Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
Zur Repolitisierung<br />
des Militärischen<br />
Auslandseinsätze des<br />
österreichischen Bundesheeres<br />
Peter Steyrer<br />
················································<br />
1. Einleitung<br />
Seit Zusammenbruch des Warschauer<br />
Paktes herrschte im Hinblick auf Militärinterventionen,<br />
insbesondere der<br />
USA, der Glaube an die militärische<br />
Bewältigbarkeit schier jeden Szenarios.<br />
Selbst für Österreich standen die<br />
militärischen Möglichkeiten im Mittelpunkt<br />
der Begründungen für die<br />
Beteiligung an militärischen Auslandseinsätzen.<br />
Gerade für Auslandseinsätze<br />
des neutralen Kleinstaates trat zu<br />
dieser Begründung jedoch noch die<br />
verfassungs- und völker<strong>recht</strong>liche Dimension<br />
hinzu.<br />
Mit den Einsätzen im Tschad und im<br />
Kosovo kehrt endlich auch wieder die<br />
politische Zielsetzung zurück in die Bewertung<br />
von Auslandseinsätzen österreichischer<br />
Truppen. Zunächst nährten<br />
sich die Einwände gegen den Einsatz im<br />
Tschad jedoch aus Bedenken, ob denn<br />
die Ausrüstung hinreichend sei. Erst<br />
später, nachdem der Hauptausschuss<br />
des Nationalrates die Entsendung mit<br />
den Stimmen der Koalitionsparteien<br />
bereits beschlossen hatte, traten politische<br />
und <strong>recht</strong>liche Bedenken hinzu.<br />
Im Hinblick auf den Kosovo lässt ein<br />
unausgesprochener politischer Konsens<br />
den österreichischen Einsatz für<br />
alle parlamentarischen Fraktionen ge<strong>recht</strong>fertigt<br />
erscheinen. Dieser beruht<br />
– auch in der EU – darauf, dass es sich<br />
beim Kosoo um ein direktes Einflussgebiet<br />
handelt, für das man eben Verantwortung<br />
zu übernehmen habe. Diese<br />
wird heute am Einsatz militärischer<br />
Kräfte gemessen, die in diesem Fall<br />
von der NATO gestellt werden, unter<br />
denen sich auch, da ein VN-Mandat<br />
von Anfang an vorlag, 600 österreichische<br />
SoldatInnen befinden. Zum<br />
Interesse am Einsatz trägt bei, dass ein<br />
starkes wirtschaftliches Engagement<br />
vor Ort besteht.<br />
In einem ersten Schritt behandle ich<br />
die <strong>recht</strong>lichen Grundlagen der Aktivitäten<br />
österreichischer Truppen im<br />
Ausland (2.), beleuchte dann aktuelle<br />
Einsatzszenarien (3.) und analysiere<br />
schließlich welche Handlungsspielräume<br />
für friedenspolitische Initiativen<br />
eine Rückbesinnung auf eine friedensorientierte<br />
Sicherheitspolitik eröffnen<br />
würde (4.).<br />
2. Rechtliche Grundlagen eines<br />
Einsatzes österreichischer<br />
Truppen im Ausland<br />
2.1. Verfassungs<strong>recht</strong><br />
Grundlage der Entsendungen österreichischer<br />
SoldatInnen in das Ausland<br />
bildet das 1997 beschlossene Bundesverfassungsgesetz<br />
vom 21.2.1997<br />
über Kooperation und Solidarität bei<br />
der Entsendung von Einheiten und<br />
Einzelpersonen in das Ausland (KSE-<br />
BVG) (BGBl 38/1997), welches das<br />
Entsendegesetz von 1965 ersetzt hat.<br />
Das am 22.4.1997 mit Zweidrittelmehrheit<br />
verabschiedete Verfassungsgesetz<br />
ist „von der Absicht getragen,<br />
für die Teilnahme an Maßnahmen<br />
der Friedenssicherung der Organisation<br />
für Sicherheit und Zusammenarbeit<br />
in Europa (OSZE) sowie für die<br />
Durchführung von Beschlüssen der<br />
EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen-<br />
und Sicherheitspolitik (GASP)<br />
sowie zur Teilnahme an der NATO-<br />
“Partnerschaft für den Frieden“ die<br />
entsprechenden Voraussetzungen zu<br />
schaffen“. 1 Einzelpersonen und Einheiten<br />
können ins Ausland entsendet<br />
werden, um teilzunehmen bei internationalen<br />
Maßnahmen der Friedenssicherung,<br />
der humanitären Hilfe, der<br />
Katastrophenhilfe, der Such- und Rettungsdienste,<br />
sowie zur Teilnahme an<br />
entsprechenden Übungen und Ausbildungsmaßnahmen<br />
auch im Bereich der<br />
militärischen Landesverteidigung. 2<br />
Die Bundesregierung muss im<br />
Hauptausschuss des Nationalrates<br />
über die Auslandseinsätze des Bundesheeres<br />
das Einvernehmen herstellen<br />
– eine einfache Mehrheit finden!<br />
Bei Such- und Rettungsdiensten kann<br />
der Bundesminister selbst entsenden.<br />
Zu Übungen kann die Bundesregierung<br />
nur im Rahmen eines von der<br />
Regierung sechs Wochen vor Ablauf<br />
des Kalenderjahres zu beschließenden<br />
Planes, über den diese unverzüglich<br />
dem Nationalrat zu berichten hat, Entsendungen<br />
ins Ausland durchführen. 3<br />
Wenn humanitäre Hilfe oder Katastrophenhilfe<br />
in einer besonders dringlichen<br />
Lage erforderlich ist, können<br />
der Bundeskanzler und der Bundesminister<br />
für auswärtige Angelegenheiten<br />
zur Entsendung berufen. Allerdings<br />
bestehen Berichterstattungspfl chten<br />
gegenüber der Bundesregierung und<br />
dem Hauptausschuss. 4<br />
Die VN-Charta, Art 23f B-VG und<br />
das BVG vom 26.10.1955 über die<br />
Neutralität Österreichs sind Maßstab<br />
für die Zustimmung zu militärischen<br />
Auslandseinsätzen. Primosch/Siess-<br />
Scherz weisen darauf hin, dass „[i]n<br />
neutralitäts<strong>recht</strong>licher Hinsicht […]<br />
in den parlamentarischen Materialien<br />
ausdrücklich klargestellt [wird], dass<br />
die Ermessensausübung unter anderem<br />
durch ‚die den Inhalt der immerwährenden<br />
Neutralität bestimmenden<br />
Normen‘ […] determiniert wird.“ 5 § 1<br />
Z 2 KSE-BVG verweist darüber hinaus<br />
auf die völker<strong>recht</strong>lichen Verpflichtungen<br />
Österreichs, die Schlussakte<br />
von Helsinki und auf die Gemeinsame<br />
1) Erl zur RV 503 dB zd Sten Prot<br />
XX. GP des NR 1996, 5.<br />
2) Vgl § 1 Z 1f KSE-BVG.<br />
3) § 2 Abs 3 KSE-BVG.<br />
4) § 2 Abs 5 KSE-BVG. Vgl Primosch/Siess-Scherz,<br />
Auslandsentsende<strong>recht</strong><br />
KSE-BVG (1997) 17.<br />
5) Primosch/Siess-Scherz, Auslandsentsende<strong>recht</strong><br />
15.<br />
Seite 10 <strong>juridikum</strong> 2008 / 1