Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk
Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk
Textbuch als PDF (2,6 MB) - Cusanuswerk
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
(24,9) und „sagen“ (24,10b) den Jüngern<br />
„dies alles“ (24,9) bzw. „dieses“ - auf aktualisierende<br />
Wiederholung, auf Erzählung,<br />
wird aber verzichtet. Den Jüngern bleibt<br />
nichts anderes übrig, <strong>als</strong> das so Verkündete,<br />
„diese Worte“ (24,11) für leere Worte,<br />
für Geschwätz zu halten. Auch Petrus, der<br />
die Depression mit Aktivität - er rennt zum<br />
Grab - durchbricht, bleibt nur das Staunen<br />
(24,12) und das Fortgehen; auf der Suche<br />
nach den wahren Worten?<br />
Innerhalb der Erzählung begegnen uns<br />
bedeutungsreiche Anspielungen sowohl<br />
bezüglich des Motivs der Worte, wie auch<br />
bezüglich der mit den Komponenten Vergegenwärtigung<br />
und Wiederholung gebildeten<br />
Erinnerungsstruktur. Dort, wo in<br />
Lk 23,50-24,12 die Worte Jesu ausdrücklich<br />
wiederholt und vergegenwärtigt werden,<br />
ermöglicht dieses kommunikative<br />
Gedächtnis einen Erkenntnisakt (24,8);<br />
„to ‚remember‘ can hardly mean to recall<br />
something which had been forgotten, but<br />
rather to repeat sayings to oneself, and to<br />
allow them once more to have their effect<br />
on the soul.“ <br />
Innerhalb der dritten Episode der Erzählung<br />
findet eine solche Verdichtung<br />
nicht statt. Zwar heißt es, die Frauen berichteten<br />
und verkündeten „dies alles“<br />
bzw. „dieses“ (24,9f), womit eine im Denken<br />
Israels bekannte Identifikationsformel<br />
verwendet wird, doch wird auf eine ausführliche<br />
Schilderung, eine vergegenwärtigende<br />
Erzählung all dessen verzichtet. Das<br />
hat zur Folge, dass im Text selbst auch die<br />
Worte Jesu nicht noch einmal ausdrücklich<br />
wiederholt werden, mit deren Explikation<br />
die Frauen selbst sich erinnern konnten.<br />
Die Vermutung drängt sich auf, dass<br />
innerhalb des Berichtes der Frauen be-<br />
Vgl. dazu: Assmann, Jan (1992), Das kulturelle<br />
Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische<br />
Identität in frühen Hochkulturen, München, S.<br />
48-66.<br />
Dahl, N. A., (1947) : Anamnesis. Mémoire et<br />
Commémoration dans le christianisme primitif,<br />
in: Studia Theol. 1, S. 69-75, hier: 70; zitiert<br />
nach: Gerhardsson, Birger, Memory and<br />
Manuscript: Oral Tradition and Written Transmission<br />
in Rabbinic Judaism and Early Christianity,<br />
(ASNU 22), Lund 1964 2 , S. 228.<br />
stimmte Komponenten fehlen, so dass das<br />
Erinnerungsvermögen der Jünger nicht<br />
ausreichend aktiviert werden kann. Dass<br />
„diese Worte“ dann <strong>als</strong> „Geschwätz“, <strong>als</strong> leeres<br />
Gerede erscheinen müssen (24,11), liegt<br />
in der Dynamik der für die Apostel noch<br />
unvollständigen Identifikation. Gelingt allerdings<br />
innerhalb einer Kommunikation<br />
diese Identifikation (24,5b-7), dann haben<br />
die Worte Jesu eine eminente Bedeutung:<br />
Sie bestätigen sein Wissen um sich selbst<br />
und teilen dieses Wissen mit. Leer ist dann<br />
nur das Grab. Jesu Abwesenheit besteht<br />
dann „only ‚among the dead‘ [...The] words<br />
of Jesus himself provide the interpretive key<br />
to his absence among the dead.” Den Weg<br />
zu dieser Erkenntnis finden die Frauen einzig<br />
“through the maze of memory.” <br />
Die Mnemotechnik, der die zitierten<br />
Worte Jesu in Lk 24,5b-7 folgen, gleicht<br />
zum einen strukturell (Vergegenwärtigung<br />
und Wiederholung), zum anderen bezüglich<br />
ihres Mediums (Worte) und letztlich<br />
in ihrer inhaltlichen Option (Leben versus<br />
Tod) der Weise der im Deuteronomium zugrunde<br />
gelegten Exodusmemoria. Denn im<br />
Deuteronomium, der identity card Israels,<br />
wird denjenigen, die die Exodusmemoria<br />
wahren und auf die Worte JHWHs hören,<br />
Zukunft in Aussicht gestellt: „Hört, und<br />
ihr werdet leben“ (Dtn 4,1) verheißt der<br />
Gott Israels dort.<br />
Pointiert man die Oppositionen im vorliegenden<br />
Text ausdrücklich, dann lassen<br />
sich zwei Weisen des Vergangenheitsbezugs<br />
herausarbeiten: F<strong>als</strong>ch verstandener Totenkult<br />
auf der einen Seite und Erinnerung<br />
in der biblisch vermittelten Aneignungsweise<br />
von Vergegenwärtigung und Wiederholung<br />
auf der anderen Seite. In der Erinnerung<br />
an die in Galiläa von Jesus gesagten<br />
Worte hängt die Fähigkeit, ihn <strong>als</strong> Lebenden<br />
wahrzunehmen, den der Gott Israels,<br />
gemäß den Worten der Schrift, auferweckt<br />
hat - Riten des Todes erübrigen sich gegenüber<br />
einem Lebenden. Diese Feststellung<br />
soll die Treue Joseph von Arimathäas ebenso<br />
wenig wie die der Frauen abwerten: Es<br />
Johnson, Luke Timothy (1992): The not so<br />
empty tomb, Lk 24,1-11, in: Interpretation 46,<br />
1992, S. 57-61, hier: 60.<br />
Ebd.<br />
24