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Horizont<br />
Nachlese zu<br />
„Historische Bauten“<br />
Marcus Büchel I Schätzen Sie, wie viele erhaltenswerte und schutzwürdige Bauten in den letzten<br />
zehn Jahren bei uns im Land abgerissen wurden. Zehn, 50, 100? * Der Kampf für den Erhalt<br />
unserer historischen Bausubstanz ist zukunftsträchtig für unsere Identität, gepflastert ist er mit<br />
Niederlagen.<br />
Das herrliche Wetter am vergangenen Samstag nutzten<br />
meine Frau und ich für eine Wanderung in der Bündner<br />
Herrschaft. Maienfeld haben wir zum Zielort erwählt, ist<br />
es doch immer wieder eine Freude, die stattlichen Häuser,<br />
die herrschaftlichen Ansitze, die sich dahinschlängelnden<br />
Gässlein und krummen Mauerreihen, die die ausgedehnten<br />
Rebberge begrenzen, auf sich wirken zu lassen. Jeder<br />
Spaziergang durch das Städtchen hält neue Überraschungen<br />
bereit; ob der Fülle gerät immer wieder Neues in den<br />
Fokus der Aufmerksamkeit. Diesmal war es ein gusseiserner<br />
Brunnen – wasserspendend selbstverständlich – aus<br />
dem Jahre 1882 und ein Torkelhaus aus den 1870er-Jahren.<br />
So wie uns zog es so manche Liechtensteiner in den<br />
Ort südlich der Landesgrenze. Die Fahrer wertvoller Automobile<br />
mit FL-Nummern liessen sich langsam durch die<br />
Gassen gleiten. Das gemächliche Tempo war wohl nicht<br />
nur den engen Strassen, sondern vor allem dem Charme<br />
des Ortes geschuldet, welchen man sich auch als Autofahrer<br />
nicht entgehen lassen wollte. Was hier den Besuchern<br />
aus Liechtenstein ästhetischen Genuss und emotionales<br />
Wohlgefühl bereitet, jenes finden sie zu Hause,<br />
jenseits der Luziensteig kaum noch und es wird weniger<br />
und weniger.<br />
Seit meinem letzten Beitrag in der Weihnachtsausgabe<br />
dieses Magazins waren es wenigstens drei historisch<br />
wertvolle Bauwerke, die der Spitzhacke zum Opfer fielen.<br />
Als ich am 12. Dezember nach Vaduz fuhr, bemerkte ich<br />
mit Schrecken, wie ein Bagger das Haus Nummer 65 an<br />
der Schaaner Landstrasse bereits bis auf die Grundmauern<br />
abgerissen hatte. In einem Interview habe ich Vorsteher<br />
Daniel Hilti dazu befragt (s. in diesem Heft). Heute<br />
mahnt ein Baum in der neuen Häuserlücke an die Existenz<br />
dieses Altbaus.<br />
In der Eschner St. Luzistrasse ist mit dem Haus Nr. 32 aus<br />
dem Jahre 1830 der letzte Zeuge einer ganzen, unbedingt<br />
erhaltenswerten Häuserzeile verschwunden. Eschen kann<br />
nun damit aufwarten, mit seiner historischen Bausubstanz<br />
im Zentrum Tabula rasa gemacht zu haben. Nach<br />
der Rettung der Pfrundbauten im Jahre 1976 wurde alles<br />
andere zerstört.<br />
Tragisch ist auch der in verharmlosender Diktion so genannte<br />
„Rückbau“ des PAV-Gebäudes. Diese im Kern<br />
vor 70 Jahren errichtete Fabrik kann als Leitbau für die<br />
jüngere industrielle Entwicklung von Vaduz, ja des ganzen<br />
Landes bezeichnet werden. Wie kaum ein anderes<br />
Gebäude signalisierte dieses die industrielle Aufwärtsentwicklung<br />
der Nachkriegszeit. Fachleute hielten das Gebäude<br />
nicht zuletzt aufgrund seiner baulichen Qualitäten<br />
für sehr erhaltungswürdig. Dass die Gemeinde Vaduz es<br />
nun bevorzugte, über eine Million Franken in den Abriss<br />
zu investieren, statt diesen Betrag in eine Neunutzung<br />
zu investieren, stellt ein fatales Beispiel für das Vertun<br />
vorhandenen Potenzials dar; an Nutzungsideen fehlte es<br />
ja nicht. Man kann es nicht fassen, mit welcher Leichtigkeit<br />
bei uns materielle und geistige Ressourcen vernichtet<br />
werden. Ein paar oberflächliche Argumente genügen.<br />
Chancen für die Zukunft schaffen und Nachhaltigkeit<br />
sichern, schaut gewiss anders aus. Zweifellos bedarf es<br />
für eine Umnutzung eines Fabrikgebäudes des visionären<br />
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