Unabhängiges wissenschaftliches Gutachten zum Flughafenprojekt ...

H. Bossel – Gutachten zum Flughafenprojekt Kassel-Calden – 18. 01. 2002 14
1. Zukünftige Passagierzahlen: Denkbares und Wahrscheinliches
Ermittlung von Flugreisepotential und Marktanteil
Das jährliche Passagieraufkommen ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg
eines Flughafens. Problematisch hieran ist besonders, dass der wirtschaftliche Erfolg wiederum auf
die Attraktivität des Flughafens für Flugreisende und Fluglinien entscheidenden Einfluss hat, aus der
sich der Marktanteil am regionalen Flugreise-Aufkommen ergibt. Damit besteht eine
Rückkopplungsschleife (Abbildung 1) die im günstigen Fall zu höherer Attraktivität, höheren
Passagierzahlen und wirtschaftlichem Erfolg, im ungünstigen Fall zu niedrigen Passagierzahlen,
wenigen Flugverbindungen und Defiziten führt. Dieser Rückkopplungsprozess macht Abschätzungen
zukünftiger Passagierzahlen unsicher. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass ein
defizitärer Flughafen kaum Möglichkeiten zur Verbesserung seiner Attraktivität hat und sich damit
seine prekäre wirtschaftliche Situation weiter verschärfen muss.
Das Passagieraufkommen eines
Flughafens ergibt sich – wie in
Abbildung 1 angedeutet – aus der
Flugreisehäufigkeit der Bevölkerung
des Einzugsgebietes, multipliziert mit
der Bevölkerungszahl der Region und
dem Marktanteil des Flughafens am
Flugreise-Aufkommen aus der Region.
Die Flugreisehäufigkeit gibt die
durchschnittliche Zahl der Flugreisen
pro Jahr und Einwohner an. Sie ist in
erster Linie bestimmt durch externe
Bedingungen wie Flugpreise,
persönliche Einstellungen zum Fliegen
(Sicherheit), staatliche Eingriffe
(Besteuerung), Einkommen,
Wirtschaftsaktivitäten, geographische
(Entfernungen) und klimatische
Gegebenheiten (Urlaubsflüge!) und
weist daher nationale und regionale
Flugreisehäufigkeit
Marktanteil an
Flügen aus der
Abbildung Region 1
Dynamik der
Wirtschaftlichkeit
Passagierzahlen
wirtschaftlicher
Erfolg
Attraktivität
Unterschiede auf. Auch innerhalb eines Landes ist die Flugreisehäufigkeit – strukturbedingt –
unterschiedlich. Es ist anzunehmen, dass die Flugreisehäufigkeit in der nordhessischen Region aus
strukturellen Gründen unter dem nationalen Durchschnitt liegt. Genauere Untersuchungen hierzu
liegen nicht vor.
Aus den Passagierzahlen der Statistik der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen
(ADV), die nicht nach Hauptwohnsitz der Passagiere (innerhalb oder außerhalb Deutschlands)
unterscheidet, lassen sich Flugreisehäufigkeiten bezogen auf die Bevölkerungszahl ermitteln. Dabei
ist zu beachten, dass ein großer Teil der An- und Abflüge auf deutschen Flughäfen von Ausländern
durchgeführt werden, die in anderen Ländern ihren Hauptwohnsitz haben. Die so ermittelten
Flugreisehäufigkeiten geben also keine ausreichende Information über das Flugverhalten der
Einwohner Deutschlands, sondern lediglich über die Zahl der auf deutschen Flughäfen getätigten
Flugreisen bezogen auf die Einwohnerzahl. Insofern lassen sich aus der Flugreisehäufigkeit aber
Schätzungen über Passagierzahlen an deutschen Flughäfen ableiten, wenn auch nicht über das
Flugverhalten in Deutschland wohnhafter Personen.
Aus der ADV Statistik 9 ergeben sich für 2000 die folgenden Flugreisehäufigkeiten im deutschen
Flugverkehr (82 Mio Einwohner in Deutschland, Zahl der Flugreisen = Passagierzahlen (An + Ab)
geteilt durch 2; ausländische Reisende inbegriffen):
Flugreisehäufigkeit FRH (einschl.
ausländischer Besucher) bezogen auf
Bevölkerung in Deutschland (82 Mio)
Flugreisen in Deutschland 0.26
Flugreisen in Europa 0.45