Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk
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Odilo Globocnik<br />
1940 ermordeten sie zwischen 60.000 und<br />
80.000 Menschen. Mittelfristiges Ziel der<br />
Besatzungspolitik war es, unter zunächst<br />
größtmöglicher Ausplünderung der wirtschaftlichen<br />
Ressourcen neuen „Lebensraum“<br />
für das deutsche Volk zu „germanisieren“.<br />
Die zu dezimierende polnische<br />
Bevölkerung sollte ausgebeutet, auf ein<br />
Helotendasein herabgedrückt und im Stil<br />
eines korrupten, primitiv-despotischen Kolonialregimes<br />
beherrscht werden.<br />
Mit der geglückten Eroberung „neuen<br />
Lebensraums“ im Osten boten sich nun<br />
ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten<br />
für die Verwirklichung der nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />
Utopie, mithin für die rassische<br />
Neuordnung Deutschlands, bald Europas.<br />
Nach dem Ende der militärischen Operationen<br />
gliederten die deutschen Besatzer weite<br />
Teile West- und Zentralpolens <strong>als</strong> neue<br />
Reichsgaue Wartheland und Danzig-Westpreußen<br />
dem Reich ein. Die „rassisch minderwertigen“<br />
Polen wurden verdrängt und<br />
vertrieben, vor allem ins unter deutscher<br />
Zivilverwaltung stehende, aus dem größten<br />
Teil Zentralpolens gebildete Generalgouvernement.<br />
Binnen kürzester Zeit entwickelte<br />
sich das Generalgouvernement zum Experimentierfeld<br />
der rassistischen NS-Vernichtungspolitik,<br />
der – ohne dabei die Leiden<br />
der übrigen polnischen Bevölkerung gering<br />
zu schätzen – in besonderem Ausmaß die<br />
polnischen Juden zum Opfer fielen.<br />
Rund 2 Millionen polnische Juden gerieten<br />
mit der Eroberung des östlichen Nachbarn<br />
in den deutschen Herrschaftsbereich;<br />
damit hatte sich die Zahl der Juden, die<br />
dem nation<strong>als</strong>ozialistischen Zugriff ausgeliefert<br />
waren, schlagartig versechsfacht. Insbesondere<br />
der Distrikt Lublin, der zuvor im<br />
Herzen Polens gelegen hatte und nun an die<br />
äußerste Peripherie des deutschen Machtbereichs<br />
gerückt war, geriet schon früh in den<br />
Focus der bald einsetzenden Planungen einer<br />
„territorialen“ Endlösung der Judenfrage:<br />
Zwischen Weichsel und Bug sollte<br />
ein „Judenreservat“, wahlweise auch <strong>als</strong><br />
„Reichs-Ghetto“ oder „Naturschutzgebiet“<br />
tituliert, für die Juden aus dem Reich eingerichtet<br />
werden. Offen formuliertes Ziel war<br />
der indirekte Völkermord, denn das unwirtliche,<br />
sumpfige Gebiet – so das Kalkül<br />
– würde quasi von selbst zu einer starken<br />
Dezimierung der Juden führen. Über einige<br />
„Probedeportationen“, die Nisko am San<br />
zum Ziel hatten, kam der Plan jedoch nicht<br />
hinaus; er scheiterte an der Opposition der<br />
Zivilverwaltung des Generalgouvernements<br />
gegen ein Judenreservat auf ihrem Gebiet.<br />
Ersatzweise rückte in Berlin mit dem Westfeldzug<br />
der Plan in den Vordergrund, die<br />
europäischen Juden auf die französische Insel<br />
Madagaskar zu deportieren.<br />
Im Generalgouvernement verlagerte<br />
sich die Steuerung der Judenverfolgung<br />
damit auf die lokale Ebene, wo die Verantwortlichen<br />
vor Ort ein erhebliches Maß<br />
an Initiative bei der Lösung des „Judenproblems“<br />
entwickelten. Als die Deportation<br />
der Juden nach dem Scheitern auch<br />
des Madagaskar-Projekts auf unbestimmte<br />
Das Generalgouvernement<br />
Zeit aufgeschoben wurde, begann die Besatzungsverwaltung<br />
vor Ort, die Juden in<br />
Ghettos zu pferchen: Dies sollte sowohl die<br />
Ausbeutung ihrer Arbeitskraft rationalisieren<br />
<strong>als</strong> auch durch katastrophale Lebensbedingungen<br />
zu möglichst vielen Todesopfern<br />
führen. In der Stadt Lublin bestand ein abgegrenzter<br />
jüdischer Wohnbezirk seit dem<br />
März 1941; er war in direktem Zusammenhang<br />
mit dem beginnenden Aufmarsch der<br />
Wehrmacht für das Unternehmen Barbarossa<br />
errichtet worden.<br />
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