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Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk

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stadt und Judenviertel dokumentieren und<br />

präsentieren will.<br />

Dieses Judenviertel, die jüdische Bevölkerung<br />

der Stadt und des Bezirks Lublin,<br />

zählte schon im 15. Jahrhundert zu den<br />

größten in Polen und hatte eine kunsthistorisch<br />

bedeutende Synagoge vorzuweisen,<br />

die „Maharshal Shul“ von 1567. Obwohl die<br />

Juden mit einem Bevölkerungsanteil von<br />

ungefähr 10 Prozent die größte Minderheit<br />

Polens bildeten, gab es Landstriche, in denen<br />

sie keine Rolle spielten, während die Juden<br />

in Wilna, Posen, Lublin, Krakau und<br />

Lemberg mit 30 bis 50 Prozent der Einwohnerschaft<br />

das Leben der Stadt prägten. Die<br />

Shtetl, Kleinstädte mit überwiegend oder<br />

ausschließlich jüdischer Bevölkerung, entstanden<br />

erst im 18. und 19. Jahrhundert.<br />

Charakteristika jüdischen Lebens in Polen<br />

Die für Europa ungewöhnliche Größe<br />

der jüdischen Gemeinschaft in Polen erklärt<br />

sich aus der lange Zeit vergleichsweise<br />

judenfreundlichen Politik der polnischen<br />

Könige. Juden, die 1492 aus Südeuropa,<br />

blieb auch die jüdische Gemeinschaft Polens<br />

nicht von Ritualmordprozessen, Verfolgungen<br />

und Anfeindungen verschont<br />

– darunter das große Trauma des Ostjudentums<br />

schlechthin: 1648, der Aufstand und<br />

Raubzug des ukrainischen Kosaken-Hetman<br />

Chmielnicki, dessen Gewaltexzesse<br />

ein Viertel der jüdischen Bevölkerung das<br />

Leben kosteten.<br />

Lublin – Zentrale jüdischer Selbstverwaltung<br />

Trotzdem ermöglichte der vom Königshaus<br />

verbürgte Schutz der jüdischen<br />

Gemeinden und ihrer Autonomie einen<br />

wirtschaftlichen Aufstieg, der sich in vielen<br />

Lebensbereichen widerspiegelte. So<br />

entwickelte sich Lublin zu einer zentralen<br />

Markt- und Messestadt, in der sich, zunächst<br />

zufällig, die Vertreter der jüdischen<br />

Gemeinden der ganzen Region einfanden.<br />

Um die Steuererhebung zu vereinfachen,<br />

errichtete König Sigismund I (1506-1548)<br />

daraufhin vier jüdische Autonomie-Bezirke,<br />

<strong>als</strong> deren oberstes Verwaltungsorgan<br />

das Lubliner Treffen, der sogenannte „Vierländersejm“<br />

oder „Waad arba arazot“, institutionalisiert<br />

wurde. Diese Art Landtag mit<br />

Gericht regelte jedoch nicht nur die Steuerverwaltung,<br />

sondern praktisch alle Belange<br />

jüdischen Lebens und hatte seinen Sitz von<br />

1530 bis 1764 in Lublin. Heute schwer nachvollziehbar<br />

wurde gleichzeitig das städtische<br />

Privilegium de non tolerandis Judaeis<br />

aufrechterhalten, weshalb es Juden bis 1862<br />

verboten blieb, innerhalb der Stadtmauern<br />

eine Wohnung zu beziehen.<br />

Jeshiva Chachmej Lublin heute: zusammen mit dem<br />

Alten Friedhof letztes Zeugnis jüdischen Lebens im<br />

Stadtbild von Lublin<br />

Böhmen und Teilen des Deutschen Reiches<br />

vertrieben wurden, fanden hier Zuflucht,<br />

Auskommen und Rechtssicherheit. Sie ersetzten<br />

das in Polen unterentwickelte Stadtbürgertum,<br />

etablierten sich in Handwerk<br />

und Handel und reüssierten <strong>als</strong> Verwalter<br />

und Berater von Adel und Regierung. Juden<br />

übernahmen somit eine wirtschaftliche<br />

Schlüsselfunktion, die sie in Verbindung<br />

mit ihrer religiösen Andersartigkeit leicht<br />

angreifbar machte. Dementsprechend<br />

Lublin – Zentrum jüdischen Geisteslebens<br />

Im 16. Jahrhundert kam es außerdem zur<br />

Gründung mehrerer theologischer Hochschulen,<br />

die in der gesamten jüdischen Welt<br />

großes Ansehen genossen. An der Lubliner<br />

Jeshiva lehrte dam<strong>als</strong> Shalom Shashna<br />

(1500-1558), der „Doctor Judaeorum Lublinensium“,<br />

aus dessen Schule zwei der berühmtesten<br />

Rabbiner Polens hervorgingen:<br />

Moses Isserles, Mitverfasser einer der bedeutendsten<br />

Gesetzesauslegungen des Judentums<br />

(Shulchan Aruch), und Salomon<br />

Luria, der in der Auseinandersetzung mit<br />

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