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Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk

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zungen in Bezug auf die Präambel ausfalten<br />

lassen: Während der Verfassungsvertrag<br />

bewusst auf einen Gottesbezug verzichtet<br />

und lediglich das „kulturelle, religiöse und<br />

humanistische Erbe“ Europas in seiner Präambel<br />

anspricht, ohne das Christentum <strong>als</strong><br />

entscheidenden Bestandteil dieses Erbes<br />

ausdrücklich zu nennen, hat „der polnische<br />

Papst“ Johannes Paul II. Europa unermüdlich<br />

an seine christlichen Wurzeln erinnert<br />

und dazu aufgerufen, den Geist des Evangeliums<br />

auf dem „alten“ Kontinent lebendig<br />

zu halten. Auch sein deutscher Nachfolger<br />

hat nicht nur mit seiner Namenswahl - die<br />

mit Benedikt von Nursia, den Vater des<br />

westlichen Mönchtums und „Patron Europas“,<br />

an eine der prägendsten Gestalten für<br />

die Herausbildung des christlichen Abendlandes<br />

erinnert - vor den Gefährdungen<br />

eines von seinen christlichen Wurzeln abgeschnittenen,<br />

in seiner kulturell-religiösen<br />

Identität beschädigten Europas gewarnt.<br />

Nach der jüngsten Audienz der (protestantischen)<br />

Bundeskanzlerin in Castel Gandolfo<br />

scheint eine Annäherung zwischen<br />

deutschen, polnischen wie vatikanischen<br />

Positionen jedochnicht mehr gänzlich ausgeschlossen<br />

zu sein.<br />

Auch wenn die katholische Christenheit<br />

in Europa keinen geschlossenen Block<br />

darstellt (in Deutschland hat das Christentum<br />

traditionell eine konfessionelle Doppelstruktur,<br />

während der Katholizismus in Polen<br />

stark durch die Verbindung zur Nation<br />

charakterisiert ist) und es eine konfessionsübergreifend<br />

christliche Position zu Europa<br />

nicht gibt, so dass die europäische Dimension<br />

des gemeinsamen Christ- wie Kirche-<br />

Seins beim „Durchschnittsgläubigen“ (viel<br />

zu) wenig im Blick ist, so lassen sich doch<br />

einige Charakteristika christlichen Engagements<br />

für Europa herausstreichen: Weil<br />

christliche Kreise im Westen während des<br />

Kalten Krieges stets Kontakte mit den Kirchen<br />

im östlichen Teil Europas gepflegt haben,<br />

scheinen sie jetzt geradezu prädestiniert<br />

zu sein, Ressentiments gegen die 2004 erfolgte<br />

Erweiterung der Europäischen Union<br />

entgegenzutreten, und dafür zu werben,<br />

die neuen Mitgliedsstaaten nicht <strong>als</strong> lästige<br />

Konkurrenten, sondern <strong>als</strong> kulturelle Bereicherung<br />

wahrzunehmen (vgl. dazu auch<br />

die „Einladung zur Reflexion“ über „Das<br />

Werden der Europäischen Union und die<br />

Verantwortung der Katholiken“ der Kommission<br />

der Bischofskonferenzen der Europäischen<br />

Gemeinschaft, COMECE, vom 9.<br />

Mai 2005). Der Ausbau der ökumenischen<br />

Zusammenarbeit ist eine gerade wegen der<br />

nationalen Prägung vieler Kirchen schwierige,<br />

aber auf europäischer Ebene überaus<br />

wichtige Aufgabe der Zukunft. Und<br />

schließlich: Christen sind aus ihrem Glauben<br />

heraus in besonderer Weise dazu aufgefordert,<br />

für Freiheit, Gleichheit, Solidarität<br />

- und somit für die (gerade auch europaweite)<br />

Achtung der Grundrechte - einzutreten,<br />

so wie auch der Entwurf für den Verfassungsvertrag<br />

die Charta der Grundrechte<br />

enthält, die mit dem Bekenntnis zur Unantastbarkeit<br />

der Würde des Menschen beginnt<br />

und das Recht auf Gedankens-, Gewissens-<br />

und Religionsfreiheit garantiert.<br />

Wie Christen konkret politisch agieren,<br />

hängt jedoch vor allem von der jeweiligen<br />

politischen Konstellation ihres Landes ab,<br />

denn aus dem Evangelium lässt sich „keine<br />

Blaupause für ein christlich inspiriertes<br />

Europa ableiten, und auch der Rückgriff auf<br />

die Geschichte des Christentums in Europa<br />

liefert kein Modell, an dem man sich heute<br />

orientieren könnte“ (Ulrich Ruh, Europa<br />

und die Christen, in: Herder Korrespondenz<br />

59 (7/2005), 325-327).<br />

Zur kirchlichen Situation<br />

Für die katholische Kirche in Polen bedeutete<br />

der Tod von Papst Johannes Paul II.<br />

im April 2005 einen epochalen Einschnitt,<br />

versetzte das ganze Land zunächst in einen<br />

Ausnahmezustand. War man bislang daran<br />

gewöhnt, in Rom über eine Führungsfigur<br />

von unbestrittener Autorität zu verfügen,<br />

die sich - wie beispielsweise 2003 beim Referendum<br />

über den Beitritt zur Europäischen<br />

Union - immer wieder auch in innerpolnische<br />

Auseinandersetzungen einmischte,<br />

fühlt sich die katholische Kirche nach dem<br />

Tod des „größten Polen aller Zeiten“ geradezu<br />

verwaist. Vor allem junge und jetzt studierende<br />

Gläubige empfanden dies auch <strong>als</strong><br />

eine persönliche Zäsur in ihrem Leben.<br />

Auch in der jetzigen politischen wie<br />

kirchlichen Situation, da keiner der pol-<br />

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