Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk
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Das „Lubliner Komitee“:<br />
Polnische Keimzelle des kommunistischen<br />
Staates oder „Marionettentheater“ Stalins?<br />
von Bernward Winter<br />
Das „Polnische Komitee für die nationale Befreiung“, auch „Lubliner Komitee“<br />
genannt, steht für die Übernahme des politische Einflusses durch die Stalinisten<br />
im befreiten Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch welche Rolle hat<br />
es dabei wirklich gespielt? Um sich einer Antwort dieser Frage am Ende dieses<br />
Essays zu nähern, wird zunächst die Situation Polens zwischen 1939 und 1944<br />
dargestellt und die Entstehung des Lubliner Komitees beschrieben.<br />
Die Situation Polens zwischen 1939 und<br />
1944<br />
Kurze Zeit nach dem deutschen Angriff<br />
am 1. September 1939 hörte Polen auf, <strong>als</strong><br />
eigenständiger territorialer Staat zu existieren:<br />
Der westliche Teil wurde bis zu einer<br />
Linie östlich von Ostrolenka, Lodz, Sosnowitz<br />
und Bielitz unter dem Namen „Eingegliederte<br />
Ostgebiete“ direkt an das deutsche<br />
Reich angeschlossen. Der mittlere Teil,<br />
ebenfalls von der Deutschen Wehrmacht<br />
besetzt, war <strong>als</strong> „Generalgouvernement“<br />
eine vom deutschen Reich abhängige Kolonie.<br />
Der östliche Teil war durch sowjetische<br />
Truppen besetzt, offiziell <strong>als</strong> „Schutz der<br />
ukrainischen und weißruthenischen Bevölkerung“,<br />
tatsächlich aber in Erfüllung des<br />
geheimen Zusatzprotokolls des Hitler-Stalin-Paktes,<br />
das Polen zwischen Deutschland<br />
und der Sowjetunion aufgeteilt hatte.<br />
Sowohl die deutschen <strong>als</strong> auch die sowjetischen<br />
Besatzer begannen sofort mit umfassenden<br />
„Säuberungsaktionen“, denen fast<br />
die gesamte geistige Elite Polens zum Opfer<br />
fiel, durch Deportationen oder Exekutionen.<br />
Außerdem waren im deutschen Einflussbereich<br />
die Juden völlig rechtlos und wurden<br />
in Ghettos zusammengepfercht oder umgebracht.<br />
Der polnische Staatspräsident Ignacy<br />
Mościcki und die Regierung waren bereits<br />
Mitte September 1939 nach Rumänien geflohen<br />
und dort interniert worden. Mościcki<br />
ernannte Władysław Raczkiewicz zu seinem<br />
Nachfolger, der in Frankreich eine neue Regierung<br />
bildete, die von Großbritannien,<br />
Frankreich und den Vereinigten Staaten <strong>als</strong><br />
rechtmäßige Exilregierung Polens anerkannt<br />
wurde. Dieser westlich orientierten Regierung<br />
gehörten alle Parteien bis auf die kommunistische<br />
an; sie wurde von Władysław<br />
Sikorski geleitet. Die Exilregierung stellte<br />
eine Armee aus Auslandspolen zusammen,<br />
die 84.000 Mann stark wurde und in Frankreich<br />
und Norwegen gegen das Deutsche<br />
Reich kämpfte. Wichtig dabei war neben<br />
der militärischen Schlagkraft vor allem die<br />
politische Bedeutung, wurde doch Polen auf<br />
diese Weise ermöglicht, <strong>als</strong> kriegsführende<br />
Macht weiterhin aktiv zu sein. Zugleich<br />
steuerte die Exilregierung einen polnischen<br />
Untergrundstaat, der, vom Generalgouvernement<br />
ausgehend, bis 1941 das gesamte<br />
unter deutscher Besatzung stehende Gebiet<br />
umfasste. Zu ihm gehörten unter anderem<br />
ein geheimes Schul- und Universitätssystem<br />
und eine Untergrundarmee, „Heimatarmee“<br />
(Armja Krajowa, AK) genannt. Nach<br />
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