60plus
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Lebensqualität<br />
Die letzte Station oder<br />
ein vergoldeter Lebensabend<br />
Von Christa Tauern<br />
Was Sie gerade in der Hand halten, ist eine schöne Zeitschrift.<br />
Es ist 60PLUS mit einem kostbaren Layout, mit unterhaltsamen,<br />
oft sehr informativen Artikeln. Mit dem Namen<br />
wird wieder einmal der Älteren gedacht. Wenn ich mir<br />
es gründlich überlege, haben sich mit der Veränderung der<br />
Zeiten auch die Ansichten über das Alter geändert. Wer<br />
60+ ist, wird bestenfalls als reifer Endvierziger eingestuft,<br />
ist also noch jugendlich, wenn man von einigen Gebrauchsfalten<br />
absieht. Im weiter fortgeschrittenen Alter ist allgemeine<br />
Koketterie angesagt. Man ist ewig jung, mit geringen<br />
Einschränkungen, und mit 90 Jahren erwartet es jede<br />
Frau und jeden Mann, wenn er oder sie es dann erlebt, von<br />
der Umwelt als „viiiiel jünger“ gehalten zu werden. Dementsprechend<br />
müsste das Magazin „70PLUS“ heissen. Jene<br />
jungen Alten mit ihren Nikes oder andern modernen Laufschuhen<br />
gehören heute zum alltäglichen Erscheinungsbild.<br />
Sie existieren mit oder ohne Patchworkfamilie, strampeln<br />
mit oder ohne Hund dem Herzinfarkt entgegen, freihändig,<br />
versteht sich, oder rollatorgestützt. Diese Trainings sind<br />
wirklich notwendig, denn auf das rasante Grün, das den<br />
Zebrastreifen auch für Alte freigibt, folgt blitzartig das Rot.<br />
Ist dann der alt-jugendliche Mensch dem Verkehrstod entgangen,<br />
so glaubt man seiner Behauptung, „sich nie und<br />
nimmer ins Heim abschieben zu lassen“. (Mit „Heim“ sind<br />
die komfortablen Alters- und Pflegehäuser gemeint.) Aber<br />
trotz aller sportlichen Bemühungen und der teuren „Anti-<br />
Aging“-Produkte sind die vor Kurzem noch agilen Alten<br />
tapperig geworden. Oder, was noch schlimmer ist, sie vergessen<br />
alles, verlieren die Orientierung und brauchen nun<br />
Tag und Nacht Hilfe. Die zum Glück vorhandenen Kinder<br />
gehören auch schon den reiferen Jahrgängen an und sind<br />
mit ihrer existenzsichernden Arbeit vollauf beschäftigt. Sie<br />
haben keine Zeit. Was also tun? Es bleibt nur der Weg in<br />
ein Alters- und Pflegeheim.<br />
Der vergoldete Rest des Lebens?<br />
Die Autorin dieser Zeilen, auch nicht mehr ganz jung,<br />
ist mit ihrem Mann vor etwa einem Jahr, zusammen mit<br />
dem Hund, also auf insgesamt 8 Beinen, in dieses weite,<br />
sachlich-schöne Haus „St. Mamertus“ in Triesen gezogen.<br />
Die Hoffnung der beiden, im Heim nun einen fröhlichen<br />
Kreis von gleichgesinnten Alten zu finden, ist leider nicht<br />
in Erfüllung gegangen. Die meisten Mitbewohner sind in<br />
körperlich und geistig schlechter Verfassung und ihr Lebenskreis<br />
hat sich auf Besuche von aussen und Erinnerungen<br />
an früher eingeschränkt. Was verlässlich geblieben ist,<br />
das sind die drei oder vier Mahlzeiten am Tag. Ausserdem<br />
bereichern die kompetenten Pflegerinnen mit ihrer Freundlichkeit<br />
und Geduld das Leben der alten Menschen. Die<br />
Hausleitung ist laufend bemüht, den Hochbetagten mit<br />
leichten Aktivitäten wenigstens den letzten Schimmer eines<br />
lebenswerten Lebens zu erhalten. Das sollte mit dankbarem<br />
Herzen begrüsst werden.<br />
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