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Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...

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Wirtschaft<br />

und Pflichtbewusstsein wurden von den Untertanen verlangt.<br />

Die Kirche, durch den Zehnten finanziert, übte ebenfalls<br />

eine starke Macht aus (Bächtold, 1994).<br />

Im Achtzehnten Jahrhundert litt jedoch auch die Stadt<br />

Schaffuausen unter wirtschaftlichem Druck, was wiederum<br />

die Unterdrückung möglicher Konkurrenz aus der L<strong>and</strong>schaft<br />

zur Folge hatte. Es war den Klettgauern strengstens<br />

verboten, H<strong>and</strong>el mit Dritten zu betreiben. Die H<strong>and</strong>els- und<br />

Gewerbefreiheit, welche endlich den H<strong>and</strong>werkern aufdem<br />

L<strong>and</strong> die gleichen Rechte zubilligte wie den städtischen,<br />

wurde 1798 proklamiert als ein Gesetz der Helvetischen<br />

Republik. Allerdings dauerte diese freiheitliche Phase nicht<br />

sehr lange an. Im Jahre 1801 gründete die Stadt ein Kaufmännisches<br />

Direktorium, welches die Aufgabe hatte, die<br />

wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Vorbild dafür<br />

waren die Ideen Colberts, einst französischer Finanzminister,<br />

der in seinem L<strong>and</strong> den Merkantilismus durchgesetzt<br />

hatte (Bächtold und Wanner, 1983). 1808 wurde die Neugründung<br />

h<strong>and</strong>werklicher Betriebe einer Billigung durch<br />

den Kleinen Rat der Stadt Schaffuausen unterworfen. Die<br />

endgültige Liberalisierung von H<strong>and</strong>el und Gewerbe erfolgte<br />

schrittweise, ihre Grundlage war aber mit der Bundesverfassung<br />

der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1848 gelegt.<br />

Nie mehr würden die Interessen der städtischen Händler<br />

und H<strong>and</strong>werker höher gewichtet werden als jene der<br />

L<strong>and</strong>bevölkerung.<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft Ade! - Gewerbe als letzte Rettung<br />

Einen schweren Schlag erlitt die Schaffuauser Wirtschaft<br />

1835, als das Grossherzogtum Baden dem Deutschen Zollverein<br />

beitrat. Diesem Beitritt wurde der Weg geebnet, als<br />

nach zwei verlorenen Kriegen mit Frankreich das Heilige<br />

Römische Reich Deutscher Nation massiv umgestaltet wurde<br />

und die schwarzenbergische L<strong>and</strong>grafschaft Klettgau<br />

1806 an das neue Badische Grossherzogtum überging. 1809<br />

wurde der Klettgau dem Seekreis einverleibt - einem von 10<br />

badischen Kreisen - später wurde die Anzahl Kreise auf<br />

neun verringert und der Klettgau wurde Teil des Kreises<br />

Waldshut. Im Jahre 1819 wurden die Besitztümer Badens<br />

von den Grossmächten verbürgt und die Grenze zwischen<br />

Baden und der Eidgenossenschaft festgelegt. Die Bevölkerung<br />

des deutschen Klettgaus profitierte von ihrer neuen<br />

Zugehörigkeit zu Baden, denn der Grossherzog Karl Friedrich<br />

regierte für seine Untertanen und nicht über sie; ihm ist<br />

beispielsweise die Abschaffung der Leibeigenschaft im Jahre<br />

1783 und die Beseitigung der Folter (1767) zu verdanken.<br />

Auch die Anbauerlaubnis für Kartoffeln, Runkelrüben und<br />

Tabak sind ihm zu verdanken (Schmidt, 1971). Der H<strong>and</strong>el<br />

mit den deutschen Nachbarn wurde fortan mit hohen Zöllen<br />

belegt und führte zur wirtschaftlichen Unrentabilität vieler<br />

Produkte.<br />

Die Gewerbefreiheit führte in den Fünfzigerjahren des 19.<br />

Jahrhunderts kurzfristig zu einer Übersättigung des Marktes.<br />

So betätigten sich 1857 in Sch1eitheim 162 der 2476<br />

Einwohner als H<strong>and</strong>werker, darunter allein 21 als Weber, 13<br />

als Wannenmacher, 18 als Schuhmacher und 13 als Schneider.<br />

In Wilchingen siedelte sich eine Strohhutfabrik an, in<br />

Hallau eine Produktionsstätte für Pflüge; es gab Mechanikerwerkstätten<br />

in vielen der grösseren Ortschaften und Detailläden<br />

in fast allen (Bächtold und Wanner, 1983, S.135).<br />

Viele Bauern, die ständig am Abgrund der Existenz wirtschafteten,<br />

suchten eine Chance im Gewerbe und orientierten<br />

sich neu. Auch im deutschen Klettgau waren viele<br />

H<strong>and</strong>werkerberufe zahlreich vertreten.<br />

Allerdings litt das H<strong>and</strong>werk unter den Innovationen,<br />

welche die Industrialisierung mit sich brachte. Die Betriebe<br />

wuchsen dank neuer Technologien so stark an, dass sie<br />

kleine H<strong>and</strong>werksbetriebe vom Markt drängten. Die Gründung<br />

des H<strong>and</strong>werker- und Gewerbevereins Klettgau zu<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts sollte die Existenzen der letzten<br />

H<strong>and</strong>werker in der <strong>Region</strong> sichern.<br />

Identitätskrise im Klettgau - Politische und territoriale<br />

Neugestaltung<br />

Mit der Depression der Dreissigerjahre kam für viele Betriebe<br />

das Aus. Die Machtergreifung Hitlers führte zu Erschwernissen<br />

für den Export regionaler Produkte nach<br />

Deutschl<strong>and</strong>. Wegen seiner geographischen Lage war der<br />

Klettgau besonders benachteiligt, denn der Weg in die<br />

Schweiz führte für Schweizer Klettgauer entweder durch<br />

Deutschl<strong>and</strong> oder über lange Umwege durch Schaffuausen<br />

und Neuhausen.<br />

Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde sofort in<br />

beiden Ländern die Rationierung eingeführt. Viele Materialien<br />

wurden gesammelt und wiederverwertet, beispielsweise<br />

Metalle, Gummi, Kaffeesatz und Knochen. Mit dem<br />

Krieg wurde eine stärkere Kontrolle der Wirtschaft durch<br />

den Staat eingeführt. In der Schweiz wurden die Löhne<br />

durch den Staat festgeschrieben. Wieder einmal litt die<br />

Wirtschaft unter den Folgen des Krieges. Hitler verbot die<br />

Einfuhr von Tabak und Schokolade, Klettgauer Händler<br />

verloren einen Teil ihrer Kundschaft. Während des Krieges<br />

blieb die <strong>Region</strong> von Kriegsh<strong>and</strong>lungen weitgehend verschont,<br />

im Gegensatz zu den grossen Industriegebieten<br />

Deutschl<strong>and</strong>s.<br />

Nach Kriegsende im Frühling 1945 begann die Zeit der<br />

französischen Besatzung im deutschen Teil des Klettgaus.<br />

Ausgangssperren wurden verhängt, Radios beschlagnahmt.<br />

In der Chronik der Gemeinde Lauchringen (Matt-Willmatt<br />

und Hoggenmüller, 1985) liest man: «Die Schulen waren<br />

geschlossen, es gab keine Zeitung, keinen Telefonverkehr,<br />

keine Post, jeder Ort war für sich völlig abgeschlossen.«<br />

Sämtliche Verkehrsmittel wurden beschlagnahmt oder stillgelegt,<br />

alle arbeitsfähigen Männer schickte die Militärregierung<br />

nach Frankreich ins Arbeitslager. Auch Holz- und<br />

Viehbestände gingen in französischen Besitz über. Allgemeine<br />

Güterknappheit führte dazu, dass der H<strong>and</strong>el aufdem<br />

Schwarzmarkt florierte. Die von den Alliierten durchgeführte<br />

Entnazifizierung läutete das neue Kapitel des Wiederaufbaus<br />

ein.<br />

Die Konjunktur der Nachkriegszeit liess H<strong>and</strong>el und Gewerbe<br />

im Kanton Schaffuausen florieren. Dennoch war der<br />

Einfluss exp<strong>and</strong>ierender Grossunternehmen spürbar, und<br />

dieser Trend hat sich bis heute fortgesetzt.<br />

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UNS-Fallstudie '98

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