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Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk

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fend die Moralvorstellungen <strong>als</strong> auch das<br />

allgemeine Nationalgefühl tief prägt.<br />

Wir sind <strong>als</strong> Deutsche in einer Gesellschaft<br />

sozialisiert worden, in der man sich<br />

aus historischer Schuld heraus schwer tat<br />

und tut eine „nationale Identität“ zu formulieren<br />

oder einem Nationalbewusstsein<br />

öffentlich Ausdruck zu verleihen. In Polen<br />

dagegen ist man stolz auf die eigene Geschichte<br />

und sieht sich <strong>als</strong> Einzelne/r viel<br />

stärker dieser nationalen Gemeinschaft verbunden<br />

und zugehörig.<br />

Durch unser Leben und Arbeiten mitten<br />

unter den Menschen hier sind wir zugleich<br />

Über-Mittler unserer Erfahrungen<br />

und Eindrücke an unsere Familien und<br />

Freunde in Deutschland. Manchmal, wenn<br />

diese den Weg zu uns hierher finden und<br />

manches lang gehegte Vorurteil durch eigene<br />

Anschauung und Begegnung aufgebrochen<br />

werden kann, dürfen wir auch Ver-<br />

Mittler sein.<br />

„Mittendrin?“ – Deutsch-polnische<br />

Beziehungen<br />

Deutsch-polnische Beziehungen lassen<br />

sich nicht allein theoretisch reflektieren.<br />

Von der Wirklichkeit bilden die Statements<br />

der Politiker, gesellschaftliche (Groß-)Ereignisse,<br />

Teilnehmer-Statistiken von Veranstaltern<br />

oder die regelmäßig veröffentlichten<br />

Vergleichsstudien nur einen Teil<br />

ab. Um sie in ihrem ganzen Umfang zu erfahren,<br />

müssen wir sozusagen Wege in die<br />

„deutsch-polnische Mitte“ suchen.<br />

Die „Mitte“, von der Dedecius spricht,<br />

verstehe ich <strong>als</strong> ein Erkennen des „Eigenen“<br />

durch das „Andere“, <strong>als</strong> eine Bereicherung<br />

durch Gemeinsames und Trennendes.<br />

Sich der eigenen Identität bewusst<br />

zu werden heißt auch Aspekte nationaler<br />

Identität, die in Deutschland lange verdrängt<br />

wurden, zu erkennen und zuzulassen.<br />

Dies geschieht jedoch zumeist erst<br />

in der Begegnung und Auseinandersetzung<br />

mit Menschen anderer Nationen.<br />

uns einmal mehr die Brisanz und Aktualität<br />

von Ereignissen, die manchmal längst<br />

vergangen scheinen und nicht selten <strong>als</strong> abgeschlossen<br />

betrachtet werden wollen. Sie<br />

durchdringen unsere Welten, reißen Gräben<br />

auf, trennen.<br />

Unsere nationalen Identitäten, die deutsche<br />

wie die polnische, sind von der Zeit<br />

des Nation<strong>als</strong>ozialismus und den damit zusammenhängenden<br />

Vertreibungen geprägt.<br />

Wenn wir Wege in die Mitte suchen wollen,<br />

müssen wir uns unseren Erinnerungen<br />

stellen, diese zur Sprache und damit in unsere<br />

Mitte bringen.<br />

„Mittendrin!“ – Das Europäische Doktorandenkolloquium<br />

Das Kolloquium „Erinnerung und Identität“<br />

möchte hierzu einen Beitrag leisten.<br />

Dabei sehe ich eine zweifache Herausforderung<br />

an uns alle:<br />

Zum einen setzen wir uns mit einem sensiblen<br />

gesellschaftspolitischen Thema auseinander,<br />

das in möglichst unterschiedlichen<br />

Facetten an ebenso verschiedenen Orten<br />

beleuchtet werden soll. Dabei werden wir<br />

selbst <strong>als</strong> Teil einer Gesellschaft mit ihrem<br />

jeweiligen kollektiven Gedächtnis angesprochen,<br />

Aspekte unserer (unter anderem<br />

nationalen) Identität werden sichtbar und<br />

wir müssen uns ihnen stellen.<br />

Zum anderen liegen aus meiner Sicht in<br />

der persönlichen Begegnung mit den anderen<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmern die<br />

Aufgabe und zugleich die Chance, durch<br />

Zuhören, Fragen und eigenes Erzählen,<br />

durch gemeinsames Erleben und Diskutieren<br />

die „Mitte“ auszuloten, von der Dedecius<br />

spricht. Wie erlebe ich die anderen, wie<br />

werde ich selbst wahrgenommen vor dem<br />

Hintergrund meines Deutsch- bzw. Polnisch-Seins?<br />

Wie viel von dem, was meine<br />

Identität ausmacht, gehört auch zur Identität<br />

meines Gegenübers?<br />

Ich wünsche uns allen bereichernde Begegnungen<br />

in der Mitte Europas!<br />

Die aktuellen Konflikte auf der offiziellen<br />

deutsch-polnischen Bühne zeigen<br />

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