Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...
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<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
Wissenschaft seit den späten siebzigerJahren. Carl Troll, der<br />
Schöpfer des Begriffs «L<strong>and</strong>schaftsökologie» hatte diesen<br />
Begriff 1964 in «Geoökologie» umgew<strong>and</strong>elt, weil erfürchtete,<br />
dass das Wort «L<strong>and</strong>schaft» und der Begriff<br />
«L<strong>and</strong>schaftsökologie» international missverst<strong>and</strong>en werden<br />
könnte.<br />
2.4 l<strong>and</strong>schaft als wissenschaftlicher<br />
Begriff<br />
Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde «L<strong>and</strong>schaft»<br />
ein wissenschaftlicher Begriff. Alex<strong>and</strong>er von Humboldt<br />
definiert «L<strong>and</strong>schaft» als «Totalcharakter einer Erdgegend».<br />
Nach Humboldt sind L<strong>and</strong>schaften als Ganzheiten<br />
zu begreifen, wobei die naturräumlichen Gegebenheiten<br />
betont werden und neben Klima und Oberflächengestalt vor<br />
allem die Vegetation die Charakteristik der L<strong>and</strong>schaft bestimmt.<br />
Nach dem Tode Humboldts 1859 begann das Zeitalter der<br />
Spezialisierung. Nur in der physischen Geographie blieb<br />
L<strong>and</strong>schaft als ein Haupt-Forschungsgegenst<strong>and</strong> erhalten,<br />
und seit Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs langsam auch<br />
die Biologie, insbesondere über die Vegetationskunde<br />
(Pflanzensoziologie), in die l<strong>and</strong>schaftliche Dimension hinein<br />
(Haber, 1995, S. 597).<br />
Es ist jedoch festzuhalten, dass L<strong>and</strong>schaft «im wesentlichen<br />
ein Charakteristikum der deutschen Geographie gewesen<br />
ist» (Hard, 1970, S. 230, vgl. auch Siebert, 1955).<br />
Prägend für den deutschen geographischen L<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />
waren die Definitionen von Bürger (1935) und Troll<br />
(1950), von der die neuere präsentiert wird. «Unter einer<br />
geographischen L<strong>and</strong>schaft versteht die ... Geographie einen<br />
Teil der Erdoberfläche, der nach seinem äusseren Bilde<br />
und dem Zusammenwirken seiner «Erscheinungen» sowie<br />
den inneren und äusseren Lagebeziehungen eine Raumeinheit<br />
von bestimmtem Charakter bildet und der an geographischen<br />
natürlichen Grenzen in L<strong>and</strong>schaften von <strong>and</strong>erem<br />
Charakter übergeht» (Troll, 1950). Heute finden wir eine<br />
Mannigfaltigkeit von Zugängen. Ewald (1999) unterscheidet<br />
holistische, analytische, disziplinäre und disziplinenübergreifende<br />
sowie natur- und sozialwissenschaftliche<br />
Konzeptionen.<br />
Um die Vielschichtigkeit des L<strong>and</strong>schaftsbegriffs zu illustrieren,<br />
möchten wir aufden L<strong>and</strong>schaftsbegriffdes deutschen<br />
Geographen Josef Schmithüsen eingehen, wie er ihn<br />
im Rahmen der Allgemeinen Geosynergetik (1976) vorgestellt<br />
hat. Die Allgemeine Geosynergetik ist als Teilgebiet<br />
der Geographie zu verstehen, und wird von ihm auch geographische<br />
L<strong>and</strong>schaftslehre, L<strong>and</strong>schaftsforschung und<br />
L<strong>and</strong>schaftswissenschaft genannt. Ein wesentliches Kennzeichen<br />
ist, dass die «l<strong>and</strong>schaftliche oder die synergetische<br />
Methode... von den Örtlichkeiten» ausgeht, d.h. «den kleinsten<br />
anschaulichen erfassbaren, geographisch relevanten<br />
Einheiten der noch nicht sachanalytisch zergliederten geosphärischen<br />
Wirklichkeit» (J. Schmithüsen, 1976, S.52).<br />
«... (Geo-)Synergie (oder L<strong>and</strong>schaft)>> sind «der Inbegriff<br />
der Beschaffenheit eines nach seinem Gesamtcharakter als<br />
Einheit begreifuaren Teils der Geosphäre von geographisch<br />
relevanterGrössenordnung» (1. Schmithüsen, 1976, S. 147).<br />
Unter Bezug auf die deutsche Philosophie sucht Schmithüsen<br />
mit dem L<strong>and</strong>schaftsbegriff einen ganzheitlichen Zugang.<br />
L<strong>and</strong>schaften werden als Gesamtcharakter geographischer<br />
Wirkungssysteme begriffen. «Ziel der Geographischen<br />
Wissenschaft [ist es] ..., die konkrete räumliche Mannigfaltigkeit<br />
der Geosphäre zu begreifen und darzustellen,<br />
[man] nennt ... sie auch eine chorologische Wissenschaft» (J.<br />
Schmithüsen, 1976, S.28, siehe Kasten I). «Der L<strong>and</strong>schaftsraum<br />
gehört im weiteren Sinne in die Kategorie der<br />
Idiochore [... und] setzt somit den Begriff der L<strong>and</strong>schafts<br />
(-synergie) voraus.... Zwischen dem ... BegriffL<strong>and</strong>schaftsraum<br />
und allen <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>begriffen besteht ein entscheidender<br />
Unterschied. Mit der Idee des L<strong>and</strong>schaftsraumes<br />
haben wir eine Möglichkeit gefunden, Ländereinheiten<br />
nach einem Kriterium abzugrenzen, das dem Wesen der<br />
Geosphäre optimal gerecht wird» (J. Schmithüsen, 1976,<br />
S.55). «L<strong>and</strong>schaft ist die Beschaffenheit eines L<strong>and</strong>schaftsraumes.<br />
Damit ... (ist) L<strong>and</strong>schaft im Gegensatz zu<br />
L<strong>and</strong>schaftsraum kein Raumbegriff, sondern ein qualitativer<br />
(Beschaffenheits-)Begriff» (1. Schmithüsen, 1976, S.<br />
148).<br />
Dieser Ansatz der Geographie der siebziger Jahre wirft<br />
einige grundsätzliche und bis heute unbeantwortete Fragen<br />
auf:<br />
- L<strong>and</strong>schaft als qualitativer (Beschaffenheits-)Begriff<br />
setzt eine subjektive, die Beschaffenheit klassifizierende<br />
und qualifizierende Perspektive voraus. Diese gilt es zu<br />
explizieren.<br />
- Mit den Kategorien «Gesamtcharakter» und «als Einheit<br />
begreifbar» werden ganzheitliche und normative Grössen<br />
eingeführt. Es gilt, die Bezugssysteme für diese<br />
Kategorien zu bestimmen und aufzuzeigen, wie diese<br />
ganzheitlichen Systeme analytisch zugänglich gemacht<br />
werden.<br />
- Es bleibt offen, ob L<strong>and</strong>schaft oder Identität von L<strong>and</strong>schaft<br />
phylogenetische (d.h. stammesgeschichtliche) Invarianten<br />
aufweisen (also bestimmte L<strong>and</strong>schaften für<br />
den Menschen per se attraktiver sind und eine «Identität»<br />
bekommen), oder ob eher ein ontogenetischer (individualpsychologischer)<br />
Zugang gesucht wird.<br />
Den aktuellsten umfassenden Zugang zur L<strong>and</strong>schaft bietet<br />
der systemtheoretische Ansatz von Leser (1997) und<br />
Mosimann (1984). In seinem Buch fasst Leser «L<strong>and</strong>schaftsökologie<br />
als den Fachbereich auf, der sich mit den<br />
Wechselwirkungen der Faktoren des L<strong>and</strong>schaftssystems<br />
beschäftigt, die sich funktional und visuell in der «L<strong>and</strong>schaft»,<br />
zum Beispiel einer sehrkomplexen TerritorialstruktUf,<br />
repräsentieren» (1997, S. 25). Wie Trepl (1987, S. 20)<br />
bemerkt, werden mit L<strong>and</strong>schaft zwei zu unterschiedlichen<br />
Zeitepochen entwickelte Konzeptionen verbunden: Das alte<br />
abiotisch-materielle Kosmosmodell und das neuere, im 18.<br />
Jahrhundert entst<strong>and</strong>ene Modell des lebenden Organismus.<br />
L<strong>and</strong>schaftsökologie ist demnach keine Disziplin, sondern<br />
L<strong>and</strong>schaft gestaltet sich, wie es Ewald (1997) ausdrückte,<br />
undiszipliniert, indem sie sich nicht von einer einzigen<br />
Fachdisziplin abschliessend erfassen lässt.<br />
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UNS-Fallstudie '98