Reformation und Säkularisierung - Histomat
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Der französische Theologe Richard Simon (1638-1712) unternahm es in seiner «Histoire<br />
critique du Vieux Testament» (Kritische Geschichte des Alten Testaments) von 1678, mit den<br />
Mitteln der sprachlichen <strong>und</strong> sachlichen Textkritik die zuverlässige <strong>und</strong> die falsche Überlieferung<br />
voneinander zu trennen, das heisst durch Ausmerzung des Unzutreffenden zu der Rekonstruktion<br />
der wirklichen Vergangenheit zu gelangen. Ziel seiner Bemühungen war es, die eigentliche<br />
Natur der Dinge, der Lebewesen, des Menschen <strong>und</strong> seiner Welt zu erfassen. Dazu<br />
war es nötig, die von Herkommen, Aberglauben, Vorurteilen oder erstarrten Institutionen verbauten<br />
Zugänge zum wirklichen Sein <strong>und</strong> zu einer vernünftigen Lebensordnung zu öffnen.<br />
Die «Aufklärung» sollte helfen, den Menschen von den Fesseln überlebter Traditionen <strong>und</strong><br />
Auffassungen zu befreien <strong>und</strong> ihn zu selbständigem Vernunftgebrauch hinzuführen. Von solcher<br />
Aufklärung erwarteten die Aufklärer die Entfaltung aller im Menschen angelegten Kräfte,<br />
die Verwirklichung aller Rechte, auf die sie, als Menschen, Anspruch hatten, ja selbst die<br />
allgemeine Glückseligkeit.<br />
Freilich zeigte ein Blick auf die Geschichte, dass ein solcher Fortschritt nicht von heute auf<br />
morgen zu erwarten war, sondern grosser Ausdauer bedurfte, <strong>und</strong> dass die Natur <strong>und</strong> die Bestimmung<br />
des Menschen <strong>und</strong> seiner Einrichtungen weder ein für alle Mal feststand noch für<br />
alle Menschen gleich war. Die Erfahrung der historischen Entwicklung <strong>und</strong> der Verschiedenheit<br />
der Menschen, Völker, Staaten, Kulturen legte die Schlussfolgerung einer nur begrenzten<br />
Geltung, einer Relativität vieler Überzeugungen, Werte, Glaubensgewissheiten nahe <strong>und</strong> war<br />
eine Aufforderung zur Toleranz. Wenn es keine absoluten Wahrheiten gab, war Glaubens-<br />
<strong>und</strong> Gewissensfreiheit geboten.<br />
Neue Staats- <strong>und</strong> Gesellschaftstheorien<br />
Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert definierte Jean Bodin (1530-1596) den Fürst als diejenige Instanz, welche<br />
zwar Rechte setzte, aber selbst diesem Recht nicht unterworfen war (lat. «princeps legibus<br />
solutus»). Von Bodins Staatstheorie leitete sich der Absolutismus ab.<br />
Dieser Rechtfertigung des Staates stellten die Staatsphilosophen des 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
die Lehre vom Naturrecht entgegen. Die Naturrechtstheorie schrieb allen Menschen einen<br />
«natürlichen» Anspruch auf Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit, persönliche Freiheit <strong>und</strong> Selbstbestimmung<br />
zu. Daraus entwickelte sich die Lehre vom «Gesellschaftsvertrag»: Ihr zufolge war der<br />
Staat durch eine Vereinbarung seiner Mitglieder entstanden, um die eigene Existenz zu sichern,<br />
um Recht <strong>und</strong> Ordnung aufrecht zu erhalten <strong>und</strong> um das Eigentum zu schützen. Die<br />
Bewohner eines Staates hatten sich also freiwillig der Staatsmacht samt ihren Leistungsanforderungen<br />
(Gehorsam, Kriegsdienst, Steuern) untergeordnet. Die Schlussfolgerungen, die aus<br />
dieser Theorie gezogen wurden, gingen freilich auseinander.<br />
Thomas Hobbes (1588-1679), der die Wirren des englischen Bürgerkriegs erlebte <strong>und</strong> deshalb<br />
eine starke Staatsgewalt schätzte, verstand den Gesellschaftsvertrag als eine unwiderrufliche<br />
Übertragung der gesamten Staatsgewalt auf einen einzigen Herrscher <strong>und</strong> seine Nachfolger;<br />
damit rechtfertigte er die absolute Monarchie, die in seinen Augen die einzige Staatsform<br />
war, die den in der menschlichen Natur angelegten «Kampf aller gegen alle» zu unterbinden<br />
in der Lage war.<br />
John Locke dagegen (1632-1704), der das Ende des englischen Bürgerkriegs in der «Glorious<br />
Revolution» von 1688 erlebte, verstand die Herrschaftsübertragung an die Regenten als<br />
ein Mandat auf Zeit, das widerrufbar war, wenn die Regierenden die Rechte <strong>und</strong> Freiheiten<br />
der Regierten missachteten. Er wurde zu einem Wegbereiter der Volkssouveränität, des Widerstandsrechtes<br />
<strong>und</strong> der liberalen Demokratie. Als deren gemeinsames Gr<strong>und</strong>prinzip hob er<br />
die Kontrolle der politischen Macht hervor. Deshalb schlug er eine Aufteilung der staatlichen<br />
Hoheitsrechte (Legislative <strong>und</strong> Exekutive) auf zwei Institutionen, das Parlament <strong>und</strong> die Krone,<br />
vor.<br />
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