Kontrastierungen als effektive Lerngelegenheiten zur ... - IFVLL
Kontrastierungen als effektive Lerngelegenheiten zur ... - IFVLL
Kontrastierungen als effektive Lerngelegenheiten zur ... - IFVLL
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kapitel 3 - Kompetenzen und Probleme beim Verständnis von Graphen<br />
3. Kompetenzen und Probleme beim Verständnis von Graphen<br />
Obwohl Graphen solche guten Denk- und Kommunikationswerkzeuge darstellen, werden sie spontan<br />
relativ selten <strong>zur</strong> Problemlösung genutzt, auch wenn das Problem dies nahe legt (Cox & Brna, 1995;<br />
Rode & Stern, 1999; Stern, Rode, Zhu, & Fang, 2001) 12 . Dass Graphen intuitiv verstanden und die<br />
darin dargestellten Informationen vom Leser sofort erfasst werden, wie häufig vorausgesetzt wird,<br />
kann jedoch auf der Basis von empirischen Studien angezweifelt werden. Stattdessen zeichnet sich für<br />
die Interpretation und Konstruktion von Graphen ein klares Bild von frühen Kompetenzen und<br />
späteren Defiziten ab, die in diesem Abschnitt dargestellt werden. Dafür scheint ist es sinnvoll,<br />
zwischen verschiedenen Anforderungen bei der Interpretation von Graphen zu unterscheiden. In der<br />
Literatur existieren verschiedene Konzeptionen von Aufgaben, die sich größtenteils überlappen,<br />
jedoch unterschiedliche Terminologien benutzen (Curcio, 1987; Wainer, 1992). Dabei werden in der<br />
Regel drei Stufen der Interpretation unterschieden, für die unterschiedliche Kompetenzen sichtbar<br />
werden.<br />
Auf der niedrigsten Stufe der Interpretation von Graphen (read data) müssen nur einfache Informationen,<br />
d. h. konkrete Datenpunkte, auf dem Graphen identifiziert und in einen verbalen Code übersetzt<br />
werden. Grundlegend für ein Verständnis von Graphen ist das Verständnis von Koordinaten bzw. des<br />
Kartesischen Systems, welches für andere Formen von graphischen Repräsentationen, wie beispielsweise<br />
dem Balken oder Tortendiagramm, nicht nötig ist. Auf der zweiten Anforderungsstufe (read<br />
between data) wird vom Graphenleser verlangt, dass er verschiedene Datenpunkte miteinander in<br />
Beziehung setzt, über sie interpoliert und Beziehungen zwischen den abgetragenen Variablen erkennt.<br />
So wird das Erschließen von Informationen anhand der unterschiedlichen Steigung von zwei Graphen<br />
oder aus deren Maxima <strong>als</strong> Anforderungen der zweiten Stufe betrachtet.<br />
Auf der höchsten Stufe werden Informationen spezifiziert, die über die konkrete Datenlage des<br />
Graphen hinausgehen (read beyond data). Aktivitäten auf diesem Level sind das Generieren von<br />
Hypothesen über die dargestellten Daten, Extrapolieren über den dargestellten Datenbereich hinaus<br />
und die Analyse von Beziehungen, die implizit in der Aufgabe enthalten sind, wie z. B. der Vergleich<br />
von Trends oder mehreren Graphen. Während auf den ersten beiden Stufen ein gewisses Wissen über<br />
die Konventionen und die Syntax der Repräsentationsform nötig ist, muss bei der letzten Stufe das<br />
Wissen über den Kontext oder die Situation hinzugenommen werden, da der Graphenleser hier vor<br />
allem über seine Hypothesen und „Meinungen“ in Bezug zum dargestellten Sachverhalt Auskunft<br />
geben muss (Friel, Curcio, & Bright, 2001). Diese Klassifikation von Anforderungen ähnelt dem<br />
Modell des Textverständnisses von Kintsch, bei welchem erst die Konstruktion eines Situationsmodells<br />
auf der höchsten Stufe ein Zuhilfenehmen von Vorwissen erfordert (Freedman & Shah, 2002).<br />
12 Eine vergleichend angelegte Untersuchung von Stern, Rode, Zhu und Fang (2001), untersuchte chinesische<br />
und deutsche Neuntklässer in ihrem Gebrauch von Visualisierungen <strong>zur</strong> Repräsentation von mathematischen<br />
Textaufgaben. Es zeigte sich, dass die chinesischen Schüler eine stärkere Tendenz <strong>zur</strong> Nutzung solcher<br />
visuell-graphischen Denkwerkzeuge zeigen <strong>als</strong> die deutschen Schüler.<br />
33