anforderungen an Kriterien für die Bewertung l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Massnahmen. Verändert nach SRU (Rat<br />

der Sachverständigen für Umwelt/ragen, 1994).<br />

Inhaltliche Anforderung<br />

Validität (Gültigkeit)<br />

I Allgemeine wissenschaftliche Anforderungen<br />

Transparenz (Durchschaubarkeit)<br />

Werden die Kriterien den Anforderungen des Leitbildes für eine integrative<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung gerecht? Kann damit der Inhalt des Leitbildes<br />

erfasst und beschrieben werden?<br />

Wird deutlich, welche Annahmen getroffen werden und an welcher<br />

Stelle welche normativen Elemente einfliessen? Wie wird mit Unsicherheit<br />

umgegangen?<br />

1 Reliabilität (Verlässlichkeit)<br />

Sind die Ergebnisse verlässlich? Ist die Bewertung reproduzierbar?<br />

-------------------+-----------<br />

1, Plausibilität (Nachvollziehbarkeit)<br />

Ist die Auswahl der Kriterien nachvollziehbar?<br />

Pragmatische Anforderungen<br />

Praxisrelevanz (H<strong>and</strong>lungsbezug)<br />

Ist eine Unterscheidung verschiedener Massnahmen im Hinblick auf<br />

eine nachhaltige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung möglich? Leisten die Kriterien<br />

Hilfestellung bei der Auswahl und Gestaltung zukünftiger Massnahmen?<br />

I Kommunizierbarkeit (Vermittelbarkeit) Sind die Kriterien allgemeinverständlich?<br />

Praktikabilität (Umsetzbarkeit)<br />

Ist der Aufw<strong>and</strong> für die Datenerhebung und Auswertung im Vorfeld<br />

der Bewertung und bei der Bewertung vertretbar? Sind die Kriterien<br />

für eine Vielzahl von Massnahmen und Entscheidungssituationen anwendbar?<br />

1996). Die drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Sozial­<br />

Kulturelles gelten als die entscheidenden Aspekte dieser<br />

Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen, weil<br />

sie die natürlichen Grundlagen menschlicher Gesellschaften,<br />

ihren materiellen Wohlst<strong>and</strong> und den psychischen, sozialen<br />

und kulturellen Bereich abbilden.<br />

Für jeden dieser drei Überbegriffe wurden jeweils drei<br />

Kriterien ausgewählt. Diese gleichmässige Verteilung der<br />

Kriterien erfolgte, um nicht allein durch die unterschiedliche<br />

Anzahl von Kriterien eine unterschiedliche Gewichtung der<br />

Bereiche nahezulegen. Da die Kriterien aufalle betrachteten<br />

Massnahmen anwendbar sein sollten, musste der Abstraktionsgrad<br />

der Kriterien relativ hoch sein.<br />

Die Entscheidung, insgesamt nur neun Kriterien zu verwenden,<br />

war ein Gebot der Vermittelbarkeit und Umsetzbarkeit.<br />

Um die Kriterien gegenein<strong>and</strong>er gewichten zu können,<br />

muss eine minimale Vertrautheit mit ihnen gewährleistet<br />

sein. Innerhalb des sehr begrenzten Zeitrahmens, der für die<br />

Bewertung zur Verfügung st<strong>and</strong>, schien uns eine grössere<br />

Zahl von Kriterien nicht vermittelbar.<br />

Im Bereich der Ökologie enstprechen die drei gewählten<br />

Kriterien den drei Dimensionen der lokalen Qualität, der<br />

räumlichen Ausdehnung und Anordnung und der Zeit.<br />

Im Bereich der Ökonomie werden die direkten materiellen<br />

Auswirkungen der Massnahmen auf die individuell Betroffenen<br />

sowie die direkten und indirekten materiellen Auswirkungen<br />

aufdie Allgemeinheit betrachtet.<br />

Das Sozial-Kulturelle wird durch den Erholungswert, das<br />

Traditionelle bzw. Spezifische der <strong>Region</strong> und die Art der<br />

Beteiligung der Bevölkerung repräsentiert.<br />

Der vielleicht grösste Kritikpunkt an den vorgestellten<br />

Kriterien ist, dass sie nicht ausreichend präzise formuliert<br />

und nicht mit Erhebungsvorschriften verbunden sind. Diese<br />

fehlende Operationalisierung verhindert eine detaillierte<br />

Diskussion der Kriterien und schränkt damit die Anforderungen<br />

der Transparenz und Plausibilität ein.<br />

Die gewählten Kriterien sind in Tabelle 3.2 dargestellt.<br />

Zusätzlich ist das Gewicht angegeben, das den einzelnen<br />

Kriterien an der unten beschriebenen Bewertungsveranstaltung<br />

von den teilnehmenden Personen gegeben wurde (vgl.<br />

Kap. 3.6).<br />

3.4 Massnahmen zur Aufwertung der<br />

l<strong>and</strong>schaft<br />

Neben den Kriterien bildet die Auswahl der zu bewertenden<br />

Massnahmen ein weiteres zentrales Element bei der multikriteriellen<br />

Entscheidungsfindung. Im Hinblick auf die Vermittelbarkeit<br />

der Bewertungsveranstaltung beschränkten<br />

wir uns auf drei Massnahmen: Bachrenaturierung, Anlage<br />

von Buntbrachen und Kiesgrubenrenaturierung. Diese wurden<br />

aufgrund von Gesprächen mit Vertretern der Bevölkerung<br />

in den Begleitgruppensitzungen (s. Kap. 1.2), Diskussionen<br />

mit Fachleuten aus dem Bereich des L<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />

und aufgrund eigener Vorstellungen ausgewählt.<br />

Im einzelnen sprachen folgende Gründe für die Wahl der<br />

Massnahmen:<br />

UNS-Fallstudie '98 121


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Tab. 3.2: Die neun Kriterien zur Bewertung von Massnahmen zur Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft im Klettgau. Die in Klammern nach jedem<br />

Hauptkriterium angegebene Zahl entspricht der in der Bewertungsveranstaltung ermittelte Gewichtung (vgl. Kapitel 3.6).<br />

i<br />

I Unterkriterien Beschreibung (Beispiele) Die Bewertung ist umso höher •••<br />

Biotop- Artenvielfalt Anzahl verschiedener Arten, z.B. Schmetter- je höher die Artenvielfalt ist<br />

qualität<br />

linge, Frösche, Vögel, Blumen<br />

(14)<br />

Fläche Grösse der einzelnen naturnahen Flächen; Anteil je höher der Anteil naturnaher Fläche und je<br />

naturnaher Flächen im Perimeter<br />

grösser die einzelne naturnahe Fläche ist<br />

Störungen negative menschliche Einflüsse auf die natur- je geringer die Störungen sind<br />

nahe Fläche, z.B. Lärm, Pestizide, Eutrophierung,<br />

Auslösen von Fluchtverhalten bei Wildtieren<br />

durch W<strong>and</strong>erer und v.a.m.<br />

extensive Nutzung beispielsweise ungedüngtes Grünl<strong>and</strong>, biolo- je extensiver die Nutzung ist (dies gilt nur<br />

gischer Anbau, extensive Weidewirtschaft tendenziell, je nach Habitattyp ist ein Mindestmass<br />

an regelmässiger Intervention nötig)<br />

St<strong>and</strong>orteignung Ist die Massnahme ökologisch sinnvoll für diesen je geeigneter der St<strong>and</strong>ort für die ökologische<br />

St<strong>and</strong>ort? Bei schlechter Wasserqualität bringt Aufwertungsmassnahme ist<br />

eine Bachrenaturierung beispielsweise nicht viel.<br />

Aus einer Fettwiese kann kurzfristig keine<br />

Magerwiese entstehen.<br />

Strukturvielfalt Garantiert höheren Anteil an Brutmöglichkeiten, je mehr Strukturen vorh<strong>and</strong>en sind<br />

Überwinterungsmöglichkeiten, Trittsteinen für<br />

w<strong>and</strong>ernde Tiere, Deckung für die Tiere. Bsp.:<br />

Viele Nützlinge überwintern in Altgras und<br />

Staudensäumen.<br />

Verbund Raumanordnung Relative Lage von naturnahen Flächen im Raum. je geringer die Abstände zwischen benachbarten<br />

(13) Eine im Raum verstreute Anordnung der natur- Flächen sind<br />

nahen Fläche hat eine Biotopverbundfunktion<br />

Zerstückelung Zerschneidung der L<strong>and</strong>schaft durch Strassen, je geringer der Widerst<strong>and</strong> ist, der von der<br />

Gebäude, Siedlungen. Konsequenzen: für Tiere Matrix, das heisst dem L<strong>and</strong> zwischen den<br />

kaum überwindbare Barrieren und Verkleine- Flächen, ausgeübt wird<br />

rung des Lebensraumes<br />

Lang- natürliche Die Natur soll die Möglichkeit haben, sich je höher Persistenz und Resilienz sind<br />

fristigkeit Entwicklung spontan zu entfalten. Bsp.: periodische Über-<br />

(15) f1utung eines Bachabschnittes<br />

Flächensicherung Die naturnahe Fläche bleibt langfristig ge- je geringer die mit der Massnahme verbunsichert,<br />

z.B. Heckenpflazung, Trockenmauer denen Nutzungskonflikte sind<br />

Pflege Um die ökologische Qualität aufrechtzuer- je geringer der explizite Pflegebedarf ist (wobei<br />

halten, brauchen bestimmte naturnahe Flä- sich Pflege auf die Arbeit bezieht, die<br />

I,<br />

chen Pflege.<br />

ausschliesslich oder in erster Linie für den Erhalt<br />

Bsp.: Trockenst<strong>and</strong>orte müssen gemäht wer- der Habitatqualität eingesetzt wird)<br />

den, damit sie nicht verbuschen.<br />

Synergien indirekte positive Positive Effekte aufTourismus, <strong>Region</strong>al- Die Synergien sind umso höher,<br />

(8) Effekte auf <strong>and</strong>ere entwicklung, <strong>Region</strong>almarketing<br />

Bereiche der<br />

je grösser die indirekten positiven Effekte sind<br />

Wirtschaft und<br />

Gesellschaft<br />

Fortsetzung nächste Seite<br />

122 UNS-Fallstudie '98


________________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Tab. 3.2: Fortsetzung<br />

Unterkriterien Beschreibung (Beispiele) Oie Bewertung ist umso höher ...<br />

Kosten/ Arbeitsmöglich- Werden bei der Ausführung des Projekts je mehr und je längerfristiger Arbeitsmöglich-<br />

Nutzen für keiten Arbeitsmöglichkeiten geschaffen? keiten geschaffen werden und je geringer die Kosten<br />

die<br />

sind, je grösser und gleichmässiger verteilt der Nutzen ist<br />

Allgemeinheit<br />

(9) Sponsoring Könnte das Projekt finanzielle oder perso- je besser ein spezifischer Privatnutzen (z.B. Werbewirknelle<br />

Mittel von Privatpersonen, Unterneh- samkeit für einen Sponsoren) durch einen speziellen<br />

men oder öffentlichen Stellen erhalten? Beitrag dieses Privaten am Realisierungsaufw<strong>and</strong> wieder<br />

dem Projektziel zugute kommt<br />

Projektausführung Kosten für die Projektausführung: Material, je leichter/billiger/konfliktärmer die Realisierung ist<br />

Personal<br />

Pflege Kosten für den Pflegeaufw<strong>and</strong> je geringer Folge- und Unterhaltsaufw<strong>and</strong> sind<br />

Kosten/ Subventionen/ Ausgleichszahlungen, Beiträge für ökolo- je höher und verlässlicher der Gewinn für den Direkt-<br />

Nutzen für Einkünfte gisehe Massnahmen, die der Flächenbe- betroffenen ist<br />

Eigentümer/<br />

sitzer erhält. Bsp.: Wechsel von intensiver<br />

Eigentümerin<br />

zu extensiver Nutzung oder Anlegen von<br />

oder<br />

Buntbrachen bedeuten einen Einkommens-<br />

Bewirtschaf-<br />

ausfall, dieser wird jedoch durch Subventer/Bewirt-<br />

tionen kompensiert<br />

schafterin<br />

(10) Pflege Pflegeaufw<strong>and</strong> (Personal, Arbeitsmittel, je geringer der Pflegeaufw<strong>and</strong> ist<br />

Zeit) nach Umsetzung der Massnahme<br />

Erholungs- Naturerfahrung Wahrnehmung von Geräuschen, z.B. des je intensiver die positive Naturerfahrung ist<br />

wert (10)<br />

Plätscherns von Wasser; von Düften,<br />

Farben und Stimmungen aus der Natur.<br />

Die Massnahme ermöglicht eine zusätzliche,<br />

im Klettgau kaum vorh<strong>and</strong>ene<br />

Naturerfahrung<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild Optische Wahrnehmung des L<strong>and</strong>schafts- je harmonischer das L<strong>and</strong>schaftsbild ist<br />

bildes (Strukturen und Formenvielfalt)<br />

Naturbeobachtung Möglichkeit zur Beobachtung von Tieren je mehr Möglichkeiten zur Beobachtung bestehen<br />

und Pflanzen<br />

Erlebniswert Die L<strong>and</strong>schaft bietet die Möglichkeit zur je höher der Erlebniswert ist<br />

seelischen, geistigen und körperlichen<br />

Erholung<br />

Zugänglichkeit Der Ort der Massnahme kann ungehindert je besser zugänglich die Fläche ist und je weniger die<br />

erreicht werden, z.B. keine Einzäunung Fläche durch den Besuch gestört wird<br />

<strong>Region</strong>ale L<strong>and</strong>schafts- Die typische Eigenart der L<strong>and</strong>schaft bleibt je mehr die L<strong>and</strong>schaft durch die Massnahme in den<br />

Identifikation charakter erhalten und wird gestärkt positiv empfundenen Aspekten ihrer Eigenart bestärkt<br />

(9) wird<br />

Kulturelles Die L<strong>and</strong>schaft lässt die kulturelle Vergan- je stärker die Massnahme kulturell verankert ist und/<br />

Verständnis genheit ihrer Bevölkerung erkennen oder zu einer fruchtbaren Erweiterung der Kultur beiträgt<br />

Beteiligung Einbezug der Information der Bevölkerung und öffent- je mehr die Bevölkerung das Projekt als das ihre<br />

der Bevölke- Bevölkerung liehe Diskussion in den betroffenen Ge- empfindet<br />

rung(12)<br />

meinden<br />

Gerechte Die Lasten werden gerecht über alle Betei- je gerechter die Kosten und Nutzen verteilt sind<br />

Lastenverteilung ligten verteilt. Es werden keine Ungerechtigkeiten<br />

,<br />

geschaffen<br />

Akzeptanz Die Massnahme trifft auf eine breite Akzep- je höher die Akzeptanz in der Bevölkerung für die<br />

tanz<br />

Massnahme ist<br />

UNS-Fallstudie '98 123


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Das natürliche Gewässersystem der Klettgaurinne gestaltete<br />

wesentliche Teile der Ebene und verunmöglichte mit<br />

regelmässigen Überschwemmungen eine intensive Nutzung<br />

vieler Gebiete. Die vorh<strong>and</strong>enen Bäche im Klettgau sind<br />

weitgehend von Menschen geschaffen worden, um den Boden<br />

zu entwässern und Ackerl<strong>and</strong> zu gewinnen (Gmür et al.,<br />

1958). In vielen Fällen kann daher streng genommen nur<br />

eingeschränkt von einer «Renaturierung» dieser Wasserläufe<br />

gesprochen werden. Da Bäche aber zur «natürlichen<br />

Ausstattung» der Klettgaurinne gehörten, bevor die Kulturtätigkeit<br />

des Menschen die L<strong>and</strong>schaft überformte, und sie<br />

wichtige ökologische Funktionen ausüben sowie einen hohen<br />

Erholungswert besitzen, bildet die natürlichere Gestaltung<br />

der vorh<strong>and</strong>enen Wasserläufe eine attraktive l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />

Massnahme.<br />

Kiesgruben bilden markante künstliche Elemente in der<br />

Klettgauer L<strong>and</strong>schaft. Zudem besitzen stillgelegte und renaturierte<br />

Kiesgruben ein bedeutendes Naturschutzpotential<br />

(Classen et al., 1998).<br />

Das Anlegen VOn Buntbrachen und Ackerr<strong>and</strong>streifen<br />

wird im schweizerischen Klettgau seit 1989 aktiv vom Kanton<br />

Schaffhausen wie auch VOn der Vogelwarte Sempach<br />

gefördert, seit 1992 zusätzlich durch Bundesbeiträge im<br />

Rahmen des Art. 31 b des alten L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetzes. In<br />

Baden-Württemberg wird die Anlage von Buntbrachen über<br />

das Programm zum Marktentlastungs- und Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich<br />

(MEKA) gefördert (Ministerium für ländlichen<br />

Raum, 1995). In der l<strong>and</strong>wirtschaftlich intensiv genutzten<br />

Klettgaurinne bieten Buntbrachen eine bedeutende<br />

Möglichkeit, Lebensräume mitein<strong>and</strong>er zu vernetzen und<br />

neue Lebensräume zu schaffen.<br />

Eine detaillierte Beschreibung der drei Massnahmen ist in<br />

Tabelle 3.3 und Abbildung 3.1 gegeben; dieselben Informationen<br />

wurden auch in der Bewertungsveranstaltung verwendet.<br />

3.5 Entwickeln eines möglichen<br />

Sol/zust<strong>and</strong>s<br />

Um einen Anhaltspunkt für den Beitrag der verschiedenen<br />

Massnahmen zu einer zukünftigen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

zu geben, entwickelten wir ein Sollszenario für die beiden in<br />

Kapitel 2.2 beschriebenen Transekte.<br />

3.5.1 Vorgehen<br />

Dabei gingen wir VOn folgenden Fragen aus: Wieviel naturnahe<br />

Fläche wird benötigt? Wo soll diese liegen? Wie sollen<br />

die Flächen beschaffen sein, d.h. unter <strong>and</strong>erem, welche<br />

Vegetation soll dort gedeihen? Über welchen Zeitraum muss<br />

die Fläche erhalten werden; welche Gestaltungs- und Pflegemassnahmen<br />

sind nötig?<br />

Bei der Beantwortung dieser Fragen stützten wir uns auf<br />

Forderungen aus der Naturschutzliteratur und aufdie Gesetzesgrundlagen<br />

in der Schweiz. Nach dem Art. 7 der Verordnung<br />

über die Direktzahlungen an die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

(DZV) ist ein Anteil von 7% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche<br />

als ökologische Ausgleichsfläche auszuscheiden, um<br />

ökologische Direktzahlungen erhalten zu können (s. Anhang<br />

6.2, Artikel 7 der Direktzahlungsverordnung). Im Rahmen<br />

der Agrarpolitik 2002 ist vorgesehen, diesen Anteil bis<br />

zum Jahr 2006 auf 10% zu erhöhen. Für das schweizerische<br />

Mittell<strong>and</strong> wird von mehreren Autoren ein Anteil von 10­<br />

12% naturnaher Fläche an der Gesamtfläche gefordert<br />

(Broggi & Schlegel, 1989; Jenny et al., 1997). Dieser Anteil<br />

entspricht demjenigen der frühen sechziger Jahre, die als<br />

Referenzpunkt genommen werden, weil damals noch eine<br />

deutlich höhere Artenvielfalt im Mittell<strong>and</strong> zu verzeichnen<br />

war. Ob ein Flächenanteil von 12% ausreicht, um die Artenvielfalt<br />

der sechziger Jahre wieder zu erreichen, ist nicht<br />

sicher, er beschreibt eine untere Grenze des möglichen<br />

Bedarfes an naturnahen Flächen im Schweizer Mittell<strong>and</strong>.<br />

Bei der Herleitung von Regeln für die räumliche Verteilung<br />

von ökologisch wertvollen Flächen stützten wir uns auf<br />

die Empfehlung VOn Broggi und Schlegel (1989), dass der<br />

Abst<strong>and</strong> zwischen einzelnen Hecken nicht mehr als 150 bis<br />

200 m betragen sollte. Diese Regel übertrugen wir in erster<br />

Näherung auf naturnahe Flächen im allgemeinen, d.h. wir<br />

arbeiteten mit einer weniger strikten Vorgabe.<br />

Der zeitliche Aspekt der verschiedenen Massnahmen<br />

wurde nicht berücksichtigt, da er für den spezifischen<br />

Zweck der Sollkarte nicht relevant war. Die ausgewählten<br />

Massnahmen und die zugrundeliegende Literatur sind in<br />

Tabelle 3.4 beschrieben.<br />

3.5.2 Ergebnis und Diskussion<br />

Ausgehend VOn der gegenwärtigen Verteilung der naturnahen<br />

Flächen in den beiden Transekten bestimmten wir unter<br />

Verwendung der oben beschriebenen Regeln Lage und Typ<br />

zusätzlicher naturnaher Flächen und visualisierten diese<br />

mittels des Geoinformationssystems ArcView®.<br />

Die Karten für die erarbeiteten Sollzustände der beiden<br />

Transekte sind in Anhang 1 dargestellt. Die Auswertung der<br />

erhaltenen Flächenanteile für die verschiedenen Zonen ergab<br />

folgendes Bild (vgl. Kap. 2.2 für den Istzust<strong>and</strong>):<br />

In der L<strong>and</strong>wirtschaftszone des SchweizerTransekts liegt<br />

der Anteil naturnaher Flächen insgesamt bei 8.3%, in der<br />

Talebene bei 6.4%. Im deutschen Untersuchungsgebiet wurde<br />

der Anteil in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone insgesamt auf<br />

16.5%, in der Talebene auf8.0% angehoben. In den Rebbaugebieten<br />

wurde der Anteil sowohl im deutschen als auch im<br />

schweizerischen Untersuchungsgebiet auf5.0% angehoben.<br />

Diese Massnahmen führen zu einem Gesamtergebnis von<br />

7.9% naturnaher Flächen im schweizerischen und 15.5% im<br />

deutschen Transekt.<br />

Wie sich in den Diskussionen mit L<strong>and</strong>wirten an der<br />

Bewertungsveranstaltung (vgl. Kapitel 4.6) zeigte, war die<br />

genaue Orientierung der Flächen häufig ungünstig, da viele<br />

quer zur Bewirtschaftungsrichtung der Felder lagen. Es<br />

stellt sich die Frage, in welchem Ausrnass die Orientierung<br />

der naturnahen Flächen ihren ökologischen Wert beeinflusst.<br />

Dass die Lage von Habitatflächen relativ zurZugrichtung<br />

VOn Zugvögeln für die Artenvielfalt und Siedlungsdichte<br />

bedeutsam ist, ist empirisch belegt (Gutzwiller &<br />

Anderson, 1992). Ob und in welchem Masse ähnliche Effekte<br />

bei ökologischen Ausgleichsflächen in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

auftreten, beispielsweise bezüglich der Orien-<br />

124<br />

UNS-Fallstudie '98


e<br />

zCIl<br />

-N Ut<br />

(1992), Bossert et al. (1996), al. (1985)<br />

Fortsetzung nächste Seite<br />

Tab. 3.3: Die drei Massnahmentypen «Bachrenaturierung», «Buntbrache» und «Kiesgrubenrenaturierung» in der Übersicht.<br />

Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />

Ziel Der Seegraben soll durch bauliche Massnahmen Strukturarme Lebensräume, primär Ackerbau- Durch die Renaturierung einer erschöpften Kiesl<strong>and</strong>schaftlich<br />

und ökologisch aufgewertet gebiete, sollen durch Buntbrachestreifen von je 5 grube sollen Ersatzlebensräume für Pflanzen und<br />

werden. Der relativ gleichförmige Kanal wird x 200 m Fläche l<strong>and</strong>schaftlich und biologisch Tiere geschaffen werden, deren ursprüngliche<br />

stärker strukturiert und die Fischgängigkeit wird aufgewertet werden. Lebensräume in der heutigen Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

sichergestellt. Die Grasböschung soll durch eine<br />

verschwunden sind.<br />

st<strong>and</strong>ortgerechte Bepflanzung mit Gehölzen<br />

ersetzt werden.<br />

Durchführende CH CH CH<br />

Instanz .. Gemeinden Wilchingen und Osterfingen .. Grundeigentümer, Bewirtschafter .. Kiesunternehmer (Gestaltung)<br />

.. Tiefbauamt Schaffhausen .. finanziert durch ökolog. Direktzahlungen .. Gemeinde Wilchingen, kantonale<br />

.. Planungs- und Naturschutzamt nach LWG Art. 31 b unter Mithilfe der Naturschutzbehörde oder Private (Pflege)<br />

Schaffhausen Gemeinde (Jagdpacht) und Privater D<br />

D D .. Kiesunternehmer (Gestaltung)<br />

.. Gemeinde Klettgau .. Grundeigentümer, Bewirtschafter .. Gemeinde Klettgau, Naturschutzbehörde<br />

Amt für Wasserbau .. gestützt auf MEKA (Marktentlastungs- und oder Private (Pflege)<br />

"<br />

Naturschutzbehörde<br />

Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleichsprogramm des<br />

..<br />

"<br />

L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg)<br />

Flurbereinigungsbehörde<br />

Zeitlicher Aufw<strong>and</strong> 3 Monate baulicher Veränderungen Anlage (Pflügen, Eggen, Säen) und Pflege: 1 Monat baulicher Veränderungen<br />

ca. 11 h pro 10'000 m' und Jahr<br />

Pflegemassnahmen .. Erfolgskontrolle mit allfälligen .. Mähen der Hälfte der Fläche 1x pro Jahr Verhinderung einer allzu starken<br />

"<br />

Nachbesserungen (zw. März und September) Verbuschung (jährlich)<br />

.. Langfristig keine Pflege notwendig Einzelstockbekämpfung von<br />

"<br />

.. Schaffung vegetationsfreier Pionierflächen<br />

Problemunkräutern (Ackerkratzdistel)<br />

(alle paar Jahre)<br />

.. Verhinderung der Verl<strong>and</strong>ung von<br />

Flachwasserbereichen<br />

Ort der Durchführung CH Ackerbaugebiete, vor allem in der Klettgaurinne CH<br />

Seegraben in der Nähe von Wilchingen CH Kiesgrube in Wilchingen (ca. 60'000 m 2 )<br />

Streckenlänge: 670 m 71 '000 m 2 (= 71 Buntbrachestreifen a 5 x D<br />

0 200 m) Kiesgrube in Geisslingen (ca. 100'000 m 2 von<br />

Seegraben in der Nähe von Riedern 0 insgesamt 400'000 m')<br />

Streckenlänge: 700 m<br />

167'000 m' (= 167 Buntbrachestreifen a 5 x<br />

200 m)<br />

Folgen Die Massnahme stellt eine Erhöhung der l<strong>and</strong>- Die Massnahme stellt eine Aufwertung der Es entsteht ein vielfältiger Lebensraum für<br />

schaftlichen Attraktivität dar und ist ein wichtiges l<strong>and</strong>schaftlichen Attraktivität dar und ist ein gefährdete Tiere und Pflanzen. Wenn das Projekt<br />

Element der Vernetzung verschiedener Biotope. wichtiges Element der Vernetzung verschiedener nicht durchgeführt wird, muss der Kiesunter-<br />

Sie bietet Lebensraum für bedrohte Tierarten Biotope. Sie bietet Lebensraum für bedrohte nehmer mangels geeignetem Auffüllmaterial<br />

(Überwinterung, Fortpflanzungshabitat) und Tierarten (Überwinterung, Fortpflanzungshabitat) trotzdem eine Renaturierung vornehmen.<br />

fördert eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt. und fördert eine vielfältige Pflanzen- und Dadurch wäre die Pflege jedoch nicht gesichert,<br />

Tierwelt.<br />

und die Grube würde längerfristig zum grossen<br />

Teil verbuschen.<br />

Quellen AGW (1996), AGW (1997), Kiene (1996), LfU BLW (1997a); BLW (1997b); MLR (1995) Assmann (1990), Lenzin (1987), Kemmerling et<br />

>11<br />

r;<br />

'"e<br />

ft<br />

\Ö<br />

00<br />

t'""<br />

~<br />

0..<br />

iIj<br />

::r<br />

!"<br />

::t><br />

(Jq '"<br />

(j)<br />

[<br />

'"<br />

e::l<br />

(Jq


-IV<br />

0'1<br />

2CI)<br />

00<br />

Fortsetzung nächste Seite<br />

Tab. 3.3: Fortsetzung<br />

Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />

Biotopqualität Durch die Verbreiterung des Bachlaufes von 12 Die extensive Nutzung nimmt zu. 200'000 SFr. Die Fläche beträgt ca. 60 ha. Die Störungen<br />

auf 20 m werden die Störungseinflüsse (Stoff- werden eingesetzt als Ertragsausgleich (Ersatz durch allfällige Kiesgrubenbesucher sind gering.<br />

eintrag, grössere Entfernung zur Strasse) ver- Weizen durch Buntbrache). Dies ergibt eine Infolge der Vielfältigkeit der St<strong>and</strong>orte ist eine<br />

ringert, zudem werden 5360 m 2 Ackerl<strong>and</strong>/ Fläche von 71 '000 m' (entspricht 71 Buntbrache- bedeutende Artendiversität zu erwarten. Die<br />

Wiese in extensive Fläche umgew<strong>and</strong>elt. Durch streifen a 5 x 200 m). Die Anzahl/Stärke der Massnahme ist an diesem St<strong>and</strong>ort geeignet, da<br />

eine st<strong>and</strong>ortgerechte Uferbepflanzung und ein Störungen bleibt unverändert. Die Massnahme bereits heute schützenswerte Pflanzen und Tiere<br />

strukturiertes Bachbett wird die Biodiversität erhöht die Artenvielfalt. Der St<strong>and</strong>ort ist vorh<strong>and</strong>en sind. Das Gestaltungskonzept<br />

gefördert. geeignet. Die Strukturvielfalt nimmt zu. garantiert eine grosse Strukturvielfalt.<br />

Verbund Die engere Verzahnung zwischen Wasser und Buntbrachestreifen tragen zur Vernetzung des Die renaturierte Kiesgrube ist eine Insel in der<br />

L<strong>and</strong> fördert vor allem den kleinräumigen Lebensraums bei. Kulturl<strong>and</strong>schaft, da in der Umgebung keine<br />

Q)<br />

'50<br />

Verbund. Der grossräumige Verbundeffekt ist ähnlichen Lebensräume vorh<strong>and</strong>en sind.<br />

0 begrenzt, da der renaturierte Bachabschnitt in<br />

(5<br />

-"L<br />

der Länge (nur ein Teilabschnitt wird renaturiert)<br />

:0 isoliert ist. Da der Bach nur durch eine schmale<br />

Wiese vom Waldr<strong>and</strong> getrennt ist, sollte der<br />

Zugang für Tiere zumindest einseitig<br />

gewährleistet sein.<br />

Langfristigkeit Da die Investitionskosten relativ hoch sind und Die natürliche Entwicklung ist nur beschränkt Die Qualität der Fläche ist langfristig (10 Jahre)<br />

die Entwicklung eines naturnahen Baches einige gewährleistet. Die naturnahe Fläche und gesichert.<br />

Jahrzehnte beansprucht, muss eine langfristige zugleich auch deren Pflege bleiben auf zehn<br />

Flächensicherung garantiert sein. Da sich das Jahre gesichert.<br />

System längerfristig selbst regulieren sollte, muss<br />

die Sicherung der Pflege nicht berücksichtigt<br />

werden.<br />

Synergien Durch die Verbreiterung des Bachbettes und die Die Buntbrache hat einen positiven Effekt auf Das Projekt hat keinen Einfluss auf <strong>and</strong>ere<br />

geringere Fliessgeschwindigkeit entsteht ein den Tourismus. Bereiche der Wirtschaft.<br />

leicht vergrössertes Wasserrückhaltevermögen.<br />

Dies wirkt sich positiv auf die Hochwassersicherheit<br />

aus. Die breitere Pufferzone zum Ackerl<strong>and</strong><br />

bzw. Wiesl<strong>and</strong> vermindert den Stoffeintrag<br />

(Dünger, Pflanzenschutzmittel ), was sich positiv<br />

auf die Wasserqualität auswirkt.<br />

Q) Allgemeine Die Projektkosten von 200'000 SFr. fliessen Die öffentliche H<strong>and</strong> zahlt an Okobeiträgen Die Pflege kann an die Gemeinde, an die<br />

'E Kosten/Nutzen grösstenteils dem lokalen Baugewerbe zu. Die 3'000 SFr. pro 10'000 m' und Jahr. Es werden kantonale Naturschutzbehörde oder an Private<br />

0<br />

c Kostenbeteiligung von Privatpersonen, Unter- keine zusätzlichen Arbeitsmöglichkeiten (z.B. Bauern) übergeben werden. Sponsoring ist<br />

0<br />

-"L<br />

nehmen oder Naturschutzorganisationen geschaffen. möglich.<br />

:Q könnte die Umsetzung des Projektes erleichtern.<br />

Individuelle Die angrenzenden L<strong>and</strong>eigentümer werden für Der Bewirtschafter erhält die Okobeiträge, muss Der Kiesunternehmer übernimmt die Endge-<br />

Kosten/Nutzen den L<strong>and</strong>bedarf entschädigt. seinerseits aber mit rund 600 SFr. Kosten für die staltung. Dafür kann auf die vollständige Auf-<br />

Bewirtschaftung rechnen (Saatgut, Maschinen, füllung und Rekultivierung verzichtet werden.<br />

Lohn etc.). Der Deckungsbeitrag (Erträge minus Daher entstehen dem Eigentümer keine Mehr-<br />

Kosten) beträgt 200'000 SFr.<br />

kosten. Nach der Endgestaltung tritt der Eigentümer<br />

das Grundstück an die Gemeinde, an die<br />

kantonale Naturschutzbehörde oder an Private<br />

ab, welche die Pflegekosten übernehmen.<br />

~<br />

~ &.<br />

('l><br />

-6<br />

i ri<br />

::r<br />

l"<br />

~<br />

~<br />

~::l<br />

(Jq


i<br />

~<br />

[<br />

ö'<br />

I.Ö<br />

00<br />

Tab. 3.3: Fortsetzung<br />

Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />

Erholungswert Der Bachlauf wird aufgeweitet und naturnäher Buntbrachen werten das L<strong>and</strong>schaftsbild auf. Die Die Massnahme ermöglicht eine zusätzliche, im<br />

gestaltet. Da sich der renaturierte Bachabschnitt Naturerfahrung durch Wahrnehmung von Klettgau natürlicherweise kaum vorh<strong>and</strong>ene<br />

nahe am Waldr<strong>and</strong> befindet, wird das gross- Düften und Farben und die Beobachtung von Naturerfahrung. Die Kiesgrube ist l<strong>and</strong>schaftsräumige<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild nicht stark verändert. Pflanzen und Tieren ist beschränkt möglich, da fremd. In der renaturierten Grube können<br />

Eine gute Zugänglichkeit ist durch den angren- die Zugänglichkeit eingeschränkt ist. Amphibien, Reptilien und Vögel beobachtet<br />

zenden Weg gewährleistet und ermöglicht all-<br />

werden. Die Grube soll frei zugänglich gestaltet<br />

Qj<br />

fällige Naturbeobachtungen.<br />

werden, wobei die steilen Böschungen durch<br />

~<br />

Zäune gesichert werden.<br />

:::l<br />

:>


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Abb. 3.1: Neu angelegte TÜmpel mit offenen Schotterflächen (0.1.). Endzust<strong>and</strong> einer renaturierten Grube mit TÜmpeln,<br />

BÖschung und offenen Flächen (o.r.).lntensiv<br />

(m.l.) und Buntbrache (mI.). Der lstzust<strong>and</strong> des Seegrabens:<br />

Zu steile BÖschung, ungenÜgende Beschattung (u.l.) kontrastiert mit dem Beispiel eines renaturierten Baches (u.r.).<br />

(Bildquellen: LU.: Foto R. Haupt 1998, S. 236), . Bilder Fallstudie.)<br />

128 UNS-Fallstudie '98


----- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Tab. 3.4: Massnahmen, die für die Erstellung des möglichen Sollszenarios verwendet wurden (nach Achermann et al., 1995;<br />

Amstutz et al., 1990; Bundesanstaltfür L<strong>and</strong>wirtschaft, 1997 und Kästli et al., 1998.<br />

Massnahme/Objekt Nutzen zu beachten literatur<br />

Buntbrache: mit Wild- I z.B. Nützlingsförderung, Förderung St<strong>and</strong>ortwahl wichtig; Kontinuität, Altieri (1995)<br />

kräutern angesäter, der Artenvielfalt, Entlastung der Mindestbreite, Schnittzeitpunkt Bundesamt für<br />

mehrjähriger Streifen Böden beachten; die Hälfte der Fläche L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

muss über das ganze jahr blühend/ (1997b)<br />

ungeschnitten sein<br />

Hecken z.B. Windschutz, Artenvielfalt, Ver- verschiedene Arten von einhei- Forman (1995)<br />

netzung von Gehölz- und Saum- mischen Sträuchern in st<strong>and</strong>ortbiotopen<br />

gerechten Kombinationen pflanzen<br />

Ackerschonstreifen, z.B. Nützlingsförderung, Vernet- unbeabsichtigte Dünger- und Altieri (1995)<br />

Ackerr<strong>and</strong>streifen : mit zung, Artenvielfalt Pestizideinträge (Wind, Abhang)<br />

Ackerkultur angesäter vermeiden; wenn möglich in<br />

oder angepflanzter grossen Feldern auch in der Mitte<br />

R<strong>and</strong>streifen, extensiv extensive Streifen anlegen<br />

bewirtschaftet.<br />

naturnahe Waldränder z.B. Artenvielfalt, Vernetzung mit Saumstrukturen auf der Kultur- Kaule (1991)<br />

unterschiedlicher Lebensräume, I fläche kombinieren<br />

Schutz des Waldklimas<br />

I<br />

I<br />

Pufferzone entlang von z.B. Gewässerschutz, Wiederher- Gehölze anpflanzen oder aufkom- Bundesamt für<br />

Fliessgewässern stellung von Auendynamik, Arten- men lassen, für Renaturierungen Umwelt, Wald<br />

vielfalt, Vernetzung, Stauraum für genügend Raum einsetzen (damit und L<strong>and</strong>schaft<br />

Hochwasser eine dynamische Entwicklung, evtl. (1995)<br />

Verlagerung des Gewässers möglich<br />

wird)<br />

Ruderalflächen, Stein- z.B. Artenvielfalt (besonders Le- nicht düngen, Pufferstreifen an le- Kaule (1991) I<br />

haufen, -wälle bensraum für Reptilien, Amphi- gen<br />

I<br />

bien, Kleinsäuger), Überwinte-<br />

I<br />

rungsmöglichkeiten für Insekten<br />

Einzelbäume und z.B. Vogelschutz, L<strong>and</strong>schaftsbild I jedicke (1990)<br />

-sträucher im Rebberg<br />

extensiv genutzte z.B. Artenvielfalt (z.B. spät im jahr i Düngereintrag von umliegenden Blab (1993)<br />

Wiesen und Weiden, blühende Pflanzen; Schmetter- I Feldern vermeiden, späten Schnitt-<br />

Magerwiesen linge, Heuschrecken und Laufkäfer, I zeitpunkt beachten<br />

Feldhasen), Bodenschutz, Grundwasserschutz<br />

I Ob,'",,,o<br />

z.B. Vogelschutz, L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

I<br />

AG Natur und<br />

L<strong>and</strong>schaft<br />

(1995)<br />

I<br />

I<br />

,<br />

tierung der Flächen zur Sonneneinstrahlung und zur<br />

Hauptwindrichtung, bleibt zu überprüfen. Sollte die relative<br />

Ausrichtung der Buntbrachen ihren ökologischen Wert substantiell<br />

beeinflussen, müsste über Strategien nachgedacht<br />

werden, die das Konfliktpotential mit den betroffenen L<strong>and</strong>wirten<br />

verringern. Einstweilen scheint es sinnvoll, die Ausrichtung<br />

der Buntbrachen so zu wählen, dass sie den Wünschen<br />

der L<strong>and</strong>wirte entgegen kommt.<br />

3.6 Bewertung der Massnahmen­<br />

Die Bewertungsmethode im<br />

Praxistest<br />

Die Bewertungsveranstaltung diente der Beantwortung der<br />

folgenden Fragen:<br />

Was ist die Rangfolge der Massnahmen? Was sind ihre<br />

Stärken und Schwächen? Wie werden die Kriterien zuein<strong>and</strong>er<br />

gewichtet? Werden die Kriterien als tauglich beurteilt?<br />

Gibt es in der Bewertung Unterschiede zwischen verschiedenen<br />

Interessengruppen? Wo verlaufen mögliche Konfliktlinien?<br />

Was ist das Potential der Bewertungsmethode, um<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

129


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

lokale Entscheidungen in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung partizipativ<br />

vorzubereiten?<br />

3.6.1 Vorgehen<br />

Die Bewertungsveranstaltung f<strong>and</strong> in der Woche vom 15.<br />

bis 19. Juni 1998 im alten Rathaus in Weisweil statt. Etwa<br />

300 Personen aus dem Klettgau, die bereits mit der Fallstudie<br />

in Kontakt gekommen waren, schrieben wir direkt an,<br />

wobei wir um eine repräsentative Verteilung bezüglich Berufsgruppen,<br />

Geschlecht, Alter und Nationalität bemüht waren.<br />

Die Veranstaltung war zudem sowohl in einem Infoblatt<br />

der Fallstudie als auch in Inseraten in Klettgauer <strong>Region</strong>alzeitungen<br />

angekündigt worden. Es nahmen schliesslich<br />

insgesamt 44 Personen aus dem Klettgau und, zu einem<br />

späteren Termin, 14 Studierende und 5 Tutoren der<strong>ETH</strong> teil.<br />

Die Teilnehmenden wurden gebeten, sich eineroder mehreren<br />

Interessengruppen zuzuordnen. Diese waren L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

(L), Gewerbe (G), Naturschutz (N), Verwaltung<br />

(V), Anwohner (A) und Forschung (F). Die Berufe der<br />

Teilnehmenden, ihr Geschlecht, ihre Herkunft und ihre Interessengruppen<br />

sind in Tabelle 3.5 aufgeführt. Es fällt auf,<br />

dass die Verteilung bezüglich Geschlecht (12.5 % w) und<br />

Herkunft (26.6 % D) nicht repräsentativ war. Das Verhältnis<br />

von deutschen zu schweizerischen Einwohnern des Klettgaus<br />

beträgt etwa 49:51.<br />

Um herauszufinden, ob die Eignung der Massnahmen für<br />

den deutschen Klettgau <strong>and</strong>ers eingeschätzt wird als für den<br />

Schweizer Klettgau, wurde jedem Teilnehmer und jeder<br />

Teilnehmerin von uns eine bestimmte Klettgauseite zugewiesen.<br />

Diese Zuweisung war unabhängig von der Herkunft<br />

der Person. Die Beteiligten wurden anschliessend jeweils<br />

vordie folgende fiktive Situation gestellt: Es stehen SFr/DM<br />

200'000.- aus der öffentlichen H<strong>and</strong> für eine l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />

Massnahme im schweizerischen bzw. deutschen<br />

Klettgau zur Verfügung. Die gesamte Summe muss für eine<br />

von drei Alternativen verwendet werden: Bachrenaturierung,<br />

Anlegen von Buntbrachen oder Kiesgrubenrenaturierung.<br />

Eine Aufteilung des Geldes aufmehrere Massnahmen<br />

ist nicht möglich. Die Teilnehmenden wurden nach der<br />

Vorstellung der Massnahmen gebeten, zunächst spontan<br />

eine Massnahme zu wählen. Danach waren alle Massnahmen<br />

anh<strong>and</strong> der von uns entworfenen neun Kriterien zu<br />

bewerten (vgl. Kap. 3.3). Dies geschah in zwei Schritten:<br />

Zuerst gewichtete jede Person für sich die Kriterien einmalig<br />

relativ zuein<strong>and</strong>er. Diese relative Gewichtung der Kriterien<br />

wurde anschliessend für alle drei Massnahmen verwendet.<br />

Im zweiten Schritt wurden die Massnahmen jeweils<br />

einzeln hinsichtlich der verschiedenen Kriterien eingeschätzt.<br />

Die drei Massnahmen wurden in st<strong>and</strong>ardisierter Form<br />

vorgestellt, um den Einfluss der Darstellung aufdie Beurteilung<br />

zu minimieren. Jede Massnahme wurde aufeiner SteIlw<strong>and</strong><br />

dargestellt und in einem aufTonb<strong>and</strong> aufgezeichneten<br />

Text beschrieben.<br />

Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich die drei<br />

Massnahmen jeweils aufden Raum auswirken und welchen<br />

Beitrag sie zu einem möglichen Sollzust<strong>and</strong> leisten würden,<br />

wurden sie auf Karten der beiden Transekte im deutschen<br />

und Schweizer Klettgau präsentiert (vgl. Anhang 6.3). Die<br />

Tab. 3.5: Berufe, Geschlecht, Herkunft und Interessengruppen<br />

der Teilnehmenden an der Bewertungsveranstaltungfür<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Massnahmen. Die Interessengruppen<br />

wurden mitfolgenden Kürzlen bezeichnet: L = L<strong>and</strong>wirtschaft;<br />

G = Gewerbe; N = Naturschutz; V = Verwaltung; A<br />

= Anwohner; F = Forschung.<br />

Beruf<br />

I<br />

Geschlecht I Herkunft Interessenm<br />

w D eH gruppe<br />

Bankleiter 1 1 V<br />

Beamter 1 1 N<br />

Briefträger 1 1 A,N<br />

Förster 2 1 1 2 N, sonst.<br />

Ingenieur 4 3 1 A, G, L, 2<br />

sonst., 2 V<br />

Inspektor 1 1 V<br />

Kaufmann 2 2 A, N,<br />

sonst.<br />

Konditor 1 1 G<br />

L<strong>and</strong>wirt 8 1 7 I A, G, 8 L,<br />

2N<br />

Lehrer/Lehrerin , 6 1 4 3 3 A, F, 6<br />

N, sonst.<br />

Metzger 1 1 N<br />

Naturwissen- 2 1 1 2 A, F, 3 N<br />

schaftier<br />

Pensionär 1 1 L, V<br />

Planer 3 1 2 2 sonst., V<br />

Praktikantin 1 1 L, N<br />

Raumplaner 1 1 A,N<br />

Redaktor 1 1 A,G,N<br />

Student/Studentin 11 3 3 11 11 F,2 N,<br />

3 sonst.<br />

Tierärztin 1 1 N<br />

Tutor/Tutorin 4 1 5 5 F, G, 2 N<br />

Unternehmer 1 1 G<br />

Verwaltungs- 2 1 1 A,2 V<br />

beamter<br />

Winzer 1 1 L<br />

Total 55 8 17 46<br />

130<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Karten im Massstab 1:5'000 zeigten sowohl die gegenwärtige<br />

Verteilung naturnaher Flächen als auch das Sollszenario,<br />

das wir in Anlehnung an bestehende Forderungen aus<br />

der naturschutzfachlichen Diskussion entworfen hatten<br />

(vgl. Kap. 3.5).<br />

Da die Präsentationsreihenfolge das individuelle Entscheidungsverhalten<br />

beeinflussen kann, wurde die Reihenfolge<br />

der Präsentation jeden Tag geändert. Dadurch wurde<br />

die mögliche Beeinflussung des Gesamtergebnisses durch<br />

diesen Effekt vermindert.<br />

Die Einführung und Vorstellung der Massnahmen dauerten<br />

etwa 20 bis 40 Minuten, das Ausfüllen der Fragebögen<br />

etwa eine Stunde.<br />

3.6.2 Ergebnisse und Diskussion<br />

Gruppenunterschiede<br />

Wir f<strong>and</strong>en keine statistisch signifikanten Unterschiede in<br />

der Gewichtung der Kriterien oder der Bewertung der Massnahmen<br />

zwischen den verschiedenen Interessen- und Berufsgruppen<br />

oder zwischen den Geschlechtern. Es gibt jedoch<br />

eine statistisch signifikante Wechselwirkung zwischen<br />

Herkunft der Personen und Massnahmenbewertung (Varianzanalyse<br />

mit Messwiederholung; pww=O.03, dF=2,<br />

F=3.6): Schweizer Staatsangehörige bewerten die Anlage<br />

von Buntbrachen höher als die Deutschen (t-Test; p = 0.02,<br />

dF = 43, t = 2.4).<br />

Massnahmen<br />

Die Rangfolge der Massnahmen ist: (1) Bachrenaturierung,<br />

(2) Anlage von Buntbrachen und (3) Kiesgrubenrenaturierung<br />

(Abbildung 3.2). Die Rangmittelwerte der drei Massnahmen<br />

sind signifikant unterschiedlich (Friedman-Test;<br />

p < 0.001, dF = 2, X 2 = 16.0). Die spontane und die<br />

multikriterielle Bewertung lieferten die gleiche Rangfolge<br />

der Massnahmen. In der multikriteriellen Bewertung vergrössert<br />

sich der Abst<strong>and</strong> zwischen den Häufigkeiten, mit<br />

denen die einzelnen Massnahmen die erste Priorität erhielten,<br />

aber nicht signifikant (X 2 -Test in Kontingenztafel;<br />

p > 0.2, dF = 2, X 2 =3.15). Auch auf individueller Ebene<br />

war die Übereinstimmung von spontaner und multikriterieller<br />

Bewertung hoch: In 30 von 44 Fällen (68.2%) entsprach<br />

die intuitiv gewählte Massnahme derjenigen mit der höchsten<br />

Priorität in der multikriteriellen Bewertung.<br />

Die Stärken und Schwächen der Massnahmen aus Sicht<br />

der an der Bewertungsverantstaltung Teilnehmenden sind in<br />

Tabelle 3.6 gegeben.<br />

Die Zufriedenheit mit den Massnahmen war recht hoch,<br />

doch gaben immerhin 20% der Teilnehmenden an, dass<br />

<strong>and</strong>ere Massnahmen besser gewesen wären. Die Vorschläge<br />

für weitere Massnahmen sind in Abbildung 3.4 zusammengefasst.<br />

Kriterien<br />

Die Gewichtung der Kriterien ist signifikant unterschiedlich<br />

(Varianzanalyse mit Messwiederholung; p < 0.0001, dF = 8,<br />

F = 13.3) (Abbildung 3.5). Die Gewichte der einzelnen<br />

Kriterien sind in Tab. 10 angegeben.<br />

Die ökologischen Kriterien wurden insgesamt höher gewichtet<br />

als die ökonomischen oder sozial-kulturellen Kriterien.<br />

Es ist möglich, dass die Teilnehmenden - bewusst oder<br />

unbewusst - zunächst die verschiedenen Übergruppen gewichteten<br />

und dann innerhalb dieser Gruppen die Gewichte<br />

verteilten.<br />

Es fällt auf, dass es keine Kriterien gibt, die sehrviel höher<br />

oder sehr viel geringer gewichtet wurden als <strong>and</strong>ere, auch<br />

wenn das Kriterium mit dem höchsten Gewicht (15), Langfristigkeit,<br />

fast doppelt so viel zählt wie das Kriterium mit<br />

dem geringsten Gewicht (8), Synergien. Dies legt nahe, dass<br />

die ausgewählten Kriterien alle relevant waren. Die Zufriedenheit<br />

mit den Kriterien stützt diese Aussage: 82% der<br />

Abb. 3.2: Während der Bewertungsveranstaltung<br />

entwickelten<br />

sich spannende<br />

Diskussionen über die zukünftige<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

im Klettgau.<br />

UNS-Fallstudie '98 131


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

t::<br />

(1)<br />

2.6<br />

2.4<br />

2.2<br />

3:<br />

~ 2.0<br />

'E<br />

Cl<br />

e<br />

co<br />

0:<br />

1.8<br />

1.6<br />

1.4<br />

2<br />

Buntbrache<br />

Abb. 3.3: Rangreihenfolge der drei Massnahmen «Bachrenaturierung»,<br />

«Buntbrache» und «Kiesgrubenrenaturierung»<br />

in der multikriteriellen Bewertung der lokalen Bevölkerung<br />

(n = 44). Dargestellt sind die Mittelwerte und St<strong>and</strong>ardabweichungen.<br />

Erweiterung, Neuanlage und Aufwertung von Streuobstwiesen<br />

Anlage von Hecken<br />

Anlage und Vergrösserung von Feldgehölzinseln<br />

Anlage von Feuchtbiotopen<br />

Aufwertung von Waldrändern<br />

- Anlage von Sukzessionsflächen<br />

Erhöhung des Flächenanteils extensiv genutzter<br />

Wiesen<br />

- naturnahe Gestaltung von Industriezonen<br />

Abb. 3.4: Vorschläge der Teilnehmenden an der Bewertungsveranstaltung<br />

fiir weitere l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Massnahmen.<br />

Teilnehmenden gaben an, dass <strong>and</strong>ere Kriterien nicht besser<br />

gewesen wären. Bei vorgegebenen Kriterien stellt sich jedoch<br />

grundsätzlich das Problem, dass die Gewichtung der<br />

Kriterien von der Annahme der Bewertenden beeinflusst<br />

sein kann, alle Kriterien seien bedeutsam - sonst wären sie<br />

nicht ausgewählt worden.<br />

Bachrenaturierung<br />

Kiesgrubenrenaturierung<br />

25.-----------------,.-<br />

20<br />

5<br />

0<br />

-0 e ce<br />

~ -<br />

e= t:: e Cl<br />

e '(jj (1) (1)'- (1)(1) (1) 0 e<br />

:::l .::,(.<br />

N(1)<br />

.~ N:::l<br />

3: :::l<br />

ca .0 Cl -E --0 ~<br />

:::l<br />

g<br />

(1) :::l(1) :::l.- (J)<br />

0- ~<br />

~<br />

~<br />

e E.Q1 Z.::: Cl<br />

'(jj<br />

0.. 'C ;>, e- ---0 e<br />

0 Ce :::l<br />

cn Cf) (1) co (1).-<br />

E Qi<br />

a (1)<br />

Ö e CO<br />

U5 U5 .c 32<br />

CO<br />

co<br />

....J<br />

0 0<br />

UJ<br />

~ ~<br />

Abb. 3.5: Die Gewichtung der neun Kriterien durch die<br />

lokale Bevölkerung. Dargestelltsinddie Gewichtungsmittelwerte<br />

und die St<strong>and</strong>ardabweichungen.<br />

Wie robust die relative Gewichtung der Kriterien ist, ist<br />

schwierig abzuschätzen. Wichtige Faktoren, welche die Gewichtung<br />

der Kriterien beeinflusst haben können, sind:<br />

1. die Zusammensetzung der Gruppe der Teilnehmenden.<br />

Es ist möglich, dass Personen, die freiwillig zu einer<br />

Bewertungsveranstaltung einer Fallstudie von Umweltnaturwissenschaftern<br />

gehen, die Kriterien signifikant <strong>and</strong>ers<br />

gewichten, als es die Gesamtbevölkerung täte. Diese<br />

Vermutung wird durch die Höhergewichtung ökologischer<br />

Kriterien gegenüber wirtschaftlichen Kriterien nahegelegt.<br />

2. die für die Veranstalter vermutete Einstellung - würden<br />

dieselben Leute die Kriterien gleich gewichten, wenn<br />

nicht Studierende der Umweltnaturwissenschaften, sondern<br />

der Ökonomie die Veranstaltung durchgeführt hätten?<br />

3. der Planspielcharakter der Bewertungsveranstaltung ­<br />

würden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kriterien<br />

<strong>and</strong>ers gewichten oder die Massnahmen <strong>and</strong>ers einschätzen,<br />

wenn von ihrer Entscheidung direkt abhinge,<br />

welche Massnahme tatsächlich umgesetzt wird?<br />

Tab. 3.6: Stärken und Schwächen der Massnahmen aus Sicht der an der Bewertungsveranstaltung Teilnehmenden.<br />

Massnahme<br />

Bachrenaturierung<br />

Stärken<br />

langfristig, Synergieeffekt, hoher ökonomischer Allgemeinnutzen<br />

(Hochwassersicherheit), hoher Erholungswert,<br />

Akzeptanz<br />

I Schwächen<br />

Buntbrache Verbundeffekt, persönlicher ökonomischer Nutzen wenig langfristig<br />

I (Ausgleichszahlungen)<br />

Kiesgrubenrenaturierung schlechter Verbund, wenige i<br />

Synergien, geringe Identifi- I Ii<br />

kation<br />

I<br />

132 UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Ein zentrales Problem des verwendeten Ansatzes besteht<br />

darin, dass die relative Gewichtung der Kriterien als konstant<br />

angenommen wird. Im allgemeinen Fall wird es so<br />

sein, dass auch die relative Bedeutung eines Kriteriums<br />

sowohl von seiner Ausprägung als auch der Ausprägung der<br />

<strong>and</strong>eren Kriterien in dem betrachteten Fall abhängt. Diese<br />

nichtlinearen Abhängigkeiten sind im Prinzip erfassbar; die<br />

Erfassung erfordert jedoch einen wesentlich grösseren Aufw<strong>and</strong>.<br />

Mutuallearning und Praxistauglichkeit<br />

Von seiten der Studierenden wurde die Bewertungsveranstaltung<br />

als lohnende und bereichernde Erfahrung eingestuft.<br />

Die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der Bewertungsveranstaltung<br />

war ebenfalls hoch. Eine Person gab<br />

jedoch auf dem Evaluationsbogen an, dass sie nicht zufrieden<br />

sei und mehr erwartet hätte.<br />

Im Hinblick aufden Einbezug des Wissens und der Erfahrungen<br />

der lokalen Bevölkerung ist festzuhalten, dass eine<br />

Reihe von wertvollen Vorschlägen für weitere Massnahmen<br />

gemacht wurden. Während der Vorstellung der Massnahmen<br />

und im Anschluss an die Bewertung entwickelten sich<br />

häufig fruchtbare Diskussionen. Es zeigte sich aber auch,<br />

dass der von uns verfolgte Ansatz an Grenzen stösst: In dem<br />

engen Zeitrahmen von etwas mehr als einer Stunde, der zu<br />

einem wesentlichen Teil mit der Vermittlung von Informationen<br />

und recht abstrakten Konzepten ausgefüllt ist, lässt<br />

sich die Fülle der vorh<strong>and</strong>enen Erfahrungen und Ideen der<br />

lokalen Bevölkerung vermutlich kaum in eine Verbesserung<br />

vorh<strong>and</strong>ener oder gar die Erarbeitung von neuen Alternativen<br />

umsetzen.<br />

Der Test auf das Potential des hier vorgestellten multikriteriellen<br />

Verfahrens als partizipatives Instrument zur Vorbereitung<br />

lokaler Entscheidungen in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

steht noch aus - dazu wird eine Anwendung in einer<br />

realen Entscheidungssituation notwendig sein.<br />

der teilnehmenden Personen und vor allem von der Kriterienwahl<br />

ab - nur wenn das Merkmal der Massnahmen, an<br />

dem sich die Geister scheiden, berücksichtigt wird, kann ein<br />

möglicher Konflikt erkannt werden. Wir gehen davon aus,<br />

dass die Kriterien in ihrer jetzigen Form die kritischen<br />

Merkmale der Massnahmen erfassen und die Abwesenheit<br />

von Gruppenunterschieden in diesem Fall darauf zurückzuführen<br />

ist, dass die Bachrenaturierung von der Bevölkerung<br />

im allgemeinen tatsächlich als die beste Variante angesehen<br />

wird. Ob die Bachrenaturierung umzusetzen ist, hängt ganz<br />

entscheidend von den Vorstellungen der betroffenen L<strong>and</strong>eigentümer<br />

ab. Da sie eine dauerhafte Nutzungsänderung<br />

bedeutet, ist vermutlich mit Widerständen zu rechnen.<br />

Ein wichtiges Ergebnis der Bewertungsveranstaltung ist<br />

die Liste weiterer möglicher Massnahmen. Diese zeigt, dass<br />

die Methode zumindest teilweise das Ziel erreichen kann,<br />

lokales Wissen für die integrierte L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

fruchtbar zu machen. Das Potential der Methode als partizipatives<br />

Instrument zur Vorbereitung konkreter lokaler Entscheidungen<br />

in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung schätzen wir insgesamt<br />

als hoch ein - die Umsetzung in einer realen Entscheidungssituation<br />

muss dies allerdings noch bestätigen.<br />

3.7 Zusammenfassung der<br />

Bewertungsergebnisse<br />

Die Bachrenaturierung wird insgesamt eindeutig gegenüber<br />

den beiden Alternativen - Anlegen von Buntbrachen und<br />

Kiesgrubenrenaturierung - bevorzugt. Dieses Ergebnis ist<br />

unabhängig von Beruf, Interessengruppe, Geschlecht und<br />

Herkunft der Befragten und gilt sowohl für den deutschen<br />

als auch für den Schweizer Klettgau. Die Stärken der Bachrenaturierung<br />

sind insbesondere ihre Langfristigkeit, ihr<br />

grosser ökonomischer Allgemeinnutzen, der hohe Erholungswert<br />

und die grosse Akzeptanz in der Bevölkerung.<br />

DerZeitbedarffür die Bewertung liegt mit einer Stunde an<br />

der oberen Grenze, wenn viele Personen mit einbezogen<br />

werden sollen. Die Kriterien werden als geeignet beurteilt,<br />

und die Übereinstimmung zwischen spontaner und multikriterieller<br />

Bewertung ist hoch, d.h. die Kriterien bilden vermutlich<br />

aus Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die<br />

relevanten Wertdimensionen der Massnahmen ab. Das Potential<br />

der Methode, Interessenkonflikte zu erkennen, hängt<br />

unter <strong>and</strong>erem von der Heterogenität der Werthaltungen<br />

innerhalb der betrachteten Interessengruppen, von der Zahl<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

133


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

4 Ein regionales Kontaktnetz zur<br />

grenzüberschreitenden Koordination<br />

l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />

Projekte im Klettgau<br />

4. 1 Die Notwendigkeit einer<br />

Koordination<br />

Der Klettgau besitzt eine Fülle von L<strong>and</strong>schaftselementen<br />

und ökologischen Funktionen, deren Erhaltung eine wichtige<br />

Aufgabe für die Zukunft ist. Es gibt bereits eine Reihe<br />

von Behörden, Interessenverbänden und Einzelpersonen,<br />

die sich diesem Ziel verpflichtet sehen. Beim Planen und<br />

Durchführen konkreter Projekte für die umweltgerechte<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung ergeben sich jedoch häufig Probleme:<br />

Zum einen mangelt es an Ressourcen, sowohl in personeller<br />

als auch in finanzieller Hinsicht. Zum <strong>and</strong>eren fallen<br />

die Grenzen wertvoller L<strong>and</strong>schaftselemente nicht mit den<br />

kommunalen oder nationalen Grenzen zusammen. In der<br />

Folge können sich durch eine Gemeindegrenze z. B. die<br />

Finanzierungsmöglichkeiten oder aber durch die Grenze<br />

zwischen der Schweiz und Deutschl<strong>and</strong> die Rechtsgrundlagen<br />

im L<strong>and</strong>schaftsschutz wesentlich verändern. Durch die<br />

grenzüberschreitende Lage ergeben sich zudem häufig Probleme<br />

hinsichtlich der Frage, wer bei der Umsetzung welche<br />

Kompetenzen hat. Eine mögliche Lösung bietet eine grenzüberschreitende<br />

Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte<br />

im Klettgau und dazu der Aufbau eines regionalen<br />

Kontaktnetzes. So können der Klettgau auch vermehrt als<br />

Gesamtheit wahrgenommen und Projekte auch unter diesem<br />

Gesichtspunkt realisiert werden. Wichtig ist, dass sich die<br />

verschiedenen Interessengruppen (Behörden, nicht-behördliche<br />

Organisationen und Privatpersonen) gemeinsam an<br />

einen Tisch setzen. Ein Kontaktnetz im Umweltbereich<br />

kann Überschneidungen von Aktivitäten reduzieren. Damit<br />

lassen sich einerseits Kraft und Geld sparen, <strong>and</strong>ererseits<br />

wird der Erfahrungsaustausch gefördert und der Zusammenhalt<br />

innerhalb des Klettgaus verstärkt werden.<br />

Als Arbeitsmittel kann ein Grundlagenordner dienen, der<br />

durchgeführte und geplante l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Projekte<br />

beschreibt und Möglichkeiten der Umsetzung aufzeigt<br />

(Abbildung 4.1).<br />

4.2 Aufbau des Kontaktnetzes<br />

In einer telefonischen Umfrage bei Personen, die privat oder<br />

geschäftlich an naturraumrelevanten Projekten im Klettgau<br />

beteiligt sind, erkundigten wir uns nach den Bedürfnissen<br />

im Bereich des Umweltschutzes, mit folgendem Ergebnis:<br />

- Eine koordinierende Gruppe wird im Klettgau als willkommen<br />

und nötig erachtet.<br />

- Wichtig ist der Einbezug beider Länder in Entscheidungsprozesse<br />

bezüglich grösserer Projekte im Umweltbereich.<br />

Für das praktische Ausarbeiten umweltrelevanterProjekte<br />

sind bestehende kommunale und kantonale Gruppie-<br />

Abb. 4.1: Der Grundlagenordner ist eines der praktischen<br />

Ergebnisse der UNS Fallstudie 1998. Er dient als ArbeitsmittelfÜr<br />

naturraumrelevante Projekte in der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />

rungen besser geeignet, da sie über bereits bestehende<br />

Strukturen verfügen.<br />

Ein schriftliches Arbeitsmittel im Stil eines Grundlagenordners<br />

sei nur schwer auf dem neuesten St<strong>and</strong> zu<br />

halten, wird jedoch prinzipiell befürwortet<br />

Der nächste Schritt best<strong>and</strong> in der personellen Zusammenstellung<br />

eines Kontaktnetzes. Dabei galt es alle Interessengruppen<br />

einzubeziehen, die an der Realisierung eines Projektes<br />

beteiligt sein können. Wie oben erwähnt, h<strong>and</strong>elt es<br />

sich dabei sowohl um Personen im Öffentlichen Dienst als<br />

auch um Vertreterinnen und Vertreter von nicht-behördlichen<br />

Organisationen und um betroffene Private. Daneben<br />

war es jedoch auch wichtig, eine Balance zwischen Vertretern<br />

des deutschen und des Schweizer Teils des Klettgaus zu<br />

finden.<br />

Es war von Anfang an klar, dass mit dem Kontaktnetz kein<br />

neuer Verein gegründet werden sollte, sondern ein Organ,<br />

das bestehende Strukturen und Aktivitäten in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

koordiniert. Im Rahmen einer ersten Zusammenkunft<br />

interessierter Personen entschied man sich<br />

entsprechend für lockere, bedürfnisorientierte Treffen (ein<br />

bis drei mal pro Jahr) anstelle von regelmässigen, monatlichen<br />

Treffen. Dies hat den Vorteil, dass so ein grösserer Teil<br />

der Bevölkerung mitmachen kann, weil der Zeitaufw<strong>and</strong><br />

geringer ist.<br />

134<br />

UNS-Fallstudie '98


______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

4.3 Der Grundlagenordner ­<br />

Arbeitsmittel für naturraumrelevante<br />

Projekte im Klettgau<br />

Um eine Koordination von Projekten durchführen zu können,<br />

bedarf es eines zentralen Büros als Schaltstelle oder<br />

eines umfassenden Arbeitsmittels. Wir entschieden uns bei<br />

der Abklärung aus folgenden Gründen für einen Grundlagenordner<br />

und gegen eine zentrale Stelle:<br />

Ein schriftliches Arbeitsmittel ist wesentlich flexibler in<br />

der H<strong>and</strong>habung. Ziel ist es, dass jede interessierte Person<br />

und Institution im Klettgau im Besitz eines aktuellen<br />

Grundlagenordners ist.<br />

Ein Arbeitsmittel, das an eine relativ grosse Zahl von<br />

Personen abgegeben wird, ist weniger stark von einer<br />

Person abhängig.<br />

Der Grundlagenordner fördert eine unabhängige Arbeitsweise.<br />

Es ist sehr aufwendig, einen zentralen Ort für die Koordination<br />

zu besetzen.<br />

4.4 Umsetzung<br />

DerGrundlagenordner wurde nach Abschluss der Fallstudie<br />

im Rahmen einer Semesterarbeit an der <strong>ETH</strong> fertiggestellt<br />

(Fendt & Schaffhauser, 1998). Dabei wurde den Rechtsgrundlagen<br />

besondere Beachtung geschenkt. Anschliessend<br />

wurde er gemäss dem beschriebenen Verteiler weitergeleitet.<br />

Der Zeitpunkt für die erste Aktualisierung st<strong>and</strong> zur Zeit<br />

der Redaktionsarbeiten noch nicht fest.<br />

Das Ziel, ein regionales Kontaktnetz aufzubauen, ist<br />

hochgesteckt und die Umsetzung wird nur durch das Engagement<br />

aller seiner Mitglieder erreicht werden können. In<br />

der ersten Gesamtsitzung wurden diese Probleme erkannt<br />

und intensiv diskutiert. Ob eine solche Gruppe den «Test der<br />

Zeit» bestehen wird, vermag im Moment niem<strong>and</strong> zu beantworten.<br />

Von seiten der Studierenden wurde der erste Schritt<br />

als konstruktiv empfunden.<br />

Ziel des Ordners ist es, eine umfassende Einsicht in die<br />

Grundzüge von umweltrelevanten Projekten zu ermöglichen.<br />

Der Ordner enthält neben Finanzierungsmöglichkeiten<br />

und Rechtsgrundlagen auch eine Adressammlung und<br />

eine Auflistung von gegenwärtig bestehenden und geplanten<br />

Projekten. Entscheidend für die Bekanntheit eines<br />

Schriftstücks ist die Auswahl der Adressaten. So soll der<br />

Grundlagenordner in allen aktiven Organisationen breit abgestützt<br />

sein, zuden sollen einige Exemplare für die gesamte<br />

Bevölkerung aufden Gemeinden öffentlich zugänglich sein.<br />

Es ist wünschenswert, den Grundlagenordner in einer breiten<br />

Bevölkerungsschicht via Medien bekanntzumachen.<br />

Aufgrund dieser Überlegungen arbeiteten wir folgenden<br />

provisorischen Verteiler aus:<br />

je ein Exemplar an alle Mitglieder des Kontaktnetzes;<br />

je ein Exemplar für alle Gemeinden des Klettgaus, öffentlich<br />

zugänglich;<br />

- je ein Exemplar an die Behörden des L<strong>and</strong>es Baden­<br />

Württemberg und des Kantons Schaffhausen im Bereich<br />

des Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutzes;<br />

jeein Exemplar an nicht-behördliche Gruppierungen und<br />

Einzelpersonen, die im Klettgau aktiv ein Projekt betreuen<br />

oder planen;<br />

- diverse Exemplare für involvierte Personen an der <strong>ETH</strong>.<br />

Dies ergibt insgesamt eine Auflage von etwa70 Exemplaren.<br />

Die Kosten für die Fertigstellung des Grundlagenordners<br />

wurden aus dem Etat der Fallstudie, der zu Teilen aus<br />

der <strong>Region</strong> finanziert wurde, beglichen. Für die Folgekosten<br />

stehen noch verschiedene Szenarien zur Diskussion. Möglich<br />

ist, dass die Aktualisierung von je einer Gemeinde auf<br />

deutscher wie auf Schweizer Seite getragen wird oder aber<br />

dass eine koordinierende Behörde diese Aufgabe und die<br />

Finanzierung übernimmt.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

135


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

5 Schlussfolgerungen<br />

Ausblick: Schritte zu pUl/pr<br />

integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Klettgau<br />

5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Das relativ trockene und warme Klima des Klettgaus bietet<br />

günstige Lebensbedingungen für viele, zum Teil seltene,<br />

Tier- und Pflanzenarten. Aber auch im Klettgau hat die<br />

Intensivierung der L<strong>and</strong>nutzung dazu geführt, dass die Lebensgrundlage<br />

für viele Tierarten schmaler geworden ist.<br />

Die Daten zweier Transekte von je 400 m Breite im schweizerischen<br />

und deutschen Klettgau verdeutlichen dies (siehe<br />

Kapitel 2.2). Flora und Fauna haben auf diese Situation<br />

reagiert: Der Hase ist in die Rebberge ausgewichen, wo er<br />

von der seit einigen Jahren geförderten Begrünung profitiert.<br />

Das Rebhuhn verschw<strong>and</strong> 1993 aus dem Klettgau, und<br />

es ist noch offen, ob der Aussetzungsversuch von 1998<br />

erfolgreich sein wird. Die Populationsgrösse vieler Reptilienarten<br />

wird durch den Mangel an geeigneten Habitatstrukturen<br />

begrenzt. Im Naturschutzkonzept des Kantons Schaffhausen<br />

wird der Klettgau, abgesehen von Teilgebieten in<br />

Seitentälern, als Gebiet mit den grössten ökologischen Defiziten<br />

ausgewiesen.<br />

Der Klettgau ist eine l<strong>and</strong>schaftlich schöne <strong>Region</strong> mit<br />

reizvollen L<strong>and</strong>schaftsabschnitten. In einer Erhebung der<br />

Erlebnisqualität beurteilten Studierende das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

in der Talebene jedoch als beeinträchtigt. Es fehlen<br />

markante Elemente, die Strukturierung der L<strong>and</strong>schaft wirkt<br />

starr und langweilig. Die Klettgauerinnen und Klettgauer<br />

bewerten eine Agrarl<strong>and</strong>schaft mit Buntbrachen als signifikant<br />

schöner und vielfältiger als eine L<strong>and</strong>schaft ohne Buntbrachen,<br />

wie in der UNS Fallstudie 1997 eine Umfrage bei<br />

118 Personen gezeigt hat. In einer weiteren Befragung mit<br />

zehn Vertretern der lokalen Bevölkerung zur L<strong>and</strong>schaftswahrnehmung<br />

zeigte sich, dass der Charakter des Klettgaus<br />

als l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzte Kulturl<strong>and</strong>schaft für diese<br />

Vertreter eine hohe Bedeutung hat.<br />

In der gegenwärtigen Situation besteht im Klettgau bedeutendes<br />

Potential, die L<strong>and</strong>schaft ökologisch aufzuwerten<br />

und gleichzeitig ihre Erlebnisqualität zu erhöhen. Damit<br />

entsprechende Massnahmen aber erfolgreich sind, müssen<br />

bei ihrer Planungen die Vorstellungen der betroffenen Bevölkerung<br />

möglichst frühzeitig mit einbezogen werden.<br />

Im Rahmen einer multikriteriellen Bewertung wurden 44<br />

Klettgauer Bürgerinnen und Bürgern drei l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />

Massnahmentypen zur Auswahl vorgelegt. Dabei<br />

wurde die Bachrenaturierung insgesamt eindeutig gegenüber<br />

den beiden <strong>and</strong>eren Alternativen - Kiesgrubenrenaturierung<br />

und Anlage von Buntbrachen - bevorzugt. Dieses<br />

Ergebnis ist unabhängig von Beruf, Interessengruppe, Geschlecht<br />

oder Herkunft der Befragten und gilt sowohl für<br />

den deutschen wie für den Schweizer Klettgau. Als Stärken<br />

der Bachrenaturierung werden insbesondere ihre Langfristigkeit,<br />

ein grosser ökonomischer Allgemeinnutzen, ein<br />

hoher Erholungswert und die grosse Akzeptanz in der Bevölkerung<br />

angesehen. Von seiten der Teilnehmenden wurde<br />

eine Reihe weiterer attraktiver l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />

Massnahmen vorgeschlagen. Auch wenn sich multikriterielle<br />

Bewertungen zum Entwickeln und Auswählen von<br />

Vorschlägen zur L<strong>and</strong>schaftsaufwertung erst in realen Entscheidungssituationen<br />

bewähren müssen, glauben wir, dass<br />

die verwendete Methode ein nützliches Instrument für die<br />

partizipative Vorbereitung lokaler Entscheidungen in der<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung darstellt.<br />

In einer Umfrage bei Personen, die aktiv im Bereich der<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau arbeiten, wurde eine koordinierende<br />

Gruppe im Klettgau als willkommen und nötig<br />

erachtet. Dabei wurde die Notwendigkeit eines Einbezugs<br />

beider Länder in den Entscheidungsprozess grösserer Projekte<br />

im Umweltbereich betont. Zur Unterstützung des Erfahrungsaustauschs<br />

wurde ein Grundlagenordner, der bestehende<br />

und geplante Projekte vorstellt sowie Umsetzungsmöglichkeiten<br />

aufzeigt, prinzipiell befürwortet. Ein solches<br />

Instrument konnte im Rahmen der Fallstudie erarbeitet und<br />

interessierten Kreisen zur Verfügung gestellt werden.<br />

5.2 Optionen für eine integrierte<br />

L<strong>and</strong>schaftsentwicklung im Klettgau<br />

Im Entwurf zum revidierten kantonalen Richtplan Schaffhausens<br />

werden die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten «als wichtigste<br />

Ressource im Kanton Schaffhausen» bezeichnet, die<br />

zu pflegen und wo nötig zu sanieren seien (Planungs- und<br />

Naturschutzamt, 1998, S. 107). Um dieses Ziel zu erreichen,<br />

stehen verschiedene Optionen offen. Aufgrund unserer<br />

Analysen erscheinen uns die folgenden Optionen als besonders<br />

bedeutsam. Sie ergänzen sich wechselseitig.<br />

- Entwicklung der L<strong>and</strong>schaft in Richtung einer durch<br />

st<strong>and</strong>ortgerechte Nutzung getragenen ökologischen<br />

Vielfal, die ästhetische wie funktionale und wirtschaftliche<br />

Aspekte berücksichtigt.<br />

- Erhaltung und Förderung der bestehenden wertvollen<br />

St<strong>and</strong>orte. Hierzu zählen beispielsweise Hochstammobstgärten,<br />

Trockenst<strong>and</strong>orte oder artenreiche Wiesen.<br />

- Schaffung neuer naturnaher Flächen. Dies ist insbesondere<br />

in der intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten Kulturfläche<br />

der Talebene und in den Rebbergen von Bedeutung.<br />

Eine Kooperation mit den L<strong>and</strong>wirten ist dabei<br />

zentral. Das Planungs- und Naturschutzamt des Kantons<br />

Schaffhausen und die Vogelwarte Sempach haben hier<br />

bereits beispielhafte Pionierarbeit geleistet. Neue naturnahe<br />

Flächen sind zwar meistens kostenintensiver als die<br />

Erhaltung bereits bestehender ökologisch wertvoller Flächen.<br />

Dies gilt vor allem in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen.<br />

Die Schaffung neuer naturnaher Flächen istjedoch<br />

in Anbetracht ihres heutigen Mangels notwendig, um<br />

Tierarten der offenen Feldflur im Klettgau langfristig zu<br />

erhalten.<br />

- Verstärkte Förderung von Bachrenaturierungen im Klettgau.<br />

Bachrenaturierungen stellen aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />

Sicht und aus der Perspektive der lokalen<br />

Bevölkerung eine besonders attraktive Möglichkeit zur<br />

ökologischen und ästhetischen Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />

dar.<br />

136<br />

UNS-Fallstudie '98


________________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Entwicklung von Konzepten und Massnahmen, die den<br />

Naturraum bei einer Zunahme der Siedlungsfläche und<br />

des Verkehrs schützen. Es sind jedoch zusätzliche ortsspezifische<br />

Untersuchungen dieser beiden möglichen<br />

Stressoren der L<strong>and</strong>schaft nötig, werden ihre Auswirkungen<br />

doch gegenwärtig kaum beachtet.<br />

Möglichst frühzeitige und aktive Beteiligung der lokalen<br />

Bevölkerung an l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Prozessen. Die<br />

hier vorgestellte Methodik der multikriteriellen Bewertung<br />

von verschiedenen Massnahmentypen, deren<br />

Raumbezug beispielhaft dargestellt wird, ist unserer Ansicht<br />

nach ein erfolgversprechender Ansatz.<br />

Förderung der länderübergreifenden Planung und Koordination<br />

von l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Projekten.<br />

5.3 Ausblick<br />

Es gibt eine Fülle von umweltrelevanten Projekten im gesamten<br />

Klettgauraum. Die Bemühungen um ökologische<br />

Aufwertungen zeigen bereits erste Erfolge. So sind in einigen<br />

der seit 1988 angelegten Buntbrachen mittlerweile<br />

spontan einige sehr seltene Ackerblumen wie der Kleine<br />

Venusspiegel aufgetreten. Ein regionales Kontaktnetz zur<br />

grenzüberschreitenden Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />

Projekte wurde durch die UNS-Fallstudie angeregt und<br />

steht in der Entwicklungsphase. Der Grundlagenordner<br />

«Arbeitsmittel für naturraumrelevante Projekte im Klettgau»<br />

ist in einer ersten Auflage erschienen. Mit dem multikriteriellen<br />

Bewertungsverfahren wird ein Instrument bereitgestellt,<br />

das demokratische Entscheidungsprozesse unterstützt<br />

und inhaltlich absichert. Einer engagierten Bevölkerung<br />

kann gemeinsam mit kooperativen Behörden der<br />

Wechsel von einem eher segregativen L<strong>and</strong>schaftsschutz zu<br />

einer integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung gelingen.<br />

6 Anhang<br />

6. 1 literatur<br />

6. 1. 1 Karten<br />

Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie. (1988). Eglisau. L<strong>and</strong>eskarte<br />

der Schweiz I:25'000, Blatt 1051. Wabern: Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie.<br />

Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie. (1988). Neunkirch. L<strong>and</strong>eskarte<br />

der Schweiz I: 25'000, Blatt 1031. Wabern: Bundesamt für<br />

L<strong>and</strong>estopographie.<br />

Gemeinde Hallau. (undatiert). Übersichtsplan 1:5000. Kant. Planungs-und<br />

Naturschutzamt Schaffhausen.<br />

Gemeinde Klettgau. (1972-78). Übersichtsplan der Gemarkung<br />

Erzingen I: 10000. Gemeinde Klettgau, Erzingen.<br />

Kamm, M., & Güdemann, H. R. (1994/95). L<strong>and</strong>schaftsplan Gemeinde<br />

Klettgau. Planungsgruppe Süd-West, Lörrach.<br />

Kant. Planungs- und Naturschutzamt Schaffhausen. (1985). Hekkenkataster<br />

Hallau. Schaffhausen: Kant. Planungs-und Naturschutzamt<br />

Schaffhausen.<br />

Kant. Planungs- und Naturschutzamt Schaffhausen. (1986).Trokkenst<strong>and</strong>orte<br />

Hallau. Schaffhausen: Kant. Planungs- und Naturschutzamt<br />

Schaffhausen.<br />

Kant. Planungs-und Naturschutzamt Schaffhausen. (1990). Kantonales<br />

Naturschutzinventar Schaffhausen, Blatt Hallau. Schaffhausen:<br />

Kant. Planungs-und Naturschutzamt Schaffhausen.<br />

L<strong>and</strong>esvermessungsamt Baden-Württemberg. (1979). Griessen<br />

Ost 1:5000 (aktualisiert 1989). Karlsruhe: L<strong>and</strong>esvermessungsamt<br />

Baden-Württemberg.<br />

L<strong>and</strong>esvermessungsamt Baden-Württemberg. (1993). Klettgau.<br />

Topographische Karte 1:25000, Normalausgabe. Karlsruhe: L<strong>and</strong>esvermessungsamt<br />

Baden-Württemberg.<br />

L<strong>and</strong>schaftsplan Gemeinde Klettgau (verschiedene Karten, bei der<br />

Gemeindeverwaltung Klettgau einsehbar).<br />

Ministerium für Umwelt, Baden-Württemberg. (1992). Wasserschutzgebiete<br />

in Baden-Württemberg, WO, Blatt L 8316 Stühlingen.<br />

Planungsgruppe Süd-West. (1995a). Flächennutzungsplan Gemeinde<br />

Klettgau, Exemplar Offenlegung, 1: 5000.<br />

Planungsgruppe Süd-West. (1995b). Gemeinde Klettgau. Thematische<br />

Karte zum L<strong>and</strong>schaftsplan: Bodenpotential- Restriktionen<br />

der Bodennutzung, Bodentypen, Wasserdargebotspotential, GeologielRohstoffpotential,<br />

Relief, Naturschutz-/Biotopschutzpotentia!.<br />

Übersichtsplan der Flächen mit Bewirtschaftungsverträgen.<br />

(1997). Meliorations- und Vermessungsamt des Kantons Schaffhausen.<br />

Zonenplan Gemeinde Hallau. (aktueller St<strong>and</strong> 1997). Hallau: Gemeinde<br />

Hallau.<br />

6.1.2 Texte<br />

Achermann, G., Achermann, N., Bollens, U., Freidig, A., Füchslin,<br />

H.-P. et a!. (1995). Ökologie. In R. W. Scholz, T. Koller, H. A.<br />

Mieg, & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege<br />

zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994 (S.<br />

47-73). Zürich: vdf.<br />

AG Natur und L<strong>and</strong>schaft (ANL). (1995). Förderung von Obstgärten<br />

aus Naturschutzkrediten: Kosten-Nutzen-Überlegungen (Entwurf).<br />

Aarau: Baudepartement des Kantons Aarau.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

137


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

Altieri, M. A. (1995). Agroecology: the science of sustainable<br />

agriculture. (2 nd ed.). Boulder, CO: Westview Press.<br />

Amstutz, M., Dick, M. & Hufschmid, N. (1990). Natur aus Bauemh<strong>and</strong>.<br />

Ein Leitfaden zur ökologischen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />

Oberwi1: Forschungsinstitut für biologischen L<strong>and</strong>bau (FibL).<br />

Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich<br />

(AGW). (1996). Wiederbelebung von Fliessgewässem im Kanton<br />

Zürich (Sonderdruck Nr. 1378 aus gwa 7/96 des Schweizerischen<br />

Vereins des Gas- und Wasserfaches). Zürich: AGW.<br />

Assmann, O. (1990). S<strong>and</strong> und Kiesgruben - Lebensräume für<br />

Amphibien. (Heft 3/90). München: Bayerischer Industrieverb<strong>and</strong><br />

Steine und Erden e.v., Fachabteilung S<strong>and</strong>- und Kiesindustrie.<br />

Baudepartement des Kantons Schaffhausen (1995). Naturschutzkonzept<br />

für den Kanton Schaffhausen. Schaffhausen: Baudepartement.<br />

Baur, B., Ewald, K. c., Freyer, B., & Erhardt, A. (1997). Ökologischer<br />

Ausgleich und Biodiversität. Basel: Birkhäuser.<br />

Billing, H. & Bolliger, M. (1998). Naturschutzgebiete im Kanton<br />

Schaffhausen. In M. Baumann et al., 50 Jahre L<strong>and</strong>schaftsw<strong>and</strong>el<br />

und Naturschutz in der <strong>Region</strong> Schaffhausen. Neujahrsblatt der<br />

Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen. Nr. 50/1998, Jubiläumsausgabe<br />

(S. 35-42). Schleitheim: stamm.<br />

Blab,J. (1993). Grundlagen des Biotopschutzes für Tiere. (4 th ed.).<br />

Bonn-Bad Godesberg: Ki1da.<br />

Böseh, S. (1998). Die Organisation der UNS Fallstudie. In R. W.<br />

Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />

(S. 43-60). Zürich: Rüegger.<br />

Bossert, A. et al. (1996). Bonitierung naturnaher Flächen bei<br />

Gesamt- und Umweltmeliorationen: Erfassung und Bewertung<br />

von naturnahen Flächen , die dem ökologischen Ausgleich im<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsgebiet dienen. Bem: Amt für L<strong>and</strong>wirtschaft des<br />

Kantons Bem, Abteilung Meliorationswesen.<br />

Broggi, M. F. (1997). Vom L<strong>and</strong>schaftsschutz zur L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />

Gaia, 6 (4), 5-6.<br />

Broggi, M. F. & Schlegel, H. (1989). Mindestbedarfan naturnahen<br />

Flächen in der Kulturl<strong>and</strong>schaft. Bericht 31 des Nationalen Forschungsprogrammes<br />

«Boden». Liebefeld-Bem: Nationales Forschungsprogramm<br />

«Nutzung des Bodens in der Schweiz».<br />

Brugger, A. (1990). Baden-Württemberg - L<strong>and</strong>schaft im W<strong>and</strong>el.<br />

Eine kritische Bilanz in Luftbildern aus 35 Jahren. Stuttgart:<br />

Konrad Theiss Verlag GmbH & Co.<br />

Buchwald, K., & Engelhardt, W. (1978). H<strong>and</strong>buch für Planung,<br />

Gestaltung und Schutz der Umwelt. 4 Bde. München: BLV Verlagsgesellschaft.<br />

Bühl, H. (1998). Geologie. In R. W. Scho1z, S. Böseh, H. A. Mieg,<br />

& J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> K1ettgau: Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 65). Zürich: Rüegger.<br />

Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft (BLW). (1997a). Direktzahlungen<br />

1996 an die L<strong>and</strong>wirtschaft. Bem: BLW.<br />

Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft (BLW). (1997b). Wegleitung für<br />

den ökologischen Ausgleich auf dem L<strong>and</strong>wirtschaftsbetrieb.<br />

Bem:BLW.<br />

Bundesamt für Statistik (BFS). (1997). Bodeneignungskarte der<br />

Schweiz. Bem: BFS.<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL). (1995).<br />

Vollzugshilfe zur Auenschutzverordnung. Bem: BUWAL.<br />

Bundesforschungsanstalt für L<strong>and</strong>eskunde und Raumordnung<br />

(BfLR). (1994). Die Flächenerhebung 1993 (Arbeitspapiere<br />

11/94). Bonn: BfLR.<br />

Carabias, v., Erzinger, S., Oglesby, L., Theves, C., Zobrist, D. &<br />

Mieg, H. A. (1995). Soziale Dimensionen. In R. W. Scholz, T.<br />

Koller, H. A. Mieg & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses<br />

Moos. Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie<br />

1994 (S. 107-128). Zürich: vdf.<br />

Classen, M., Gall, P., Stünzi, J. & Witt, A. (1998). Rohstoff Kies.<br />

In R. W. Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong><br />

Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie<br />

1997 (S. 129-163). Zürich: Rüegger.<br />

Ellenberg, H. (1996). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in<br />

ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Stuttgart: UImer.<br />

Ewald, K. C. (1997). Die Natur des Naturschutzes im l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Kontext. Probleme und Konzeptideen. Gaia, 6 (4), 253-264.<br />

Fendt, R. & Schaffhauser, M. (1998)Grundlagenordner - Arbeitsmittel<br />

für naturraumrelevante Projekte in der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />

Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Professur<br />

für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Firbank, L. G., Amold, H. R., Eversham, B. c., Mountford, J. 0.,<br />

Radford, G. L., Telfer, M. G., Treweek, 1. R., Webb, N. R. C. &<br />

Wells, T. C. E. (1993). Managing set-aside l<strong>and</strong> for wi1dlife.<br />

London: HMSO.<br />

Fis1er, J. (1998). Der Fall - Geschichte des K1ettgaus. In R. W.<br />

Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg &J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />

(S. 61-89). Zürich: Rüegger.<br />

Forman, R. T. T. (1995). L<strong>and</strong> mosaics. The ecology ofl<strong>and</strong>scapes<br />

<strong>and</strong> regions. Cambridge: Cambridge University Press.<br />

Forman, R. T. T., & Alex<strong>and</strong>er, L. E. (1998). Roads <strong>and</strong> their major<br />

ecologica1 effects. Annu. Rev. Ecol. Syst., 29, 207-231.<br />

Gigon, A., et al. (1996). «Blaue Listen» der erfolgreich erhaltenen<br />

oder geförderten Tier- und Pflanzenarten der Roten Listen: mit<br />

Hinweisen zur Förderung gefährdeter Arten. Bem: Schweizerischer<br />

Wissenschaftsrat.<br />

Gmür, v., et al. (1958). Melioration Unterklettgau - Schlussbericht.<br />

Hallau: Buchdruckerei Fritz Gruninger.<br />

Göldi, C., et al. (1997). Gewässer im GEP: Teil Hochwasser.<br />

Zürich: Amt für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW).<br />

Gutzwiller, K. J. & Anderson, S. H. (1992). Interception ofmoving<br />

organisms: influences of patch shape, size, <strong>and</strong> orientation on<br />

community structure. L<strong>and</strong>scape Ecology, 6, 293-303.<br />

Hamb1er, c., & Speight, M. R. (1995). Biodiversity Conservation<br />

in Britain: science replacing tradition. British Wildlife, 6, 137-147.<br />

Jedicke, E. (1990). Biotopverbund: Grundlagen und Massnahmen<br />

einer neuen Naturschutzstrategie. Stuttgart: Ulmer.<br />

Jenny, M. (1994). Fallbeispiel K1ettgau. In H. P. Pfister, et al.,<br />

(Hrsg.), Ökologischer Ausgleich in der Kulturl<strong>and</strong>schaft (S. 16­<br />

19). Bem / Sempach: Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft<br />

/ Schweizerische Vogelwarte.<br />

Jenny, M., Lugrin, B., Weibel, U., Regamey, J.-L. & Zbinden, N.<br />

(1997). Der ökologische Ausgleich in intensiv genutzten Akkerbaugebieten<br />

der Champagne genevoise GE und des Klettgaus<br />

SH und seine Bedeutung für Vögel, Pflanzen und ausgewählte<br />

Wrrbellose. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.<br />

Kästli, P., Krapf, H., Weber, P., Wüthrich, F. & Weber, O. (1998).<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaft. In R. W. Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J.<br />

Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 207-254). Zürich: Rüegger.<br />

Kaule, G. (1991). Arten- und Biotopschutz. (2 nd ed.). Stuttgart:<br />

Ulmer.<br />

138<br />

UNS-Fallstudie '98


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

Kemmerling, W. (1985). Revitalisierung von Kiesgruben. 4. Seminar<br />

L<strong>and</strong>schaftswasserbau. Wien: Technische Universität Wien.<br />

Kiene, S. (1996). Synthese von biologischer und wasserbaulicher<br />

Analyse zur Bewertung von renaturierten Fliessgewässem in der<br />

Oberrheinebene. Dissertation. Karlsruhe: Universität Fridericiana<br />

zu Karlsruhe (TH).<br />

L<strong>and</strong>esanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU).<br />

(1992). Gewässerentwicklungsplanung - Leitlinien. (Bd. 2). Stuttgart:<br />

Kurz<br />

Lenzin, H. (1987). Pflegekonzept für vier schützenswerte Gruben<br />

im Kanton Basell<strong>and</strong>schaft anh<strong>and</strong> von Artenlisten, pflanzensoziologischen<br />

Aufnahmen und deren Einordnung in Sukzessionsreihen.<br />

Basel: Universität Basel (Bot. Institut).<br />

Loidl, H. J. (1981). L<strong>and</strong>schaftsbildanalyse - Ästhetik in der<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung? L<strong>and</strong>schaft und Stadt, 13 (1), 7-19.<br />

Luz, F. (1994). Zur Akzeptanz l<strong>and</strong>schaftsplanerischer Projekte.<br />

Frankfurt am Main: Europäische Hochschulschriften.<br />

Meier, M. S., Stricker, L. E., Wehrli, M. & Bächtiger, C. (1998).<br />

L<strong>and</strong>- und Forstwirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Bösch,<br />

H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />

Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 91-128).<br />

Zürich: Rüegger.<br />

Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

und Forsten Baden-Württemberg (MLR). (1995). Marktentlastungs-<br />

und Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich: MEKA (MLR-17-95).<br />

Stuttgart: MLR.<br />

Mühlenberg, M. & Siowik, J. (1997). Kulturl<strong>and</strong>schaft als Lebensraum.<br />

Wiesbaden: Quelle & Meyer.<br />

Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development<br />

(OECD). (1994). Environmental impact assessment of roads. Paris:<br />

OECD.<br />

Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development<br />

(OECD). (1998). Environmental performance reviews: Switzerl<strong>and</strong>.<br />

Paris: OECD.<br />

Perpeet, M. (1992). L<strong>and</strong>schaftserlebnis und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />

Dissertation. Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität<br />

Freiburg.<br />

Planungs- und Naturschutzamt (PNA). (1998). Entwurf zum revidierten<br />

kantonalen Richtplan. Schaffhausen: Baudepartement des<br />

Kantons Schaffhausen.<br />

Prasuhn, V. (1998). Abschätzung der Stickstoffverluste aus diffusen<br />

Quellen in die Gewässer und der Wirkung von Massnahmen in<br />

der L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A.<br />

Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />

Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 284-294). Zürich:<br />

Rüegger.<br />

Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU). (1994). Umweltgutachten<br />

1994. Stuttgart: Metzler-Poeschel.<br />

Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU). (1996). Konzepte<br />

einer dauerhaft umweitgerechten Nutzung ländlicher Räume.<br />

Sondergutachten. Stuttgart: Metzler-Poeschel.<br />

Reijnen, R., Foppen, R., & Meeuwsen, H. (1996). The effects of<br />

traffic on the density of breeding birds in dutch agricultural grassl<strong>and</strong>s.<br />

Biological Conservation, 75, 255-260.<br />

Reijnen, R., Foppen, R., Ter Braak, C. & Thissen, J. (1995). The<br />

effects ofcar traffic on breeding bird populations in woodl<strong>and</strong>. III.<br />

Reduction of density in relation to the proximity of main roads.<br />

Journal ofApplied Ecology, 32,187-202.<br />

Renn, O. & Kastenholz, H. G. (1996). Ein regionales Konzept<br />

nachhaltiger Entwicklung. Gaia, 5 (2), 86-102.<br />

Roux, M. (1988). Umweltrelevantes H<strong>and</strong>eln von L<strong>and</strong>wirten.<br />

Wie hauptberufliche L<strong>and</strong>wirte der Kantone Zürich und Thurgau<br />

die Umweltprobleme der L<strong>and</strong>wirtschaft beuteilen und wie es um<br />

die Chancen für die Verbreitung umweltschonender bewirtschaftungsformen<br />

steht. Liebefeld-Bern: Nationales Forschungsprogramm<br />

«Nutzung des Bodens in der Schweiz».<br />

Schlatter, c., Oberholzer, S., Jäger, c., Mieg, H. A. & Reutemann,<br />

1. (1998). Verantwortungsvoller Umgang mit Boden im Siedlungsraum.<br />

In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.),<br />

<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />

UNS-Fallstudie 1997 (S. 255-274). Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1995). Methoden der Fallstudie. In R.<br />

W. Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.),<br />

Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />

durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995 (S. 31-70).<br />

Zürich: vdf.<br />

Schwahn, C. (1990). L<strong>and</strong>schaftsästhetik als Bewertungsproblem.<br />

Zur Problematik der Bewertung ästhetischer Qualität als Entscheidungshilfe<br />

bei der Planung von l<strong>and</strong>schaftsverändernden Massnahmen.<br />

Hannover: Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Naturschutz,<br />

Universität Hannover.<br />

Schweizer Fachverb<strong>and</strong> für S<strong>and</strong> und Kies (FSK). (1993). Naturschutz<br />

und Kiesabbau. Richtlinie für die Naturschutzarbeit im<br />

Kiesgewerbe. Nidau: FSK.<br />

Schweizerische Vogelwarte Sempach. (1995). Anleitung zur Inventarisierung<br />

naturnaher Lebensräume (Lebensrauminventar).<br />

Sempach: Schweizerische Vogelwarte Sempach.<br />

Statistisches L<strong>and</strong>esamt von Baden-Württemberg. (1993). Statistik<br />

von Baden-Württemberg. Agrarberichterstattung 1995. Stuttgart:<br />

Statistisches L<strong>and</strong>esamt von Baden-Württemberg.<br />

Sterling, P. H. & Hambier, C. (1988). Coppicing for conservation:<br />

do hazel communities benefit? In K. J. Kirby & F. J. Wright (Hrsg.),<br />

NCC research <strong>and</strong> survey in nature conservation No 15. Woodl<strong>and</strong><br />

conservation <strong>and</strong> research in the c1ay vale of Oxfordshire <strong>and</strong><br />

Buckinghamshire (S. 69-80). Peterborough: NCC.<br />

Waldvogel, K. & Graf, M. (1981). L<strong>and</strong>wirtschaft im Kanton<br />

Schaffhausen. Schaffhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsdirektion im Kanton<br />

Schaffhausen.<br />

Wernet, K. F. (1971) Gefüge und Gestalt der L<strong>and</strong>schaft - Die<br />

Auswirkungen. In F. Schmidt (Hrsg.) Der Klettgau. Im Auftrag der<br />

Stadt Tiengen/Hochrhein (S. 35-56). Bretten: Buch- und<br />

Offsetdruckerei Esser.<br />

6.2 RechtsgrundJagen in der Schweiz<br />

Ökobeitra'ge des Bundes<br />

Bundesgesetz über die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

(L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz, LwG)<br />

vom 29. April 1998 (St<strong>and</strong> arn 24. Dezember 1998)<br />

Inkrafttreten: 1. Januar 1999<br />

Art, 70 Grundsatz und Voraussetzungen<br />

1 Der Bund richtet Bewirtschaftern und Bewirtschafterinnen<br />

von bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben unter<br />

der Voraussetzung des ökologischen Leistungsnachweises<br />

allgemeine Direktzahlungen und Ökobeiträge aus.<br />

2 Der ökologische Leistungsnachweis umfasst:<br />

a. eine tiergerechte Haltung der Nutztiere;<br />

b. eine ausgeglichene Düngerbilanz;<br />

c. einen angemessenen Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen;<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

139


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

d. eine geregelte Fruchtfolge;<br />

e. einen geeigneten Bodenschutz; sowie<br />

f. eine Auswahl und gezielte Anwendung der Pflanzenbeh<strong>and</strong>lungsmittel.<br />

3 Er fördert mit Ökobeiträgen Produktionsformen, die besonders<br />

naturnah, umwelt-und tierfreundlich sind; die Beiträge<br />

müssen sich wirtschaftlich lohnen.<br />

4 Die Einhaltung der für die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion<br />

massgeblichen Bestimmungen der Gewässerschutz-, der<br />

Umweltschutz- und der Tierschutzgesetzgebung ist Voraussetzung<br />

und Auflage für die Ausrichtung von Direktzahlungen.<br />

5 Der Bundesrat bestimmt für den Bezug von allgemeinen<br />

Direktzahlungen und Ökobeiträgen:<br />

a. eine Mindestgrösse des bewirtschafteten Betriebes;<br />

b. ein minimales Arbeitsaufkommen aufdem bewirtschafteten<br />

Betrieb;<br />

c. eine Altersgrenze;<br />

d. Grenzwerte bezüglich Fläche oder Tierzahl je Betrieb, ab<br />

denen die Beitragssätze abgestuft werden;<br />

e. Grenzwerte für die Summe der Beiträge pro st<strong>and</strong>ardisierte<br />

Arbeitskraft; f. Grenzwerte bezüglich steuerbarem<br />

Einkommen und Vermögen der Bewirtschafter oder<br />

Bewirtschafterinnen, ab denen die Summe der Beiträge<br />

gekürzt wird oder keine Beiträge ausgerichtet werden.<br />

6 Der Bundesrat kann:<br />

a. die Direktzahlungen unter Berücksichtigung der Produktionserschwernisse<br />

abstufen; sowie<br />

b. die Ausrichtung der Beiträge mit Auflagen verknüpfen.<br />

Art. 76 Ökobeiträge<br />

I Der Bund fördert besonders naturnahe, umwelt- und tierfreundliche<br />

Produktionsformen und deren Ausdehnung mit<br />

Ökobeiträgen.<br />

2 Der Bundesrat kann im Interesse einer flächendeckenden<br />

ökologischen Bewirtschaftung bestimmte Ökobeiträge auch<br />

für nichtbäuerliche Betriebe vorsehen.<br />

3 Der Bund fördert in Ergänzung zum Bundesgesetz vom 1.<br />

Juli 19667 über den Natur- und Heimatschutz die natürliche<br />

Artenvielfalt. Er gewährt Beiträge für die Förderung eines<br />

angemessenen ökologischen Ausgleichs auf der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Nutzfläche.<br />

4 Er kann die extensive Bewirtschaftung von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Nutzflächen mit Beiträgen fördern.<br />

5 Er bemisst die Beiträge so, dass sich die besondere ökologische<br />

Leistung lohnt. Er berücksichtigt dabei die am Markt<br />

erzielbaren Mehrerlöse.<br />

6 Richtet der Bund für die gleiche Leistung auf derselben<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche gleichzeitig einen Beitrag<br />

nach den Artikeln 18a-18d des Bundesgesetzes vom 1. Juli<br />

1966 über den Natur- und Heimatschutz aus, so wird der<br />

Bundesbeitrag aufgrund des Bundesgesetzes über den Natur-<br />

und Heimatschutz um den Beitrag nach diesem Artikel<br />

gekürzt.<br />

7 Den Krediten, welche die Bundesversammlung für Ökobeiträge<br />

bewilligt, werden auch die Abgeltungen nach Artikel62a<br />

des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 19918<br />

belastet.<br />

Verordnung über die Direktzahlungen an die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

(Direktzahlungsverordnung, DZV)<br />

vom 7. Dezember 1998 (St<strong>and</strong> am 19. Januar 1999)<br />

Inkrafttreten: I. Januar 1999<br />

Art. 7 Angemessener Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen<br />

I Die ökologischen Ausgleichsflächen müssen mindestens<br />

3,5 Prozent der mit Spezialkulturen belegten l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Nutzfläche und 7 Prozent der übrigen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Nutzfläche des Betriebs betragen.<br />

2 Anrechenbar sind die ökologischen Ausgleichsflächen<br />

nach Ziffer 3.1 des Anhangs.<br />

3 Bäume nach Artikel 54 und Anhang Ziffer 3.1.2.3 und<br />

3.1.2.4 werden mit einer Are angerechnet, jedoch höchstens<br />

100 Bäume pro Hektare bestockte Fläche.<br />

4 Der ökologische Ausgleich nach Absatz I darf höchstens<br />

zur Hälfte durch die Anrechnung von Bäumen nach Absatz<br />

3 erbracht werden.<br />

5 Entlang von Oberflächengewässern, Hecken, Feld- und<br />

Ufergehölzen und Waldrändern ist ein extensiver Grünoder<br />

Streueflächenstreifen von mindestens 3 Metern Breite<br />

anzulegen.<br />

6.3 Karten der beiden L<strong>and</strong>schaftstransekte<br />

(siehe folgende Seiten)<br />

140<br />

UNS-Fallstudie '98


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

1 o 1<br />

2 Kilometer<br />

N<br />

w<br />

E<br />

s<br />

"SOLL"<br />

"IST"<br />

o Transekt<br />

Obstgarten<br />

Tümpel, Bach/Graben, renaturierter Bach<br />

artenreiche Rebbauparzelle, Trockenmauer, Le:,esteillhaIUf€,l')<br />

Wiese<br />

Buntbrache<br />

Waldr<strong>and</strong>, Gehölz, Hecke<br />

Bäume<br />

Schweizer Transekt<br />

Nutzung der Rasterdaten mit Bewilligung des Meliorations- und<br />

Vermessungamts des Kantons Schaffhausen vom 26.5.i 998<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

141


L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

_<br />

1 o 1 2 Kilometer<br />

N<br />

w<br />

E<br />

s<br />

"SOLL"<br />

"IST"<br />

Transekt<br />

Kies-/Lehmgrube<br />

Tümpel, Bach/Graben, renaturierter Bach<br />

artenreiche Rebbauparzelle, Trockenmauer, Lesesteinhaufen<br />

Wiese<br />

Buntbrache<br />

Waldr<strong>and</strong>, Gehölz, Hecke<br />

@ Bäume<br />

• Obstbäume<br />

Deutscher Transekt<br />

142 UNS-Fallstudie '98


Autoren:<br />

Markus Lerch<br />

Si/via Tobias<br />

Thomas Gloor<br />

Martin fritsch<br />

Aufbauend aufden Ergebnissen der<br />

Arbeitsgruppe:<br />

Markus Lerch<br />

franrois Rütimann<br />

Christoph Strasser<br />

fan Sutter<br />

Inhalt:<br />

1. Einleitung<br />

2. Material und Methoden<br />

3. Resultate des Fallbeispiels Bäumliacker<br />

4. Diskussion<br />

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />

145<br />

146<br />

155<br />

156<br />

158<br />

Der vorliegende Beitrag wurde durch Studenten<br />

der Abt. VIII (Kultur- und Umwelttechnik)<br />

der <strong>ETH</strong>Z geleistet. Die Studenten<br />

nahmen im Rahmen ihrer eigenen<br />

Semesterarbeit an der Fallstudie teil.<br />

Durch die Zusammenarbeit sollten einerseits<br />

der fachliche Austausch unter verschiedenen<br />

Studienrichtungen, <strong>and</strong>ererseits<br />

die Fähigkeit zur disziplinübergreifenden<br />

Teamarbeit gefördert werden.


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

144 UNS-Fallstudie '98


____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Bedeutung des Kiesabbaus für die<br />

<strong>Region</strong> Klettgau<br />

Unter den abgebauten Rohstoffen stellt Kies weltweit den<br />

grössten Mengenanteil dar. In der Schweiz ist er der einzige<br />

natürliche Rohstoff, der in grösseren Mengen abgebaut<br />

wird, so dass Kies- und S<strong>and</strong>rnassen den Umschlag aller<br />

<strong>and</strong>eren Rohstoffe - auch der fossilen Energieträger - bei<br />

weitem übersteigen. Pro Person und Jahr werden rund fünf<br />

Kubikmeter S<strong>and</strong> und Kies verbraucht (Konsel, 1989; Binswanger<br />

& Siegenthaler, 1995). Kies ist ein wesentlicher<br />

Best<strong>and</strong>teil des Baustoffs Beton, für den auch im Klettgau<br />

zum Ausbau von Siedlungen und die Verdichtung des Infrastruktumetzes<br />

eine grosse Nachfrage besteht. Aufgrund der<br />

hohen Transportkosten für Kies, gemessen am Verkaufspreis,<br />

beziehen kiesverarbeitende Betriebe den Rohstoffaus<br />

der nächsten Umgebung (Binswanger & Siegenthaler,<br />

1995). Daher ist die Kieswirtschaft durch einen regional eng<br />

begrenzten Absatzmarkt gekennzeichnet und stellt deswegen<br />

auch für den Klettgau einen wesentlichen regional-ökonomischen<br />

Faktor dar, der Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung<br />

schafft. Zugleich bieten Kiesgruben Lebensräume<br />

für seltene Pflanzen und Tiere.<br />

Demgegenüber ist der Abbau von Kies auch ein massiver<br />

Eingriff in das System Boden-L<strong>and</strong>schaft. Der Boden kann<br />

für einen längeren Zeitraum weder l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzt<br />

werden, noch steht er als Baugrund für Siedlungen und<br />

für Gewerbe- oder Industriebauten zur Verfügung. Die fehlende<br />

oberste Bodenschicht erhöht zudem das Risiko für den<br />

Eintrag von Schadstoffen in tiefere Bodenschichten und in<br />

das Grundwasser. Nicht zuletzt empfindet die Bevölkerung<br />

Kiesgruben als offene Wunden in der L<strong>and</strong>schaft, an denen<br />

sie sich stört.<br />

Im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Boden sollte<br />

nach Abschluss des Kiesabbaus der Boden wieder einer<br />

Nutzung zugeführt werden. Der Kiesabbau ist zwar eine<br />

Nutzungsart von beschränkter Dauer, diese kann aber bisweilen<br />

mehrere Jahrzehnte betragen. In diesem Zeitraum<br />

kann die L<strong>and</strong>schaft um die Kiesgruben einem W<strong>and</strong>el<br />

unterliegen. Daher ist es möglich, dass nach dem Abbau der<br />

Kiesreserven die ursprünglich geplanten Folgenutzungen<br />

nicht mehr den aktuellen regionalen Entwicklungszielen<br />

entsprechen (Scholz et al., 1997).<br />

Aufgabe<br />

Die Aufgabe best<strong>and</strong> darin, Konzepte für eine möglichst<br />

optimale und st<strong>and</strong>ortgerechte Nachnutzung von ehemali-<br />

Tab. 1.2.1: Inhaltliche Haupt-, Unter- und Teilziele der Arbeit<br />

Entwicklung von Nachnutzungskonzepten<br />

für stillgelegte<br />

Kiesgruben im Klettgau,<br />

die den aktuellen naturräumlich-ökologischen,<br />

raumplanerisch-regionalökonomischen<br />

und sozialen<br />

Rahmenbedingungen<br />

entsprechen.<br />

Bestimmung naturräumlichökologischer,<br />

raumplanerischregionalökonomischer<br />

sowie<br />

sozialer Kriterien zur lokalen<br />

und regionalen Bewertung der<br />

Nachnutzungsalternativen.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

145


Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

gen Kiesabbaugebieten im Klettgau zu entwickeln. Mittels<br />

einer multikriteriellen Nutzwertanalyse waren für die Kiesgruben<br />

Nutzungsalternativen zu bewerten. Dies hatte im<br />

Hinblick auf ihre Eignung unter den aktuellen naturräumlieh-ökologischen,<br />

raumplanerisch-regionalökonomischen<br />

und sozialen Rahmenbedingungen zu erfolgen. Die Evaluation<br />

sollte systematisch und transparent sein und sowohl<br />

lokalen als auch regionalen Aspekten Rechnung tragen.<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde ein Modell der Bewertungsmethode<br />

entwickelt und exemplarisch umgesetzt. Aufgrund<br />

dessen wird die Vorgehensweise der Methode aufgezeigt<br />

und diskutiert.<br />

2 Material<br />

Für unsere Untersuchungen beschränkten wir uns auf zwei<br />

Methoden; den paarweisen Vergleich und die Nutzwertanalyse<br />

(Multi Attribute Utility Theory) (Danzer & Huber,<br />

1997). Die verwendeten Methoden sind typische Beispiele<br />

einer multikriteriellen Analysemethode (vgl. Exkurs). Zur<br />

regionalen Bewertung der Nutzungsaltemativen wurde der<br />

paarweise Vergleich (vgl. Abschnitt 2.3.2) einer Nutzwertanalyse<br />

(vgl. Abschnitt 2.4.3) vorgezogen. Dies ist dadurch<br />

zu begründen, dass uns hinsichtlich der regionalen Aspekte<br />

zu wenig konkrete Informationen für die Definition eindeutiger<br />

Nutzenfunktionen vorlagen, mit denen die Ausprägungen<br />

der Beurteilungskriterien mittels Modellen oder Funktionen<br />

quantifiziert werden könnten.<br />

146<br />

UNS-Fallstudie '98


_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

A) Nutzungsalternativen<br />

Die Entwicklung und Bestimmung der Nutzungsalternativen<br />

basiert auf dem Studium bereits realisierter Folgenutzungen<br />

in <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en, der Befragung der Bevölkerung<br />

anlässlich eines Begleitgruppentreffens sowie aufAussagen<br />

der Umweltverträglichkeitsberichte und Materialabbaukonzepte.<br />

2.1 Vorgehen<br />

Das methodische Vorgehen für die Bewertung der verschiedenen<br />

Nutzungsalternativen wird in Abbildung 2.1.1 veranschaulicht.<br />

Das gewählte Vorgehen gliedert sich in vier<br />

Teilschritte:<br />

B) <strong>Region</strong>ale Betrachtung<br />

Die Bestimmung der regionalen Kriterien für die Nutzungsalternativen<br />

bezieht sich auf die Richtplanung. Die Bewertung<br />

der Alternativen erfolgte mittels Paarvergleich.<br />

C) Lokale Betrachtung<br />

Die Bestimmung lokaler Kriterien für die Nutzungsalternativen<br />

beruht auf einer Literaturrecherche sowie einem<br />

Brainstorming in Zusammenarbeit mit den Fallstudiengruppen.<br />

Durch ein Ausschlussverfahren (Outranking) wurden<br />

NACHNUTZUNGSALTERNATlVEN<br />

NNl,NNz,NN3,NN4,NNs,NN6<br />

K,<br />

NORMIERUNG ~~i~~lT. NN 1<br />

NNx<br />

NUTZWERT NUiLWERT NUTZWERT<br />

IK<br />

KN,<br />

KNx<br />

TOTAL<br />

REGIONALE GEWICHTUNGSFAKTOREN<br />

NUTZWERTE DER LOKALEN BEWERTUNG<br />

Abb. 2.1.1: Ablaufschema für die regionale und lokale Bewertung der Nutzungsalternativen: Die in der Bewertung nach<br />

lokalen Aspekten berechneten Nutzwerte der einzelnen Nutzungsalternativen werden mitden dazu gehörenden Gewichtungsfaktoren<br />

nach regionalen Aspekten multipliziert. Als beste Variante wird diejenige Nutzungsalternative betrachtet, welche<br />

nach regionalen und lokalen Bewertungsaspekten den grössten Nutzwert aufweist.<br />

UNS-Fallstudie '98 147


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

technisch nicht realisierbare Alternativen verworfen. Die<br />

verbliebenen Alternativen wurden mittels Nutzwertanalyse<br />

bewertet.<br />

D) Synthese der regionalen und lokalen Bewertung<br />

Die in der Bewertung nach lokalen Aspekten berechneten<br />

Nutzwerte der einzelnen Nutzungsalternativen werden mit<br />

den dazu gehörenden Gewichtungsfaktoren nach regionalen<br />

Aspekten multipliziert. Als beste Variante wird diejenige<br />

Nutzungsalternative betrachtet, welche nach regionalen und<br />

lokalen Bewertungsaspekten den grössten Nutzwert aufweist.<br />

Die Nutzungsalternativen wurden im Hinblick auf eine<br />

nachhaltige Nutzung stillgelegter Kiesgruben bestimmt. Bei<br />

deren Bestimmung wurde darauf geachtet, dass sie einerseits<br />

den spezifischen St<strong>and</strong>ortvorteilen entsprechen und<br />

<strong>and</strong>ererseits zur Erreichung der regionalen Entwicklungsziele<br />

beitragen. Die Grundlagen dazu lieferten Brainstormings<br />

unter Teilnehmenden der Fallstudie und der Bevölkerung<br />

des Klettgaus anlässlich eines Begleitgruppentreffens<br />

in Wilchingen. Weitere Informationen lieferten Umweltverträglichkeitsberichte,<br />

Abbaubewilligungen und Publikationen<br />

über bereits realisierte Folgenutzungen von Kiesgruben<br />

(Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Umweltschutz, 1996;<br />

Müller, 1996; Kruttwig, 1977; Böcker & Kohler, 1997). Zur<br />

Bewertung wurden schliesslich sechs Folgenutzungen ausgewählt.<br />

Sie werden im folgenden Abschnitt genauer beschrieben.<br />

Die Abbildung 2.2.1 veranschaulicht unsere Ergebnisse.<br />

Intensive L<strong>and</strong>wirtschaft: Bei der intensiven l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Folgenutzung wählten wirAckerbau, insbesondere<br />

Weizenanbau. Weizen ist ein typisches Produkt aus<br />

dem Klettgau, weil Boden und Klima sich dazu gut eignen.<br />

Wir rechneten mit Erstellungskosten von ca. 150000 Franken<br />

pro Hektare für die fachgerechte Rekultivierung und<br />

Drainage, sofern genügend rekultivierungsfähiger Boden<br />

auf dem Gebiet der Kiesgrube verfügbar ist. Dabei muss der<br />

Unterboden 80 Zentimeter, der Oberboden 30 Zentimeter<br />

mächtig geschüttet werden können. Das Einlagern von sauberem<br />

Aushub- und Gesteinsmaterial zur Auffüllung der<br />

Gruben soll jeweils von den Deponieeinnahmen finanziert<br />

werden (Diese Annahmen sind gültig für alle Nutzungsalter-<br />

Technische Voraussetzungen zur<br />

Realisierung der Nachnutzungen<br />

Nachnutzungsklassen<br />

Konkrete Beispiele. aus denen<br />

die bewerteten<br />

Nachnutzungsalternativen<br />

hervorgehen<br />

Ackerbau<br />

Milchwirtschaft<br />

Rebbau<br />

Buntbrache<br />

Rotationsbrache<br />

Hochstammobstanlage<br />

Nutzwald<br />

Ungenutzter Wald<br />

Einkaufszentrum<br />

Ausbildungszentrum<br />

Kleines mittleres<br />

Unternehmen<br />

Wohnsiedlung<br />

Campingplatz<br />

Motocrosspiste<br />

Freizeitpark mit See<br />

Sportstadion<br />

Wechselfeuchter St<strong>and</strong>ort<br />

Pioniergesellschaft<br />

Kiesw<strong>and</strong><br />

Trockenst<strong>and</strong>ort<br />

Abb.2.2.1:<br />

Nutzungsalternativen<br />

148<br />

UNS-Fallstudie '98


____________________________ Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

nativen, die eine Auffüllung erfordern). Für die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> entstehen keine Unterhaltskosten. Die Bewirtschaftung<br />

von 10 Hektaren Ackerl<strong>and</strong> erfordert zwei Arbeitskräfte<br />

(Scholz et al., 1997; FSK- Schweiz, 1987; Baudirektion<br />

und Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, 1991;<br />

Baudepartement des Kanton Schaffhausen, 1997a; Flury,<br />

1998).<br />

Extensive L<strong>and</strong>wirtschaft: Extensiv genutzte Flächen sind<br />

im intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten Klettgau selten.<br />

Die vermehrte extensive Nutzung von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Flächen würde die bestehende L<strong>and</strong>schaft ästhetisch und<br />

ökologisch aufwerten, insbesondere wenn die Flächen die<br />

Funktion von ökologischen Trittsteinen oder Korridoren<br />

wahrnehmen könnten. Für unsere Bewertung wählten wir<br />

das Beispiel Buntbrache.Für die Rekultivierung des Bodens<br />

wurden dieselben Annahmen wie für den Ackerbau getroffen.<br />

Die Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong> (Mähen,<br />

Entbuschen) belaufen sich aufetwa 160 Franken pro Hektare<br />

und Jahr. Die zur Pflege von Buntbrache benötigten<br />

Arbeitskräfte sind marginal und wurden in unserer Bewertung<br />

als null festgesetzt (Riese, 1997; Bayrisches Staatsministerium,<br />

1982).<br />

Forstwirtschaft: Als Bewertungsgrundlage für die Folgenutzung<br />

Forstwirtschaft trafen wir Annahmen für einen<br />

Nutzwald. Die Grundlage bildete der in der Klettgaurinne<br />

häufig anzutreffende Typ des Mischwaids. Die Kostenabschätzung<br />

wurde für flaches bis mässig steiles Gelände unter<br />

der Annahme einer Bepflanzungsdichte von 5'000 Pflanzen<br />

pro Hektare gemacht, wobei der Laubholzanteil 90 Prozent<br />

und derNadelholzanteill0 Prozent betragen. Die Kosten für<br />

die Pflanzung belaufen sich auf etwa 20'000 Franken pro<br />

Hektare. Bei der Rekultivierung von Waldböden wird in der<br />

Regel aufHumus verzichtet. Dafür muss ein 150 Zentimeter<br />

mächtiger Unterboden geschüttet werden. Wir rechneten<br />

deshalb mit den gleichen Rekultivierungskosten wie für den<br />

Ackerbau. Für die öffentliche H<strong>and</strong> entstehen keine Unterhaltskosten.<br />

Die Bewirtschaftung von 10 Hektaren Mischwald<br />

erfordert eine halbe Arbeitskraft (Bayrisches Staatsministerium<br />

für L<strong>and</strong>esentwicklung und Umweltfragen,<br />

1982; Eidg. Forschungsanstalt für l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Pflanzenbau Zürich/FSK-Schweiz, 1987; FSK, 1991; Flury,<br />

1996).<br />

Industrie: Als Beispiel für die Folgenutzungsklasse Industrie<br />

wählten wir einen Kleinbetrieb. Dies, weil die relativ<br />

kleinen Abbauflächen grössere Anlagen nicht zulassen würden<br />

und es unter den zum Zeitpunkt der Untersuchung<br />

gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen kaum wahrscheinlich<br />

ist, dass sich grössere Betriebe ansiedeln werden.<br />

Produktionsbetriebe, die durch den Einsatz oder die Lagerung<br />

von Stoffen das Grundwasser gefährden, wurden ausgeschlossen.<br />

Der Kleinbetrieb besteht aus einer Produktionshalle<br />

mit integrierten Büroräumen (5'500 m 3 ) und einer<br />

Lagerhalle (5'000 m\ Die gesamten Erstellungskosten belaufen<br />

sich aufca. 8 Mio. Franken. Für die öffentliche H<strong>and</strong><br />

entstehen keine Unterhaltskosten. Das Unternehmen bietet<br />

Arbeitsplätze für 25 Personen (Schweizerischer Baumeisterverb<strong>and</strong>,<br />

1991).<br />

Grubenbiotop: Kiesabbaugebiete sind als Lebensraum für<br />

verschiedene Pflanzen und Tiere von grosser Bedeutung.<br />

Die Abbauarbeit setzt eine Dynamik in Gang, welche die<br />

Existenz spezialisierter, oft vom Aussterben bedrohter<br />

Pflanzen und Tiere ermöglicht. Die von uns gewählte Folgenutzung<br />

Pionierst<strong>and</strong>ort hat zum Ziel, die für Grubenbiotope<br />

typischen Sukzessionsphasen über den Abbaubetrieb<br />

hinaus zu erhalten, sowie die Neuentwicklung derselben zu<br />

unterstützen. Die Erstellungskosten sind marginal. Sie setzen<br />

sich aus Aufwendungen für Absperrungen oderBeschilderungen<br />

zusammen und wurden in der Bewertung als null<br />

festgesetzt. Unterhaltskosten fallen durch Pflegemassnahmen<br />

an (Mähen und Forstarbeiten zur Verhinderung der<br />

natürlichen Sukzession). Sie belaufen sich auf etwa 100<br />

Franken pro Hektare und Jahr. Die zur Pflege von 10 Hektaren<br />

benötigten Arbeitsplätze sind marginal und werden in<br />

unserer Bewertung als null festgesetzt (Bayrisches Staatsministerium,<br />

1992).<br />

Erholung und Freizeit: Unter dem Oberbegriff Freizeit und<br />

Erholung entschieden wir uns für die Folgenutzung Freizeitpark<br />

mit See. Im Zentrum steht eine Wasserfläche, die etwa<br />

20 Prozent der Gesamtfläche ausmacht. Sie wird von einer<br />

flachen Uferzone umgeben. Für das restliche Grubengebiet<br />

sind keine gestalterischen Massnahmen vorgesehen. Die<br />

anfallenden Erstellungskosten für Abdichtungen, ohne<br />

Wasserzufuhr, bewegen sich in der Grössenordnung von<br />

25'000 bis 100'000 Franken pro Hektare. Kosten für Erdbewegungen<br />

hängen stark von der Form der Grube ab und<br />

lassen sich während des Abbauprozesses in gewissem Rahmen<br />

steuern. Sie wurden nicht erhoben. Ebenfalls wurden<br />

anfallende Kosten für Einrichtungen wie Grillplätze, Bänke<br />

und Tische sowie zu erstellende Parkplätze nicht berücksichtigt.<br />

Die Aufwendungen der öffentlichen H<strong>and</strong> für Pflege<br />

und Unterhalt der Anlage (Mähen der Böschungen, Forstarbeiten,<br />

Reinigung) wurden im Vergleich mit denen für<br />

Buntbrache und Pionierst<strong>and</strong>ort als hoch eingeschätzt. Zur<br />

Pflege von 10 Hektaren wird eine Arbeitskraft benötigt<br />

(Bayrisches Staatsministerium für L<strong>and</strong>esentwicklung und<br />

Umweltfragen, 1982; Schulz, 1977).<br />

2.3 Die regionale HewertLJrnf!<br />

Die regionale Bewertung der Nutzungsalternativen erfolgte<br />

unabhängig vom St<strong>and</strong>ort der Kiesgrube, nach regionalen<br />

Gesichtspunkten. Als Grundlage diente dazu ein von der<br />

Arbeitsgruppe zusammengestelltes Leitbild zur regionalen<br />

Entwicklung des Klettgaus in Bezug auf die nachhaltige<br />

Folgenutzung von Kiesgruben, da eine entsprechende und<br />

umfassende Sachplanung weder in Deutschl<strong>and</strong> noch in der<br />

Schweiz vorh<strong>and</strong>en ist. Unser regionales Entwicklungsleitbild<br />

basiert auf den Zielen der Richtplanung, des Materialabbaukonzeptes<br />

des Kantons Schaffhausen sowie aus Aussagen<br />

der Fallstudie 97. Im folgenden Abschnitt werden<br />

diese Ziele vorgestellt.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

149


Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

2.3.1 <strong>Region</strong>ales Entwicklungsleitbild bezüglich der<br />

nachhaltigen Nutzung der Kiesgruben im<br />

Klettgau<br />

Naturschutz: Die <strong>Region</strong> Klettgau ist als Vorranggebiet für<br />

ökologische Ausgleichsrnassnahmen zu betrachten. Auf regionaler<br />

Ebene muss mit ökologischen Trittsteinen und<br />

Korridoren eine bessere Vernetzung der verbliebenen naturnahen<br />

Lebensräume angestrebt werden. Dies erfolgt beispielsweise<br />

mit Hilfe einer geeigneten räumlichen Anordnung<br />

von ökologischen Ausgleichsflächen. Die Vielfalt der<br />

Lebensräume soll erhöht werden, indem Kiesgruben, welche<br />

ökologisch besonders attraktiv sind, erhalten werden.<br />

Enthalten sie gar Arten der Roten Liste, hat der Naturschutz<br />

Priorität.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft: Die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion soll auf<br />

regionaler Ebene erhalten bleiben. Die l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />

genutzten Flächen dürfen deshalb nicht vermindert werden.<br />

Zweckentfremdete Fruchtfolgeflächen sind zu kompensieren.<br />

Folgenutzungen von Kiesgruben für die l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

Produktion sollen dort vorgenommen werden, wo sie<br />

den benachbarten Nutzungen entsprechen und die Flächen<br />

mit geringem Aufw<strong>and</strong> bewirtschaftet werden können. Gruben<br />

mit einer kleinen Grundfläche (4 ha) werden daher<br />

sinnvollerweise für die L<strong>and</strong>wirtschaft wiederaufgefüllt.<br />

Wald: Der Waldbest<strong>and</strong> der <strong>Region</strong> muss sowohl quantitativ<br />

als auch qualitativ erhalten werden. Die Folgenutzung von<br />

Gruben als Wald soll aus regionaler Sicht vor allem dort<br />

vorgenommen werden, wo sie die Funktion eines ökologischen<br />

Trittsteines oder Korridors wahrnehmen kann.<br />

Grundwasserschutz: Das Grundwasser muss in der ganzen<br />

<strong>Region</strong> geschützt werden. Daher dürfen in den Kiesgruben<br />

grundsätzlich keine Folgenutzungen realisiert werden, die<br />

ein hohes Gefahrenpotential zur Grundwasserverunreinigung<br />

mit sich tragen. Da die Grundwassergefährdung jedoch<br />

st<strong>and</strong>ortbedingt sehr unterschiedlich sein kann, muss<br />

das Risiko jeweils für den konkreten Fall abgeschätzt werden.<br />

Eine Folgenutzung mit erhöhter Gefahr für das Grundwasser<br />

kann nur gewählt werden, wenn die Rohplanie dicht<br />

gebaut wird.<br />

L<strong>and</strong>schaft: Die Folgenutzungen müssen sich ins regionale<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild einfügen. Grubenst<strong>and</strong>orte, die besonders<br />

gut einsehbar sind, sollen nach Möglichkeit aufgefüllt werden,<br />

insbesondere wenn ihre Grundfläche im Vergleich zur<br />

Tiefe klein ist. Sonst werden sie als störendes Element im<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild wahrgenommen.<br />

Erholung und Freizeit: Den Bedürfnissen der Bewohner<br />

nach Naherholung und Freizeiteinrichtungen sollen Rechnung<br />

getragen werden. Besteht diesbezüglich ein Bedürfnis,<br />

ist eine derartige Folgenutzung in Betracht zu ziehen.<br />

Siedlung: Die Besiedlung der <strong>Region</strong> soll geordnet und<br />

zweckmässig erfolgen. Es ist also bei der Wahl der Folgenutzung<br />

darauf zu achten, dass sie sich bestehenden Strukturen<br />

anpasst. Industrie- und Gewerbezonen sind in der<br />

<strong>Region</strong> ausreichend vorh<strong>and</strong>en, um den Bedarfder nächsten<br />

15 Jahre abzudecken. Eine Umzonung der Kiesgruben ist<br />

nur sinnvoll, wenn eine grosse zusammenhängende Fläche<br />

erforderlich ist. Dies trifft beispielsweise auf öffentliche<br />

Anlagen, Freizeiteinrichtungen oder Lagerhalien zu. Ebenfalls<br />

ist eine Umzonung sinnvoll, wenn die lärmdämpfenden<br />

Eigenschaften und die Nicht-Einsehbarkeit der Grube erwünscht<br />

sind. Aus regionaler Sicht eignen sich dazu Kiesgruben,<br />

die in der unmittelbaren Umgebung der Entwicklungsgemeinden<br />

liegen. Derartige Umzonungen müssen <strong>and</strong>erenorts<br />

kompensiert werden. Benachbarte Nutzungen<br />

sollten ähnlich sein, damit Synergien entstehen und es zu<br />

keinen Nutzungskonflikten mit Wohn- oder Erholungsgebieten<br />

kommt (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />

1998; Baudepartement des Kantons Schaffhausen, 1997b ;<br />

Scholz et al.,1998).<br />

2.3.2 Paarweiser Vergleich<br />

Anh<strong>and</strong> der im regionalen Entwicklungsleitbild formulierten<br />

Ziele (vgl. Abschnitt2.3.1) werden die Nutzungsalternativen<br />

paarweise auf ihre Eignung gegenein<strong>and</strong>er abgewogen.<br />

Dabei wird im wesentlichen die von Forman (1990)<br />

beschriebene Methode des «Analytic Hierarchy Process<br />

(AHP)>> angewendet. Es werden jeweils 100 Nutzenpunkte<br />

auf ein Paar aufgeteilt. Ziel ist es, den Nutzenunterschied<br />

zwischen den Alternativen zu erfassen (vgl. Tab. 3.1). Die<br />

Summe aller Punkte einer Nutzungsalternative ergibt ihre<br />

Teilsumme. Die sechs Teilsummen werden arithmetisch gemittelt.<br />

Aus der Division der Teilsummen mit ihrem arithmetischen<br />

Mittel ergeben sich die regionalen Gewichtungsfaktoren.<br />

Die Arbeitsgruppe führte diesen paarweisen Vergleich<br />

unabhängig vonein<strong>and</strong>er durch und die Ergebnisse wurden<br />

anschliessend diskutiert, bis man sich geeinigt hatte. Mit der<br />

100-Punkte-Regellässt sich die relative Bedeutung jeweils<br />

zweier Alternativen sehr anschaulich ausdrücken, die absolute<br />

Bedeutung dieser Alternativen innerhalb der Gesamtmenge<br />

der Alternativen ist daraus allerdings nicht ersichtlich.<br />

Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Die<br />

Bevorzugung von Alternative a gegenüber Alternative b sei<br />

80:20, die von c gegenüber d sei 50:50. Rein aus diesen<br />

Zahlenwerten ergibt sich eine Bevorzugung von a > c = d<br />

> b. Ebenso möglich ist aber auch eine Bevorzugung der<br />

beiden Alternativen c und d gegenüberdem Paar a und b, das<br />

heisst (c, d) > (a, b). Dieser zweite Sachverhalt wird jedoch<br />

aus den oben erwähnten Zahlenwerten nicht offensichtlich.<br />

2.4 Die lokale Bewertung<br />

2.4.1 Fallbeispiel Bäumliacker<br />

In diesem Beitrag soll am Fallbeispiel der Kiesgrube<br />

Bäumliacker exemplarisch eine Bewertung durchgeführt<br />

werden. Das Abbaugebiet der Grube Bäumliacker liegt am<br />

südlichen R<strong>and</strong> des Dorfes Beringen und wird durch die<br />

Strasse nach Trasadingen im Süden, sowie durch die Bahnlinie<br />

Schaffhausen-Waldshut im Norden begrenzt.<br />

150<br />

UNS-Fallstudie '98


____________________________ Nutzungsaitemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

Tab. 2.4.1.1: Angaben zur Bewertung der Outranking-Kriterien (vgl. Abschnitt 2.4.2)<br />

Angaben zum St<strong>and</strong>ort: St<strong>and</strong> 1998<br />

Verfügbarkeit von Ober- und Unterbodenmaterial<br />

Wasserverfü gbarkeit<br />

Beschreibung<br />

Vor Ort deponiert<br />

Kein natürlicher Wasserzufluss<br />

Arten der Roten Liste<br />

Keine bekannt<br />

I<br />

Verfügbarkeit von sauberem Aushubmaterial Gesichert<br />

I<br />

Tab. 2.4.1.2: Angaben zur Bewertung der Folgenutzungskriterien (vgl. Abschnitt 2.4.3)<br />

Angaben zum St<strong>and</strong>ort: St<strong>and</strong> 1998<br />

Abbaufläche<br />

Beschreibung<br />

4,7 Hektaren<br />

Arbeitsplätze 3<br />

Endgestaltungsbestimmungen Auffüllung, l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung<br />

keine Fruchtfolgefläche<br />

Benachbarte Nutzungen Industrie; Wohn- und Gewerbezone; L<strong>and</strong>wirtschaft, Materialabbauzone<br />

L<strong>and</strong>schaftsumgebung<br />

Lebensraumtypen<br />

Luft-/Lärmbelastung<br />

Gewässerschutzbereich<br />

Grube ist isoliert durch Eisenbahn und Strasse<br />

In der Nachbarschaft: intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung, grosse<br />

Industriezonen<br />

Es fehlen Kleinstrukturen<br />

Es fehlen anschliessende naturnahe Korridore (Entfernung zum Wald ist<br />

grösser als 300 Meter)<br />

Ruderalfluren (einjährig)<br />

Ruderalfluren (zwei bis mehrjährig)<br />

Hecke entlang der Eisenbahnlinie<br />

Baufahrzeuge sind die einzige Emissionsquelle<br />

A<br />

Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes Grube mit Kratercharakter (Verhältnis Grubenradius zu Grubentiefe ist<br />

kleiner drei)<br />

Grube ist von der Wohnzone einsehbar<br />

2.4.2 Outranking für die lokale Bewertung<br />

Zweck dieses Verfahrens ist es, Nutzungsalternativen, die<br />

aus technischen oder ökologischen Gründen nicht realisierbar<br />

sind, auszuschliessen bevor sie das eigentliche Bewertungsverfahren<br />

durchlaufen. Die Ausprägung der einzelnen<br />

Kriterien wird mit einem (+) versehen, falls die bei der<br />

Grube vorherrschenden Bedingungen das Outranking-Kriterium<br />

erfüllen. Eine (0) steht, wenn das Kriterium für die<br />

betreffende Folgenutzung indifferent ist. Ist ein Outranking­<br />

Kriterium nicht erfüllt und für die betreffende Folgenutzung<br />

eine zwingende Voraussetzung, ist bei der Ausprägung ein<br />

(-) einzusetzen. Ein einziges (-) bewirkt den Ausschluss der<br />

Nutzungsaitemative aus dem Bewertungsverfahren.<br />

Outranking-Kriterien:<br />

Verfügbarkeit von Ober- oder Unterbodenmaterial: Die<br />

Folgenutzung L<strong>and</strong>wirtschaft setzt einen mindestens 30<br />

Zentimeter hohen rekultivierungsfähigen Humus (Oberboden)<br />

und einen mindestens 80 Zentimeter mächtigen Verwitterungshorizont<br />

(Unterboden) voraus. Die Folgenutzung<br />

Forstwirtschaft bedingt einen mindestens 150 Zentimeter<br />

mächtigen Unterboden. Ist dieses Material regional nicht<br />

ausreichend vorh<strong>and</strong>en, müssen diese Folgenutzungen ausser<br />

Betracht gelassen werden.<br />

Wasserverfügbarkeit: Die Folgenutzung Freizeitpark mit<br />

See setzt voraus, dass der See mit Wasser gespiesen werden<br />

kann, entweder mit Oberflächenwasser oder durch Grundwasserzufluss.<br />

Die Speisung des Sees mit Wasser darf<strong>and</strong>erenorts<br />

aber nicht zu Wassermangel führen.<br />

Arten der Roten Listen: Grubenbiotope bieten oft seltenen,<br />

vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren Lebensraum.<br />

Neben Uferschwalben nutzen Amphibien die Abbaugebiete<br />

als Habitat, darunter die stark gefährdeten Arten<br />

Kreuzkröte, Laubfrosch, Gelbbauchunke oder verschiedene<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

151


NUlzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

Molcharten. Das Vorkommen von Arten der Roten Liste<br />

führt zum Ausschluss von Nutzungsalternativen, die diese<br />

Arten gefährden können.<br />

Veifügbarkeit von sauberem Aushubmaterial: Um die<br />

Grube bis aufdas projektierte Rohplanieniveau aufzufüllen,<br />

wird inertes, sauberes Aushub- und Gesteinsmaterial benötigt.<br />

Ist das Material in der <strong>Region</strong> Klettgau nicht verfügbar,<br />

sind die genannten Folgenutzungen unverhältnismässig und<br />

darum als nicht realisierbar zu betrachten.<br />

Nach dem Outranking verbleiben die Nutzungsalternativen<br />

Ackerbau, Buntbrache, Nutzwald, Kleinbetrieb und<br />

Pionierst<strong>and</strong>ort in der Bewertung. Die Folgenutzung Freizeitpark<br />

mit See fällt weg, weil für die Speisung eines Sees<br />

nicht genügend Wasser verfügbar ist. (vgl. Tab. 2.4.1.1)<br />

2,4.3 Nutzwertanalyse für die lokale Bewertung<br />

Die Nutzwertanalyse stellt anh<strong>and</strong> einer Bewertungsmatrix<br />

die Beziehung zwischen sämtlichen zur Auswahl stehenden<br />

Nutzungsalternativen (vgl. Abschnitt 2.1) und allen Bewertungskriterien<br />

her. Jedem Folgenutzungskriterium wird eine<br />

Nutzenfunktion zugeordnet, welche die Nutzwerte von den<br />

verschiedenen Sachdimensionen in eine einheitliche Wertdimension<br />

überführt. Die Nutzenpunkte jedes Kriteriums<br />

werden auf einen maximalen Nutzwert von drei normiert.<br />

Die Folgenutzungskriterien wurden so definiert, dass sie<br />

die verschiedenen Nutzenaspekte der Alternativen beschreiben.<br />

Dabei wurden drei Kategorien unterschieden: Raumplanerisch-regionalökonomische,<br />

naturräumlich-ökologische<br />

und soziale Nutzenaspekte (Teilnutzen). Bei der Bestimmung<br />

der Kriterien wurde einerseits darauf geachtet,<br />

dass sie für alle Nutzungsalternativen gelten. Andererseits<br />

sollten aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten eindeutige<br />

Nutzenfunktionen hergeleitet werden können.<br />

Innerhalb einer Nutzenkategorie werden die Kriterien<br />

nach Prioritäten einzeln gewichtet. Diese Gewichtung der<br />

Einzelkriterien wurde innerhalb der einzelnen Kategorien<br />

mittels paarweisem Vergleich bestimmt und von den Autoren<br />

durchgeführt (vgl. Tab. 3.2). Die Summe der Gewichte<br />

einer Kategorie beträgt eins. Somit beträgt die maximale<br />

Summe der Nutzwerte aller normierten, gewichteten Folgenutzungskriterien<br />

einer Kategorie drei.<br />

Die Summe aller Nutzwerte einer Folgenutzung ergibt<br />

deren Nutzwerttotal. Sie beträgt für jede Nutzungsalternative<br />

maximal neun. Die Nutzungsalternative mit dem höchsten<br />

Nutzwerttotal ist die beste Variante der lokalen Bewertung<br />

(vgl. Tab. 3.3).<br />

Tab. 2.4.2.1: Ausschlussverfahren von Nachnutzungsvarianten aufgrund der Outranking - Kriterien für das Fallbeispiel<br />

Beringen-Bäumliacker (+ Kriterium erfüllt; 0 Kriterium indifferent, - Kriterium nicht erfüllt)<br />

Beringen Bäumliacker<br />

Outranking - Kriterien<br />

+ unterstützt Nachnutzung<br />

o neutral<br />

• Nachnutzung nicht möglich<br />

o<br />

o<br />

+<br />

+<br />

o<br />

+<br />

+<br />

o<br />

+<br />

+<br />

o<br />

o<br />

o<br />

+<br />

+<br />

Die Spalten enthalten die Alternativen, die für die Bewertung folgendermassen definiert sind (vgl. Kap. 2.2):<br />

Ackerbau: Intensive L<strong>and</strong>wirtschaft, Weizenanbau; Rekultivierungskosten ca. Fr. 150'000 pro Hektare; keine Unterhaltskosten für die<br />

öffentliche H<strong>and</strong>; zwei Arbeitsplätze pro 10 ha<br />

Buntbrache: Extensive L<strong>and</strong>wirtschaft; Rekultivierungskosten wie für Ackerbau; Unterhaltskosten von Fr. 160 pro ha für die öffentliche<br />

H<strong>and</strong>; keine Arbeitsplätze<br />

Nutzwald: Forstwirtschaft, Mischwald; Rekultivierungskosten wie für Ackerbau, Pflanzung ca. Fr. 20'000 pro ha; keine Unterhaltskosten<br />

für die öffentliche H<strong>and</strong>; ein halber Arbeitsplatz pro 10 ha<br />

Kleinbetrieb: Industrie; Erstellungskosten ca. 8 Mio Fr.; keine Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong>; 25 Arbeitsplätze<br />

Freizeitpark mit See: Erholungs- und Freizeitnutzung; Erstellungskosten Fr. 25'000 bis 100'000 pro ha; hohe Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong>;<br />

ein Arbeitsplatz pro 10 ha<br />

Pionierst<strong>and</strong>ort: Grubenbiotop; keine Erstellungskosten; Unterhaltskosten ca. Fr. 100 pro ha; keine Arbeitsplätze<br />

152 UNS-Fallstudie '98


____________________________ Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

Folgenutzungskriterien:<br />

Bewertungskrite­<br />

Raumplanerisch-regionalökonomische<br />

rien:<br />

I<br />

Arbeitsplätze nehmen ab<br />

Mindestens Halbierung der<br />

Arbeitsplätze<br />

(Ai) Erhaltung der Arbeitsplätze: Eine genügende Anzahl<br />

Arbeitsplätze ist bedeutend für eine gesunde, nachhaltige<br />

<strong>Region</strong>alwirtschaft. Sie verhindert u. a. grössere Pendlerströme<br />

in die Stadt Schaffhausen. Die Nutzenfunktion bezeichnet<br />

die Veränderung der Anzahl Arbeitsplätze der bewerteten<br />

Nutzungsalternative im Vergleich zur bestehenden<br />

Nutzungsart.<br />

I Mindestens Verdoppelung<br />

5<br />

I Arbeitsplätze<br />

,-'--------------+------1<br />

I Arbeitsplätze nehmen zu<br />

4<br />

i<br />

Erhaltung der Arbeitsplätze<br />

3<br />

2<br />

(A4) Erstellungskosten: Die Erstellungskosten umfassen<br />

sämtliche Kosten, die bei einer Folgenutzung am Anfang<br />

investiert werden müssen (Anfangsinvestitionen). Aufgrund<br />

von Erfahrungswerten aus der <strong>Region</strong> Schaffhausen<br />

und Konsultationen von Experten wurde eine Kostenrangordnung<br />

unter den X zu bewertenden Folgenutzungen erstellt.<br />

Folgenutzung mit den niedrigsten<br />

Erstellungskosten<br />

Folgenutzen mit den zweitniedrigsten<br />

Erstellungskosten<br />

Folgenutzung mit den höchsten<br />

Erstellungskosten<br />

(AS) Unterhaltskosten: Es wurden nur diejenigen Unterhaltskosten<br />

betrachtet, die von der öffentlichen H<strong>and</strong> getragen<br />

werden müssen (Strassenunterhalt, Beleuchtung, Reinigung,<br />

etc.). Investitionen der Unternehmer wurden nicht<br />

berücksichtigt, wie beispielsweise die jährlichen Ansaatkosten<br />

im Ackerbau.<br />

X-l<br />

(A2) Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen:<br />

Die Nutzungsalternative entspricht den Endgestaltungsbestimmungen<br />

die in der Abbaubewilligung oder Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVP) aufgeführt sind.<br />

Unterhaltskosten 50 bis 500 Franken<br />

pro Jahr und Hektare<br />

2<br />

Die Endgestaltungsbestimmungen<br />

werden erfüllt<br />

Die Endgestaltungsbestimmungen<br />

werden teilweise erfüllt oder es<br />

besteht keine Abbaubewilligung oder<br />

UVP<br />

Die Endgestaltungsbestimmungen<br />

werden nicht erfüllt<br />

(A3) Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen: Zwei<br />

ähnliche oder sich ergänzende Nutzungsarten können Synergien<br />

ermöglichen, indem sie einen effizienten Stoff- oder<br />

Energieaustausch erlauben. Entstehen zwischen zwei Zonen<br />

grosse Nutzungskonflikte, kann eine Umzonung die Lösung<br />

sein. Dies ist aber nicht immer möglich und kostet Geld und<br />

Zeit. Aus diesen Gründen wurden Synergieeffekte positiv,<br />

Konfliktpotentiale negativ bewertet.<br />

3<br />

2<br />

Unterhaltskosten grösser als 500<br />

Franken pro Jahr und Hektare<br />

Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien:<br />

(Bi) Vernetzung der Lebensräume: In intensiv genutzten<br />

Kulturl<strong>and</strong>schaften stellt die Verinselung von Lebensräumen<br />

für verschiedene Tier- und Pflanzenarten ein grosses<br />

Problem dar. Die Aufwertung einer Kiesgrube zu einem<br />

Grubenbiotop oder einer ökologischen Ausgleichsfläche<br />

macht im Hinblick auf die Vernetzung jedoch nur einen<br />

Sinn, wenn sich im Umkreis von etwa 300 Metern weitere<br />

ökologische Trittsteine oder Korridore befinden. In diesem<br />

Fall stellt ein Grubenbiotop oder eine ökologische Ausgleichsfläche<br />

eine Verbesserung dar. Beurteilt wurden die<br />

Nutzungsalternativen in Bezug auf den Vernetzungsgrad<br />

zum heutigen Zust<strong>and</strong> (Flury, 1996).<br />

Konflikte möglich<br />

2<br />

Keine Änderung des Biotopverbunds<br />

Verschlechterung des Biotopverbunds<br />

2<br />

UNS-Fallstudie '98 153


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

_<br />

(B2) Vielfalt der Lebensraumtypen: Die Anzahl unterschiedlicher<br />

Lebensraumtypen verwendeten wir als Indikator<br />

für die ökologische Qualität des St<strong>and</strong>orts. Eine hohe<br />

Lebensraum - und Strukturvielfalthat eine grasse Artenvielfalt<br />

zur Folge. Die Lebensraumtypen wurden aufgrund der<br />

Typologie der Lebensräume der Schweiz (Gall<strong>and</strong> & Gonseth,<br />

1991) definiert. Beurteilt wurden die Alternativen in<br />

Bezug auf die Lebensraumtypen des heutigen Zust<strong>and</strong>es.<br />

Mässige Gefährdung des<br />

Grundwassers<br />

Erhebliche Gefährdung des<br />

, Grundwassers<br />

2<br />

Soziale Bewertungskriterien:<br />

Keine Änderung der Vielfalt der<br />

Lebensraumtypen<br />

Verminderung der Vielfalt der<br />

Lebensraumtypen<br />

2<br />

(Cl) Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes:<br />

Eine Kiesgrube ist ein starker lokaler Eingriff in das L<strong>and</strong>schaftsbild.<br />

Eine Folgenutzung mit Totalauffüllung würde<br />

den ursprünglichen Zust<strong>and</strong> wieder herstellen. Falls die<br />

Grube aber in ihrem Endzust<strong>and</strong> belassen wird, ist ihre<br />

optische Wirkung auf den Mensch und das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

von Bedeutung.<br />

Die Bewertung wurde von den Autoren anlässlich der<br />

Eröffnungsexkursion vorgenommen.<br />

(B3) Bedarfeiner Folgenutzung: Je nach St<strong>and</strong>ortgemeinde<br />

gibt es unterschiedliche ökologische, ökonomische und soziale<br />

Bedürfnisse abzudecken. Die Bedarfsabklärung für<br />

eine bestimmte Folgenutzung wurde im Rahmen eines Begleitgruppentreffens<br />

in Wilchingen mit Vertretern der lokalen<br />

Bevölkerung durchgeführt. Die Vertretbarkeit ist gut, wenn die<br />

3<br />

Hoher Bedarf 3<br />

Mittlerer Bedarf<br />

Kein Bedarf<br />

(B4) Luft-/Lärmbelastung: Es wurde abgeschätzt, wie grass<br />

die Luft-und Lärmbelastung beim Endzust<strong>and</strong> der Nutzungsalternative<br />

sein wird. Die während der Erstellung einer<br />

bestimmten Folgenutzung entstehende Belastung wurde<br />

vernachlässigt.<br />

I Mässige Luft- und Lärmbelastung<br />

Belastung schliesst Wohnen auf<br />

Nachbarparzelle aus<br />

2<br />

2<br />

Folgenutzung in ihrem<br />

Erscheinungsbild als nicht störend<br />

empfunden wird.<br />

Nur unter Vorbehalten vertretbar. 2<br />

Die Vertretbarkeit ist schlecht, wenn<br />

die Folgenutzung von weither<br />

einsehbar ist und als störendes<br />

Element in der topographischen<br />

Einheit und dem L<strong>and</strong>schaftsbild wirkt.<br />

(C2) Akzeptanz in der Bevölkerung: Für die Realisierung<br />

einer Nutzungsalternative ist die Akzeptanz einer breiteren<br />

Bevölkerungsschicht notwendig. Je nach Gemeinde und je<br />

nach Informationsgrad sowie wirtschaftlicher Situation haben<br />

die Bewohner in der Nähe einer Kiesgrube Wünsche<br />

und Vorstellungen, wie Kiesgruben nachgenutzt werden<br />

sollen. Bewertungsgrundlage bildete das Begleitgruppentreffen<br />

in Wilchingen.<br />

(B5) Gefährdung des Grundwassers: Das Gefahrdungspotential<br />

des Grundwassers ist je nach Folgenutzungsart<br />

unterschiedlich. Neben der Gefahr, die bei der Erstellung<br />

einer Endnutzung durch Auffüllarbeiten und Transporte<br />

besteht, wird das Gefahrdungspotential bei der endgültigen<br />

Folgenutzung abgeschätzt.<br />

Hohe Akzeptanz 3<br />

Neutrale Meinung<br />

2<br />

Grosse Ablehnung<br />

154 UNS-Fallstudie '98


_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

3 Resultate des fal/beispie/s<br />

Bäumliacker<br />

Die regionale Bewertung:<br />

Die Kiesgrube Bäumliacker befindet sich in der Entwicklungsgemeinde<br />

Beringen.<br />

Tab. 3.1: Paarweiser Vergleich der Nutzungsalternativen<br />

für Beringen<br />

Den grässten regionalen Gewichtungsfaktor weist die<br />

Nutzungsalternative Kleinbetrieb auf. Am wenigsten Gewicht<br />

erhält der Pionierst<strong>and</strong>ort.<br />

Die lokale Bewertung:<br />

Die lokale Bewertung favorisiert Ackerbau als Folgenutzung<br />

für die Kiesgrube Bäumliacker. Als gleichwertige<br />

Nutzungsalternativen folgen Buntbrache und Kleinbetrieb.<br />

Nutzwald und Pionierst<strong>and</strong>ort werden als für diese Kiesgrube<br />

weniger geeignet eingestuft.<br />

Paarweiser Vergleich der<br />

Nachnutzungsalternativen<br />

für die<br />

Gebietsklasse<br />

Entwicklungsgemeinde<br />

Die Synthese aus der regionalen und lokalen<br />

Bewertung:<br />

Sowohl nach der lokalen als auch nach der regionalen Bewertung<br />

setzt sich von allen Nutzungsalternativen Ackerbau<br />

durch. Aufgrund der regionalen Gewichtung tauschen Pionierst<strong>and</strong>ortundNutzwalddie<br />

Plätze. Der Kleinbetrieb liegt<br />

nun vor der Buntbrache alleine auf dem zweiten Platz.<br />

55 50<br />

50 50 40<br />

Tab. 3.2: Paarweiser<br />

Vergleich<br />

zur Gewichtung<br />

der<br />

Einzelkriterien<br />

UNS-Fallstudie '98 155


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

Tab. 3.3: Lokales Bewertungssystem<br />

Normierung<br />

Gewicht<br />

Einzel-<br />

kriterium<br />

Raumplanerisch~ regionalökonomische Bewertungskriterien<br />

Al Erhaltung der Arbeitsplätze 0.60 0,210 1 0.13 1 0.13 1 0.13 5 0,63<br />

A2 Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen 1,00 0.120 3 0,36 1 0,12 1 0,12 1 0,12<br />

A3 Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen 1,00 0.280 2 0,56 2 0,56 2 0,56 3 0,84<br />

A4 Erstellungskosten 0,60 0.195 3 0,35 4 0,47 2 0,23 1 0,12<br />

A5 Unterhaltskosten 1,00 0.195 3 0.59 2 2 3<br />

Zwischensumme 1,000<br />

Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien<br />

81 Vernetzung der Lebensräume 1,00 0,205 0,41 0,41 0,41 0,41<br />

82 Vielfalt der Lebensraumtypen 1.00 0,165 0,17 0,33 0,33 0.17<br />

83 Bedarf einer Nachnutzung 1.00 0,160 0,32 0.32 0.16 0.32<br />

84 Lutt-j Lärmbelastung 1.00 0,210 0,42 0,63 0,42 0,42<br />

85 Gefährdun des Grundwassers 1.00 0,260<br />

Zwischensumme 1,000<br />

Soziale Bewertungskriterien<br />

C1 Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes 1,00 0,500 1.50 1,50 1,00<br />

C2 Akze tanz in der Bevölkerun 1,00 0,500<br />

Zwischensumme 1,000<br />

Total<br />

Tab. 3.4: Die Synthese aus der regionalen und lokalen Bewertung<br />

4 Diskussion<br />

Die Nutzungsalternative intensive L<strong>and</strong>wirtschaft erhält<br />

den höchsten Nutzwert. Den Rang zwei belegt die Alternative<br />

Kleinbetrieb (Industrie), dahinter folgen extensive<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft (Buntbrache) auf Rang 3, Grubenbiotop<br />

(Pionierst<strong>and</strong>ort) auf Rang 4 und Wald (genutzter Mischwald)<br />

auf Rang 5 (vgl. Abb. 4.1.1).<br />

Aus dieser Abbildung geht ebenfalls hervor, dass die<br />

Gewichtung der Nutzungsalternativen nach regionalen<br />

Aspekten im wesentlichen als Massstabsfaktor wirkt, der<br />

das Ergebnis der Bewertung deutlicher hervorhebt.<br />

Zur Überprüfung derAussagekraft des Ergebnisses wurde<br />

einerseits dessen Genauigkeit, <strong>and</strong>ererseits dessen Differenziertheit<br />

abgeschätzt. Der mittlere Fehler der Bewertung<br />

nach lokalen Gesichtspunkten wurde nach der Methode der<br />

kleinsten Quadrate bestimmt. Dabei wurde davon ausgegangen,<br />

dass die Bestimmung der Ausprägung der einzelnen<br />

Kriterien eine Genauigkeit von einer Einheit der Nutzenfunktionen<br />

aufweist. Nach der Normierung ergibt das bei<br />

einer 3-Stufenskala einen Fehler von 1.0 Nutzwert, bei einer<br />

5-Stufenskala einen solchen von 0.6 Nutzwerten. Die Summe<br />

der gewichteten Fehlerquadrate ergibt schliesslich einen<br />

Fehler von 2.7, was 30% des maximal erzielbaren Nutzwerts<br />

entspricht (vgl. Tab. 4.1.1). Letztererberechnet sich aus dem<br />

maximalen Nutzwert aus lokaler Bewertung multipliziert<br />

mit der maximalen Gewichtung nach regionalen Aspekten<br />

(9 x 1.12 = 10.08). Die Ursache für diesen relativ grossen<br />

Fehler liegt vermutlich in der groben Skala der Nutzenfunktionen,<br />

wo jeweils nur drei bzw. fünf Stufen unterschieden<br />

wurden.<br />

Die grobe Skala der Nutzenfunktionen führt aber auch<br />

dazu, dass das Ergebnis nicht sehr differenziert ausfallt. Die<br />

minimale Ausprägung eines Kriteriums kann den Wert 1<br />

nicht unterschreiten und die maximale Ausprägung den<br />

Wert 3 (nach der Normierung) nicht überschreiten. Während<br />

nun der maximal zu erzielende Nutzwert 10.08 beträgt, liegt<br />

156 UNS-Fallstudie '98


_______________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

8.0,---0 lokale Bewertung<br />

lokale und regionale<br />

Bewertung<br />

7.0<br />

6.0<br />

5.0<br />

CD<br />

t::<br />

CD<br />

~ 4.0<br />

Sz<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0.0<br />

Ackerbau Buntbrache l'Jutzwald<br />

Kleinbetrieb<br />

Pionierst<strong>and</strong>ort<br />

Abb. 4.1.1: Die Nutzwerte der einzelnen<br />

Alternativen, einerseits gemäss lokaler<br />

Bewertung, <strong>and</strong>ererseits nach lokaler<br />

und regionaler Bewertung<br />

Tab. 4.1.1: Fehlerrechnug zur Abschätzung der Zuverlässigkeit der errechneten Nutzwerte<br />

Fehlerrechnung<br />

Fehler a<br />

priori<br />

Raumplanerisch- regionalökonomische Bewertungskriterien<br />

A1 Erhaltung der Arbeitsplätze 1,00 0,60 0,21 5.000 0.630 0,600 0.360 0,076<br />

A2 Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen 1.00 1,00 0,12 3.000 0.360 1.000 1.000 0,120<br />

A3 Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen 1,00 1.00 0,28 3.000 0.840 1.000 1,000 0.280<br />

A4 Erstellungskosten 1.00 0,60 0,20 5.000 0,585 0.600 0,360 0,070<br />

A5 Unterhaltskosten 1.00 1.00 0,20 3,000 0,585 1,000 1,000 0,195<br />

Zwischensumme 1,00 3,000 0,741<br />

Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien<br />

B1 Vernetzung der Lebensräume 1,00 1,00 0,21 3,000 0,615 1,000 1,000 0,205<br />

B2 Lebensraumtypenvielfalt 1,00 1,00 0,17 3,000 0,495 1,000 1,000 0,165<br />

B3 Bedarf einer Nachnutzung 1,00 1,00 0,16 3,000 0,480 1,000 1,000 0,160<br />

B4 Luft-j Lärmbelastung 1,00 1,00 0,21 3,000 0,630 1,000 1,000 0,210<br />

B5 Gefährdung Grundwasser 1,00 1,00 0,26 3,000 0,780 1,000 1,000 0,260<br />

Zwischensumme 1,00 3,000 1,000<br />

Soziale Bewertungskriterien<br />

C1 Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes 1,00 1,00 0,50 3,000 1,500 1,000 1,000 0,500<br />

C2 Akzeptanz in der Bevölkerung 1,00 1,00 0,50 3,000 1,500 1,000 1,000 0,500<br />

Zwischensumme 1,00 3,000 1,000<br />

9,000<br />

der minimal zu erzielende Nutzwert bei 2.64. Diesen erhält<br />

man aus dem minimalen Nutzwert aus lokaler Bewertung<br />

multipliziert mit der minimalen Gewichtung nach regionalen<br />

Aspekten (3 x 0.88 = 2.64). Die Ergebnisse der Bewertung<br />

können also nur in einem Wertebereich von 2.64 und<br />

10.08 (Differenz =7.44) liegen. Daher lässt sich die Bevorzugung<br />

einzelner Varianten nur mit beschränkter Deutlichkeit<br />

wiedergeben.<br />

Aus diesen Gründen legten die Autoren für die weitere<br />

Interpretation der Resultate zwei Schwellenwerte fest: Eine<br />

Präferenzschwelle von 2.7, die dem mittleren Fehler der<br />

Bewertung entspricht, und eine Indifferenzschwelle von<br />

l.l, die 15% der Differenz zwischen dem maximal und<br />

minimal erzielbaren Nutzwert entspricht. Ist die Differenz<br />

zwischen den Nutzwerten zweier Nutzungsalternativen grösser<br />

als der Präferenzschwellenwert, ist die Alternative mit<br />

dem höheren Nutzwert eindeutig vorzuziehen (


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

_<br />

Abb. 4.1.1 macht deutlich, dass im vorliegenden Fall<br />

keine «strenge Bevorzugung» erreicht werden konnte. Allerdings<br />

herrscht eine «schwache Bevorzugung» der NutzungsalternativenAckerbau<br />

(intensive L<strong>and</strong>wirtschaft) und<br />

Kleinbetrieb (Industrie) gegenüber den übrigen Alternativen.<br />

Die Alternativen Ackerbau und Kleinbetrieb sowie die<br />

drei Folgenutzungen extensive L<strong>and</strong>wirtschaft, Wald und<br />

Pionierst<strong>and</strong>ort sind unter sich jeweils als gleichwertig<br />

einzustufen. Als H<strong>and</strong>lungsempfehlung schlagen die Autoren<br />

für die Kiesgrube Bäumliacker bei Beringen die Folgenutzungen<br />

Ackerbau oder Kleinbetrieb vor.<br />

5 Zusammenfassung<br />

Schlussfolgerung<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde aufder Basis der multikriteriellen<br />

Analyse eine Methode entwickelt, mit der Konzepte<br />

für die Folgenutzung stillgelegter Kiesgruben im Klettgau<br />

erstellt werden können. Die Methode erlaubt eine Bewertung<br />

von Nutzungsalternativen im Hinblick auf die aktuellen<br />

Rahmenbedingungen der <strong>Region</strong>.<br />

In einem ersten Schritt werden aufgrund eines regionalen<br />

Entwicklungsleitbildes geeignete Folgenutzungen bestimmt<br />

und bewertet, was zu einer Gewichtung derselben<br />

nach regionalen Gesichtspunkten führt. In einem zweiten<br />

Schritt werden die Nutzungsalternativen für jede einzelne<br />

Kiesgrube nach den lokal herrschenden Rahmenbedingungen<br />

bewertet. Die regionale Gewichtung wird durch einen<br />

paarweisen Vergleich der Alternativen herbeigeführt, die<br />

lokale Bewertung wird anh<strong>and</strong> einer Nutzwertanalyse vollzogen.<br />

Die verwendeten Methoden sind an den Konkretisierungsgrad<br />

derjeweils zur VerfÜgung stehenden Information<br />

angepasst. Bei der Bewertung werden sowohl naturräumlich-ökologische,<br />

raumplanerisch-regionalökonomische als<br />

auch soziale Aspekte berücksichtigt. Durch ein der Bewertung<br />

vorgeschaltetes Outranking lässt sich der zur Bewertung<br />

erforderliche Zeitaufw<strong>and</strong> herabsetzen.<br />

Anh<strong>and</strong> einer Bewertung des Fallbeispiels Beringen<br />

Bäumliacker durch die Studenten wurde die Durchführbarkeit<br />

des Bewertungsverfahrens getestet. Die ökologischen,<br />

ökonomischen, raumplanerischen und technischen Kriterien<br />

wurden dabei aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen<br />

(Literatur, raumplanerische Leitbilder, etc.) abgeleitet.<br />

Diese Kriterien bauen grundsätzlich auf objektiven Fakten<br />

auf, so dass ihre Herleitung in den meisten Fällen plausibel<br />

erscheint. Zum Teil ist die Herleitung allerdings aufgrund<br />

mangelnder Quellen nur sehr grob möglich (z. B. Tab.<br />

2.4.1.1, Verfügbarkeit von Aushubmaterial = gesichert).<br />

Schwierigkeiten ergaben sich aber insbesondere bei den<br />

sozialen Kriterien. Diese auf subjektiven Grössen basierenden<br />

Kriterien wurden vor allem unter sehr geringem Einbezug<br />

der lokalen Bevölkerung bestimmt, d.h. aufgrund nur<br />

eines Begleitgruppentreffens. Zudem haben die sozialen<br />

Kriterien vermutlich ein zu hohes Gewicht im Verhältnis zur<br />

Unschärfe der eingesetzten Daten und im Verhältnis zu den<br />

beiden Gruppen von raumplanerisch-regionalökonomischen<br />

und naturräumlich-ökologischen Bewertungskriterien.<br />

Weitere praktische Schwierigkeiten ergaben sich aus der<br />

groben Skala der Nutzenfunktionen (vgl. Kap. 4). Daraus<br />

ergibt sich ein relativ grosser Fehler des Resultats. Doch<br />

trotz der eingeschränkten Genauigkeit ist das Resultat zu<br />

einem bestimmten Mass dennoch aussagekräftig. Dies belegen<br />

die Schwellenwerte für Präferenz bzw. Indifferenz, die<br />

zur Interpretation der Resultate eingeführt wurden.<br />

Um möglichst objektive Datengrundlagen aufzubauen,<br />

konnten sich die Studenten deshalb auch bei derErarbeitung<br />

des Leitbildes für die regionale Bewertung lediglich auf<br />

schriftliche Unterlagen sowie auf Aussagen von Vertretern<br />

der lokalen Bevölkerung an einem Begleitgruppentreffen<br />

stützen. Den Paarvergleich zur Bewertung der Alternativen<br />

158<br />

UNS-Fallstudie '98


_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

führten die Studierenden aus den oben erwähnten Gründen<br />

selbst durch. Dadurch konnte wohl das methodische Vorgehen<br />

Schritt für Schritt klar aufgezeigt werden, die Resultate<br />

widerspiegeln jedoch vermutlich nicht in allen Fällen die<br />

Haltung der Klettgauer Bevölkerung.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, das sich grundsätzlich<br />

anh<strong>and</strong> der aufgezeigten Methode ein Bewertungssystem<br />

für Nachnutzungen stillgelegter Kiesgruben aufbauen lässt.<br />

Für ein stichhaltiges Resultat müssen allerdings noch einzelne<br />

Verbesserungen angebracht werden, vor allem in Bezug<br />

auf die Modellansätze zur Beschreibung des Bewertungssystems,<br />

die den Nutzenfunktionen zugrunde gelegt werden.<br />

Die ingenieurtechnische Seite der Bewertung ist in ihrem<br />

Grundprinzip nachvollziehbar, die sozialwissenschaftliche<br />

Seite weist jedoch erhebliche Mängel auf. Diese Mängel<br />

liessen sich durch eine noch intensivere Zusammenarbeit<br />

mit technisch ausgebildeten und sozialwissenschaftlich ausgebildeten<br />

Fachleuten vermeiden. Die vorgestellte Methode<br />

ist in dieser Form deshalb eher als Prototyp zu verstehen.<br />

Dennoch empfehlen die Autoren, für die Erteilung von<br />

Kiesabbaubewilligungen anstelle der Erstellung strenger<br />

Gestaltungspläne vor Abbaubeginn eine multikriterielle<br />

Evaluation von Folgenutzungen nach Abbauende vorzuschreiben.<br />

Denn diese Methode erlaubt eine umfassende und<br />

flexible Berücksichtigung der aktuellen Bedürfnisse der<br />

<strong>Region</strong>. Zudem zeigt sie den Entscheidungsprozess transparent<br />

und für alle Beteiligten nachvollziehbar auf. Somit<br />

könnten nach Meinung der Autoren die aktuellen Chancen<br />

der <strong>Region</strong> Klettgau besser ausgenutzt werden.<br />

Literatur<br />

Baudepartement des Kantons Schaffhausen (BD). (1997a). Materialabbaukonzept<br />

1997. Vernehmlassungsentwurf XII. Schaffhausen:<br />

BD.<br />

Baudepartement des Kantons Schaffhausen (BD). (1997b). Kiesverordnung<br />

Kanton Schaffhausen (1992-1996). Schaffuausen:<br />

BD.<br />

Baudepartement des Kantons Schaffhausen (BD). (1998). Richtplan<br />

1998. Entwurf für die verwaltungsinterne Vernehmlassung,<br />

Version 1/98. Schaffuausen: BD.<br />

Bayrisches Staatsministerium für L<strong>and</strong>entwicklung und Umweltfragen<br />

(StMLU). (1982). Kostendatei für Massnahmen des Naturschutzes<br />

und der L<strong>and</strong>schaftspflege. München: StMLU.<br />

Binswanger, H. C. & Siegenthaler, C. P. (1995). Ökologische und<br />

ökonomische Rahmenbedingungen der Kiesbewirtschaftung.<br />

Ecologae geo!. Helv., 88 (2),421-434.<br />

Böcker, R. & Kohler, A. (1997). Abbau von Bodenschätzen und<br />

Wiederherstellung der L<strong>and</strong>schaft. Hohenheimer Umwelttagung<br />

1997. Ostfildern: Heimbach.<br />

Bouyssou, D. (1990). Building criteria: Aprerequisite for MCDA.<br />

In D. A. Bana e Costa (Hrsg.), Readings in multiple criteria<br />

decision aid (S. 58-80). Berlin: Springer.<br />

Deutsch-Schweizerische Raumordnungskommission. (1995).<br />

Kiesabbau im Hochrein-Bodenseegebiet. Empfehlungen des Adhoc-Ausschusses<br />

Kiesabbau. Ravensburg: Deutsch-Schweizerische<br />

Raumordnungskommission.<br />

Baudirektion und Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich<br />

(1991). Richtlinien für die Durchführung von Rekultivierungen<br />

von Auffüllungen, Geländeveränderungen, Deponien, Kiesgruben,<br />

Ablagerungen, Installationsplätzen, Baupisten. Zürich: Baudirektion<br />

und Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich.<br />

Eidgenössische Forschungsanstalt für l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Pflanzenbau<br />

Zürich & Schweizerischer Fachverb<strong>and</strong> für S<strong>and</strong> und Kies<br />

(FSK). (1987). Kulturl<strong>and</strong> und Kiesbau - Richtlinien zurRückführung<br />

von Abbaugebieten in die L<strong>and</strong>wirtschaft. Nidau: Eidg. Forschungsanstalt<br />

für l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Pflanzenbau Zürich/FSK.<br />

Flury, U. (1996). Raumplanung, Strukturverbesserung und Bodenordnung<br />

(Vorlesungsunterlagen 1996). Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Institut für Kulturtechnik.<br />

Forman, G. H. (1990). Multi criteria decision making <strong>and</strong> the<br />

analytic hierarchy process. In D. A. Banae Costa (Hrsg.), Readings<br />

in multiple criteria decision aid (S. 295-318). Berlin: Springer.<br />

Gall<strong>and</strong>, P. & Gonseth, Y. (1991). Typologie der Lebensräume der<br />

Schweiz. Basel: Schweizerischer Bund für Naturschutz.<br />

Daenzer, W. F. & Huber, F. (Hrsg.). (1997). Systems engineering<br />

(9 th ed.). Zürich: Verlag Industrielle Organisation.<br />

Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Umweltschutz. (1996). Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

Kiesabbau Unterneuhaus/Wilchingen.<br />

Uster: Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Umweltschutz/OttomarLangAG.<br />

Janssen, R. (1996). Mu1tiobjective decision support for environment<br />

management. Dordrecht: Kluwer.<br />

Konsel, W. (1989). S<strong>and</strong> und Kies. Stuttgart: Enke.<br />

Kruttwig, C. (1977): Rekultivierungs- und Abbauplan. Kiesgrube<br />

Erzingen. Waldshut/Freiburg: Ingenieurbüro C. Kruttwig.<br />

Müller, U. (1996). Umweltverträglichkeitsprüfung zum Kiesabbau<br />

Hard Beringen. Reutlingen: Ingenieurbüro U. Müller.<br />

Nijkamp, P., Rietveld, P. & Voogd, H. (1990). Multicriteria evaluation<br />

in physical planning. Amsterdam: North-Holl<strong>and</strong>.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

159


Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />

<strong>Region</strong>alverb<strong>and</strong> Hochrhein-Bodensee. (1997). <strong>Region</strong>alplan<br />

2000. Waldshut-Tiengen: <strong>Region</strong>alverb<strong>and</strong> Hochrhein-Bodensee.<br />

Riese, K.-U. (1997). Subventionen, Entschädigungen und Entgelte<br />

für Naturschutzmassnahmen der L<strong>and</strong>wirtschaft. Köln:<br />

Heymanns.<br />

Scholz, R .w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1998).<br />

<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />

UNS-Fallstudie 1997. Zürich: Rüegger.<br />

Schulz, H. J. (1977). Naherholungsgebiete, Grundlagen der Planung<br />

und Entwicklung. Berlin, Hamburg: Parey.<br />

Schweizerischer Baumeisterverb<strong>and</strong> (SBV), Technisch-Betriebswirtschaftliche<br />

Abteilung. (1991). Richtpreise SBV 1991 Hochbau.<br />

Zürich: SBY.<br />

Schweizerischer Fachverb<strong>and</strong> für S<strong>and</strong> und Kies (FSK). (1991).<br />

Wald und Kiesabbau: Richtlinien für die Aufforstung von Kiesgruben.<br />

Nidau: FSK.<br />

Seo, F. & Sakawa, M. (1988). Multiple criteria decision analysis in<br />

regional planning. Concepts, methods, <strong>and</strong> applications. Dordrecht:<br />

Reidel.<br />

Tiefbauamt des Kantons Schaffuausen. (1996). Kiesversorgung<br />

Kanton Schaffhausen (199 I-I995). Schaffuausen: Tiefbauamt des<br />

Kantons Schaffuausen.<br />

Vincke, P. (1990). Basic concepts of preference modelling. In D.<br />

A. Bana e Costa (Hrsg.), Readings in multiple criteria decision aid<br />

(S. IO I-I I8). Berlin: Springer.<br />

160 UNS-Fallstudie '98


Autoren:<br />

Jane Muncke<br />

Christian Rudolf<br />

Inhalt:<br />

1. Der Klettgau: l<strong>and</strong>schaft am R<strong>and</strong>? - Oie Ausgangslage 163<br />

Aufbauend aufden Ergebnissen der<br />

Arbeitsgruppe:<br />

Florian Baumann<br />

Judith Eichenberger<br />

Frank Eyhom<br />

Patrick Gomez<br />

Oliver Kleiber<br />

Peter Kleinert<br />

O/ofKühnholz<br />

Daniellang<br />

Markus lerch<br />

Claudia Meyer<br />

Alice Müller<br />

JaneMuncke<br />

Senta Niederegger<br />

Thomas Rotondo<br />

Christian Rudolf<br />

Fram;ois Rüttimann<br />

Romina Salemo<br />

Markus Seiler<br />

Arik Spengler<br />

Dirk Steinbach<br />

Christoph Sutter<br />

Petra Widmer<br />

lucZwank<br />

MiguelBaeriswyl (Tutor)<br />

Susanne Gatti (Tutorin)<br />

Georg Michalik (Tutor)<br />

Konrad Schleiss (Tutor)<br />

2. Viele Einflüsse auf viele Akteure - ökonomisches H<strong>and</strong>eln<br />

im Klettgau und Zieldefinition für die Synthesearbeit 174<br />

3. Viele Wege in die Zukunft - Oie formative Szenarioanalyse 179<br />

4. Einsichten und Aussichten - Kritik und Schlussfolgerungen 206


Wirtschaft<br />

162 UNS-Fallstudie '98


________________________________________ Wirtschaft<br />

1 Der KJettgau: l<strong>and</strong>schaft am<br />

R<strong>and</strong>? - Die Ausgangslage<br />

In diesem Kapitel wird die Arbeit der Synthesegruppe Wirtschaft<br />

dargestellt. Ziel war die Entwicklung einer Vision für<br />

die Wirtschaftsregion Klettgau, welche sich stark an der<br />

Strategie Nachhaltiger Entwicklung orientiert. Dabei soll<br />

nachhaltige Entwicklung als ein Idealzust<strong>and</strong> und nicht als<br />

eine zu verwirklichende Zielgrösse aufgefasst werden.<br />

Das Kapitel gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird<br />

die wirtschaftshistorische Entwicklung der <strong>Region</strong> beschrieben.<br />

Die Notwendigkeit, die Entwicklung des zu analysierenden<br />

Systems zu betrachten, begründet Dahlin<br />

(1975) folgendermassen: «A case study ... is an attempt to<br />

focus attention on the process of change, especially the<br />

critical factors that influence the direction <strong>and</strong> the quality of<br />

change effort.» Ergänzend dazu erwähnen Scholz et al.<br />

(1995a, S.43): «Fallstudienarbeit in den Umweltwissenschaften<br />

muss deshalb grundsätzlich eine Analyse der Vergangenheit<br />

und der Geschichte des untersuchten Systems<br />

beinhalten.»<br />

Im zweiten Teil wird die SystemmodelIierung erläutert<br />

und das spezielle Vorgehen verständlich gemacht. Ein Wirkungsgefüge<br />

wird für den Klettgau entworfen, anschliessend<br />

werden die drei Wirtschaftssektoren eingehend analysiert<br />

und in das Wirkungsgefüge integriert. Dieses Wirkungsgefüge<br />

dient als Basis bei der Szenarienauswahl, aus<br />

der letztendlich eine Vision für den Klettgau entwickelt<br />

wird. Abschliessend werden im Rahmen einer Synthese die<br />

Resultate aus Systemmodellierung und Szenarioanalyse in<br />

Form von H<strong>and</strong>lungsansätzen dargestellt.<br />

1.1 Wie alles kam - Historische<br />

Entwicklung der Wirtschaftszweige<br />

im Klettgau<br />

Um die gegenwärtige ökonomische Situation im Klettgau<br />

verstehen zu können, ist es nützlich, sich die Geschichte der<br />

<strong>Region</strong> vor Augen zu halten. Betrachten wir zunächst die<br />

schweizer Seite. Dort entwickelte sich der Klettgau von<br />

einer L<strong>and</strong>schaft der einflussreichen Stadt Schaffhausen zur<br />

wirtschaftlich unterstrukturierten Grenzregion am R<strong>and</strong>e<br />

der Eidgenossenschaft.<br />

Die Zusammenstellung wesentlicherEreignisse und Wirtschaftsweisen<br />

der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte<br />

ist nicht vollständig, sondern vielmehr eine Skizze, welche<br />

die heutige Situation im deutschen und schweizerischen<br />

Klettgau verständlich machen soll. Umbruch und Neubeginn<br />

in verschiedenen Epochen werden anh<strong>and</strong> von ausgewählten<br />

Beispielen dargestellt. Dabei soll stets die umweltnaturwissenschaftliche<br />

Perspektive gewahrt bleiben.<br />

Im Lauf der Jahrhunderte veränderte sich das Verhältnis<br />

von Wald-, Wiesen-, Acker- und Rebflächen, wuchs oder<br />

verringerte sich zugunsten einer <strong>and</strong>eren Nutzung (vgl.<br />

Stein, 1971, S.482; Scholz et al., 1998; Hornstein, 1951). In<br />

der Chronik des Kreises Waldshut (Schäfer, 1957) liest man:<br />

«Grass waren die Umwälzungen in der L<strong>and</strong>wirtschaft. Die<br />

Dreifelderwirtschaft verschw<strong>and</strong>, der künstliche Dünger<br />

hielt seinen Einzug. Der Spelz hörte auf, das «Kom» zu sein,<br />

und das Wiesenareal dehnte sich aus. Der Anbau von Hanf,<br />

Flachs, Bohnen, Erbsen und Mohn und der einstens bis auf<br />

die Höhe des Sparrenberges hinaufgestiegene Rebbau gingen<br />

katastrophal zurück.»<br />

Der Klettgau beliefert seine Bewohner mit verschiedenen<br />

Bodenschätzen. Während der kalten Jahreszeit f<strong>and</strong>en die<br />

Bauern in diesem Bereicheine alternative Betätigung (Wildberger,<br />

1917). Abgebaut wurden beispielsweise Erz, Kalk,<br />

Gips und Quarzs<strong>and</strong> (nachzulesen bei Bächtold und Wanner,<br />

1983, S.lOOff sowie Schmidt, 1971, S. 415ff). Die<br />

Bohnerzförderung f<strong>and</strong> vermutlich schon lange vor dem<br />

Dreissigjährigen Krieg (1618-48) statt, doch erst durch den<br />

erhöhten Bedarfan Rüstungen wurde der Abbau intensiviert<br />

(Schmidt, 1971). Aufgrund des Holzmangels mussten<br />

Schmelzen und Eisenwerke jedoch vielerorts vorübergehend<br />

eingestellt werden. Diese Abbauorte sind nach wie vor<br />

sichtbare Elemente der L<strong>and</strong>schaft und prägten damals wie<br />

heute das Leben und Wirtschaften der <strong>Region</strong>, allerdings in<br />

jeweils unterschiedlichem Ausmass.<br />

1.1.1 Die Erfindung der L<strong>and</strong>wirtschaft-<br />

Von der Dreifelderwirtschaftzum modemen<br />

Wirtschaftsunternehmen<br />

Der Klettgau ist eine der am frühesten besiedelten <strong>Region</strong>en<br />

Europas. Seine Geschichte beginnt während der neolithischen<br />

Revolution (um 3000 v.Chr.), einer Periode von allgemein<br />

grosser Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit.<br />

Eine vertiefte Betrachtung würde den Rahmen dieser<br />

Darstellung jedoch sprengen.<br />

Die Erwerbstätigkeit der Klettgauer Bevölkerung beschränkte<br />

sich bis zur Industriellen Revolution vorwiegend<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

163


Wirtschaft<br />

Natur immer mehr L<strong>and</strong> abgerungen. Jene L<strong>and</strong>nahme führte<br />

zur Umnutzung von Waldflächen zu Ackerl<strong>and</strong> (Biekel,<br />

1973, S.165). Im Hochmittelalter hatte man den Wald auf<br />

ein Minimum reduziert, so dass aufdiesem Weg keine neuen<br />

Ackerflächen gewonnen werden konnten (Hornstein, 1951).<br />

Nahrungsmittelknappheit und Unzufriedenheit in der Bevölkerung<br />

waren die Folge, und über Jahrhunderte hinweg<br />

immer wieder Auslöser von Raubzügen und Kriegen. Auch<br />

im Klettgau war man immer wieder in so arger Bedrängnis,<br />

dass man sich gezwungen sah, zu den Waffen zu greifen.<br />

Aus diesen Ereignissen ergaben sich Schwankungen der<br />

Bevölkerungsdichte, auf Bevölkerungswachstum und begrenzte<br />

L<strong>and</strong>ressourcen folgten Kriege, welche die Populationen<br />

dezimierten und der siegreichen Partei neues L<strong>and</strong><br />

einbrachten, welches bewirtschaftet werden konnte. Auch<br />

Krankheitsepidemien, wie die Pest im 15. Jahrhundert, verringerten<br />

die Bevölkerung.<br />

Abb. 1.1: Pflege einer alten Tradition, die aber wirtschaftlich<br />

schon lange keine Bedeutung mehr besitzt: Eine Klettgauerin<br />

bedient die Hanfbreche. Nach dem Einweichen des<br />

Hanfs Über Nacht in einem Bach werden die geschmeidigen<br />

Fasern von den spröden Pflanzenteilen befreit. Dies ist der<br />

erste Produktionsschritt bei der Herstellung von Geweben<br />

aus Hanf. Foto: Werner BÜtzberger, Neunkirc'h.<br />

auf die L<strong>and</strong>wirtschaft. Zum einen, weil die Böden dafür<br />

sehr geeignet waren, vor allem aber, weil die Bewohner des<br />

Klettgaus im Gegensatz zur städtischen Bevölkerung<br />

Schaffhausens unfrei waren und sich nach der Zunftverordnung<br />

von 1411 zu richten hatten, welche die Ausübung<br />

h<strong>and</strong>werklicher Berufe stark einschränkte. Die strenge<br />

Richtlinie der Dreifelderwirtschaft, auch ZeIgenwirtschaft<br />

genannt, schrieb die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion genau<br />

vor. Während eines Jahres sollte ein Feld immer brachliegen,<br />

es wurde meist als Viehweide verwendet. Ein Feld<br />

wurde mit Wintergetreide (Weizen, Roggen, Dinkel), das<br />

<strong>and</strong>ere mit Sommergetreide (Hafer, Gerste) bestellt. Ausser<br />

dem Brachfeld st<strong>and</strong> für die Viehhaltung nur die Allmend<br />

zur Verfügung. Der Düngemittelertrag war gering, was sich<br />

wiederum auf den Ertrag der bestellten Felder auswirkte<br />

(Bächtold und Wanner, 1983). Die Bevölkerung musste<br />

zudem Steuern sowie den Zehnten von ihren Erträgen bezahlen.<br />

Für den eigenen Lebensbedarfblieb nicht mehr viel.<br />

Die ZeIgenwirtschaft sollte noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

beibehalten werden, in manchen Orten sogar bis<br />

zur Gesamtmelioration 1945. Infolge des Bevölkerungswachstums<br />

seit der neolithischen Revolution wurde der<br />

Einst sakrales Gut - Die Anfänge des Weinbaus im<br />

Klettgau<br />

Neben dem Anbau von Getreide war der Rebbau im Klettgau<br />

wichtig. Er begann, wie man heute annimmt, mit dem<br />

Siegeszug der Römer nach Norden. Vermutlich brachten sie<br />

den Wein in diese L<strong>and</strong>schaft, welche sich wegen geringer<br />

Niederschlagsmengen und einem milden Klima für den<br />

Weinanbau sehr gut eignet. Seit der Christianisierung im 7.<br />

Jahrhundert (Schäfer, 1957, S.133) waren es die Klosterbewohner,<br />

die den Wein in ihren Gärten kultivierten und das<br />

Wissen um seine Verarbeitung am Leben erhielten (vgl.<br />

Stein, 1971; Scholz et al., 1998, S.70ff). Seit dem späten<br />

Mittelalter wurde im Klettgau auch von Bauern Wein angebaut,<br />

und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort kein<br />

Dorf ohne Rebbau. Wein war das wichtigste Exportgut der<br />

Stadt Schaffhausen (Bächtold und Wanner, 1983).<br />

Der Weinbau in Hallau wurde um das Jahr 1280 erstmals<br />

erwähnt. Die Rebberge entsprachen bis vor 100 Jahren nicht<br />

im geringsten ihrem heutigen Erscheinungsbild. Pflanzen<br />

wuchsen wild durchein<strong>and</strong>er, rote und weisse Trauben wurden<br />

vermischt angebaut und gekeltert. Erst im 19. Jahrhundert<br />

setzen sich die l<strong>and</strong>schaftsprägenden Rebzeilen durch.<br />

Der Vorteil dieser Anbauweise ist die bessere Qualität,<br />

nachteilig sind die geringeren Erträge. Dank dieser neuen<br />

Anbauweise, welche von einem Hallauer Bauern eingeführt<br />

wurde, erlangte der Hallauer Wein - und allgemein der Wein<br />

aus dem Klettgau - über die Grenzen des Kantons hinaus<br />

einen guten Ruf (Bächtold und Wanner, 1983, S.79).<br />

Weitere wichtige Kulturpflanzen, die in der <strong>Region</strong> angebaut<br />

wurden, sind Hanf (siehe Abbildung 1.1) und Flachs.<br />

Man verwendete sie hauptsächlich I zur Tuchproduktion.<br />

Erst im 19. Jahrhundert wurden diese Pflanzen mit dem<br />

Aufkommen der Baumwolle verdrängt.<br />

IHanf wurde auch als Dichtungsmaterial bei Wasserrohren, das sog. Abwerg,<br />

bis Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet.<br />

164<br />

UNS-Fallstudie '98


~ Wirtschaft<br />

Abb. 1.2: Traubenlese in Hallau, 1932. Quelle: Archiv Foto<br />

Koch, Schaffhausen, R. WessendOll<br />

Der Ruf der Ferne - Krisen in der L<strong>and</strong>wirtschaft und<br />

deren Folgen<br />

Nach dem Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein im<br />

Jahr 1835 (siehe Kapitel 1.1.2) wurde der Wein als wichtigster<br />

Schaffhauser Exportartikel mit hohen Zöllen versehen.<br />

Ebenso wurde die Einfuhr in den Kanton erschwert (Scholz<br />

et al., 1997). Für die Rebbauern und L<strong>and</strong>wirte des Klettgaus<br />

bedeutete dies eine schwere Krise. Aufgrund des veränderten<br />

Absatzmarktes sanken die Preise tief und stürzten<br />

viele Bauern nahezu in den Ruin. Kurt Bächtold und Hermann<br />

Wanner schreiben hierzu: «Jahrelange Misswirtschaft<br />

und Rückständigkeit, fehlende Initiative, jaResignation und<br />

Hoffnungslosigkeit trugen dazu bei, dass sich auch hier ein<br />

allgemeiner Notst<strong>and</strong> breit machte; die allgemeine Armut<br />

zehrte am Vermögen der Gemeinden. Die errungene politische<br />

Freiheit hatte die wirtschaftliche Not nicht überwinden<br />

können, und so suchte man das Heil in der Neuen Welt»<br />

(Bächtold und Wanner, 1983, S. 42). Die Kartoffelkrankheit,<br />

deren Auftreten im Klettgau in den Jahren 1842/43 zu<br />

grossen Missernten führte, wird von den Autoren als Auslöser<br />

für die grosse Ausw<strong>and</strong>erung Klettgauer Bauern nach<br />

Übersee genannt. 1851/52 emigrierten fast 2% der Kantonsbevölkerung.<br />

Selbst dreissig Jahre später w<strong>and</strong>erten aus dem<br />

Kanton Schaffhausen mehr Menschen aus, als aus den <strong>and</strong>eren<br />

Schweizer Kantonen. Die meisten von ihnen gingen<br />

nach Nordamerika, einen kleineren Teil zog es nach Brasilien<br />

(Bächtold und Wanner, 1983). Schmidt (1971) nennt<br />

ebenfalls Missernten, Güterzerstückelung und «Wucherspekulation»<br />

als Verstärker der Missstimmung in der Bevölkerung.<br />

Ausserdem erwähnt er die Überbevölkerung Badens,<br />

gemessen an seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten.<br />

Um sich aus dieser misslichen Lage befreien zu können,<br />

beispielsweise durch Einführung neuer Anbaumethoden<br />

und Produktionsumstellungen, benötigten die Bauern Kredite.<br />

Die 1838 gegründete Ersparniskasse in Schleitheim<br />

fungierte als erster Kreditgeber in der <strong>Region</strong> (vgl. Bächtold<br />

und Warmer 1983, S.258). Milch- und Viehwirtschaft, aber<br />

auch neuartige Maschinen halfen den Bauern, wenigstens<br />

vorübergehend wieder Gewinne einzufahren. Zum erhofften<br />

Erfolg führte dies allerdings nicht, da die klimatischen<br />

Bedingungen für die Tierhaltung weniger geeignet sind als<br />

für den Anbau von Wein, Obst und Getreide.<br />

Abb. 1.3: Hallau, 1894. Hallau ist als<br />

Weinzentrum des Klettgaus bekannt.<br />

1m 19. Jahrhundert wurde hier die<br />

Anbauweise in Rebzeilen eingeführt.<br />

1m Vordergrund des Bildes sind die<br />

Rebhänge zu erkennen, die Tallage<br />

wird von Acker- und Grasl<strong>and</strong> dominiert.<br />

Quelle: Archiv Foto Koch,<br />

Schaffhausen, R. Wessendorf.<br />

UNS-Fallstudie '98 165


Wirtschaft<br />

_<br />

Auf deutscher Seite war der Beitritt des Kreises Waldshut<br />

zum Grossherzogtum Baden wenig vorteilhaft. Obwohl<br />

man in der Chronik des Kreises Waldshut (Schäfer, 1957,<br />

S.140) nachlesen kann, dass die wirtschaftlichen Beziehungen<br />

auch weiterhin best<strong>and</strong>en, findet man dort ebenfalls die<br />

Feststellung, dass die bereits seit Jahrhunderten bestehende<br />

Grenze erstmals die Menschen tatsächlich vonein<strong>and</strong>er<br />

trennte.<br />

Globalisierungstendenzen in der Wirtschaft ­<br />

Der W<strong>and</strong>el der ländlichen Produktion<br />

Nach der Rekordernte 1875 wurde die L<strong>and</strong>wirtschaft wiederum<br />

in eine tiefe Krise gestürzt, deren Ursachen sich in<br />

ganz Europa folgenschwer auswirkten. Gründe dafür waren<br />

die verbesserten Transportmöglichkeiten für den Import<br />

billig produzierter Güter aus dem Ausl<strong>and</strong>. Die Preise einheimischer<br />

Produkte fielen. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten,<br />

sowohl durch den Kampfgegen Schädlinge<br />

und Krankheitserreger, und durch von Temperaturschwankungen<br />

und erhöhten Niederschlagsmengen ausgelöste Ertragsschwankungen,<br />

als auch durch Kreditrückzahlungspflichten.<br />

So wurde beispielsweise Getreide aus Russl<strong>and</strong><br />

eingeführt, Wein kam durch den neu gebauten Gotthard<br />

Tunnel aus Italien. Bächtold und Wanner (1983, S.43)<br />

schreiben hierzu: «Auch die Krise der Achtziger Jahre wurde,<br />

wie diejenige der Fünfziger Jahre, als Kreditkrise aufgefasst.»<br />

und stellten fest, dass «...die Gründe <strong>and</strong>ere, tiefere<br />

waren, nämlich der Beginn eines weltweiten Austausches<br />

der Güter...».<br />

Eine Selbsthilfemassnahme stellte die Gründung des<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftlichen Vereins Unterhallau im Jahre 1886<br />

dar, dessen Ziel der günstige Erwerb von Maschinen und<br />

Material durch Grosseinkäufe war. Erst im zwanzigsten<br />

Jahrhundert wurden weitere Massnahmen umgesetzt, weIche<br />

insbesondere die Reben gegen Schädlinge resistenter<br />

machten (Bächtold und Wanner, 1983).<br />

Im Westen nichts neues - Weltkriege und Faschismus<br />

Die Zeit des Ersten Weltkrieges schädigte die regionale<br />

Wirtschaft, insbesondere die L<strong>and</strong>wirte in der Schweiz,<br />

deren Absatzmarkt plötzlich dramatisch kleiner geworden<br />

war. Man musste sich neu orientieren. Lebensmittel wurden<br />

erst seit 1917 rationiert, den Bauern schrieb man vor, was<br />

angebaut werden sollte (Scholz et al., 1997, S.82). Generell<br />

aber ging es der ländlichen Bevölkerung etwas besser als<br />

den Menschen in den umliegenden Städten.<br />

Nach der Kriegsmobilmachung, die sowohl in Deutschl<strong>and</strong>,<br />

als auch in der Schweiz im Sommer 1914 erfolgte,<br />

wurde die anstrengende L<strong>and</strong>arbeit hauptsächlich von Frauen<br />

erledigt. Der markanteste Unterschied zwischen dem<br />

Leben auf beiden Seiten der Grenze waren die Meldungen<br />

über den Tod der Angehörigen, mit denen die deutschen<br />

Frauen täglich zu rechnen hatten. Der Lebensmittelverknappung<br />

begegnete man in beiden Ländern mit Rationierung (in<br />

Deutschl<strong>and</strong> 1915, in der Schweiz erst zwei Jahre später).<br />

Missernten trugen dazu bei, dass die Bevölkerung Hunger<br />

litt. Auch in den darauffolgenden Jahren, bis 1921, musste<br />

man mit Ertragsschwankungen kämpfen.<br />

Eine während der Zwischenkriegszeit durchgeführte Rebbergmelioration<br />

durch die beiden Gemeinden Osterfingen<br />

und Wilchingen brachte die Vereinfachung der Bewirtschaftung<br />

und die Verbesserung der Erträge. Vorteile der Melioration<br />

waren der geringere Arbeitsaufw<strong>and</strong>, der mit Hilfe<br />

von Maschinen weiter reduziert werden konnte, der Bau von<br />

Wirtschaftswegen, Drainagen und Bewässerungssystemen,<br />

sowie die teilweise Umstellung von weissen auf rote, rentablere<br />

Reben und später die Einführung des Riesling x Sylvaner<br />

(Müller-Thurgau). Dagegen war man Risiken wie Hagel<br />

und Frost weitaus stärker ausgesetzt, weil diese die grossen<br />

Monokulturen dramatisch schädigen und die gesamte Ernte<br />

vernichten konnten (Bächtold und Wanner, 1983).<br />

Mit der Ernennung Hitlers zum Deutschen Reichskanzler<br />

brach das dunkelste Kapitel europäischer Geschichte an.<br />

Abb. 1.4: Gächlingen, 1929: Die<br />

moderne Technik hält im Klettgau<br />

und in der L<strong>and</strong>wirtschaftEinzug.<br />

Bald gehören auch hier Strommasten<br />

zum Dorjbild. In der Bildmitte:<br />

Eine Shell-Tankstelle. Quelle:<br />

Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />

R. Wessendorj.<br />

166 UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

Abb. 1.5: Dorfansicht von Beggingen,<br />

1921. Quelle: Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />

R. Wessendorf.<br />

Sehr bald schon wurden die Grenzen nach Deutschl<strong>and</strong><br />

geschlossen, auf eingeführte Waren wurden massive Zölle<br />

erhoben. Der Kontakt der Klettgauer über die Grenze hinweg<br />

wurde nahezu abgebrochen. Auch der Übergang vom<br />

schweizerischen Klettgau in die Schweiz wurde ein mühsames<br />

Unterfangen, da man plötzlich grosse Umwege in Kauf<br />

nehmen musste. Im deutschen Teil wurden die Gemeinden<br />

gemäss der «Gleichschaltung» umgestaltet, demokratisch<br />

gewählte Gemeinderäte und Bürgerausschüsse löste man<br />

auf, neue «Wahlen» wurden durchgeführt. Alle wichtigen<br />

Ämter, auch in Vereinen und Gesellschaften, waren fortan<br />

mit Anhängern der faschistischen Regierung besetzt (Matt­<br />

Willmatt und Hoggenmüller, 1985).<br />

Baby Boom? - Ländliche Produktion nach 1945<br />

Die Nachkriegszeit im Klettgau ist, wie überall in den<br />

westlichen Industrienationen, geprägt von technischem<br />

Fortschritt und Innovationen im industriellen Bereich. So ist<br />

es nicht verwunderlich, dass die Bedeutung der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

als Arbeitgeber im Klettgau zusehends abnahm, während<br />

der 2. Sektor, später in geringerem Masse auch der 3.<br />

Sektor, dazugewannen.<br />

Dennoch blieben die Räder auch in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

nicht stehen. Auf Schweizer Seite führte man in den Jahren<br />

1945-50 eine Melioration im gesamten Kanton Schaffhausen<br />

durch, ein bedeutendes Ereignis, welches das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

bis heute nachhaltig prägt (sieheAlifdem Weg zu<br />

einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung Das Beispiel<br />

Klettgau und Scholz et al., 1998, S.215) und wie bereits<br />

erwähnt viele Vorteile brachte. Fortan besassen L<strong>and</strong>wirte<br />

grosse, zusammenhängende Parzellen, die Anzahl der<br />

Grundstücksbesitzernahm ab. Im deutschen Klettgau wurde<br />

während der sechziger Jahre ebenfalls eine Flurbereinigung<br />

durchgeführt, allerdings von geringerem Ausrnass und mit<br />

weitaus weniger dramatischen Folgen (Scholz et al., 1998).<br />

Schon lange war die L<strong>and</strong>wirtschaft nicht mehr der einzige<br />

wichtige Wirtschaftszweig. Viele Klettgauerinnen und<br />

Klettgauer mussten sich im Verlauf der Jahrzehnte neu<br />

orientieren, nahmen Stellen bei der aufblühenden Industrie<br />

an oder verliessen ihre Heimat um in der Stadt ihr Glück zu<br />

suchen. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Betriebe wurden zusehends zu<br />

Grossbetrieben, deren Bewirtschaftungsflächen in den Siebziger-<br />

und Achtzigerjahren über dem Schweizer Durchschnitt<br />

lagen (Bächtold und Wanner, 1983).<br />

In der Schweiz führte man 1952 den Agrarprotektionismus<br />

ein durch Sicherung der Preise und Absatzmärkte für<br />

inländische Produkte.<br />

1.1.2 Original Klettgauer Wertarbeit - H<strong>and</strong>werk und<br />

Gewerbe im W<strong>and</strong>el der Zeit<br />

In den Klettgauer Gemeinden gab es während der Vorherrschaft<br />

der Stadt Schaffhausen nur wenige Personen, die das<br />

Recht hatten, ein H<strong>and</strong>werk auszuüben. Die Zunftordnung<br />

von 1411, später die revidierte Fassung von 1688, schrieben<br />

den Bewohnern der L<strong>and</strong>schaft ganz genau vor, wer das<br />

Recht hatte, einer h<strong>and</strong>werklichen Tätigkeit nachzugehen.<br />

Zum H<strong>and</strong>werk aufdem L<strong>and</strong> berechtigt waren Bauern, die<br />

eine besondere Fähigkeit besassen und so dem Allgemeinwohl<br />

dienen konnten, wobei nur die nötigsten Berufe erlaubt<br />

waren, wie Küfer, Schlosser, Wagner, Schmied und Schneider.<br />

Eine Ausnahme bildete die Tuchproduktion. Hier wurde<br />

nicht ausschliesslich für den Eigenbedarfproduziert. H<strong>and</strong>werkliche<br />

Betriebe durften zudem eine bestimmte Grösse<br />

nicht überschreiten (Bächtold und Wanner, 1983, S.131).<br />

Der H<strong>and</strong>el in der Stadt Schaffhausen florierte. Die Lage<br />

am Rhein erlaubte einen raschen Gütertransport, L<strong>and</strong>strassen<br />

wurden vor Dieben geschützt. Schaffhausen verfügte<br />

über das grösste Salzlager in der Gegend, ausserdem<br />

wurden Wein und Kom von hier aus nach Süddeutschl<strong>and</strong><br />

exportiert. Das Zeitalter der Reformation prägte die Bevölkerung<br />

und das Wirtschaften in der <strong>Region</strong> in starkem<br />

Masse. Strenge Richtlinien legten den H<strong>and</strong>el in Stadt und<br />

L<strong>and</strong>schaft genau fest. Fleiss, Pünktlichkeit, Sittsamkeit<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

167


Wirtschaft<br />

und Pflichtbewusstsein wurden von den Untertanen verlangt.<br />

Die Kirche, durch den Zehnten finanziert, übte ebenfalls<br />

eine starke Macht aus (Bächtold, 1994).<br />

Im Achtzehnten Jahrhundert litt jedoch auch die Stadt<br />

Schaffuausen unter wirtschaftlichem Druck, was wiederum<br />

die Unterdrückung möglicher Konkurrenz aus der L<strong>and</strong>schaft<br />

zur Folge hatte. Es war den Klettgauern strengstens<br />

verboten, H<strong>and</strong>el mit Dritten zu betreiben. Die H<strong>and</strong>els- und<br />

Gewerbefreiheit, welche endlich den H<strong>and</strong>werkern aufdem<br />

L<strong>and</strong> die gleichen Rechte zubilligte wie den städtischen,<br />

wurde 1798 proklamiert als ein Gesetz der Helvetischen<br />

Republik. Allerdings dauerte diese freiheitliche Phase nicht<br />

sehr lange an. Im Jahre 1801 gründete die Stadt ein Kaufmännisches<br />

Direktorium, welches die Aufgabe hatte, die<br />

wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Vorbild dafür<br />

waren die Ideen Colberts, einst französischer Finanzminister,<br />

der in seinem L<strong>and</strong> den Merkantilismus durchgesetzt<br />

hatte (Bächtold und Wanner, 1983). 1808 wurde die Neugründung<br />

h<strong>and</strong>werklicher Betriebe einer Billigung durch<br />

den Kleinen Rat der Stadt Schaffuausen unterworfen. Die<br />

endgültige Liberalisierung von H<strong>and</strong>el und Gewerbe erfolgte<br />

schrittweise, ihre Grundlage war aber mit der Bundesverfassung<br />

der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1848 gelegt.<br />

Nie mehr würden die Interessen der städtischen Händler<br />

und H<strong>and</strong>werker höher gewichtet werden als jene der<br />

L<strong>and</strong>bevölkerung.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft Ade! - Gewerbe als letzte Rettung<br />

Einen schweren Schlag erlitt die Schaffuauser Wirtschaft<br />

1835, als das Grossherzogtum Baden dem Deutschen Zollverein<br />

beitrat. Diesem Beitritt wurde der Weg geebnet, als<br />

nach zwei verlorenen Kriegen mit Frankreich das Heilige<br />

Römische Reich Deutscher Nation massiv umgestaltet wurde<br />

und die schwarzenbergische L<strong>and</strong>grafschaft Klettgau<br />

1806 an das neue Badische Grossherzogtum überging. 1809<br />

wurde der Klettgau dem Seekreis einverleibt - einem von 10<br />

badischen Kreisen - später wurde die Anzahl Kreise auf<br />

neun verringert und der Klettgau wurde Teil des Kreises<br />

Waldshut. Im Jahre 1819 wurden die Besitztümer Badens<br />

von den Grossmächten verbürgt und die Grenze zwischen<br />

Baden und der Eidgenossenschaft festgelegt. Die Bevölkerung<br />

des deutschen Klettgaus profitierte von ihrer neuen<br />

Zugehörigkeit zu Baden, denn der Grossherzog Karl Friedrich<br />

regierte für seine Untertanen und nicht über sie; ihm ist<br />

beispielsweise die Abschaffung der Leibeigenschaft im Jahre<br />

1783 und die Beseitigung der Folter (1767) zu verdanken.<br />

Auch die Anbauerlaubnis für Kartoffeln, Runkelrüben und<br />

Tabak sind ihm zu verdanken (Schmidt, 1971). Der H<strong>and</strong>el<br />

mit den deutschen Nachbarn wurde fortan mit hohen Zöllen<br />

belegt und führte zur wirtschaftlichen Unrentabilität vieler<br />

Produkte.<br />

Die Gewerbefreiheit führte in den Fünfzigerjahren des 19.<br />

Jahrhunderts kurzfristig zu einer Übersättigung des Marktes.<br />

So betätigten sich 1857 in Sch1eitheim 162 der 2476<br />

Einwohner als H<strong>and</strong>werker, darunter allein 21 als Weber, 13<br />

als Wannenmacher, 18 als Schuhmacher und 13 als Schneider.<br />

In Wilchingen siedelte sich eine Strohhutfabrik an, in<br />

Hallau eine Produktionsstätte für Pflüge; es gab Mechanikerwerkstätten<br />

in vielen der grösseren Ortschaften und Detailläden<br />

in fast allen (Bächtold und Wanner, 1983, S.135).<br />

Viele Bauern, die ständig am Abgrund der Existenz wirtschafteten,<br />

suchten eine Chance im Gewerbe und orientierten<br />

sich neu. Auch im deutschen Klettgau waren viele<br />

H<strong>and</strong>werkerberufe zahlreich vertreten.<br />

Allerdings litt das H<strong>and</strong>werk unter den Innovationen,<br />

welche die Industrialisierung mit sich brachte. Die Betriebe<br />

wuchsen dank neuer Technologien so stark an, dass sie<br />

kleine H<strong>and</strong>werksbetriebe vom Markt drängten. Die Gründung<br />

des H<strong>and</strong>werker- und Gewerbevereins Klettgau zu<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts sollte die Existenzen der letzten<br />

H<strong>and</strong>werker in der <strong>Region</strong> sichern.<br />

Identitätskrise im Klettgau - Politische und territoriale<br />

Neugestaltung<br />

Mit der Depression der Dreissigerjahre kam für viele Betriebe<br />

das Aus. Die Machtergreifung Hitlers führte zu Erschwernissen<br />

für den Export regionaler Produkte nach<br />

Deutschl<strong>and</strong>. Wegen seiner geographischen Lage war der<br />

Klettgau besonders benachteiligt, denn der Weg in die<br />

Schweiz führte für Schweizer Klettgauer entweder durch<br />

Deutschl<strong>and</strong> oder über lange Umwege durch Schaffuausen<br />

und Neuhausen.<br />

Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde sofort in<br />

beiden Ländern die Rationierung eingeführt. Viele Materialien<br />

wurden gesammelt und wiederverwertet, beispielsweise<br />

Metalle, Gummi, Kaffeesatz und Knochen. Mit dem<br />

Krieg wurde eine stärkere Kontrolle der Wirtschaft durch<br />

den Staat eingeführt. In der Schweiz wurden die Löhne<br />

durch den Staat festgeschrieben. Wieder einmal litt die<br />

Wirtschaft unter den Folgen des Krieges. Hitler verbot die<br />

Einfuhr von Tabak und Schokolade, Klettgauer Händler<br />

verloren einen Teil ihrer Kundschaft. Während des Krieges<br />

blieb die <strong>Region</strong> von Kriegsh<strong>and</strong>lungen weitgehend verschont,<br />

im Gegensatz zu den grossen Industriegebieten<br />

Deutschl<strong>and</strong>s.<br />

Nach Kriegsende im Frühling 1945 begann die Zeit der<br />

französischen Besatzung im deutschen Teil des Klettgaus.<br />

Ausgangssperren wurden verhängt, Radios beschlagnahmt.<br />

In der Chronik der Gemeinde Lauchringen (Matt-Willmatt<br />

und Hoggenmüller, 1985) liest man: «Die Schulen waren<br />

geschlossen, es gab keine Zeitung, keinen Telefonverkehr,<br />

keine Post, jeder Ort war für sich völlig abgeschlossen.«<br />

Sämtliche Verkehrsmittel wurden beschlagnahmt oder stillgelegt,<br />

alle arbeitsfähigen Männer schickte die Militärregierung<br />

nach Frankreich ins Arbeitslager. Auch Holz- und<br />

Viehbestände gingen in französischen Besitz über. Allgemeine<br />

Güterknappheit führte dazu, dass der H<strong>and</strong>el aufdem<br />

Schwarzmarkt florierte. Die von den Alliierten durchgeführte<br />

Entnazifizierung läutete das neue Kapitel des Wiederaufbaus<br />

ein.<br />

Die Konjunktur der Nachkriegszeit liess H<strong>and</strong>el und Gewerbe<br />

im Kanton Schaffuausen florieren. Dennoch war der<br />

Einfluss exp<strong>and</strong>ierender Grossunternehmen spürbar, und<br />

dieser Trend hat sich bis heute fortgesetzt.<br />

168<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

1. 1.3 Vom Hanfhemd zum Kugellager -<br />

Industrie im Klettgau<br />

Abb. 1.6: Mit dem<br />

Bau der Eisenbahnlinie<br />

durch den<br />

Klettgau ist ein erster<br />

wichtiger<br />

SchrittfÜr die Industrialisierung<br />

geschafft.<br />

Das Bild<br />

zeigt eine SBB­<br />

Dampflokomotive<br />

mit dem Baujahr<br />

1906. Quelle:<br />

Franz Lüthi,<br />

Schaffhausen;<br />

Sammlung Stadtarchiv<br />

Schaffhausen.<br />

Dank Gewerbefreiheit und politischer Gleichstellung mit<br />

der Schaffhauser Stadtbevölkerung ging es den Klettgauerinnen<br />

und Klettgauern ab Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutend<br />

besser: die Wirtschaft blühte auf. Bedeutend für den<br />

Aufschwung war der Bau der Kleugauer Eisenbahnlinie,<br />

welche grosse Industriebetriebe anlockte. 1863 wurde die<br />

Strecke Waldshut-Konstanz in Betrieb genommen. Die<br />

«L<strong>and</strong>schaft» erwachte aus ihrem Dornröschenschlaf.<br />

Die Gewerbefreiheit führte dazu, dass Industrie- und Gewerbebetriebe<br />

keine Grössenbeschränkungen mehr zu beachten<br />

hatten. Sie siedelten sich entlang der Bahnlinie an<br />

und verhalfen den angeschlossenen Dörfern zu industriellern<br />

Aufschwung. Die zunehmende Industrialisierung bedeutete<br />

aber auch eine wachsende Abhängigkeit von Rohstofflieferanten,<br />

oftmals aus dem Ausl<strong>and</strong>.<br />

Um die Jahrhundertwende wurde das erste Automobil<br />

gebaut. Es dauerte nicht lange, bis treibstoffbetriebene Fahrzeuge<br />

den Klettgau erreichten. Nach und nach lösten<br />

Postautos die lange Tradition der Postkutschen ab.<br />

Mit dem Umbau des Rheinkraftwerkes hielt ebenfalls zur<br />

Jahrhundertwende die Elektrizität Einzug in die Klettgauer<br />

Gemeinden. Den Anfang hatte 1896 Hallau gemacht: Eine<br />

anhaltende Dürre hatte die Suche nach neuen Wegen der<br />

Wasserversorgung erzwungen. Dabei stiess man auf den<br />

Weiler Wunderklingen, wo man dank dem Gefälle der Wutach<br />

Strom produzieren konnte (Bächtold, 1994).<br />

Ein wichtiger Industriezweig im Klettgau war die Textilindustrie.<br />

Seit 1835/36 wurde die alte Lauffenmühle in<br />

Unterlauchringen als Spinnerei und Weberei genutzt. Das<br />

Erstarken dieses Industriezweiges auf der deutschen Seite<br />

des Klettgaus ist auf den Beitritt Badens zum deutschen<br />

Zollverein zurückzuführen. Zahlreiche Schweizer Fabrikanten<br />

errichteten auf deutschem Gebiet Unternehmen, um<br />

sich den weitläufigen deutschen Absatzmarkt zu erhalten<br />

(Schäfer, 1957, 1956). So wurde die bereits 1483 erwähnte<br />

Lauffenmühle 1834 an den Schweizer Johannes Müller aus<br />

Gossau ZH verkauft. 1861 gewannen die Baumwollstoffe<br />

der Lauffenmühle an der L<strong>and</strong>esausstellung in Karlsruhe<br />

eine Goldmedaille (Schmidt, 1971, S. 430). Ausserdem gab<br />

es 1926 auf deutscher Seite weitere Textilunternehmen,<br />

nämlich in Oberlauchringen und Stühlingen. Im selben Jahr<br />

wurde in Erzingen das Unternehmen Stehli & Co. gegründet<br />

und trug dazu bei, «aus dem ehemaligen Bauerndorf eine<br />

Industriegemeinde zu machen» (Schmidt, 1971).<br />

Weitere grosse Projekte markierten die Zeit des Fortschritts<br />

im Kleugau. Während der Jahre 1850 bis 1880<br />

wurden Feldwege zu Strassen ausgebaut. Neunkirch erhielt<br />

im Jahre 1863 ein Telegrafenamt, und 1894 wurden in<br />

Hallau die ersten Telefone in Betrieb genommen (Scho1z et<br />

al., 1998).<br />

Abb. 1.7: Siblingen, 1901. Noch<br />

wird die Strassenbeleuchtung (siehe<br />

Laterne links der Bildmitte) von<br />

H<strong>and</strong> angezündet, einige Jahre<br />

später ist auch dieses Dorf mit<br />

elektrischem Strom versorgt. Quelle:<br />

Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />

R. Wessendorf<br />

UNS-Fallstudie '98 169


Wirtschaft<br />

_<br />

Abb. 1.8: Werbeschrift der Spinnerei Denzler­<br />

Ruoss, Schleitheim. Die Nähe der Eisenbahnstation<br />

Stühlingen wird als Marketingargument<br />

verwendet. Abwerg ist ein Nebenprodukt<br />

bei der Tuchherstellung aus Hanf und wurde<br />

bis ins 20. Jahrhundert zur Abdichtung der<br />

Schraubgewinde von Sanitärrohren verwendet.<br />

Quelle: Staatsarchiv Schaffhausen.<br />

Abb. 1.9: Anfänge der Industrialisierung im Klettgau und<br />

grenzüberschreitende Kooperation. Werbeschrift der S.<br />

Stamm & eie, Schleitheim-Stühlingen. Quelle: Staatsarchiv<br />

Schaffhausen.<br />

Für die H<strong>and</strong>werker im Klettgau bedeutete Innovation im<br />

technischen Bereich der Verlust ihrer angestammten Plätze<br />

in der Gesellschaft. Maschinen ersetzten zeitraubende und<br />

kostspielige manuelle Produktion. Entsprechend waren viele<br />

der nach Übersee migrierten Klettgauer H<strong>and</strong>werker.<br />

Postindustrielle L<strong>and</strong>sch.aft - Nach.kriegszeiten und<br />

Postmoderne im Klettgau<br />

Der Einzug der Industrie in den Klettgau ist spätestens seit<br />

der Jahrhundertwende unaufhaltbar. In Oberlauchringen<br />

wird 1932 die Konfitürefabrik Simmler gegründet, in<br />

Griessen lässt sich die Helvetia-Konservenfabrik Gross­<br />

Gerau nieder, ein weiteres Schweizer Unternehmen auf<br />

deutschem Boden (Schmidt, 1971). 1923 gründet Johann<br />

Bucher in Griessen die Bucher Hydraulik, eine Werkstätte<br />

zur Herstellung von Obstpressen und Güllepumpen. Seit<br />

1933 werden hydraulische Obst- und Traubenpressen hergestellt,<br />

später kommen Ölhydraulikgeräte, Wegeventile für<br />

Lasthebersteuerungen und Axialkolbenmotoren, Innenzahnradpumpen<br />

und Stromventile hinzu. Heute ist die Bueher<br />

Hydraulik ein weltweit vertretener Konzern mit Sitz im<br />

Klettgau (http://www.bucherklettgau.de/entwick.htm). Als<br />

weitere Beispiele erfolgreicher Unternehmensgründung im<br />

Klettgau ist die SIG in Beringen zu nennen. 1853 wurde sie<br />

durch Friedrich Pexer, Heinrich Moser und Conrad Neher<br />

als «Eisenbahnwaggon-Fabrik» gegründet. Im Jahre 1860<br />

wurden H<strong>and</strong>feuerwaffen produziert, 1906 kamen Verpakkungsmaschinen<br />

hinzu, später auch Elektrofahrzeuge. Heute<br />

ist das Unternehmen aufgeteilt in drei Teilunternehmen,<br />

davon sind zwei in Beringen angesiedelt (SIG Verpakkungstechnik,<br />

SIG Flüssigverpackungssysteme) mit Niederlassungen<br />

auf der ganzen Welt (http://www.siggroup.com/de/history.html).<br />

Auch zu erwähnen ist die Rimuss<br />

AG in Hallau, deren Gründer Jakob Rahm 1945 für<br />

verrückt erklärt wurde, alkoholfreien Traubensaft zu produzieren.<br />

Bereits zwei Jahre später überstiegen die Verkaufszahlen<br />

seine kühnsten Erwartungen. Dieser Betrieb hat seit<br />

seiner Gründung eine stete Expansion erfahren und ist noch<br />

heute erfolgreich (www.rimuss.ch/kellerei/rückblick.html).<br />

Der New Yorker Börsenkrach am 29. Oktober 1929 war<br />

der Beginn einer weltweiten Wirtschaftskrise. Erst mit der<br />

Währungsabwermng in der Schweiz Mitte der dreissiger<br />

Jahre wurde die Exportindustrie wieder konkurrenzfähig.<br />

Ein wichtiger Arbeitgeber in dieser Zeit war die alte Lauffenmühle.<br />

1946 beschäftigte das Unternehmen 499 Arbeits-<br />

170<br />

UNS-Fallstudie '98


Wirtschaft<br />

kräfte, im Jahre 1958, der Zeit des allgemeinen Wirtschaftsbooms,<br />

waren es 1319 Personen. Bis zur Rezession der<br />

Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts ging diese Zahl jedoch<br />

um gut ein Viertel zurück (Matt-Willmatt und Hoggenmüller,<br />

1985, S. 168f1).<br />

Einen weiteren wichtigen Industriezweig stellt die Metallund<br />

Maschinenindustrie dar. Im Klettgau entst<strong>and</strong>en zahlreiche<br />

Zulieferbetriebe, die sich nach der Rezession der<br />

vergangenen Jahre heute wieder erholt haben und von einem<br />

Aufschwung profitieren (Bauer, Interview mit Lang,<br />

14.4.1998).<br />

Die Boomjahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten<br />

eine rege Bautätigkeit. 1966 wurde in Neunkirch eine Produktionsstätte<br />

der Schweizerischen Steinzeugfabrik errichtet,<br />

die reichhaltigen Kiesvorkommen der <strong>Region</strong> nach dem<br />

2. Weltkrieg forciert abgebaut und zur Zementproduktion<br />

weiterverkauft. Ein jähes Ende jedoch f<strong>and</strong> der Bauboom<br />

mit der Ölkrise 1974 (Bächtold und Wanner, 1983).<br />

1988 stimmten die Schweizer Wahlberechtigten gegen<br />

einen EG-Beitritt und zementierten die Unterschiede in<br />

beiden Teilen des Klettgaus, die bis zum heutigen Tag<br />

fortbestehen.<br />

1.1.4 Das Entstehen von Dienstleistungsbetrieben im<br />

Klettgau<br />

Dienstleistungen sind bereitgestellte Leistungen, welche<br />

keine physischen Konsumprodukte beeinhalten. Sie werden<br />

meist vor Ort konsumiert, dass heisst, ihrer Bereitstellung<br />

folgt unmittelbar der Konsum (vgl. Hotz-Hart et al., 1995).<br />

In den Kapiteln 2 und 3 beschränkte sich die Betrachtung des<br />

Tertiärsektors aufdie regionalen Kreditinstitute, da die Banken<br />

im Klettgau eine massgebliche Rolle bei der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung spielten. Als im 19. Jahrhundert die<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft stark gebeutelt wurde durch den Beitritt<br />

Badens zum Deutschen Zollverein, konnte die Krise dank<br />

Krediten von der 1838 gegründeten Erspamiskasse in<br />

Sch1eitheim gemindert und vergleichsweise schnell überwunden<br />

werden. Es folgten einige weitere Neueröffnungen<br />

von Kreditanstalten (Tab. 1.1).<br />

Tab. 1.1: Neugründungen von Kreditinstituten im Schweizer<br />

Teil des Klettgaus (aus: Bächtold und Wanner, 1983). In<br />

späteren Jahren wurden viele Institute zusammengeschlossen.<br />

Heutefinden sich im Klettgau drei grosse Kreditanstalten,<br />

eine aufSchweizer und zwei aufDeutscher Seite.<br />

1838 Ersparniskasse Schleitheim<br />

1954 Ersparniskasse Wilchingen<br />

1861 Spar- und Leihkasse Hallau<br />

1869 Spar- und Vorschusskasse Beringen<br />

1872 Spar- und Leihkasse Neunkirch<br />

1874 Leihkasse Wilchingen<br />

1906 Spar- und Leihkasse Trasadingen<br />

Der Bericht der Projektgruppe Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>Region</strong> Schaffhausen, kurz WERS (Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>Region</strong> Schaffhausen 1997) stellt die heutige Situation des<br />

Tertiärsektors im Kanton Schaffhausen als sehr unbefriedigend<br />

dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies für<br />

die Gebiete auf beiden Seiten der Grenze in gleichem Masse<br />

zutrifft.<br />

1.2 Sog von Zürich und Schaffhausen<br />

- Einblick in die aktuelle Lage der<br />

<strong>Region</strong><br />

Obwohl der Klettgau eine <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung<br />

ist, arbeiten heute nur noch wenige Menschen im<br />

Primärsektor. Im deutschen Teil des Klettgaus sind es sogar<br />

weniger als 1% (vgl. Abbildungen 1.l0a und b). Seit der<br />

Industrialisierung haben sich viele Klein- und Mittelständische<br />

Unternehmen in der <strong>Region</strong> angesiedelt. Noch heute<br />

bilden sie den grössten Sektor im Klettgau. Im Gegensatz<br />

dazu ist heute der 3. Sektor unterentwickelt im Vergleich zu<br />

<strong>and</strong>eren wirtschaftlich erfolgreichen <strong>Region</strong>en. Diese<br />

Strukturschwäche bedeutet auch nicht zuletzt fehlende Einnahmen<br />

für die öffentliche H<strong>and</strong> (Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>Region</strong> Schaffhausen, 1998).<br />

Leithammel Brüssel oder Bem? - L<strong>and</strong>wirtschaft auf<br />

heiden Seiten der Grenze<br />

Im Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft sind positive Tendenzen,<br />

besonders im Schweizerischen Klettgau, auszumachen. Die<br />

Wiedereinführung der alten Getreidesorte Emmer und deren<br />

erfolgreiche Vermarktung stehen für den Aufbruch in eine<br />

neue Produktions- und Vermarktungsstrategie. Ab 2002 sollen<br />

in der Schweiz Bauern nur noch Dirkektzahlungen erhalten,<br />

die Preisstützen werden wegfallen. Vom Rebbau allein<br />

können nur noch sehr wenige Familien leben. Viele Winzerbetriebe<br />

werden nebenberuflich, einige sogar als Freizeitbeschäftigung<br />

geführt. Die Produktion des Weines hat ein<br />

völlig <strong>and</strong>eres Gesicht als vor hundert Jahren. Der nach und<br />

nach eingeführte Drahtbau ist zur Regel geworden. Leistungsfähige<br />

Maschinen werden zu Pflege und Ernte eingesetzt.<br />

Auch die Pflanzen werden an die Bedingungen angepasst,<br />

die im Klettgau aufgrund geringer Niederschlagsmengen<br />

günstig sind. So veredelt man heute mit robusten Wurzeln<br />

amerikanischer Sorten, die resistent gegen die Reblaus<br />

sind (Bächtold und Wanner, 1983). Die wichtigsten derzeit<br />

angebauten Sorten sind der Riesling x Sylvaner (ein trokkener<br />

Weisswein) und der Blauburgunder (ein Rotwein).<br />

Der Klettgau hat sich zu einem der wichtigsten Weinbaugebiete<br />

der Ostschweiz entwickelt.<br />

Im deutschen Teil der <strong>Region</strong> wird die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

durch die Politik in Brüssel bestimmt. Rund die Hälfte des<br />

Haushaltes der europäischen Union wird für die Finanzierung<br />

der L<strong>and</strong>wirtschaft ausgegeben. Die Bauern in den<br />

Gemeinden Lauchringen und Klettgau sind bei der Suche<br />

nach neuen Vermarktungsstrategien weniger stark auf Eigeninitiative<br />

angewiesen als ihre Nachbarn in der Schweiz.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

171


Wirtschaft<br />

_<br />

Anpassung oder Abgrenzung - Umgang mit dem<br />

Globa!isierungsdruck der Wirtschaft<br />

Die Globalisierungstendenzen auf dem Weltmarkt machen<br />

sich auch in der Klettgauer Wirtschaft bemerkbar. Die Ausweitung<br />

und Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Weltmarkt<br />

führen dazu, dass Betriebe gezwungen sind, ihre<br />

Strukturen zu verändern und zu rationalisieren. Folgen sind<br />

Arbeitslosigkeit und Verlagerung von Produktionsstätten<br />

ins kostengünstige Ausl<strong>and</strong>.<br />

Im Klettgau sind diese Tendenzen erst schwach spürbar.<br />

Arbeitslosigkeit ist kein drängendes Problem in der <strong>Region</strong>.<br />

Betroffen sind allenfalls jeneBranchen, die besonders anfällig<br />

aufTrends der Weltwirtschaft reagieren, wie die Maschinen-<br />

und Textilindustrie. Zurzeit jedoch erlebt das produzierende<br />

Gewerbe im Klettgau, besonders die Maschinenindustrie,<br />

wieder einen Aufschwung. Die Unternehmer auf beiden<br />

Seiten der Grenze sind sich dennoch bewusst, dass es<br />

zum Bestehen auf dem Weltmarkt innovativer Ideen bedarf.<br />

Zudem sind sie aufgrund der Grenzlage der <strong>Region</strong> stärker<br />

als Betriebe im L<strong>and</strong>esinneren abhängig von aussenpolitischen<br />

Entwicklungen (Bauer, Interview mit Lang,<br />

14.6.1998). Während im gesamten Kanton Schaffhausen die<br />

Zahl der Grenzgänger von 5000 im Jahr 1990 innerhalb von<br />

sechs Jahren auf 3000 absank, stieg sie im Klettgau an. 1986<br />

waren es 400 Erwerbstätige, die täglich von ihrem Wohnort<br />

in Deutschl<strong>and</strong> zur Arbeitsstelle in der Schweiz pendelten,<br />

bis 1996 war diese Zahl um 50% auf 600 Personen gestiegen<br />

(Waldvogel, 1996). Was des einen Freud, ist des <strong>and</strong>ern<br />

Leid: Schweizer Unternehmer profitieren von einem grossen<br />

Arbeitskräfteangebot, deutsche Firmen sind gezwungen,<br />

ihren qualifizierten Angestellten überdurchschnittlich<br />

hohe Löhne zu bezahlen um sie nicht zu verlieren.<br />

Auch der H<strong>and</strong>el und das Gastgewerbe profitieren von der<br />

Grenze. Billigere Konsumgüter auf der deutschen Seite der<br />

<strong>Region</strong> locken schweizer Konsumenten an. Die Nähe zum<br />

Schwarzwald hat sich bisher aber hemmend aufden Tourismus<br />

ausgewirkt.<br />

Generation (1975-1995) nicht nur in angestammten grossen<br />

Branchen zu restrukturieren, sondern in der gleichen Zeitperiode<br />

im gleichen Ausrnass wie die übrige Schweiz zu<br />

wachsen, existierten heute mit Schwergewicht im Dienstleistungssektor<br />

rund 5-6000 Arbeitsplätze mehr im Kanton.»<br />

Vorsichtig wird geschätzt, dass aufgrund der fehlenden<br />

Steuereinnahmen der öffentlichen H<strong>and</strong> rund 20-30 Mio. Fr.<br />

an Steuergeldern verloren gehen, ein Betrag, der für den<br />

ganzen Kanton gilt. Aber auch für den Klettgau wirkt sich<br />

diese Strukturschwäche negativ aus. Weiterhin ist dem Bericht<br />

zu entnehmen, dass der Kanton Schaffhausen gesamtschweizerisch<br />

weit hinten rangiert was wirtschaftsfördernde<br />

Massnahmen anbelangt, die Steuerbelastung für Holdingund<br />

Domizilgesellschaften hingegen ist äusserst günstig.<br />

Arbeitseinkommen werden im gesamtschweizerischen Vergleich<br />

oberhalb des Mittelwertes versteuert, was mit ein<br />

Grund für die unterdurchschnittliche Bevölkerungszunahme<br />

der vergangenen Jahre sein dürfte.<br />

Einen groben Überblick über das aktuelle privatwirtschaftliche<br />

Angebot im Klettgau kann man sich im «Chläggi-Netz»<br />

(http://www.klettgau.ch/liste.html) verschaffen.<br />

Nachholbedarf- Der Tertiärsektor<br />

Im Bereich der Dienstleistungen ist der Klettgau eher strukturschwach.<br />

Mit nur knapp 50% in beiden Teilen des Klettgaus<br />

ist hier ein Entwicklungsbedarf. Problematisch bei der<br />

Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen des dritten Sektors<br />

ist u.a. die Rekrutierung von qualifiziertem Fachpersonal.<br />

Schlechte Verkehrsanbindung an die Agglomeration<br />

Zürich durch Strassen- und Schienenverkehr und das Fehlen<br />

eines breiten kulturellen Angebots wirken abschreckend.<br />

Dennoch scheinen die Bedingungen für eine Besserung<br />

günstig. Durch die Fortschritte in der Telekommunikation<br />

wird möglicherweise die On-Line Arbeit zuhause (


- Wirtschaft<br />

1.2.1 Strukturdaten<br />

Anteil Erwerbspersonen Klettgau (0) 1990 Anteil Erwerbspersonen Klettgau (eH) 1990<br />

82.8%<br />

Sektor 1I-------,6+-<br />

2.3%<br />

,..----- Sonstige<br />

2%<br />

Sonstige------;;>-<<br />

12%<br />

Sektor I: L<strong>and</strong>- und<br />

Forstwirtschaft<br />

0.1%------'<br />

Sektor I<br />

'----14.8%<br />

Sektor 111<br />

50%----­<br />

Sektor 111:<br />

Dienstleistungen<br />

:.-----36%<br />

Sektor 11:<br />

Industrie und Gewerbe<br />

Abb. 1.10a (links): Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Jahr 1990 in den Wirtschaftssektoren der<br />

Gemeinden Klettgau undLauchringen (Deutschl<strong>and</strong>). Die Wirtschaftsbereiche beinhaltenfolgende Wirtschaftsabteilungen:<br />

1. L<strong>and</strong>- und Forstwirtschaft, Tierhaltung undFischerei; ll. Produzierendes Gewerbe (Energiewirtschaft und Wasserversorgung,<br />

Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe) und H<strong>and</strong>el, Verkehr und Nachrichtenübermittlung; 111. übrige<br />

Wirtschaftsbereiche (Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe, Dienstleistungen durch Unternehmer und Freie Berufe,<br />

Organisationen ohne Erwerbscharakter und private Haushalte, Gebietskörperschaften und Sozialversicherung).<br />

Abb. 1.10b (rechts): Anteil Erwerbspersonen im Jahr 1990 in den Wirtschaftssektoren im Klettgau (Schweizer Gemeinden).<br />

Tab. 1.2: Bevölkerungsentwicklung im Klettgau (eH) seit der Nachkriegszeit (Quelle: Bundesamtfür Statistik).<br />

Wohnbevölkerung 1950 1960 1970 1980 1990 1997<br />

Ausländer 407 728 1197 868 1113 1327<br />

Schweizer 11'159 10'687 10'244 11 '168 12'478 13'494<br />

Summe 11 '566 11'415 11'441 12'036 13'591 14'821<br />

Tab. 1.3: Bevölkerungsentwicklung im Klettgau (D) seit der Nachkriegszeit (Quelle: Statistisches L<strong>and</strong>esamt Baden-Württemberg).<br />

Wohnbevölkerung 1950 1960 1970 1980<br />

I<br />

1990 I 1997<br />

Ausländer k.A. k.A. 395 569 742 I 931<br />

Deutsche k.A. k.A. 5898 5770 6112<br />

,<br />

6412<br />

Summe 4673 5710 6293 6339 6854<br />

I<br />

7343<br />

UNS-Fallstudie '98 173


Wirtschaft<br />

_<br />

2 Viele Einflüsse aufviele<br />

Akteure - ökonomisches<br />

H<strong>and</strong>eln im Klettgau und<br />

Zieldefinition für die Synthesearbeit<br />

2.1 Abhängig von BrüsseJ und Bern ­<br />

die l<strong>and</strong>wirtschaft im KJettgau<br />

Der Klettgau ist ein Gebiet l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung<br />

(Bättig et al., 1997). 1995 arbeiteten 12% der Bevölkerung<br />

des Schweizer Klettgaus im ersten Sektor (Quelle: Bundesamt<br />

für Statistik, Bem), im deutschen Teil sind es aber<br />

weniger als 1%. Die gute Eignung derL<strong>and</strong>schaft für Ackerund<br />

Rebbau führten zu einer sehr intensiven Nutzung. Eine<br />

Folge davon ist ein massiver Nitrateintrag ins Grundwasser,<br />

der zum grössten Teil durch die Auswaschung aus Akkerflächen<br />

verursacht wird (Prasuhn, 1998). Das Klettgauer<br />

Grundwasser enthält - je nach Einzugsgebiet - 25 bis 40 mg<br />

Nitrat pro Liter. Ein Wert von über 40 mg/l wird vom<br />

schweizerischen Lebensmittelrecht für Trinkwasser nicht<br />

mehr toleriert. Surbeck & Leu (1998) schreiben hierzu: «Die<br />

Situation im Klettgau wird von den Lebensmittelbehörden<br />

als kritisch, aber jedoch nicht besorgniserregend eingeschätzt.»<br />

Trotzdem bleibt die Forderung zur Senkung der<br />

I<br />

Belastung. Im Rahmen des Interreg II Programms wurden<br />

dazu verschiedene Massnahmen erarbeitet, die aufeine Verringerung<br />

der Stickstoffauswaschung abzielen und im Bereich<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft ansetzen (vgl. Prasuhn, 1998). Weitere<br />

Impulse für die L<strong>and</strong>wirtschaft auf der Schweizer Seite<br />

können durch die Umsetzung der Agrarpolitik 2002 2 entstehen,<br />

die Direktzahlungen stärker an ökologische Leistungen<br />

binden wird. Die Bauern aufder deutschen Seite sind abhängig<br />

von der L<strong>and</strong>wirtschaftspolitik der EU. Veränderungen<br />

dieser Politik sind vor allem durch die Umsetzung des<br />

GATT-Übereinkommens über die L<strong>and</strong>wirtschaft (General<br />

Agreement on Tarifs <strong>and</strong> Trade, heute World Trade Organisation,<br />

WTO) zu erwarten. Dessen langfristiges Ziel besteht<br />

darin, eine schrittweise Senkung der Stützungs- und Schutzmaßnahmen<br />

für die L<strong>and</strong>wirtschaft zu erreichen, damit Beschränkungen<br />

und Verzerrungen auf den Weltagrarmärkten<br />

korrigiert bzw. verhütet werden. Diese Faktoren wurden in<br />

der Fallstudie 1997 «Verantwortungsvoller Umgang mit<br />

Boden» betrachtet und eine Synthesegruppe erarbeitete Ansätze<br />

für eine st<strong>and</strong>ortgerechte Bodennutzung für die L<strong>and</strong>und<br />

Forstwirtschaft im Klettgau (vgl. Teilbericht «L<strong>and</strong>und<br />

Forstwirtschaft im Klettgau» in Scholz et al. (1998».<br />

Als H<strong>and</strong>lungsansätze werden die Einführung eines <strong>Region</strong>almarketings<br />

und die Direktsaat diskutiert.<br />

2.2 Biorebbau und Integrierte<br />

Produktion - Reb- Weinbau im<br />

KJettgau<br />

Wegen des relativ trockenen Klimas bieten die Südhänge<br />

des Klettgaus für den Rebbau ideale Bedingungen, im<br />

Schweizer Teil nimmt er denn auch eine wichtige Stellung<br />

ein. In einer Untersuchung des Reb- und Weinbaus wurde<br />

der bestehende Anbau nach den Richtlinien der Integrierten<br />

Produktion (IP) mit dem Biorebbau verglichen. Im Klettgau<br />

ist Bioanbau noch fast nicht vorh<strong>and</strong>en, in <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en<br />

ist er schon wesentlich weiter fortgeschritten. Der ökonomische<br />

Vergleich ergab, daß für Reben aus Biorebbau<br />

immer höhere Preise erzielt werden müssen, weil die Ar-<br />

IDie Initiative Interreg II der Europäischen Kommission, an der auch die<br />

Schweiz beteiligt ist, bezweckt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit<br />

zwischen Nachbarregionen an den Innen- und Aussengrenzen der EU. Das<br />

Projekt «Entwicklungskonzeption Klettgau» im Programmgebiet «Bodensee-Hochrhein»<br />

verfolgt das Ziel, die grenzüberschreitende Kooperation<br />

zwischen dem L<strong>and</strong> Baden-Württemberg und dem Kanton Schaffhausen<br />

auf dem Gebiet des Grundwasserschutzes zu intensivieren (Bättig et al.,<br />

1997)<br />

2Der Begriff«Agrarpolitik 2002» bezeichnet einen Vorschlag für ein neues<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz auf der Basis von markwirtschaftlichen Reformen.<br />

Abb. 2.1: Rebberg im Klettgau. Der Rebbau ist zwar wirtschaftlich<br />

wenig wichtig, prägt aber wesentlich das Image<br />

der <strong>Region</strong>.<br />

174<br />

UNS-Fallstudie '98


Wirtschaft<br />

beitsaufwendungen höher sind, als bei IP Rebbau. Je nach<br />

Sorte liegt dieser «Biobonus» zwischen 15 und 30%. Ökologisch<br />

zeigte sich, daß bei der Integrierten Produktion v.a.<br />

mit dem Pestizideinsatz starke potentielle Umwelteinwirkungen<br />

verbunden sind. Der Bioanbau zeigt potentielle<br />

Umweltbelastungen durch den zusätzlichen Traktoreinsatz<br />

und den Einsatz von Kupfer zur Mehltaubekämpfung (soweit<br />

es sich um nicht resistente Reben wie den Blauburgunder<br />

h<strong>and</strong>elt). Ein detaillierter Bericht über diese Untersuchung<br />

ist im Kapitel Ökonomische, ökologische und soziale<br />

Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im Klettgau zu finden.<br />

2.3 Im Wirbel der Globalisierung ­<br />

Produzierendes Gewerbe<br />

Klettgau<br />

Der zweite Sektor spielt eine wichtige Rolle in der <strong>Region</strong><br />

Klettgau, denn gerade die im wesentlichen regional ausgerichteten<br />

Gewerbebetriebe sorgen für ein relativ stabiles<br />

Beschäftigungspotential. Allerdings vermittelt die Entwicklung<br />

von Beschäftigten und Arbeitsstätten im sekundären<br />

Sektor für den Kanton Schaffhausen ein ungünstiges Bild<br />

(Wirtschaftsentwicklung <strong>Region</strong> Schaffhausen 1997). Zwischen<br />

1991 und 1995 sank die Zahl der Beschäftigen um<br />

21,6% ab, während im Schweizer Durchschnitt lediglich ein<br />

Rückgang von ca. 14% zu verzeichnen war. Für die Klettgauer<br />

Gemeinden in der Schweiz ergibt sich ein besseres<br />

Bild, so ist nur im Bezirk Unterklettgau der Rückgang mit<br />

22% ebenso stark wie im kantonalen Durchschnitt. Allerdings<br />

liegen die drei Klettgauer Bezirke mit über 16%<br />

weniger Beschäftigten im zweiten Sektor ebenfalls über<br />

dem Gesamtschweizer Schnitt. Nach dem Bundesamt für<br />

Statistik arbeiteten 1995 in Schweizer Gemeinden des<br />

Klettgau mehr als 40% der Beschäftigten im sekundären<br />

Sektor. Von Gemeinde zu Gemeinde sind diese Anteile<br />

jedoch unterschiedlich. Im Kanton Schaffhausen wird für<br />

1995 ein Anteil von 40,2% der Beschäftigen im zweiten<br />

Sektor ausgewiesen. Im Schweizer Klettgau arbeiten die<br />

meisten Erwerbstätigen in der Maschinen- und Metallindustrie,<br />

was den Einfluss des Giesserei- und Maschinenzentrums<br />

Schaffhausen widerspiegelt. Die Arbeitslosenquote<br />

betrug im März 1998 im Bezirk Unterklettgau 2,5%, in<br />

Oberklettgau 2,1% und in Schleitheim 2,4%. Dies liegt<br />

deutlich unter der Arbeitslosenquote des Kantons, die im<br />

Jahresdurchschnitt 1997 5,3% betrug.<br />

Im deutschen Teil des Klettgaus ist dies <strong>and</strong>ers. In Lauchringen<br />

lag die Arbeitslosenquote 1995 bei 9,2%, in der<br />

Gemeinde Klettgau bei 8,4%. Beide Quoten liegen höher als<br />

die des L<strong>and</strong>kreis Waldshut mit 7,6%. Die im L<strong>and</strong>kreis<br />

vorherrschenden Branchen sind hier das Textil- und Bekleidungsgewerbe,<br />

mit einem Anteil von 23% der Beschäftigten<br />

und die chemische Industrie, wo 15% der Beschäftigten<br />

arbeiten.<br />

Die am 1. Januar 1999 gestartete Gemeinschaftswährung<br />

Euro wird Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. Die<br />

Preistransparenz wird die räumlichen Preisdifferenzierungen<br />

für identische Produkte beseitigen. Pharmaprodukte<br />

und langlebige Konsumgüter werden - abgesehen von mar-<br />

ginalen Differenzen - in Sizilien und Sk<strong>and</strong>inavien den<br />

gleichen Preis haben. Theiler (1998) vermutet, dass so Rationalisierungs-<br />

und Innovationsdruck geschaffen wird, der<br />

bei den Unternehmen in den Ländern der Gemeinschaft den<br />

Strukturw<strong>and</strong>el beschleunigt und mindestens vorübergehend<br />

zu höherer Arbeitslosigkeit führt.<br />

Die Schweizer Wirtschaft würde durch allfällige Euro­<br />

Turbulenzen stärker getroffen werden als die der Teilnehmerländer<br />

(Theiler, 1998). Die EU-Unternehmen operieren<br />

nach der Umstellung weitgehend in einem Heimmarkt. Der<br />

Ausl<strong>and</strong>anteil ist, verglichen mit der Schweiz, gering. Ob<br />

der Euro stark oder schwach ist, hat für sie nicht die gleiche<br />

Bedeutung wie für einen Schweizer Unternehmer, der bei<br />

einer Frankenaufwertung gleich eine Verteuerung seiner<br />

Produkte im ganzen Eurogebiet hinnehmen muss.<br />

Die durch den Klettgau verlaufende Grenze zwischen der<br />

Bundesrepublik Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz macht die<br />

Betriebe der <strong>Region</strong> auch stärker abhängig von aussenpolitischen<br />

Entwicklungen als Betriebe im L<strong>and</strong>esinneren (Bauer,<br />

Interview am 14.6.1998). Zum Beispiel stieg die Zahl der<br />

Grenzgänger in den vergangenen Jahren (Waldvogel, 1996;<br />

vgl. Kap. 1.2).<br />

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die für die<br />

Gemeinden der <strong>Region</strong> eine wichtige wirtschaftliche Stütze<br />

sind (Gwerbi Beringen, 1998) werden nun auch vom weltweiten<br />

Globalisierungsprozess erfasst. So sind sie nicht nur<br />

den Einflüssen des Binnenmarktes ausgesetzt, sondern müssen<br />

im Konkurrenzkampf auch gegen leistungsstarke ausländische<br />

Anbieter bestehen (


Wirtschaft<br />

_<br />

werden? Ein bisher weitgehend ungenutztes Potential liegt<br />

in der überbetrieblichen Kooperation. Je nach Art und Weise<br />

der Zusammenarbeit sind Kosten- und/oder Flexibilitätsvorteile<br />

realisierbar. «Stärkung durch Kooperation» ist denn<br />

auch eine Forderung, die man bei Hotz-Hart et al. (1995)<br />

findet. Gleichzeitig stellt er aber die Frage: Ist die durchschnittliche<br />

schweizerische Unternehmung kooperationswillig<br />

und -fähig?<br />

Eine Interessenvertretung der Gewerbetreibenden im<br />

Klettgau sind die Gewerbevereine. Im Gewerbeverein<br />

Klettgau sind ca. 75% der ansässigen Betriebe Mitglied, im<br />

Gewerbeverein Beringen ca. 80%. Deren Gründung geht auf<br />

die Krise von 1948 zurück. In der Hochkonjunktur verschw<strong>and</strong>en<br />

die Vereine fast, aber mit abnehmender Konjunktur<br />

gewannen sie wieder an Bedeutung. Die Mitglieder<br />

sind aus allen Sparten des Gewerbes, auch die Post, Banken<br />

und Versicherungen sind angeschlossen. Die Vereine möchten<br />

das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern und als soziales<br />

Netzwerk für die Mitglieder darstellen. Darüber hinaus<br />

sind sie auch politisch tätig, indem sie einen einheitlichen<br />

Auftritt der Gewerbetreibenden nach aussen anstreben und<br />

politische Stellungnahmen und Wahlempfehlungen abgeben<br />

(Hausen und Leuenberger, Interview am 13.05.98).<br />

Weitergehende Zusammenarbeit zwischen einzelnen Betrieben<br />

war nur in Einzelfällen auszumachen. So sind z.B.<br />

einige RadiorrV-Fachgeschäfte zusammengeschlossen und<br />

betreiben einen gemeinsamen Einkauf. Als wichtiger Einflussfaktor<br />

auf die Wirtschaft in der <strong>Region</strong> wurde von fast<br />

allen befragten Experten 3 die Planung der Gemeinden genannt.<br />

Hier wurde dann auch einstimmig die fehlende Koordination<br />

bemängelt. Ein gemeinsames regionales Konzept<br />

und eine gemeinsame Zonungspolitik sind nicht vorh<strong>and</strong>en.<br />

Weiterhin ergibt sich auch das Problem der schlechten verkehrstechnischen<br />

Erschliessung des Klettgaus. Bemängelt<br />

wurde der schlechte öffentliche Verkehr und die wenigen<br />

guten Verbindungen innerhalb der <strong>Region</strong>.<br />

2.4 Nur langsamer Strukturw<strong>and</strong>el ­<br />

Der Tertiärsektor im Klettgau<br />

Der Bereich der Dienstleistungen ist im Klettgau eher wenig<br />

ausgeprägt. Im Vergleich zu <strong>and</strong>eren wirtschaftlich erfolgreicheren<br />

<strong>Region</strong>en ist der Anteil der Erwerbstätigen im<br />

dritten Wirtschaftssektor zu gering (vgl. Kap. 1.2; Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>Region</strong> Schaffhausen, 1998).<br />

3Befragt wurden: R. Hauser, Gewerbepräsident Klettgau; T. Holenstein,<br />

Wirtschaftsförderung Schaffuausen; H. Leuenberger, Gewerbepräsident<br />

Beringen und Umgebung; Hr. Plieninger, KlGA Schaffuausen.<br />

2.5 Vielen Ansprüchen ausgesetzt ­<br />

Situation der Banken<br />

Die Banken werden mit ihrer finanziellen Dienstleistung<br />

dem Tertiärsektor zugerechnet, der als Residualaggregat<br />

charakterisiert ist und alles aufnimmt, was nicht in die ersten<br />

beiden Sektoren passt (Hotz-Hart et al., 1995). Im Wirtschaftskreislauf<br />

übernehmen die Banken eine zentrale Stellung,<br />

indem sie Finanzmittel von den Anlegern zu den<br />

Investoren transferieren. Dieses Kreditgeschäft ist das Kerngeschäft<br />

der Banken (Hotz-Hart et al., 1995). Grundsatz der<br />

Kreditvergabe ist, dass Kredite dazu dienen sollen beim<br />

Kreditnehmer Ertragskraft zu schaffen, aus welcher der<br />

Kredit getilgt und verzinst werden kann (Bühler, 1988). Mit<br />

einer Bonitätsprüfung soll festgestellt werden, ob der Kreditsuchende<br />

potentiell fähig und willig ist, seinen Verbindlichkeiten<br />

termingerecht nachzukommen. Fünf Aspekte stehen<br />

dabei im Vordergrund:<br />

Rechtliche Kreditfähigkeit<br />

- Kreditwürdigkeit<br />

- wirtschaftliche Kreditfähigkeit<br />

- Sicherheiten und<br />

- allgemeine wirtschaftliche Gesichtspunkte.<br />

Die rechtliche Kreditjähigkeit ist dann gegeben, wenn der<br />

Antragsteller rechtswirksame Verpflichtungen gegenüber<br />

der Bank eingehen darf. Geprüft wird die Rechts- und<br />

Geschäftsfähigkeit, sowie die ausreichende Vertretungsbefugnis.<br />

Die Kreditwürdigkeit ist eine Frage des Vertrauens.<br />

Hier fliessen zum einen materielle Gesichtspunkte, also<br />

Vermögenslage und Einkommensverhältnisse, zum <strong>and</strong>eren<br />

persönliche Gesichtspunkte in die Beurteilung mit ein.<br />

Wichtig sind die Erfahrungen aus den bisherigen Geschäftsverbindungen,<br />

sowie die menschliche Beurteilung des Kunden.<br />

Bei der wirtschaftlichen Kreditjähigkeit wird geprüft,<br />

ob der Kreditnehmer in der Lage ist, den Kredit zu verzinsen<br />

und zu tilgen. Berücksichtigt werden die konjunkturellen<br />

Rahmenbedingungen, die Produkte und ihre Qualität, die<br />

Branchen- und Konkurrenzsituation. Ebenso spielen Leumund<br />

und Goodwill des Unternehmens und des Unternehmers<br />

eine Rolle. Aber auch mögliche Umweltrisiken und die<br />

zukünftige Rohstoffversorgung werden in die Überlegungen<br />

mit einbezogen. Die Prüfung der Sicherheiten schliesst<br />

sich an die Prüfung der Kreditwürdigkeit und -fähigkeit an,<br />

da diese nicht immer notwendig sind. Unterschieden wird<br />

zwischen personellen (z.B. Bürgen, Wechselverpflichtungen<br />

oder Drittschuldnern) und materiellen Sicherheiten (Immobilien,<br />

bewegliche Sachen oder Wertpapiere). Abschliessend<br />

wird entschieden, ob die Kreditvergabe sowohl konjunkturell<br />

und wirtschaftspolitisch, als auch bankpolitisch<br />

vertretbar und mit der Liquidität der Bank vereinbar ist.<br />

<strong>Region</strong>albanken sind in ihrer Geschäftstätigkeit geographisch<br />

begrenzt. Ihr Aktivgeschäft besteht zumeist aus Hypothekar-<br />

und kommerziellen Krediten. Sowohl im deutschen,<br />

als auch im Schweizer Klettgau sind verschiedene<br />

<strong>Region</strong>albanken wie Sparkassen, Volksbanken und Sparund<br />

Leihkassen aktiv.<br />

Ebenso wie <strong>and</strong>ere Unternehmen sehen sich auch die<br />

Banken vielerlei Ansprüchen ausgesetzt. Diese werden von<br />

unterschiedlichen Gruppierungen an sie herangetragen. Dy-<br />

176<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

Abb. 2.2a, b, c: Banken im Klettgau sind vielfältigen AnsprÜchen<br />

ausgesetzt. Ein durch die Fallstudie initiierter Arbeitskreis<br />

«Nachhaltige Kreditvergabe» soll in bankÜbergrezfender<br />

Zusammenarbeit Wege finden, die Arbeit der regionalen<br />

Banken nachhaltiger zu gestalten.<br />

lick, Belz, Hugenschmidt, Koller, Laubseher, Paulus, Sahlberg<br />

und Schneidewind (1994) beschreiben dieses Unternehmensumfeld<br />

als die Stakeholder. Die gesellschaftliche<br />

Integration einer Unternehmung ist nur dann möglich, wenn<br />

deren Entscheidungen von der Öffentlichkeit akzeptiert sind<br />

(Ulrich und Probst, 1990). Dies bedeutet, dass Unternehmen<br />

auch der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, wenn diese<br />

über ihren wirtschaftlichen Zweck hinaus gehen (Scholz,<br />

Weber und Michalik, 1995). Kummrich und Emde (1997)<br />

sehen sogar, dass Kreditinstituten generell eine höhere gesellschaftliche<br />

Verantwortung zugeschrieben wird als <strong>and</strong>eren<br />

Unternehmen. Sie dürfen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit<br />

auf den Finanzmärkten nicht eingeschränkt werden. Darum<br />

muss nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die gesellschaftliche<br />

Forderung nach umweltgerechtem Wirtschaften<br />

in die ökonomischen Interessen der Banken integriert werden<br />

kann. Ein erster Blick auf die Entscheidungskriterien an<br />

den Finanzmärkten verdeutlicht aber zunächst die Probleme<br />

für eine solche Integration: Finanzmärkte orientieren sich an<br />

der kurzfristigen Ertragserzielung, langfristige Überlegungen<br />

spielen kaum eine Rolle. Starke Diskontierung forciert<br />

diese Begünstigung von Investitionen mit kurzem Zeithorizont.<br />

Derzeit zahlt sich die Ökoeffizienz von Unternehmen<br />

ertragsmässig (noch) nicht aus. Auch können Rechnungsund<br />

Berichtswesen der Unternehmen selten Risiken und<br />

Chancen der Umweltproblematik erfassen. So entstehen<br />

Informationsdefizite bei den Entscheidungen auf den Finanzmärkten<br />

(Kumrnrich und Emde, 1997).<br />

Andererseits konnten Scholz und Weber (1995) reale Kreditausfälle<br />

aufGrund ökologischer Risiken dokumentieren.<br />

Der Grossteil der Fälle wurde durch Altlasten und die damit<br />

verbundene Wertminderung von Sicherheiten verursacht.<br />

Solche Ausfallrisiken werden als Besicherungsrisiken bezeichnet<br />

(Scholz et a!., 1995b). Kreditausfälle im Zusam-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

177


Wirtschaft<br />

menhang mit Umweltinvestitionen, Umweltkatastrophen<br />

und ökologischen Marktveränderungen hängen mit der Fähigkeit<br />

eines Unternehmens zusammen, seinen Verpflichtungen<br />

aus dem Kreditverhältnis gegenüber dem Bankinstitut<br />

nachzukommen. Sie zählen darum zum Bonitätsrisiko.<br />

Ausserdem kann eine Bank Imageverluste erleiden, wenn<br />

von ihr finanzierte Unternehmen in Umweltsk<strong>and</strong>ale verstrickt<br />

werden. Schliesslich wirkt sich die ökologisch bedingte<br />

Veränderung von Geschäftsfeldern auch auf Banken<br />

aus. Gerade bezüglich des Marketings müssen diese Veränderungen<br />

Beachtung finden.<br />

Die meisten Kreditinstitute versuchen bereits, solche ökologischen<br />

Kreditrisiken zu steuern. Allerdings fehlt häufig<br />

eine Strategie für den Umgang mit der Umweltproblematik.<br />

Weber und Scholz (1997) schlagen vor, den Grundsatz der<br />

Kreditvergabe um das Konzept der Nachhaltigkeit zu erweitern.<br />

So dient die Kreditvergabe zur Schaffung zukünftiger<br />

Erträge, die ökonomische, soziale und ökologische Ressourcen<br />

nicht vermindern. Mit den Erträgen können Kredit und<br />

Zinsen zurückgezahlt werden. Die Zukunftsfähigkeit des<br />

Kreditgebers und -nehmers sollen gesichert werden. So<br />

bleibt für die Zukunft ein Steuerungs- und Reaktionspotential<br />

erhalten. Ebenso sehen es Schmidheiny und Zorraquin<br />

(1996) als wichtige Aufgabe, eine Umweltrisikoprüfung in<br />

die allgemeine Bonitätsbeurteilung zu integrieren. Die Regelung<br />

ökologischer Vorgaben obliegt der Legislative und<br />

ist eine Aufgabe, die nicht zu lange aufgeschoben werden<br />

darf.<br />

2.6 Vision «Nachhaltiger Klettgaw>:<br />

fragestellung undZiel der<br />

Synthesearbeit<br />

Die Wirtschaft der <strong>Region</strong> besteht, wie bereits gezeigt wurde,<br />

aus vielen Akteuren, die unter verschiedenen Anforderungen<br />

und Beeinflussungen agieren. In Ihren H<strong>and</strong>lungen<br />

beeinflussen sie sich gegenseitig und auch ihr nicht-ökonomisches<br />

Umfeld. Dies bedeutet, dass diese Vernetzung von<br />

Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt verst<strong>and</strong>en und die<br />

Wechselwirkungen der verschiedenen Bereiche mitein<strong>and</strong>er<br />

berücksichtigt werden muss, wenn man sich mit der zukünftigen<br />

Entwicklung der Wirtschaft im Klettgau beschäftigt.<br />

Das Ziel der Synthesegruppenarbeit ist es, die Frage zu<br />

beantworten, wie die Wohn- und Naturqualität und das<br />

Arbeitsangebot der <strong>Region</strong> erhalten und vergrössert werden<br />

können. Die Antwort auf diese Frage soll eine Vision ein<br />

wünschenswerter zukünftiger Zust<strong>and</strong> - sein, die das abstrakte<br />

Konzept Nachhaltigkeit für den Klettgau konkretisiert<br />

und mit den tatsächlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

verbindet. Dazu sollen die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

aufgezeigt und bezüglich Nachhaltigkeit bewertet<br />

werden. Die Vision soll es regionalen Entscheidungsträgern,<br />

wie den Wirtschaftsorganisationen, den Unternehmerinnen<br />

und Unternehmern, den Banken und der öffentlichen<br />

H<strong>and</strong> ermöglichen, Zielsetzungen und H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />

für eine Veränderung in die gewünschte Richtung abzuleiten.<br />

Eine wissenschaftliche Methode zur Konstruktion von<br />

möglichen zukünftigen Systemzuständen ist die formative<br />

Szenarioanalyse (Scholz und Tietje, 1998). Sie erzeugt<br />

mögliche Zukunftszustände aus den gegebenen Strukturen<br />

eines Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es. Mit Hilfe eines Bewertungsinstruments<br />

soll aus den vielen Möglichkeiten der<br />

zukünftigen regionalen Entwicklung eine Auswahl getroffen<br />

werden, die dem Anspruch einer Vision für einen nachhaltigen<br />

Klettgau st<strong>and</strong>halten. Wichtig sind hierbei auch die<br />

Besonderheiten der <strong>Region</strong>, also Funktionen, die das Wirtschaftssystem<br />

Klettgau in einer überregionalen Sicht übernimmt.<br />

2.7 Vorgehen in drei Phasendie<br />

Projektarchitektur<br />

Das Projekt wurde in drei Einheiten unterteilt, die in Abbildung<br />

2.1 dargestellt sind. Die Synthesephase I diente der<br />

Definition der Fragestellung, des Ziels und des gewünschten<br />

Produktes, wie sie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben<br />

wurden. Hierzu wurden Vorträge von Experten aus den<br />

Bereichen Nachhaltigkeit und Wirtschaft, sowie Wirtschaftsförderung<br />

gehört. Durch Literaturarbeit wurde zusätzliches<br />

Fachwissen auf diesen Gebieten angeeignet. Es<br />

entst<strong>and</strong> die Idee, ein Modell zu erarbeiten, das das Wirtschaftssystem<br />

im Klettgau vereinfacht darstellt und mit<br />

dessen Hilfe eine Vision zu erarbeiten. Bei einem Treffen<br />

mit interessierten Personen aus der Bevölkerung wurde über<br />

Probleme und mögliche Verbesserungen im Klettgau gesprochen.<br />

Die dabei gewonnenen Einsichten flossen in die<br />

Zielfindung mit ein.<br />

Die Teilprojektarbeit wurde nach den drei Wirtschaftssektoren<br />

aufgeteilt. Die Bereiche Reb- und Weinbau, überbetriebliehe<br />

Kooperation in Industrie und Gewerbe und die<br />

Kreditvergabepraxis der <strong>Region</strong>albanken wurden genauer<br />

untersucht. Ein viertes Teilprojekt erhielt die Aufgabe, die<br />

Vernetzung des Wirtschaftssystems Klettgau mit <strong>and</strong>eren<br />

Bereichen darzustellen und die Gesamtsicht zu wahren,<br />

während die <strong>and</strong>eren Teilprojekte vertiefend arbeiten sollten.<br />

Diese Arbeiten wurden während der Teilprojektphase in<br />

Kleingruppen geleistet, die sich chronologisch an die Synthesephase<br />

I anschloss.<br />

Zu Beginn der Synthesephase II wurde wieder in der<br />

Grossgruppe gearbeitet. Gemeinsam entschied man sich für<br />

die Methode der Szenarioanalyse, welche nach Ansicht der<br />

Studierenden für die gesetzten Rahmenbedingungen ­<br />

Zeitknappheit, zur Verfügung stehende Informationen und<br />

Wissen der Beteiligten - die besten Ergebnisse versprach.<br />

In dieser Phase wurde versucht, die Ergebnisse der Teilprojektphase<br />

auf einer die Gesamtsicht wahrenden Ebene weiterzuverarbeiten.<br />

Die Ergebnisse der Teilprojektphase wurden<br />

hier integriert und aggregiert, um relevante Zusammenhänge<br />

zu erkennen. Mit diesen Erkenntnissen wurde eine<br />

Szenarioanalyse durchgeführt, die Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für die gesamte <strong>Region</strong> aufzeigen soll. Im Detail sind<br />

Vorgehen und Resultate im Kapitel 3 wiedergegeben. Mit<br />

Hilfe einer Bewertung dieser Entwicklungsmöglichkeiten<br />

bezüglich ihrerNachhaltigkeit konnte die Vision einer nachhaltigen<br />

<strong>Region</strong> Klettgau gefunden werden.<br />

178<br />

UNS-Fallstudie '98


________________________________________ Wirtschaft<br />

Information<br />

I und Anliegen<br />

\ der <strong>Region</strong><br />

"-<br />

Synthesephase I<br />

Abb. 2.3: Projektarchitektur der Synthesegruppe Wirtschaft<br />

Teilprojektphase<br />

Synthesephase 11<br />

3 Viele Wege in die Zukunft ­<br />

Die formative Szenarioanalyse<br />

3.1 Ganzheitliches Verständnis ­<br />

Aufgaben undZiele der Methode<br />

Die Methode der Szenarioanalyse ist ein Instrument aus der<br />

strategischen Unternehmensplanung (Mißler-Behr, 1993).<br />

Sie hat die Aufgabe, mehrere alternative Zukunftsbilder zu<br />

generieren und so eine Prognose über Entwicklungen zu<br />

ermöglichen. Entwickelt wurde die Szenariotechnik von<br />

Herman Kahn nach dem zweiten Weltkrieg. Er arbeitete<br />

dama~s bei der RAND Corporation, welche die US-Regierung<br />

m Fragen der strategischen Planung beriet (Cooke,<br />

1991). Verwendet wurde die Szenariotechnik im Bereich der<br />

Technologiebewertung (vgl. Schaude et al., 1976), der Unternehmensplanung<br />

(vgl. MacNulty, 1977 und Vester, 1991)<br />

und den Umweltwissenschaften.<br />

Unter dem Begriff formative Szenarioanalyse wird eine<br />

wissenschaftliche Methode verst<strong>and</strong>en, welche die zu<br />

durchlaufenden Schritte im Prozess der Szenariokonstruktion<br />

vorgibt (Scholz und Tietje, 1998). Sie ermöglicht es,<br />

aufbauend auf einem ganzheitlichen Verständnis für die<br />

Komplexität und Dynamik eines Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es,<br />

mögliche zukünftige Entwicklungen in ihren Ursachen<br />

und Wirkungen zu analysieren und zu diskutieren.<br />

Für die UNS-Fallstudie hat die Verwendung dieser Methode<br />

eine lange Tradition. Schon 1994 wurde sie bei der<br />

Untersuchung «Perspektive Grosses Moos» (Scholz et al.,<br />

1995a) eingesetzt. Vor allem die Möglichkeit zur Berücksichtigung<br />

von quantitativen und qualitativen Einflüssen<br />

(denen oftmals zentrale Bedeutungen zufallen), lässt die<br />

Methode als besonders geeignet erscheinen. Sie verbindet<br />

die Vorteile der spekulativ-erzählenden Ansätze von Kahn<br />

(MacNulty, 1977) mit denen der quantitativen Systemmodellierungen<br />

von Meadows (Meadows, 1972; Bossel &<br />

Meadows, 1993).<br />

Scholz und Tietje (1998) beschrieben zehn Einzelschritte<br />

die während einer formativen Szenarioanalyse durchlaufe~<br />

werden:<br />

Die Zielsetzung der Szenarioanalyse wird im ersten<br />

Schritt festgelegt. Wie im Kapitel 2.6 beschrieben, soll sie<br />

eine Vision «Nachhaltiger Klettgau» liefern, also einen zukünftigen<br />

Zust<strong>and</strong>, der das Konzept Nachhaltigkeit für die<br />

<strong>Region</strong> konkretisiert. Im zweiten Schritt wird das zu untersuchende<br />

System und seine relevanten Merkmale erfasst.<br />

Der Abschnitt 3.2 zeigt, wie mit Hilfe eines Top-down<br />

Vorgehens die wesentlichen Eigenschaften des Wirtschaftssystems<br />

Klettgau zusammengetragen wurden. Mit dieser<br />

Methode wird zunächst aus einer makroskopischen Sicht die<br />

Grobstruktur festgelegt und in den interessanten Bereichen<br />

verfeinert (Fischlin, 1998). Zunächst wird ein qualitatives<br />

Wirkungsgefüge entworfen, das auf den relevanten Stoffund<br />

Finanzströmen basiert. Das Wirkungsgefüge dient als<br />

Ausgangsbasis für den nächsten Schritt, die Extraktion von<br />

Einflussfaktoren. Wie dabei vorgegangen wurde, wird in<br />

Abschnitt 3.3 dargelegt. Unmittelbar mit diesen Einflussfaktoren<br />

verbunden ist auch der folgende Schritt, die Einflussmatrix.<br />

Mit der Einflussmatrix wird die gegenseitige<br />

Beeinflussung der Einflussfaktoren bewertet und dargestellt.<br />

Sie ist ebenfalls in Abschnitt 3.3 dargestellt. Mit Hilfe<br />

des sogenannten System-Grids, dem sechsten Schritt der<br />

formativen Szenarioanalyse, werden die Informationen der<br />

Einflussrnatrix visualisiert und bezüglich ihrer Rolle im<br />

System analysiert. Das System-Grid und die daraus gewonnenen<br />

Ergebnisse finden sich ebenso in Abschnitt 3.3. Eine<br />

<strong>and</strong>ere Art der Visualisierung von Beziehungen zwischen<br />

Einflussfaktoren ist der gerichtete Graph. Die Darstellung<br />

für das hier untersuchte System wurde mit Hilfe eines Computerprogramms<br />

gewonnen und ist auch in Abschnitt 3.3<br />

dargestellt. Mit dem siebten Schritt, der MICMACI-Analy-<br />

IMICMAC: Matrice d'Impacts Multiplication Appliquee a un Classement;<br />

Cross impact matrix-multiplication applied to classification<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

179


Wirtschaft<br />

se werden die indirekten Abhängigkeiten der Einflussfaktoren<br />

untersucht. In Abschnitt 3.4 wird das Vorgehen hierbei<br />

erläutert. Die bisherigen Schritte dienten v.a. der genauen<br />

Analyse der Vernetzung und Dynamik des Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es.<br />

Im achten Schritt, der Trendprojektion, wird<br />

dieses Wissen genutzt, um mögliche Ausprägungen der<br />

Einflussfaktoren zu bestimmen (siehe Abschnitt 3.5). Anschliessend<br />

muss geprüft werden, in wie weit die verschiedenen<br />

Ausprägungen der Einflussfaktoren mitein<strong>and</strong>er verträglich<br />

sind. Diese Bewertung wird in der Konsistenzanalyse<br />

durchgeführt und ist in Abschnitt 3.6 erläutert. Das<br />

Ergebnis dieser Analyse ist eine Konsistenzmatrix, die als<br />

Eingangsinformation für die Berechnung von Szenarien<br />

(siehe Abschnitt 3.7) mittels Computer genutzt wird. Dabei<br />

wird eine Liste aller möglichen Szenarien erzeugt, die jeweils<br />

mit einer Kennzahl als Mass für ihre Konsistenz<br />

gekennzeichnet sind. Aus dieser Liste der möglichen Szenarien<br />

wählt man einzelne aus, die dann weiter bearbeitet<br />

werden. Die hier verwendeten Auswahlmethoden sind in<br />

Abschnitt 3.8 erörtert. Entsprechend der Zielsetzung, eine<br />

Vision für eine «nachhaltige <strong>Region</strong> Klettgau» zu finden, ist<br />

die Szenarioauswahl um das Kriterium Nachhaltigkeit erweitert<br />

worden. Da dieses Kriterium äußerst komplex ist,<br />

wurde hierfür eine eigene Methode entwickelt, die eine<br />

effiziente Bewertung der Szenarien im gegebenen Format<br />

ermöglicht (siehe Abschnitt 3.9). Der zehnte Schritt der<br />

formativen Szenarioanalyse, die Erarbeitung von Strategien,<br />

war nicht mehr Teil der in Schritt 1 formulierten Zielsetzung<br />

und wird darum hier nicht dargestellt. Trotzdem finden<br />

sich einige Massnahmenansätze für ausgewählte Bereiche<br />

in Kapitel 4. In Abschnitt 3.10 sind die relevanten Erkenntnisse<br />

der durchgeführten Szenarioanalyse zusammengefasst.<br />

3.2 Stoff- und Finanzflüsse -<br />

Die <strong>Region</strong>aJökonomie aus einer<br />

systemischen Sicht<br />

Die Wirtschaft ist der gesellschaftliche Bereich, der die<br />

materielle Güterversorgung zum Gegenst<strong>and</strong> hat. Dieser<br />

Bereich ist strukturiert und kann als System von Wirtschaftssubjekten<br />

beschrieben werden, die über vielfältige<br />

Beziehungen verbunden sind. Um diese Struktur für die<br />

<strong>Region</strong> Klettgau zu erfassen, wurde eine Top-down Strategie<br />

gewählt.<br />

Eine Möglichkeit zur Beschreibung einer Volkswirtschaft<br />

ist das Konzept des Wirtschaftskreislaufs. Aus gleichartigen<br />

Wirtschaftssubjekten werden Sektoren gebildet, die in Austauschbeziehungen<br />

stehen (Frank, 1995). Mit dieser Idee<br />

soll eine Analyse der <strong>Region</strong>alwirtschaft in der <strong>Region</strong><br />

Klettgau durchgeführt werden.<br />

Hierfür werden die Sektoren Haushalte, Unternehmen,<br />

Banken und öffentliche H<strong>and</strong> betrachtet. Einerseits kaufen<br />

die Haushalte bei den Unternehmen Güter. Diesem Güterstrom<br />

steht der monetäre Strom der Konsumkosten gegenüber.<br />

Andererseits stellen die Haushalte den Unternehmen<br />

Arbeitsleistung gegen Entgelt zur Verfügung. Die Banken<br />

nehmen Ersparnisse aus Haushalten und Unternehmen auf,<br />

um sie für Investitionen den Unternehmen zuzuführen. Die<br />

Öffentliche H<strong>and</strong> erhält von Unternehmen und Haushalten<br />

die erhobenen Steuern und gibt diese als Leistungen und in<br />

Form von Subventionen an (einen Teil der) Unternehmen<br />

und Haushalte zurück. Darüber hinaus finanziert die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> so ihren eigenen Konsum.<br />

Alle diese Sektoren sind eingebettet in die natürliche<br />

Umwelt und darum gibt es vielfältige Stoffströme in die<br />

Umwelt hinein und aus der Umwelt heraus. Es lassen sich<br />

grundsätzlich zwei Arten unterscheiden: Zum einen werden<br />

der Umwelt Ressourcen entnommen, die für die Produktion<br />

der Unternehmen eingesetzt werden. Diese Ressourcen können<br />

fossile Rohstoffe und somit nicht regenerierbar oder<br />

emeuerbar sein. Andererseits gibt es einen Strom von festen,<br />

flüssigen oder gasförmigen Emissionen in die Umwelt. Teilweise<br />

können diese Stoffe durch natürliche Prozesse abgebaut<br />

werden. Wird die Abbaukapazität der Umwelt überschritten<br />

oder sind die Stoffe nicht natürlich abbaubar, so<br />

reichem sie sich in den entsprechenden Umweltkompartimenten<br />

an und können zur Zerstörung der Funktionsfähigkeit<br />

der natürlichen Systeme beitragen.<br />

Soll die Wirtschaft einer <strong>Region</strong> mit Hilfe der eben beschriebenen<br />

Beziehungen abgebildet werden, so ist zu beachten,<br />

dass die Finanz- und Güterströme durch die Grenzen<br />

der <strong>Region</strong> nicht behindert werden. So kann die Arbeitsleistung<br />

den Unternehmen innerhalb oder ausserhalb der<br />

<strong>Region</strong> zur Verfügung gestellt werden. Entsprechendes gilt<br />

für den Konsum. Die H<strong>and</strong>lungen der Institutionen der<br />

öffentlichen H<strong>and</strong> sind nur in den unteren Ebenen regional<br />

ausgerichtet. Im Fall der <strong>Region</strong> Klettgau kann nur die<br />

Gemeindeebene zur<strong>Region</strong> gerechnet werden. Bei den Banken<br />

ist eine Abgrenzung zwischen <strong>Region</strong>albanken und<br />

Grossbanken zweckmäßig. Dieser Sektor bietet so den Zugang<br />

zum internationalen Finanzmarkt, der in keiner Weise<br />

mehr vom regionalen Sparvolumen abhängt. Umwelteinwirkungen,<br />

also die Entnahme von Ressourcen und die<br />

Abgabe von Emissionen können auch in ihren lokalen bis<br />

globalen Wirkungen unterschieden werden. Vereinfacht<br />

sind diese Überlegungen in Abbildung 3.1 dargestellt.<br />

Dieser erste Modellansatz bietet einen groben Überblick.<br />

Um spezifische Eigenschaften des Klettgaus abbilden zu<br />

können, muss die Auflösung - zumindest in Teilbereichen ­<br />

erhöht werden. Gerade im Bereich Unternehmen kann eine<br />

Verfeinerung neue Erkenntnisse bringen, da hier eine Vielzahl<br />

von Flüssen vertreten ist. In Abbildung 3.2 ist der<br />

Bereich in der höheren Auflösung dargestellt.<br />

Die Klettgauer Gemeinden gelten als Schlafstätten (Waldvogel,<br />

1996), weil viel Arbeitsleistung in die Agglomerationen<br />

Zürich und Schaffhausen transferiert wird. Da in diesen<br />

Zentren auch ein grösseres Angebot an qualifizierten und<br />

somit hoch bezahlten Arbeitsplätzen vorh<strong>and</strong>en ist, fliesst<br />

von dort viel Einkommen in den Klettgau. Auch für die<br />

Konsumgüter kann angenommen werden, dass sie zu einem<br />

großen Teil in den Agglomerationen gekauft werden, da dort<br />

ein grösseres Angebot vorh<strong>and</strong>en ist.<br />

Die L<strong>and</strong>wirtschaft prägt den Klettgau. Aus ökonomischer<br />

Perspektive scheint es zentral, dass der Markt für<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produkte stark reguliert ist. Der Staat<br />

greift durch verschiedene Massnahmen ein. So ist das bäuerliche<br />

Einkommen in erster Linie von staatlichen Subven-<br />

180<br />

UNS-Fallstudie '98


____________________________________________ Wirtschaft<br />

Abb. 3.1: Ein regionalökonomisches Modell<br />

für den Klettgau. Die Sektoren Haushalte,<br />

Unternehmen, Banken und öffentliche H<strong>and</strong><br />

stehen durch vielfältige Güter- und Finanzströme<br />

mitein<strong>and</strong>er in Beziehung. Diese<br />

Ströme verbinden die Sektoren sowohl innerhalb<br />

der <strong>Region</strong>, als auch über deren<br />

Grenzen hinweg. Umschlossen werden die<br />

Sektoren von der natürlichen Umwelt.<br />

Durch Ressourcenentnahme und Emissionsströme<br />

kommt es zu Wirkungen von Sektoren<br />

aufdie Umwelt.<br />

Abb. 3.2: Der Unternehmenssektor mit<br />

seinen Stoff- und Finanzströmen zu <strong>and</strong>eren<br />

Sektoren innerhalb des Klettgaus<br />

und über die <strong>Region</strong>algrenze hinweg.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

181


Wirtschaft<br />

tionen für die L<strong>and</strong>wirtschaft abhängig (Lorenz Goette,<br />

Interview am 15.05.98). Eine Preisbildung durch das Zusammentreffen<br />

von Angebot und Nachfrage findet hiernicht<br />

mehr statt. Im Bezug auf Umwelteinwirkungen nimmt die<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft in der <strong>Region</strong> ebenfalls eine wichtige Rolle<br />

ein. Die Stickstoffauswaschungen aus dem Ackerl<strong>and</strong> sind<br />

der bedeutendste Eintragspfad ins Grundwasser (vgl. Kapitell.l).<br />

Der Kiesabbau ist ebenfalls ein wichtiger Erwerbszweig.<br />

Kiesgruben sind typisch für die Klettgaurinne, die im Prinzip<br />

ein riesiger Kieskörper ist. Kies ist eine endliche Ressource,<br />

die nur in geologischen Zeiträumen erneuerbar ist<br />

(Scholz et al., 1998). Eben diese endlichen Ressourcen<br />

bereiten bei der Zielfindung in bezug auf nachhaltige Nutzung<br />

besondere Probleme. Bereits in der Fallstudie 1997<br />

«Verantwortungsvoller Umgang mit Boden» wurden verschiedene<br />

Varianten für die zukünftige Kiesnutzung erarbeitet<br />

und von Interessenvertretern aus Wirtschaft, Politik,<br />

Naturschutz und der Bevölkerung bewertet (vgl. Teilbericht<br />

«Rohstoff Kies» in Scholz et al., 1998).<br />

3.3 Verflechtungen zum Umfeld -<br />

Die relevanten finflussfaktoren und<br />

ihre Beziehungen<br />

Die Basis der Szenarioanalyse ist ein überschaubarer Satz<br />

von Variablen. Diese variablen Einflussgrössen des betrachteten<br />

Systems bestimmen durch ihre Wechselwirkungen die<br />

Dynamik und Kybernetik des Systems (Vester, 1991). Bei<br />

der Bestimmung des Variablensatzes werden mehrere Faktoren,<br />

soweit inhaltlich zusammengehörig, zu einer einzelnen<br />

Einflussgrösse aggregiert. Da in allen folgenden Schritten<br />

mit diesen gearbeitet wird, ist eine sorgfältige Zusammenstellung<br />

von ausschlaggebender Bedeutung.<br />

In der oben dargestellten Beschreibung des regionalökonomischen<br />

Systems wird schnell deutlich, dass diese Betrachtungen<br />

für eine umfassende Beantwortung der Fragestellung<br />

(vgl. Kapitell.6) nicht ausreichen. Vielmehr muss<br />

dieses Wirtschaftssystem in seiner Einbettung in den sozialen,<br />

politischen und ökologischen Kontext des Klettgaus<br />

gesehen werden. Denn gerade hier liegen oftmals entscheidende<br />

Ursachen für Probleme und Hindernisse für neue<br />

Entwicklungsrichtungen. Demgegenüber befindet sich das<br />

beschriebene Wirtschaftssystem noch aufeiner sehrabstrakten<br />

Ebene. Damit spezifische Eigenschaften des Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es<br />

Klettgau abgebildet werden können,<br />

muss eine weitere Verfeinerung vorgenommen werden. Die<br />

Erfüllung beider Forderungen würde zu einem übergrossen<br />

Modell führen, der Datenbedarf um in allen Bereichen die<br />

selbe Detailliertheit zu erreichen wäre riesig. Die hierfür<br />

notwendige Arbeit war im Rahmen der Fallstudienarbeit<br />

nicht zu leisten.<br />

Um trotzdem verwertbare Resultate zu erhalten, wurde<br />

folgendes Vorgehen gewählt: Die Szenarioanalyse wird auf<br />

allgemeiner Ebene durchgeführt, um dem ganzheitlichen<br />

Anspruch zu genügen. In ausgewählten Wirtschaftsbereichen<br />

findet eine vertiefte Analyse statt. Die Analyse-Ergebnisse<br />

fliessen in entsprechende Einflussgrössen und deren<br />

Beziehungen zu <strong>and</strong>eren Einflussgrössen ein. Mit Hilfe der<br />

Szenarioanalyse können dann Aussagen gemacht werden,<br />

welchen Wechselwirkungen die Variablen und damit das<br />

System ausgesetzt sind.<br />

Den Ausgangspunkt zur Bestimmung derEinflussgrössen<br />

bilden die Erkenntnisse aus der Beschreibung des Wirtschaftssystems<br />

(vgl. KapiteI3.l). Die Einflussfaktoren müssen<br />

diese Tatsachen und ihre Ursachen, sowohl innerhalb,<br />

als auch ausserhalb des Klettgaus, widerspiegeln können.<br />

Das anspruchsvolle Ziel ist eine suffiziente Menge von<br />

Faktoren, welche die Vemetzung der Wirtschaft mit den<br />

sozialen, ökologischen und politischen Bereichen darstellt.<br />

Die Faktoren müssen ebenso die Charakteristiken der <strong>Region</strong><br />

(wie in Kapitell dargestellt) beschreiben und die relevanten<br />

Bereiche deutlich machen können. Aus dem Anspruch,<br />

ein Vision zu formulieren, aus der regionale Entscheidungsträger<br />

H<strong>and</strong>lungsstrategien ableiten können, ergibt<br />

sich, dass die Auflösung der regionalen Faktoren relativ<br />

hoch sein muss. All diese Ansprüche an den Variablensatz,<br />

vor allem aber die Forderung diesen überschaubar zu halten,<br />

sind nur schwer erfüllbar. Die Gefahr, wichtige Zusammenhänge<br />

zu übersehen oder relativ unwesentliche Einzelheiten<br />

zu stark hervorzuheben, ist gross. Aus diesem Grund erarbeitete<br />

eine kleine Gruppe mit Hilfe von Experten 2 einen<br />

Vorschlag. In Diskussionen mit Studierenden, die ihren<br />

Arbeitsschwerpunkt auf eine vertiefte Analyse der Teilbereiche<br />

Weinbau, Gewerbekooperation oder <strong>Region</strong>albanken<br />

gelegt hatten, wurde dieser Vorschlag weiter ergänzt. Die<br />

Aggregation inhaltlich zusammengehöriger Variablen reduzierte<br />

die Anzahl der Einflussgrössen auf ein überschaubares<br />

Mass.<br />

Bei all diesen Gesprächen und Diskussionen wurde versucht,<br />

auch auf die Wirkungszusammenhänge einzugehen,<br />

die bei der Bestimmung der Einflussrnatrix Verwendung<br />

ganzheitliche Ebene der Szenarioanalyse<br />

Abb. 3.3: Vorgehen in unterschiedlicher Tiefe. Die Resultate<br />

der vertieften Analyse einzelner Bereiche fliessen in die<br />

Szenarioanalyse ein, die ganzheitliche Sichtweise bleibt erhalten.<br />

2Als Experten wurde sowohl auf Personen aus dem Klettgau, als auch auf<br />

Wirtschaftswissenschaftler zurückgegriffen, die in einem Leitfaden-gestützten<br />

Interview befragt wurden (der Gesprächsleitfaden ist im Anhang<br />

3.1 zu finden): U. Amsler, Wirtschaftsförderung Kanton Schaffhausen; A.<br />

Bauer, Gemeinderätin Klettgau; L. Goette, Uni Zürich; H. Richli, Halblützel<br />

AG; Dr. P. Schellenbauer, <strong>ETH</strong> Zürich; Dr. J. Schütz, <strong>ETH</strong> Zürich.<br />

182<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

f<strong>and</strong>en. In Kasten 3.1 sind die Einflussgrössen, wie sie in<br />

den weiteren Schritten der Szenarioanalyse verwendet wurden,<br />

aufgelistet und beschrieben. Es ist zu beachten, dass der<br />

Name einer Einflussgrösse nur ein Kurzbegriff sein kann.<br />

Wichtig ist die jeweilige Beschreibung, welche die Variable<br />

näher bestimmt. Diese muss beim weiteren Arbeiten «im<br />

Hinterkopf behalten» werden, um den Charakter einer Einflussgrösse<br />

vor Augen zu haben. Manchmal scheint eine<br />

Grösse bereits eine Wertung zu enthalten. Falls dem so sein<br />

sollte, beeinflusstdies die anschliessenden Schritte in keiner<br />

Weise. Vielmehr ist dies als Bewegungsrichtung der Variablen<br />

zu verstehen, die ja per Definition beweglich ist. Diese<br />

qualitativ gerichtete Bewegung erlaubt es die Wirkungsbeziehungen<br />

zwischen den Variablen eindeutig zu bestimmen<br />

(Vester, 1991).<br />

Im nächsten Schritt der Szenarioanalyse müssen die Beziehungen<br />

zwischen den Einflussgrössen bestimmt und beschrieben<br />

werden. Dann kann mit Hilfe einerEinflussmatrix<br />

die Rolle einer Komponente im System abgeschätzt werden.<br />

Insbesondere die Fähigkeit, <strong>and</strong>ere Komponenten zu beeinflussen<br />

und das Mass, wie stark eine Variable selbst beeinflusst<br />

wird, interessieren bei der Analyse (Vester, 1991).<br />

In der Einflussmatrix (vgl. Abbildung 3.4) werden alle<br />

Einflussgrössen sowohl in den Spalten, als auch in den<br />

Zeilen aufgetragen. Die Stärke der Wirkung eines Zeilenelements<br />

auf ein Spaltenelement wird auf einer Skala mit 0 (=<br />

kein Einfluss), 1 (= geringer Einfluss) oder 2 (= starker<br />

Einfluss) bewertet. Diese Bewertung bezieht sich jeweils<br />

nur auf die direkten Wirkungen, indirekte Wirkungen über<br />

<strong>and</strong>ere Einflussgrössen werden in einem eigenen Analyseschritt<br />

untersucht (vgl. Abschnitt 3.4) Da sich die Komponenten<br />

nicht selbst beeinflussen können, ist in die Diagonale,<br />

wo jedes Element aufsich selbst trifft, ein X eingetragen.<br />

Das Beurteilen der Wirkungen zwischen den Systemelementen<br />

unterliegt dem persönlichen Wissen und der subjektiven<br />

Wahrnehmung (Vester, 1991). Aus diesem Grund wur-<br />

Kasten 3.1: Liste der Einflussgrässen und deren Beschreibung, wie sie in der Szenarioanalyse verwendet wurden.<br />

UNS-Fallstudie '98 183


Wirtschaft<br />

............... u ..Wirtsciiäiiiiche<br />

.....u uf3~~l11el1~


____________________________________________ Wirtschaft<br />

20<br />

15<br />

5<br />

Ol--<br />

o<br />

• Wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

+ Politik<br />

+ Grenze<br />

+ Mentalität<br />

• H<strong>and</strong>el mit der<br />

Agglomeration<br />

5<br />

+ Know-How und Konkurrenzfähigkeit<br />

+ Kreditvergabe durch Banken + Art und Menge<br />

• Infrastruktur der produzierten Güter<br />

+ Konsumverhalten<br />

Haushalte<br />

10<br />

Passivität<br />

+ lokaler Arbeitsmarkt<br />

+Arbeitsmarkt Agglomeration<br />

.. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise<br />

+ Mobilitätsverhaflen<br />

• Umweltqualität<br />

+Struktur der Betriebe<br />

15<br />

• Lebensqualität<br />

----_----~<br />

20<br />

Abb. 3.5: Das Systemgrid visualisiert die<br />

Einflussmatrix. Für diese Darstellung erhält<br />

jede Einflussgrösse zwei Koordinaten.<br />

Die Passivität ergibt sich aus der<br />

Spaltensumme der Einflussmatrix und<br />

zeigt, wie weit eine Variable von <strong>and</strong>eren<br />

beeinflusst wird (im Systemgrid wird die<br />

Passivität auf der Abszisse eingetragen).<br />

Die Zeilensumme einer Einflussgrösse in<br />

der Matrix bestimmt deren Aktivität, also<br />

die Stärke mit der sie <strong>and</strong>ere Faktoren<br />

beeinflusst (die Aktivität wird aufder Ordinate<br />

eingetragen). Zusätzlich unterteilt<br />

man das Koordinatensystem durch das<br />

arithmetische Mittel der Passiv-, bzw. Aktivsummen<br />

Dies gilt auch für das Mobilitätsverhalten und die l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

Produktionsweise.<br />

Ambivalente Komponenten (Vester, 1990: «kritische Elemente»,<br />

Godet, 1986: «Linkage variables») sind vielfältig<br />

mit <strong>and</strong>eren Grössen vemetzt. Sie wirken stark auf <strong>and</strong>ere<br />

Grössen, werden aber auch stark beeinflusst. Sie können als<br />

Hebel dienen, um Bewegungen im System einzuleiten. Aber<br />

solche Eingriffe sind mit Vorsicht vorzunehmen, da sich<br />

sonst Entwicklungen unkontrolliert aufschaukeln können.<br />

Das Element Struktur der Betriebe ist weit im ambivalenten<br />

Bereich. Dies ist unter <strong>and</strong>erem damit zu erklären, dass es<br />

viele einzelne Grössen aggregiert und darum komplex in das<br />

System eingebunden ist. Ebenso liegt das Element Knowhow<br />

und Konkurrenzfähigkeit in diesem Bereich.<br />

Die puffernden Elemente (Vester, 1990, benutzt die gleiche<br />

Bezeichnung, Godet, 1986, nennt sie «Autonomous<br />

variables») sind nur schwach in das Geschehen im System<br />

eingebunden. Einwirkungen aufdiese Elemente wirken sich<br />

also nur schwach und mit Zeitverzögerungen aus. Vielmehr<br />

sind das die Elemente, die auch bei starken Veränderungen<br />

relativ stabil bleiben. Fürdas hier betrachtete System ist kein<br />

Element eindeutig als puffemd zu identifizieren.<br />

Die übrigen Elemente sind nicht klar einzelnen Bereichen<br />

zuzuordnen.<br />

Die Visualisierung der Einflussmatrix kann auch über<br />

einen gerichteten Graphen erfolgen. In Abbildung 3.6 ist<br />

dieser gerichtete Graph dargestellt. Er wurde mit dem Programm<br />

Krackplot erstellt.<br />

Lebensqualität"_<br />

Mobihta.tsverhallen<br />

)!<br />

~<br />

_Agglo _"",,;...'<br />

umweltqu4:J<br />

•<br />

Infrastruktur ./ ''"'<br />


Wirtschaft<br />

_<br />

3.4 Wirkungen aufUmwegen ­<br />

Analyse indirekter Beziehungen<br />

Neben den eben analysierten direkten Wirkungen zwischen<br />

den Systemelementen gibt es auch indirekte Wirkungen.<br />

Selbst wenn zwischen zwei Faktoren keine direkte Beziehung<br />

existiert, kann eine Variable indirekt über mehrere<br />

<strong>and</strong>ere Variablen auf eine <strong>and</strong>ere wirken (vgl. Abbildung<br />

3.7)<br />

Mit Hilfe des MICMAC-Verfahrens (Matrice d'Impacts<br />

Croises - Multiplication Appliquee aun Classement; Cross<br />

impact matrix-multiplication applied to classification), das<br />

von Duperrin und Godet zwischen 1972 und 1974 entwikkelt<br />

wurde (Godet 1986), können eben diese indirekten<br />

Abhängigkeiten untersucht werden. Das Ziel dieser Analyse<br />

·2<br />

·2<br />

3<br />

8<br />

Rangplätze der direkten Beziehung<br />

Abb. 3.7: Indirekte<br />

Abhängigkeit. Obwohl<br />

keine direkte<br />

Beziehung zwischen<br />

Xl und X4 besteht,<br />

kann Xl dennoch<br />

über X2 oder X2 und<br />

X3 auf X4 wirken.<br />

(nach Mißler-Behr,<br />

1993, S.66).<br />

+p<br />

13<br />

+b<br />

.h<br />

+c<br />

Abb. 3.8: Auswertung der M1CMAC-Analyse. In dem Koordinatenkreuz<br />

sind die Rangplätze der Systemelemente (a:<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise, b: Umweltqualität,<br />

c: Lebensqualität, d: Mentalität, e: Gemeindepolitik,f Politik,<br />

g: Infrastruktur, h: Mobilitätsverhalten, i: Grenze,): Art<br />

undMenge der produzierten Güter, k: Struktur der Betriebe,<br />

I: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, m: Kreditvergabe<br />

durch Banken, n: Lokaler Arbeitsmarkt, 0: Arbeitsmarkt der<br />

Agglomeration,p: H<strong>and</strong>el mitder Agglomeration, q: Knowhow<br />

& Konkurrenzfähigkeit der Betriebe, r: Konsumverhalten<br />

der Haushalte) bezüglich ihrer Aktivitätssumme bei den<br />

direkten Beziehungen gegen die Rangplätze bezüglich der<br />

Aktivitätssumme bei den indirekten Beziehungen aufgetragen.<br />

18<br />

ist es, die Variablen aufGrund der indirekten Beziehungen,<br />

die von ihnen ausgehen, zu ordnen. Die Rangfolgen der<br />

Elemente bezüglich direkter und indirekter Beziehungen<br />

können dann verglichen werden. Weisen Variablen hier<br />

grosse Abweichungen· auf, sind diese in der Interpretation<br />

von Szenarien besonders zu berücksichtigen (Mißler-Behr,<br />

1993).<br />

Die Basis für die MICMAC-Analyse bildet die Einflussrnatrix<br />

(vgl. Abbildung 3.4), welche angibt, ob zwischen<br />

zwei Elementen direkte Beziehungen bestehen. Diese Beziehungen<br />

haben die Weglänge 1. Um Beziehungen mit<br />

höheren Weglängen - also indirekte Beeinflussungen - zu<br />

ermitteln, muss die Einflussrnatrix mehrfach mit sich selbst<br />

multipliziert werden. Nach jeder Multiplikation wird die<br />

Spalten- und Zeilensumme ermittelt, sie beschreiben die<br />

Aktivität bzw. Passivität eines Elements bezüglich seiner<br />

indirekten Beziehungen bei der entsprechenden Weglänge.<br />

Aus diesen Summen wird eine Rangfolge der Elemente<br />

(bezüglich Passivität oder Aktivität) ermittelt (Godet 1986).<br />

Wenn sich diese Rangfolge auch nach mehreren weiteren<br />

Multiplikationen nicht ändert, wird die Rangfolge als fest<br />

angenommen. Als Abbruchkriterium schlägt Mißler-Behr<br />

(1993) vor, dass sich die Rangfolge in fünf aufein<strong>and</strong>erfolgenden<br />

Multiplikationen nicht mehr ändert. In einem Achsenkreuz<br />

werden nun diese stabile Rangfolge der indirekten<br />

Beziehungen gegen die Rangfolge der direkten Beziehungen<br />

aufgetragen. Variablen mit höheren Rangplätzen bei den<br />

indirekten Beziehungen liegen nun oberhalb der Winkelhalbierenden,<br />

solche mit höheren Rangplätzen bei direkten<br />

Beziehungen unterhalb.<br />

Abbildung 3.8 zeigt diese Darstellung für die Systemelemente<br />

bezüglich ihrer Aktivität. Es ist zu erkennen, dass<br />

nahezu alle Elemente nicht mehr auf der Winkelhalbierenden<br />

liegen. Allerdings ist auch kein Element weit von der<br />

Winkelhalbierenden entfernt. Lediglich Gemeindepolitik<br />

(e) und Politik (f) belegen bezüglich ihrer direkten und<br />

indirekten Aktivität die gleichen Ränge. Grosse Verschiebungen<br />

zeigen sich beim H<strong>and</strong>el mit der Agglomeration (p)<br />

und der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Produktionsweise (a). Diese<br />

sind beide unterhalb der Winkelhalbierenden zu finden, d.h.<br />

ihre indirekte Aktivität ist stärker als ihre direkte. Für die<br />

Infrastruktur (g), den lokalen Arbeitsmarkt (n) und das<br />

Konsumverhalten der Haushalte (r) dagegen gilt, dass sich<br />

ihre Aktivität stärker in direkten Wirkungen ausdrückt.<br />

Die erste Matrix mit stabiler Reihenfolge kann in einem<br />

Systemgrid visualisiert werden. Dies ermöglicht den Vergleich<br />

mit der Darstellung, die aus der Einflussrnatrix erstellt<br />

wurde (siehe Abbildung 3.9).<br />

So wird schnell deutlich, dass nahezu alle Elemente ähnliche<br />

Eigenschaften im Bezug auf das System (aktiv, ambivalent,<br />

puffernd, passiv) haben, egal ob die direkten oder<br />

indirekten Wirkungen betrachtet werden. Lediglich die Variable<br />

Arbeitsmarkt der Agglomeration hat sich weit in den<br />

puffernden Bereich verschoben. Für die <strong>and</strong>eren Elemente<br />

gilt, dass der Einbezug indirekter Wirkungen die Rolle der<br />

Elemente verdeutlicht.<br />

Fürdie nächsten Schritte der Szenarioanalyse scheint eine<br />

Reduktion der Variablen sinnvoll, da der Bearbeitungsaufw<strong>and</strong><br />

mit der Variablenanzahl stark ansteigt. Es bietet sich<br />

an, aufFaktoren zu verzichten, die das Systemverhalten nur<br />

186 UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

• Wirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

.. Struktur der Betriebe<br />

• Politik<br />

• Kreditvergabe<br />

.. Know-How & Konkurrenz­<br />

Fähigkeit der Betriebe<br />

.. Grenze<br />

.. Mentalität<br />

.. H<strong>and</strong>el mit der<br />

Agglomeration<br />

.. Gemeindepolitik<br />

.. Art und Menge der<br />

produzierten Güter<br />

.. Infrastruktur<br />

.. Arbeitsmarkt der<br />

Agglomeration<br />

.. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise<br />

.. Konsum- .. Lokaler Arbeitsmarkt<br />

verhalten<br />

Haushalte<br />

Passivität<br />

• Mobilitätsverhalten .. Lebensqualität<br />

.. Umweltqualität<br />

Abb. 3.9: Das Systemgridjür<br />

die indirekten Beziehungen<br />

visualisiert die Rolle der Variablen<br />

im System, wenn auch<br />

die indirekten Einflüsse berücksichtigt<br />

werden.<br />

wenig bestimmen, also aufpassive Variablen. Die Elemente<br />

Umweltqualität und Lebensqualität liegen in diesem Bereich,<br />

ebenso das Mobilitätsverhalten (nach der MICMAC­<br />

Analyse kann der Variable diese Rolle eindeutig zugeschrieben<br />

werden). Auch für die puffernden Variablen gilt, dass sie<br />

nur schwach ins System eingebunden sind. Der Arbeitsmarkt<br />

in den Agglomerationen konnte durch die MICMAC­<br />

Analyse als ein solches Element identifiziert werden. In der<br />

folgenden Szenariokonstruktion wird aufdiese vier Elemente<br />

verzichtet.<br />

3.5 Was bringt die Zukunft? ­<br />

Bestimmung möglicher<br />

Entwicklungen für die Einflussfaktoren<br />

In diesem Bearbeitungsschritt werden mögliche Zustände<br />

beschrieben, welche die Einflussgrössen einnehmen können.<br />

Diese Zustände werden auch Ausprägungen genannt.<br />

Im Vordergrund steht die Ausgestaltung der Einzelaspekte,<br />

die durch eine Komponente repräsentiert werden. Diese<br />

müssen für eine Ausprägung widerspruchsfrei bestimmt<br />

werden. Jeder Ausprägung wird ein Kurzname gegeben, der<br />

die Entwicklung klar bezeichnet. Ausgangspunkt ist der<br />

aktuelle Zust<strong>and</strong> (Ist-Zust<strong>and</strong>).<br />

H<strong>and</strong>el mit den Agglomerationen<br />

Die <strong>Region</strong> Klettgau ist eng mit den Güter- und Geldkreisläufen<br />

der Agglomerationen verflochten ist. Meist kommt<br />

die Nachfrage aus dem Klettgau, während die Angebote aus<br />

den Agglomerationen kommen. Auch Güter, die im Klettgau<br />

produziert werden, gelangen zunächst in die Agglomerationen,<br />

wo Grossverteiler den weiteren H<strong>and</strong>el - auch<br />

zurück in den Klettgau - übernehmen . Möglich ist eine<br />

zukünftige Dominanz eines <strong>Region</strong>almarkts, so dass ortsan-<br />

sässige Produzenten und Dienstleister in kleine Waren- und<br />

Geldkreisläufe eingebunden sind, ohne den Umweg über die<br />

Agglomerationen zu nehmen. Dies kann gerade durch entsprechendes<br />

Marketing unterstützt werden, Z.B. durch ein<br />

<strong>Region</strong>allabel. Die <strong>Region</strong> würde ihre Autarkie erhöhen.<br />

Dem entgegengesetzt kann sich der H<strong>and</strong>el auch verstärkt in<br />

die Agglomerationen verlagern. Sowohl das Absetzen von<br />

Produkten, als auch der Einkaufvon Gütern und Rohstoffen<br />

f<strong>and</strong>e fast ausschliesslich in Schaffhausen, Zürich und<br />

Waldshut statt. Darüber hinaus kann auch der globale Markt<br />

ins Zentrum des Interesses rücken. Produziert würden dann<br />

Waren, die weltweit abgesetzt werden müssen.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion<br />

In der L<strong>and</strong>wirtschaft wird momentan (v.a. im Weinbau)<br />

hauptsächlich nach den Richtlinien für Integrierte Produktion<br />

(IP) gewirtschaftet. Biol<strong>and</strong>bau ist kaum anzutreffen<br />

(vgL Kapitel 2.2) und auch der Anteil der konventionell<br />

bestellten Flächen ist gering. Die IP-Grundsätze werden<br />

nicht immer streng beachtet. Viele L<strong>and</strong>wirte haben Nebenerwerbsbetriebe.<br />

Damit man von einer Ökologisierung in<br />

diesem Bereich sprechen kann, müssen die IP-Grundsätze<br />

konsequent umgesetzt werden und der Biol<strong>and</strong>bau signifikant<br />

zunehmen. Ebenso wäre ein Anstieg der ökologischen<br />

Ausgleichsflächen von Nöten. Andererseits ist auch eine<br />

Intensivierung der Produktion möglich, so dass eine hohe<br />

(Flächen-) Produktivität angestrebt wird. Dies bedeutet<br />

auch den vermehrten Einsatz von Agrochemikalien.<br />

Know-how und die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe<br />

Das Know-how und die Konkurrenzjähigkeit der Betriebe<br />

wird derzeit hauptsächlich von einem «gesunden Gewerbe»<br />

getragen. Einige grössere Unternehmen hingegen verlagerten<br />

ihre Produktion in <strong>and</strong>ere Gebiete (z.B. die Ziegelei in<br />

Erzingen). Eine zukünftige Ausrichtung der <strong>Region</strong> auf<br />

Innovation bedarf der Entwicklung und Vermarktung neuer<br />

Produkte und Produktionsweisen. Hier spielen dann Ni-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

187


Wirtschaft<br />

schen- und Schnittstellenprodukte eine grosse Rolle. Die<br />

ansässigen Betriebe könnten sich dem zunehmenden Konkurrenzdruck<br />

auch durch Rationalisierungen anpassen. Im<br />

Vordergrund steht dann der Zuliefermarkt (speziell Richtung<br />

Schaffhausen). Ebenso ist es möglich, dass die Konkurrenzfähigkeit<br />

weiter abnimmt, weil die Neuansiedlung von<br />

Betrieben stagniert. Der Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort Klettgau würde<br />

weiter an Bedeutung verlieren.<br />

Struktur der Betriebe<br />

Gegenwärtig zeigt sich, dass im Bezug auf die Struktur<br />

der Betriebe der tertiäre Sektor schwach ausgebildet ist (vgl.<br />

Kapitel 2.4). Im primären Sektor nehmen die Beschäftigtenzahlen<br />

ab. Der Schwerpunkt im sekundären Sektor liegt<br />

beim Gewerbe, Industriebetriebe sind nur wenige vorh<strong>and</strong>en.<br />

Würde versucht den Dritten Sektor, die Dienstleistung,<br />

zu stärken, ist dies lediglich ein Aufholen der Entwicklung<br />

gegenüber <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en. Dagegen kann auch auf die<br />

Stärke, also das Gewerbe gesetzt werden. Gerade eine stärkere<br />

Kooperation der Betriebe auf verschiedene Art und<br />

Weise bietet hier noch ein gewaltiges Entwicklungspotential.<br />

In Kasten 3.2 sind Beispiele für überbetriebliche Kooperationsmodelle<br />

dargestellt. Der Klettgau bietet auch viele<br />

natürliche Ressourcen, die ökonomisch genutzt werden<br />

könnten. Zum einen kann die L<strong>and</strong>wirtschaft (qualitativ)<br />

ausgebaut werden, zum <strong>and</strong>eren ist eine Nutzung der L<strong>and</strong>schaft<br />

durch den Tourismus möglich (z.B. für Fahrrad- und<br />

Pferdetouren).<br />

Art und Menge der produzierten Güter<br />

Zur Zeit produziert die <strong>Region</strong> hauptsächlich l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

GÜter, Erzeugnisse des Kleingewerbes und Zulieferprodukte<br />

für die Industrie. Bei einer Diversifikation<br />

sollte v.a. die Produktqualität in den Vordergrund rücken,<br />

sowohl in der L<strong>and</strong>wirtschaft (die vermehrt auf regionale<br />

Spezialitäten setzen sollte) als auch in der gewerblichen und<br />

industriellen Produktion. Eine Konzentration dagegen bedeutet,<br />

dass im wesentlichen Massengüter produziert würden,<br />

die sich schnell und rationell herstellen lassen. Für die<br />

industriellen Fertigungsbetriebe hiesse dies auch, sich auf<br />

wenige Abnehmer zu konzentrieren.<br />

Kasten 3.2: Beispiele elfolgreicher überbetrieblicher Kooperationen<br />

188 UNS-Fallstudie '98


---------------------- Wirtschaft<br />

Kasten 3.2: Fortsetzung<br />

Die Grenze<br />

Die Deutsch-Schweizer-Grenze ist gegenwärtig ein wichtiges<br />

Element im Klettgau. Das Preis- und Lohnniveau in<br />

beiden Ländern ist unterschiedlich und die grenzüberschreitende<br />

Kooperation ist selten und schwierig. Bei einem Abbau<br />

der Grenze würde sich die Freizügigkeit für Personen,<br />

Güter und Dienstleistungen erhöhen. So fände auch eine<br />

Niveauangleichung statt. Einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />

stünden weniger Hindernisse im Weg. Ebenso<br />

ist auch eine Konsolidierung der Grenze denkbar. Durch<br />

Protektionismus festigten sich Preis- und Lohnunterschiede,<br />

eine grenzübergreifende Kooperation wäre stark erschwert<br />

oder sogar unmöglich.<br />

Politik.<br />

Die Politik aufnationaler Ebene in derSchweiz setzt zur Zeit<br />

auf eine starke Subventionierung der L<strong>and</strong>wirtschaft und<br />

Protektionismus für l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produkte. Zwar<br />

gibt es Abkommen mit der EU, ein EU-Beitritt der Schweiz<br />

ist nicht absehbar. Durch die schrittweise Öffnung entstünde<br />

mehr Wettbewerb in der L<strong>and</strong>wirtschaft, Direktzahlungen<br />

ersetzten die Subventionen. Ein offenes Verhältnis zur EU<br />

würde angestrebt. Im Falle einer aufAbschottung ausgerichteten<br />

Strategie nähme die Isolation der Schweiz zu. Gerade<br />

der Export in die EU würde sich dann schwieriger gestalten.<br />

Auch in der L<strong>and</strong>wirtschaft wäre kaum Wettbewerb vorh<strong>and</strong>en.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

189


Wirtschaft<br />

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zeigen momentan<br />

eine konjunkturelle Stagnation mit Anzeichen für einen<br />

Aufschwung. Die Zinsen sind tief. Das Preisniveau in<br />

Deutschl<strong>and</strong> ist generell tiefer als in der Schweiz. Exporte in<br />

die EU sind erschwert, da die Schweiz kein EU-Mitglied ist.<br />

Bei einem Aufschwung verbesserten sich die Exportbedingungen<br />

und neue Märkte wären erschliessbar. Die Zinsen<br />

und Bodenpreise verharrten auf tiefem Niveau. Die Einführung<br />

des Euro hätte positiven Einfluss auf die Konjunktur.<br />

Allerdings kann auch ein Abschwung auftreten, wenn sich<br />

Wirtschaftskrisen wie die in Asien auch stark auf Europa<br />

auswirken. Der Euro kann durch Instabilität auch eine negative<br />

Einwirkung auf die europäische Ökonomie entfalten<br />

(vgl. Kapitel 2.3). Entsprechend gering wäre dann auch der<br />

Anreiz, Investitionen zu tätigen.<br />

Mentalität<br />

Den Klettgauern wird Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und<br />

Humor nachgesagt. Allerdings ist ihre Mentalität dem Vernehmen<br />

nach auch durch eine konservative, traditionsbewusste<br />

Einstellung, spontane Ablehnung von Neuerungen<br />

und geringe Innovationsfreudigkeit gekennzeichnet. Durch<br />

den Einfluss von Zuzügern und durch Informationskampagnen<br />

kann sich dieses Wesen gegebenenfalls zunehmend<br />

öffnen. Die Weltoffenheit und Risikobereitschaft würde ansteigen.<br />

Aber die Mentalität kann sich auch stärker nach<br />

innen ausrichten. Hierdurch wären Traditionen und die eigene<br />

Identität besser zu bewahren, aber Veränderungen liessen<br />

sich dann nur noch aufzwingen. Neuzuzüger würden entsprechend<br />

schlechter eingebunden.<br />

Kreditvergabe<br />

Für die Zukunft ist es möglich, daß die Banken verstärkt<br />

kurzfristige Renditen erzielen wollen. Hiermit ist unter Umständen<br />

ein Schrumpfen des Filialnetzes verbunden und<br />

damit Einsparungen im Personalbereich, was auch einen<br />

Rückgang derpersönlichen Beratung nach sich ziehen kann.<br />

Durch eine Verlagerung und Erweiterung der Schwerpunkte<br />

bei den Kriterien für die Kreditvergabe könnte zukünftig<br />

aber auch eine «nachhaltige» Strategie (vgl. Kapitel 2.5)<br />

umgesetzt werden. Damit ist u.U. eine umfangreichere persönliche<br />

Beratung notwendig.<br />

Infrastruktur<br />

Für die Infrastruktur gibt es auch mehrere Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Zum einen ist es möglich, dass sie auf dem<br />

derzeitigen St<strong>and</strong> gehalten wird. Denkbar ist allerdings auch<br />

ein Ausbau, mit dem unter Umständen auch eine Dezentralisierung<br />

verbunden wäre. Genauso ist auch ein Rückbau mit<br />

einer verstärkten Zentralisierung - besonders bei Einrichtungen<br />

wie Z.B. Kindergärten - nicht auszuschliessen.<br />

Konsumverhalten der Haushalte<br />

Das Konsumverhalten ist derzeit am Preis einer Ware orientiert,<br />

es fliessen aber auch ökologische Kriterien in die<br />

Kaufentscheidung mit ein. Gleichermassen wird auch auf<br />

regionale Produkte zurückgegriffen. Künftig kann der Preis<br />

wieder stärker in den Vordergrund treten. Ökologische und<br />

regionale Kriterien flössen nur noch unwesentlich in die<br />

Kaufentscheidung mit ein (Ausprägung: Quantitativ). Aber<br />

genauso gibt es die Möglichkeit, dass solche Kriterien stärker<br />

das Konsumverhalten bestimmen und der Kunde intensiver<br />

auf diese Qualitäten achtet.<br />

Lokaler Arbeitsmarkt<br />

Zur Zeit gibt es nur ein beschränktes Angebot an lokalen<br />

Arbeitsplätzen. Ein Teil der Arbeitnehmer pendelt nach<br />

Zürich und Schaffhausen. Dieses lokale Angebot kann sich<br />

in Zukunft noch verkleinern, so dass der Pendleranteil stiege.<br />

Würde sich das lokale Angebot verbessern, ist zu erwarten,<br />

dass auch der Pendleranteil sinkt.<br />

Gemeindepolitik<br />

Die Gemeinden im Klettgau kooperieren derzeit nur wenig<br />

(vgl. Kapitel 2.3). Für die Zukunft besteht die Möglichkeit,<br />

dass kurzfristiges und auf Wahlerfolg ausgerichtetes Denken<br />

in den Vordergrund rückt. Damit verbunden wäre eine<br />

Fortsetzung der geringen Kooperation. Andererseits könnten<br />

die Gemeinden ihr Verhalten genau hier ändern und<br />

gemeinsame Ziele auch in bezug auf Nachhaltigkeit verfolgen.<br />

Entsprechend wären dann auch eine grössere Kompromiss-<br />

und Veränderungsbereitschaft notwendig.<br />

In Tabelle 3.1 sind die Einflussfaktoren mit ihren möglichen<br />

Ausprägungen in einer Übersicht zusammengestellt.<br />

Dies bildet die Basis für die folgende Konsistenzanalyse.<br />

3.6 Verträglichkeit und Spannung­<br />

Konsistenzanalyse<br />

In der Konsistenzanalyse sollen das gleichzeitige Auftreten<br />

von jeweils zwei Ausprägungen verschiedener Einflussgrössen<br />

bewertet werden. Die Bewertung erfolgt mit Hilfe von<br />

Konsistenzzahlen. Diese stellen eine «subjektive, ordinale<br />

Verträglichkeitsbewertung der Beziehung zweier [...] Variablenwerte»<br />

(Mißler-Behr, 1993; S.30) dar.<br />

Dazu wird eine Konsistenzmatrix erstellt. Die 14 Einflussgrössen<br />

mit ihren Ausprägungen sind horizontal und<br />

vertikal gegenein<strong>and</strong>er aufgetragen. Zur Bewertung der<br />

möglichen Beziehungen stehen die Werte -2, -1, 0, 1 und 2<br />

zur Verfügung, denen folgende Bedeutung zugeordnet wird:<br />

Wert -2: Die Ausprägungen sind inkonsistent und können<br />

nicht gemeinsam auftreten.<br />

Wert -I: Die Ausprägungen hemmen sich gegenseitig.<br />

Es ist allerdings nicht unmöglich, dass sie gemeinsam<br />

auftreten.<br />

- Wert 0: Die beiden Ausprägungen können unabhängig<br />

vonein<strong>and</strong>er eintreten. Es ist keine Beziehung zwischen<br />

beiden Zuständen vorh<strong>and</strong>en.<br />

- Wert I : Das Auftreten einer Ausprägung fördert auch das<br />

Auftreten der <strong>and</strong>eren.<br />

Wert 2: Die beiden Ausprägungen bedingen sich.<br />

Mit Hilfe dieser Skala kann sowohl die Verträglichkeit<br />

zweier Variablenwerte, als auch eine Ursachen-Wirkungs­<br />

Beziehung beurteilt werden. Obwohl diese Beziehungsarten<br />

qualitativ unterschiedlich scheinen, kann bedingtes Eintreten<br />

als Steigerung von Förderung und Inkonsistenz als Steigerung<br />

von Hemmung verst<strong>and</strong>en werden. In diesem Sinne<br />

190<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

Tab. 3.1: Zusammenstellung der möglichen Ausprägungen<br />

der Einflussfaktoren. Fürjeden Einflussfaktorwurden (theoretisch)<br />

mögliche zukünftige Zustände beschrieben und mit<br />

Kurznamen benannt, ausführlich sind die Ausprägungen in<br />

Abschnitt 3.5 beschrieben.<br />

Einflussfaktor<br />

H<strong>and</strong>el mit<br />

Agglomerationen<br />

I L<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

I Produktion<br />

Konkurrenzfähigkeit<br />

Struktur der Betriebe<br />

I<br />

i Art und Menge der<br />

i produzierten Güter<br />

I<br />

I<br />

Die Grenze<br />

Die Politik<br />

I Mögliche Ausprägung<br />

<strong>Region</strong>almarkt<br />

Agglomeration<br />

Global<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Ökologische Ausrichtung<br />

Intensivierung<br />

Innovation<br />

I<br />

I Anpassung<br />

Stagnation<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Dienstleistung<br />

Gewerbe<br />

Natürliche Ressourcen<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Diversifikation<br />

I<br />

Konzentration<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Abbau<br />

Konsolidierung<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

I<br />

! ..<br />

I Offnung<br />

Abschottung<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

I Wirtschaftliche<br />

Aufschwung<br />

I Rahmenbedingungen Abschwung<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Mentalität<br />

Kreditvergabe<br />

Infrastruktur<br />

Konsumverhalten<br />

Lokaler Arbeitsmarkt<br />

Gemeindepolitik<br />

Öffnung<br />

Ausrichtung nach innen<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

kurzfristige Rendite<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

I<br />

nach nachhaltigen Kriterien<br />

Dezentraler Ausbau<br />

Keine Veränderung<br />

Rückbau/Zentralisierung<br />

Quantitativ<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Qualitativ<br />

---<br />

kleines Angebot<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Vergrösserung des Angebots<br />

Kurzfristige Ausrichtung<br />

Ist-Zust<strong>and</strong><br />

Kooperation<br />

ist auch die oben beschriebene Skala zu betrachten, mit<br />

welcher die Bewertung durchgeführt wurde. Die Bewertungsstufen<br />

orientieren sich an den von Hassler und Schärli<br />

(1995/96) verwendeten vier Bewertungsstufen «inkonsistent»,<br />

«unabhängig», «fördernd», «bedingend». Die zusätzliche<br />

Bewertungsstufe «hemmend» wurde eingeführt,<br />

damit die Konsistenzbewertung symmetrisch um die Bewertung<br />

für neutrales Verhalten (Wert 0) gruppiert ist, wie<br />

es Mißler-Behr (1993) vorschlägt.<br />

Da eine Grosszahl von Beziehungen zu beurteilen war, ist<br />

die Matrix in kleinere Teile zerlegt worden, die jeweils von<br />

zwei Leuten unabhängig bewertet wurden. Bei einem anschliessenden<br />

Vergleich sind gleiche Bewertungen in die<br />

Gesamtmatrix übernommen worden. Wo Widersprüche vorlagen,<br />

wurde durch Diskussion ein Konsens hergestellt.<br />

3.7 fine fülle von Möglichkeiten ­<br />

Berechnung von Szenarien<br />

Mit Hilfe der oben beschriebenen Konsistenzmatrix werden<br />

alle möglichen (Zukunft-)Szenarien berechnet. Als Szenario<br />

wird in diesem Zusammenhang eine Kombination von<br />

Ausprägungen der Einflussfaktoren verst<strong>and</strong>en. Die Berechnung<br />

dieser Szenarien erfolgte mit Hilfe eines Computerprogramms,<br />

das systematisch alle möglichen Kombinationen<br />

der Ausprägungen herstellt und nach Konsistenzsumme<br />

bzw. Konsistenzprodukt ordnet. Die Konsistenzsumme<br />

wird durch Addition der angepassten Werte aus der<br />

Konsistenzmatrix gebildet, das Konsistenzprodukt durch<br />

Multiplikation. Beide Zahlen sind kennzeichnend für den<br />

inneren Widerspruch eines Szenarios. Solche mit hohen<br />

Konsistenzwerten sind demnach widerspruchsfreier als solche<br />

mit niedrigen. In diesem Sinne können hohe Werte als<br />

ein Merkmal für die Stabilität eines Szenarios gewertet<br />

werden, da wenig Widersprüche auch zu wenig Störungen<br />

innerhalb des Systems führen.<br />

Für die betrachtete Menge an Einflussfaktoren und Ausprägungen<br />

sind über 11 Mio. Kombinationen möglich. Da<br />

aber erfahrungsgemäss nur ein geringer Teil dieser Szenarien<br />

konsistent ist, wurden für den nächsten Schritt, die Szenarienauswahl<br />

nur die konsistentesten 200 bzw. 10'000 Szenarien<br />

benutzt. Die niedrigste Konsistenzsumme der ersten<br />

200 Szenarien beträgt 98, das niedrigste -produkt ist grösser<br />

als 10 26 • Innerhalb der ersten 10'000 Szenarien fällt die<br />

Konsistenzsumme lediglich auf 62, das -produkt auf 10 17<br />

ab. Mit diesem Wissen und der Tatsache, dass selbst 10'000<br />

Szenarien weniger als 1%0 aller möglichen Szenarien repräsentieren,<br />

kann davon ausgegangen werden, dass man sich<br />

hier in einem Bereich mit sehr hoher Konsistenz bewegt.<br />

Zumindest scheidet hier kein Szenario auf Grund starker<br />

innerer Widersprüche aus.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

191


Wirtschaft<br />

3.8 Den Kurs bestimmen ­<br />

Auswahl von Szenarien<br />

Aggregation zu Stossrichtungen<br />

Das Ziel dieses Bearbeitungsschrittes ist es, aus den berechneten<br />

Szenarien eine Auswahl zu treffen. Da die vollständige<br />

Liste mit über 11 Mio. Szenarien nicht zu bewältigen ist,<br />

wird folgendermassen vorgegangen: Zunächst wird mit den<br />

200 konsistentesten Szenarien gearbeitet. Hier kann, wie<br />

oben beschrieben, nicht nur die Konsistenz zur Ausscheidung<br />

herangezogen werden. Darum erfolgt eine Auswahl<br />

mit drei unterschiedlichen Ansätzen:<br />

- Bottom-up Vorgehen: Ausgehend von der Liste und dem<br />

Wissen über das System werden Muster in Szenarien<br />

gesucht und Gruppen gebildet. Durch Variation der<br />

Gruppen können dann Repräsentanten für die Gruppen<br />

gefunden werden.<br />

- Top-Down Vorgehen: Hierbei definiert man sinnvolle<br />

mögliche Zukunftsentwicklungen. Davon werden dann<br />

mit Hilfe des bisher gewonnen Systemwissens Kombinationen<br />

von Ausprägungen der Einflussfaktoren abgeleitet.<br />

Anschliessend sucht man in der Liste Szenarien, die<br />

diesen möglichst nahe kommen.<br />

- Clusteranalyse: Die Clusteranalyse ist ein statistisches<br />

Verfahren, das mit einem mathematischen Algorithmus<br />

Gruppen bildet, die sich an der Ähnlichkeit einzelner<br />

Szenarien orientiert.<br />

Die beiden ersten Verfahren wurden von jeweils zwei<br />

Arbeitsgruppen angewendet, um festzustellen, in wieweit<br />

die verschiedenen Vorgehensweisen zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen führen. Die Clusteranalyse wurde dagegen nur<br />

von einer Gruppe durchgeführt, da dies ein EDV-gestütztes<br />

Statistikverfahren ist und immer die gleichen Resultate<br />

bringt.<br />

In einem zweistufigen Vorgehen ist jede Methode zunächst<br />

auf eine Liste der konsistentesten 200 Szenarien<br />

angew<strong>and</strong>t worden. Danach erfolgte eine Bearbeitung der<br />

10'000 konsistentesten Szenarien, soweit dies mit den Verfahrensweisen<br />

möglich war.<br />

Das Bottom-up Vorgehen und die Clusteranalyse führten<br />

für den ersten Schritt zu den selben Ergebnissen. In den 200<br />

Szenarien konnten nur zwei grundsätzlich verschiedene<br />

Gruppen gefunden werden. Die eine basiert dabei auf den<br />

aktuellen Konditionen im Klettgau (d.h. alle Einflussfaktoren<br />

sind im Ist-Zust<strong>and</strong>), die <strong>and</strong>ere Gruppe kann kurz mit<br />

«ökologisch, kooperativ und regionalorientiert» beschrieben<br />

werden. In Tabelle 3.2 sind die Ausprägungen der<br />

Einflußfaktoren des Szenarios mit der höchsten Konsistenzsumme<br />

dieser Gruppe beschrieben.<br />

Tab. 3.2: Die Ausprägungen der Einflussfaktoren des Szenarios mit der höchsten Konsistenzsumme aus der Gruppe der<br />

«ökologischen, kooperativen und regionalorientierten» Szenarien, die sowohl durch die Clusteranalyse, als auch durch die<br />

Bottom-up Methode identifiziert werden konnte.<br />

I<br />

Einflussfaktor<br />

H<strong>and</strong>el mit Agglomerationen<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

Produktionsweise<br />

Konkurrenzfähigkeit<br />

Struktur der Betriebe<br />

Art und Menge der Güter<br />

Die Grenze<br />

Politik<br />

Wirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

Mentalität<br />

Kreditvergabe<br />

Infrastruktur<br />

Lokaler Arbeitsmarkt<br />

Gemeindepolitik<br />

Ausprägung<br />

Im Klettgau entsteht ein lebhafter <strong>Region</strong>almarkt<br />

Die Produktion in der L<strong>and</strong>wirtschaft richtet sich ökologisch aus<br />

Die Betriebe der <strong>Region</strong> entwickeln, produzieren und vermarkten innovative<br />

Produkte.<br />

Die natürlichen Ressourcen der <strong>Region</strong> sind eine wichtige Basis der regionalen<br />

Wertschöpfung.<br />

Im Klettgau werden verschiedenste qualitativ hochstehende Produkte hergestellt.<br />

I Der trennende Charakter der Grenze wird mehr und mehr abgebaut.<br />

Überregionale Entscheidungen erfolgen nach der Strategie für mehr Wettbewerb. Die<br />

Schweiz öffnet sich zunehmend gegenüber der EU.<br />

Die Globalisierung sorgt für einen allgemeinen Aufschwung, die Finanzmärkte sind<br />

stabil und wenig anfällig für Krisen.<br />

Die Klettgauer sind offen für neue Ideen und gehen auch Risiken bei deren<br />

Umsetzung ein.<br />

Die Kriterien bei der Kreditvergabe werden um regionalbezogene und ökologische<br />

erweitert.<br />

Die Infrastruktur wird dezentralisiert und ausgebaut.<br />

Das Stellenangebot auf dem lokalen Arbeitsmarkt weitet sich aus; ein Grossteil der<br />

Klettgauer Bevölkerung arbeitet auch in der <strong>Region</strong>.<br />

Gemeinden kooperieren unterein<strong>and</strong>er und verfolgen gemeinsame Ziele.<br />

I<br />

192<br />

UNS-Fallstudie '98


_________________________________________ Wirtschaft<br />

Für eine Anzahl von 10'000 Szenarien war die Bottom-up<br />

Methode nicht mehr geeignet, die Clusteranalyse kam aber<br />

auch hier nicht zu einem grundsätzlich <strong>and</strong>eren Ergebnis. Es<br />

lässt sich also feststellen: Die bisherige Analyse ist intern<br />

valide, weil die Methodik der Szenarioanalyse die im Moment<br />

herrschenden Zustände im Klettgau als möglich und<br />

mit wenigen Widersprüchen realisierbar identifiziert. So<br />

kann man davon ausgehen, dass mit dem konstruierten<br />

System ein gutes Wirkungsgefüge für den Klettgau gefunden<br />

wurde. Aber dies bedeutet noch nicht, dass die Methodik<br />

auch die relevanten Faktoren erfasst hat. Hierzu müsste<br />

man die externe Validität untersuchen, was innerhalb dieses<br />

Projektes nicht geleistet werden kann.<br />

Die Top-Down-Vorgehensweise konnte ein differenzierteres<br />

Bild möglicher Zukunftszustände erarbeiten. Hier<br />

wurden von zwei Gruppen unabhängig mögliche Entwicklungsrichtungen<br />

bestimmt, die sich aus dem Wissen über<br />

und dem Verständnis für das System ergeben. Diesen Zukunftsvorstellungen<br />

werden dann jeweils bestimmte Ausprägungen<br />

der Einflussfaktoren zugeordnet. Da sich durch<br />

eine Entwicklungsrichtung nicht alle Ausprägungen eindeutig<br />

ableiten lassen, werden zunächst Bereiche (also eine<br />

Anzahl von Einflussfaktoren) festgelegt, die eine bestimmte<br />

Ausprägung haben müssen. Für <strong>and</strong>ere Bereiche gilt diese<br />

strenge Vorgabe nicht. Bei ihnen sind mehrere Ausprägungen<br />

erlaubt. Es sind mehrere Entwicklungsrichtungen bestimmt<br />

worden, die die folgende Kurzbezeichnung erhielten:<br />

- Stillst<strong>and</strong> und Bedeutungslosigkeit<br />

- Schleichende Veränderung<br />

- Wohn- und Lebensraum<br />

- Schwerpunkt L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

- Harmonisierung und Zusammenarbeit<br />

- Kooperation auf allen Ebenen<br />

- Dienstleistungsgesellschaft<br />

- Quantitatives Wachstum<br />

- Den Fortschritt erzwingen<br />

Für diese Zukunftsoptionen konnten sowohl in der 200er<br />

als auch in der lO'OOOer Liste Vertreter gefunden werden,<br />

die sie repräsentieren.<br />

Oftmals ist der Unterschied zwischen einzelnen Szenarien<br />

nur in ein bis zwei Einflussfaktoren zu finden. Darum sollen<br />

die einzelnen Optionen für die weitere Auswahl zu<br />

Stossrichtungen aggregiert werden. Dies geschah durch eine<br />

moderierte Diskussion in der gesamten Arbeitsgruppe. Einbezogen<br />

wurden auch die beiden Szenarien des Bottom-up<br />

Vorgehens bzw. der Clusteranalyse.<br />

Es kristallisierten sich dabei vier unabhängige Stossrichtungen<br />

heraus: Mediative Innovation, Zukunftstechnologie,<br />

Ökologisierung, und Kleine Änderungen. Zum Teil gibt es<br />

noch verschiedene Schwerpunkte, die eine Stossrichtung in<br />

Bezug auf einzelne Bereiche konkretisieren (vgl. Kasten<br />

3.3).<br />

3.9 Zukunftsfähig oder kurzsichtig? ­<br />

Die Nachhaltigkeitsbewertung<br />

Die Szenarioanalyse konnte mögliche zukünftige Entwicklungsrichtungen<br />

der <strong>Region</strong> Klettgau aufzeigen. Trotz der<br />

inhaltlichen Beschreibung und der sinnbehafteten Namengebung<br />

hat bisher noch keine Bewertung dieser Szenarien<br />

stattgefunden. Die Fallstudie 1998 möchte die «Chancen der<br />

Ökologisierung<br />

Zukunftstechnologien<br />

Zünftige Entwicklung<br />

der <strong>Region</strong> Klettgau<br />

Kleine<br />

Änderungen<br />

Mediative<br />

Innovation<br />

Entwicklungsschwerpunkte:<br />

- Harmonie<br />

- Wohn- und Lebensraum<br />

-Isolation<br />

Kasten 3.3: Die erarbeiteten Szenarien unterscheiden sich teilweise nur sehr gering, so dass sie zu Stossrichtungenfür eine<br />

zukünftige Entwicklung in der <strong>Region</strong> aggregiert werden können.<br />

(Fortsetzung nächste Seite)<br />

UNS-Fallstudie '98 193


Wirtschaft<br />

Kasten 3.3: Fortsetzung<br />

194 UNS-Fallstudie '98


____________________________________________ Wirtschaft<br />

<strong>Region</strong> Klettgau» bestimmen, die sich durch eine nachhaltige<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung ergeben. Mit Hilfe einer Bewertung<br />

bezüglich der Nachhaltigkeit eines Szenarios soll nun<br />

das Konzept «Nachhaltigkeit» in die Arbeit mit einfliessen.<br />

Im Folgenden wird beschrieben, auf welcher Basis die Bewertung<br />

aufgebaut ist und wie sie methodisch durchgeführt<br />

wurde.<br />

Die Bedeutung des Begriffes Nachhaltigkeit ist trotz seiner<br />

zunehmenden Verwendung in unserem heutigen Sprachgebrauch<br />

nach wie vor nicht allgemeingültig geklärt. Einerseits<br />

wird Nachhaltigkeit ständig neu definiert und - je nach<br />

fachlichem Hintergrund der Benutzer des Wortes - <strong>and</strong>ers<br />

verst<strong>and</strong>en. Andererseits haftet ihr immer eine Assoziation<br />

zu Umweltschutz bzw. Ressourceneffizienz und Rücksicht<br />

gegenüber zukünftigen Generationen an. Tatsächlich<br />

herrscht weiterhin Unklarheit über das «Plastikwort Nachhaltigkeit»,<br />

das unendlich formbar und zugleich stereotyp<br />

erscheint (Ninck, 1997). Daher ist es von zwingender Notwendigkeit,<br />

den Gebrauch des Begriffes Nachhaltigkeit, der<br />

im übrigen hier als Synonym für nachhaltige Entwicklung<br />

verwendet wird, genau zu definieren. Festzuhalten bleibt:<br />

Die Bedeutung von nachhaltigerEntwicklung muss von Fall<br />

zu Fall neu festgelegt werden. In Kasten 3.4 ist die Definition<br />

dargestellt, die als Arbeitsgrundlage für die Entwicklung<br />

einer Nachhaltigkeitsbewertung diente.<br />

Dementsprechend steht und fallt diese Bewertungsmethode<br />

mit der dafür verwendeten Defmition der Nachhaltigkeit.<br />

Dies ist relevant für den Fall, dass eine <strong>and</strong>ere Definition<br />

gewählt werden sollte. Ein allgemeiner Ansatz, nachhaltige<br />

Kasten 3.4: Definition einer Klettgau-spezifischen Nachhaltigkeit,<br />

wie sie festgelegt und für die Entwicklung einer<br />

Nachhaltigkeitsbewertung verwendet wurde. Sie lehnt sich<br />

an die Fragestellung der Synthesearbeit an (vgl. Kapitel<br />

2.6).<br />

Entwicklung zu beschreiben, ist in Abbildung 3.11 dargestellt.<br />

Die Dreiteilung des Konzeptes Nachhaltigkeit wurde in<br />

die Bewertungsmethode aufgenommen. Sie ermöglicht eine<br />

sachliche Trennung verschiedener Bereiche, indem diese<br />

einzeln bewertet werden. Schliesslich findet eine Aggregation<br />

der Einzelbewertungen statt, so dass diese wieder zusammengeführt<br />

werden. Die Bewertung gestaltete sich -<br />

notwendige Eigenschaften:<br />

- Wirtschaftswachstum<br />

- Gewinnmaximierung<br />

- exp<strong>and</strong>ierende Märkte<br />

- Externalisierung von Kosten<br />

Ökonomische<br />

Entwicklung<br />

Nachhaltige<br />

Entwicklung<br />

Gesellschaftliche<br />

Entwicklung<br />

notwendige Eigenschaften:<br />

- Verstärkung des Selbstwertgefühls<br />

der Gemeinden<br />

- Bedürfnisbefriedigung<br />

- Partizipation und Selbstverantwortung<br />

- Verwendung angebrachter<br />

Technologien<br />

- Gleichheit<br />

Ökologische<br />

Entwicklung<br />

notwendige Eigenschaften:<br />

- Tragfähigkeit der Systeme<br />

berücksichtigen<br />

- Ressourcen schonen<br />

- Abfall verringern<br />

- Rohstoffe wiederverwerten<br />

Abb. 3.11: Eine Darstellung nachhaltiger Entwicklung.<br />

Veränderungen in einem der drei Bereiche<br />

Wirtschaft, Umwelt oder Gesellschaft haben<br />

Auswirkungen aufdiejeweils <strong>and</strong>eren Bereiche.<br />

Um <strong>Region</strong>alentwicklung nachhaltig zu gestalten,<br />

müssen diese Einflüsse verst<strong>and</strong>en werden<br />

(siehe auch Bächtold, 1998; Interdepartementaler<br />

Ausschuss Rio, 1996).<br />

3Definition Lebensqualität (Rupprecht, 1993): «Lebensqualität ist ein globales Konstrukt. Es beinhaltet zum einen die objektive Lebenssituation einer<br />

Person, die durch physische, soziale und ökonomische Bedingungen gekennzeichnet ist. Zum <strong>and</strong>eren wird das Ergebnis der subjektiven Evaluation dieser<br />

objektiven Gegebenheiten mit einbezogen. In das Konstrukt Lebensqualität gehen daneben kognitive wie affektive Komponenten ein.» (vg1. Siedlung).<br />

UNS-Fallstudie '98 195


Wirtschaft<br />

auch nach der Aufteilung in die Bereiche Ökologie, Soziales<br />

und Ökonomie - als sehr schwierig, denn sie verlangt nach<br />

dem vertieften Verständnis von Systemzusammenhängen,<br />

welches im Rahmen der Fallstudie von den Studierenden<br />

nur in Ansätzen erlangt wurde.<br />

Ausgehend von den in Kasten 3.1 beschriebenen Einflussfaktoren<br />

wurde nachhaltige Entwicklung des jeweiligen<br />

Einflussfaktors im ökonomischen, sozialen und ökologischen<br />

Sinn definiert. Mit Hilfe dieser Definitionen sollten<br />

die Ausprägungen der Einflussfaktoren bewertet werden.<br />

Diese Definitionen sind in Kasten 3.5 zusammengestellt.<br />

Diese Ausprägungen sind als Ausprägungen Nachhaltige<br />

Entwicklung im ökologischen, ökonomischen bzw. sozialen<br />

Sinn zu verstehen. Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung<br />

ist als strukturelle Eigenschaft, in diesem Falle der<br />

<strong>Region</strong> Klettgau aufzufassen. Durch die Auftrennung in<br />

ökologische, soziale sowie ökonomische Ebenen wird zudem<br />

eine Bewertung der nachhaltigen Nutzung der Potentia-<br />

Kasten 3.5: Beschreibung der nachhaltigen Ausprägungen aller Einflussfaktoren.<br />

(Fartsetzung nächste Seite)<br />

196<br />

UNS-Fallstudie '98


-- Wirtschaft<br />

Kasten 3.5: Fortsetzung<br />

4Öko-Effizienz bedeutet hier, sich auf einen Weg langfristig tragbaren Wachstums zu begeben und Fortschritte zu machen, indem Arbeitsmethoden<br />

verbessert, problematische Materialien substituiert, saubere Technologien und Produkte eingeführt und Ressourcen effizienter verwendet / wiederverwertet<br />

werden (Schmidheiny, 1992).<br />

UNS-Fallstudie '98 197


Wirtschaft<br />

Kasten 3.5: Fortsetzung<br />

198 UNS-Fallstudie '98


______________________________________________ Wirtschaft<br />

Kasten 3.5: Fortsetzung<br />

5R1P: <strong>Region</strong>ales Inl<strong>and</strong>sprodukt als Mass für das regionenspezifische Wirtschaftswachstum.<br />

6Generell: Die Bereitschaft zu schrittweiserVeränderung persönlicher und gesellschaftlicherDenkweisen, Werthaltungen, Konsummuster und Bedürfnisse,<br />

an denen der Lebensst<strong>and</strong>ard gemessen wird. Sowohl der einzelne als auch wichtige gesellschaftliche Gruppen müssen Verantwortung für Natur und<br />

Gesellschaft im Weltmassstab entwickeln und in ihr Alltagsh<strong>and</strong>eln einfliessen lassen. Notwendige Eigenschaften dafür sind Innovationsfreudigkeit,<br />

Offenheit und Risikobereitschaft.<br />

UNS-Fallstudie '98 199


Wirtschaft<br />

Kasten 3.5: Fortsetzung<br />

7Die Definition von Infrastruktur in einer nachhaltigen Struktur stellte sich aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffes und seiner Weitläufigkeit als eine<br />

unlösbare Aufgabe heraus. Daher wurde die Einflussgrösse Infrastruktur bei der Nachhaltigkeitsbewertung stets als ohne Einfluss eingestuft. Tatsächlich<br />

ist der Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Nachhaltigkeit unklar.<br />

200 UNS-Fallstudie '98


-- Wirtschaft<br />

Kasten 3.5: Fortsetzung<br />

le der <strong>Region</strong> ermöglicht. Nachhaltigkeit ist kein statischer,<br />

starrer Zust<strong>and</strong>, sondern erlaubt Dynamik und W<strong>and</strong>el. So<br />

sind diese Ausprägungen als Wegweiser für eine Veränderung<br />

hin zu Verhältnissen zu verstehen, die eine nachhaltige<br />

Entwicklung ermöglichen und nicht als Zielmarke für einen<br />

nachhaltigen Zust<strong>and</strong>. Um die Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsmarke<br />

oder gar an Indikatoren zu erfüllen, müssen<br />

diese Ausprägungen wesentlich fundierter sein.<br />

Anh<strong>and</strong> dieser Wegweiser wurden nun die bei der Szenarioanalyse<br />

verwendeten Ausprägungen der Einflussgrössen<br />

beurteilt. Um bei der Beurteilung eine gewisse Objektivität<br />

zu garantieren erfolgte diese individuell durch fünf verschiedene<br />

Personen und wurde folgendermassen vorgenommen:<br />

Für jede Ausprägung einer Einflussgrösse wurde bewertet,<br />

ob sie sich positiv (1), negativ (-1) oder in keiner Weise<br />

(0) in Richtung der Ausprägung Nachhaltige Entwicklung<br />

verändere. Es wurde also beurteilt, ob die Ausprägung eine<br />

nachhaltige Entwicklung überhaupt zuliesse s .<br />

Auf die individuelle Bewertung folgte eine Gruppenauswertung;<br />

strittige Urteile wurden diskutiert. Falls keine Einigung<br />

erzielt werden konnte, wurde die Mehrheitsentscheidung<br />

gewählt. Um die Nachhaltigkeitszahl der Ausprägung<br />

zu erhalten, bildet man die Zeilensumme aus ökologischer,<br />

ökonomischer und sozialer Bewertung. Tabelle 3.3 stellt<br />

dieses Vorgehen für die Einflussfaktoren dar.<br />

Für jede Einflussgrösse wurde, ohne die verschiedenen<br />

Ausprägungen bereits zu kennen, eine nachhaltige Entwick­<br />

1ung im ökologischen, ökonomischen und im gesellschaftlichen<br />

Sinn definiert (wie oben beschrieben), die sogenannt<br />

nachhaltigen Ausprägungen. Sie wurden, ausgehend von<br />

theoretischem Wissen über nachhaltige Entwicklung, sowie<br />

der (oben aufgeführten) Klettgau-spezifischen Definition<br />

nachhaltiger Entwicklung, in einem Top-down Verfahren<br />

abgeleitet. Sie dienten als Messlatte für die Bewertung der<br />

Ausprägungen der Einflussfaktoren, die in einzelnen Szenarien<br />

auftauchten. Die nachhaltigen Ausprägungen unterscheiden<br />

sich in der Art, in der sie generiert wurden von den<br />

Ausprägungen der Einflussgrössen, mit welchen die Szenarien<br />

berechnet wurden. Für die Szenarioberechnung bestimmen<br />

sich die verschiedenen Ausprägungen für die Einflussfaktoren<br />

aus dem Wissen über Möglichkeiten der Veränderung<br />

im System Klettgau (Bottom-up Vorgehen). Dabei sind<br />

aber sicherlich auch Ausprägungen bestimmt worden, die<br />

eine Tendenz zur nachhaltigen Entwicklung aufweisen.<br />

Die in der Szenarioanalyse verwendeten Ausprägungen<br />

und die nachhaltigen Ausprägungen stammen aus zwei<br />

unabhängigen Arbeitsgruppen und sind durch unterschiedliche<br />

Methoden generiert worden. Für die Szenarioanalyse<br />

erarbeitete eine Arbeitsgruppe mehrere Ausprägungen für<br />

alle Einflussfaktoren, die nach ihrem Wissen über die Veränderungsmöglichkeiten<br />

im Klettgau möglich sind. Mit Hilfe<br />

von abstrakten und spezifischen Definitionen für Nachhaltigkeit<br />

generierte eine <strong>and</strong>ere Arbeitsgruppe jeweils sogenannte<br />

nachhaltige Ausprägungen, die dann zur Bewertung<br />

von Szenarien herangezogen wurden. Es ist demnach<br />

legitim, die Szenarien durch die sogenannten nachhaltigen<br />

Ausprägungen zu beurteilen.<br />

Für die mit verschiedenen Methoden ausgewählten Szenarien<br />

wurden die Nachhaltigkeitszahlen berechnet. Dabei<br />

kristallisierte sich ein Szenario heraus, das sowohl hinsichtlich<br />

Konsistenz (also der inneren Widersprüchlichkeit), als<br />

auch Nachhaltigkeit den <strong>and</strong>eren weit überlegen war. Dieses<br />

Szenario wurde kurz mit «äkologisierung» umschrieben.<br />

SDie Einflussgrösse Infrastruktur stellte sich als zu komplex dar; nachhaltige Entwicklung wurde für diesen Faktor nicht beschrieben. Es wurde bei der<br />

Berechnung angenommen, dass jede Ausprägung dieser Einflussgrösse ohne Auswirkungen auf eine nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung bleibt.<br />

UNS-Fallstudie '98 201


Wirtschaft<br />

_<br />

Tab. 3.3: Beispiel der Bewertung von Nachhaltigkeit im ökologischen, sozialen und ökonomischen Sinn.<br />

...<br />

eo<br />

.c<br />

.c


__________________________________________ Wirtschaft<br />

zeigten. Dies führte dazu, diese Methode wieder zu verwerfen.<br />

Wichtig ist jedoch, dass es bei den einzelnen Ausprägungen<br />

nicht zum Ausgleich zwischen sehr unnachhaltigen und<br />

sehrnachhaltigen Ausprägungen kommt. So ist nicht nur die<br />

Höhe der Nachhaltigkeitszahl allein entscheidend, ob ein<br />

Szenario besser abschneidet als ein <strong>and</strong>eres. Das in Abbildung<br />

3.12 dargestellte Szenario verdeutlicht dies anschaulich.<br />

Bis auf die Einflussgrösse Infrastruktur mit Achsenabschnitt<br />

0 haben alle <strong>and</strong>eren Einflussgrössen Achsenabschnitte<br />

im positiven Bereich. Es werden also keine negativen<br />

Bewertungen durch positive Bewertungen ausgeglichen.<br />

Der Kurvenzug, der aus der Verbindung der Einzelnen<br />

Bewertungspunkte entsteht, erscheint relativ rund und ausgeglichen.<br />

Es gibt keine starken Zacken, die darauf hinweisen,<br />

dass Mängel durch hohe Bewertungen <strong>and</strong>erer Bereiche<br />

ausgeglichen werden.<br />

Leitstern die Lukujntf<br />

Nachhaltiger Klettgau<br />

Die Resultate aus der Szenarioanalyse und der Nachhaltigkeitsbewertung<br />

sollen zunächst kurz zusammengefasst werden.<br />

Der methodische Ansatz, die regionalökonomische<br />

Entwicklung der <strong>Region</strong> Klettgau mit ökologischen, politischen<br />

und sozialen Aspekten zu einem «System Klettgau»<br />

zu vernetzen, hat sich als sinnvoll erwiesen. So war es<br />

möglich, eine Vision «Nachhaltiger Klettgau» zu erarbeiten,<br />

welche über die rein ökonomische Sichtweise hinausgeht<br />

und auch Anforderungen an die (regionale und überregionale)<br />

Politik und das Verhalten der Klettgauerinnen und Klettgauer<br />

beschreiben kann. Diese Vision wird in dem Szenario<br />

«äkologisierung» beschrieben (vgl. Tabelle 3.2 und Kasten<br />

3.3). Er besitzt eine hohe Konsistenz und weist darum kaum<br />

innere Widersprüche auf. Die Nachhaltigkeitsbewertung für<br />

dieses Szenario ist nahezu in allen Bereichen relativ hoch.<br />

Wichtige Einflussfaktoren und ihre Systembeeinflus·<br />

sung<br />

Die Analyse der Struktur des Systems Klettgau (vgl. Abschnitt<br />

3.2 bis 3.4) zeigt, dass mit überregionalen politischen<br />

Entscheidungen gezielt auf die <strong>Region</strong> eingewirkt werden<br />

kann. Ebenso setzen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

entscheidende Impulse für die weitere Entwicklung<br />

(vgl. die Elemente Politik und wirtschaftliche Rahmenbedingungen,<br />

die in Abschnitt 3.3 als aktive Elemente identifiziert<br />

wurden). Beide Einflussmechanismen liegen allerdings<br />

ausserhalb des Einflussbereiches der regionalen Entscheidungsträger.<br />

Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt,<br />

dass die Art und Weise der Wertschöpfung im Klettgau<br />

wichtige Einflussgrössen sind. Die Elemente Struktur der<br />

Betriebe und Know-how und Konkurrenzfähigkeit haben<br />

hohe Aktivitätswerte bei der Betrachtung der direkten Wirkungen.<br />

Für das Element Art und Menge der produzierten<br />

Güter ist dies nicht eindeutig bestimmbar, allerdings ist es<br />

tendenziell auch dem ambivalenten Bereich zuzurechnen.<br />

Dies zeigt, dass der ökonomische Bereich, derjadurch diese<br />

Elemente repräsentiert wird, als «Hebel» dienen kann, um<br />

Bewegung im System einzuleiten. Allerdings unterliegen<br />

diese Elemente auch vielen Beeinflussungen (hohe Passivsumme).<br />

Entsprechend sind Eingriffe mit Vorsicht vorzunehmen,<br />

da sich sonst Entwicklungen unkontrolliert aufschaukeln<br />

können.<br />

In der Zielsetzung wurden das Arbeitsangebot, die Umwelt-<br />

und die Wohnqualität als Potentiale bestimmt, die<br />

bewahrt oder vergrössert werden sollen (vgl. Abschnitt 2.6).<br />

Diejenigen Elemente, in denen sich diese Potentiale<br />

ausdrücken, haben sich in der Analyse des Wirkungsgefüges<br />

als solche herausgestellt, die v.a. beeinflusst werden. Zumindest<br />

gilt das klar für die Umweltqualität und die Wohnqualität<br />

(als Teil der Lebensqualität). Der lokale Arbeitsmarkt<br />

kann zwar nicht eindeutig als passives Element identifiziert<br />

werden, tendiert aber in diese Richtung (v.a. bei<br />

Einbezug der indirekten Abhängigkeiten). Diese Elemente<br />

sind als Indikator für den aktuellen Systemzust<strong>and</strong> zu verstehen.<br />

Sie direkt mit Eingriffen zu verändern gleicht einer<br />

Symptombeh<strong>and</strong>lung, da für die Gesamtkonstellation des<br />

Systems kaum Verbesserungen zu erwarten sind (Vester<br />

1991).<br />

Möglichkeiten eines weiteren Vorgehens<br />

Aus der erarbeiteten Vision «Nachhaltiger Klettgau» ist es<br />

nun möglich, Ziele für einzelne Bereiche wie die zukünftige<br />

Zusammenarbeit der Gemeinden oder die künftige Produktionsweise<br />

im Reb- und Weinbau abzuleiten. In einem nächsten<br />

Schritt müssen diese Zielvorstellungen von den Akteuren,<br />

den regionalen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern,<br />

sowie von der Bevölkerung angenommen<br />

werden. Das kann dann zu H<strong>and</strong>lungen führen, die<br />

versuchen diese Ziele zu erreichen, und es besteht die Chance,<br />

sich der Vision ein Stück zu nähern und einen kreativen<br />

Gestaltungsprozess in Gang zu bringen. Die Vision ist aber<br />

allenfalls als ein Richtungsgeber zu verstehen; sie kann<br />

keine Aussage darüber machen, auf welche Art eine Umsetzung<br />

stattfinden sollte. Sie liefert eine Aussage über das<br />

Ziel, aber keine über den Weg, dieses Ziel zu erreichen.<br />

Zumindest ist so möglich verschiedene H<strong>and</strong>lungsansätze<br />

zu bündeln und auf das Gesamtziel «nachhaltige <strong>Region</strong><br />

Klettgau» auszurichten. So erhöht sich die Effizienz des<br />

Gestaltungsprozesses wesentlich. Relevant scheint ausserdern,<br />

dass die Vision in allen Bereichen von den derzeitigen<br />

Zuständen in der <strong>Region</strong> abweicht. Entsprechend sind überall<br />

Änderungen notwendig. Dies bedeutet aber auch, dass<br />

ein Gestaltungsprozess an jeder Stelle möglich ist, und<br />

überall dazu beigetragen werden kann. Für diesen Gestaltungsprozess<br />

ist es nun wichtig, Ansatzpunkte zu finden, die<br />

auf den Stärken der <strong>Region</strong> beruhen. Der Klettgau soll eine<br />

erfüllbare Rolle in der Beziehung zu den Agglomerationen<br />

finden, die ergänzend und komplementär ist, nicht konkurrierend.<br />

Hier liegt die Chance, eine zukunftsfähige Position<br />

einzunehmen, aus der die <strong>Region</strong> agieren kann und nicht nur<br />

reagieren muss.<br />

Methodenkritik<br />

Die Szenarioanalyse als eine qualitative Prognosemethode<br />

scheint ein geeignetes Mittel zu sein, verschiedene alternative<br />

Zukunftsvisionen zu zeichnen. Durch Wissensintegration<br />

werden neue Sichtweisen auf untersuchte Probleme ermöglicht,<br />

die bei konventionellen Analyse- und Prognose-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

203


Wirtschaft<br />

_<br />

verfahren unerschlossen bleiben. Dies ist sicher nützlich,<br />

wenn Ansatzpunkte für die Problemlösung in konkreten<br />

Fällen gefunden werden sollen. Szenarioanalyse aber als<br />

Methode zur Problemlösung selbst zu begreifen wäre falsch.<br />

Vielmehr stellt eine solche Analyse lediglich den ersten<br />

Schritt in einem Problemlöseverfahren dar. Es darf daher<br />

nicht erwartet werden, nach der Durchführung einer Szenarioanalyse<br />

die vollständige Antwort auf eine Frage zu erhalten;<br />

möglicherweise werden sogar noch weitere Fragen<br />

aufgeworfen, deren Beantwortung mittels <strong>and</strong>erer Methoden<br />

zu Lösungen führen können. Die Generierung differenzierter<br />

Perspektiven für komplexe Probleme ist folglich ein<br />

realistischeres Ergebnis, das man sich von einer Szenarioanalyse<br />

versprechen darf.<br />

Die Methode der Szenarioanalyse verlangt zudem ein<br />

hohes Mass an Information und Systemverständnis. Während<br />

der Teilprojektphase wurde von einer Teilprojektgruppe<br />

ein Wirkungsgefüge der Klettgauer Wirtschaft vorbereitet,<br />

basierend auf Experteninterviews und den Ergebnissen<br />

der <strong>and</strong>eren Teilprojekte. Zudem erhielten alle Studierenden<br />

im Rahmen eines sogenannten Erfahrungstages Gelegenheit,<br />

das «System Klettgau» aus nächster Nähe persönlich<br />

kennen zu lernen. Das System wurde also sehr genau untersucht,<br />

die einzelnen Elemente konnten in diesem Wirkungsgefüge<br />

bezüglich ihrer Rolle sehr gut eingeordnet werden.<br />

Doch nach der Auswahl der Einflussgrössen und der Szenariokonstruktion<br />

geht dieses Wissen weitgehend verloren.<br />

Das Verständnis der Einflussgrössen dient also bei der Szenarioanalyse<br />

lediglich der Entscheidungsfindung, ob eine<br />

Grösse berücksichtigt werden soll oder nicht; das erarbeitete<br />

Wissen um Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen<br />

einzelner Einflussgrössen zuein<strong>and</strong>er spielt nach diesen<br />

Auswahlprozessen keine Rolle mehr, es findet schlussendlich<br />

also keine weitere Verwendung. Denn beim Ausfüllen<br />

der Einflussmatrix wird sehr gründlich und tiefgreifend über<br />

die Beziehungen zweier Einflussgrössen zuein<strong>and</strong>er nachgedacht,<br />

schliesslich werden aber diese Wechselbeziehungen<br />

numerisch festgehalten; qualitative Informationen, die<br />

oftmals relevant wären, gehen verloren. Man kann hier<br />

folglich von einem Verlust durch Vergröberung beim Übergang<br />

von der semantischen Ebene aufdie numerische Ebene<br />

sprechen. Dies ist mit Sicherheit ein Nachteil der Szenarioanalyse,<br />

denn gerade das Verständnis dieser systemischen<br />

Interaktionen kann zur Lösungsfindung beitragen. Zudem<br />

wird eine Problemperzeption auf <strong>and</strong>erem Niveau vermittelt.<br />

Zweifelsfrei verhilft die Szenarioanalyse zu einem besseren<br />

Systemverständnis, und um dieser Qualität willen<br />

wurde sie auch eingesetzt.<br />

Die Methode bestimmt die Resultate<br />

Natürlich sind aber die Resultate der Methodenapplikation<br />

auch abhängig vom zur Verfügung stehenden Wissen; so<br />

kann davon ausgegangen werden, dass eine profunde Systembetrachtung<br />

zu <strong>and</strong>eren Erkenntnissen führen kann,<br />

wenn verstärkt Gewicht auf Systemverständnis und<br />

Fachwissen gelegt wird. Das Wissen der am Projekt beteiligten<br />

Studierenden soll nicht abgewertet werden. Es bleibt<br />

jedoch festzuhalten, dass die Fallstudie eine Lehrveranstaltung<br />

ist und die Studierenden mit Sicherheit <strong>and</strong>ere Ansprü-<br />

che an das zur Bearbeitung des Falles angeeignete Wissen<br />

stellen als ein Akteur der <strong>Region</strong>. Es kann und darf kein<br />

hochelaboriertes Bewertungsverfahren erwartet werden.<br />

Eine Forderung der Szenarioanalyse, nämlich eine suffiziente<br />

Menge von Faktoren zu definieren, welche die Vernetzung<br />

der Bereiche Ökonomie, Politik, Gesellschaft und<br />

Umwelt ausreichend reflektieren, birgt die Gefahr in sich,<br />

relevante Interaktionen zu übersehen. Aufder <strong>and</strong>eren Seite<br />

ist es möglich, dass wenig bedeutsame Perzeptionen (als<br />

erste Stufe der Erkenntnis) völlig überbewertet werden;<br />

diese Fehlbarkeit ist natürlich grundsätzlich nicht ausschliessbar.<br />

Eine weitere Schwierigkeit bereitete die Einschätzung der<br />

Einflüsse komplexer oder stark aggregierter Einflussgrössen,<br />

wie beispielsweise Infrastruktur und wirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen. So ist auch die Einflussrnatrix (Vgl.<br />

Abb. 3.4), die den Einfluss der Faktoren zuein<strong>and</strong>er beschreibt,<br />

stark abhängig von subjektiver Beurteilung und<br />

persönlichem Wissen (vgl. Vester, 1991). Für eine höhere<br />

Validität empfiehlt Vester (1991) zudem das Ausfüllen der<br />

Einflussmatrizen durch mehrere verschiedene Zweiergruppen;<br />

hierfür geeignet wären Unternehmerinnen und Unternehmer<br />

aus der <strong>Region</strong>, regionale Entscheidungsträgerinnen<br />

und Entscheidungsträger, Wirtschaftsexpertinnnen und<br />

-experten der Hochschulen und Studierende verschiedener<br />

Fachrichtungen.<br />

Weiterhin können sich beim Ausfüllen von Matrizen Probleme<br />

einschleichen, wie beispielsweise Doppelbewertungen<br />

bei direkten und indirekten Wirkungen eines Elementes<br />

aufein <strong>and</strong>eres. Denkbar ist auch die Umkehreines Effektes,<br />

wenn statt dem Einwirken von einem Element A auf ein<br />

<strong>and</strong>eres Element B der reziproke Einfluss notiert wird (Vester,<br />

1991). Fehleinschätzungen in diesem Schritt der Szenarioanalyse<br />

können darin resultieren, dass in fortgeschrittenen<br />

Stadien der Analyse Elemente entfernt werden, weil sie<br />

das System scheinbar nur gering beeinflussen. Ein generelles<br />

Problem beim Ausfüllen aller Matrizen, bei der Durchführung<br />

von Bewertungen und der Auswahl von Szenarien<br />

stellten die schlecht verst<strong>and</strong>enen Phänomene der Gruppenarbeit<br />

dar. Oftmals wurde aus Effizienzgründen der Mehrheitsentscheid<br />

einer langwierigen, aber dennoch wichtigen<br />

Gruppendiskussion um Fakten und Einschätzungen vorgezogen.<br />

Es ist schwierig abzusehen, in welchem Masse sich<br />

hier Fehler eingeschlichen haben. Eine Studie beschreibt<br />

diese Phänomene und liefert Erklärungen (Crott, Grotzer,<br />

Hansmann, Mieg und Scholz, 1999). Festzuhalten bleibt,<br />

dass das Wissen meist aufviele Personen verteilt ist, so dass<br />

eine intensive Kommunikation nötig und (auch konfliktträchtige)<br />

Gruppenarbeit unumgänglich ist.<br />

Die Berechnung der Szenarien im Anschluss an die Konsistenzanalyse<br />

lieferte mehr als 11 Millionen Szenarien.<br />

Daraus wurden zunächst die 200 konsistentesten ausgewählt,<br />

um mit Hilfe dreier verschiedener Vorgehensweisen<br />

- Top-down, Bottom-up und Clusteranalyse (Vergl. Kap.<br />

3.8) - geeignete Szenarien auszuwählen. Obwohl die anfangliche<br />

Beschränkung auf lediglich 200, später 10'000<br />

verschiedene Szenarien hauptsächlich aufgrund mangelnder<br />

technischer Möglichkeiten so festgelegt wurde, scheint<br />

dies ein legitimes Vorgehen, betrachtet man die Spannweite<br />

204<br />

UNS-Fallstudie '98


__________________________________________ Wirtschaft<br />

der effektiv ausgewählten Szenarien (vgl. Kapitel 3.7). Ausserdem<br />

wurden beim Top-down Verfahren von vornherein<br />

alle gewünschten Szenarien in diesen Listen gefunden.<br />

Die während der Synthesephase erarbeitete Nachhaltigkeitsbewertung<br />

hat sich als sehr effizient erwiesen. Dasie an<br />

das Format der Szenarienausgabe angepasst war, liess sich<br />

die Bewertung schnell durchführen und brachte Ergebnisse,<br />

die für die weitere Bearbeitung sehr von Nutzen waren.<br />

Anhang 3. 1: leitfaden für die fxpertengespräche zur frarbeitung der finflussfaktoren<br />

und deren gegenseitige Beeinflussung<br />

i<br />

I<br />

I<br />

3.10.1.1 Vorstellung und Einführung<br />

o Vorstellen der eigenen Person<br />

I 0 Vorstellen fallstudie. Wer macht sie? Wie viele Leute? Titel?<br />

o Synthesegruppe Wirtschaft: Was wollen wir herausfinden?<br />

Wir betrachten die Wirtschaft im Klettgau aufgeteilt in einzelne Faktoren. Wir wollen herausfinden, welche<br />

Einflussgrössen wichtig sind und wie diese einzelnen Crössen zusammen spielen.<br />

o frage: Was denken Sie, welches sind die für die Wirtschaft des Klettgaus wichtigen Grössen im oder<br />

ausserhalb des Klettgaus?<br />

I [Präsentation unseres Systems]<br />

I<br />

i<br />

20' 3.10.1.2 Einflussfaktoren<br />

o frage: Können Sie die von Ihnen genannten Faktoren hier wiederfinden bzw. einordnen?<br />

o 2. frage: Wo würden Sie ihre Faktoren einordnen?<br />

o 3. frage: Sind die <strong>and</strong>eren Faktoren verständlich? Erklären mit der Definitionsliste<br />

o 4. frage: Wie würden Sie die Einflussfaktoren gewichten?<br />

o 5. frage: Was bestimmt Ihrer Meinung nach jeweils das Gewicht des Faktors?<br />

o 6. frage: Welche halten Sie für überflüssig? Und warum?<br />

o 7. frage: Haben Sie konkrete Erfahrungen dazu gemacht?<br />

o 8. frage: Aus welchen Gründen würden Sie den Faktor weglassen?<br />

i o 9. frage: Wo sollte der Detailierungsgrad erhöht / erniedrigt werden? Warum?<br />

o 10. frage: Sehen Sie Faktoren, die wichtig und hier nicht enthalten sind?<br />

o 11. [Bitte einzeichnen! Es sind leerkästchen vorh<strong>and</strong>en]<br />

I<br />

o 12. frage: Warum ist er wichtig? Haben Sie ein Beispiel dazu?<br />

o 13. frage: Wie würden Sie diesen Faktor in einem Satz definieren?<br />

o 14. frage: Zu welchen <strong>and</strong>eren Faktoren hat er Verbindungen?<br />

20' 3.10.1.3 Wirkungsgefüge: Verbindungen und Beziehungen<br />

o 15. Frage: Wo sehen Sie wichtige Verbindungen? Warum?<br />

o 16. [Einzeichnen]<br />

o 17. frage: Wodurch sind diese Verbindungen bestimmt?<br />

o 18. Frage: In welche Richtung wirkt die Verbindung?<br />

o 19. frage: Kennen Sie Beispiele dazu?<br />

o 20. Frage: Welche Verbindungen erachten Sie als nicht so wichtig?<br />

o 21. [farbig hervorheben]<br />

o 22. frage: Warum sind diese Verbindungen den wichtigen Verbindungen untergeordnet? (evtl. genauer<br />

nachfragen!)<br />

o 23. Frage: Kennen Sie Beispiele dazu?<br />

o 24. frage: Welche Verbindungen halten Sie für überflüssig?<br />

o 25. [Ausstreichen]<br />

o 26. Frage: Aus welchem Grund?<br />

o 27. frage: Können Sie uns ein Beispiel dazu nennen, das Sie selbst erlebt haben?<br />

8' 3.10.1.4 Gesamtschau<br />

o 28. Frage: Denken Sie nun, dass diese Faktoren und Verbindungen den Klettgau mit seiner Wirtschaft<br />

gut beschreiben können?<br />

o 29. Frage: Wo liegen Ihrer Meinung nach noch Probleme?<br />

5' 3.10.1.5 Verabschieden<br />

I<br />

Vielen Dank für das Gespräch, (Sie haben uns sehr weitergeholfen.)<br />

30. frage: Konnten Sie ihr Wissen in diesem Gespräch anbringen? Warum?<br />

I<br />

I~<br />

1<br />

0 31. Frage: Können wir sie nochmals (telefonisch) kontaktieren, falls wir noch wichtige Fragen haben? I<br />

I<br />

UNS-Fallstudie '98 205


Wirtschaft<br />

4 Einsichten undAussichten -<br />

Kritik Schlussfolgerungen<br />

4.1 Ein Gefährlicher Hochseilakt ­<br />

Kritik am Vorgehen<br />

Die Fallstudie ist für alle Studierenden eine grosse Herausforderung<br />

kurz vor Abschluss der Ausbildung und dem<br />

Eintritt ins Berufsleben. Ein Ziel der Fallstudie ist das<br />

Kennenlernen von Projektarbeit mit all ihren verschiedenen<br />

farbig schillernden Facetten. Nicht immer bereiten sämtliche<br />

Aufgaben allen Beteiligten gleich viel Freude, und nicht<br />

immer kann zur Zufriedenheit aller jede Aufgabe erfüllt<br />

werden. Die wichtigsten Pfeiler, aufdenen die Projektarbeit<br />

ruhen sollte, sind die Kommunikation, das Zeitmanagement,<br />

sowie die ständige Selbstreflexion. Besonders letztere,<br />

als tragende Säule, litt unter der Terminplanung. Möglicherweise<br />

war aber schon von Anfang an die Zielsetzung zu<br />

gewagt. Häufig wurde innerhalb der Synthesegruppe mit<br />

aufwendigen und schwierigen Methoden agiert ohne über<br />

deren Anspruch hinsichtlich Wissen und Zeit nachzudenken.<br />

Unweigerliche Folge war das immer wiederkehrende<br />

Gefühl der Überforderung und des drängenden Termindrucks.<br />

Zur zweifelsfreien Selektion der relevantesten Szenarien<br />

wurde eine möglichst hohe Validität durch Anwendung drei<br />

vonein<strong>and</strong>er verschiedener Vorgehensweisen gewählt: Topdown,<br />

Bottom-up und Clusteranalyse. Die Resultate der<br />

verschiedenen Verfahren zeigten keine sonderlich grossen<br />

Abweichungen vonein<strong>and</strong>er. Es wäre wünschenswert gewesen,<br />

mehr Zeit für die Kontrolle der durchgeführten Methoden<br />

aufzuwenden und dem Evaluierungssystem - die Nachhaltigkeitsbewertung<br />

als ausschlaggebenden letzten Schritt<br />

bei der Auswahl - mehr Beachtung zu schenken. Dennoch<br />

zeichnet sich dieses Vorgehen aus durch ein grosses Mass an<br />

Kreativität.<br />

Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt 3.10 erwähnt,<br />

wurde zwar die Auswahl der Einflussgrössen mit Hilfe von<br />

Expertenbefragungen und den Untersuchungsergebnissen<br />

der Teilprojektarbeit durchgeführt. Eine Validierung und<br />

Bewertung der von den Studierenden ausgefüllten Einflussmatrix<br />

durch externe Ratgeber und Experten der <strong>Region</strong><br />

konnte aus Zeitgründen leider nicht durchgeführt werden.<br />

Hierzu ist jedoch zu bemerken, dass die Einflussmatrix zu<br />

einem Zeitpunkt ausgefüllt wurde, als die Studierenden<br />

bereits ihre Erfahrungstage, Treffen mit Kontaktgruppen<br />

sowie zahlreiche Interviews mit regionalen Wirtschaftsexperten<br />

durchgeführt hatten und diese reichhaltigen Erfahrungen<br />

als Wissensfundus in ihre Entscheidungen mit einfliessen<br />

lassen konnten, die beim Ausfüllen der Einflussrnatrix<br />

diskutiert wurden. Dass die Matrix von Studierenden,<br />

nicht von regionalen Akteuren ausgefüllt wurde, ist aber<br />

wichtig für das Verständnis der Resultate. Ausserdem widerspiegelt<br />

die fertige Einflussmatrix (Abb. 3.4) aussschliesslich<br />

Zusammenhänge im regionalökonomischen<br />

Modell des Klettgaus und kann so nicht auf die ökonomischen<br />

Verhältnisse einer <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong> übertragen werden.<br />

Die im Kapitel 3.9 dargestellte Nachhaltigkeitsbewertung,<br />

die letztendlich zur Auswahl der Zukunftsvision diente,<br />

ist eine relativ einfache Methode, die speziell für dieses<br />

Projekt entworfen wurde. Mit Sicherheit sind nicht alle<br />

Einflussgrössen zur vollsten Zufriedenheit hinsichtlich<br />

nachhaltiger <strong>Region</strong>alentwicklung umrissen worden. Besonders<br />

bei den stark aggregierten Einflussgrössen - wie<br />

oben schon erwähnt - war die Definition nachhaltiger Ausprägungen<br />

ein schwieriges Unterfangen. Hier wäre es wichtig,<br />

entweder die Einflussgrössen klarer zu beschreiben oder<br />

in mehrere Elemente aufzulösen, deren Einfachheit das<br />

Festhalten einer Nachhaltigkeitsausprägung ermöglichen<br />

würde. Generell ist die Nachhaltigkeitsbewertung als legitim<br />

zu erachten, da die Bestimmung der Einflussgrössen<br />

unabhängig von Überlegungen zur Nachhaltigkeit erfolgte<br />

und ein methodisch falscher Ansatz ausgeschlossen werden<br />

kann.<br />

4.2 Neue Antworten, neue fragen ­<br />

Bezug zur fragestellung<br />

«Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />

Prägung im Einzugsgebiet grosser Agglomerationen»,<br />

so lautete der Titel dieses Kapitels. Bei seiner Bearbeitung<br />

wurde jedoch deutlich, dass sich die wirtschaftlichen<br />

Perspektiven keinesfalls allein auf die Wirtschaft beschränken.<br />

Es sind vielmehr auch soziale und umweltrelevante<br />

Aspekte, die für das Wohlergehen der Wirtschaft von<br />

unerlässlicher Wichtigkeit sind. Man erkennt also, dass<br />

letztendlich nur ein Zusammenspiel verschiedener Bereiche<br />

die wirtschaftliche Entwicklung der <strong>Region</strong> Klettgau voran<br />

bringen kann. Dies mag trivial klingen, die Gefahr, dies aus<br />

dem Blick zu verlieren, scheint aber gross.<br />

<strong>Region</strong>alentwicklung, so wird durch diese Arbeit deutlich,<br />

erfordert einen Planungsprozess, in dem aktiv die Zukunft<br />

der <strong>Region</strong> in einem gewissen Rahmen festgelegt wird<br />

unter Beteiligung sämtlicher Interessensgruppen. Die Vision<br />

einer nachhaltigen Entwicklung kann nur verwirklicht<br />

werden, wenn sie von allen Akteuren getragen und vorangetrieben<br />

wird. Es ist das Motto «Gemeinsam stark», welches<br />

hier zum Zug kommt.<br />

Der Klettgau als «eine <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung»<br />

muss diese Eigenschaft als Stärke begreifen. Tatsache<br />

ist, dass das agrikulturell geprägte L<strong>and</strong>schaftsbild ein Potential<br />

der <strong>Region</strong> darstellt, und es gilt dieses Bild zu erhalten<br />

bzw. gewinnbringend zu verändern. Hierzu sollten die<br />

Ergebnisse der Synthesegruppe Naturraum und L<strong>and</strong>schaft<br />

berücksichtigt werden. Durch die Stärkung dieses Potentials<br />

erfährt die <strong>Region</strong> Steigerungen im Bereich der Lebensqualität,<br />

der Umweltqualität, dem Tourismus und der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Weitere sind denkbar.<br />

Eine zentrale Bedeutung nimmt die Funktion der Wirtschaftsregion<br />

Klettgau «im Einzugsgebiet grosser Agglomerationen»<br />

ein. Der Klettgau ist Teil eines Netzwerks<br />

verschiedenartiger Wirtschaftsgebiete, und das Ziel muss<br />

hier sein, einerseits die Eigenständigkeit zu stärken, <strong>and</strong>ererseits<br />

aber die Komplementarität zu <strong>and</strong>eren Wirtschaftszentren<br />

auszubauen und vorteilhaft zu nutzen. Dies bedeutet,<br />

dass in grösserem Masse, als es in dieser Arbeit verwirk-<br />

206<br />

UNS-Fallstudie '98


____________________________________________ Wirtschaft<br />

licht werden konnte, nach Komplementaritäten gesucht<br />

werden muss, diese analysiert und anschliessend in einer<br />

definierten Richtung ausgebaut werden sollen. Das Ziel ist<br />

die Stärkung der <strong>Region</strong>alwirtschaft, indem sich die <strong>Region</strong><br />

als ein Baustein des globalen Wirtschaftsgefüges begreift,<br />

der einzigartig ist in dieser Form und daher bestimmte<br />

Bedürfnisse befriedigt. Denn eine zu grosse Eigenständigkeit,<br />

losgelöst vom Netz globaler Wirtschaftszentren, ist<br />

nicht erstrebenswert und völlig unrealistisch. Die Stärkung<br />

der Komplementarität bietet die grössten Entwicklungsmöglichkeiten<br />

in eine Richtung, die von den Akteuren der<br />

<strong>Region</strong> gemeinsam festgelegt werden muss. Es ist klar, dass<br />

die Kräfte gebündelt und Ideen gelenkt werden müssen.<br />

Einigkeit über das angestrebte Ziel ist dafür unerlässlich.<br />

Besonders wichtig für den Primärsektor sind die derzeit<br />

beobachteten Marktverschiebungen in Richtung Bioprodukte.<br />

Biologisch hergestellte Lebensmittel sind ein Marktargument,<br />

dessen Entwicklungspotential hoch eingeschätzt<br />

wird. Um hier erfolgreich agieren zu können, ist es wichtig,<br />

das Wissen, besonders im Reb- und Weinbau, aufden neuesten<br />

St<strong>and</strong> zu bringen. Die regionale Winzergenossenschaft<br />

muss hier eine tragende Funktion übernehmen. Kommunikation<br />

und Austausch von Informationen sind unerlässlich,<br />

ebenso der rege Austausch mit Forschungsanstalten. Durch<br />

geeignete Marketingstrategien sollen Kunden - es bleibt zu<br />

klären, welche Zielgruppen man anpeilen möchte - gezielt<br />

angesprochen werden. Wichtig sind also die Eigeninitiative<br />

der Winzer und die Unterstützung durch politische Entscheidungsträger.<br />

Im Sekundärsektor ist eine Koordination der Wirtschaftsförderung<br />

anzustreben. Das heisst, dass gemeinde- und<br />

grenzübergreifend I geplant wird. Die <strong>Region</strong> sollte gemeinsam<br />

als homogenes Gebilde gegenüber der internationalen<br />

Wirtschaft auftreten. Selbstverständlich gilt es auf diesem<br />

Weg Schranken aus dem Weg zu räumen, die nicht nur<br />

physischer Natur sind. Doch wenn dies gelingt, könnte der<br />

Klettgau eine Vorreiterrolle in Sachen internationaler regionaler<br />

Identität übernehmen durchaus eine attraktive Perspektive,<br />

welche die Mühe lohnt. Denn es ist offensichtlich,<br />

dass die Menschen Europas den nationalen Grenzen immer<br />

weniger Bedeutung beimessen und dass folglich regionale<br />

Identität an Wichtigkeit gewinnen wird. Der Klettgau hat<br />

nun die Chance hier Pionierarbeit zu leisten.<br />

Das Wachstum des tertiären Sektors im Klettgau scheint<br />

günstig, wenn durch gezielte Förderung ein gewisser Einsatz<br />

geleistet wird. Zudem ist im Bereich der Kreditvergabe<br />

ein erster - und bedeutsamer - Schritt schon getan: Die<br />

Arbeitsgruppe «Nachhaltige Kreditvergabe», bestehend aus<br />

Abb. 4.i: Ein erster Schritt in Richtung<br />

nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung im<br />

Klettgau könnte die integration aller Interessensgruppen<br />

in ausgewählten Bereichen<br />

der Planung sein. Grenzüberschreitende<br />

Kooperation könnte ausgebaut<br />

werden, und die regionalen Vorteile sollten<br />

gestärkt werden. Ein adäquates und<br />

innovatives <strong>Region</strong>almarketing mit Beteiligung<br />

der Einwohner weckt das Interesse<br />

Aussenstehender.<br />

'Die Schweiz hat am 1. September 1998 ein Protokoll zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ratifiziert. Gemäss diesem Protokoll, welches von<br />

Deutschl<strong>and</strong> zwar noch nicht ratifiziert, aber angenommen worden ist, soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vereinfacht werden. Verträge zur<br />

grenzüberschreitenden Kooperation dürfen in einer Gebietskörperschaft abgeschlossen werden, ohne die nationalen Regierungen einschalten zu müssen.<br />

Verträge zwischen dem Kanton Schaffhausen und dem L<strong>and</strong>kreis Waldshut können fortan mit grösserer Eigenständigkeit abgeschlossen werden.<br />

UNS-Fallstudie '98 207


Wirtschaft ~<br />

_<br />

Abb. 4.2: Biologische L<strong>and</strong>wirtschaft kommt nicht nur bei der Natur an. Viele Konsumentinnen und Konsumenten achten<br />

beim Kauf von Obst, Gemüse und <strong>and</strong>eren l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Erzeugnissen auch auf deren Herkunft. Biologische und<br />

regionale Produktion sind in zunehmendem Mass ein Marktargument.<br />

Abb. 4.3: Studierende und Bankenvertreter am Runden<br />

Tisch. Der Arbeitskreis «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />

wurde durch die Fallstudie initiiert und soll die Diskussion<br />

um Nachhaltigkeit in Klettgauer Banken anregen.<br />

Abb. 4.4: Einer für alle, alle für einen:<br />

Der Klettgau. Gegen internationale<br />

Grossunternehmen zu bestehen,<br />

gelingt möglicherweise besser<br />

im Verb<strong>and</strong>, zum Beispiel in virtuellen<br />

Fabriken oder einem H<strong>and</strong>werkerring.<br />

Aktives Lobbying der Klettgauer<br />

Interessenvertreter in Bern<br />

und Brüssel sind notwendig.<br />

208<br />

UNS-Fallstudie '98


----- Wirtschaft<br />

Abb. 4.5: Um der Arbeitsplatzerosion im Dienstleistungssektor zu begegnen, sind vielerlei Massnahmen nötig. Der Klettgau<br />

als Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort muss attraktiver gestaltet werden. Potentielle Arbeitnehmer finden eine schöne Umgebung im<br />

Klettgau mit hoher Wohnqualität, doch fehlt ein befriedigendes kulturelles Angebot. Möglicherweise lassen sich aber neue<br />

Arbeitsformen wie «Wohnen im GrÜnen - Arbeiten online» im Klettgau realisieren. ArbeitnehmermÜssten nicht mehr täglich<br />

in die grossen Agglomerationen pendeln.<br />

Vertretern der <strong>Region</strong>albanken im Klettgau, hat bereits getagt<br />

und soll auch weiterbestehen (vgl. Kap.3.3). Die Unterstützung<br />

durch alle regionalen Akteure wäre wünschenswert,<br />

um das Fortbestehen dieses Arbeitskreises zu gewährleisten<br />

und deren Ergebnisse Realität werden zu lassen.<br />

Schliesslich sollen hier nicht zuletzt allgemein-gesellschaftliche<br />

Ziele umgesetzt werden; diese gilt es, wie oben erwähnt,<br />

festzulegen.<br />

UNS-Fallstudie '98 209


Wirtschaft<br />

210 UNS-Fallstudie '98


____________________________________________ Wirtschaft<br />

Literatur<br />

Bächtold, H.-G. (1998). Nachhaltigkeit. SchweizerIngenieur und<br />

Architekt: Schweizerische Bauzeitung, 116 (13), 194-197.<br />

Bächtold, K. (1994). Osterfingen. Geschichte eines Weinbaudorfes.<br />

Osterfingen: Gemeindeverwaltung Osterfingen.<br />

Bächtold, K. & Wanner, H. (1983). Wirtschaftsgeschichte des<br />

Kantons Schaffhausen. Schaffhausen: Schaffhauser Kantonalbank.<br />

Bättig, M., Holy, R., Jung, T., König, F., Lippuner, L. & Roth, C.<br />

(1997). Dossier UNS-Fallstudien 97/98: Klettgau (2. Auflage).<br />

Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Professur<br />

für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Bickel, W. (1973). Die Volkswirtschaft der Schweiz: Entwicklung<br />

und Struktur. Aarau: Sauerländer.<br />

Bossei, H. & Meadows, D. (1993). Die neuen Grenzen des Wachstums.<br />

Das Simulationsprogramm World 3. [Computer Software<br />

und H<strong>and</strong>buch]. Stuttgart: Deutsche Verlags-Gesellschaft.<br />

Bühler, W. (1988). Bonitätsbeurteilung jenseits von Bilanzanalyse<br />

und Insolvenzprognosen. In W. Bühler & L. Schuster (Hrsg.),<br />

Kreditinformations- und Kreditüberwachungssteme (S. 9-32).<br />

Wien: Service, Fachverlag der Wirtschaftsuniversität.<br />

Cooke, R. M. (1991). Experts in uncertainty. New York: Oxford<br />

University Press.<br />

Crott, H. w., Grotzer, T., Hansmann, R., Mieg, H. A. & Scholz, R.<br />

W. (1999). Prozessanalyse von Gruppenentscheidungen zu Aspekten<br />

ökologischer Stadtplanung. Zeitschrift für Sozialpsychologie,<br />

30,77-91.<br />

Dahlin, P. (1975). Case study as an approach to analysing educationa1<br />

change. Oslo: OECD.<br />

Dyllik, T., BeIz, F., Hugenschmidt, H., Koller, F., Laubscher, R.,<br />

Pau1us, J., Sahiberg, M. & Schneidewind, U. (1994). Ökologischer<br />

W<strong>and</strong>el in Schweizer Branchen. Bern: Haupt.<br />

Fischlin, A. (1998). Merkblätter Systemtheoretische Grundtechniken.<br />

Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Institut<br />

für Terrestrische Ökologie.<br />

Frank, W. (1995). Volkswirtschaft: Lehre und Wirklichkeit. (63.<br />

Auflage). Darmstadt: Winkler.<br />

Godet, M. (1986). Introduction to La Prospective: Seven key ideas<br />

<strong>and</strong> one scenario method. Futures, 18 (2),134-157.<br />

Gwerbi Beringen. (1998, 16. April). Rheinfall-Woche, (16), 7.<br />

Hassler, S. & Schärli, M. A. (1995/96). Reliabilität und Validität<br />

der Szenarioanalyse Grosses Moos. Diplomarbeit. Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur-<br />

und Umweltsozialwissenschaften.<br />

Hornstein, F. (1951). Wald und Mensch: Waldgeschichte des A1­<br />

penvorl<strong>and</strong>es Deutschl<strong>and</strong>s, Österreichs und derSchweiz. Ravensburg:<br />

Otto Maier.<br />

Hotz-Hart, B., Mäder, S. & Vock, P. (1995). Volkswirtschaft der<br />

Schweiz. Zürich: vdf.<br />

InterdepartementalerAusschuss Rio (IDARio). (1996). Nachhaltige<br />

Entwicklung in der Schweiz. (Bericht an den Bundesrat). Bern:<br />

IDARio.<br />

KMU - Klein- und Mittelbetriebe für einmal im Rampenlicht.<br />

(1998,16. April). Rheinfall-Woche, (16), 11.<br />

Kummrich, K. & Emde, F. A. (1997). Zur Rolle der Kreditwirtschaft<br />

in einer nachhaltigen Entwicklung. Sparkasse, 114 (10),<br />

480-489.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

211


Wirtschaft<br />

Kunz, H.-J. (1996,19./20. April). Auf das Gewerbe angewiesen.<br />

Beilage zu Schleitheimer Bote: Anzeiger vom Oberklettgau und<br />

Klettgauer Zeitung Schaffhauser L<strong>and</strong>.<br />

MacNulty, C. A. (1977). Scenario developement for corporate<br />

planning. Futures (9),128-138.<br />

Matt-Willmatt, B. & Hoggenmüller, K.-F. (1985). Lauchringen.<br />

Chronik einer Gemeinde. Lauchringen: Gemeinde Lauchringen.<br />

Meadows, D. (1972). Die Grenzen des Wachstums. Bericht des<br />

Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.<br />

Mißler-Behr, M. (1993). Methoden der Szenarioanalyse. Wiesbaden:<br />

Deutscher Universitäts-Verlag.<br />

Ninck, M. (1997). Zauberwort Nachhaltigkeit. Zürich: vdf.<br />

Prasuhn, V. (1998). Abschätzung der Stickstoffverluste aus diffusen<br />

Quellen in die Gewässer und der Wirkung von Massnahmen in<br />

der L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A.<br />

Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />

Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 284-294). Zürich:<br />

Rüegger.<br />

Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (RSU). (1994). Umweltgutachten<br />

1994: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung.<br />

Stuttgart: Metzler-Poeschel.<br />

Reibnitz, v. (1992). Technik der Szenarioanalyse. Wiesbaden:<br />

Gabler.<br />

Rupprecht, R. (Hrsg.). (1993). Lebensqualität: Theoretische Konzepte<br />

und Ansätze zur Operationalisierung. Erlangen-Nürnberg:<br />

Friedrich-Alex<strong>and</strong>er-Universität Erlangen-Nürnberg, Philosophische<br />

Fakultät.<br />

Schäfer, W. (1957). Chronik des Kreises Waldshut. Das Haus- und<br />

Heimatbuch des Kreises Waldshut. Waldshut, Baden: Vocke.<br />

Schaude, G. R., Legler, H. & Schuster-Wolff, A. (1976). Szenarien<br />

chemische Technik. Forschungsbericht T 77-01 des Bundesministeriums<br />

für Forschung und Technologie. München: ZLDI.<br />

Schmidheiny, S. (1992). Kurswechsel: Globale unternehmerische<br />

Perspektiven für Entwicklung und Umwelt. München: Artemis.<br />

Schmidheiny, S. & Zorraquin, F. (1996). Finanzierung des Kurswechsels:Die<br />

Finanzmärkte als Schrittmacher der Ökoeffizienz.<br />

Zürich: Best Business Books.<br />

Schmidt, F. (1971). Der Klettgau. Bretten: Esser.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1998). Theorie. Hintergründe und<br />

Methodik der Fallstudie (3. Auflage). Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften.<br />

Scholz, R. W. & Weber, O. (1995). Ökologische Risiken im<br />

Firrnenkreditgeschäft. Bank und Information, 8, 20-22.<br />

Scholz, R. w., Weber, O. & Michalik, G. (1995a). Ökologische<br />

Risiken im Firmengeschäft. In D. Overlack-Kosel, R. W. Scholz,<br />

S. Erichsen, C. W. Schmitz & G. Urban (Hrsg.), Kreditrisiken aus<br />

Umweltrisiken (S. 1-49). Bonn: Economica.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (1997). Zentrum<br />

Zürich Nord. Stadt im Aufbruch: Bausteine für eine nachhaltige<br />

Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996. Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (1998). <strong>Region</strong><br />

Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie<br />

1997. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. w., Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (1995b).<br />

Perspektive Grosses Moos: Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

UNS-Fallstudie 1994. Zürich: vdf.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Koller, T., Mieg, H. A. & Stünzi, J.<br />

(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />

Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995. Zürich:<br />

vdf.<br />

Schuh, G., Katzy, B. & Eisen, S. (1997). Wie virtuelle Unternehmen<br />

funktionieren: Der Praxistest ist best<strong>and</strong>en. Gablers Magazin,<br />

11 (3),8-11.<br />

Schuh, G. & Strack, J. (1997). Die virtuelle Fabrik: Neue Flexibilität<br />

für dynamische Märkte. Management & Qualität / Special.<br />

Mai 1997,12-13.<br />

Stein, 1. (1971) Die L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau. In Schmidt, F.<br />

(Hrsg.), Der Klettgau (S. 479-491). Bretten: Esser.<br />

Surbeck, A. & Leu, D. (1998). Toxikologische Beurteilung von<br />

Nitrat im Trinkwasser. In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J.<br />

Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang<br />

mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 203-205). Zürich: Rüegger.<br />

Theiler, H. (1998). Der Euro: Einfluss auf schweizerische Kleinund<br />

Mittelbetriebe. Vortrag, gehalten im Rahmen einer öffentliche<br />

Veranstaltung der Fachhochschule Aargau in Windisch am 10.<br />

September 1998.<br />

Ulrich, H. & Probst, G. (1990). Anleitung zum ganzheitlichen<br />

Denken und H<strong>and</strong>eln. Bern: Haupt.<br />

Vester, F. (1990). Ausfahrt Zukunft: Strategien für den Verkehr von<br />

morgen. Eine Systemuntersuchung. München: Heyne.<br />

Vester, F. (1991). Ausfahrt Zukunft. Supplement: Material zur<br />

Systemuntersuchung. München: Studiengruppe für Biologie und<br />

Umwelt.<br />

Waldvogel, K. (1996, 19./20. April). Unsere Grenzregion im<br />

Strukturw<strong>and</strong>el. Beilage zu: Schleitheimer Bote: Anzeiger vom<br />

Oberklettgau und Klettgauer Zeitung Schaffhauser L<strong>and</strong>.<br />

Weber, O. & Scholz, R. W. (1997). Beiträge zum nachhaltigen<br />

Kreditmanagement. In R. Kaufmann-Hayoz, R. Defila & M. Flury<br />

(Hrsg.), Proceedings des Symposiums "Urnweltverantwortliches<br />

H<strong>and</strong>eln" (S. 174-182). Bern: Interfakultäre Koordinationsstelle<br />

für Allgemeine Ökologie, Universität Bem.<br />

Wildberger, W. (1917). Geschichte der Stadt Neunkirch. Schaffhausen:<br />

H. Meier & Cie.<br />

Wirtschaftsentwicklung <strong>Region</strong> Schaffhausen (WERS). (1997).<br />

Schlussbericht und Anträge zur Entwicklung der Wirtschaftsregion<br />

Schaffhausen. Neuhausen: WERS.<br />

Wirtschaftsentwicklung <strong>Region</strong> Schaffhausen (WERS). (1998).<br />

Investment Guide (Wirtschaftsbericht). Neuhausen: WERS.<br />

212<br />

UNS-Fallstudie '98


Autoren:<br />

Alice Müller<br />

Oliver Kleiber<br />

Peter KJeinert<br />

judith Eichenberger<br />

Patrick Gomez<br />

Frank Eyhorn<br />

Konrad Schleiss (Tutor)<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung und Ausgangslage<br />

2. Ausgangslage<br />

3. Auswahl und Analyse der betrachteten Betriebe<br />

4. Qualitative Ökologische Bewertung<br />

5. Experteninterviews<br />

6. Problemfelder<br />

7. Perspektiven<br />

Anhang<br />

215<br />

216<br />

217<br />

220<br />

221<br />

223<br />

223<br />

226


Reb- und Weinbau<br />

214 UNS-Fallstudie '98


_____________________________________ Reb- und Weinbau<br />

1 Einleitung und Ausgangslage Problemstellung<br />

Projektarchitektur<br />

Reb- und Weinbau im Klettgau<br />

Vorgehensschema Teilprojektphase<br />

Beschreibung der Ausgangslage<br />

Definieren von Problemstellung,<br />

Zielen und Methoden<br />

IP- und Bio-Weinbau im Klettgau sind aus ökonomischer<br />

und ökologischer Perspektive mit Berücksichtigung von<br />

gesellschaftlichen Aspekten zu vergleichen.<br />

Die aktuelle Situation soll erfasst und beschrieben sowie<br />

Möglichkeiten im ökologischen und ökonomischen Umfeld<br />

ausgeleuchtet und bewertet werden. Vorschläge sind aus der<br />

Sicht von aussenstehenden Betrachtern zu machen. Zusammengefasst<br />

lauten die Hauptarbeiten: Vergleichen der Anbauformen,<br />

Aufzeigen von Problemfeldern, Erarbeiten von<br />

Perspektiven und Szenarien.<br />

Vorgehen und Methoden<br />

Qualitative<br />

Angaben<br />

Qualitative<br />

ökologische<br />

Bewertung<br />

Betriebswirtschaftliche<br />

Rechnung<br />

Annahmen<br />

Modellbetrieb<br />

ökobilanzierung<br />

- Interviews und Besichtigungen bei Bio- und IP-Rebbauern<br />

- Praxistage aufRebbaubetrieben mit Befragungen<br />

- Ökonomische Kostenrechnungen anh<strong>and</strong> von Modellbetrieben<br />

- Ökologische Bewertungen anh<strong>and</strong> von Ökobilanzen und<br />

qualitativen Beurteilungen (multikriterielle qualitative<br />

ökologische Bewertung)<br />

Perspektiven, Vorschläge, Szenarien<br />

Der Rebbau spielt im Klettgau eine sehr wichtige Rolle. In<br />

den letzten Jahren machte der Rebbau über 10% des l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Rohertrages aus (Neukomm, 1998). Die<br />

übliche Anbauform im Rebbau ist die integrierte Produktion<br />

(lP), der biologische Anbau ist noch sehr wenig verbreitet.<br />

Ein Grossteil der Reben wird im Nebenerwerb bewirtschaftet.<br />

Im Vergleich zum st<strong>and</strong>ardisierten IP-Anbau hat der Bio­<br />

Anbau in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht und<br />

in vielen Weinbaugebieten stärker Fuss gefasst (Vaterlaus,<br />

1998). Der Wunsch nach einem «chemiefreien Genuss»<br />

oder eben nach einem Bio-Wein hat in den letzten Jahren<br />

klar zugenommen (Coray und Strasser, 1998). Nach Fricker<br />

(1998) ist die Pionierzeitbeim Bio-Weinbau vorbei, die Zahl<br />

der Bio-Weinbauern in der Schweiz hat sich seit 1989 verdreifacht.<br />

UNS-Fallstudie '98 215


Reb- und Weinbau<br />

2 Ausgangslage<br />

2. 1 Begriffe<br />

Integrierte Produktion (IP) / VINATURA:<br />

Das Ziel der Weinbauern- und -bäuerinnen ist es, mittels der<br />

integrierten Produktion möglichst umweltschonend und naturnah<br />

Trauben und Wein zu produzieren. Das VINATURA­<br />

Label wird nur abgegeben, wenn Ertrag und Qualität des zu<br />

zertifizierenden Traubengutes den Richtlinien (Vitiswiss,<br />

1999) entsprechen. Jährlich überprüfen neutrale Kontrolleure,<br />

ob die Anbauweise den Anforderungen der Richtlinien<br />

genügt.<br />

Ökologischer Weinbau:<br />

Das Prinzip des ökologischen Weinbaus ist es, eine möglichst<br />

grosse Annäherung des Lebenssystems "Weinberg"<br />

an das natürliche Ökosystem zu erreichen. Dabei ist kein<br />

Einsatz von chemisch-synthetischen Hilfsmitteln ausserhalb<br />

der Hilfsstoffliste gemäss den Richtlinien der BioSuisse<br />

(Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau 1998),<br />

erlaubt.<br />

In Tabelle 2.1 sind die wichtigsten Unterschiede zwischen<br />

IP und Bio (wie in Vinum, 1998) dargestellt. Die höheren<br />

Produktionskosten im Bio-Anbau sind vor allem durch einen<br />

höheren Arbeitsaufw<strong>and</strong> begründet. Zusätzlich resultiert<br />

in der Regel ein tieferer Ertrag. Beides macht den<br />

Mehrpreis für Bio-Produkte (Bio-Bonus) notwendig.<br />

2.2 Angaben zur l<strong>and</strong>wirtschaft im<br />

Klettgau<br />

Die Anbaustrukturen im Klettgau und auch der Anteil der<br />

Nebenerwerbs-Rebbauern sind in Tabelle 2.2 ersichtlich. Im<br />

Klettgau gibt es relativ wenig Rebbauern, welche die Trauben<br />

selber verarbeiten. Viele Betriebe verkaufen die Trauben<br />

an Verarbeitungsbetriebe. Der grösste davon ist die<br />

Rimusskellerei in Hallau (Rahm und Rahm, 1995). Daneben<br />

bestehen aber auch die VOLG- und noch <strong>and</strong>ere grössere<br />

Verarbeitungsbetriebe. Wir werden jedoch weniger die<br />

Weinbereitung, als vielmehr den Rebbau beh<strong>and</strong>eln.<br />

Tab. 2.1: Die wichtigsten Unterschiede zwischen Bio und IP (aus Vinum, 1998).<br />

Bio<br />

I Ganzer Betrieb muss biologisch bewirtschaftet werden<br />

I Nur organische Dünger<br />

I<br />

, Keine Herbizide Herbizide erlaubt<br />

IP<br />

Ganzbetriebliche Bewirtschaftung ist nicht vorgesehen<br />

Alle Dünger, auch chemische, erlaubt<br />

Keine chemisch-synthetischen Fungizide und Insektizide<br />

Höhere Produktionskosten als IP<br />

Chemisch-synthetische Fungizide und Insektizide mit<br />

Einschränkungen erlaubt<br />

Tiefere Produktionskosten als Bio<br />

Tab. 2.2: Struktur des Rebbaus im deutschen und Schweizerischen Klettgau (aus Neukomm, 1998 und L<strong>and</strong>wirtschaftsamt<br />

des Kantons Schaffhausen, 1998).<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzfläche (LN) Klettgau CH: 5334 ha<br />

Rebfläche Klettgau CH: 373 ha, entspr. 7% der LN<br />

D: 22 ha<br />

Wertschöpfung Weinbau 11 % des l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Rohertrages im Kanton Schaffhausen<br />

Vergleich Rebfläche Gesamt-CH: ca. 12'300 ha (50% in Waadt und Wallis)<br />

Anzahl Weinbaubetriebe im Kanton Schaffhausen:<br />

Vollerwerb: 55<br />

Nebenerwerb: 625<br />

Gesamt:<br />

680 (Auffallend wenig Eigenkelterung)<br />

Anbauform Rebbau: fast ausschliesslich IP, teils mit zusätzlichen ökologischen Auflagen (VINATURA), erst zwei<br />

Bio-Weinbauern mit insgesamt 2.3 ha Rebfläche<br />

Vergleich Bio-Weinbau Gesamtschweiz: ca. 60 Betriebe mit 160 ha Anbaufläche<br />

Angebaute Rebsorten: gesamt 17 Sorten, davon ca. 78 % Blauburgunder,<br />

21 % Riesling x Sylvaner,<br />

I neu: ca. 6 ha Regent (Interspezifische Sorte)<br />

216 UNS-Fallstudie '98


_____________________________________ Reb- und Weinbau<br />

3 Auswahl undAnalyse der<br />

betrachteten Betriebe<br />

3.1 Untersuchungsobjekte und<br />

Model/annahmen<br />

Je zwei Bio- und IP-Betriebe aus dem Klettgau und ein<br />

Bio-Betrieb aus dem Kanton Zürich wurden besucht und die<br />

Betriebsleiter mittels Fragebogen befragt (siehe Anhang 2).<br />

Die Betriebe weisen folgende Rebflächen auf:<br />

IP:<br />

1) Hallau, 1.0 ha Blauburgunder (Pinot Noir)<br />

2) Hallau, 5.0 ha Blauburgunder, 1.0 ha Riesling x Sylvaner,<br />

0.5 ha <strong>and</strong>ere<br />

Bio:<br />

1) Osterfingen, Umstellung 1997,0.8 ha Blauburgunder,<br />

0.2 ha Regent<br />

2) Hallau, Umstellung 1997, 1.3 ha Blauburgunder<br />

3) Bio-Betrieb Kanton Zürich, Bio-Weinbau seit 1989,3.5<br />

ha diverse Sorten<br />

Nach der Diskussion mit verschiedenen Experten haben<br />

wir für den Vergleich einen Modellbetrieb gewählt, der<br />

generell 5 ha Rebfläche aufweist und ein Vollerwerbsbetrieb<br />

ist. Diese Grösse erlaubt, die meisten Maschinen selber<br />

anzuschaffen und abzuschreiben. Als Lebensdauer der Reben<br />

haben wir 30 Jahre inklusive der Jugendentwicklung<br />

angenommen. Auf der Basis dieser Annahmen vergleichen<br />

wir eine Hektare der verschiedenen Sorten und Anbauarten<br />

mitein<strong>and</strong>er.<br />

3.2 Ökonomische Vergleiche von 1 ha<br />

Reben im Modellbetrieb<br />

Für die Anlage einer Hektare Reben werden bei allen Varianten<br />

Fr. 120000.- investiert. In diesem hohen Betrag sind<br />

die Unterhalts- und Pflegekosten für die ersten drei Jahre<br />

Aufzucht ohne Ertrag (nach H. Neukomm, 1998, 230% der<br />

üblichen Unterhaltskosten pro Jahr) enthalten. Im ganzen<br />

Betrieb werden Maschineninvestitionen von Fr. 86 000.­<br />

getätigt. Einige Maschinen werden zusätzlich noch eingemietet.<br />

In der Investition sind keine Gebäude für die Traubenverarbeitung<br />

mitgerechnet.<br />

Annahmen Blauburgunder: Der IP-Betrieb setzt pro ha<br />

650 Arbeitsstunden (Akh) ein, der Biobetrieb 900 Akh bei<br />

mehr Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m 2<br />

um ein Drittel höher als bei der Bio-Variante, für die Bio­<br />

Trauben werden 30% Mehrpreis (Bio-Bonus) bezahlt.<br />

Annahmen Regent: Der IP-Betrieb setzt pro ha 480 Arbeitsstunden<br />

(Akh) ein, der Biobetrieb 650 Akh und auch<br />

mehr Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m2<br />

gleich hoch wie bei der Bio-Variante, für die Bio-Trauben<br />

werden jedoch 15% Mehrpreis (Bio-Prämie) bezahlt.<br />

Annahmen <strong>and</strong>ere Interspezifische Sorten (z.B. Marechal<br />

Foch): Der IP-Betrieb setzt pro ha 610 Arbeitsstunden<br />

(Akh) ein, der Bio-Betrieb 780 Akh, aber auch mehr<br />

Tab. 3.1: Kosten einer Hektare Reben im Klettgau: Aufw<strong>and</strong> und Ertrag mit den Sorten Blauburgunder, Regent und <strong>and</strong>eren<br />

Interspezifischen (in SFr).<br />

Aufw<strong>and</strong> Blauburgunder Regent Andere interspez. Sorten<br />

IP Bio IP Bio IP Bio<br />

Herbizide 45 0 45 0 45 0<br />

Pflanzenschutz 1208 1000 400 200 200 100<br />

Düngung 210 200 210 200 210 200<br />

I<br />

Traktor-Gebrauchskosten 786 1179 590 983 590 983<br />

Gebrauchskosten 1000 1250 747 1035 747 1035<br />

<strong>and</strong>erer Maschinen<br />

I<br />

Gehälter (15 sFr/h) 9750 13'500 7200 9750 9150<br />

I<br />

11700<br />

Abschreibungen 5232 I 5232 5232 5232 5232 5232<br />

Zinsen 3930 3930 3930 3930 3930 3930<br />

Hagelversicherung 1200 1200 1200 1200 1200 1200<br />

Ertrag Verkaufserlös 33'200 32'400 33'200 38'160 33'200 40'000<br />

Erntemenge x Preis (8000 kg x (6000 kg x (8000 kg x (8000 kg x (8000 kg x (8000 kg x<br />

4.15 sFr/kg) 5.40 sFr/kg) 4.1 5 sFr/kg) 4.77 sFr/kg) 4.15 sFr/kg) 5.00 sFr/kg)<br />

Ergebnis pro Hektare* 9839 I 4909 13'646 15'630 11'896<br />

I<br />

15'620<br />

*Ergebnis pro Hektare stellt hier die Differenz zwischen den eingesetzten tiefen Gehältern (Fr. 15.-) und den erzielbaren Betriebserträgen in Normaljahren<br />

dar. Nach Todt (1998) betragen die mittleren Produktionskosten Fr. 33 103.- pro Hektare im Kanton Schaffhausen.<br />

UNS-Fallstudie '98 217


Reb- und Weinbau<br />

Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m 2 gleich<br />

hoch wie bei der Bio-Variante, für die Bio-Trauben werden<br />

jedoch 20% Mehrpreis (Bio-Bonus) bezahlt.<br />

Diskussion der ökonomischen Resultate<br />

Bei den Kapitalkosten unterscheiden sich IP und Bio nicht<br />

da die Investitionen in Anlage und Maschinenpark gleich<br />

gross sind. Unterschiede zugunsten des Bio-Bauern bestehen<br />

bei den Herbizid- und Pflanzenschutzkosten, sie fallen<br />

aber wegen der kleinen Beträge in Bezug auf die Gesamtkosten<br />

kaum ins Gewicht. Die Einsparungen werden durch<br />

die höheren Maschinenkosten der Bio-Bauern mehr als<br />

kompensiert.<br />

Auf der Kostenseite sind die Lohnaufwendungen (Fr.<br />

15.-/Akh) der dominante Faktor. Bio-Anbau ist immer mit<br />

höherem Arbeitsaufw<strong>and</strong> pro ha verbunden. Würde ein<br />

höherer Stundenansatz gewählt, würde das Gesamtergebnis<br />

der Bio-Bauern stark negativ beeinflusst: Bei einem Franken<br />

mehr Stundenlohn würde sich das Ergebnis pro Hektare<br />

beim Blauburgunder um Fr. 900.- reduzieren. Bei den<br />

Produktionskosten des Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation<br />

Agricole SRVA (1997) und der L<strong>and</strong>wirtschaftlichen Beratungszentrale<br />

Lindau LBL (1998) wird mit Stundenansätzen<br />

von Fr. 20.- bis 26.- gerechnet. Der Bio-Blauburgunder<br />

müsste so quasi ohne Gewinn produziert werden. Beim<br />

Ertrag weist die Bio-Produktion in der Regel kleinere Mengen<br />

auf. Aus diesen Gründen ist ein Preisaufschlag pro kg<br />

Traube (Bio-Bonus) in jedem Fall die Bedingung, damit<br />

Bio-Bauern wirtschaftlich ähnlich gut abschneiden wie IP­<br />

Bauern.<br />

Der Bio-Bonus richtet sich nach dem zusätzlichen Arbeitsaufw<strong>and</strong><br />

und den Ertragserwartungen. Nach Bio-Normen<br />

produzierter Blauburgunder muss somit den grössten<br />

Preisaufschlag erzielen (hier + 30%), während für den am<br />

wenigsten arbeitsintensiven Regent ein kleinerer Bio-Bonus<br />

(hier + 15%) notwendig ist.<br />

Aus den Rechnungen ist ersichtlich, dass der Bio-Bauer<br />

bei den Interspezifischen Sorten je nach Bio-Bonus vergleichbare<br />

oder sogar höhere Gewinne als der IP-Bauer<br />

erzielen kann. Voraussetzung ist dabei, dass für die Interspezifischen<br />

eine genügend grosse Nachfrage besteht. Bei der<br />

herkömmlichen Blauburgunder-Sorte schneidet die Bio­<br />

Produktion durchwegs schlechter ab als die IP-Produktion.<br />

Die häufig kleineren Trauben bei vielen Interspezifischen<br />

Sorten (hier als Beispiel Marechal Foch) verlangen mehr<br />

Arbeitsstunden bei der Ernte. Eine Ausnahme bildet dabei<br />

die Sorte Regent, die ähnlich grosse Trauben wie beispielsweise<br />

Blauburgunder aufweist, aber bezüglich Mehltauresistenz<br />

nicht so stabil ist wie die kleinfrüchtigen interspezifischen<br />

Sorten. Ein Versuch mit interspezifischen Sorten<br />

könnte für den Bio-Bauern nicht nur ökologische (verminderter<br />

Kupfer-Einsatz), sondern auch ökonomische Vorteile<br />

mit geringerem Arbeitsaufw<strong>and</strong> bringen. Allerdings fehlen<br />

die Erfahrungen im grossflächigen Anbau noch weitgehend.<br />

3.3 Ökologische Vergleiche der Model/­<br />

varianten mit der Ökobilanz<br />

Neben ökonomischen und s:?zialen Fragen ist zur ökologischen<br />

Bewertung auch eine Okobilanz pro Hektare Rebberg<br />

durchgeführt worden. Der Partner am UNS-Lehrstuhl war<br />

Niels Jungbluth. Als funktionelle Einheit wurde eine Hektare<br />

Rebberg während einem Jahr (1/30 der Lebenserwartung)<br />

gewählt. Der Ansatz der Hektare wurde gewählt, weil die<br />

Rebfläche bisher begrenzt ist (Rebbaukataster). Zusätzlich<br />

gehört das Produkt Wein zu den Genussmitteln, wo ein<br />

Vergleich pro Menge (z.B. pro kg) ebenso unvollständig ist<br />

wie pro Fläche. Das Ziel, einen ökologischen Vergleich<br />

zwischen den verschiedenen Anbauformen zu ziehen, wird<br />

mit dem Flächenbezug zu Flora und Fauna besser erreicht<br />

als mit dem Produktebezug.<br />

Die Aufwendungen für das Pflanzen und die Pflege in den<br />

ersten Jahren wurden anteilmässig auf die Ertragsjahre verrechnet.<br />

Ein vollständiger Maschinenpark wurde auf 5 Hektaren<br />

Rebberg mit den üblichen Nutzungsjahren pro Maschine<br />

berechnet. Die Systemgrenze auf der Produktseite<br />

sind die geernteten Trauben in der Sammelstelle, die Kelterung<br />

wurde also nicht mit bilanziert.<br />

Untersucht wurden drei verschiedene Sorten jeweils in<br />

biologischer (Bio) und integrierter (IP) Produktion. Unter<br />

Bio wurden durchwegs mehr maschinelle Bearbeitungen<br />

durchgeführt und entsprechend mehr Treibstoff verbraucht.<br />

Als phytomedizinische Hilfsstoffe wurde bei Bio nur Kupfer<br />

bilanziert, die <strong>and</strong>ern Bio-Mittel wie Tonerdepräparate<br />

etc. konnten nicht bilanziert werden. Bei den IP-Varianten<br />

wurde das Unkraut mit Herbiziden bekämpft und die Krankheiten<br />

nach einem üblichen IP-Spritzplan (mit entsprechenden<br />

Wirkstoffmengen, erarbeitet mit Werner Siegfried von<br />

der Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau Wädenswil<br />

FAW, Anhang 1) beh<strong>and</strong>elt.<br />

Die Infrastruktur wurde gemäss den Angaben der Experten<br />

Fredi Strasser und Herbert Neukomm (siehe Kapitel 5)<br />

zusammengestellt. Mit den Abschreibungssätzen der Forschungsanstalt<br />

für Agrarwirtschaft und L<strong>and</strong>technik FAT<br />

(Ammann et al. 1998) wurden die jährlichen Belastungen<br />

aus der Infrastruktur abgeschätzt. Als Grössenordnung sei<br />

pro Hektare und Jahr der Verbrauch von 667 kg Holz für<br />

Pfähle, Stickel etc., 6,7 kg Draht für Drahtgeflechte und rund<br />

56 kg Maschinen erwähnt. Unter den Betriebsstoffen ist vor<br />

allem der Treibstoffverbrauch in Abhängigkeit der Traktorstunden<br />

zu erwähnen. Die Düngung erfolgte bei allen Varianten<br />

mit 10m 3 Kompost und 13 kg Magnesium, zusätzlich<br />

wurden bei den IP-Varianten noch 30 kg Stickstoff als<br />

Mineraldünger zugerechnet. Um Stickstoff zu mineralisieren<br />

wird im biologischen Rebbau der Boden gezielt und<br />

häufiger bearbeitet.<br />

Ausgehend von Inventardaten in der Sachbilanz sind auf<br />

der Basis der Datenbank ECOINVENT (Gruppe Energie­<br />

Stoffe-Umwelt 1996) die Emissionen und Ressourcenverbrauchsmengen<br />

zu den Inventardaten aufgerechnet<br />

worden. Diese werden entsprechend ihrer Umweltwirkung<br />

verschiedenen Kategorien zugeordnet. In Tab. 3.2 sind ausgewählte<br />

Resultate nach Wirkungskategorien dargestellt.<br />

218<br />

UNS-Fallstudie '98


_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />

Tab. 3.2: Ausgewählte Kategorien der Wirkungsbilanz der 6 Rebbauvarianten pro Hektare.<br />

Bedarf nicht- Treibhausefeid Ozonabbau Photosmog Versäuemng<br />

erneuerbarer HlOa inl


Reb- und Weinbau<br />

iIEI Wintersmog E-D9 Pts.<br />

miEt Versauerung E·09 Pts.<br />

fI EI Treibhauseffekt E-D9 Pts.<br />

liJ EI Schwermetalle E-ü9 Pts.<br />

DEI Photosmog E·09 Pts.<br />

DEIOzonabbau E.Q9 Pts.<br />

DEI Krebserregende Substanzen E..Q9 Pts.<br />

o EllJeberduengung E-09 Pts.<br />

30,--------------------------------,<br />

25<br />

20<br />

10<br />

0"---'----'--_----'__'--_-"----'-_--'-_-'-__-'---1...-_--'----'----'<br />

Blauburgunder<br />

IP ha<br />

Regent Bio<br />

ha<br />

Regent IP<br />

ha<br />

Interspezifisch<br />

Bio ha<br />

Interspezifisch<br />

IP ha<br />

Abb. 3.1: Vergleich von 8 Wirkungskategorien<br />

mit Ecoindicator 95+.<br />

EI =Ecoindicator Punkte.<br />

400.,-----------------------------,<br />

350+------<br />

300 +-------j<br />

i!Ji 200<br />

iI!I EI Andere E-09 Pts<br />

-----------j D EI Pestizide E-09 Pts<br />

250 +-------1<br />

150 +-------1<br />

100 +-------1<br />

50+-------<br />

o<br />

Blauburgunder<br />

IP ha<br />

Regent Bio ha<br />

Regent IP<br />

ha<br />

Interspezifisch<br />

Bio ha<br />

Interspezifisch IP<br />

ha<br />

Abb. 3.2: Vergleich der<br />

Varianten Pestizide und<br />

Total mit Ecoindicator<br />

95+. EI = Ecoindicator<br />

Punkte.<br />

ein gleich hoher Ertrag angenommen. Die Grössenordnungen,<br />

wie sich die beiden Anbauarten im Ecoindicator 95+<br />

unterscheiden, liegen jedoch beim fünf- bis zehnfachen.<br />

Deshalb ist die Aussage pro Fläche oder pro Produktmenge<br />

weitgehend gleich.<br />

4 Qualitative Ökologische<br />

Bewertung<br />

Aufder Grundlage von Experteninterviews wurde eine qualitative<br />

ökologische Bewertung von IP und Bio vorgenommen.<br />

Sie berücksichtigt auch Aspekte, die in einer Ökobilanz<br />

mit quantitativen Daten nicht berücksichtigt werden<br />

können (z.B. Vorteile einer Begrünung etc.). Die Auswirkungen<br />

aller Arbeitsschritte von IP- und Bio-Bewirtschaftung<br />

auf verschiedene Bereiche (z.B. Bodenbiologie,<br />

Grundwasser etc.) wurden betrachtet und mit einer 5-stufigen<br />

Skala bewertet. Die einzelnen Tätigkeiten wurden gewichtet<br />

und Produktsummen über die Auswirkungen und<br />

die Tätigkeiten gebildet. Diese Auswertung veranschaulicht<br />

keine absoluten GrÖssen. Sie soll nurzeigen, wo die grössten<br />

Unterschiede zwischen IP- und Bio-Produktion liegen.<br />

220 UNS-Fallstudie '98


_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />

Düngung<br />

Laubarbeiten<br />

DBio<br />

iI!IlP<br />

Bodenbearbeitung<br />

(Gasse)<br />

Begrünung<br />

MähenlMulchen<br />

Unterstockbeh<strong>and</strong>lung<br />

Krankheitsbekämpfung<br />

Schädlingsbekämpfung<br />

Erstbodenbearbeitung<br />

-60<br />

-40<br />

-20<br />

o<br />

20<br />

Anlagenbau<br />

40 60<br />

Abb. 4.1: Qualitative Bewertung der Auswirkungen<br />

der Bio- oder IP-Bewirtschaftung auf<br />

die Umwelt.<br />

Bio-Rebbau zeigt überall weniger negative Auswirkungen<br />

auf die gewählten Bereiche als die IP-Produktion, was<br />

auch den St<strong>and</strong>punkt der Betrachter deutlich macht. In 2<br />

Bereichen sind sogar leicht positive Auswirkungen feststellbar.<br />

Die Abbildung 4.1 zeigt die Unterschiede zwischen IP<br />

und Bio bei den einzelnen Tätigkeiten aus der qualitativen<br />

Bewertung. Die grössten Unterschiede ergeben sich bei der<br />

Düngung, der Unterstockbeh<strong>and</strong>lung und der Schädlingsbekämpfung.<br />

5 fxperteninterviews<br />

Folgende Weinbauexperten wurden befragt:<br />

- Fredi Strasser, Bio-Weinbauberater, Kanton ZH<br />

- Herbert Neukomm, Weinbaukommissar Kanton Schaffhausen<br />

Andreas Häseli, Rebbauverantwortlicher am Forschungsinstitut<br />

für biologischen L<strong>and</strong>bau FiBL, Frick<br />

(interviewt am 12.5.98)<br />

- Robert Rahm, Kelterei Rimuss, Hallau<br />

Qualitative Angaben<br />

Die wichtigsten Aussagen der einzelnen Interviews wurden<br />

nachfolgend unter verschiedenen Themenbereichen zusammengefasst.<br />

Sorten<br />

Bio-Weinbau ist mit alten Sorten (aus Europa) auch<br />

möglich. Dies beweisen in der Schweiz ca. 60 Produzenten<br />

auf 160 ha. Eine intensive Bekämpfung des Mehltaus<br />

mit Kupfer ist beim Blauburgunder aber unumgänglich.<br />

Langfristig, so wird vermutet, werden die Bio-Bauern<br />

mit den herkömmlichen Sorten Probleme bekommen<br />

(vor allem wenn wie geplant der Kupfereinsatz verboten<br />

wird).<br />

- Der Anbau von verschiedenen Rebsorten bringt ökonomische<br />

Sicherheit, erhöht aber den Arbeitsaufw<strong>and</strong>.<br />

- Mit Regent und Ceval blanc hat man bisher gute Erfahrungen<br />

gemacht. Der Regent ist eine hochgezüchtete<br />

Sorte, bei der es fraglich ist, ob die Mehltau-Resistenz<br />

langfristig erhalten bleibt. Es wird ein Kupfereinsatz<br />

nach wenigen Jahren prognostiziert.<br />

UNS-Fallstudie '98 221


Reb- und Weinbau<br />

- Bisher werden nur ca. 7 ha Interspezifische Sorten in der<br />

Schweiz angebaut. Für die Zukunft verspricht man sich<br />

aber viel von diesen Sorten, da sie weniger Arbeit benötigen<br />

und ihr Anbau durch geringere Krankheitsanfälligkeit<br />

weniger riskant ist. Befürchtet wird nur, dass bei<br />

starkem Druck auch bei diesen Sorten die Resistenz<br />

aufgebrochen werden könnte (Anpassung der Erreger an<br />

die neuen Sorten).<br />

Bodenbearbeuung/Düngung<br />

- Ganzjährige Begrünung ist im Bio-L<strong>and</strong>bau ein Grundprinzip,<br />

wobei zwischenzeitliches Lockern erlaubt ist.<br />

Der Bodenschutz ist im Bio-L<strong>and</strong>bau extrem wichtig, da<br />

ein mineralischer Stickstoffeintrag nicht möglich ist.<br />

- Der Bio-Bauer legt mehr Wert auf die Bodenpflege und<br />

muss deshalb viel über den Boden wissen.<br />

- Auch der Bio-L<strong>and</strong>bau bringt gewisse ökologische<br />

Nachteile. So ist das Problem der Bodenverdichtung bei<br />

dieser Anbauweise grösser, da mehr Traktorfahrten notwendig<br />

sind. Kupfer muss z.B. alle zwei Wochen aufgetragen<br />

werden.<br />

Krankheiten/Schädlinge und deren Bekämpfung<br />

- Natürliche Regulation funktioniert bei Bio gut, Z.B. :<br />

- durch Blumenstreifen<br />

- durch breite Reihen mit hohen Stämmen kann eine<br />

rasche Windtrocknung erreicht werden<br />

- durch feinmaschige Netze können die Trauben vor<br />

Wespen geschützt werden<br />

Die Mengenbegrenzung von Kupfer ist bei Bio gleich<br />

hoch wie bei IP (3-4 kg/ha) (Vitiswiss, 1999). Die Kupferproblematik<br />

stammt hauptsächlich aus den Zeiten, wo<br />

bis zu 80 kg/ha ausgefahren wurde. Die heute eingesetzten<br />

Kupfermengen sind zwar weniger bedenklich, passen<br />

aber nicht zur Philosophie (da persistent) und sollten<br />

mittelfristig ganz weggelassen werden können.<br />

Die Ostschweiz weist in Bezug aufden Mehltau ein sehr<br />

schlechtes Klima auf (wenig Regen aber viel Nebel).<br />

Bündnerl<strong>and</strong>, Wallis und Genf haben diesbezüglich bessere<br />

Bedingungen.<br />

Bei einzelnen Sorten ist ein Einbruch der Resistenz gegen<br />

Mehltau möglich.<br />

Die Nebenwirkungen moderner IP-Mittel sind oft unzureichend<br />

bekannt und stellen sich meist erst nach gewisser<br />

Zeit heraus .<br />

Beim Bio-Verfahren ist eine Erhitzung der MaischeI<br />

nicht erlaubt. Chemische Zusätze sind verboten, die Zugabe<br />

von Zucker und schwefliger Säure ist begrenzt (bei<br />

IP nicht).<br />

Weinqualität<br />

Es gibt keinen Grund, weshalb Bio-Wein schlechtere<br />

Qualität aufweisen sollte als konventioneller Wein. Probleme<br />

gibt es nur bei starkem Krankheitsbefall (dann<br />

wenig Oechsle) oder schlechter Kelterung, was aber auch<br />

für den konventionellen Wein gleiche Auswirkungen hat.<br />

Eine Spitzenqualität bei Bio-Weinen ist möglich, wie<br />

Auszeichnungen zeigen. Mit zunehmender Erfahrung<br />

können auch hier noch Verbesserungen erzielt werden.<br />

Vermarktung<br />

Direktverkaufhat bei Bio-Wein grosse Bedeutung, da der<br />

Konsumentenbezug wichtig ist.<br />

Der Grossh<strong>and</strong>el verlangt nach grossen Mengen mit guter<br />

Qualität zu niedrigen Preisen. Diesen hohen Ansprüchen<br />

können v.a. grosse westschweizer Betriebe nachkommen<br />

Der Bio-Weinmarkt ist im Wachstum begriffen, es bestehen<br />

keine wesentlichen Absatzschwierigkeiten mit einem<br />

Nachfrageüberhang. Nur die Vermarktung der Produkte<br />

aus resistenten Sorten ist noch problematisch; eine<br />

Vermarktung in Form von eigenständigen Getränken<br />

wird empfohlen.<br />

Kelterei<br />

- Mit resistenten Sorten müssen die Keltereien erst Erfahrungen<br />

sammeln (z.B. Vermeidung des "Chatzenseichelers",<br />

eines unerwünschten Geschmacks von Amerikanischen<br />

Direktträgern).<br />

IMaische: zerkleinerte, noch nicht gekelterte Traubenmasse<br />

222<br />

UNS-Fallstudie '98


_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />

6 Problemfelder<br />

Tab. 6.1: In der Fallstudie identifizierte problematische Bereiche im Weinbau.<br />

IP<br />

Fungizide<br />

Einsatz von Xenobiotika*, zusätzlich Kupfer<br />

Herbizide Auswirkung auf Boden (Erosion, Bodenbiologie) und Vegetation I<br />

Energieverbrauch Einsatz energieintensiver Agrarchemikalien<br />

Lebensraum<br />

geringere Diversität, Beeinträchtigung durch Agrarchemikalien<br />

mineralische N-Düngung Auswirkung auf Grundwasser (Nitrat)<br />

Markt<br />

Informationsmangel<br />

konsequente Umsetzung des<br />

IP-Gedankens<br />

Bio<br />

Kupfereinsatz<br />

Rentabilität<br />

Energieverbrauch<br />

Markt<br />

Ertragssicherheit<br />

Image<br />

Bodenverdichtung<br />

Gewisse Absatzschwierigkeiten, Konkurrenz West-Schweiz und Ausl<strong>and</strong><br />

Bedarf an Aufklärung/Info über Bio-Methoden<br />

Schwammigkeit bei Richtlinien, oft prophylaktische Spritzungen nach Plan anstatt<br />

nach Bedarf, grosser Einfluss der Agrochemie-Industrie (Beratung, Spritzpläne)<br />

Anreicherung von Kupfer im Boden<br />

hoher Arbeitsaufw<strong>and</strong>, v.a. für Spritzungen und Unterstockräumung<br />

hohe Anzahl an Traktorstunden und Spritzungen (Maschinenstunden)<br />

Potential des Nachfrageüberhangs (speziell nach qualitativ guten Weinen) unternutzt<br />

höheres Ausfallrisiko durch Pilzbefall (v.a. falscher Mehltau)<br />

Diskriminierung durch Berufskollegen, Negativimage bezüglich Weinqualität<br />

hohe Anzahl Befahrungen (v.a. wegen Spritzungen)<br />

Kelterung Interspezifischer Erfahrung im Umgang mit interspezifischen Sorten noch relativ klein,<br />

Sorten<br />

Informations-/Forschungsbedarf besteht<br />

'Xenobiotika sind Substanzen, die in einem biologischen System kreislauffremd sind.<br />

Aus der Betrachtung der Problemfelder wird geschlossen,<br />

dass Bio die besseren Chancen hat, die drängendsten Probleme<br />

zu umgehen. Als Hauptargument gilt dabei, dass in<br />

Zukunft Genussmittel «ohne Gift» klar bevorzugt werden.<br />

Damit lässt sich der Nachfrageüberhang bei vielen Bio-Produkten<br />

erklären. Auch bei Bio wird ein grosser Veränderungsbedarf<br />

überwiegend in der Sortenwahl geortet.<br />

Perspektiven<br />

Aus den erkannten Problemfeldem schlägt die Gruppe 3<br />

Stossrichtungen vor, mit denen die wichtigsten Problembereiche<br />

bearbeitet werden könnten, nämlich den vermehrten<br />

Anbau Interspezifischer Sorten, die Suche nach neuen<br />

Vermarktungswegen und -formen und verstärkte Information.<br />

7. 1 Stossrichtung «Interspezifische<br />

Sorten»<br />

Vielversprechende Interspezifische Sorten sind heute bereits<br />

verfügbar und sollten vermehrt angebaut werden.<br />

Sortenvielfalt reduziert Schädlings-/Krankheitsrisiko.<br />

Neue Sorten sollten auf Eignung am St<strong>and</strong>ort getestet<br />

werden<br />

Falls gesetzliche Regelungen hinderlich sind, ist eine<br />

Liberalisierung in staatlicher Sortenregelung anzustreben.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

223


Reb- und Weinbau<br />

Einsatz von Interspezifischen ist vor allem im Bio-Wein- 7.3 Stossrichtung «Information»<br />

bau sinnvoll.<br />

Ideen:<br />

Staatliche Förderung von Versuchsparzellen bei Weinbauern.<br />

Das FiBL soll in der <strong>Region</strong> mit Versuchsbetrieben,<br />

Information über Sorten und deren H<strong>and</strong>habung aktiv<br />

werden.<br />

- Bestehende Pionierprojekte (z. B. Rimuss) sollen gefördert<br />

werden.<br />

An neuen Anbauformen (z. B. eindrahtige Anlagen) soll<br />

gezielt geforscht werden.<br />

Problematik:<br />

- Der Grad der Mehltauresistenz ist noch ungewiss. Bricht<br />

die Resistenz bei hohem Befallsdruck, ev. mit zunehmendem<br />

Alter auf?<br />

Können sich Erreger nach einiger Zeit an die neuen<br />

Sorten anpassen?<br />

Lässt sich mit den neuen Sorten eine gute Weinqualität<br />

erzielen, welche den Kundengeschmack trifft?<br />

7.2 Stossrichtung «Vermarktungswege<br />

und -formen»<br />

Labelling:<br />

Ein klettgauer Wein-Label scheint wenig erfolgversprechend,<br />

da bereits etabliertere Herkunftsbezeichnungen<br />

(


_________________________________________ Reb- und Weinbau<br />

Literatur<br />

Ammann, H. (1997). Maschinenkosten 1998, Kostenelemente und<br />

Entschädigungsansätze für die Benützung von L<strong>and</strong>maschinen<br />

(FAT-Bericht Nr. 507). Tänikon: Eidgenössische Forschungsanstalt<br />

für Agrarwirtschaft und L<strong>and</strong>technik (FAT).<br />

Coray, M. B., & Strasser F. (1998). Wir schenken Ihnen nur<br />

BioWein ein.... Unterstammheim: Cultiva Bio-Weinbau.<br />

Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) (1998).<br />

Hilfsstoffliste. Zugelassene Hilsstoffe für den biologischen L<strong>and</strong>bau.<br />

Ausgabe Schweiz. Frick: FiBL.<br />

Fricker, W. (1998, 20.5.). Biowein, die Pionierzeit ist vorbei, die<br />

Zahl der Bio-Weinbauern hat sich seit 1989 mehr als verdreifacht,<br />

47 Mitglieder im Schweizer Bio-Weinbauverein bewirtschaften<br />

ISO Hektaren. Schweizer Bauer 152 (38).<br />

Gruppe Energie-Stoffe-Umwelt (ESU) (1996). Ökoinventare von<br />

Energiesystemen (3. Auflage.). (CD-ROM). Bem: ENET.<br />

Jungbluth, N. (1998). Ökologische Beurteilung des Bedürfnisfeldes<br />

Ernährung. Arbeitsgruppen - Methoden - St<strong>and</strong> der Forschung<br />

- Folgerungen. (Working Paper Nr. 18) . Zürich: Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, Professurfür Umweltnaturund<br />

Umweltsozialwissenschaften.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliche Beratungszentrale Lindau (LBL), (SRVA) &<br />

Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) (1998). Dekkungsbeiträge<br />

Ausgabe 1998. Kostenstatistik zu Getreide, Hackfrüchten,<br />

Spezialkulturen und Tierhaltung. Lindau: LBL.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen (1995). Schaffhauser<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsbericht 1995. Eine aktuelle Analyse der Ist-Situation,<br />

Zukunftsaussichten und die zukünftige Schaffhauser<br />

Agrarpolitik. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons<br />

Schaffhausen.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen (1998). Die<br />

Schaffhauser L<strong>and</strong>wirtschaft. Zahlen und Fakten. St<strong>and</strong> Januar<br />

1998. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen.<br />

Neukomm, H. (1998). Bericht über den Wein- und Obstbau im<br />

Kanton Schaffhausen im Jahre 1996. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt<br />

des Kantons Schaffhausen.<br />

Rahm, E. & Rahm, R. (1995). 50 Jahre Rimuss-Kellerei Rahm<br />

Hallau. Rund um den edlen Rebensaft. Hallau: Rimuss-Kellerei<br />

Rahm.<br />

Ruffner, H. P. (1998). Weinbau in der Ostschweiz: Woher und<br />

wohin? Agrarforschung, 1998 (5), S. 6.<br />

Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation Agricole. (1997). Produktionskosten<br />

im Weinbau. Wirtschaftlich-technische Ergebnisse 1996.<br />

Lausanne: Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation Agricole.<br />

Todt, W. (1998). Auswertung der Produktionskosten Reben 1997<br />

aufgrund der Aufzeichnungen von 6 Betrieben im Kt. Zürich und<br />

9 Betrieben im Kt. Schaffhausen. Lindau: LBL.<br />

Vaterlaus, T. (1998). Biowein Führer. 50 auserwählte Bioweingüter,<br />

selektioniert von Vinum, dem internationalen Weinmagazin<br />

und ESPRESSO, dem kritischen Konsummagazin von Schweizer<br />

Radio DRS1. Zürich: Vinum.<br />

Vitiswiss (Schweizerischer Verb<strong>and</strong> für naturnahe Produktion im<br />

Weinbau, Technische Kommission) (1999). Richtlinien für den<br />

ökologischen Leistungsnachweis und Zertifikat 1999. Bem: Vitiswiss.<br />

Vinum. (1998). Bio special. Vin issu de culture biologique (Spezialausgabe).<br />

Zürich: Vinum.<br />

UNS-Fallstudie '98 225


Reb- und Weinbau<br />

Anhang<br />

Anhang 1<br />

Fungizid-Muster-Spritzplan gemäss W. Siegfried, FAW, Wädenswil (01/7836306)<br />

Fungizide Deutschschweiz<br />

Mittelname kgjha Wirkstoffe kg aktive Substanz/ha<br />

Chlorothalonil 2x 4.8 Chlorothalonil 2.4<br />

Folpet-Cymoxanil 2x 3.6 Folpet 1.3<br />

Mancozeb 0.7<br />

Cymoxanil 0.2<br />

Cyrano 2x 6.4 AI-fosethyl 3.2<br />

Folpet 1.6<br />

Cymoxanil 0.3<br />

Folpet-Kupfer 2x 9.6 Folpet 2.9<br />

Kupfer Cu 1.4<br />

Triazol (Pencanazol) 0.8 Pencanazol 0.08<br />

Total fungizide 25.2 14.08<br />

Insektizid 5 2.5<br />

Herbizid IP<br />

Roundup 10 Glyphosate 3.5<br />

Total Pestizide IP 40.2 20.08<br />

Anhang2: Ergebnisse der Befragungen<br />

Welche Produkte verkaufen Sie? (Frage 3)<br />

Gewisse Bauern verkaufen die Trauben an eine Kelterei<br />

oderGenossenschaft. Andere lassen im Lohn Wein aus ihren<br />

Trauben keltern und verkaufen diesen anschliessend direkt<br />

ab Hof (Direktverkauf).<br />

Wie vermarkten Sie Ihre Produkte? (Frage 4)<br />

Einerseits gibt es den Direktverkauf mit Mund-zu-Mund­<br />

Propag<strong>and</strong>a (v.a. bei den Bio-Bauern aktuell) oder die Vermarktung<br />

über eine Genossenschaft.<br />

Welche Gründe sprechen für den Bio-Rebbau? (Frage<br />

5.l)<br />

Umweltschutz: Sowohl von Seiten der IP- wie auch von<br />

Seiten der Bio-Bauern spricht dieser Aspekt sehr für diese<br />

Anbauweise.<br />

Wirtschaftlicher Aspekt: Die Wirtschaftlichkeit des Bio­<br />

Rebbaus wird von den Bio-Bauern selbst als schlecht, von<br />

den IP-Bauern als mässig bis eher schlecht beurteilt.<br />

Soziale Akzeptanz: Die Bio-Bauern schätzen die Akzeptanz<br />

ihrer Anbauweise von Seiten der IP-Bauern als tiefein.<br />

Die beiden befragten IP-Bauern erachten diesen Punkt als<br />

weder für noch gegen den Bio-Anbau sprechend.<br />

Als weitere Gründe für den Bio-Anbau von Reben wurden<br />

genannt: Bodenlebendigkeit, Gesundheit und Ethik.<br />

Einer der Bio-Rebbauern hat seinen Rebberg v.a. deshalb<br />

auf Bio umgestellt, da er auf seinem Hof nach Knospen-<br />

Richtlinien produzieren will (die Knospen-Richtlinien fordern,<br />

dass der gesamte Betrieb nach ihren Richtlinien bewirtschaftet<br />

wird).<br />

Welche Gründe sprechen für den IP-Rebbau (im Vergleich<br />

zu Bio)? (Frage 5.2)<br />

Umweltschutz: Die IP-Bauern beurteilen ihre Anbaumethode<br />

als umweltfreundlich (vgL dazu auch Frage 7.2). Die<br />

beiden Bio-Bauern beurteilen diese Anbaumethode hinsichtlich<br />

Umweltschutz unterschiedlich mit gut bzw.<br />

schlecht.<br />

Wirtschaftlicher Aspekt: Von allen Beteiligten wird die<br />

Wirtschaftlichkeit der IP-Produktionsweise als sehr gut eingestuft.<br />

Soziale Akzeptanz: Die Bio-Bauern erachten die soziale<br />

Akzeptanz des IP-Rebbaus im Vergleich zum Bio-Bauern<br />

als höher, während die IP-Bauern eher keinen Unterschied<br />

zwischen den beiden Produktionsformen sehen.<br />

Als weitere Gründe für den IP-Anbau von Reben wurden<br />

genannt: Höhere Sicherheit gegenüber Schädlings- und<br />

Krankheitsbefall sowie tieferer Arbeitsaufw<strong>and</strong>.<br />

Ein IP-Bauer betonte, dass mit den VINATURA-Richtlinien<br />

(


_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />

An Bio-Bauern:<br />

Was waren Ihre Bedenken vor der Umstellung auf Bio­<br />

Bewirtschaftung und welche dieser Bedenken haben sich<br />

bei der Umstellung bestätigt? (Fragen 6.1 und 6.2)<br />

Die Angst vor Krankheits- und Schädlingsbefall war bei<br />

beiden Rebbauern sehr gross. Was die Produktionskosten<br />

wie auch den Arbeitsaufw<strong>and</strong> betrifft, so stellten diese für<br />

den einen Bauern kaum, für den <strong>and</strong>eren hingegen eine<br />

ernsthafte Sorge dar. Mangelndes Fachwissen war im Voraus<br />

nur für einen der Befragten ein Grund zu Befürchtungen.<br />

Mässig bzw. sehr klein war bei beiden die Angst vor sozialer<br />

Diskriminierung. Gegensätzlich waren die Aussagen über<br />

eventuelle Absatzschwierigkeiten: Während der eine starke<br />

Bedenken äusserte, gab der <strong>and</strong>ere keine Probleme an, da er<br />

die überschüssigen Bio-Trauben, die er nicht im Lohn keltern<br />

lässt, bisher als IP deklariert verkaufte.<br />

Als tatsächliche Probleme haben sich folgende Aspekte<br />

erWiesen:<br />

Bekämpfung des Falschen Mehltaus, höhere Produktionskosten<br />

als erwartet sowie z.T. die soziale Diskriminierung.<br />

Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsperspekiven als Bio-Bauer<br />

ein? (Frage 6.3)<br />

Der Bio-Rebbau ist eine Nischenproduktion, die es dementsprechend<br />

zu vermarkten gilt. Ist das nicht angemessen<br />

möglich, so schätzt der eine die Zukunft dieser Anbauform<br />

als schlecht ein. Der <strong>and</strong>ere sieht, von einigen Problemen in<br />

der Produktion selbst abgesehen, zuversichtlich in die Zukunft.<br />

Ermeint, <strong>and</strong>ere würden es jaauch schaffen... Bei den<br />

Problemen in der Produktion sei v.a. der Krankheits- und<br />

Schädlingsbefall ein heikler Punkt. Das Risiko könne aber<br />

mit resistenten Sorten gut eingegrenzt werden.<br />

An IP-Bauern:<br />

Welche Gründe sprechen für Sie gegen eine Umstellung<br />

auf Bio-Bewirtschaftung? Gibt es Ihrer Meinung nach<br />

auch ökologische Gründe, die gegen den Bio-Anbau<br />

sprechen? (Frage 7.1 und 7.2)<br />

Bei allen Punkten (Krankheiten/Schädlinge, hohe Produktionskosten,<br />

Arbeitsaufw<strong>and</strong>, Fachwissen, Angst vor sozialer<br />

Diskriminierung und Absatzschwierigkeiten) sind beide<br />

IP-Rebbauern einer Meinung, vom Arbeitsaufw<strong>and</strong> abgesehen.<br />

Diesen schätzt der eine als mittleres, der <strong>and</strong>ere als<br />

grosses Problem, das gegen den Bio-Anbau sprechen würde,<br />

ein. Die Aspekte Krankheiten/Schädlinge und Fachwissen<br />

wurden einstimmig als gegen eine Umstellung sprechend<br />

bewertet. Die möglicherweise höheren Produktionskosten,<br />

sowie die Absatzschwierigkeiten, werden als mittleres<br />

Problem eingestuft. Was die mögliche soziale Diskriminierung<br />

betrifft, so sehen diesbezüglich beide IP-Bauern keine<br />

Schwierigkeiten.<br />

Einen weiteren Grund, der gegen eine Umstellung auf<br />

Bio-Rebbau spricht, sieht einerder IP-Bauern darin, dass die<br />

gesamte Welternährung mit dieser Produktionsweise nicht<br />

zu bewältigen wäre. Der <strong>and</strong>ere erwähnt die Problematik der<br />

Kupferspritzmittel, die im Bio-Rebbau gegenüber dem IP­<br />

Rebbau vermehrt eingesetzt werden.<br />

Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsperspektiven als IP-Bauer<br />

ein? (Frage 7.3)<br />

Die Zukunftsperspektiven werden einstimmig als gut bewertet.<br />

Diese Anbauform entspreche einem realisierbaren<br />

System und sei den heutigen Rebsorten angepasst, meint der<br />

eine. Der <strong>and</strong>ere betont, dass man in ökologischer Hinsicht<br />

noch dazulernen könne und die Transparenz dem Kunden<br />

gegenüber weiter gefördert werden sollte. Das Produkt Wein<br />

müsse letztendlich im Preis und in der Qualität stimmen.<br />

An alle:<br />

Gehören Sie einer Genossenschaft an? (Frage 8)<br />

Stellvertretend für die vier Bauern sei hier die Aussage des<br />

Rebkommisars des Kt. Schaffhausens erwähnt:<br />

Die Mitgliedschaft in einer Produktionsgenossenschaft ist<br />

als Rebbergbesitzer obligatorisch. Diese koordiniert z.B.<br />

das Installieren und Betreiben der Pheromon-Fallen. Die<br />

Mitgliedschaft in einer Vermarktungsgenossenschaft, im<br />

Falle des Klettgaus die L<strong>and</strong>- und Winzergenossenschaft, ist<br />

freiwillig.<br />

Beide Bio-Bauern gehören keiner Vermarktungsgenossenschaft<br />

an.<br />

Was denken Sie über die Möglichkeit eines Klettgauer<br />

Wein-Labels mit bestimmten Qualitätsansprüchen?<br />

(Frage 9)<br />

Die Meinungen bezüglich eines solchen Labels gehen hier<br />

etwas ausein<strong>and</strong>er: Von Befürwortung bis Zurückhaltung.<br />

Einerseits existiert mit dem Begriff «Hallauer» bereits eine<br />

Art Wein-Label (Qualitätsmerkmal) und <strong>and</strong>ererseits wurden<br />

Befürchtungen, dass durch streng kontrollierte Labels<br />

Einschränkungen bzgl. der Sortenvielfalt auftreten könnten,<br />

geäussert. Zudem könnten Defmition und Kontrolle der<br />

Qualität für ein spezielles Label problematisch sein.<br />

Wohin sollte die Entwicklung im Klettgauer Reh- und<br />

Weinbau Ihrer Meinung nach gehen? (Frage 10)<br />

Die heutige Rebfläche im Klettgau soll erhalten bleiben.<br />

Hin zu noch besseren und preisgünstigeren Weinen, aber<br />

auch mehr Spezialitäten-Weine.<br />

Sortenvielfalt bei Rebpflanzen soll vergrössert werden,<br />

sofern der Markt dies zulässt.<br />

Weg vom Gift. Förderung der Anbautechnologie im Bio­<br />

Bereich um das Ertragsniveau von IP zu erreichen.<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

227


Autorin:<br />

Tania Schellenberg<br />

Basierend aufdem Bericht<br />

von Christoph Küffer und<br />

Eva-Maria Schumacher<br />

Aufbauend aufden<br />

Ergebnissen der<br />

Arbeitsgruppe:<br />

Wendy Altherr<br />

Peter Bauer<br />

Philipp Boogman<br />

Andreas Estermann<br />

Niccolo Gaido<br />

Ursjoss<br />

Christoph Keller<br />

Christoph Küffer<br />

Meltem Kutlar<br />

Valerie Parrat<br />

Andreas Reinhardt<br />

jodok Reinhardt<br />

Matthias Saladin<br />

Daniel Schloz<br />

Eva-Maria Schumacher<br />

MarkusSorg<br />

Comelia Stettler<br />

David Trudel<br />

Mathias Wegmüller<br />

Tania Schellenberg (Tutorin)<br />

Bertr<strong>and</strong> Lisbach (Tutor)<br />

johanna Reutemann (Tutorin)<br />

Konrad Schleiss (Tutor)<br />

inhalt:<br />

Vorbemerkung der Herausgeber: Warum ein I


Siedlungsentwicklung<br />

_<br />

Vorbemerkung der Herausgeber:<br />

Warum ein Kurzbericht?<br />

Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie beh<strong>and</strong>elt ein reales, komplexes,<br />

gesellschaftlich relevantes Problem, bei dem Umweltaspekte<br />

zentral sind. Um solche Probleme zu beh<strong>and</strong>eln, bedarfes<br />

einer spezifischen Strategie, die durch das Konzept der<br />

Wissensintegration bzw. der Synthese (vgl. Scholz & Tietje,<br />

in press) gegeben ist. Die Fallstudie erfordert ausserdem ein<br />

komplexes Projektmanagement, welches gleichermassen<br />

ein wichtiges Lernziel darstellt. Teams aus Studierenden<br />

und Tutorierenden betreten in der Fallstudie vielfach Neul<strong>and</strong>.<br />

Dabei wird in Kauf genommen, dass zu Gunsten eines<br />

Lernprozesses nicht alle gesetzten Ziele erreicht werden.<br />

Nachfolgend finden sich eine Kurzbeschreibung der Vorgehensweise<br />

sowie exemplarische Ergebnisse der Synthesegruppe<br />

Siedlung.<br />

Die Synthesegruppe Siedlung ist ein Beispiel für eine<br />

Arbeitsgruppe, in der die vorgegebene Projektstruktur im<br />

Rahmen der Fallstudie keine vollständig befriedigende Operationalisierung<br />

der betrachteten Konzepte der Zukunftsfähigkeit<br />

und Nachhaltigkeit und keine hinreichende Füllung<br />

mit Daten erlaubte. Trotzdem hat die Arbeit der Gruppe auf<br />

Prozessebene sehr hohe Qualität: Die beschriebene Zukunftswerkstatt<br />

stellte einen engen Austauschprozess zwischen<br />

Studierenden und <strong>Region</strong> dar. Die Beschäftigung mit<br />

dem Fall führte bei den Studierenden zu einem IdentifIkations-<br />

und Erkenntnisprozess. Im folgenden Kurzbericht werden<br />

exemplarisch drei Ergebnisse der Gruppenarbeit gezeigt:<br />

Er enthält eine Beschreibung der durchgeführten Zukunftswerkstatt;<br />

weiter einen Überblick über die Ergebnisse<br />

einer Bewertung von Massnahmen im Bereich Haus, Siedlung<br />

und <strong>Region</strong> in Hinblick aufihre Zukunftsfahigkeit und<br />

ihren Einfluss auf die Lebensqualität. Zum Schluss werden<br />

sechs Propositionen zur Siedlungsentwicklung im Klettgau<br />

präsentiert, welche im Anschluss an die Fallstudie von den<br />

Studierenden Christoph Küffer und Eva-Maria Schumacher<br />

formuliert wurden. Diese Propositionen lassen sich nicht<br />

aus Einzelarbeiten, speziellen Analysen oder Erhebungen<br />

der Synthesegruppe Siedlung ableiten. Sie bilden aber einen<br />

Reflexionsprozess der Studierenden ab, der erst durch die<br />

intensive Beschäftigung mit der <strong>Region</strong> im Rahmen von<br />

Interviews und Gruppenarbeiten mit Vertreterinnen und<br />

Vertretern der <strong>Region</strong> möglich wurde. Die Propositionen<br />

sind folglich nicht als fachwissenschaftlieh fundierte Aussagen,<br />

sondern als Ideen, das heisst intuitiv geprägte Denkanstösse<br />

zu verstehen.<br />

1 Einleitung<br />

Der Siedlungsraum im Klettgau hat sich in den letzten<br />

Jahrzehnten stark verändert. Seit den Fünfzigerjahren hat<br />

sich die Siedlungsfläche verdoppelt bei etwa gleichbleibender<br />

Bevölkerungszahl (Scholz, Böseh, Mieg, & Stünzi,<br />

1998). Im gleichen Zeitraum nahm das Verkehrsaufkommen<br />

massiv zu: Die Wirtschaftsstruktur änderte sich, womit<br />

Arbeitsplätze in Industrie und L<strong>and</strong>wirtschaft verloren gin-<br />

gen, dafür immer mehr Leute nach Schaffhausen oder Zürich<br />

zur Arbeit pendelten.<br />

Inzwischen sind uns die negativen Folgen dieser Entwicklungen<br />

bewusst. Es gilt, zukünftige weitere Veränderungen<br />

des Siedlungsraumes in der <strong>Region</strong> Klettgau gezielt positiv<br />

zu beeinflussen, so dass die Attraktivität der <strong>Region</strong> erhalten<br />

oder gesteigert werden kann und sich der Umweltverbrauch<br />

auf ein nachhaltiges Mass beschränkt. Die Synthesegruppe<br />

Siedlung suchte nach Merkmalen einer zukünftigen nachhaltigen<br />

Siedlungsentwicklung und fragte sich, wie eine<br />

solche Entwicklung erreicht werden kann.<br />

Projektarchitektur<br />

Vorgehen<br />

Die Leitidee der Projektarbeit lautete: «Verbindung von<br />

Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität in einer zukünftigen<br />

Siedlungsentwicklung im Klettgau». Bei der Verwendung<br />

des Begriffs Siedlungsraum st<strong>and</strong> der Lebensraum des Menschen<br />

im Vordergrund, und damit die Funktion, eine möglichst<br />

hohe Lebensqualität zu geWährleisten. Ökologische<br />

Aspekte erscheinen dabei einerseits als Aspekte der wahrgenommenen<br />

Lebensqualität und <strong>and</strong>ererseits als unbeabsichtigte<br />

Nebenfolgen der Besiedlung (vgl. Hirsch, 1993).<br />

Das Ziel der Gruppe war es, Strategien und Massnahmen<br />

im Siedlungsbereich zu beschreiben, welche Lebensqualität<br />

und Zukunftsfähigkeit verbinden, d. h. welche eine gleiche<br />

oder höhere Lebensqualität des Siedlungsraums erzielen,<br />

ohne dabei gravierende, nicht zukunftsfähige ökologische<br />

Konsequenzen zu haben.<br />

Zukunftsfahigkeit wurde definiert als «eine ökologische<br />

Verträglichkeit auf Dauer, das heisst eine langfristig aufrechterhaltbare<br />

Nutzung der Naturgüter». Die Lebensqualität<br />

wurde als übergeordnetes Konstrukt verst<strong>and</strong>en, das zum<br />

einen die objektive Lebenssituation einer Person (z.B. Anzahl<br />

Ärzte, Zeitungen, öffentliche Plätze), welche durch<br />

physische, soziale und ökonomische Bedingungen gekennzeichnet<br />

ist, und zum <strong>and</strong>eren das Ergebnis der subjektiven<br />

Bewertung (z.B. Zufriedenheitmit Versorgung, Kulturangebot)<br />

dieser Gegebenheiten umfasst.<br />

2.1 Ablauf<br />

Projektarbeit<br />

Die l4-wöchige Projektarbeit in der UNS-Fallstudie wird in<br />

drei Phasen gegliedert. Die ersten vier Wochen bilden die<br />

sogenannte Synthesephase I. Diese Phase dient der Einarbeitung<br />

ins Thema und der Definition von Arbeitsgegenst<strong>and</strong>,<br />

Fragestellung und Zielen. In den kommenden sechs<br />

Wochen werden in den sogenannten Teilprojekten Daten<br />

zusammengetragen, welche zur Beantwortung der Gesamtfragestellung<br />

nötig sind. Inden letzten vierWochen, der<br />

Synthesephase H, werden die Resultate der Teilprojekte<br />

integriert und Aussagen abgeleitet.<br />

In der Synthesegruppe Siedlung wurde dieses Konzept<br />

folgendermassen umgesetzt:<br />

In der Synthesephase I organisierte eine Gruppe eine<br />

Zukunftswerkstatt, mit dem Ziel, die Bevölkerung schon<br />

230 UNS-Fallstudie '98


Siedlungsentwicklung<br />

früh im Arbeitsprozess zu beteiligen und relevante Teilprojektthemen<br />

zu erhalten. Eine zweite Gruppe erarbeitete Literaturgrundlagen<br />

und bereitete die Synthesearchitektur<br />

(siehe Abbildung 2.1) vor.<br />

In der Teilprojektphase befassten sich drei Gruppen mit<br />

der Zukunftsfähigkeit auf den Organisationsstufen Haus,<br />

Siedlung und <strong>Region</strong>. Dabei sollten konkrete Massnahmenvorschläge<br />

sowie Bewertungskriterien erarbeitet werden,<br />

jeweils unterBerücksichtigung derStrukturund der Akteure<br />

der jeweiligen Organisationsstufe. Das vierte Teilprojekt<br />

befasste sich mit dem Konzept der Lebensqualität.<br />

In der Synthesephase II sollten die Teilprojektresultate in<br />

drei Schritten integriert werden: In einem ersten Schritt<br />

wurden die Massnahmen der Organisationsstufen Haus,<br />

Siedlung und <strong>Region</strong> zu einem möglichst zukunftsfahigen<br />

und in sich widerspruchsfreien Massnahmenbündel zusammengefügt.<br />

Dabei wurde neben ökonomischen und ökologischen<br />

Kriterien auch berücksichtigt, wie gut die Massnahmen<br />

sichbildlich darstellen lassen. Im zweiten Schritt wurde<br />

das Massnahmenbündel zeichnerisch in sechs Bildern aus<br />

dem realen Städtchen Neunkirch integriert. Diese Bilder<br />

dienten als Grundlage für den dritten Schritt: Im Rahmen<br />

von qualitativen Interviews sollten die Massnahmen unter<br />

dem Aspekt der Lebensqualität durch Vertreterinnen und<br />

Vertreter der Bevölkerung beurteilt werden. Siebzehn Personen<br />

wurden interviewt. Die Befragung war halb-st<strong>and</strong>ardisiert,<br />

ein Teil der Antworten wurde vorgegeben, daneben<br />

waren offene Antworten möglich. Damit sollte das zu<br />

bearbeitende Problem, die Verbindung von Zukunftsfähigkeit<br />

und Lebensqualität, vertieft und exemplarische<br />

Erklärungsmuster für Diskrepanzen und Umsetzungsschwierigkeiten<br />

gefunden werden.<br />

3 Ausgewählte Ergebnisse<br />

3.1 Die Zukunftswerkstatt -<br />

fine prozessorientierte Methode der<br />

Prozessanalyse<br />

Die Zukunftswerkstatt zur Leitfrage «Wie sieht der Klettgau<br />

in 20 Jahren aus?» f<strong>and</strong> am 17. April in einem ehemaligen<br />

Weinkeller in Hallau und am 18. April im ehemaligen<br />

Rathaus in Weisweil statt. Teilgenommen haben 7 Klettgauerinnnen<br />

und 10 Klettgauer, vom 15-jährigen bis zum<br />

Pensionierten. Die Arbeit lief in drei Phasen ab. Jede Phase<br />

wurde im Plenum eingeleitet, in Kleingruppen von fünf bis<br />

achtPersonen vertieft und mit einer moderierten Präsentation<br />

der Ergebnisse abgeschlossen.<br />

Als Einstieg flanierten die Teilnehmer durch Hallau, mit<br />

dem Ziel, das Dorf aus der Sicht eines Fremden mit allen<br />

fünf Sinnen neu wahrzunehmen. Riecht es überhaupt noch<br />

nach Bauerndorf? Gefallen mir die Häuser? Was nehme ich<br />

für Geräusche wahr? Fühlen sich die rauhen, warmen Holzbalken<br />

der Fassade nicht ganz <strong>and</strong>ers an, als das Gesteindes<br />

Fundamentes? Damit sollte, im Sinne derZukunftswerkstatt<br />

nach Jungk (Jungk & Müllert, 1981) dem Intuitiv-Emotionalen<br />

ebensoviel Raum wie dem Analytisch-Intellektuellen<br />

beigemessen werden.<br />

In der ersten Phase, der Kritikphase, wurden Probleme,<br />

Ärgernisse und Kritikpunkte gesammelt. Emotionale Äusserungen<br />

wie, «Die Schaffhauser Regierung bestimmt zuviel,<br />

wir können nichts mehr sagen. Wir müssen wieder mal<br />

auf den Putz hauen!» waren ebenso möglich, wie eher<br />

analysierende: «Für die Bachmeliorationen musste seinerzeit<br />

das letzte Geld zusammengenommen werden, heute<br />

würde man sie gerne rückgängig machen» oder «Die Bauern<br />

Zielformulierung:<br />

Verbindung von Zukunftsfähigkeil<br />

und<br />

Lebensqualiläl im<br />

K1ellgeu<br />

Synthesephase I<br />

Teilprojektphase Synthesephase 11<br />

Abb. 2.1: Die Synthesearchitektur<br />

der<br />

Synthesegruppe Siedlung<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

231


Siedlungsentwicklung<br />

_<br />

Abb. 3.i: Bilder aus der Zukunjtswerkstatt: Als I:lI'lslleg<br />

flanierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer iie,"neinsam<br />

mit den Studierenden durch Hallau (oben links). in der<br />

anschtiessenden Kritikphase wurde Kritik zum heutigen<br />

Zust<strong>and</strong> gesammelt (oben rechts). in der Phantasiephase<br />

wurden WÜnsche und ideen zur<br />

der Situation<br />

hesprochen und festgehalten, zum Beispiel in Form einer<br />

Mind<br />

Die in kleineren .4 "hOi;t~(>nmrI0>1<br />

erarheiteten Resultate wurden der Gesamtgruppe immer<br />

wieder vorgestellt und rege diskutiert (unten Als<br />

Resultat der Zukunjtswerkstatt wurden verschiedene Projekte<br />

formuliert und durchgefÜhrt, so zum Beispiel eine<br />

Velotour Üher die Grenze.<br />

können wegen der neuen Tierschutzgesetze gar nicht mehr<br />

in den Dörfern bleiben». Die<br />

sollten kurz<br />

sein, auf Diskussionen wurde verzichtet. Unter Anleitung<br />

der moderierenden Studierenden wurden die Stichworte in<br />

Themenkreise gruppiert.<br />

Die Kritik bildete die Ausgangslage für die Phantasiephase:<br />

Während am Vorabend noch die Frage «Was stört mich,<br />

was gefällt mir nicht im Klettgau?» im Mitte:lpunJkt<br />

wurde nun nach Wünschen und Träumen für den Klettgau<br />

gefragt. Der vorgebrachten Kritik wurden eigene Wünsche,<br />

Träume, Vorstellungen,<br />

Einfälle, Visionen gegenübergestellt.<br />

Das sonst UndenJkbare sollte gedacht werden.<br />

Experimentierfreudigkeit, Neugier, Kreativität und<br />

Aufgeschlossenheit gegenüber Irrationalem waren gefordert.<br />

Die Gruppe Grün gestaltete beispielsweise ein W<strong>and</strong>bild<br />

mit Freizeitpark, neuartigen Verkehrsmitteln und<br />

einem<br />

mit Bären und Geiern.<br />

In der dritten der Verwirklichungsphase,galtes, die<br />

Brücke zwischen dem erwünschten Zust<strong>and</strong> und den realen<br />

Bedingungen zu schlagen. Die Ideen mussten jetzt vor der<br />

232<br />

UNS-Fallstudie '98


Siedlungsentwicklung<br />

Wirklichkeit bestehen. War in der vorherigen Phase das<br />

Hinterfragen verboten, so kam jetzt das kritische Abwägen<br />

und Einschätzen zum Zug. Sachkenntnisse wurden eingesetzt,<br />

die Realisierbarkeit st<strong>and</strong> im Vordergrund. Was erreicht<br />

werden soll, musste in einen konkreten Projektentwurf<br />

münden.<br />

Eine Gruppe konnte eine ausformulierte Einladung zu<br />

einem Projekt vorlegen, das tatsächlich 6 Wochen danach<br />

startete: Am 4. Juni, im Ochsenkeller in Osterfingen trafen<br />

sich 25 Personen zum ersten «Ideenkeller» (je circa zur<br />

Hälfte Frauen und Männer sowie Deutsche und Schweizer/<br />

-innen). Sie suchten gemeinsam nach Lösungen zu den in<br />

der Zukunftswerkstatt genannten regionalen Problemen. Es<br />

wurde zum Beispiel vorgeschlagen, Heimat- und Geographieunterricht<br />

gemeinsam durchzuführen oder gezielt<br />

gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren. Ein erstes<br />

Projekt wurde in die Wege geleitet: eine Velotour durch den<br />

Klettgau (September 1998). Einige Studierende der Gruppe<br />

Siedlung besuchten die erste Veranstaltung als nicht direkt<br />

beteiligte Beobachter; das Projekt wird nach Abschluss der<br />

Fallstudie weitergeführt.<br />

In der Zukunftswerkstatt entst<strong>and</strong>en ausserdem Projektskizzen<br />

zur Renaturierung von Bächen und einer Wohnsiedlung,<br />

die das Zusammenleben von jungen und alten Leuten<br />

ermöglicht. Das erste Thema wurde in der Arbeit der Synthesegruppe<br />

Naturraum und L<strong>and</strong>schaft aufgegriffen und<br />

weiter bearbeitet.<br />

Tabelle 3.1 zeigt einige Aussagen aus der Zukunftswerkstatt,<br />

welche zur Definition der Lebensqualität von der<br />

Synthesegruppe für die weitere Arbeit aufgenommen wurden.<br />

3.2 Bewertung von<br />

Massnahmen Ebenen Haus,<br />

Skdwng Regronhmskhdkh<br />

lebensqualitiit Zukunftsfähigkeil<br />

Im Rahmen der Teilprojekte erarbeiteten die Studierenden<br />

Massnahmen, die sowohl Zukunftsfähigkeit als auch Lebensqualität<br />

im Klettgau erhöhen sollten. Aus 34 Massnahmen<br />

wählten die Studierenden aufgrund der sechs Kriterien<br />

«Lebensqualität», «Technische und juristische Realisierbarkeit»,<br />

«Effizienz», «Effektivität», «Bildfähigkeit» und «Innovationscharakter»<br />

24 Massnahmen aus. Nach einer Analyse<br />

von Synergien und gegenseitigen hemmenden Effekten<br />

wurden zwei weitere Massnahmen ausgeschlossen und die<br />

restlichen zu einem Massnahmenbündel geschnürt.<br />

Die Massnahmen lassen sich in die drei Kategorien «Optimieren:<br />

Energie- und Stoffflüsse minimieren und substituieren»,<br />

«Gestalten: Ortsbild auf ökologische Weise planen<br />

und verschönern» sowie «Zusammenleben: Gemeinsame<br />

Aktivitäten in der Ortschaft fördern und neue soziale Netze<br />

aufbauen» unterteilen (siehe auch Tabelle 3.2).<br />

Die Massnahmen wurden (mit zwei Ausnahmen) anh<strong>and</strong><br />

von Bildern der Gemeinde Neunkirch visualisiert, das heisst<br />

bildlich dargestellt (ein Beispiel für eine Visualisierung<br />

zeigt Abbildung 3.2).<br />

Tab. 3.1: Einige Aussagen zur Lebensqualität an der Zukunftswerkstatt.<br />

Die Aussagen wurden im Rahmen der Kritikphase<br />

der Zukunftswerkstatt geäussert. Es finden sich<br />

(mehr im Sinne einer Analyse des «1st-Zust<strong>and</strong>es») auch<br />

positive Äusserungen zur momentanen Wohnsituation in der<br />

<strong>Region</strong>. Die Aussagen sind in die weitere Arbeit der Synthesegruppe<br />

Siedlung bei der Definition des Begriffes der Lebensqualität<br />

eingeflossen.<br />

' Die Klettgauer haben ihren Wohnort bewusst gewählt<br />

- Ruhiges Wohnen im Grünen mit schönen Spaziergängen<br />

[<br />

, - Der Klettgau ist schön<br />

i-Bestehendes erhalten und vermehren (Bleib wie du bist,<br />

I Klettgi)<br />

Hohe Umweltqualität ist dem/r Klettgauer/in wichtig<br />

Neue Seen, zum Beispiel durch Kiesgrubenrenaturierung<br />

Sichtbare und schöne Wasserläufe<br />

- Abwechslungsreiche l<strong>and</strong>wirtschaftliche Flächen<br />

- Kein Fluglärm<br />

- Mehr Radwege, vor allem im deutschen Klettgau<br />

Soziales und kulturelles Leben erhalten und verbessern<br />

- Ausbau und Erhalt der kulturellen Infrastruktur<br />

Spielstrassen - Schutz der Kinder<br />

Entfaltungsraum für die Jugend<br />

"Jede Woche ein Dorffest"<br />

Mehr Interesse und Beteiligung der Bevölkerung an Politik<br />

und Kultur<br />

Mehr Zusammenleben<br />

Generationenübergreifendes Zusammenleben in der<br />

Familie bis zuletzt<br />

Integration von Auswärtigen und Ausländern<br />

Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen<br />

Mehr persönliche Verantwortung<br />

Gemeinsames Problemlösen<br />

- "Mit Herz und H<strong>and</strong> für alle"<br />

Stärkung der <strong>Region</strong><br />

- Föderalismus und Dezentralität fordern<br />

- Grenzübergreifende Beziehungspflege und Kulturangebote<br />

<strong>Region</strong>ales Label für Produkte<br />

Klettgauer Wochenmarkt<br />

Erhalt kleiner Betriebe - nahe Einkaufsmöglichkeiten<br />

Beachtung des einheimischen Gewerbes durch Einheimische<br />

Zusammenarbeit der Gemeinden/Behörden<br />

Gute Erschliessung durch öffentlichen Verkehr, R<strong>and</strong>zeitenservice<br />

Umgang mit unterschiedlichen Werthaltungen/lnteressen<br />

- Sauberkeit und Sorgfalt auf öffentlichen Plätzen<br />

- Pflege alter Bauten, keine Verlotterung<br />

- Offenheit im Denken (kein Bünzlidenken)<br />

- Offenheit für (zukunftsweisende) Innovationen<br />

- Weniger Vorschriften und Gesetze<br />

- Bauern wollen sich nicht als (Umwelt-)Verbrecher<br />

vorkommmen<br />

- Stärkung der Familie<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

233


Siedlungsentwicklung<br />

_<br />

Tab. 3.2: Die von den Studierenden entwoifenen Massnahmen<br />

zur Förderung von Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität<br />

im Klettgau lassen sich in drei Kategorien unterteilen:<br />

«Optimieren: Energie- und StoJfflüsse minimieren und substituieren»,<br />

«Gestalten: Ortsbild aufökologische Weise planen<br />

und verschönern» sowie «Zusammenleben: Gemeinsame<br />

Aktivitäten in der Ortschaft fördern und neue soziale<br />

Netze aufbauen». Zwei Massnahmen betreffen die Ebene<br />

<strong>Region</strong>, zehn die Ebene Siedlung und zehn die Ebene Haus.<br />

Kategorie<br />

«Optimieren»<br />

Kategorie<br />

«Gestalten»<br />

Kategorie<br />

«Zusammenleben»<br />

Isolation und Dämmung (Haus)<br />

Sonnenkollektor (Haus)<br />

Wärmepumpe (Haus)<br />

Nutzung Dachwasser (Haus)<br />

Wintergarten (Haus)<br />

Holzfernwärme (<strong>Region</strong>)<br />

Biogasstrom (<strong>Region</strong>)<br />

Fassadenbegrünung (Haus)<br />

Wildtierfreundliche Gestaltung<br />

(Haus)<br />

Substanz ausnutzen (Haus)<br />

Interneteinkauf (Siedlung)<br />

Versiegelte Flächen minimieren<br />

(Siedlung)<br />

Naturnahe Gärten (Siedlung)<br />

Biotopvernetzung (Siedlung)<br />

Quartierplan (Siedlung)<br />

Wohngemeinschaften (Haus)<br />

Mehrfamiliengemeinschaften<br />

(Haus)<br />

Direktverkauf/Wochenmarkt<br />

(Siedlung)<br />

i Carsharing (Siedlung)<br />

Kommunikative Elemente<br />

(Siedlung)<br />

Vielfältige Freiräume (Siedlung)<br />

Autofreie Plätze (Siedlung)<br />

Diese Bilder dienen als Grundlage für die Bewertung der<br />

Massnahmen hinsichtlich ihres Beitrages zur Lebensqualität.<br />

Diese Bewertung f<strong>and</strong> im Rahmen von halbst<strong>and</strong>ardisierten,<br />

qualitativen Interviews mit 7 Klettgauerinnen und<br />

10 Klettgauern statt. Das Mass für die Lebensqualität ergab<br />

sich aus einer Reihe von Kriterien, welche am Anfang der<br />

Interviews durch die Befragten gewichtet wurden. Dabei<br />

wurden Kriterien wie «Sauberes Wasser», «Gute Zukunftsperpektiven<br />

für die nächste Generation» und «Gute Gesundheit»<br />

von den Befragten als «sehr wichtig» erachtet, während<br />

die Einstufung von «InfrastrukturlEinkaufsmöglichkeiten»,<br />

«Gute finanzielle Situation» und «Gute Kontaktmöglichkeiten<br />

zu <strong>and</strong>eren Bewohnern der Gemeinde» eher<br />

gering war (


Siedlungsentwicklung<br />

\<br />

----r,------- ><br />

c~eo 'R€< 2~l!<br />

, l!i",n"k~"'fn.


Siedlungsentwicklung<br />

_<br />

70<br />

60<br />

:§<br />

'fB<br />

50<br />

'" CT


Siedlungsentwicklung<br />

belebt, versiegelte Flächen werden besser genutzt und Freiräume<br />

für die Natur geschaffen.<br />

Auf Organisationsstufe <strong>Region</strong> muss sich ein überkommunaler<br />

Akteur erst entwickeln. Eine zukunftsfähige Entwicklung<br />

der <strong>Region</strong>, ob in der Energieversorgung, der<br />

Nahrungsmittel- und Holzproduktion oder in der Nutzung<br />

von Naturraum, muss regional geplant werden. Der Versuch,<br />

in geeigneten Bereicheneine regionale Autarkie anzustreben,<br />

also einen hohen Eigenanteil in der Produktion von<br />

Energie und Naturgütern, bedeutet dabei nicht, dass sich der<br />

Klettgau völlig abgrenzt: Der Philosoph Hans Ruh (1985)<br />

spricht von einer «Autarkie mit Fenstern»: «Je materialer,<br />

desto lokaler, je geistiger, desto internationaler.»<br />

Proposition 4: Schlösselgrösse Energieversorgung<br />

Eine auferneuerbaren Energieformen beruhende Energieversorgung<br />

istfür eine nachhaltige Siedlungsentwicklung<br />

zentral.<br />

Im Bericht des Interdepartementalen Ausschusses Rio der<br />

Schweiz wird die Energie als Schlüsselgrösse für eine nachhaltige<br />

Entwicklung in der Schweiz bezeichnet (IDARio,<br />

1997). Die <strong>Region</strong> Klettgau verfügt über keine eigenen<br />

fossilen Brennstoffe, hat keine Wasser- oder Windenergie<br />

zur Verfügung und ist nicht ans Erdgasnetz angeschlossen.<br />

Ein Potential an emeuerbarer Energie besteht kurzfristig in<br />

der dezentralen Nutzung von Biomasse, in der überkommunalen<br />

Nutzung von Holz (Pionierleistungen der Gemeinde<br />

Wilchingen), sowie in der Förderung der rationellen Energienutzung.<br />

Mittelfristig können zudem technische Innovationen<br />

im Bereich der Photovoltaik erwartet werden. Nach<br />

Abschätzungen der Synthesegruppe Siedlung könnte der<br />

Klettgau seinen Energiebedarf bis in 30 Jahren auf den im<br />

Projekt «Strategie Nachhaltigkeit» der <strong>ETH</strong> angestrebten<br />

Zielwert von 2000 W senken. Die <strong>Region</strong> könnte dann ihren<br />

Energiebedarf zu ca. 90 Prozent aus emeuerbaren Energien<br />

decken. Auch unter optimistischen Schätzungen für die<br />

Entwicklung der Solamutzung wäre die <strong>Region</strong> allerdings<br />

noch immer zu ca. 50% auf den Import von Wasserkraft­<br />

Strom angewiesen, eine regionale Autarkie würde also nicht<br />

erreicht.<br />

Proposition 5: Soziale Erfindungen und institutionelle<br />

Neuerungen entwickeln<br />

Für eine erfolgreiche Umsetzung der Idee «Nachhaltige<br />

Siedlungsentwicklung» braucht es institutionelle Neuerungen<br />

und neue soziale Erfindungen.<br />

Eine soziale Erfindung ist nach Jungk und Müllert (1981, S.<br />

33) ein neues Gesetz, eine neue Organisation oder eine neue<br />

Vorgehensweise, durch die das Verhalten der Menschen zu<br />

sich selbst und unterein<strong>and</strong>er verändert wird. Soziale Erfindungen<br />

können zum Beispiel im Laufe einer Zukunftswerkstatt<br />

gemacht werden (Jungk & Müllert, 1981). Ein Beispiel<br />

aus der Fallstudie ist der in der Zukunftswerkstatt initiierte<br />

Ideenkeller, eine institutionelle Neuerung, die einen Informationsaustausch<br />

und eine regionale Zusammenarbeit über<br />

die L<strong>and</strong>esgrenzen hinweg möglich macht. Diese beiden<br />

Elemente scheinen uns zentral für eine zukunftsfahige Siedlungsentwicklung.<br />

Auch in <strong>and</strong>eren Synthesegruppen wurden institutionelle<br />

Neuerungen angeregt, so zum Beispiel ein Arbeitskreis der<br />

<strong>Region</strong>albanken zum Thema «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />

oder eine Interessensgemeinsschaft zur Förderung naturraumrelevanter<br />

Projekte im Klettgau.<br />

Während der Fallstudienarbeit ist von Bevölkerungsseite<br />

mehrfach das Bedürfnis nach Neuerungen im Bereich der<br />

regionalen Identität geäussert worden, beispielsweise im<br />

Wunsch nach einer einheitlichen Beschilderung des Klettgaus,<br />

gemeinsamen, grenzüberschreitenden Geschichtsbüchern,<br />

Verkehrskonzepten und Tourismusangeboten.<br />

Die Wichtigkeit von institutionellen Neuerungen und sozialen<br />

Erfindungen für eine nachhaltige Entwicklung ist auf<br />

nationaler und europäischer Ebene bereits akzeptiert und<br />

wird im Rahmen von Lokale Agenda 21-Projekten gefördert:<br />

«Anzustreben ist die Bildung von Netzwerken, in<br />

denen Bund, Kantone und Gemeinden, Wirtschaft, Organisationen<br />

und Wissenschaft, lokale Initiativen und Bürgergruppen<br />

gemeinsam an der Förderung der nationalen Entwicklung<br />

arbeiten» (IDARio, 1997, S. 14). In einer Studie<br />

des Information Society Forum (EU-Kommission) und des<br />

Forums Info 2000 (Bundesregierung BRD, «Herausforderungen<br />

2025», 1998) werden Innovationen im Bereich der<br />

Gesellschaftssysteme als drittes Element neben technischen<br />

Neuentwicklungen und Verhaltensänderungen als wesentliche<br />

Möglichkeiten zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung<br />

gesehen.<br />

Proposition 6: Gemeinsames Leitbild für Siedlungsentwicklung<br />

schaffen<br />

Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung profitiert von<br />

einer gemeinsamen Vorstellung einer möglichen nachhaltigen<br />

Siedlung. Ein solches Leitbild muss offen und<br />

entwicklungsfähig sein und unterschiedliche Sichtweisen<br />

integrieren können. Es wird sich laufend verändern.<br />

Das Ziel, eine Vision einer möglichen nachhaltigen Siedlung<br />

darzustellen, hat sich durch unsere gesamte Arbeit<br />

gezogen. Die Frage «Wie sieht der Klettgau in 20 Jahren<br />

aus?» bildete den Einstieg in die Zukunftswerkstatt, in der<br />

multikriteriellen Bewertung wurde speziell auf das Zusammenpassen<br />

der Massnahmen und auf die Visualisierbarkeit<br />

geachtet. Leitbilder und Visionen spielen überall dort eine<br />

Rolle, wo es darum geht, langfristig und gemeinsam in einer<br />

Gruppe aufein nicht klar definierbares Fernziel hinzuarbeiten.<br />

Visionen werden im Innovationsmanagement (Pleschak,<br />

1996) und in der strategischenUnternehmensführung<br />

(Hinterhuber, 1989) gezielt eingesetzt. Im betrieblichen<br />

Umweltmanagement wird der Zielsetzung (Umweltpolitik)<br />

eine besondere Bedeutung als treibende Kraft für die Umsetzung<br />

und Verbesserung des Umweltmanagements zugemessen<br />

(siehe ISO 1400l-Norm, Schweizerische Normen-Vereinigung,<br />

1996, Abs. 3.7.,4.1.). «Die Vision ist ein wichti-<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

237


Siedlungsentwicklung<br />

_<br />

ges Führungsinstrument, um neue Werte in die Unternehmenspolitik<br />

und -kultur zu bringen. Sie erschliesst neue<br />

Horizonte, die die strategische Ausrichtung der Unternehmung<br />

als Ganzes oder einzelner Geschäftseinheiten verändern<br />

können.» (Hinterhuber, 1989, S. 41f.)<br />

Literatur<br />

Hinterhuber, H. (1989). Strategische Untemehmensführung (4.,<br />

völlig neu bearbeitete Auflage). Berlin: Walter de Guyter.<br />

Hirsch, G. (1993). Wieso ist ökologisches H<strong>and</strong>eln mehr als eine<br />

Anwendung ökologischen Wissens? Gaia (3/93), 302-314.<br />

!DARio (1997). Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz. St<strong>and</strong><br />

der Realisierung. Bem: BUWAL.<br />

Jungk, R. & Müllert, N. R. (1981). Zukunftswerkstätten. München:<br />

Wilhelm Heyne.<br />

Korczak, D. (1995). Lebensqualität-Atlas. Opladen: Westdeutscher<br />

Verlag.<br />

Pleschak, F. & Sabisch, H. (1996). Innovationsmanagement. Stuttgart:<br />

Schäffel-Poescher.<br />

Ruh, H. (1995). Störfall Mensch: Wege aus der ökologischen<br />

Krise. Gütersloh: Kaiser Taschenbücher.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (in press). Integrating Knowledge with<br />

Case Studies. Formative Methods for Better Decisions. Thous<strong>and</strong><br />

Oaks: Sage Publications.<br />

Scholz, R. w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1998).<br />

<strong>Region</strong> Klettgau - Veranwortungsvoller Umgang mit Boden. Zürich:<br />

Rüegger.<br />

Schweizerische Normen-Vereinigung (1996). ISO 14001. Umweltrnanagementsysteme,<br />

SpezifIkation mit Anleitung zur Anwendung.<br />

Zürich: Schweizerische Normen-Vereinigung.<br />

238<br />

UNS-Fallstudie '98


Index<br />

Index<br />

A<br />

A 98 61<br />

Analysis 31, 32, 35<br />

AP2002 117<br />

Aufwertungsmassnahmen,<br />

ökologische 117<br />

Autobahn 61<br />

B<br />

Bachrenaturierung 121,125<br />

Banken 176<br />

Bäumliacker, Kiesgrube 150, 158<br />

Begleitgruppen 45,53<br />

Begreifen 32, 35<br />

Bevölkerungs-<br />

- entwicklung (Statistik) 173<br />

- zunahme 20<br />

Bio-Bonus (Rebbau) 218<br />

Biologischer Anbau 215<br />

Bioökologie 31<br />

Biophilia-Hyphothese 31<br />

Biorebbau 210<br />

Biowein 215<br />

Blauburgunder 217<br />

Bottom-up 192<br />

Buntbrache 121,124,125,156<br />

Burgess-Modell 64<br />

c<br />

Ceval blanc 221<br />

Choren 26<br />

Clusteranalyse 192<br />

D<br />

Depression (Dreissigerjahre) 168<br />

Dienstleistungsbetriebe 171<br />

Diptam, feuerspeiender 106<br />

Direktvermarktung (Wein) 224<br />

Dreifelderwirtschaft 164<br />

E<br />

EDV 49<br />

Einkaufsverkehr 65,79<br />

Eisenbahnlinie 62<br />

Empathie 33<br />

Energie-<br />

- verbrauch (Transport) 70<br />

- versorgung 237<br />

Entscheidungsfindung, multikriterielle<br />

120<br />

Entwicklung, nachhaltige 195<br />

Erfahrungstage 53<br />

Erklären 32, 35<br />

Erlebnisqualität 115<br />

-l<strong>and</strong>schaftliche 111<br />

ErsterWeltkrieg 166<br />

Erwerbspersonen (Statistik) 173<br />

EU/EG Programm Interreg II 16<br />

Evaluation 48<br />

Experiental case encounter 32<br />

Experientalleaming 33<br />

F<br />

Fabrik, virtuelle 188<br />

Fallstudien-<br />

- ablauf 51 ff.<br />

- büro 44<br />

- kommission 44<br />

- kuratorium 45<br />

- produkte 53<br />

Fallverständnis 43<br />

Fauna 104<br />

Feld-<br />

- hase 105<br />

-lerche 105<br />

Flächen<br />

- naturnahe 107, 110<br />

- Verbrauch (Verkehr) 71<br />

Flachs 164<br />

Flora 104<br />

Folgenutzung<br />

(stillgelegte Kiesgruben) 158<br />

Formative Szenarloanalyse 72<br />

Forschung, transdisziplinäre 36<br />

Freizeitverkehr 65,81<br />

G<br />

Geomorphologie 102<br />

Geoökologie 31<br />

Geosynergetik 30<br />

Geschichte (der Verkehrswege) 61<br />

Gewerbe 15, 175<br />

Gewerbe-<br />

- freiheit 168,169<br />

- vereine 176<br />

Globalisierung 172<br />

Grenze 16,175, 167, 189<br />

- Einfluss auf Mobilität 63<br />

Grundlagenordner 134, 137<br />

Grundwasser 16, 174<br />

Grundwasser-<br />

- nutzung 15, 16<br />

- see 17<br />

H<br />

Habitatqualität 109, 110<br />

Habitattypen 110<br />

H<strong>and</strong>werk 167<br />

H<strong>and</strong>werkerring Waidberg 189<br />

Hanf 164<br />

Hochrheinautobahn 61<br />

I<br />

Ideenkeller 233<br />

Idiochor 26<br />

III defined problems 41<br />

Industrialisierung 168, 169<br />

Industrie 15<br />

- Maschinen- 171<br />

- Metall- 171<br />

Industriepark Gottmadingen 188<br />

Infoblatt 45<br />

Infogruppe 44<br />

Informationskonzept 44<br />

Integrierte Produktion 215,216<br />

Internalisierung 60<br />

Interreg n 16,42,45<br />

Interspezifische Rebsorten 217, 223<br />

Intranet 49<br />

Intuition 31, 32, 35<br />

K<br />

Kies 145<br />

Kies-<br />

- abbau 145,181<br />

- wirtschaft 19<br />

Kiesgruben 124<br />

- Folgenutzung 158<br />

- Renaturierung 121,125<br />

K1ettgaurinne 14,27,100,102<br />

KMU 175<br />

Kohlendioxid-Ausstoss 70<br />

Konsistenzanalyse 190<br />

Koordination, grenzüberschreitende<br />

(l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Projekte)<br />

134,137<br />

Kostenwahrheit (im Verkehr) 60<br />

Kredit-<br />

- geschäft 176<br />

- institute 171<br />

- risiken, ökologische 178<br />

- vergabe 190<br />

- vergabe, nachhaltige 207,210<br />

Krisen (L<strong>and</strong>wirtschaft) 165<br />

Kultur, regionale 234<br />

Kuratorium 45<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

239


Index<br />

_<br />

L<br />

L<strong>and</strong>nutzung, gegenwärtige 104<br />

L<strong>and</strong>scape 29<br />

L<strong>and</strong>schaft 28,30<br />

- Ökologischer Wert 115<br />

L<strong>and</strong>schafts-<br />

- begriff (geographischer)<br />

- darstellungen 29<br />

- fonnung 99<br />

- raum 30<br />

- wahrnehmung 113<br />

L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>alentwicklung<br />

35<br />

- umweltnaturwissenschaftliche 36<br />

L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>sforschung<br />

33<br />

L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />

- integrierte 136<br />

L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

- integrierte 99<br />

- zukünftige 110<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft 15, 18, 164<br />

- Folgen für L<strong>and</strong>schaft 116<br />

- Krisen 165<br />

Länn (Verkehr) 71<br />

Lebensqualität 230, 233<br />

Lernziele (Fallstudie) 41<br />

M<br />

MarechalFoch 218<br />

Maschinenindustrie 171<br />

Mehltaubekämpfung 224<br />

Melioration 167<br />

Mesochoren 26<br />

Metallindustrie 171<br />

MICMAC-Analyse 186<br />

Mikrogeochoren 26<br />

Mobilität 21<br />

- ländlicher Raum 59<br />

- zukünftige Entwicklung 66<br />

Mobilitätskarawane 92 ff.<br />

Modalsplit 59<br />

Mode 2-Forschung 34<br />

Multi-Criteria-Analysis 146<br />

Multikriterielle Entscheidungsfindung<br />

120<br />

Mutuallearning 34, 41<br />

N<br />

Nachhaltige Entwicklung 195<br />

Nachhaltige Siedlungsentwicklung<br />

236,237<br />

Nachhaltigkeit 195<br />

Nachkriegszeit 170<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaft 20<br />

Naturnahe Flächen 107, 110<br />

Naturschutzkonzept (Kanton SH)<br />

118<br />

Nitrat 16<br />

- Eintrag 174<br />

- Konzentration (Grundwasser) 16<br />

Nutzungsalternativen (Kiesabbau)<br />

148<br />

Nutzungsgeschichte (Klettgau) 103<br />

Nutzwertanalyse 146, 152<br />

o<br />

Öffentliche Verkehrsmittel<br />

(Benutzungsfrequenz) 84<br />

Ökologischer Weinbau 216<br />

p<br />

2-Phasen-Schwungradmodell 48<br />

Paarweiser Vergleich 150<br />

Partikel (Gesamtstaub) 70<br />

Pendelverkehr 65,79<br />

Perpeet 112<br />

Postmoderne 170<br />

Primärsektor (Perspektiven) 207<br />

Projektarchitektur<br />

- Gruppe Mobilität 67<br />

- Gruppe Natur und L<strong>and</strong>schaft 102<br />

- Gruppe Siedlung 231<br />

- Gruppe Wirtschaft 179<br />

R<br />

Rebbau 164,174,215<br />

Rebbergmelioration 166<br />

Rebhuhn 105<br />

Regent 217,221<br />

<strong>Region</strong> 26 ff.<br />

<strong>Region</strong>ale Kultur 234<br />

<strong>Region</strong>sbegriff 26<br />

Renaturierung 124<br />

Reptilien 106<br />

Richtplan (Kanton SH) 118,136<br />

Richtplanung 20<br />

s<br />

Segregation 99<br />

Sekundärsektor (Perspektiven) 207<br />

Siedlung 20<br />

Sied1ungs-<br />

- entwicklung 15<br />

- entwicklung, nachhaltige 236,<br />

237<br />

- fläche 21<br />

- gebiete (Folgen für L<strong>and</strong>schaft)<br />

116<br />

- planung 21<br />

- raum (Entwicklung) 230<br />

- typen 15<br />

Soziale Erfindungen 237<br />

Stammtische 45<br />

Stickoxide (Verkehr) 71<br />

Stickstoff-<br />

- management 17<br />

- verluste 18<br />

Synthese 41,43,46<br />

Synthese-<br />

- gruppen 47<br />

- methoden 47<br />

- phase I 52<br />

- phase II 53<br />

Szenarioanalyse 179<br />

- fonnative 179<br />

T<br />

Tei1projekt-<br />

- gruppen 47<br />

- phase 53<br />

Tertiärsektor 172<br />

- Perspektiven 207<br />

Textilindustrie 169<br />

Tope 26<br />

Top-Down 192<br />

Transdisziplinäre Forschung 36<br />

Transekten 20,101,107,199<br />

- Lage 108<br />

Trinkwasser 16<br />

Tutoren 43,44<br />

Tutorinnen 43,44<br />

u<br />

Umweltbelastung (Verkehr) 76<br />

v<br />

Venusspiegel 106<br />

Verdichtungspotential 21<br />

Verkehrsbelastung 76<br />

Verkehrsbelastungsmodell 22, 66,<br />

67 ff.<br />

Verkehrsstrukturen 15<br />

Verkehrswege<br />

- Auswirkungen auf Natur 116<br />

- Geschichte 61<br />

Verkehrszwecke 79<br />

- Anteile am Gesamtverkehr 78<br />

Verstehen 32, 35<br />

VINATURA 216<br />

Virtuelle Fabrik 188<br />

240<br />

UNS-Fallstudie '98


Index<br />

w<br />

Wasserhaushalt 18<br />

Weinbau, ökologischer 216<br />

Wein-Label 224, 227<br />

Weltkrieg<br />

- Erster 166<br />

- Zweiter 168<br />

Wirtschaftliche Perspektiven 206<br />

Wirtschafts-<br />

- geschichte 163<br />

- kreislauf 180<br />

- modell, regionalökonomisches<br />

(Graphik) 181<br />

- struktur 19<br />

- zweige (Historische Entwicklung)<br />

163<br />

Wissensintegration 35,41,43,46<br />

z<br />

Zeitplan 48<br />

Zelgenwirtschaft 164<br />

Zollverein, Deutscher 168<br />

Zukunftsfähigkeit 230<br />

Zukunftswerkstatt 230, 231 ff.<br />

Zweiter Weltkrieg 168<br />

UNS-Fallstudie '98<br />

241


~r:§l<br />

~<br />

2:<br />

~<br />

(1)<br />

\Ö 00<br />

~<br />

Übersicht über die Studierenden der UNS fallstudie 1998<br />

Synthese- Teilprojekte Kulturingenieure<br />

gruppe<br />

Mobilität Einkaufs- und Freizeitverkehr<br />

Huber, Lukas<br />

! Pendlerverkehr<br />

i Epp, Adrian Kommunikation &<br />

i Sensibilisierung<br />

!<br />

i<br />

Kost, Michael ! Mäder, Jörg ! Frey, Silvia !<br />

Reichenbach, Alex<strong>and</strong>er ! Prim, Christian ! Stofer, Peter !<br />

Zorzi, Alvaro ! Wüst, Urs ! Wetli, Patrick i<br />

! ! Wüthrich, Matthias i i Zimmermann, Philippe i<br />

........................................................................................................+ + + .<br />

Naturraum Bewertungskriterien für i Methodik für die Bewertung i Grenzüberschreitende i Strasser, Christoph<br />

l<strong>and</strong>schaftsökologische Projekte! l<strong>and</strong>schaftsökologischer ! Koordination von Projekten im ! Sutter, Jan<br />

Buzzi, Matteo ! Projekte ! Bereich des ökologischen !<br />

Huber, Marc \ Jung, Tobias \ Ausgleichs (IG Klettgau) \<br />

Kopp, Claudia ~ Maeder, Valerie ~ Drack, Christian ~<br />

Lachat, Thibault i Meyer, Bruno i Fendt, Roman i<br />

Liechtenhan, Wemer ! Roth, Chris i Leupold, Ulrich !<br />

Reineking, Bjöm i Vollenweider, Stefan [ Schaffhauser, Mario i<br />

Schöb,Patrik! i !<br />

Suter,Marianne! ! !<br />

.......................................!.~~~:.~~.~~?~~ l.. 1.. 1..<br />

Siedlung Lebensqualität ! <strong>Region</strong> ! Haus ! Siedlung<br />

.<br />

Boogman, Philipp ! Gaido, Niccolo ! Bauer, Peter ! Altherr, Wendy<br />

Küffer, Christoph ! Joss, Urs Estermann, Andreas Parrat, Valerie<br />

Kutlar, Meltem ! Keller, Christoph ! Reinhardt, Andreas ! Saladin, Matthias<br />

Sorg, Markus \ Reinhardt, Jodok \ Schumacher, Eva-Maria \ Trudel, David<br />

.......................................~~:?~~.~~~~:.~~~~~~~ L.~.~.~~~::..~~~.~~~ L.~.~~~~!.~::..~?~~~~~ 1..<br />

Wirtschaft Gewerbe und Industrie i L<strong>and</strong>wirtschaft ! Dienstleistungen ! Syntheseteam Lerch, Markus<br />

.<br />

Baumann, Florian ! Eichenberger, Judith ! Kühnholz, Olof ! Lang, Daniel Rüttimann, Franc,;ois<br />

Meyer, Claudia ! Eyhom, Frank ! Niederegger, Senta Muncke, Jane<br />

Salemo, Romina Gomez, Patrick ! Rotondo, Thomas ! Rudolf, Christian<br />

Sutter, Christoph ! Kleiber, Oliver ! Seiler, Markus ! Steinbach, Dirk<br />

! Kleinert, Peter ! Spengler, Arik ! Zwank, Luc<br />

i Müller, Alice i Widmer, Petra i<br />

Infogruppe<br />

Bättig, Micheie<br />

Krütli, Pius,<br />

Schaffner, Beat<br />

Völlmy, Manuel<br />

Zuberbühler, Hans-Jörg<br />

r:§l<br />

~@<br />

~


t<br />

Liste der Tutorinnen und Tutoren der UNS Fallstudie 1998<br />

2<br />

Mobilität<br />

Naturraum<br />

Siedlung<br />

Wirtschaft<br />

e<br />

zr:.n Infogruppe<br />

~<br />

~<br />

80-<br />

ol'<br />

'!5<br />

00<br />

Didaktik<br />

Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />

Regula Steiner<br />

Praxisberatung UNS-UMNW<br />

Studentin FS '91<br />

Tutorin FS '96-97<br />

Dr. phi!. n<br />

Peter Frischknecht<br />

Biologe<br />

Abteilungskoordinator und Dozent<br />

UMNW<br />

Tutor FS '91-97<br />

........................................................<br />

Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />

Tania Schellenberg<br />

Doktor<strong>and</strong>in Münster<br />

sinumGmbH<br />

Studentin FS '92<br />

Tutorin FS '97<br />

Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />

Miguel Baeriswyl<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Schweizerischer Wissenschaftsrat<br />

Student FS '94<br />

...................................................<br />

Dip!. Natw. UMNW-Chemie<br />

Jörg Schmill<br />

Medienschaffender<br />

PR-Büro<br />

Student FS '91<br />

Tutor FS '96-97<br />

Fallstudienmethoden<br />

Lic phil I<br />

Michael Stauffacher<br />

Soziologe EU<br />

Tutor FS '94-96<br />

Dr. rer. nat.<br />

OIafWeber<br />

Psychologe<br />

Assistent UNS<br />

Dozent <strong>ETH</strong><br />

Tutor FS '94-97<br />

Dip!. psych.<br />

Bertraml Lisbach<br />

Psychologe<br />

Doktor<strong>and</strong> UNS<br />

Experte FS '96<br />

Tutor FS '97<br />

Dip!. psych.<br />

Georg Michalik<br />

Mitarbeiter UNS<br />

Bankenexperte<br />

Dip!. Natw. UMNW­<br />

Umwelthygiene<br />

Jenny Oswald<br />

Co-Leiterin Fallstudienbüro<br />

Studentin FS '96<br />

SystemtutorIn<br />

Dr. sc. tech<br />

Paul Both<br />

Planungsberatung<br />

Dr. phi!. n<br />

Markus Jenny<br />

Biologe, Vogelwarte Sempach<br />

Tutor FS '97<br />

Dip!. Arch. <strong>ETH</strong>jSIA<br />

Johanna Reutemann<br />

Raumplanerin <strong>ETH</strong>/NDS<br />

Tutorin FS '97<br />

Raumplanerin <strong>ETH</strong>/NDS<br />

Susanne Gatti<br />

Oekogeo AG Schaffhausen<br />

Fachtutorln<br />

Dip!. Bauing. <strong>ETH</strong><br />

Matthias Lebküchner<br />

Verkehrsplaner INFRAS<br />

Tutor FS '96<br />

Dip!. Natw. UMNW­<br />

Christoph Schreyer<br />

Verkehrsplaner INFRAS<br />

Student FS '95<br />

...........................<br />

Dr. phil n<br />

Raimund Rodewald<br />

Biologe, Geschäfstleiter Stiftung für<br />

L<strong>and</strong>schaftsschutz<br />

Dip!. Natw. UMNW­<br />

Vicente Carabias<br />

Fachstelle Ökologie TWI<br />

Student FS '94<br />

Dr. phil I<br />

Walter Joos<br />

Fachstelle Ökologie TWI<br />

Dip!. Bio.<br />

Herbert Winistörfer<br />

Fachstelle Ökologie TWI<br />

..................................<br />

Dip!. Agr. <strong>ETH</strong><br />

Konrad Schleiss<br />

Umwelt- und Kompostberatung Baar<br />

%<br />

::l<br />

(J)<br />

::l


Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch. Harald A. Mieg und Jürg Stünzi (Hrsg.)<br />

Zentrum Zürich Nord - Stadt im Aufbruch<br />

Bausteine für eine nachhaltige Stadtentwicklung<br />

Wie entsteht aus einem Industriequartier ein Stadtteil mit urbaner Lebensqualität? Welche<br />

Investitionen werden nötig? Wie organisiert man eine integrale Bewertung? Wie lässt sich<br />

Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung planen? Diese Fragen wurden am Beispiel "Zentrum<br />

Zürich Nord», dem grössten derzeitigen Stadtprojekt in der Schweiz, umfassend untersucht.<br />

Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlichen<br />

Untersuchung und gehört in die Reihe der jährlichen Fallstudien, die an der<br />

Abteilung Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong> Zürich durchgeführt werden. Mit einer<br />

gesamtheitlichen Sicht auf das "Zentrum Zürich Nord» zeigt sie neue Wege der Planung und<br />

Stadtentwicklung auf.<br />

Im Zentrum der Analyse st<strong>and</strong>en der Umgang mit Industriealtlasten, Modelle, und Massnahmen zum Wasserhaushalt,<br />

Möglichkeiten der Grünraumgestaltung sowie die lokale Verkehrsplanung. Fragen zum Umweltmanagement, zur<br />

Gebäudeplanung (Umnutzung oder Neubau), zur Stadtentwicklung und zur Nachhaltigkeit runden den B<strong>and</strong> ab.<br />

vdf, 1997, 333 Seiten, Fr. 65.-, ISBN 3 7281 2319 6<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Jürg Stünzi (Hrsg.)<br />

Industrieareai Sulzer-Escher Wyss<br />

Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung<br />

Industrie und Städte w<strong>and</strong>eln sich. Erstmals wurde für ein ganzes städtisches Industrieareal<br />

eine Ökobilanz erstellt, sowie eine umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliehe Analyse<br />

durchgeführt. Schwerpunkte der Untersuchung waren Kriterien und Basisdaten zum ökologischen<br />

Bauen, Probleme der Reintegration von Industrieflächen, die Ökobilanz verschiedener<br />

Varianten der Arealnutzung, Renditeberechnungen, Zielfindung und Zielkonflikte in der<br />

Arealentwicklung sowie Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen vor dem Hintergrund politischer, ökonomischer,<br />

sozialer und ökologischer Interessen.<br />

vdf, 1996, 322 Seiten, Fr. 65.-, ISBN 3 7281 22270<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Corinne Schmidlin (Hrsg.)<br />

Perspektive Grosses Moos<br />

Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

Wirtschaft und Ökologie bilden im Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft einen scheinbar unüberbrückbaren<br />

Gegensatz. Die Umsetzung der neuen Schweizer Agrarpolitik, mit ihrem Ziel einer<br />

Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft, fordert eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Buch zeigt<br />

Strategien auf, wie sich aus dem ökologisch relevanten Wissen - nicht nur der Fachleute,<br />

sondern auch der Bevölkerung - H<strong>and</strong>lungsperspektiven gewinnen lassen. Die Publikation<br />

liefert einen Beitrag zur Fallstudienmethodik in Lehre und Forschung - mit dem Ziel, ein<br />

neues Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Sie richtet sich an Fachleute und<br />

Lehrkräfte aus den Bereichen Ökologie, (Agrar-) Wirtschaft, Raumplanung sowie an Behörden<br />

und die Bevölkerung im Grossen Moos.<br />

vdf, 1995,209 Seiten, Fr. 50.-, ISBN-3 7281 21681<br />

Erhältlich im Buchh<strong>and</strong>el<br />

Hochschulverlag AG, <strong>ETH</strong> Zürich, <strong>ETH</strong> Zentrum, CH-8092 Zürich, Tel. 01-632 42 42, Fax 01-632 12 32,<br />

E-mail: verlag@vdf.ethz.ch, URL: http://vdf.ethz.ch


Rol<strong>and</strong><br />

Scholz, S<strong>and</strong>ro Böseh, 11-4,,:u-'::Jlln<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Boden<br />

Wie lassen sich wirtschaftliche Bodennutzung<br />

und Bodenschutz vereinen? Was bedeutet<br />

ein nachhaltiger, verantwortungsvoller<br />

Umgang mit Boden für eine ländlich<br />

geprägte <strong>Region</strong> in unserer Zeit? Welche<br />

wirtschaftlichen Perspektiven ergeben<br />

sich? Diese Fragen wurden am Beispiel<br />

der <strong>Region</strong> Klettgau aus Sicht der<br />

Umweltnaturwissenschaften umfassend<br />

untersucht und im Dialog mit Klettgauerinnen<br />

und Klettgauern bewertet.<br />

Der Klettgau - eine deutschschweizerische<br />

Grenzregion - liegt auf einem der<br />

bedeutendsten Grundwasserspeicher in<br />

Mitteleuropa, der durch intensive Bodennutzung<br />

durch Siedlung und Wirtschaft gefährdet<br />

wird.<br />

Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer<br />

umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlichen<br />

Fallstudie, die ein Verständnis<br />

von nachhaltiger und verantwortungsvoller<br />

Bodennutzung ermöglichen.<br />

Verlag Rüegger, 1998,318 Seiten,<br />

Fr. 57.10 DM 66.90/ ÖS 485.-,<br />

ISBN 3 7253 0593 5<br />

Erhältlich im Buchh<strong>and</strong>el<br />

Verlag Rüegger AG, Postfach 1470, CH-8040 Zürich, Tel. 01-491 21 30,<br />

Fax 01-49311 76, E-mail: rueggerverlag@gr-net.ch, URL: http://www.rueggerverlag.ch<br />

In Deutschl<strong>and</strong> auch bei<br />

rum Pabst <strong>Science</strong> Publishers, Eichengrund 28, 0-49525 Lengerich<br />

~ Tel +49(0) 5484 - 308, Fax +49(0) 5484 - 550, E-mail: pabst.publishers@t-online.de<br />

Internet: http://www.pabst-publishers.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!